Broschüre "Heilpädagogik in Regelschulen" - Schoenbrunn.de
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Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong> Regelschulen
Inhalt<br />
E<strong>in</strong>führung<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen 2<br />
Inklusion/ Exklusion- e<strong>in</strong> heilpädagogisches Thema auch für Regelschulen 3<br />
Der Fachtag Inklusion/ Exklusion<br />
Integration <strong>in</strong> Bayern als politischer Wille 7<br />
Inklusion als Chance e<strong>in</strong>er neuen Lernqualität 9<br />
Heilpädagogisches Konzept zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sozialen Kompetenzen<br />
und <strong>de</strong>s Selbstmanagements 13<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativen Arbeitsfel<strong>de</strong>rn 16<br />
Zur Situation <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Regelschulen 19<br />
Möglichkeiten von Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen<br />
Das K<strong>in</strong>d stärken - Erfahrungen von Heilpädagogik <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule 22<br />
Konzeption Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen 25<br />
Ausblick 30<br />
1
Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen<br />
Michael Kreisel, Schulleiter <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
Liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser,<br />
Peter (Name geän<strong>de</strong>rt) besucht die 2. Klasse e<strong>in</strong>er<br />
Grundschule im Dachauer Landkreis. Peter fällt <strong>de</strong>r Lehrer<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verhalten auf.<br />
Im Unterricht platzt Peter mit Antworten heraus, bevor<br />
die Lehrer<strong>in</strong> die Frage zu En<strong>de</strong> gestellt hat. Er re<strong>de</strong>t<br />
übermäßig viel und kann nur schwer warten, bis er an<br />
<strong>de</strong>r Reihe ist. Dadurch kommt er <strong>in</strong> Konflikt mit se<strong>in</strong>en<br />
Mitschülern, die dieses Verhalten nicht tolerieren. Bei<br />
Gruppenspielen im Sport wird er als letzter <strong>in</strong> die Mannschaft<br />
gewählt. Wenn Peter sich dann ausgeschlossen<br />
fühlt, kaspert er herum und neigt zu Wutausbrüchen, was<br />
ihn <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Klasse noch mehr isoliert. Ruhiges Spiel<br />
gel<strong>in</strong>gt Peter auch zu Hause kaum. Vor allem se<strong>in</strong>e schulischen<br />
Leistungen s<strong>in</strong>d schlecht gewor<strong>de</strong>n.<br />
Lehrer und Eltern kennen diese o<strong>de</strong>r ähnliche Geschichten.<br />
Es stellt sich die Frage: Was wür<strong>de</strong> Peter helfen,<br />
dass er besser <strong>in</strong> die Klasse <strong>in</strong>tegriert ist und er leichter<br />
lernen kann?<br />
Viele Lehrer wünschen sich im System Schule e<strong>in</strong>e Fachkraft,<br />
die die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit e<strong>in</strong>em an<strong>de</strong>ren (heilpädagogischen)<br />
Blickw<strong>in</strong>kel betrachtet und zusätzlich o<strong>de</strong>r als<br />
ergänzen<strong>de</strong>s Angebot im Klassenverband e<strong>in</strong>gesetzt wird.<br />
Auch im Umgang mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen<br />
ist es dr<strong>in</strong>glich, nach Wegen zu suchen, wie<br />
Integration und Inklusion vor Ort noch besser gel<strong>in</strong>gen<br />
können.<br />
Verän<strong>de</strong>rungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft und auch die Schüler<br />
selbst stellen die Regelschule heute vor große Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />
Die Aufgaben <strong>de</strong>r Regelschule wachsen. Vor<br />
allem die neuen Ganztagsschulen haben <strong>de</strong>n Anspruch<br />
sich entsprechend <strong>de</strong>r Bedürfnisse und Interessen <strong>de</strong>r<br />
Schüler zu gestalten. Schule wird immer mehr zum Lebensort.<br />
In Deutschland ist man auf <strong>de</strong>r Suche nach neuen pädagogischen<br />
Mo<strong>de</strong>llen. Hartmut von Hentig nennt dies:<br />
„Schule neu zu <strong>de</strong>nken“. Bildungsforscher läuten e<strong>in</strong>en<br />
Paradigmenwechsel e<strong>in</strong> und es ersche<strong>in</strong>t notwendig, dass<br />
sich die Regelschule zusätzlichen Berufsgruppen öffnet.<br />
Heilpädagogen können hier e<strong>in</strong>en wertvollen Beitrag<br />
leisten. Der Berufsstand <strong>de</strong>s Heilpädagogen bzw. <strong>de</strong>r<br />
Heilpädagog<strong>in</strong> ist jedoch <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Regelschule viel<br />
zu wenig bekannt. Nur wenige wissen, dass es sich hierbei<br />
um erfahrene Fachkräfte han<strong>de</strong>lt, die sich aufgrund<br />
von eigenem Engagement weiterqualifiziert und <strong>de</strong>ren<br />
berufliche Kompetenzen <strong>de</strong>r Regelschule viel zu bieten<br />
haben. Wir <strong>de</strong>nken, dass sich die Regelschule von Vorgehensweisen<br />
<strong>de</strong>r Heilpädagogik <strong>in</strong>spirieren lassen kann.<br />
Heilpädagogik kann helfen:<br />
Lust auf lernen zu wecken<br />
Halt zu geben und Zuversicht zu entwickeln<br />
Motivation aufzubauen<br />
Freu<strong>de</strong> am Tun zu schaffen<br />
Ängste abzubauen<br />
sozial-emotionale Kompetenzen zu entwickeln und<br />
zu unterstützen<br />
An <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb das Projekt „Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong> Regelschulen“ implementiert. Me<strong>in</strong>e Vorgänger<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schulleitung <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie, Frau Lilo Nitz,<br />
gab 2005 <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Impuls, sich diesem Thema<br />
h<strong>in</strong>zuwen<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>m Projekt wollten wir das Arbeitsfeld<br />
von Heilpädagogen <strong>in</strong> Regelschulen bekannter<br />
machen. Lehren<strong>de</strong> und Studieren<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d seither <strong>in</strong> die<br />
Regelschulen gegangen und haben gezeigt, wie sie geme<strong>in</strong>sam<br />
mit an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen zu e<strong>in</strong>er „guten<br />
Schule“ beitragen können. Die Ergebnisse dieser Initiativen<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Broschüre beschrieben.<br />
Vielleicht ent<strong>de</strong>cken Sie das e<strong>in</strong>e o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, was für Sie<br />
<strong>in</strong>teressant ist. Wenn Sie weiteres erfahren wollen, besuchen<br />
Sie unsere Website www.aka<strong>de</strong>mie-schoenbrunn.<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>n Sie sich e<strong>in</strong>fach an uns!<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!<br />
Michael Kreisel<br />
2
Inklusion/ Exklusione<strong>in</strong><br />
heilpädagogisches Thema<br />
auch für Regelschulen<br />
Lilo Nitz, Leiter<strong>in</strong> Bildungszentrum Aka<strong>de</strong>mie<br />
Das Thema „Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen“ liegt mir am<br />
Herzen und begleitet me<strong>in</strong> gesamtes pädagogisches<br />
Berufsleben.<br />
Als ehemalige Schulleiter<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
gab ich 2006 <strong>de</strong>n Startschuss für Projekte zu<br />
diesem Thema im Dachauer Landkreis.<br />
En<strong>de</strong> 2007 gestalteten wir hierzu <strong>de</strong>n ersten Fachtag und<br />
<strong>in</strong> 2008 <strong>de</strong>n zweiten. Im Herbst 2009 startet das Bildungszentrum<br />
<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie Schönbrunn <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit <strong>de</strong>r Münchener Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik e<strong>in</strong>e<br />
modularisierte Fortbildung zu diesem Thema. Mit <strong>de</strong>r jetzt<br />
heraus gegebenen Broschüre wer<strong>de</strong>n bisherige Ergebnisse<br />
dieser Initiativen e<strong>in</strong>er breiteren Öffentlichkeit dargestellt.<br />
uns die skand<strong>in</strong>avischen Län<strong>de</strong>r erfolgreich vormachen.<br />
Hiermit beschäftigte sich am 10.11.2007 e<strong>in</strong> sehr gut<br />
besuchter Fachtag unserer Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik.<br />
E<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n waren Lehrer, Heilpädagogen, Eltern,<br />
Wissenschaftler und Vertreter <strong>de</strong>s Kultusm<strong>in</strong>isteriums.<br />
Zentraler Inhalt dieses Fachtages war <strong>de</strong>r Fachdiskurs<br />
darüber, wie Heilpädagogik an Regelschulen gel<strong>in</strong>gen<br />
kann.<br />
Nach e<strong>in</strong>em Vortrag von Herrn Weigl, Bayerisches<br />
Staatsm<strong>in</strong>isterium für Unterricht und Kultus, stellte Prof.<br />
Dr. Heimlich, als Universitätsprofessor für Lernbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenpädagogik<br />
an <strong>de</strong>r Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München die mit <strong>de</strong>m Begriff Inklusion verbun<strong>de</strong>ne Zielperspektive<br />
e<strong>in</strong>er „Schule für alle“ vor.<br />
E<strong>in</strong> gelungener Fachtag<br />
Je<strong>de</strong>s K<strong>in</strong>d ist an<strong>de</strong>rs und kann etwas an<strong>de</strong>res. Darauf<br />
macht uns das Denkmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Inklusion aufmerksam. Es<br />
erweitert <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Integration durch die grundsätzliche<br />
Anerkennung von Individualität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft.<br />
Inklusion ist seit <strong>de</strong>r UNESCO- Konferenz, die 1994 <strong>in</strong><br />
Salamanca stattfand, wichtigstes Ziel <strong>in</strong>ternationaler<br />
Bildungspolitik. Inklusion me<strong>in</strong>t wörtlich „E<strong>in</strong>schluss“,<br />
„E<strong>in</strong>schließung“ und „Enthaltense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Menge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
an<strong>de</strong>ren“.<br />
„Inklusion“ auf Schule übertragen versteht e<strong>in</strong>e Klasse als<br />
E<strong>in</strong>heit vieler unterschiedlicher Schüler, die – je<strong>de</strong>r auf<br />
