Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2011 - Institute for Advanced Studies
Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2011 - Institute for Advanced Studies
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32<br />
Fortsetzung Kasten 3.1<br />
Eine Anpassung der Wirtschaftszweigsystematik dürfte für gesamtwirtschaftliche Größen wie das BIP für sich genommen allenfalls<br />
geringe Änderungen nach sich ziehen. Allerdings wurde die große Revision auch diesmal genutzt, um eine Reihe weiterer methodischer<br />
Anpassungen und Aktualisierungen vorzunehmen. So wurden die kreislaufmäßige Abstimmung des BIP verbessert und so die<br />
in den letzten Jahren aufgetretenen Diskrepanzen zwischen Entstehungs- und Verwendungsrechnung verringert. Zudem wurden<br />
die VGR verstärkt mit den Ergebnissen des Unternehmensregisters abgeglichen, auch ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe<br />
2008 berücksichtigt. Eine wichtige Änderung betrifft die Buchung der Gewerbesteuereinnahmen, die nunmehr als direkte Steuer<br />
und nicht mehr als Produktionsabgabe erfasst werden, was für sich genommen den Anteil der Gewinne am Volkseinkommen im<br />
Jahr 2010 um 1,2 Prozentpunkte erhöht. Schließlich wurden turnusmäßig alle realen verketteten Angaben auf das Referenzjahr<br />
2005 (vormals 2000) umgestellt.<br />
Gegenüber den bisher veröffentlichten Ergebnissen des Statistischen Bundesamts weichen die jahresdurchschnittlichen Veränderungsraten<br />
des BIP im Zeitraum 1991 bis 2010 um bis zu 0,6 Prozentpunkte ab. Im Vorjahresvergleich wurden die vierteljährlichen<br />
Veränderungsraten um bis zu 0,7 Prozentpunkte revidiert, die Quartalsraten um bis zu 0,5 Prozentpunkte. Die mittlere absolute Revision<br />
beträgt bei Vorjahresraten 0,2 Prozentpunkte und bei Vorquartalsraten 0,1 Prozentpunkte. Der konjunkturelle Verlauf hat sich<br />
durch die Revision alles in allem aber nicht gravierend verändert.<br />
GD <strong>Herbst</strong> <strong>2011</strong><br />
indikatoren und die Finanzmarktdaten, die auf eine deutliche<br />
Eintrübung der Konjunktur hindeuten. Die realwirtschaftlichen<br />
Daten waren hingegen bis zuletzt überwiegend gut.<br />
Wenn es der Politik in nächster Zeit gelänge, einen Ausweg<br />
aus der Schuldenkrise aufzuzeigen, könnte sich die Stimmung<br />
rasch wieder verbessern und die Konjunkturaussichten<br />
würden sich aufhellen.<br />
Rahmenbedingungen und Annahmen für<br />
die Prognose<br />
Weltwirtschaftliches Umfeld und monetäre<br />
Rahmenbedingungen<br />
Die Prognose beruht auf folgenden Annahmen: Der Rohölpreis<br />
(Brent) beträgt in diesem Jahr 111 und im kommenden<br />
Jahr 113 US-Dollar pro Barrel. Der Welthandel nimmt<br />
im Jahr <strong>2011</strong> um 6 % und im Jahr 2012 um 5 % zu. Der<br />
Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar liegt im<br />
Prognosezeitraum bei 1,38. Die Europäische Zentralbank<br />
wird den maßgeblichen Leitzins bis Ende <strong>2011</strong> auf 1 %<br />
senken und ihn 2012 auf dem Niveau belassen.<br />
Ferner beruht die vorliegende Prognose – wie im internationalen<br />
Teil dieser Diagnose näher ausgeführt – auf der Annahme,<br />
dass es in Europa trotz einer weiteren Restrukturierung<br />
