Grün modern
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Isabel Finkenbergen: Vox populi. (Transformations-)potentiale nachkriegs<strong>modern</strong>er Freiraumressourcen<br />
Treffpunkt umgeformt, der einen erheblichen Mehrwert<br />
für die nähere Umgebung und die ganze Stadt<br />
darstellt. In der Nachkriegs<strong>modern</strong>e sind neben<br />
großmaßstäblichen Ingenieursbauwerken auch oft<br />
überdimensionierte Verkehrsräume (Straße und Parkierung)<br />
entstanden, die heute aufgrund veränderter<br />
Rahmenbedingungen und mangelnder Pflege oft<br />
unattraktiv sind oder sogar Barrieren darstellen. Aufgrund<br />
von einsetzenden Veränderungen im Mobilitätsverhalten<br />
und im Planungsverständnis werden<br />
sie mittel- bis langfristig neu interpretiert oder teilweise<br />
rückgebaut werden müssen. Umso wesentlicher<br />
ist es, deren jeweilige Qualität, aber auch deren<br />
Transformationspotenzial zu erfassen und situativ zu<br />
interpretieren.<br />
Entwickeln resilienter Stadtstrukturen durch<br />
integrierte Systeme<br />
R-Urban beschreibt eine Strategie des Pariser Büros<br />
Atelier D‘Architecture Autogérée, die urbane<br />
Determinanten wie Wohnen, Ökonomie, Mobilität,<br />
Landwirtschaft und Kultur in geschlossenen<br />
ökologischen Produktions- und Konsumptionszyklen<br />
verknüpft und damit neue Praktiken lokaler<br />
Widerstandsfähigkeit (Resilienz) etabliert. Gängige<br />
Verhaltensmuster und Lebensmodelle sollen durch<br />
direktes und alltägliches ökonomisches Handeln<br />
auf lokaler Ebene, durch Teilhabe, Selbstverwaltung,<br />
gemeinsames Handeln und solidarische<br />
Netzwerke sukzessive abgelöst werden. Ziel ist<br />
es, die materiellen (Wasser, Energie, Abfall, Nahrung)<br />
und immateriellen Ströme (lokales Wissen,<br />
soziale Ökonomie, lokale Kultur, Selbstbau etc.)<br />
in ein integriertes System zu überführen und anhand<br />
von Pilotprojekten sichtbar zu machen. Die<br />
Strategie agiert auf unterschiedlichen Maßstabsebenen<br />
(häuslich, nachbarschaftlich, städtisch,<br />
regional) und Zeitlichkeiten und ist auch für zukünftige<br />
Veränderungen offen. R steht dabei für<br />
die drei R-Imperative Reduce, Reuse, Recycle, aber<br />
beispielsweise auch für Repair, Re-design, Rethink,<br />
Re-assemble (PETCOU/PETRESCU 2012). Seit<br />
2011 wird R-Urban in Colombes, einer Stadt im<br />
Großraum Paris, mit Unterstützung des EU Life +<br />
Programms sowie der Stadt Colombes anhand von<br />
drei Pilotprojekten umgesetzt. Die AgroCité, eine<br />
Zelle mit urbaner Landwirtschaft, integriert eine<br />
experimentelle Mikro-Farm, Gemeinschaftsgärten,<br />
Bildungs- und Kulturräume sowie Bausteine zur<br />
Energiegewinnung, zur Kompostierung und zum<br />
Regenwassermanagement. Das RecycLab wurde<br />
in ökologischer Bauweise aus recycelten Materialien<br />
errichtet. Neben Infrastrukturen zum Sammeln<br />
und Entsorgen von Materialien bietet das Lab auch<br />
Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Workshops<br />
zum Thema Recycling und nachhaltiges<br />
Bauen. Mit dem EcoHab wurde ein gemeinschaftliches,<br />
ökologisches Wohnprojekt realisiert, welches<br />
sieben experimentelle Gebäude mit differenzierten<br />
Wohntypen (sozialer Wohnungsbau, Wohnungen<br />
für Forscher und Studierende) und Gemeinschaftsräume<br />
umfasst und teilweise in Selbstbauweise errichtet<br />
sind. Nach und nach sollen sich die drei Einheiten<br />
mit weiteren städtischen Einrichtungen zu<br />
einem integrierten System von Orten, Infrastrukturen<br />
und Netzwerken verbinden und Colombes<br />
dadurch nachhaltig qualifizieren. Die Strategie R-<br />
Urban regt mit ihrem Ansatz zur Neuinterpretation<br />
unserer differenzierten, oft funktionsgetrennten<br />
Stadträume und alltäglichen Verhaltensweisen an.<br />
Integriertes Denken erfordert ein Verständnis für<br />
die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Systeme und<br />
Zeitschienen, für globale und lokale Nutzungsmuster.<br />
Insbesondere städtische Freiräume haben das<br />
große Potenzial, auf unterschiedlichen Maßstabsebenen,<br />
als lineare und vernetzte Strukturen, als<br />
einzelne Orte oder als Schnittstellen zu agieren<br />
und damit die singulären Systemgrenzen zu durchbrechen.<br />
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