se<strong>in</strong>e Weise - för<strong>de</strong>rbedürftig s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung<br />
für e<strong>in</strong>e Schule mit „<strong>in</strong>klusiver Qualität“ könnte<br />
se<strong>in</strong>, dass verschie<strong>de</strong>ne Berufsgruppen zum Wohl von<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen zusammen arbeiten, so wie es<br />
Im Anschluss an die Vorträge wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> Arbeitsgruppen<br />
aufgezeigt, welche Ansätze zu Inklusion und Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong> Regelschulen bereits erprobt wer<strong>de</strong>n und positive<br />
Rückmeldung erhalten. Dazu stellten Absolventen/ -<strong>in</strong>nen<br />
und Dozenten/ -<strong>in</strong>nen unserer Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie Schönbrunn ihre <strong>in</strong>tegrativen<br />
und <strong>in</strong>klusiven Arbeitsansätze, ihre Metho<strong>de</strong>n und Erfahrungen<br />
vor.<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Regelschulen <strong>de</strong>s<br />
Dachauer H<strong>in</strong>terlan<strong>de</strong>s<br />
Wir haben es jedoch nicht bei <strong>de</strong>n guten <strong>in</strong>klusiven Überlegungen<br />
dieses Fachtages belassen, son<strong>de</strong>rn bereits<br />
Kooperationen <strong>in</strong>stitutionalisiert, so z.B. mit e<strong>in</strong>er Berufsfachschule<br />
für Sozialpflege <strong>in</strong> unserem Haus und mit<br />
e<strong>in</strong>er Hauptschule im benachbarten Markt In<strong>de</strong>rsdorf:<br />
Der Mo<strong>de</strong>llversuch „Integrierte Pflege-Erstausbildung“ an<br />
unserer Berufsfachschule für Sozialpflege war Teilpojekt<br />
<strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n Region Dachau. Wir entwickelten diese<br />
Ausbildung als Berufs- und Bildungschance für Hauptschulabsolventen<br />
aus <strong>de</strong>r Region. Die Teilnehmer erwerben<br />
<strong>in</strong> dieser zweijährigen Erstausbildung gute berufliche<br />
Chancen als Pflegefachhelfer und zugleich Zugangsberechtigungen<br />
zu verkürzten sozialpflegerischen Fachkraftausbildungen<br />
o<strong>de</strong>r, durch Erwerb <strong>de</strong>r Mittleren Reife bei<br />
entsprechen<strong>de</strong>m Notendurchschnitt, Weiterbildungschancen<br />
auch im nichtsozialen Bereich.<br />
.<br />
3
Inzwischen steht dieses Pflege<strong>in</strong>tegrationsmo<strong>de</strong>ll mit<br />
se<strong>in</strong>em 3. Ausbildungsgang kurz vor <strong>de</strong>r staatlichen Anerkennung.<br />
Im Artikel „För<strong>de</strong>rung von sozialen Kompetenzen<br />
und Selbstmanagement“ stellt Christ<strong>in</strong>e Nie<strong>de</strong>rmayer<br />
ihre Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilpädagogischen Arbeit<br />
mit diesen Jugendlichen dar.<br />
Der Hauptschule In<strong>de</strong>rsdorf s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> beson<strong>de</strong>rer Weise<br />
verbun<strong>de</strong>n. Der schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rektor und jetzige Landtagsabgeordnete<br />
Mart<strong>in</strong> Güll unterstützte unsere Initiativen<br />
„Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen“ sehr. Studieren<strong>de</strong> führten<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schule e<strong>in</strong>tägige Projekte durch. Monika<br />
Lumbe bot als Dozent<strong>in</strong> e<strong>in</strong> heilpädagogisches Gruppenangebot<br />
für Mädchen an. Michael Kreisel bietet, unterstützt<br />
durch praktizieren<strong>de</strong> Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie,<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen <strong>de</strong>r Hauptschule wöchentliche<br />
psychomotorische För<strong>de</strong>rung und koord<strong>in</strong>iert alle<br />
Aktivitäten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Hauptschule. Von diesen Erfahrungen<br />
berichtet <strong>de</strong>r Artikel „Das K<strong>in</strong>d stärken“. Dar<strong>in</strong> wer<strong>de</strong>n<br />
auch heilpädagogische Maßnahmen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundschule<br />
Hebertshausen beschrieben. Diese heilpädagogische<br />
Kooperation wird zukünftig durch die Heilpädagogische<br />
Tagesstätte <strong>de</strong>r Caritas <strong>in</strong> Hebertshausen unterstützt.<br />
Was bewegte uns zum Thema <strong>de</strong>s Fachtages und<br />
zu unserem Projekt „Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen“?<br />
Schon zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er pädagogischen Laufbahn als<br />
heilpädagogische För<strong>de</strong>rlehrer<strong>in</strong> im HPCA-München bedrückte<br />
es mich, dass e<strong>in</strong>e<br />
größere Anzahl <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong><br />
diesem För<strong>de</strong>rzentrum ke<strong>in</strong>eswegs<br />
im G-Schultyp beschult<br />
hätten wer<strong>de</strong>n müssen, wenn<br />
sie <strong>de</strong>m Unterricht <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m im För<strong>de</strong>rzentrum<br />
Lernen bzw. Erziehungshilfe<br />
emotional und<br />
sozial gewachsen gewesen<br />
wären.<br />
Wir Pädagogen gaben uns<br />
zwar große Mühe, um e<strong>in</strong>e<br />
Rückführung o<strong>de</strong>r Umschulung<br />
vorzubereiten und zu begleiten, mussten aber immer<br />
wie<strong>de</strong>r konstatieren, dass vor allem K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aus sogenannten<br />
milieuschwachen Familien, aus sozialen Brennpunkten<br />
o<strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit beson<strong>de</strong>ren Bedarfen entwe<strong>de</strong>r gar nicht<br />
zugelassen wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nach e<strong>in</strong>er Rückführung erneut<br />
scheiterten. Begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> dieses Scheitern von <strong>de</strong>n<br />
dortigen Kollegen so:<br />
kann sich nicht konzentrieren,<br />
verfügt nicht über die nötige Arbeitshaltung und<br />
Diszipl<strong>in</strong>,<br />
kann nicht warten, ist zappelig und unruhig,<br />
ist zu ängstlich und unsicher, traut sich nichts zu,<br />
stört <strong>de</strong>n Klassenfrie<strong>de</strong>n mit se<strong>in</strong>em aggressiven<br />
Verhalten usw.<br />
Kurz gesagt: Den K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn mangelte es an Selbstvertrauen,<br />
an e<strong>in</strong>em positiven Selbstbild, an sozialen und emotionalen<br />
Kompetenzen, an Lebensmut und an Mo<strong>de</strong>llen für<br />
angemessenes Verhalten im System Regelschule.<br />
Am<br />
Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>es eigenen pädagogischen Weges, dachte<br />
ich, diese Schwierigkeiten beträfen nur K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />
untersten sozialen Milieu o<strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit mentalen Defiziten.<br />
Über die Jahre wur<strong>de</strong> ich e<strong>in</strong>es an<strong>de</strong>ren belehrt:<br />
Als Elternsprecher<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Klassen me<strong>in</strong>er eigenen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
z.B. musste ich me<strong>in</strong>e heilpädagogische Kompetenz<br />
mehrfach beratend, konfliktbearbeitend o<strong>de</strong>r praktisch<br />
anleitend e<strong>in</strong>setzen, um zusammen mit Lehrern und<br />
betroffenen Eltern Wege zu suchen und zu spüren, damit<br />
wenigstens K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit ADHS, mit körperlichen Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
o<strong>de</strong>r mit milieubed<strong>in</strong>gten Lern<strong>de</strong>fiziten ihren Weg <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>r Grundschule fortsetzen durften. Wenn es doch zu<br />
e<strong>in</strong>er Umschulung <strong>in</strong> die För<strong>de</strong>rschule kam, waren es<br />
vorwiegend Strukturen <strong>de</strong>r Grundschule, mangeln<strong>de</strong><br />
Bereitschaft <strong>de</strong>s Klassenlehrers o<strong>de</strong>r/und mangeln<strong>de</strong><br />
Erziehungsfähigkeit <strong>de</strong>r Eltern, die <strong>de</strong>m Vorhaben Regelschule<br />
im Weg stan<strong>de</strong>n, nicht die mangeln<strong>de</strong>n Fähigkeiten<br />
und Kompetenzen <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r.<br />
In me<strong>in</strong>er Montessori-Weiterbildung lernte ich dann endlich<br />
Wege kennen, auf <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Lernweg<br />
wun<strong>de</strong>rbar gestaltet wur<strong>de</strong><br />
und - wie ich feststellen<br />
konnte – meist auch<br />
hervorragend gelang.<br />
Diese Erfahrungen aus<br />
<strong>de</strong>r Montessorischule ließ<br />
ich 2003 auch e<strong>in</strong>fließen<br />
<strong>in</strong> Gespräche mit vielen<br />
Lehrern beim Symposion<br />
„Lehren - för<strong>de</strong>rn - lernen“<br />
am Lehrstuhl von<br />
Prof. Dr. Heimlich. E<strong>in</strong>ige<br />
ließen sich anstecken von<br />
Integration als geme<strong>in</strong>same<br />
Schulform, die jetzt auch <strong>in</strong> Bayern möglich wer<strong>de</strong>n<br />
sollte.<br />
An<strong>de</strong>re Teilnehmer waren bereits frustriert o<strong>de</strong>r entmutigt<br />
von ihren Erfahrungen mit Integration, weil sie mit<br />
<strong>de</strong>n zusätzlichen Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r sog. Integrationsk<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
alle<strong>in</strong> gelassen wur<strong>de</strong>n.<br />
Neben ihrem primären Unterrichts- und Erziehungsauftrag<br />
war es ihnen nicht möglich, auch noch <strong>de</strong>n Bedarfen<br />
dieser K<strong>in</strong><strong>de</strong>r zu entsprechen, sie waren mit <strong>de</strong>m Late<strong>in</strong><br />
ihres Qualifikationsprofils am En<strong>de</strong> und auch die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
an <strong>de</strong>r Regelschule passten nicht für<br />
diese K<strong>in</strong><strong>de</strong>r.<br />
4
Heilpädagogen haben <strong>in</strong> ihrem Kompetenzprofil<br />
die passen<strong>de</strong>n Antworten auf Fragestellungen und<br />
Probleme <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule<br />
Schon damals dachte ich, Heilpädagogen hätten auf die<br />
