Ausgabe - 41 - 2012 - Produktion
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4 · Unternehmen & Märkte · <strong>Produktion</strong> · 11. Oktober <strong>2012</strong> · Nr. <strong>41</strong><br />
UMSETZUNGSFORUM INDUSTRIE 4.0<br />
<strong>Produktion</strong> steht vor radikalem Wandel<br />
SABINE SPINNARKE; PRODUKTION NR. <strong>41</strong> , <strong>2012</strong><br />
Prof. Dr. Henning Kagermann gab in Berlin den Startschuss für einen radikalen<br />
Umbau der deutschen <strong>Produktion</strong>slandschaft – für Industrie 4.0.<br />
In einem feierlichen Rahmen überreichte er Vertretern der Regierung<br />
erste Umsetzungsempfehlungen.<br />
BERLIN. Den Rahmen für die weichenstellende<br />
Veranstaltung der<br />
acatech mit über 200 Teilnehmern<br />
bildete das traditionsreiche <strong>Produktion</strong>stechnische<br />
Zentrum der<br />
TU Berlin (1904 von Prof. Georg<br />
Schlesinger gegründet). Dort stellte<br />
die Promotorengruppe Kommunikation<br />
um Prof. Kagermann die Ergebnisse<br />
der ‚Forschungsunion<br />
Wirtschaft und Wissenschaft‘ vor<br />
und überreichte den Staatssekretären<br />
Ernst Burgbacher, BMWi, und<br />
Dr. Georg Schütte, BMBF, ein Papier<br />
mit ‚Umsetzungsempfehlungen‘.<br />
Industrie 4.0 möglichst schnell in<br />
die Wege zu leiten, sehen die Arbeitskreis-Mitglieder<br />
als einen für<br />
Deutschland „bitter nötigen<br />
Schritt,“ so Kagermann. Mit den innerhalb<br />
der Forschungsunion untersuchten<br />
ITK-Technologien könne<br />
die enorme Konkurrenz aus<br />
Asien in Schach gehalten, Flexibilität<br />
in der <strong>Produktion</strong> gewonnen<br />
werden und den wachsenden Ansprüchen<br />
der Kunden Rechnung<br />
getragen werden. „In den <strong>Produktion</strong>stechnologien<br />
stand Deutsch-<br />
GUNNAR KNÜPFFER<br />
PRODUKTION NR. <strong>41</strong> , <strong>2012</strong><br />
Die Robert Bosch GmbH bereitet<br />
sich auf Entwicklungen des Internet<br />
der Dinge mit einem neuen<br />
zentralen Forschungscampus vor.<br />
FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSZENTRUM<br />
‚Menschen vernetzen‘<br />
Dr. Denner:<br />
„Im Internet<br />
der Dinge<br />
und Dienste<br />
stehen in den<br />
kommenden<br />
Jahren immer<br />
mehr Geräte<br />
und Systeme<br />
ohne menschliches<br />
Zutun<br />
im Kontakt.“<br />
Bild: Bosch<br />
Dr. Siegfried Dais, Robert Bosch, Staatssekretäre Ernst Burgbacher (BMWi)<br />
und Dr. Georg Schütte (BMBF) sowie Prof. Kagermann (v.l.n.r.) Bild: <strong>Produktion</strong><br />
land vor zehn Jahren auf dem zweiten<br />
Platz hinter den USA. Heute hat<br />
China einen zweieinhalb mal so<br />
großen Maschinen- und Anlagenbau<br />
wie wir“, bestätigt Dr. Manfred<br />
Wittenstein, Wittenstein, und Mitglied<br />
des Industrie 4.0-Arbeitskreises<br />
die Dringlichkeit des Anliegens.<br />
Die Forschungsunion treibt den<br />
radikalen Umbau der Industrie zur<br />
Industrie 4.0 mit aller Macht voran.<br />
200 Mio Euro an Fördermitteln<br />
stellt das BMBF über die nächsten<br />
vier Jahre zur Verfügung. „Industrie<br />
4.0 ist ein Feld von zentraler<br />
Bedeutung“, sagt Staatssekretär<br />
Schütte, der ebenfalls auf eine rasche<br />
Umsetzung drängt: „Es muss<br />
uns gelingen den Umbau trotz<br />
Komplexität zu vollbringen!“ Industrie<br />
4.0 gelte neben Klima/<br />
Energie, Sicherheit, Mobilität, Gesundheit<br />
und Kommunikation seitens<br />
der Regierung als eines der<br />
Bedarfsfelder, die im Rahmen der<br />
Hightech-Strategie gefördert werden<br />
müssten, damit „Deutschland<br />
einen Spitzenplatz bei der Lösung<br />
globaler Herausforderungen einnehmen<br />
kann“, so Kagermann.<br />
Die Bericht der Komission beschreibt<br />
