Ausgabe - 28 - 2012 - Produktion
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32 · Beruf und Karriere · <strong>Produktion</strong> · 12. Juli <strong>2012</strong> · Nr. <strong>28</strong><br />
SKILLS<br />
Eine schleichende Dequalifizierung vermeiden<br />
BERNHARD KUNTZ, PRODUKTION NR. <strong>28</strong>, <strong>2012</strong><br />
Warum sind so viele ältere Ingenieure arbeitslos? Analysiert man die<br />
Biografien von Stellensuchern, dann entdeckt man in diesen einige<br />
Fallen, in die junge Ingenieure keinesfalls tappen sollten.<br />
LANDSBERG (GK). Günter Broszeit<br />
ist frustriert. Seit fünf Jahren bewirbt<br />
sich der 49 Jahre alte, arbeitslose<br />
Elektroingenieur auf offene<br />
Stellen – erfolglos. Und kommt es<br />
zu einem Vorstellungsgespräch?<br />
Hierzu wurde der Vater zweier Kinder<br />
in den vergangenen zwei Jahren<br />
nur noch von Zeitarbeitsfirmen<br />
eingeladen. Nur noch verbittert<br />
lachen kann Broszeit denn auch<br />
über die Klage vieler Industrieverbände,<br />
die deutschen Unternehmen<br />
könnten ihren Ingenieurbedarf<br />
nicht decken. „Die suchen alle<br />
frischgebackene Hochschulabsolventen.<br />
Mit 40, spätestens 45 zählt<br />
du als Ingenieur zum alten Eisen.“<br />
Diese Erfahrung sammeln außer<br />
Broszeit Tausende seiner Berufskollegen.<br />
Aktuell sind in Deutschland<br />
circa 20 000 Ingenieure arbeitslos.<br />
Hiervon sind die meisten<br />
älter als 45 Jahre. Doch warum sind<br />
so viele ältere Ingenieure arbeitslos,<br />
während zugleich der VDI über<br />
eine ‚Ingenieurlücke‘ von 80 000<br />
Ingenieuren klagt? Offensichtlich<br />
werden so manche ältere Ingenieure<br />
von den Unternehmen heute<br />
eher als Ballast empfunden. Doch<br />
warum? Eine Studie der TÜV<br />
Rheinland Group ergab bereits vor<br />
Jahren: Ein zentrales Manko vieler<br />
älterer Ingenieure aus Sicht der<br />
Unternehmen ist, dass sie vor allem<br />
in ihrer eigenen wissenschaftlich-technischen<br />
Disziplin fit sind<br />
– also zum Beispiel im Maschinenbau.<br />
Als recht niedrig stufen die<br />
Unternehmen hingegen oft ihr<br />
Know-how in den ‚angrenzenden<br />
technischen Disziplinen‘ ein – zum<br />
Beispiel bei Maschinenbauern in<br />
den Bereichen Elektro- und Verfahrenstechnik.<br />
Ingenieure brauchen<br />
breitere Qualifikation<br />
Auch ihrem Wissen bezüglich einer<br />
effektiven Gestaltung von Arbeitsprozessen<br />
und -abläufen geben<br />
sie eher schlechte Noten. Wenn<br />
man Ingenieure auf Stellensuche<br />
nach ihrer Erfahrung fragt, dann<br />
denken sie vor allem daran, dass sie<br />
zum Teil bereits Jahrzehnte als Ingenieur<br />
gearbeitet haben. Das allein<br />
interessiert die Personalverantwortlichen<br />
in den Unternehmen<br />
aber wenig, betont Unternehmensberater<br />
Alexander Walz. Sie fragen<br />
sich bei älteren Bewerbern vor allem:<br />
Nahm der Stellensucher schon<br />
ähnliche Aufgaben wahr, wie sie in<br />
unserem Betrieb zu erfüllen sind?<br />
Und: Bringt er ohne längere Einarbeitungszeit<br />
die gewünschte Leistung?<br />
Ist dies nicht der Fall, schreiben<br />
sie ihm eine geringe Erfahrung<br />
und ein geringes Fachwissen zu.<br />
Doch warum fehlt älteren Ingenieuren<br />
oft die von der Industrie<br />
gewünschte Qualifikation? Eine<br />
Ursache ist laut Berater Kraus, der<br />
selbst ein promovierter Wirtschaftsingenieur<br />
ist: „In vielen<br />
Unternehmen erfolgt keine systematische<br />
Weiterentwicklung der<br />
Kompetenz der Ingenieure“ – insbesondere<br />
derjenigen, die die<br />
Fachlaufbahn einschlagen. Für<br />
angestellte Ingenieure bedeutet<br />
dies: Es hängt meist von ihrer Initiative<br />
und dem Engagement ihres<br />