beklagten Bedarfe mit ihrem Kompetenzprofil passen<strong>de</strong><br />
Antworten, sie könnten Lehrer im System Regelschule<br />
wirkungsvoll unterstützen, Eltern beraten und Schüler mit<br />
heilpädagogischen Angeboten so begleiten und unterstützen,<br />
dass diesen Erfolge möglich wer<strong>de</strong>n, sie gerne <strong>in</strong> die<br />
Schule gehen, sie dadurch selbst ihre Lernbereitschaft<br />
und -fähigkeit, ihre Leistungsbereitschaft und -fähigkeit<br />
und ihre sozialen Fähigkeiten auf- und ausbauen.<br />
Statt e<strong>in</strong>er Entwicklung <strong>in</strong> Richtung dieser optimistischen<br />
Prognose durch Integration g<strong>in</strong>g die Entwicklung <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren jedoch eher <strong>in</strong> die an<strong>de</strong>re Richtung: Bezüglich<br />
e<strong>in</strong>er Schule für alle kamen wir wenig voran.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen klagen <strong>in</strong>zwischen auch Kollegen <strong>in</strong> Berufsschulen,<br />
Realschulen und Gymnasien über zunehmen<strong>de</strong><br />
emotionale, soziale, Verhaltens- und Null-Bock-Probleme,<br />
<strong>de</strong>nen sie neben ihrem Kernauftrag immer weniger gewachsen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Ich frage mich daher, s<strong>in</strong>d wir Heilpädagogen es nicht<br />
selbst, die - e<strong>in</strong>gezwängt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e entgrenzte, globalisierte<br />
Gesellschaft mit ihren Patchwork-Familien, ihrer entwurzeln<strong>de</strong>n<br />
hypermobilen Arbeitswelt, ihren zu bewegungslosem<br />
Sitzen vor technischen Medien verführten K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn,<br />
diese Probleme unterstützen und weiter produzieren,<br />
wenn wir nicht aufstehen und energisch e<strong>in</strong>schreiten?<br />
Wir fragen uns daher, was können wir als Heilpädagogen<br />
dazu beitragen, welcher Themen müssten<br />
wir uns annehmen, damit Schule allen K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />
und Jugendlichen e<strong>in</strong>e „gute Schule“ se<strong>in</strong> kann?<br />
Beispielhaft fallen mir da e<strong>in</strong>:<br />
Teilhabe für alle, auch für Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen<br />
Heilpädagogische Integrationshilfen und Deutsch für<br />
Auslän<strong>de</strong>r für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
Unterstützung, Beratung und ergänzen<strong>de</strong> Erziehungshilfe<br />
für Familien<br />
Orientierung und För<strong>de</strong>rung für K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn mit Verhaltensauffälligkeiten<br />
Assistenz und Begleitung für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit Lernschwierigkeiten<br />
Heilen<strong>de</strong> Angebote für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit psychischen Problemen<br />
und für traumatisierte K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
Sprachheilpädagogik und Sprach- und Sprechför<strong>de</strong>rung<br />
für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit Sprachproblemen<br />
Reguläre psychomotorische Angebote im Regelschulalltag<br />
für alle und motorische För<strong>de</strong>rung bei beson<strong>de</strong>ren<br />
Bedarfen<br />
Perspektiven und S<strong>in</strong>norientierung durch pädagogische<br />
Führung und selbstwirksame Angebote für Jugendliche<br />
ohne Lern- und Leistungsbereitschaft<br />
(„Null-Bock-Generation“)<br />
Selbstkonzept und I<strong>de</strong>ntität stärken<strong>de</strong> Angebote für<br />
entmutigte K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und für Jugendliche mit I<strong>de</strong>ntitätsproblemen<br />
Präventive und nachsorgen<strong>de</strong> Angebote bei Drogenabhängigkeit<br />
Netzwerkarbeit im Sozialraum als Vermittlung zwischen<br />
Eltern, Schule, Erziehungshilfe, Jugendhilfe,<br />
Diensten, Vere<strong>in</strong>en, Kirchen, Kommune<br />
Brauchen wir wirklich Son<strong>de</strong>rwelten?<br />
fragen Georg Theunissen und Klaus Dörner seit Jahren<br />
und me<strong>in</strong>en „ne<strong>in</strong>“. Sogar Fachverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenhilfe<br />
verstehen <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong>klusive Betreuung und<br />
Begleitung als Chance. Profis <strong>de</strong>r Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenhilfe verabschie<strong>de</strong>n<br />
sich von ihrem Anspruch, nur sie alle<strong>in</strong> wüssten,<br />
was Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung brauchen und nur <strong>in</strong><br />
Son<strong>de</strong>re<strong>in</strong>richtungen könnten sie ihre professionelle<br />
Begleitung, För<strong>de</strong>rung und Bildung wirklich gut erbr<strong>in</strong>gen.<br />
Warum sollte das System Schule nicht auch mitziehen<br />
können?<br />
Geme<strong>in</strong>same Wege <strong>de</strong>nken, vorhan<strong>de</strong>ne Kräfte bün<strong>de</strong>ln,<br />
mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r leben und vone<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r lernen, Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen<br />
und Lernschwierigkeit als normale Form von Leben<br />
annehmen, Teilhabe möglich machen, dabei Mitarbeiter<br />
<strong>in</strong> Regele<strong>in</strong>richtungen nicht alle<strong>in</strong> lassen, son<strong>de</strong>rn sie<br />
fachlich, personell, materiell und moralisch unterstützen<br />
und <strong>de</strong>n Wert ihrer Arbeit anerkennen.<br />
Ich weiß, dass Heilpädagogen zu e<strong>in</strong>er „guten“ Schule für<br />
alle e<strong>in</strong>en großen Beitrag leisten können und freue mich,<br />
dass es <strong>in</strong> unserer Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik gelungen<br />
ist e<strong>in</strong>e fachlich ausgereifte Konzeption zum zukünftigen<br />
Arbeitsfeld von Heilpädagogen <strong>in</strong> Regelschulen<br />
aufzustellen.<br />
In diesem Zusammenhang danke ich beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>m<br />
Koord<strong>in</strong>ator unseres Projektes „Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen“,<br />
me<strong>in</strong>em früheren Stellvertreter und jetzigen<br />
Leiter <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik, ohne <strong>de</strong>ssen<br />
Engagement die vorliegen<strong>de</strong> Broschüre nicht zustan<strong>de</strong><br />
gekommen wäre.<br />
5
Der Fachtag<br />
Inklusion/ Exklusion<br />
6
Integration <strong>in</strong> Bayern als politischer Wille<br />
Der bayrische Weg <strong>de</strong>r<br />
Integration: Integration durch<br />
Kooperation<br />
E<strong>in</strong>e Zusammenfassung <strong>de</strong>s Vortrages von Erich Weigl,<br />
M<strong>in</strong>isterialrat im Bayrischen Staatsm<strong>in</strong>isterium für<br />
Unterricht und Kultus<br />
Den vollständigen Vortrag fín<strong>de</strong>n Sie unter<br />
www.aka<strong>de</strong>mie-schoenbrunn.<strong>de</strong><br />
Zur gesetzlichen Verankerung von Integration im BayEUG<br />
und zum politischen Willen <strong>de</strong>r bayerischen Staatsregierung<br />
<strong>in</strong>formierte fachlich kompetent und <strong>in</strong> ausführlicher<br />
Form M<strong>in</strong>isterialrat Erich Weigl aus <strong>de</strong>m Bayrischen<br />
Staatsm<strong>in</strong>isterium für Unterricht und Kultus.<br />
Die Vielfalt <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rwege <strong>in</strong> Bayern<br />
In se<strong>in</strong>em Vortrag stellt er anschaulich die Vielfalt <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rorte <strong>in</strong> Bayern vor. Entschei<strong>de</strong>nd ist <strong>de</strong>r <strong>in</strong>dividuelle<br />
son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rbedarf, <strong>de</strong>r <strong>in</strong> abgestufter<br />
Form unterschiedliche För<strong>de</strong>rorte zur Folge haben kann.<br />
Als Orte <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung erläuterte M<strong>in</strong>isterialrat Weigl:<br />
MSH <strong>in</strong> Frühför<strong>de</strong>rstellen, Familie und K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten<br />
SVE<br />
Volksschule und <strong>in</strong>tegrierte eigene För<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />
Volksschule und ergänzen<strong>de</strong> Maßnahmen<br />
Volksschule zur son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung<br />
Außenklassen, Kooperationsklassen<br />
Berufliche Schulen zur son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung.<br />
Man setzt sich <strong>in</strong> Bayern für eigenständige För<strong>de</strong>rschulen,<br />
aber auch für die Vielfalt von För<strong>de</strong>rwegen e<strong>in</strong>. Bayern<br />
befürwortet das Angebot <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschulen, För<strong>de</strong>rzentren<br />
und Son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rzentren.<br />
Die verschie<strong>de</strong>nen För<strong>de</strong>rschulformen sollen erhalten<br />
wer<strong>de</strong>n. För<strong>de</strong>rschulen wer<strong>de</strong>n aber auch gleichzeitig zu<br />
Kompetenzzentren ausgebaut. Beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />
wird <strong>de</strong>r Kooperation zwischen <strong>de</strong>n Schularten beigemessen.<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Schule und För<strong>de</strong>rschule stehen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
son<strong>de</strong>rpädagogischen Verpflichtung<br />
Neben <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung <strong>in</strong> För<strong>de</strong>rschulen<br />
betonte M<strong>in</strong>isterialrat Weigl die Wichtigkeit von<br />
<strong>in</strong>tegrativen und kooperativen Maßnahmen.<br />
Die Schule<strong>in</strong>schreibung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>de</strong>s erfolgt <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regel<br />
an <strong>de</strong>r Grundschule. Nur dann, wenn feststeht, dass<br />
ausschließlich die För<strong>de</strong>rschule <strong>de</strong>m son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />
För<strong>de</strong>rbedarf <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s gerecht wer<strong>de</strong>n kann,<br />
