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Philosophisches Themendossier - Philosophie.ch

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Die Angst vor Einwanderung<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

„Einwanderer sind Mens<strong>ch</strong>en mit Zielen,<br />

mutige Mens<strong>ch</strong>en, die ihre eigene Situation<br />

verbessern wollen. Sie haben – um es<br />

vereinfa<strong>ch</strong>t zu sagen – mehr Potenzial als<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> auf ihren Privilegien<br />

ausruhen können.“ (1) Diesen Standpunkt<br />

bezog Prof. Mona, der au<strong>ch</strong> seine Dissertation<br />

dem Thema Migrationsethik gewidmet<br />

hatte, in einem Interview.<br />

Do<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz herrs<strong>ch</strong>t Angst vor Einwanderung.<br />

In zahlrei<strong>ch</strong>en Zeitungsartikeln<br />

liest man davon, dass den S<strong>ch</strong>weizern die<br />

Jobs weggenommen werden (2) oder, dass<br />

es zu eng wird im Land („A<strong>ch</strong>t Millionen sind<br />

genug“ (3)). Die Frage wäre dementspre<strong>ch</strong>end,<br />

ob diese Ängste faktenmässig bere<strong>ch</strong>tigt<br />

sind und wel<strong>ch</strong>e Geisteshaltung dahinter<br />

steht. Denn je na<strong>ch</strong>dem, ob si<strong>ch</strong> die<br />

S<strong>ch</strong>weizer und S<strong>ch</strong>weizerinnen als liberal<br />

verstehen oder ni<strong>ch</strong>t, fällt au<strong>ch</strong> deren Urteil<br />

in der politis<strong>ch</strong>en Einwanderungsdebatte jeweils<br />

anders aus. Wenn ein Urteil rational<br />

ausfallen soll, müssen diese zwei Punkte<br />

mit einbezogen werden. Reine polemis<strong>ch</strong>e<br />

Angstma<strong>ch</strong>erei ist jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t angebra<strong>ch</strong>t.<br />

Zur Zeit beträgt der Anteil anderer Staatsangehörigen<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz 22.8% (4). Knapp<br />

die Hälfte (47,7%) der ständigen ausländis<strong>ch</strong>en<br />

Wohnbevölkerung in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

kommt aus den EU-Staaten Deuts<strong>ch</strong>land,<br />

Frankrei<strong>ch</strong>, Italien und Portugal. (5)<br />

Die geläufigsten Argumente gegen no<strong>ch</strong><br />

mehr Einwanderer beziehen si<strong>ch</strong> auf folgende<br />

Themen:<br />

• Wirts<strong>ch</strong>aft: Je mehr Ausländer im Land<br />

sind, umso weniger Stellenangebote gibt<br />

es für S<strong>ch</strong>weizer und S<strong>ch</strong>weizerinnen.<br />

• Sozialvorsorge: Die AHV und IV wird<br />

dur<strong>ch</strong> Sozials<strong>ch</strong>marotzer ausgenutzt<br />

und kostet die S<strong>ch</strong>weiz viel Geld.<br />

• Kulturelle Entwicklung: Die S<strong>ch</strong>weizer<br />

Kultur geht verloren, weil zu viele Personen<br />

mit einem anderen kulturellen<br />

Hintergrund in der S<strong>ch</strong>weiz wohnen.<br />

• Integration: Die Integration gelingt nur<br />

bedingt, weshalb im Verhältnis viele Ausländer<br />

kriminelles Verhalten zu Tage legen.<br />

(6)<br />

• Raumplanung: Der Platz in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

ist bes<strong>ch</strong>ränkt. Je mehr Leute hier wohnen,<br />

umso enger wird es.<br />

Die geläufigsten Argumente für die Einwanderung<br />

sind (7):<br />

• Wirts<strong>ch</strong>aft: Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit<br />

ist zahlenmässig ein überwiegender<br />

Grund für die Einwanderung.<br />

Ohne Zuwanderung wäre die positive<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung der S<strong>ch</strong>weiz<br />

ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>. Zudem arbeiten Einwanderer<br />

häufiger Vollzeit als Einheimis<strong>ch</strong>e.<br />

Langfristig gewi<strong>ch</strong>tiger als das Kriterium<br />

der Nationalität sind Bildungsniveau und<br />

Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t.<br />

• Sozialvorsorge: 26,7% der AHV-Beiträge<br />

stammen von Ausländerinnen und<br />

Ausländern. Diese bezogen aber insgesamt<br />

ledigli<strong>ch</strong> 17,9 Prozent der Leistungen.<br />

• Bevölkerungsstruktur: Es gibt zu wenig<br />

Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s. Während 2009 von 100 Erwerbstätigen<br />

32 Personen über 65 Jahre<br />

alt waren, dürften dies im Jahr 2060 fast<br />

doppelt so viele sein. Dank der Zuwanderung<br />

kann dieser Alterungsprozess etwas<br />

verlangsamt, aber ni<strong>ch</strong>t aufgehalten<br />

werden.<br />

• Kulturelle Entwicklung: Die S<strong>ch</strong>weiz ist<br />

historis<strong>ch</strong> bedingt ein Einwandererland<br />

und hat trotzdem die eigene Kultur ni<strong>ch</strong>t<br />

verloren. Mehr zur Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Immigration,<br />

siehe Literaturtipps.<br />

• Liberaler Re<strong>ch</strong>tsstaat: Wenn si<strong>ch</strong> die<br />

S<strong>ch</strong>weiz als liberaler Staat versteht, ist<br />

es ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>vollziehbar, weshalb in der<br />

Einwanderungspolitik eine Ausnahme<br />

gema<strong>ch</strong>t wird.<br />

An dieser Gegenüberstellung der geläufigsten<br />

politis<strong>ch</strong>en Argumente erkennt man,<br />

dass die Fakten in gewissen Fällen s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>tweg<br />

übersehen oder ignoriert werden.<br />

4

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