28 dierte zu Jahresbeginn noch kräftig, verlor aber im weiteren Jahresverlauf an Tempo. Die Arbeitslosigkeit ging in fast allen Ländern zurück. Angesichts der sich verlangsamenden wirtschaftlichen Dynamik wird sich der Abbau der Arbeitslosigkeit im Prognosezeitraum jedoch zunehmend abschwächen. Die Inflationsraten waren zuletzt leicht rückläufig, nachdem sie bis zur Jahresmitte zumeist noch angestiegen waren. Diese Entwicklung wird sich, von außerordentlichen Einflüssen durch den Rohölpreis abgesehen, im Prognosezeitraum <strong>for</strong>tsetzen. Die Notenbanken sahen zumeist wenig Veranlassung für Zinsänderungen. Eine Ausnahme war Polen, wo die Zentralbank bei der robusten heimischen Nachfrage und kräftig expandierenden Exporten den Leitzins mehrfach, insgesamt um einen Prozentpunkt auf 4,5 %, angehoben hat. Weitere Zinserhöhungen sind bis zum Ende des Jahres aufgrund einer schwächeren Wirtschaftsdynamik eher unwahrscheinlich. Die Finanzpolitik fährt generell einen restriktiven Kurs, die Budgetdefizite verringerten sich bereits im vergangenen Jahr zumeist, wenn auch nicht in Polen, wo sich das Defizit abermals ausgeweitet hat und mit knapp 8 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf hohem Niveau liegt. Konsolidierungsmaßnahmen werden die Defizite in der Region im kommenden Jahr weiter verringern, in einer Reihe von Ländern wird die Neuverschuldung dann unter der 3 %-Marke liegen. Im Prognosezeitraum dürfte das Expansionstempo in den meisten Ländern aufgrund der erwarteten konjunkturellen Eintrübung in Westeuropa zurückgehen. Vonseiten der privaten Haushalte sind nur geringe Impulse zu erwarten, zumal die jüngste Abwertung von Währungen der Region gegenüber dem Schweizer Franken die Schuldenlast vieler privater Haushalte erhöht. Denn in den vergangenen Jahren wurden vor allem Hypothekenkredite häufig in Franken aufgenommen. Wegen der zuletzt gestiegenen Risikoaversion ist mit schwachen Kapitalzuflüssen und einer restriktiveren Kreditvergabe in die Region zu rechnen. Einige mittel- und osteuropäische Länder werden von der Absenkung des Anteils des nationalen Finanzierungsbeitrags der EU-Fördermittel von derzeit 15 auf 5 % profitieren. Der zu erwartende Anstieg der Absorptionsquote dürfte zu zusätzlichen Impulsen bei den Investitionen führen. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt in Mittel- und Osteuropa durchschnittlich um 2,8 % in diesem und um 2,7 % im nächsten Jahr zunehmen. GD <strong>Herbst</strong> <strong>2011</strong>
29 3. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland Überblick Die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum belastet zunehmend auch die Konjunktur in Deutschland. Die hohen Wertverluste und die großen Kursschwankungen an den Finanzmärkten sowie die deutliche Verschlechterung wichtiger Stimmungsindikatoren seit August deuten dar - auf hin, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr <strong>2011</strong>/12 stagnieren wird. Die stark erhöhte Unsicherheit wird Konsum und Investitionen dämpfen, und auch der Außenhandel wird aufgrund der schwierigen Lage einiger wichtiger Handelspartner keine positiven Impulse liefern. Käme es zu einer nochmaligen Zuspitzung der Schuldenkrise in Europa, etwa weil die Finanzmärkte das Vertrauen in die Konsolidierungsfähigkeit und den Re<strong>for</strong>mwillen Italiens verlieren, so wäre sogar mit erheblichen negativen Effekten auf die Konjunktur im Euroraum und auch in Deutschland zu rechnen. Die <strong>Institute</strong> erwarten, dass es dazu nicht kommt. Sie prognostizieren zwar, dass die de facto schon begonnene Restrukturierung der griechischen Staatsschulden <strong>for</strong>tgesetzt wird und dass es dabei auch zu Einbußen der Gläubiger kommen wird. Ein Ansteckungsszenario des Ausmaßes, wie es nach der Insolvenz von Lehman Brothers eingetreten ist, ist aber wenig wahrscheinlich. Der Ausfall käme nämlich nicht so unerwartet wie seinerzeit; viele private Gläubiger dürften griechische Anleihen bereits abgestoßen