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THEMA DES MONATS<br />

„WIR VERZICHTEN AUF KORTISON“<br />

Mit Händen und biologischen Präparaten behandeln Dr. Müller-<br />

Wohlfahrt, Doc des FC Bayern München und der deutschen Fußball-<br />

Nationalmannschaft, sowie seine Kollegen Priv.-Doz. Dr. Ueblacker<br />

und Dr. Hänsel im Zentrum für Orthopädie und Sportmedizin<br />

Herr Dr. Müller-Wohlfahrt, ein Patient<br />

mit Rückenschmerzen kommt zu Ihnen<br />

in die Praxis: Wie gehen Sie vor?<br />

Wie meine Kollegen auch befrage ich<br />

ihn ausführlich zu seiner Kran kengeschich<br />

te, aber auch zu seiner allgemeinen<br />

persönlichen Verfassung. Hieran<br />

schließt sich eine gründliche körperliche<br />

Unter suchung an. Die Bemerkung vieler<br />

Pa tienten: „Bei Ihnen bin ich das erste<br />

Mal richtig körperlich untersucht worden“<br />

zeigt, dass das nicht selbstverständlich<br />

ist. Dann veranlassen wir gegebenenfalls<br />

Röntgen- oder Kernspin auf nahmen – und<br />

erstellen einen indivi duellen The ra pieplan<br />

gemeinsam mit dem Patienten.<br />

Sie sind bekannt für Ihre „magischen“<br />

Hände. Sind Ärzte im Allgemeinen zu<br />

wenig geschult in der Untersuchung mit<br />

den eigenen Händen?<br />

Ich glaube schon, dass in der Ausbildung<br />

von Medizinstudenten und Fachärzten<br />

die körperliche Untersuchung<br />

vernachlässigt wird. Man kann sich aber<br />

auch in der eigenen Praxis darin üben.<br />

Herr Dr. Hänsel, Sie wenden in Ihrer<br />

Praxis eine spezielle Rückentherapie an.<br />

Wie sieht die aus?<br />

Wenn etwa ein Bandschei ben vorfall oder<br />

Abnutzungserscheinungen der kleinen<br />

Wirbelgelenke vorliegen, führen wir eine<br />

besondere Injektions therapie durch.<br />

Da bei verwenden wir keine eigenen<br />

„Cock tails“, wie es in der Presse von<br />

Zeit zu Zeit heißt, sondern allgemein<br />

erhältliche homöopathische und biologische<br />

Subs tanzen, wie Traumeel oder<br />

Discus Composi tum. Diese injizieren<br />

wir über mehrere Nadeln: in die oftmals<br />

verhärtete Mus ku latur, an die kleinen<br />

Wirbel gelenke und an die Nervenwurzeln.<br />

Üblicherweise wird bei diesen Verfahren<br />

Kortison und Kochsalzlösung eingebracht<br />

– etwa um vorgewölbte Band schei ben<br />

zu schrumpfen.<br />

Wir verzichten auf Kortison, da es das<br />

be handelte Gewebe, also auch Band -<br />

schei ben, spröde werden lässt und mit<br />

einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden<br />

ist. Am wichtigsten ist jedoch, dass<br />

Kortison die körpereigenen Reparatur me -<br />

chanismen blockiert, anstatt sie zu fördern.<br />

Die Spritzentherapie erfolgt oh ne<br />

die sonst meist übliche Röntgen kon trol le,<br />

also ohne Strahlenbelastung. Der geübte<br />

Behand ler kann die richtigen Ein trittspunkte<br />

für die Na deln ertasten. Die Injek -<br />

tionstherapie wird in der Re gel mit einer<br />

gezielten Physiotherapie kombiniert.<br />

Wie sieht die aus?<br />

Wir beginnen mit passiven Maßnah men<br />

wie Wärme, Mobilisation und Locke rungs -<br />

übungen und schließen ab mit aktiver<br />

Rumpf sta bilisation. Wenn wir Spitzensport<br />

ler wie beschrieben behandeln,<br />

können sie ihr Training meist<br />

rasch wieder aufnehmen.<br />

Herr Dr. Ueblacker, immer<br />

öfter wird minimalinvasiv<br />

operiert. Wie stehen Sie dazu?<br />

Die Erfahrung zeigt, dass<br />

die se Eingriffe oft empfohlen<br />

werden, ohne dass sanftere,<br />

konservative Maßnahmen<br />