erfolgt <strong>in</strong> Bayern die Schule<strong>in</strong>schreibung an <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschule.<br />
Wichtig sei das Ausloten e<strong>in</strong>es passgerechten För<strong>de</strong>rortes<br />
und auch die For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r „aktiven Teilnahme“. In<br />
diesen Prozess sollen Erziehungsberechtigte verstärkt<br />
e<strong>in</strong>bezogen wer<strong>de</strong>n, ggf. auch Entscheidungen <strong>de</strong>s staatlichen<br />
Schulamtes.<br />
Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung hat <strong>in</strong>sgesamt das Ziel<br />
e<strong>in</strong>er bestmöglichen För<strong>de</strong>rung durch<br />
Prävention<br />
Intervention<br />
Integration durch Kooperation<br />
In Bayern ist <strong>in</strong> <strong>de</strong>n vergangenen Jahren <strong>de</strong>r Mobile<br />
Son<strong>de</strong>rpädagogische Dienst (MSD) als Maßnahme <strong>de</strong>r<br />
<strong>in</strong>tegrativen För<strong>de</strong>rung ausgebaut wor<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>m<br />
BayEUG von 2003 kommt die Möglichkeit <strong>de</strong>r Außen- und<br />
Kooperationsklassen h<strong>in</strong>zu.<br />
7
2006 besuchten <strong>in</strong> Bayern 17.500 Schüler mit son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />
För<strong>de</strong>rbedarf allgeme<strong>in</strong>e Schulen.<br />
Voraussetzungen für die Integration <strong>in</strong> die allgeme<strong>in</strong>e<br />
Schule:<br />
aktive Teilnahme am Unterricht <strong>de</strong>r allgeme<strong>in</strong>en<br />
Schule<br />
Erfüllung <strong>de</strong>s son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rbedarfs<br />
an <strong>de</strong>r allgeme<strong>in</strong>en Schule<br />
notwendiger För<strong>de</strong>raufwand gemäß Art. 21 Abs. 3<br />
BayEUG<br />
ke<strong>in</strong> pädagogischer Integrationshelfer notwendig.<br />
Durch e<strong>in</strong>en qualitativen Ausbau <strong>de</strong>s MSD erhofft sich das<br />
Bayerische Staatsm<strong>in</strong>isterium, dass dies wie e<strong>in</strong> Motor bei<br />
<strong>de</strong>r <strong>in</strong>dividuellen För<strong>de</strong>rung an allgeme<strong>in</strong>en Schulen<br />
wirkt.<br />
Mit <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>richtung von Kooperationsklassen und Aussenklassen<br />
kommt man <strong>de</strong>r Integration e<strong>in</strong>em Schritt näher.<br />
Alternative schulische Angebote (AsA), als Son<strong>de</strong>rform<br />
<strong>de</strong>s MSD, dienen <strong>de</strong>r Prävention massiver Verhaltensauffälligkeiten.<br />
Im Schuljahr 2006/2007 waren rund 500 Son<strong>de</strong>rschullehrerkräfte<br />
im MSD e<strong>in</strong>gesetzt. Ihre Schwerpunkte lagen <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n Bereichen Diagnostik, För<strong>de</strong>rung, Beratung, Koord<strong>in</strong>ierung<br />
und Fortbildung.<br />
Das Haus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschule<br />
Haus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschule<br />
„Die För<strong>de</strong>rschulen diagnostizieren, erziehen, unterrichten, beraten und för<strong>de</strong>rn<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche, die <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung bedürfen und<br />
<strong>de</strong>swegen an e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en o<strong>de</strong>r beruflichen Schule nicht o<strong>de</strong>r nicht<br />
ausreichend geför<strong>de</strong>rt und unterrichtet wer<strong>de</strong>n können.“ (Art. 19 Abs. 1 BayEUG)<br />
Berufliche Schulen<br />
zur son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung<br />
Weiterführen<strong>de</strong> Schulen<br />
zur son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung<br />
Volksschulen zur son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
Sehen<br />
----------------------------<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
Hören<br />
----------------------------<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
körperliche und<br />
motorische<br />
Entwicklung<br />
----------------------------<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
geistige Entwicklung<br />
----------------------------<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
Sprache<br />
----------------------------<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
Lernen<br />
----------------------------<br />
För<strong>de</strong>rschwerpunkt<br />
emotionale und soziale<br />
Entwicklung<br />
Son<strong>de</strong>rpädagogische Diagnose- und För<strong>de</strong>rklassen<br />
Schulen für Kranke<br />
Hausunterricht<br />
Mobile Son<strong>de</strong>rpädagogische Dienste (MSD)<br />
Zusammenarbeit zwischen Volksschulen zur<br />
son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung und allgeme<strong>in</strong>en<br />
Schulen <strong>in</strong> Unterricht und Schulleben<br />
Schulvorbereiten<strong>de</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />
mobile son<strong>de</strong>rpädagogische Hilfe (msH) im<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie<br />
und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Frühför<strong>de</strong>rung<br />
11<br />
Abb. Das Haus <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschule aus: Vortrag Weigl 2007 Aka<strong>de</strong>mie Schönbrunn<br />
8
Inklusion als Chance<br />
e<strong>in</strong>er neuen<br />
Lernqualität?<br />
Prof. Dr. Ulrich Heimlich<br />
Vorbemerkung<br />
Die wachsen<strong>de</strong>n Erfahrungen mit <strong>de</strong>m geme<strong>in</strong>samen Unterricht<br />
<strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Schulen verän<strong>de</strong>rn nicht nur die Kooperationsstrukturen<br />
<strong>de</strong>r Lehrkräfte aus För<strong>de</strong>rschulen und<br />
Grund- bzw. Hauptschulen. Der geme<strong>in</strong>same Unterricht hat<br />
auch Auswirkungen auf die Lernprozesse von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und<br />
Jugendlichen mit und ohne son<strong>de</strong>rpädagogischem För<strong>de</strong>rbedarf.<br />
Beson<strong>de</strong>rs das neue <strong>in</strong>ternationale Leitbild <strong>de</strong>r Inklusion<br />
erweist sich dabei als Chance zur Weiterentwicklung<br />
<strong>de</strong>r Integration <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD. Vor <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund <strong>de</strong>r Integrationsentwicklung<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD bezogen auf die letzten drei<br />
Jahrzehnte (1.0) soll im Folgen<strong>de</strong>n die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Inklusion<br />
für Schule und Unterricht (2.0) herausgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Integrationsentwicklung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD (Rückblick)<br />
Am Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r Integrationsentwicklung stan<strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>r<br />
siebziger Jahre Eltern und Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtungen.<br />
Vor allem <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Großstädten wie Berl<strong>in</strong>, Hamburg,<br />
Bremen und München drängten Eltern von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />
mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten ihrer<br />
Nachbarschaft und versuchten K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgartenleitungen sowie<br />
pädagogische Fachkräfte vom Anliegen <strong>de</strong>r Integration zu<br />
überzeugen. E<strong>in</strong>e <strong>de</strong>r ersten K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtungen mit<br />
e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegrativen Angebot war das K<strong>in</strong><strong>de</strong>rhaus Frie<strong>de</strong>nau<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> im Jahre 1973. Die Erfahrungen mit Integration<br />
waren durchweg positiv (vgl. zusammenfassend: Heimlich<br />
1995). So lag es nahe, <strong>de</strong>n <strong>in</strong>tegrativen Weg <strong>in</strong> Primar- und<br />
Sekundarschulen fortzusetzen. Ab 1975 entstan<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fläm<strong>in</strong>g-Schule und <strong>de</strong>r Uckermark-Schule erste<br />
Integrationsklassen.1 Es folgte <strong>in</strong> <strong>de</strong>n achtziger Jahren e<strong>in</strong>e<br />
Phase <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llversuche <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />
sowohl <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtungen als auch <strong>in</strong> Schulen mit<br />
Hilfe wissenschaftlicher Begleitung überprüft wur<strong>de</strong>, ob die<br />
Integration von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit beson<strong>de</strong>ren<br />
Bedürfnissen Nachteile für die Beteiligten hat und welche<br />
Effekte die <strong>in</strong>tegrative pädagogische Arbeit auf <strong>de</strong>r Ebene<br />
(1) Der Dokumentarfilm „Klassenleben“, <strong>de</strong>r im Herbst 2005<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n K<strong>in</strong>os war, zeigt rückblickend auf 30 Jahre Integrationsentwicklung<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fläm<strong>in</strong>g-Schule die ganz alltäglichen<br />
Seiten <strong>de</strong>s Erlebens von Teilhaben und Beitragen <strong>in</strong> Unterricht<br />
und Schulleben.<br />
von Schulleistungen, sozialen und emotionalen Kompetenzen<br />
erzielte. Zusammenfassen<strong>de</strong> Betrachtungen dieser<br />
wissenschaftlichen Begleitforschung zur Integration (vgl.<br />
Heimlich 1998; 2000) zeigen, dass <strong>in</strong>tegrative För<strong>de</strong>rung <strong>in</strong><br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtungen und Schulen ke<strong>in</strong>e Nachteile mit<br />
sich br<strong>in</strong>gt – we<strong>de</strong>r bei K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit noch<br />
bei K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen ohne beson<strong>de</strong>re Bedürfnisse.<br />
Es ergeben sich im Gegenteil sogar Vorteile, die sich vor<br />
allem auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen bei allen<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen beziehen. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche<br />
mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen profitieren aber auch schulleistungsmäßig<br />
soweit vom geme<strong>in</strong>samen Unterricht, dass<br />
sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fächern sogar bessere Schulleistungen zeigen<br />
als <strong>in</strong> vergleichbaren Klassen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschulen.<br />
Problematisch erweist sich bun<strong>de</strong>sweit die Fortsetzung <strong>de</strong>r<br />
Integration <strong>in</strong> Sekundarschulen. Das mehrgliedrige Schulsystem<br />
(Haupt- und Realschulen, Gymnasien, Son<strong>de</strong>rschulen)<br />
bil<strong>de</strong>t <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD e<strong>in</strong>e nahezu unüberw<strong>in</strong>dbare Barriere<br />
für <strong>de</strong>n geme<strong>in</strong>samen Unterricht. Nur <strong>in</strong> Gesamtschulen<br />
kann zunächst e<strong>in</strong>e Fortsetzung <strong>de</strong>r Integration erreicht<br />
wer<strong>de</strong>n (vgl. als Beispiel: Heimlich/ Jacobs 2001). Obwohl<br />
die PISA-Studien von 2000 und 2003 die Leistungsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>s mehrgliedrigen Schulsystems <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD im <strong>in</strong>ternationalen<br />
Vergleich nachhaltig <strong>in</strong> Frage gestellt haben und vor<br />
allem die sozial selektiven Ten<strong>de</strong>nzen dieses Systems offen<br />
gelegt haben, besteht die Mehrgliedrigkeit weiterh<strong>in</strong>, auch<br />
wenn sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r aktuellen bildungspolitischen Debatte nach<br />
PISA <strong>in</strong>zwischen ernsthaft <strong>in</strong> Frage gestellt wird. An<strong>de</strong>re<br />
europäische Län<strong>de</strong>r wie F<strong>in</strong>nland und Schwe<strong>de</strong>n haben hier<br />
auch <strong>de</strong>shalb mehr Erfahrungen mit Integration <strong>in</strong> Schulen<br />
sammeln können, weil sie bereits seit <strong>de</strong>n 1960er Jahren<br />
konsequent auf die flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> E<strong>in</strong>führung von Gesamtschulen<br />
gesetzt haben, e<strong>in</strong>e bildungspolitische Perspektive,<br />
die <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD nach wie vor nicht als öffentlich diskussionsfähig<br />
angesehen wird.<br />
Gleichwohl kennen wir zwischenzeitlich Absolventen/ -<strong>in</strong>nen<br />
von kompletten <strong>in</strong>tegrativen Bildungsgängen, die nunmehr<br />
aus <strong>de</strong>n Schulen auf <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt drängen. In <strong>de</strong>r<br />
Konsequenz wur<strong>de</strong> seit Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>r 1990er Jahre die berufliche<br />
Integration zunehmend zum Thema <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />
Integrationsentwicklung (vgl. Heimlich 2003). Beson<strong>de</strong>rs<br />
bekannt gewor<strong>de</strong>n ist beispielsweise die „Hamburger<br />
9
Arbeitsassistenz“, die nach nordamerikanischem Vorbild<br />
„supported employment“ Erwachsene mit geistiger Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
bei <strong>de</strong>r Integration <strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten Arbeitsmarkt begleitete.<br />
Inzwischen hat die Bun<strong>de</strong>sarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft „Unterstützte<br />
Beschäftigung e.V.“ <strong>in</strong> allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn <strong>in</strong>tensive<br />
Aktivitäten entwickelt, die ab <strong>de</strong>m Jahre 2001 sogar gesetzliche<br />
Grundlagen haben. Im Sozialgesetzbuch IX wur<strong>de</strong>n die<br />
Integrationsfachdienste festgeschrieben und e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung<br />
von Arbeitsassistenzen gesichert, auch wenn das nicht<br />
darüber h<strong>in</strong>wegtäuschen darf, dass nach wie vor die beruflichen<br />
Integration von Schwerbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten, wie es <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
Amtssprache heißt, völlig unzureichend ist und sich viele<br />
Betriebe mit <strong>de</strong>r Ausgleichsabgabe von <strong>de</strong>r Verpflichtung<br />
zur Beschäftigung Schwerbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rter freikaufen. Die Entwicklung<br />
auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt mit e<strong>in</strong>er hohen Arbeitslosigkeit<br />
von immerh<strong>in</strong> noch 3,5 Millionen Menschen schafft<br />
überdies ke<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>rs guten Voraussetzungen für die<br />
Verbesserung dieser Ausgangssituation.<br />
Im S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>r Perspektive „<strong>in</strong><strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt liv<strong>in</strong>g“ ließen auch<br />
<strong>in</strong>tegrative Wohn- und Freizeitprojekte nicht lange auf sich<br />
warten. Gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> diesem Bereich stehen wir im neuen<br />
Jahrtausend allerd<strong>in</strong>gs vielfach auch noch am Anfang (vgl.<br />
Heimlich 2003). In je<strong>de</strong>m Fall haben die vergangenen dreißig<br />
Jahre Integrationsentwicklung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD gezeigt, dass<br />
sich hier e<strong>in</strong>e gesellschaftliche Bewegung etabliert hat, die<br />
nicht nur das Bildungs- und Erziehungssystem verän<strong>de</strong>rn<br />
wird, son<strong>de</strong>rn auch gesellschaftliche Teilhabestrukturen<br />
nicht unangetastet lassen wird. Im Mittelpunkt e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegrativen<br />
Pädagogik steht von daher gegenwärtig e<strong>in</strong>e lebenslaufbezogene<br />
Perspektive, die die Integrationsaufgaben<br />
begleitend zu verschie<strong>de</strong>nen Lebensphasen zum Gegenstand<br />
hat. Insofern zeigen die bisherigen Erfahrungen mit<br />
<strong>de</strong>r Integration, dass letztlich die Gesellschaft als Ganzes<br />
durch die Aufgabe <strong>de</strong>r Integration herausgefor<strong>de</strong>rt wird.<br />
Deshalb lehrt die Erfahrung mit Integration auch, dass<br />
Integrationsentwicklung sich nicht nur auf e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong><strong>de</strong>r,<br />
Jugendliche und Erwachsene bezieht. Immer wer<strong>de</strong>n<br />
zugleich etablierte Kooperationsstrukturen zwischen Fachkräften<br />
aus unterschiedlichen Professionen und auch <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Strukturen <strong>in</strong> Frage gestellt. Stets geht es darum,<br />
nicht nur e<strong>in</strong>ige „Reform<strong>in</strong>seln“ zu schaffen, son<strong>de</strong>rn vielmehr<br />
vernetzte Strukturen <strong>de</strong>r gegenseitigen Unterstützung<br />
und Ressourcenbün<strong>de</strong>lung zu etablieren. Integrationsentwicklung<br />
gilt von daher gegenwärtig<br />
allenthalben als Aufgabe, die sich auf mehrere<br />
sozialräumliche Ebenen verteilt. Ausgehend von<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn, Jugendlichen und Erwachsenen mit<br />
beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen s<strong>in</strong>d immer wie<strong>de</strong>r<br />
Entwicklungsprozesse erfor<strong>de</strong>rlich, die das E<strong>in</strong>gehen<br />
auf diese Bedürfnisse an <strong>de</strong>n Anfang stellen.<br />
Dazu zählt sicher e<strong>in</strong>e beson<strong>de</strong>re Sensibilität, die<br />
vor allem die prekäre Balance zwischen vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Fähigkeiten und Selbstbestimmungsmöglichkeiten<br />
auf <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>en und <strong>de</strong>n notwendigen<br />
Hilfestellungen und Unterstützungsangeboten auf<br />
onsentwicklung.<br />
Pädagogisches<br />
Team<br />
Integrative Spiel-,<br />
Lern-, Arbeits- und<br />
Lebenssituationen<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite im Blick behält. Integrationsentwicklung<br />
hat es davon ausgehend im Kern immer mit Prozessen <strong>de</strong>r<br />
sozialen Begegnung von Menschen mit unterschiedlichen<br />
Fähigkeiten zu tun, <strong>de</strong>s geme<strong>in</strong>samen Tätig-Se<strong>in</strong>s im Spiel,<br />
beim Lernen, beim Arbeiten o<strong>de</strong>r auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Freizeit. Georg<br />
Feuser hat diesen Kern <strong>de</strong>r Integration als Kooperation aller<br />
auf <strong>de</strong>r Basis ihrer Fähigkeiten am geme<strong>in</strong>samen Gegenstand<br />
(vgl. Feuser 1995, S. 173f.) bezeichnet, e<strong>in</strong> bis heute<br />
schlüssige und allseits akzeptierte Zielvorstellung <strong>in</strong>tegrativer<br />
Pädagogik – <strong>in</strong> welchen Arbeitsfel<strong>de</strong>rn auch immer.<br />
Integrative Angebote s<strong>in</strong>d überdies ke<strong>in</strong> Feld für pädagogische<br />
E<strong>in</strong>zelkämpfer/ -<strong>in</strong>nen. Das mag für viele sozialpädagogische<br />
Arbeitsfel<strong>de</strong>r bereits als selbstverständlich gelten<br />
(vgl. Rauschenbach/ Ortmann/ Karsten 1993) – gera<strong>de</strong> im<br />
schulischen Bereich stehen wir hier vielfach eher an <strong>de</strong>n<br />
Anfängen e<strong>in</strong>er professionellen Entwicklung von tragfähigen<br />
Teamstrukturen. In je<strong>de</strong>m Fall haben Erfahrungen mit<br />
Integrationsentwicklungen <strong>in</strong> pädagogischen Arbeitsfel<strong>de</strong>rn<br />
gezeigt, dass funktionieren<strong>de</strong> Teamstrukturen e<strong>in</strong>e notwendige<br />
und unverzichtbare Rahmenbed<strong>in</strong>gung für erfolgreiche<br />
Integrationsprojekte darstellen. Dabei kommt es häufig zu<br />
<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Formen <strong>de</strong>r Zusammenarbeit, <strong>in</strong> <strong>de</strong>ren<br />
Rahmen Fachkräfte mit unterschiedlichem professionellem<br />
H<strong>in</strong>tergrund zusammenarbeiten. Gera<strong>de</strong> die Kommunikation<br />
zwischen pädagogischen Fachkräften und therapeutischem<br />
o<strong>de</strong>r gar mediz<strong>in</strong>ischem Personal erweist sich dabei durchaus<br />
als problematisch. Integrationsprojekte entwickeln über<br />
