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FIT FOR TRAVEL<br />

AUTOR TOBIAS HATJE<br />

Speed up ist das Motto<br />

von Benedikt Böhm (34).<br />

Der gebürtige Bayer ist<br />

der Sebastian Vettel der<br />

Berge. Seine Berufung:<br />

in Höllentempo Gipfel zu<br />

erklimmen. Sein Beruf:<br />

Geschäftsführer eines Skiherstellers. Böhm<br />

kennt sich aus in seinem Metier. Schon in<br />

seiner Jugend steigt er mit Schulfreund<br />

und Kletterpartner Sebastian Haag (heute<br />

32) in Rekordzeit auf Berge und rast sie auf<br />

Skiern wieder herunter. 5000er, 6000er,<br />

später auch 8000er. Wofür klassische<br />

Expeditionen Tage benötigen, machen die<br />

beiden in weniger als 24 Stunden. Nicht<br />

um neue Rekorde aufzustellen, sondern<br />

um die eigenen Kräfte zu messen: „Du<br />

kannst dich nur selber herausfordern, an<br />

deinen eigenen Ansprüchen messen. Einen<br />

objektiven Vergleich am Berg oder bei einer<br />

Gipfelbesteigung kann es nicht geben. Dafür<br />

sind die Bedingungen jeweils zu unterschiedlich“,<br />

sagt Böhm.<br />

Das gilt für 8000er-Gipfel im Himalaja genauso<br />

wie für die Bergspitzen der Alpen,<br />

von denen er vier im Oktober 2010 in<br />

Angriff nimmt. Projekt X4 nennt sich das<br />

Unterfangen: vier Gipfel in vier Ländern in<br />

vier Tagen. Gemeinsam mit vier Freunden<br />

bricht Böhm auf. 400 Kilometer Distanz<br />

gilt es zu bewältigen. Zu Fuß, mit dem<br />

Bike und auf Skiern. Und das alles „by fair<br />

means“, also nur mit eigener Muskelkraft,<br />

ohne Bahnnutzung am Berg oder Shuttle<br />

im Tal. „Das war eine Alpenquerung im<br />

Schnelldurchlauf“, sagt Böhm im Rückblick<br />

auf die Blitzaktion.<br />

Die vier Kumpels sind allesamt schon lange<br />

Weggefährten: Der Deutsche Schorsch<br />

Nickaes (40) war lange Zeit wie Böhm in<br />

der Nationalmannschaft Skibergsteigen,<br />

der Österreicher Elmar Tritscher (38) ist leidenschaftlicher<br />

Extrem-Ausdauer sportler,<br />

der Spanier Javier Martin de Villa (30) Trainer<br />

und Manager der spanischen Jugend-<br />

BENEDIKT BÖHM (34)<br />

Speedbergsteiger und Geschäftsführer<br />

des Skiherstellers Dynafit. Oft trainiert der<br />

Familienvater nachts, um sich auf seine<br />

anstrengenden Expeditionen vorzubereiten<br />

Nationalmannschaft Skibergsteigen und<br />

Pete Swenson (46) aus den USA ein erfahrener<br />

Speedbergsteiger.<br />

Die fünf starten um sechs Uhr an einem<br />

herrlichen Herbstmorgen im Olympiastadion<br />

von Garmisch-Partenkirchen (siehe<br />

Karte auf Seite 117). Es geht um nichts –<br />

und doch darum, möglichst schnell von der<br />

Zugspitze bis zum Piz Palü zu kommen.<br />

Die ersten 2000 Höhenmeter rauf auf<br />

Deutschlands höchsten Berg (2962 Meter)<br />

legen Böhm und Co. mit dem Rad zurück.<br />

An der Knorr hütte deponieren sie die<br />

Bikes, die letzten Höhenmeter zur Zugspitze<br />

laufen sie zu Fuß. Um 11.28 Uhr<br />

haben sie ihren ersten Gipfel erreicht.<br />

Zeit, das Gipfelglück auszukosten, bleibt<br />

nicht. Mit dem Bike geht’s anschließend<br />

wieder gen Tal, über den Fernpass nach<br />

Imst und nach insgesamt 140 Kilometern<br />

und vierzehn Stunden ans Tagesziel nach<br />

Zwieselstein.<br />

Am nächsten Tag lacht die Hochgeschwindigkeitsabenteurer<br />

einer der schönsten<br />

Alpengipfel an: der Similaun mit 3599 Meter<br />

Höhe. Rauf, runter – und ab in den<br />

Whirlpool des urigen Hotels in Sulden.<br />

Am Tag drei zeigen sich die Alpen von ihrer<br />

launischen Seite. Der Ortler (3905 Meter)<br />

ist ungnädig, wolkenverhangen und verschneit.<br />

Erschöpft und etwas enttäuscht<br />

beschließen die fünf kurz vor dem Gipfel<br />

umzudrehen.<br />

Am letzten Tag wartet dann das Highlight<br />

der Tour: der Aufstieg mit Skiern und Fellen<br />

auf den Piz Palü (3901 Meter) und die<br />

atemberaubende Abfahrt auf Skiern über<br />

den schneebedeckten Gletscher.<br />

Um Trips wie das Projekt X4 zu bestehen,<br />

trainiert Benedikt Böhm bis zu 400 000<br />

Höhenmeter im Jahr. Wie er das macht,<br />

neben seinem Job, neben seinen Pflichten<br />

als Familienvater? Das wollten wir auch<br />

wissen und haben ihn kurzerhand beim<br />

Training begleitet. Es ist 4.30 Uhr, als sein<br />

„DAS EINZIGE, WAS ICH NOCH AUF-<br />

ZEICHNE, SIND DIE HÖHENMETER.<br />

EINEN TRAININGSPLAN BRAUCHE<br />

ICH NICHT“ BENEDIKT BÖHM<br />

Wecker klingelt. Draußen wabert kalter<br />

Nebel durch die Bäume. Es ist düster. Das<br />

Thermometer zeigt vier Grad Celsius. Verdammt<br />

ungemütlich. Objektiv betrachtet<br />

besteht in diesem Moment nicht der geringste<br />

Grund, das warme, kuschelige Bett<br />

zu verlassen. Erst gegen 9.30 Uhr ist<br />

Dienstantritt im Büro. Doch Böhm springt<br />

voller Energie aus dem Bett. Seine blauen<br />

Augen funkeln selbst in dieser dämmrigen<br />

Kulisse. Der Gipfel der Haslerspitze (1786<br />

Meter) in der Nähe vom Tegernsee ist sein<br />

Ziel heute Morgen, 1000 Höhenmeter.<br />

Meistens nimmt er sich die doppelte Höhe<br />

vor dem Frühstück vor. „1200 Höhenmeter<br />

kann man gut in einer Stunde schaffen, mit<br />

Skiern sogar mehr“, sagt Böhm. Irgendwie<br />

wird man den Eindruck nicht los, dass<br />

FOTOS: DYNAFIT/MICHAEL MEISL<br />

112<br />

fitforfun 12/2011

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