Unterrichtsmaterialien_Hexenverfolgung höhere Auflösung
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<strong>Unterrichtsmaterialien</strong> zum Thema „<strong>Hexenverfolgung</strong> im Stift Verden und in den Herzogtümern Bremen-Verden“ 65<br />
Scharfrichter und Folter in Verden<br />
In den Jahren 1552/53 erbaute die Stadt im Piepenbrink neben dem noch heute<br />
stehenden Wehrturm, der damals schon als Gefängnis diente, die Büttelei, das<br />
Wohnhaus für den Scharfrichter, der auch als Nachrichter oder Büttel bezeichnet<br />
wurde. Als „Meister“ wurde er tituliert, wenn er eine eigenhändig vollzogene<br />
Enthauptung nachweisen konnte. Seit 1553 hatte Verden dann ständig einen<br />
städtischen Scharfrichter, der auch das Privileg für das ganze Stift Verden besaß.<br />
Neben den üblichen Aufgaben des Scharfrichters (Wegschließen, Vollzug von<br />
Körperstrafen, Exekutionen, Stadtverweisung) versuchten sich die Verdener<br />
Nachrichter bei Knochenbrüchen als Chirurgen und Tierärzte zu betätigen. Der<br />
Hauptberuf war jedoch die Abdeckerei, das Enthäuten und Beseitigen von<br />
verstorbenem Vieh. Im Wehrturm befindet sich noch heute ein halbunterirdisches<br />
Verlies, in dem die Gefangenen untergebracht wurden. Zur Zeit der <strong>Hexenverfolgung</strong><br />
wurden auch die befestigten Stadttore (Nordertor, Neues Tor) und der Keller des<br />
städtischen Kornhauses an der Stifthofstraße als Gefängnis und zum Foltern benutzt.<br />
Ein Hexenprozess begann mit der „gütlichen“ Befragung, die Antworten wurden<br />
protokolliert. Erfolgte kein Geständnis, kam die „Tortur“ zum Einsatz. Mit ihr konnte<br />
aber erst begonnen werden, wenn die in Norddeutschland übliche Wasserprobe für<br />
die Delinquenten negativ ausgefallen war.<br />
Die „peinliche Frage“ (Verhör) unterlag einer Einteilung in verschiedene Foltergrade:<br />
1. Schritt: „territio verbalis“ („Schrecken“): Der Scharfrichter oder sein Knecht<br />
zeigte die Folterinstrumente und schilderte deren Verwendung; zusätzlich<br />
wurde die Person entkleidet und ihre Haare abrasiert. Danach erhielt das<br />
Opfer ein langes Hemd oder eine Art Schürze. Danach wurde der Beklagte<br />
gefesselt. Erfolgte daraufhin noch kein Geständnis, wurde mit der „territio<br />
realis“ begonnen.<br />
2. Schritt (1. Foltergrad „gelinde Frage“): Anlegen der Daumenschrauben und<br />
Quetschen der Finger, dann wurden die Beinschrauben („Spanische Stiefel“)<br />
auf Schienbein und Waden gepresst und zusammengezogen.<br />
3. Schritt (2. Foltergrad „ziemliche Frage“): Verschiedene Formen der Streckfolter,<br />
z. B. das Auseinanderziehen der Glieder und Gelenke auf der Folterbank. Oder<br />
das „Aufziehen“, indem man den Beklagten die Hände auf den Rücken<br />
fesselte, an den Händen ein Seil befestigte, das über eine an der Decke<br />
befestigte Rolle geführt wurde. An die gefesselten Füße wurde ein Stein von bis<br />
zu 30 kg Gewicht befestigt und dann die Person hochgezogen. Das führte oft<br />
dazu, dass die Arme ausgerenkt wurden.<br />
4. Schritt (3. Foltergrad „scharfe Frage“): Hier waren prinzipiell alle<br />
gebräuchlichen Instrumente und Methoden zulässig. Häufig wurde das<br />
„Aufziehen“ mit „Staupenschlag“ (Stockhiebe oder Auspeitschen) und dem<br />
Anlegen von Daumen- und Beinschrauben kombiniert.<br />
Hatte die Person die Torturen überlebt und nicht gestanden, musste sie freigelassen<br />
werden – allerdings nicht beim Hexereivorwurf. In diesem Ausnahmefall durfte die<br />
Folter beliebig oft wiederholt werden! Im Königreich Hannover wurde die Folter erst<br />
im Jahre 1822 durch eine Verordnung König Georgs IV abgeschafft.