ausgeschöpft wurden.<br />

Nicht selten verschlechtern<br />

sich die Beschwerden nach<br />

einer Operation sogar. Das<br />

liegt unter anderem daran,<br />

dass auch bei minimalinvasiven<br />

Operatio nen ein chirurgischer<br />

Zugang nö tig ist.<br />

Hierdurch und durch die Mani<br />

pu la ti on in der Tiefe können Blutungen<br />

entstehen, aber auch Narbengewe be,<br />

was wieder irritiert und Folgeprobleme<br />

bereiten kann. Eine Operation sollte daher<br />

immer sehr gut überlegt sein. Bei<br />

Beschwerden wie Lähmungen im Bein<br />

kann sie aber auch unumgänglich sein.<br />

DR. HANS-WILHELM MÜLLER-WOHLFAHRT (69, M.) Fach arzt<br />

für Orthopädie und Sportmedizin, DR. LUTZ HÄNSEL (41, l.)<br />

Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin,<br />

PD DR. PETER UEBLACKER (39, r.) Facharzt für Orthopädie<br />

und Unfallchirurgie, Sport me dizin, Chirotherapie; weitere<br />

Infos unter www.mw-oc.de<br />

MYTHOS 2<br />

EINE HARTE<br />

MATRATZE<br />

IST GESUND<br />

Die Wahrheit liegt in der<br />

Mitte. Entscheidend ist,<br />

dass die Wirbelsäule im<br />

Liegen ihre natürliche<br />

Krümmung behält.<br />

Sinkt etwa die Schulter<br />

in Seitlage gar nicht<br />

ein, knickt der Hals ab.<br />

Ideal: punkt elastische<br />

Matratzen, die entsprechend<br />

dem Körpergewicht<br />

nachgeben.<br />

Es ist wie mit der Takelage eines<br />

Segelschiffs – so halten mehr als<br />

150 Muskeln und ein Geflecht aus<br />

Sehnen und Bändern unsere Wirbelsäule<br />

im Lot. Unser hektischer Alltag<br />

gleicht einem Einsatz in stürmischer See<br />

– da müssen die Taue immer wieder gestrafft,<br />

sprich: die Muskeln trainiert werden.<br />

Und die Masten restauriert, sprich:<br />

die Wirbelsäule entspannt. Genau daran<br />

aber hapert es, denn Deutschland bewegt<br />

sich ... viel zu wenig! 17 Millionen Erwerbstätige<br />

hierzulande arbeiten im Sitzen.<br />

Und laut einer aktuellen Umfrage<br />

von FIT FOR FUN und der DAK treiben<br />

34 Prozent der Deut schen nur einmal in<br />

der Woche oder seltener Sport. Das nimmt<br />

uns der Rücken krumm: Die Muskeln erschlaffen,<br />

Bän der übernehmen Haltefunktionen<br />

und sind damit überfordert,<br />

Schon- und Fehlhaltungen<br />

schleifen sich ein, Verspannungen<br />

und Schmerzen sind<br />

programmiert. Tröstlich ist,<br />

dass in acht von zehn Fällen<br />

die Beschwerden nach spätestens<br />

zwei bis drei Monaten<br />

(fast) von allein wieder verschwinden.<br />

Aber die Gefahr<br />

ist da, dass sie, in kürzeren<br />

Abständen, wiederkehren<br />

und chronisch werden. „Das<br />

trifft auf ungefähr 20 Prozent<br />

aller Rücken schmerzpatienten<br />

zu“, sagt Professor<br />

Monika Hasenbring, vom<br />

Institut für Medizi nische<br />

Psychologie der Ruhr-Universität<br />

Bochum. Unterschätzte Risikofaktoren:<br />

Stress und Unzufriedenheit<br />

mit der eigenen Lebenssituation. Beides<br />

schlägt aufs Gemüt – und der Rücken<br />

trägt das mit.<br />

Bewegung als Heilmittel also? Wer schon<br />

mal von der „Hexe“ heimgesucht wurde,<br />

kennt den Reflex: bloß nicht rühren! Doch<br />

auch wenn’s wehtut: „Schmerzen sind kein<br />

Grund, sich zu schonen“, sagt Schmerztherapeut<br />

Dr. Hubertus Kayser, 55, aus<br />

Bremen. Sie sind ein Alarmzeichen, aber<br />

„die Sorge, mit Bewegung etwas kaputt zu<br />

machen, ist unbegründet“. Also: Packen<br />

Sie eine Wärm fla sche (alternativ:<br />

30 fitforfun 12/2011

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