oder teilweise abgeschrieben haben. Ferner dürften keine Zweifel an der Liquiditätsausstattung des Bankensystems insgesamt aufkommen, da die EZB die Liquiditätsbereitstellung mit den neu geschaffenen Instrumenten sicherstellen kann. Unter den getroffenen Annahmen wird es, anders als in den Jahren 2008/09, nicht zu einer schweren Rezession kommen. Im dritten Quartal <strong>2011</strong> dürfte das Bruttoinlandsprodukt relativ kräftig ausgeweitet worden sein, dies signalisieren die gute Produktions- und Umsatzentwicklung und die weiter gestiegene Beschäftigung. Die <strong>Institute</strong> erwarten eine Zunahme um 0,6 % (Tab. 3.1). Für das Winterhalbjahr <strong>2011</strong>/12 rechnen sie allerdings damit, dass sich die erhöhte Unsicherheit und die verschlechterten internationalen Rahmenbedingungen in der Produktion niederschlagen. Die Indikatormodelle der <strong>Institute</strong> deuten für das vierte Quartal auf einen geringen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts hin. Dem dürfte im ersten Quartal ein leichter Anstieg folgen. Anders als im übrigen Euroraum kommt es somit in Deutschland wohl nicht zu einer Rezession. Dies liegt nicht zuletzt dar - an, dass die Finanzpolitik hierzulande angesichts des vergleichsweise niedrigen strukturellen Budgetdefizits deutlich weniger restriktiv ausgerichtet ist. Auch kommt der deutschen Wirtschaft zugute, dass die Finanzierungsbedingungen erheblich günstiger sind als in Ländern mit hoher öffentlicher oder privater Verschuldung; dies stimuliert die Investitionen. Ferner tragen die guten Beschäftigungsaussichten und die damit einhergehenden stabilen Einkommenserwartungen der privaten Haushalte dazu bei, dass die unsicherheitsbedingte Konsumzurückhaltung nicht allzu stark ausfällt. Unter der Annahme dieser Prognose, dass die Unsicherheit im Euroraum langsam wieder zurückgehen wird, weil die Schulden- und Vertrauenskrise schrittweise an Schärfe verliert und die Weltwirtschaft nach und nach ihre Schwäche überwindet, dürfte die deutsche Konjunktur ab dem zweiten Quartal 2012 erneut Fahrt aufnehmen. Zudem wird die Geldpolitik der EZB in Deutschland weiterhin relativ expansiv wirken. Angesichts der Schuldenprobleme und der damit verbundenen restriktiven Impulse in anderen Ländern dürfte ein am Durchschnitt des Euroraums orientierter Leitzins gemessen an der Produktionslücke und der Inflati- Tab. 3.1 Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts a) Veränderung gegenüber dem Vorquartal in % 2009 2010 <strong>2011</strong> 2012 I II III IV I II III IV I II III b) IV b) I b) II b) III b) IV b) Private Konsumausgaben 0,2 0,5 –0,7 –0,2 0,0 0,8 0,4 0,5 0,4 –0,7 0,7 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 Öffentlicher Konsum 1,6 0,7 0,6 0,4 0,9 –0,6 0,8 0,1 0,2 0,2 0,6 0,0 0,2 0,2 0,5 0,5 Ausrüstungen –19,2 –2,8 0,2 –1,1 4,1 5,2 4,9 2,6 2,1 1,7 1,5 –0,2 0,4 1,4 1,8 1,8 Bauten –1,4 –0,8 0,8 0,6 –2,5 6,6 –0,8 –2,5 7,0 –0,9 0,8 0,3 0,3 0,6 1,0 1,1 Sonstige Anlagen –4,9 1,6 1,8 0,4 0,7 1,4 1,7 2,1 –0,3 1,3 1,4 0,9 0,9 1,3 1,5 1,8 Vorratsinvestitionen c) 0,0 –1,6 1,2 –0,5 1,1 –0,1 –0,5 0,2 0,0 0,7 –0,1 –0,2 0,0 0,1 0,0 0,0 Inländische Verwendung –1,3 –1,5 1,1 –0,6 1,3 1,3 0,2 0,6 1,1 0,4 0,7 –0,2 0,2 0,5 0,5 0,5 Außenbeitrag c) –2,7 1,7 –0,2 1,3 –0,7 0,7 0,5 0,0 0,3 –0,3 –0,1 –0,1 0,0 –0,1 –0,1 –0,1 Exporte –10,3 –1,1 3,4 2,1 3,4 7,0 2,0 1,0 2,1 2,3 0,7 0,3 0,6 1,0 1,3 1,3 Importe –4,9 –5,4 4,4 –1,0 5,8 6,2 0,9 1,3 1,7 3,2 1,0 0,4 0,7 1,3 1,6 1,6 Bruttoinlandsprodukt –4,0 0,3 0,8 0,7 0,5 1,9 0,8 0,5 1,3 0,1 0,6 –0,2 0,2 0,3 0,4 0,4 a) Saison- und arbeitstägliche bereinigte Werte. – b) Prognose der <strong>Institute</strong>. – c) Beitrag zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten (Lundberg-Komponenten). Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der <strong>Institute</strong>; ab 3. Quartal <strong>2011</strong>: Prognose der <strong>Institute</strong>. GD <strong>Herbst</strong> <strong>2011</strong> GD <strong>Herbst</strong> <strong>2011</strong>