kurz o<strong>de</strong>r lang ausgehend von vielfältigen <strong>in</strong>tegrativen<br />
E<strong>in</strong>zelaktivitäten Versuche <strong>de</strong>r Gesamtbetrachtung von<br />
Integrationsentwicklungen. K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtungen entwickeln<br />
ihre pädagogische Konzeption unter <strong>de</strong>m Aspekt<br />
<strong>in</strong>tegrativer Pädagogik weiter, Schulen erstellen <strong>in</strong>tegrative<br />
Schulprogramme. Schließlich s<strong>in</strong>d sowohl <strong>in</strong>tegrative Institutionen<br />
als auch <strong>in</strong>tegrative E<strong>in</strong>zelprojekte stets darum bemüht,<br />
sich vielfältige Kontakte im sozialen Umfeld zu schaffen,<br />
mit Eltern, an<strong>de</strong>ren Professionen, sozialen Diensten <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Region <strong>in</strong>tensiv zusammenzuarbeiten und so auch<br />
externe Unterstützungssysteme zu etablieren (s. dazu auch<br />
<strong>de</strong>n Ansatz <strong>de</strong>r lebensweltorientierten sozialen Arbeit bei<br />
Thiersch 1995). In <strong>de</strong>r verallgeme<strong>in</strong>erten Form bezeichnen<br />
wir dies als ökologisches Mehrebenenmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Integrati-<br />
Menschen mit<br />
beson<strong>de</strong>ren<br />
Bedürfnissen<br />
Pädagogische<br />
Konzeption<br />
Externe<br />
Unterstützungssysteme<br />
Abb. 1: Integrationsentwicklung als ökologisches Mehrebenenmo<strong>de</strong>ll<br />
(vgl. Heimlich 2003)<br />
10
Inklusion als neues pädagogisches Leitbild<br />
(Zukunftsperspektiven)<br />
Die <strong>in</strong>ternationale Entwicklung zur Integration von Menschen<br />
mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen hat <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e<br />
neue Stufe erreicht. Seit <strong>de</strong>r Erklärung von Salamanca aus<br />
<strong>de</strong>m Jahre 1994 (vgl. Österreichische UNESCO-Kommission<br />
1996), <strong>in</strong> <strong>de</strong>r sich über 80 Staaten <strong>de</strong>r Welt und zahlreiche<br />
weltweit tätige Selbsthilfeorganisationen zu e<strong>in</strong>er Pädagogik<br />
für beson<strong>de</strong>re Bedürfnisse bekannt haben, steht im Mittelpunkt<br />
<strong>de</strong>r <strong>in</strong>ternationalen Integrationsentwicklung das<br />
Konzept <strong>de</strong>r Inklusion. Alfred San<strong>de</strong>r und Andreas H<strong>in</strong>z<br />
haben dieses Konzept im bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Sprachraum<br />
beson<strong>de</strong>rs bekannt gemacht (vgl. H<strong>in</strong>z 2002; San<strong>de</strong>r 2004;<br />
Schnell&San<strong>de</strong>r 2004). Im März 2005 fand <strong>in</strong> München die<br />
<strong>in</strong>ternationale Fachtagung „Early Childhood Inclusion“ mit<br />
Inklusions-Experten/ -<strong>in</strong>nen aus über 10 Län<strong>de</strong>rn statt.<br />
Auch <strong>de</strong>r „In<strong>de</strong>x for Inclusion“ von Mel A<strong>in</strong>scow und Toni<br />
Booth wur<strong>de</strong> vorgestellt (vgl. 2006).<br />
Zielvorstellung ist dabei, von vornhere<strong>in</strong> auf jegliche Ausson<strong>de</strong>rung<br />
zu verzichten und die Heterogenität <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
und Jugendlichen nicht nur als Ausgangspunkt zu sehen,<br />
son<strong>de</strong>rn vielmehr ausdrücklich zu betonen: „to celebrate<br />
diversity“, wie es im In<strong>de</strong>x heißt. Motto: „Wir s<strong>in</strong>d unterschiedlich<br />
– und f<strong>in</strong><strong>de</strong>n das Klasse!“ Alle K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendlichen<br />
sollen <strong>in</strong> allen Situationen beispielsweise <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtungen<br />
und Schulen die<br />
Chance haben, teilzuhaben und<br />
etwas beizutragen. Es wird auch<br />
darauf verzichtet, von beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten<br />
und nichtbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten Schülern/ -<br />
<strong>in</strong>nen zu sprechen, vielmehr wer<strong>de</strong>n<br />
die <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse<br />
aller Schüler/ -<strong>in</strong>nen betont. In <strong>de</strong>r<br />
Erklärung von Madrid aus <strong>de</strong>m<br />
Jahre 2002 wur<strong>de</strong> die Inklusions-<br />
Perspektive auf die gesellschaftliche<br />
Dimension übertragen. G<strong>in</strong>g es<br />
<strong>in</strong> Salamanca 1994 vorrangig um<br />
die Entwicklung <strong>de</strong>r Vorstellung<br />
von e<strong>in</strong>er „Schule für alle“, so<br />
betonten die Teilnehmer <strong>de</strong>s europäischen<br />
Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenkongresses<br />
Praxis <strong>de</strong>r Integration<br />
von Madrid nunmehr auch die E<strong>in</strong>beziehung <strong>de</strong>r gesamten<br />
Öffentlichkeit <strong>in</strong> das Thema Inklusion. Damit war <strong>de</strong>r konzeptionelle<br />
Rahmen für das Europäische Jahr für Menschen<br />
mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung im Jahre 2003 gesteckt: „Nichts über uns<br />
ohne uns“ – so lautete se<strong>in</strong>erzeit das Motto (vgl. Hausotter<br />
2004, S. 192ff.). Wir unterschei<strong>de</strong>n gegenwärtig drei verschie<strong>de</strong>ne<br />
Grundverständnisse von Inklusion im bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />
Sprachraum (vgl. Schnel & San<strong>de</strong>r 2004):<br />
Das englischsprachige <strong>in</strong>clusion wur<strong>de</strong> zunächst lediglich<br />
als Übersetzung von Integration <strong>in</strong>terpretiert. Der<br />
Begriff Integration hatte sich <strong>in</strong>ternational nie vollständig<br />
durchgesetzt, war <strong>in</strong> Nordamerika eher als mit <strong>de</strong>r<br />
Bezeichnung ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht<br />
wor<strong>de</strong>n. Insofern konnte erwartet wer<strong>de</strong>n, dass sich<br />
<strong>de</strong>r Sprachgebrauch nunmehr <strong>in</strong>ternational annäherte<br />
und von daher <strong>de</strong>r Begriff Integration weiter verwen<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Beim genauen Blick auf die Inklusionsprojekte, die sich<br />
<strong>in</strong> Großbritannien und Nordamerika ausdrücklich als<br />
Ausdruck von <strong>in</strong>clusive education verstan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong><br />
jedoch <strong>de</strong>utlich, dass es dabei m<strong>in</strong><strong>de</strong>st um e<strong>in</strong>e Optimierung<br />
von Integration im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>de</strong>r<br />
<strong>in</strong>tegrativen Qualität g<strong>in</strong>g. Damit begannen auch erste<br />
Versuche, <strong>de</strong>n Begriff Integration durch <strong>de</strong>n Begriff Inklusion<br />
abzulösen.<br />
Mittlerweile hat sich <strong>de</strong>utlich gezeigt, dass <strong>in</strong>clusion<br />
e<strong>in</strong>e wesentlich erweiterte Vorstellung von Integration<br />
enthält. Inclusive schools s<strong>in</strong>d beispielsweise Schulen,<br />
die von vornhere<strong>in</strong> auf jegliche Form von Ausson<strong>de</strong>rung<br />
verzichten und je<strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und je<strong>de</strong>n Jugendlichen<br />
auf <strong>de</strong>r Basis se<strong>in</strong>er je <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse<br />
mit e<strong>in</strong>zubeziehen. Vergleicht man die Praxis <strong>de</strong>r Integration<br />
mit <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r Inklusion, so wird diese neue<br />
Vorstellung bereits sichtbar.<br />
Im Anschluss an Andreas H<strong>in</strong>z (vgl. 2002) ergibt sich unter<br />
Erweiterung <strong>de</strong>r Perspektive über die Schule h<strong>in</strong>aus auch auf<br />
sozialpädagogische Arbeitsfel<strong>de</strong>r die folgen<strong>de</strong> typisierte Gegenüberstellung<br />
von Integration und Inklusion:<br />
Abb. 2:<br />
E<strong>in</strong>glie<strong>de</strong>rung bei För<strong>de</strong>rbedarf<br />
schädigungsbezogenes System<br />
Zwei-Gruppen-Theorie<br />
<strong>in</strong>dividuumszentrierter Ansatz<br />
<strong>in</strong>stitutionelle Ebene<br />
Ressourcen für Etikettierung<br />
<strong>in</strong>dividuelle Curricula für e<strong>in</strong>zelne<br />
spezielle För<strong>de</strong>rung für Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte<br />
heil- und son<strong>de</strong>rpädagogische<br />
Unterstützung f. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r/Jugendl.<br />
Vergleich Integration – Inklusion<br />
(nach Andreas H<strong>in</strong>z 2002)<br />
Integrative Maßnahmen können erst dann e<strong>in</strong>setzen, wenn<br />
bei K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen e<strong>in</strong> För<strong>de</strong>rbedarf bzw. e<strong>in</strong>e<br />
Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung diagnostiziert wor<strong>de</strong>n ist. Ressourcen wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>in</strong> dieser Praxis nur auf <strong>de</strong>r Basis von Etikettierungen zugewiesen<br />
und führen somit zu e<strong>in</strong>er Aufteilung <strong>in</strong> zwei Gruppen<br />
(Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte und Nichtbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte). Von daher bleibt<br />
Integration e<strong>in</strong> auf die <strong>in</strong>dividuelle Schädigung bezogenes<br />
und damit an Defiziten orientiertes Mo<strong>de</strong>ll. Es ist e<strong>in</strong>e auf<br />
<strong>de</strong>n E<strong>in</strong>zelnen ausgerichtete Praxis, die <strong>in</strong>dividuelle Curricula<br />
ausbil<strong>de</strong>t und die spezielle För<strong>de</strong>rung für Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte auch<br />
als heil- und son<strong>de</strong>rpädagogische Unterstützung realisieren<br />
will. Aber sie bleibt letztlich auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>in</strong>stitutioneller<br />
Maßnahmen stehen.<br />
Praxis <strong>de</strong>r Inklusion<br />
geme<strong>in</strong>sames Leben/ Lernen für alle<br />
umfassen<strong>de</strong>s System für alle<br />
Theorie <strong>de</strong>r heterogenen Gruppe<br />
systemischer Ansatz<br />