unmittelbaren Vorgesetzten ab, inwiefern<br />
eine systematische Weiterbildung<br />
erfolgt. Das begünstigt eine<br />
schleichende Dequalifizierung.<br />
Am stärksten gefördert werden Ingenieure<br />
nach ihrem Berufseinstieg.<br />
Danach sinkt der Umfang der<br />
Weiterbildung kontinuierlich –<br />
Jahr für Jahr. Neben dem Umfang<br />
schrumpft auch die inhaltliche<br />
Breite der Weiterbildung. Sie spitzt<br />
sich im Laufe der Jahre, wie Ulrich<br />
Dessel, Geschäftsführer der Mittelstandsberatung<br />
Nollens, Dessel &<br />
Kollegen, Soyen, aus Erfahrung<br />
weiß, „immer stärker auf die jeweils<br />
aktuelle Position zu“.<br />
Sich systematisch<br />
weiterbilden<br />
Das heißt, viele Ingenieure eignen<br />
sich zwar noch das Fach- und<br />
Methodenwissen an, das sie zum<br />
Wahrnehmen ihrer aktuellen Aufgaben<br />
brauchen, eine Qualifizie-<br />
Ingenieure<br />
sollten darauf<br />
achten, dass sie<br />
gezielte Weiterbildungen<br />
bekommen,<br />
damit<br />
es keine schleichende<br />
Dequalifizierung<br />
gibt.<br />
Bild: Gina Sanders, Fotolia<br />
rung für künftige Aufgaben erfolgt<br />
jedoch nicht. Auch dies führt, so<br />
Dessel, „zu einer schleichenden<br />
Dequalifizierung und dazu, dass<br />
die Ingenieure immer schwieriger<br />
einsetzbar sind“. Personalberater<br />
Walz und Mittelstandsberater Dessel<br />
empfehlen deshalb Ingenieuren<br />
nicht nur, sich regelmäßig weiterzubilden<br />
– und diese Weiterbildung<br />
gegebenenfalls einzufordern.<br />
Mindestens ebenso wichtig ist aus<br />
ihrer Warte, dass die Weiterbildung<br />
die erforderliche Breite aufweist.<br />
Konkret heißt dies: Ein Maschinenbauer<br />
sollte sich auch in den<br />
angrenzenden Disziplinen weiterqualifizieren.<br />
Denn wenn ein Spezialist<br />
über viele Jahre hinweg nur<br />
sein Spezialwissen vertieft, mutiert<br />
er irgendwann zum ‚Fachidioten‘.<br />
ARBEITSMARKT-REPORT <strong>2012</strong><br />
Unternehmen suchen verstärkt Elektroniker<br />
PRODUKTION NR. <strong>28</strong>, <strong>2012</strong><br />
Der Bereich Elektrotechnik boomt in Deutschland. Entsprechend steigt<br />
in diesem Jahr die Zahl der Stellenangebote für Elektroniker. Sie werden<br />
sogar häufiger gesucht als Elektrotechnik-Ingenieure.<br />
MÜNCHEN (GK). Die Unterschiede<br />
am europäischen Arbeitsmarkt<br />
könnten kaum größer sein: Während<br />
in anderen Ländern Fachkräfte<br />
verzweifelt auf Arbeitssuche<br />
sind, verzeichnet Deutschland einen<br />
Tiefstand der Arbeitslosenzahlen.<br />
Fast alle Berufsgruppen<br />
profitieren hier von deutlichen<br />
Stellenzuwächsen gegenüber dem<br />
Vorjahr. Derzeit sind besonders<br />
Fachkräfte in den Bereichen Kundenberatung,<br />
Vertrieb und Verkauf,<br />
Elektrotechnik, Maschinenbau<br />
sowie Gesundheitswesen gesucht.<br />
Dies zeigt der aktuelle<br />
DEKRA Arbeitsmarkt-Report <strong>2012</strong>.<br />
Infolge der positiven wirtschaftlichen<br />
Entwicklung wird für Unternehmen<br />
die Suche nach Fachkräften<br />
noch schwieriger. „Die Rekrutierung<br />
qualifizierter Mitarbeiter –<br />
beileibe nicht allein von Akademikern<br />
– wird zu einer der größten<br />
Herausforderungen für den Standort<br />
Deutschland“, sagt Jörg Mannsperger,<br />
Mitglied des Vorstands der<br />
DEKRA SE und Geschäftsführer<br />
der DEKRA Akademie GmbH.<br />
„Schon aufgrund der demografischen<br />
Entwicklung ist dies kein<br />
vorübergehendes Phänomen.<br />
Deshalb darf kein Lösungsweg<br />
Die 10 am häufigsten gesuchten Berufe<br />
Quelle: DEKRA Akademie<br />
ungedacht bleiben – sei es bei der<br />
bestmöglichen Erschließung des<br />
inländischen Arbeitskräftepotenzials<br />
