Philosophisches Themendossier - Philosophie.ch
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6. Demokratie<br />
Im Zusammenhang mit der politis<strong>ch</strong>en<br />
Selbstdefinition steht das Bedürfnis, Personen<br />
in politis<strong>ch</strong>e (und ortsgebundene)<br />
Gruppen einzuteilen. Die Idee dabei liegt<br />
im demokratis<strong>ch</strong>en System, wel<strong>ch</strong>es dur<strong>ch</strong><br />
dieselben Mens<strong>ch</strong>en getragen werden<br />
muss, die au<strong>ch</strong> von den erstellten Regeln<br />
und Gesetzen betroffen sind. Wenn nun die<br />
Mitglieds<strong>ch</strong>aft in dieser Demokratie ständig<br />
ändert, könnte keine Selbstdefinition stattfinden,<br />
da es andere Mens<strong>ch</strong>en waren, die<br />
die Gesetze aufstellten, als diejenigen, die<br />
von den erstellten Gesetzen betroffen sind.<br />
(16) Bei diesem Argument hat Philip Cole<br />
zwei problematis<strong>ch</strong>e Punkte hervorgehoben:<br />
• Sogar wenn es stimmt, dass eine Demokratie<br />
mit einer si<strong>ch</strong> ändernden Mitglieds<strong>ch</strong>aft<br />
ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> funktionieren<br />
kann, folgt daraus ni<strong>ch</strong>t, dass eine Demokratie<br />
ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> regional organisiert<br />
werden könnte. Cole: “[It] seems clear<br />
that democratic rights can be confined<br />
to a region, with people entering and<br />
leaving that region freely and exercising<br />
the local democratic rights during their<br />
residency.” (17) (Es s<strong>ch</strong>eint klar, dass<br />
demokratis<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>te regional abgegrenzt<br />
werden, mit Personen, die diese<br />
Region frei betreten und verlassen und<br />
deren Re<strong>ch</strong>te ausüben, solange sie dort<br />
wohnen.)<br />
• Wenn si<strong>ch</strong> eine Demokratie dur<strong>ch</strong> politis<strong>ch</strong>e<br />
Institutionen mit Zwangsmitteln<br />
zusammensetzt, müssen diese vorangehend<br />
dur<strong>ch</strong> die Betroffenen legitimiert<br />
werden. Wenn dem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> so ist,<br />
müssten diejenigen Personen, die si<strong>ch</strong><br />
um die Aufnahme in der Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
(dem Land) bemühen, ebenso ein Mitspra<strong>ch</strong>ere<strong>ch</strong>t<br />
in Bezug auf die Einwanderungsgesetze<br />
haben.<br />
7. Indirekter Kosmopolitanismus<br />
Kosmopoliten werten alle Personen glei<strong>ch</strong>,<br />
weshalb sie si<strong>ch</strong> oft für offene(re) Grenzen<br />
ausspre<strong>ch</strong>en. Wenn man beispielsweise<br />
annimmt, dass das Leben eines Westeuropäers<br />
glei<strong>ch</strong>viel wert ist wie dasjenige<br />
eines Afrikaners aus der Sub-Sahara, ist es<br />
s<strong>ch</strong>wierig zu re<strong>ch</strong>tfertigen, weshalb einige<br />
Personen in ihrem Land bleiben müssen<br />
– ohne ein annehmbares Leben führen zu<br />
können – nur wegen dem (moralis<strong>ch</strong> gesehen<br />
willkürli<strong>ch</strong>en) Kriterium, wo sie geboren<br />
sind. Indirekte Kosmopoliten vertreten hingegen,<br />
dass es wohlhabenden, liberalen<br />
und demokratis<strong>ch</strong>en Staaten erlaubt sein<br />
muss, Ausländer ni<strong>ch</strong>t einwandern zu lassen,<br />
um besser internationale Institutionen<br />
hervorbringen zu können, wel<strong>ch</strong>e die Armut<br />
im Ausland bekämpfen, um dort ein annehmbares<br />
Leben zu ermögli<strong>ch</strong>en. (18)<br />
Dieses Argument stützt si<strong>ch</strong> auf einer<br />
Vielzahl von kontroversen Prämissen ab,<br />
wel<strong>ch</strong>es die besten und realistis<strong>ch</strong>en Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
sind, um einen Ausglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />
den ärmsten und den rei<strong>ch</strong>sten Ländern<br />
auf der Welt herbeizuführen.<br />
Plausiblerweise ist es so, dass rei<strong>ch</strong>e Länder<br />
eher die Mögli<strong>ch</strong>keit haben, internationale<br />
Institutionen zu erstellen als arme Länder.<br />
Solange si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> in einem grossen<br />
geopolitis<strong>ch</strong>en Kontext die Situation der<br />
armen Länder ni<strong>ch</strong>t dramatis<strong>ch</strong> verbessert,<br />
ist anzunehmen, dass die Armut, Korruption<br />
und Verletzli<strong>ch</strong>keit der Bevölkerung anhält.<br />
Das die Wohlfahrtsstaaten sol<strong>ch</strong>e internationalen<br />
Organisationen nur dann kreieren<br />
oder reformieren, solange sie keine ständige<br />
Sorge um massive, ungewollte Einwanderung<br />
haben müssen, ers<strong>ch</strong>eint ebenso<br />
plausibel.<br />
Unter diesem Aspekt und um die besten<br />
langfristigen Chancen zu eröffnen, dass si<strong>ch</strong><br />
die Situation der ärmsten Länder verbessert,<br />
liesse si<strong>ch</strong> der indirekte Kosmopolitanismus<br />
re<strong>ch</strong>tfertigen. Wi<strong>ch</strong>tig zu bea<strong>ch</strong>ten ist aber,<br />
dass dies ni<strong>ch</strong>t komplett dem Gedanken der<br />
Befürwortern von ges<strong>ch</strong>lossenen Grenzen<br />
entspri<strong>ch</strong>t. Dies hat folgenden Grund: Es<br />
folgt daraus, dass sobald si<strong>ch</strong> die geopolitis<strong>ch</strong>e<br />
Situation verbessert hat, kein Grund<br />
mehr besteht um die Grenzen weiterhin ges<strong>ch</strong>lossen<br />
zu halten. Die Befürworter von<br />
ges<strong>ch</strong>lossenen Grenzen werden diese Position<br />
daher nur bedingt befürworten. (19)<br />
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