auch emotionale, soziale Ebene<br />
Ressourcen für Systeme<br />
<strong>in</strong>dividuelle Curricula für alle<br />
geme<strong>in</strong>sames/ <strong>in</strong>dividuelles Lernen<br />
heil- und son<strong>de</strong>rpädagogische<br />
Unterstützung für Systeme<br />
11
Inklusive Maßnahmen zeichnen sich <strong>de</strong>mgegenüber durch<br />
e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle Ausrichtung am geme<strong>in</strong>samen Leben und<br />
Lernen für alle K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche aus. Es wird auf die<br />
Ausdifferenzierung unterschiedlicher Gruppen von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />
und Jugendlichen verzichtet und von <strong>de</strong>r überall vorf<strong>in</strong>dbaren<br />
Heterogenität von Gruppen ausgegangen. Dies ist die<br />
Voraussetzung dafür, dass Ressourcen aufgrund <strong>de</strong>r Unterschiedlichkeit<br />
von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen allen Systemen<br />
zugewiesen wer<strong>de</strong>n. Auch die heil- und son<strong>de</strong>rpädagogische<br />
Unterstützung wird dieser Systemebene pauschal zugeordnet,<br />
ohne dass jeweils <strong>de</strong>r <strong>in</strong>dividuelle För<strong>de</strong>rbedarf nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n müsste. Erst auf diesem Wege kann Integration<br />
zum umfassen<strong>de</strong>n System für alle ausgebaut<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Teilhabe nicht nur äußerlich als <strong>in</strong>stitutioneller<br />
Än<strong>de</strong>rungsprozess organisiert wird, son<strong>de</strong>rn auch als<br />
emotionale und soziale Begegnung erlebt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Inklusion wäre allerd<strong>in</strong>gs auch im Anschluss an die <strong>in</strong>ternationale<br />
Entwicklung gründlich missverstan<strong>de</strong>n, wenn hier<br />
gleichsam von vornhere<strong>in</strong> die heil- und son<strong>de</strong>rpädagogische<br />
Unterstützung ausgeklammert wäre. Sie wird vielmehr <strong>in</strong> die<br />
Inklusionsaufgabe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>genommen und ist weiter notwendig<br />
– auch mit ihrer spezifischen fachlichen Kompetenz.<br />
In dieser Gegenüberstellung ist sicher auch e<strong>in</strong>e beträchtliche<br />
Kritik an <strong>de</strong>m teils unbefriedigen<strong>de</strong>n Entwicklungsstand<br />
<strong>de</strong>r Integration <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD enthalten. Inklusion gew<strong>in</strong>nt hier<br />
<strong>de</strong>n Stellenwert e<strong>in</strong>er neuen Perspektive, die neue Zielsetzungen<br />
enthält und dazu auffor<strong>de</strong>rt, nicht beim erreichten<br />
Stand <strong>de</strong>r Integration stehen zu bleiben. Gleichwohl ist auch<br />
die Inklusionsperspektive <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gefahr, erneut nur die<br />
Dimension <strong>de</strong>r Teilhabe zu betonen, ohne die Betroffenen<br />
selbst <strong>in</strong> ihren Selbstbestimmungsrechten e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
Deshalb sei hier als Beitrag zur Positionsbestimmung e<strong>in</strong>er<br />
Inklusiven Pädagogik <strong>in</strong> <strong>de</strong>r BRD an die Kernposition e<strong>in</strong>er<br />
<strong>de</strong>mokratischen Pädagogik er<strong>in</strong>nert, wie sie John Dewey<br />
(1859-1952), <strong>de</strong>r amerikanische Reformpädagoge und<br />
Erziehungsphilosoph <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Spätwerk formuliert hat:<br />
„Die Aufgabe <strong>de</strong>r Demokratie ist stets die Hervorbr<strong>in</strong>gung<br />
e<strong>in</strong>er freieren und menschlicheren Erfahrung, die alle teilen<br />
und zur <strong>de</strong>r alle beitragen.“ (Dewey 1939/ 1988, S. 236)<br />
Teilhabe ist <strong>de</strong>shalb nur die e<strong>in</strong>e Seite <strong>de</strong>r Inklusion. In<br />
e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>mokratischen Gesellschaft haben alle Menschen<br />
selbstverständlich das Recht teilzuhaben – an Bildung und<br />
Erziehung, an sozialpolitischen Maßnahmen, an <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>de</strong>s Geme<strong>in</strong>wesens usf. Aber Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
wollen nicht nur dazugehören, mittendr<strong>in</strong>-se<strong>in</strong> statt<br />
bloß dabei. Sie wollen auch etwas aus ihren Fähigkeiten<br />
machen, sich e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, etwas weitergeben, frei se<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
Nutzung ihres <strong>in</strong>dividuellen Potenzials. Auch bei <strong>de</strong>r Inklusion<br />
geht es um diese Möglichkeit <strong>de</strong>r Erfahrung, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Teilhaben<br />
und Beitragen aufe<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r bezogen bleiben und von<br />
allen Menschen realisiert wer<strong>de</strong>n können. Erst an diesem<br />
Punkt wechseln wir von e<strong>in</strong>em bloß gedul<strong>de</strong>ten Mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />
zu e<strong>in</strong>er echten Geme<strong>in</strong>samkeit.<br />
Literaturempfehlung:<br />
HEIMLICH, ULRICH: Integrative Pädagogik. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung. Stuttgart:<br />
Kohlhammer, 2003<br />
Literaturh<strong>in</strong>weise:<br />
BUNDESREGIERUNG (Hrsg.): Bericht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung über die<br />
Lage beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe.<br />
Deutscher Bun<strong>de</strong>stag, Drucksache 15/ 4575 v. 16.12.2004<br />
BOOTH, TONI/ AINSCOW, MEL/ KINGSTON, DENISE: In<strong>de</strong>x für Inklusion<br />
(Tagese<strong>in</strong>richtungen für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r) Lernen, Partizipation und Spiel <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>r <strong>in</strong>klusiven K<strong>in</strong><strong>de</strong>rtagese<strong>in</strong>richtung entwickeln. Deutschsprachige<br />
Ausgabe. Übersetzt von T. Hermann. Wissenschaftl. Beratung: U.<br />
Heimlich, A. H<strong>in</strong>z. Hrsg. v. d. Gewerkschaft Erz. und Wissenschaft.<br />
Frankfurt a.M., 2006<br />
COLEMAN, ROGER (Hrsg.): Design für die Zukunft. Wohnen und Leben<br />
ohne Barrieren. Köln: Dumont, 1997<br />
DEWEY, JOHN: Creative Democracy – The Task Before us. In: Dewey,<br />
John: The Later Works, 1925-1953. Vol. 14: 1939-1941. Ed. By<br />
Boydston, J.A. Carbondale und Edwardsville: Southern Ill<strong>in</strong>ois University<br />
Press, 1988, S. 225-230<br />
EBERT, HARALD: Integrative, offene Jugendarbeit. In: Geme<strong>in</strong>sam<br />
leben 9 (2001) 1, S. 11-15<br />
FEUSER, GEORG: Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche. Zwischen Ausson<strong>de</strong>rung<br />
und Integration. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft,<br />
1995<br />
HAUSOTTER, ANETTE: Aktuelle Entwicklungen im Rahmen <strong>de</strong>r European<br />
Agency for Development <strong>in</strong> Special Needs Education. In: SCHNELL,<br />
IRMTRAUD/ SANDER, ALFRED (Hrsg.), a.a.O., S. 187-194<br />
HEIMLICH, ULRICH: Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte und nichtbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte K<strong>in</strong><strong>de</strong>r spielen<br />
geme<strong>in</strong>sam. Konzept und Praxis <strong>in</strong>tegrativer Spielför<strong>de</strong>rung. Bad<br />
Heilbrunn: Kl<strong>in</strong>khardt, 1995<br />
HEIMLICH, ULRICH: 25 Jahre Integration – Bilanz und Perspektiven<br />
e<strong>in</strong>er Bildungsreform. In: Forum E. Zeitschrift <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s Bildung<br />
und Erziehung. 51 (1998) 5. S. 8-12<br />
HEIMLICH, ULRICH: 10 Jahre Integrationsentwicklung <strong>in</strong> Ost<strong>de</strong>utschland<br />
– e<strong>in</strong> Rückblick nach vorn. In: Geme<strong>in</strong>sam leben 8 (2000) 4, S.<br />
156-159<br />
HEIMLICH, ULRICH: Integrative Pädagogik. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung. Stuttgart<br />
u.a.: Kohlhammer, 2003<br />
HEIMLICH, ULRICH/ JACOBS, SVEN: Integrative Schulentwicklung im<br />
Sekundarbereich. Das Beispiel <strong>de</strong>r IGS Halle/ S. Bad Heilbrunn:<br />
Kl<strong>in</strong>khardt, 2001<br />
HINZ, ANDREAS: Von <strong>de</strong>r Integration zur Inklusion – term<strong>in</strong>ologisches<br />
Spiel o<strong>de</strong>r konzeptionelle Weiterentwicklung. In: Zeitschrift für<br />
Heilpädagogik 53 (2002) 9, S. 354-361<br />
ÖSTERREICHISCHE UNESCO-KOMMISSION (Hrsg.): Pädagogik für<br />
beson<strong>de</strong>re Bedürfnisse. Die Erklärung von Salamanca und <strong>de</strong>r Aktionsrahmen<br />
zur Pädagogik für beson<strong>de</strong>re Bedürfnisse. Wien, 1996<br />
MARKOWETZ, REINHARD: Praktische Erfahrungen und Erkenntnisse<br />
aus <strong>de</strong>m Projekt zur För<strong>de</strong>rung <strong>in</strong>tegrativer Ferien- und Freizeitmaßnahmen<br />
(PFiFF). In: ROSENBERGER, MANFRED (Hrsg.): Ratgeber<br />
gegen Ausson<strong>de</strong>rung. Hei<strong>de</strong>lberg: Edition Sch<strong>in</strong><strong>de</strong>le, 2. Auflage 1998,<br />
S. 315-342<br />
RAUSCHENBACH, THOMAS/ ORTMANN, FRIEDRICH/ KARSTEN, MARIA –<br />
E. (Hrsg.): Der sozialpädagogische Blick. Lebensweltorientierte<br />
Metho<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Sozialen Arbeit. We<strong>in</strong>heim u. München: Juventa,1993<br />
SANDER, ALFRED: Konzepte e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>klusiven Pädagogik. In: Zeitschrift<br />
für Heilpädagogik 55 (2004) 5, S. 240-244<br />
SCHNELL, IRMTRAUD/ SANDER, ALFRED (Hrsg.): Inklusive Pädagogik.<br />
Bad Heilbrunn: Kl<strong>in</strong>khardt, 2004<br />
THIERSCH, HANS: Lebenswelt und Moral. Beiträge zur moralischen<br />
Orientierung Sozialer Arbeit. We<strong>in</strong>heim u. München: Juventa, 1995<br />
Autor<br />
Dr. paed. Ulrich Heimlich ist Universitätsprofessor für Lernbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenpädagogik<br />
an <strong>de</strong>r Ludwig-Maximilians-Universität München. Se<strong>in</strong>e<br />
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich <strong>de</strong>r <strong>in</strong>tegrativen<br />