Industrie 4.0-Technologien,<br />
analysiert Unternehmens-<br />
Strukturen und erläutert die Perspektiven<br />
für die Ausrüsterindustrie<br />
als Leitanbieter und für produzierende<br />
Unternehmen als Leitmarkt,<br />
zugleich gibt er den dazu notwendigen<br />
Forschungsbedarf an und definiert<br />
außerdem sinnvolle Hand-<br />
INDUSTRIE 4.0<br />
IT-AU TO M ATIO N<br />
So soll er aussehen, wenn er 2015 fertig ist: der neue Knotenpunkt des weltweiten<br />
Forschungsverbundes der Bosch-Gruppe in Renningen.<br />
Bild: Bosch<br />
RENNINGEN. „Wir wollen hier in<br />
Renningen die Menschen und ihr<br />
Wissen besser miteinander verbinden<br />
und vernetzen“, sagte der Vorsitzende<br />
der Geschäftsführung der<br />
Robert Bosch GmbH, Dr. Volkmar<br />
Denner, bei der Grundsteinlegung<br />
des neuen Forschungs- und Entwicklungsstandortes.<br />
Dabei seien<br />
explizit nicht nur Bosch-Mitarbeiter<br />
untereinander gemeint. Gerade<br />
durch die enge Vernetzung mit<br />
Hochschulen oder anderen Unternehmen<br />
gelinge es, die „führende<br />
Rolle von Bosch auf vielen Märkten<br />
weiter zu behaupten“. Diese Vernetzung<br />
steht laut Denner auch<br />
exemplarisch für die Entwicklung,<br />
die Bosch in den kommenden Jahren<br />
erwartet: in technischer, ökonomischer,<br />
aber auch in gesellschaftlicher<br />
Hinsicht. „Wir sind der<br />
Auffassung, dass wir an der Schwelle<br />
einer Zeitenwende, möglicherweise<br />
sogar einer neuen industriellen<br />
Revolution stehen“, sagte Denner.<br />
Im so genannten Internet der<br />
Dinge und Dienste würden in den<br />
kommenden Jahren immer mehr<br />
Geräte und Systeme ohne menschliches<br />
Zutun untereinander im<br />
Kontakt stehen. Aus heutiger Sicht<br />
würden bis in gut zehn Jahren 50<br />
Milliarden Geräte und Systeme<br />
untereinander Daten austauschen.<br />
Dahinter stünden viele neue Geschäftsmodelle,<br />
die ein Netzwerk<br />
unterschiedlichster Dienstleistungen<br />
bilden sollen. Bosch hat eine<br />
Reihe dieser sich dynamisch entwickelnden<br />
weltweiten Marktplätze<br />
im Blick: Dazu zählen unter anderem<br />
Mobilität, Gebäude und<br />
Energieversorgung.<br />
Das neue Denken in vernetzten<br />
Strukturen soll im neuen Knotenpunkt<br />
des weltweiten Forschungsverbundes<br />
der Bosch-Gruppe, der<br />
bis 2015 in Renningen entsteht,<br />
praktiziert werden. Dort werden<br />
rund 1 200 Beschäftigte neue Materialien,<br />
Methoden und Technologien<br />
erforschen sowie neue Systeme,<br />
Komponenten und Fertigungsprozesse<br />
entwickeln. Dazu entstehen<br />
auf dem rund 100 Hektar großen<br />
Grundstück 14 Gebäude mit einer<br />
Gesamtnutzfläche von fast 110 000<br />
Quadratmetern. Wie auf einem<br />
universitären Campus werden die<br />
Gebäude weitläufig auf dem aktuell<br />
bebauten Nordgrundstück angeordnet<br />
sein. Auf diese Weise sollen<br />
attraktive Arbeitsplätze entstehen<br />
sowie ein Umfeld, das Kreativität<br />
und Zusammenarbeit fördert.<br />
„Wir wollen einerseits Forscher<br />
und Entwickler aus dem Großraum<br />
Stuttgart an einem Ort zusammenbringen“,<br />
sagte Dr. Klaus Dieterich,<br />
Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
Forschung und Vorausentwicklung.<br />
Andererseits soll der Campus<br />
zentraler Ort für die Vernetzung<br />
mit dem wissenschaftlichen Umfeld<br />
werden.<br />
lungsfelder. Erste Umsetzungsschritte<br />
sind beispielsweise eine<br />
Landkarte vorhandener Standards,<br />
oder Referenzarchitekturen mit<br />
Hilfe der Verbände BITKOM, VDI,<br />
VDA, VDE, ZVEI, VDMA und BDI<br />
zu schaffen. Nachdrücklich wird<br />
auch empfohlen die Breitband-Internet-Infrastruktur<br />
auszubauen.<br />
Neben aller Euphorie drückten<br />