oder der Rekrutierung im<br />
Ausland.“ Bereits jetzt setzen Arbeitgeber<br />
bei der Suche verstärkt<br />
auf professionelle Unterstützung:<br />
Fast jede dritte Position wird mithilfe<br />
von Personalvermittlungen<br />
besetzt.<br />
Ein leistungsfähiger Vertrieb<br />
und Verkauf ist von zentraler Bedeutung<br />
für Unternehmen: Gleich<br />
drei der am häufigsten gesuchten<br />
Berufe sind diesem Tätigkeitsfeld<br />
zuzuordnen. An erster Stelle finden<br />
sich Kundenbetreuer, auch Call<br />
Center sind verstärkt auf der Suche<br />
nach neuen Mitarbeitern. Bewerber<br />
mit Führungserfahrung haben<br />
aktuell zahlreiche Optionen: Vertriebs-<br />
und Verkaufsleiter konnten<br />
© <strong>Produktion</strong><br />
Mitarbeiter im Vertrieb sowie im Bereich Elektrotechnik sind besonders<br />
gefragt, hat der DEKRA Arbeitsmarkt-Report <strong>2012</strong> festgestellt. An siebenter<br />
Stelle kommen Maschinen-, Fahrzeug- und Anlagenbau-Ingenieure.<br />
aus doppelt so vielen Angeboten<br />
wählen wie im Vorjahr.<br />
Beschleunigt durch Trends wie<br />
die zunehmende Technisierung<br />
oder die Elektromobilität ist der<br />
Bedarf an Spezialisten im Fachgebiet<br />
der Elektrotechnik sehr groß.<br />
Überraschend stark war der Anstieg<br />
an Stellenangeboten für Elektroniker.<br />
Sie sind derzeit die am<br />
zweithäufigsten gesuchten Fachkräfte<br />
(499 Offerten) – noch vor Ingenieuren<br />
für Elektrotechnik. Aber<br />
auch für Mechatroniker hat sich<br />
das Angebot verdoppelt. Wie schon<br />
in den vergangenen Jahren stehen<br />
Software-Entwickler, IT-Fachleute<br />
wie Systemadministratoren oder<br />
IT-Berater ganz oben auf der<br />
Wunschliste der Personalabteilungen.<br />
Doch auch SAP-Spezialisten<br />
oder Absolventen kaufmännischer<br />
IT-Ausbildungen werden in dreistelliger<br />
Größenordnung gesucht.<br />
Elektroniker gefragter als<br />
Elektroingenieure<br />
Nachdem im vergangenen Jahr<br />
aufgrund der Recruiting-Kampagne<br />
eines Unternehmens der Systemgastronomie<br />
überproportional<br />
viele Servicemitarbeiter gesucht<br />
wurden, sind die Angebote nun auf<br />
ein normales Maß zurückgegangen.<br />
Dennoch standen am Stichtag<br />
für Servicekräfte dreimal so viele<br />
Angebote wie vor zwei Jahren zur<br />
Verfügung.<br />
Mit dem Aufschwung der deutschen<br />
Wirtschaft hat sich die<br />
Nachfrage nach Ingenieuren weiter<br />
verschärft. Die meisten Ingenieure<br />
fehlen derzeit im Maschinenbau<br />
und der Elektrotechnik. Doch<br />
auch die Aussichten für Architekten<br />
und Bauingenieure sind in<br />
diesem Jahr gut (189 Angebote).<br />
Der Boom im Maschinenbau wirkt<br />
sich darüber hinaus positiv auf die<br />
Stellensituation für Schweißer,<br />
Schlosser und Metallbauer aus.<br />
Software-Entwickler<br />
sind begehrt<br />
Die Logistikbranche hat sich<br />
belebt und stellt sich wieder auf<br />
einen höheren Personalbedarf<br />
ein. Positionen für Lager- und<br />
Transportarbeiter sowie Gabelstaplerfahrer<br />
wurden besonders<br />
häufig gezählt. Auch die Weiterqualifizierung<br />
zum Lagermeister<br />
macht sich bezahlt (145 Positionen).<br />
Im Bereich der Transportlogistik<br />
werden derzeit verstärkt<br />
Berufskraftfahrer gesucht.<br />
Wirtschaftswissenschaftler haben<br />
weiterhin gute Chancen. Die<br />
zunehmende Internationalisierung<br />
deutscher Unternehmen und<br />
die damit einhergehende Komplexität<br />
hinsichtlich Controlling sowie<br />
Steuer- und Finanzrecht macht sie<br />
zu begehrten Fachkräften. Bereits<br />
seit 2008 steigt die Nachfrage für<br />
diese Akademiker kontinuierlich.<br />
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