der griechischen Staatsschulden nicht zu einer Bankenkrise<br />
kommt.<br />
Finanzpolitik auf Konsolidierungskurs<br />
Die Finanzpolitik ist im Jahr <strong>2011</strong> auf einen Konsolidierungskurs<br />
eingeschwenkt, um den An<strong>for</strong>derungen der im Grundgesetz<br />
verankerten Schuldenregel zu entsprechen. Die Bundesregierung<br />
hat mit dem »Zukunftspaket« Abgaben erhöht<br />
und Ausgaben gekürzt, was den Staatshaushalt im laufenden<br />
Jahr um 8 Mrd. Euro entlastet (Tab. 3.4). Zudem haben<br />
die Länder und etliche Gemeinden Konsolidierungsmaßnahmen<br />
beschlossen, die überwiegend auf der Ausgabenseite<br />
ansetzen; ferner erhöhen einige Länder die Grunderwerbsteuer<br />
und viele Gemeinden ihre Abgaben. Außerdem laufen<br />
verschiedene Konjunkturstimuli nach und nach aus.<br />
Schließlich wurden zu Jahresbeginn die Beitragssätze zur<br />
Arbeitslosenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung<br />
angehoben, und im Gesundheitswesen traten<br />
Kostendämpfungsmaßnahmen in Kraft. Im Jahr 2012<br />
schwächt sich das Konsolidierungstempo ab, auch weil die<br />
Einführung der geplanten Finanzmarktsteuer, die im »Zukunftspaket«<br />
mit 2 Mrd. Euro veranschlagt ist, ausgesetzt<br />
wird, bis ein gemeinsames Vorgehen in der EU gefunden<br />
wird. Zudem dürfte zu Beginn des kommenden Jahres in<br />
der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der steigenden<br />
Nachhaltigkeitsrücklage der Beitragssatz gesenkt werden.<br />
12 Alles in allem ist – verglichen mit dem Rechtsstand<br />
im Jahr 2010 – mit einem restriktiven finanzpolitischen Impuls<br />
in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt von<br />
0,6 % in diesem und von 0,8 % im kommenden Jahr zu<br />
rechnen; der restriktive Impuls gegenüber <strong>2011</strong> beträgt 2012<br />
folglich 0,2 Prozentpunkte.<br />
Finanzierungsbedingungen in Deutschland<br />
bleiben günstig<br />
Die Finanzierungsbedingungen in Deutschland haben sich<br />
trotz der Verwerfungen an den Finanzmärkten seit dem<br />
Frühjahr kaum verändert. Die durchschnittlichen Kreditzinsen<br />
für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften erhöhten sich<br />
seit März nur geringfügig; sie stiegen um 15 Basispunkte<br />
auf 4 % im Juli. Die Kosten für Kredite an private Haushalte<br />
blieben im selben Zeitraum unverändert. Der Zinssatz<br />
für Konsumentenkredite lag bei 6,1 %, jener für Wohnungsbaukredite<br />
bei 4,5 %. Die Kreditbestände wurden in mo-<br />
12 Nach geltendem Rentenrecht soll die Nachhaltigkeitsrücklage zur gesetzlichen<br />
Rentenversicherung zwischen 0,2 und 1,5 Monatsausgaben<br />
der Rentenversicherung liegen. Werden diese Größenordnungen nach der<br />
im Oktober vorgenommenen Schätzung durch die Bundesregierung am<br />
Ende des darauf folgenden Jahres über- bzw. unterschritten, so ist der<br />
Beitragssatz entsprechend anzupassen. Nach den Berechnungen der<br />
<strong>Institute</strong> würde die Nachhaltigkeitsrücklage am Ende des kommenden<br />
Jahres diesen Grenzwert übersteigen. In dieser Prognose ist unterstellt,<br />
dass der Beitragssatz zu Beginn des kommenden Jahres um 0,3 Prozentpunkte<br />
gesenkt wird.<br />
GD <strong>Herbst</strong> <strong>2011</strong>