die Beteiligten aber auch deutlich<br />
aus, dass es sich um einen langfristigen,<br />
eher evolutionären Prozess<br />
handele. Gewisse Befürchtungen<br />
PRODUKTION NR. <strong>41</strong> , <strong>2012</strong><br />
Das weltweite <strong>Produktion</strong>svolumen<br />
von hochfesten CFK-Bauteilen<br />
wird bis 2020 um 17 % jährlich<br />
wachsen. Dies ist ein Ergebnis<br />
der neuen Studie von Roland<br />
Berger Strategy Consultants und<br />
des VDMA Forums Composite<br />
Technology.<br />
FRANKFURT AM MAIN (BA). Die<br />
Nachfrage nach hochfesten Faserverbundbauteilen<br />
nimmt branchenübergreifend<br />
bis 2020 zu und<br />
führt somit zu einem soliden<br />
Marktwachstum. Bis zu diesem<br />
Zeitpunkt erwarten die Experten,<br />
dass die Kosten der Faserverbundbauteile<br />
um etwa 30 % sinken werden.<br />
Nach 2020 könnten weitere<br />
Kostensenkungen, vor allem durch<br />
die Hybridisierung von Compositebauteilen<br />
(Verbund aus Endlosfaser<br />
und weiteren Materialien wie<br />
etwa Metall oder Kurzfaser), zu einer<br />
deutlichen Ausweitung des<br />
Marktes führen. Diese Hybride<br />
hinsichtlich möglicher Hürden<br />
drückten Prof. Dr. Eckart Uhlmann,<br />
Leiter des PTZ und Staatssekretär<br />
Burgbacher aus: “Wir sind nicht<br />
schlecht aufgestellt, aber müssen<br />
schneller werden“ und „Es geht<br />
nun darum, die wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse mit mehr Tempo<br />
nutzbar zu machen, in der Vergangenheit<br />
waren wir nicht immer<br />
schnell genug!“<br />
Den Veranstaltungsbesuchern<br />
wurde an Hand einer Reihe von<br />
Exponaten vorgeführt, was Industrie<br />
4.0 in der Praxis bedeutet: Mit<br />
der ‚virtual machine‘ zeigte zum<br />
Beispiel DMG ein Simulationssystem<br />
für Dreh- und Fräsmaschinen<br />
– solche Modelle und Verfahren<br />
sind eine Voraussetzung für Cyber<br />
Physische Systeme. Besichtigt werden<br />
konnte außerdem die ‚Smart-<br />
FactoryKL‘ vom DFKI. Über eine<br />
Fräs-, eine Kommissionier-, eine<br />
Montage- und eine Handarbeitsstation<br />
wurde dort ein SmartKey-<br />
Finder gefertigt.<br />
Dass es bei Industrie 4.0 letztendlich<br />
um mehr als reine Automatisierungstechnik<br />
geht, betont<br />
auch Siegfried Dais, stellvertretender<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
von Robert Bosch, „Die Säule<br />
unseres Wohlstands ist das produzierende<br />
Gewerbe. Die Befähiger<br />
sind die deutschen Maschinenbauer<br />
und die gilt es zu halten.“<br />
VDMA-STUDIE<br />
Begehrte Faserverbunde<br />
lassen sich voraussichtlich mit<br />
ähnlichen Prozessen fertigen wie<br />
reine Composites.<br />
Der Trend zur Industrialisierung<br />
der Herstellprozesse in Richtung<br />
Serienfertigung versetzt den Maschinen-<br />
und Anlagenbau in eine<br />
Schlüsselposition. „Um wettbewerbsfähige<br />
Serienprodukte herstellen<br />
zu können, benötigen Unternehmen<br />
aus dem Automotive-,<br />
Luftfahrt- und Windenergiebereich<br />
effizientere Prozesse, die eine<br />
kostengünstige <strong>Produktion</strong> von<br />
hochfesten Faserverbundbauteilen<br />
ermöglichen“, sagt Frank Peters,<br />
Sprecher des VDMA Forums<br />
Composite Technology. Der Bedarf<br />
der Anwender an modifizierten<br />
Serienmaschinen steige aufgrund<br />
des zunehmenden Kostendrucks<br />
deutlich an. Die Unternehmen benötigen<br />
daher effiziente Prozesse,<br />
um wettbewerbsfähige Serienprodukte<br />
herstellen zu können. Der<br />
Fokus liegt dabei hauptsächlich auf<br />
dem Resin Transfer Molding<br />
(RTM)- und dem Formpress-Verfahren.<br />
Faserverbundteile<br />
werden in Zukunft<br />
zunehmend nachgefragt,<br />
so eine<br />
Studie des VDMA.<br />
Bild: Schmalz