Philosophisches Themendossier - Philosophie.ch
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Libertarianismus<br />
Individuelle Re<strong>ch</strong>te können mit den staatli<strong>ch</strong>en Kontrollen der Einwanderung in Konflikt<br />
geraten. Wenn man si<strong>ch</strong> vorstellt, dass ein Bauer 30 Gastarbeiter aus Tunesien ins Land<br />
holen mö<strong>ch</strong>te, da er diese auf seinem Hof anstellen mö<strong>ch</strong>te, der Staat ihm dies aber ni<strong>ch</strong>t<br />
gestattet, trifft genau dies zu. Dabei sind ni<strong>ch</strong>t nur die Re<strong>ch</strong>te des Bauern bes<strong>ch</strong>nitten, auf<br />
seinem Hof anzustellen, wen immer er mö<strong>ch</strong>te. Au<strong>ch</strong> die tunesis<strong>ch</strong>en Gastarbeiter werden<br />
in ihrer Bewegungsfreiheit behindert. Die staatli<strong>ch</strong>en Eins<strong>ch</strong>ränkungen können auf diese<br />
Weise respektlos mit den individuellen Re<strong>ch</strong>ten umgehen.<br />
Die libertarianistis<strong>ch</strong>e Position bemängelt zu Re<strong>ch</strong>t, dass damit die staatli<strong>ch</strong>e Aufgabe,<br />
die Freiheiten und Re<strong>ch</strong>te des Einzelnen zu s<strong>ch</strong>ützen, ni<strong>ch</strong>t nur ni<strong>ch</strong>t erfüllt wird, sondern<br />
genau das Gegenteil ges<strong>ch</strong>ieht.<br />
Problematis<strong>ch</strong> hierbei ist aber zu begründen, weshalb die individuellen Re<strong>ch</strong>te immer Vorrang<br />
haben müssen. Ein beliebtes Gegenbeispiel zur libertarianistis<strong>ch</strong>en Position ist Folgendes:<br />
Nur weil eine Person an si<strong>ch</strong> frei ist, dorthin zu gehen, wohin sie mö<strong>ch</strong>te, bedeutet<br />
dies no<strong>ch</strong> lange ni<strong>ch</strong>t, dass sie au<strong>ch</strong> in mein Haus kommen darf, ohne dazu meine Erlaubnis<br />
zu haben. Warum also sollte der Staat jemanden erlauben, ins Land zu kommen, ohne<br />
vorher die Erlaubnis zu erteilen? Ähnli<strong>ch</strong> verhält es si<strong>ch</strong> mit dem Beispiel des Bauern: So<br />
wenig wie der Bauer auf seinem eigenen Land die polizeili<strong>ch</strong>e Gewalt ersetzen darf oder<br />
sonst eine Form von Selbstjustiz pflegen soll, darf er au<strong>ch</strong> keine Personen in seinen Heimatstaat<br />
holen, ohne dass der Staat dies erlaubt hat. (22)<br />
Liberalismus<br />
Folgt man der Konzeption des Liberalismus na<strong>ch</strong> John Rawls, können die Re<strong>ch</strong>te und Freiheiten<br />
aller nur gewährleistet werden, wenn öffentli<strong>ch</strong>e Ordnung und Si<strong>ch</strong>erheit herrs<strong>ch</strong>t.<br />
(23) Dies bedeutet, dass das Re<strong>ch</strong>t auf ungehinderte Immigration einges<strong>ch</strong>ränkt werden<br />
darf, wenn dadur<strong>ch</strong> eine Gefahr für die Freiheit aller besteht. Denn ni<strong>ch</strong>t nur Inländer,<br />
sondern au<strong>ch</strong> Immigranten haben ein Interesse daran, Si<strong>ch</strong>erheit und öffentli<strong>ch</strong>e Ordnung<br />
anzutreffen. Do<strong>ch</strong> lässt si<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> plausibel ma<strong>ch</strong>en, dass diese gefährdet wäre, würde<br />
man die Grenzen öffnen? „Eins<strong>ch</strong>ränkungen des Immigrationsre<strong>ch</strong>tes sind nur gere<strong>ch</strong>tfertigt,<br />
wenn man aus unvoreingenommener Perspektive, frei von Intoleranz oder Rassendiskriminierung,<br />
zeigen kann, dass sie dur<strong>ch</strong>gesetzt werden müssen, um den Zusammenbru<strong>ch</strong><br />
der öffentli<strong>ch</strong>en Ordnung zu verhindern und au<strong>ch</strong> dann nur im dafür nötigen Mass“,<br />
sagt Martino Mona, in Analogie zu einem Beispiel der Religionsfreiheit bei Rawls. (24)<br />
Inwiefern können wir diese Position nun zu den Argumenten Pro offene Grenzen zählen?<br />
S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> geht es ja darum, unter wel<strong>ch</strong>en Voraussetzungen die Einwanderung bes<strong>ch</strong>ränkt<br />
werden darf. Die liberalistis<strong>ch</strong>e Position kann daher zu den Argumenten für offene<br />
Grenzen gezählt werden, da die Bes<strong>ch</strong>ränkung der Einwanderung nur im nötigsten – und<br />
das heisst nur im mögli<strong>ch</strong>st kleinen – Rahmen gere<strong>ch</strong>tfertigt werden kann.<br />
Ob man eine genügende Faktenlage zusammentragen kann, um zu belegen, dass ein Zusammenbru<strong>ch</strong><br />
der öffentli<strong>ch</strong>en Ordnung stattfinden würde, wären die Grenzen der S<strong>ch</strong>weiz<br />
offen, sei an diesem Punkt dahingestellt.<br />
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