För<strong>de</strong>rung und Integrationsforschung sowie im Bereich <strong>de</strong>r<br />
präventiven För<strong>de</strong>rung und Spielpädagogik.<br />
Kontakt<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München / Department für Pädagogik<br />
und Rehabilitation / Institut für Präventions-, Integrations- und<br />
Rehabilitationsforschung / Lehrstuhl für Lernbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenpädagogik<br />
Leopoldstr. 13, Tel.: 089/ 2180-5121 E-mail: heimlich@spedu.unimuenchen.<strong>de</strong><br />
Lehrstuhl: www.edu.lmu.<strong>de</strong>/lbp<br />
Forschungsstelle <strong>in</strong>tegrative För<strong>de</strong>rung (FiF): www.<strong>in</strong>tegpro.<strong>de</strong><br />
12
Heilpädagogisches Konzept<br />
zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
sozialen Kompetenzen und<br />
<strong>de</strong>s Selbstmanagements<br />
Christ<strong>in</strong>e Nie<strong>de</strong>rmayer,<br />
Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
E<strong>in</strong> Teilprojekt an <strong>de</strong>r Berufsfachschule für Sozialpflege<br />
Innerhalb <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>llversuchs „Integrierte Pflege-<br />
Erstausbildung“ an <strong>de</strong>r Berufsfachschule für Sozialpflege<br />
<strong>in</strong> Gut Häusern wird seit <strong>de</strong>m Schuljahr 2006 <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik das Projekt<br />
„För<strong>de</strong>rung von sozialen Kompetenzen und <strong>de</strong>s Selbstmanagements“<br />
durchgeführt. Die Schüler <strong>de</strong>r Berufsfachschule<br />
bekommen im Unterricht theoretisches und fachpraktisches<br />
Wissen vermittelt. Für das Bestehen, beson<strong>de</strong>rs<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialen Beruf, braucht es jedoch neben<br />
<strong>de</strong>r beruflichen Fachkenntnis auch e<strong>in</strong> stabiles Selbstkonzept<br />
und gute soziale Kompetenzen. Bei<strong>de</strong>s ist beson<strong>de</strong>rs<br />
wichtig um mit <strong>de</strong>n hohen Anfor<strong>de</strong>rungen und Belastungen,<br />
die e<strong>in</strong> sozialpflegerischer Beruf mit sich br<strong>in</strong>gt,<br />
umgehen und auch bestehen zu können. Die Entwicklung<br />
von sozialen Kompetenzen und <strong>de</strong>s Selbstmanagements<br />
bil<strong>de</strong>t die Basis um <strong>de</strong>n anvertrauten Klientel und sich<br />
selbst gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Was s<strong>in</strong>d soziale Kompetenzen?<br />
Soziale Kompetenzen wer<strong>de</strong>n neben fachlichen Kompetenzen<br />
als Erfolgsfaktoren für die Meisterung e<strong>in</strong>es erfolgreichen<br />
Berufs- und Privatlebens gesehen. „Damit K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
und Jugendliche die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />
meistern können, brauchen sie vor allem soziale<br />
Kompetenzen, wie beispielsweise Konflikt- und Kooperationsfähigkeit“,<br />
sagte Prof. Dr. Rita Süssmuth im Februar<br />
2007 auf <strong>de</strong>r größten europäischen Bildungsmesse didacta<br />
<strong>in</strong> Köln. Soziale Kompetenzen s<strong>in</strong>d laut OECD (Organisation<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)<br />
Schlüsselkompetenzen, die sich aus drei Kernkompetenzen<br />
zusammensetzen:<br />
Erfolgreich selbstständig han<strong>de</strong>ln können (Stichwort:<br />
Zivilgesellschaftliches Engagement);<br />
Werkzeuge konstruktiv nutzen können (Stichwort:<br />
Arbeit <strong>in</strong> Projekten);<br />
<strong>in</strong> heterogenen Gruppen erfolgreich mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r<br />
han<strong>de</strong>ln können (Stichwort: Soziale Kompetenzen).<br />
Warum die För<strong>de</strong>rung sozialer Kompetenzen an<br />
<strong>de</strong>r Berufsfachschule für Sozialpflege?<br />
Soziale Kompetenzen s<strong>in</strong>d neben <strong>de</strong>m fachlichen Wissen<br />
grundlegen<strong>de</strong> Eigenschaften für e<strong>in</strong>en erfolgreichen und<br />
befriedigen<strong>de</strong>n Wer<strong>de</strong>gang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialpflegerischen<br />
Beruf. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht <strong>de</strong>r Aufbau e<strong>in</strong>er<br />
Beziehung zu <strong>de</strong>n Betreuten, die getragen se<strong>in</strong> soll von<br />
Achtsamkeit, Wertschätzung, Kongruenz und Empathie.<br />
Aus diesem Grund sehen wir die von <strong>de</strong>r Berufsfachschule<br />
für Sozialpflege <strong>in</strong>itiierte heilpädagogische und sozialpsychologische<br />
Betreuung als große und notwendige<br />
Bereicherung für die Schüler an, da fachliches Lernen<br />
auch die Entfaltung sozialer Kompetenzen <strong>in</strong>tegrieren<br />
soll. Unsere Aufgaben sehen wir im S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>s Reformpädagogen<br />
Otto Herz: „Gute Pädagogen stärken die Stärken<br />
und schwächen die Schwächen, sie s<strong>in</strong>d vor allem<br />
Schatzsucher und ke<strong>in</strong>e Defizitnachweiser.“<br />
Das heilpädagogische Konzept zur Stärkung <strong>de</strong>r sozialen<br />
Kompetenzen und <strong>de</strong>s Selbstmanagements soll genau<br />
diese Ziele verfolgen. Unser vordr<strong>in</strong>glicher Anspruch ist <strong>in</strong><br />
ganzheitlichen Dimensionen und Systemen zu arbeiten.<br />
Dies be<strong>de</strong>utet, dass die jungen Erwachsenen im Kontext<br />
aller ihrer betreffen<strong>de</strong>n Faktoren und Bed<strong>in</strong>gungen betrachtet<br />
und beachtet wer<strong>de</strong>n sollen, soweit dies möglich<br />
und für e<strong>in</strong>en Außenstehen<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>sehbar ist. Diese Faktoren<br />
betreffen <strong>de</strong>n Jugendlichen mit all se<strong>in</strong>en Stärken,<br />
Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch<br />
die familiäre Lebenssituation. Ziele <strong>de</strong>s Jugendalters s<strong>in</strong>d<br />
die Entwicklung von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit.<br />
Welche Ziele verfolgt das heilpädagogische Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
an <strong>de</strong>r Berufsfachschule für Sozialpflege?<br />
Ziel <strong>de</strong>s heilpädagogischen und sozialpsychologischen<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs soll se<strong>in</strong>, sozial-emotionale Schlüsselfertigen<br />
nach Payton et al. (2000) zu för<strong>de</strong>rn und zu stärken.<br />
Dazu zählen die zwei Hauptfaktoren För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Selbst- und Fremdwahrnehmung und För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
sozialen Interaktion, die hier kurz dargestellt wer<strong>de</strong>n<br />
sollen<br />
(Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium für Bildung und Forschung, 2005)<br />
13
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />
Wahrnehmung von Gefühlen, d.h. die Fähigkeit<br />
eigene Gefühle richtig wahrzunehmen und zu benennen.<br />
Regulation von Gefühlen, d.h. die Fähigkeit, die<br />
eigenen Gefühle zu regulieren.<br />
Positives Selbstbild, d.h. die Fähigkeit, eigene<br />
Stärken und Schwächen zu erkennen und alltäglicher<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung mit Selbstvertrauen und Optimismus<br />
zu begegnen.<br />
Perspektivenübernahme, d.h. die Fähigkeit, die<br />
Sichtweise an<strong>de</strong>rer Personen wahrzunehmen.<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sozialen Interaktion<br />
Aktives Zuhören, d.h. die Fähigkeit sich an<strong>de</strong>ren<br />
zuzuwen<strong>de</strong>n und ihnen zu zeigen, dass sie verstan<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n<br />
Kommunikation, d.h. die Fähigkeit Gespräche zu<br />
<strong>in</strong>itiieren und aufrechtzuerhalten und se<strong>in</strong>e Gedanken<br />
und Gefühle verbal und nonverbal auszudrücken<br />
Kooperation, d.h. die Fähigkeit sich mit an<strong>de</strong>ren<br />
abzuwechseln und zu teilen.<br />
Verhandlung, d.h. die Fähigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt<br />
alle Sichtweisen zu berücksichtigen, um zu e<strong>in</strong>er für<br />
alle Beteiligten zufrie<strong>de</strong>n stellen<strong>de</strong>n Lösung zu kommen<br />
Verweigerung, d.h. die Fähigkeit sich zu verweigern<br />
und nicht unter Druck setzen zu lassen<br />
Suche nach Unterstützung, d.h. die Fähigkeit<br />
Unterstützungsbedarf zu erkennen und<br />
erreichbare und angemessene Hilfe <strong>in</strong><br />
Anspruch zu nehmen.<br />
Damit die Ziele <strong>de</strong>s Programms erfolgreich<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n, bedarf es aus heilpädagogischer<br />
und sozialpsychologischer Sichtweise<br />
zwei verschie<strong>de</strong>ne Faktoren. Dies ist zum<br />
e<strong>in</strong>en die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sozialen Kompetenzen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r sozialen Interaktion <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gruppe,<br />
zum an<strong>de</strong>ren die E<strong>in</strong>zelbegleitung <strong>de</strong>r jungen<br />
Erwachsenen. Um die <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Übungen gemachten<br />
Erfahrungen erfolgreich <strong>in</strong> das<br />
Leben <strong>in</strong>tegrieren zu können, benötigt es<br />
e<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>uierlichen und regelmäßigen<br />
Prozessverlauf. Es ist daher notwendig die<br />
jungen Erwachsenen regelmäßig und <strong>in</strong><br />
Kle<strong>in</strong>gruppen zu betreuen.<br />
Die Begleitung ab September 2006 glie<strong>de</strong>rte sich <strong>in</strong>:<br />
1. Übungen und Projekte zur Stärken <strong>de</strong>r sozialen<br />
Kompetenz, die dialogisch mit <strong>de</strong>n jungen Erwachsenen<br />
erarbeitet wer<strong>de</strong>n<br />
2. E<strong>in</strong>zelbegleitungen <strong>de</strong>r Schüler nach Bedarf<br />
Schwerpunkte und Verlauf <strong>de</strong>r heilpädagogischen<br />
Begleitung<br />
Aufbau e<strong>in</strong>er tragfähigen Beziehung zu <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />
Wichtige Voraussetzung damit die Jugendlichen und<br />
jungen Erwachsenen e<strong>in</strong> positives Selbstkonzeptes entwickeln<br />
und soziale Kompetenzen auf- bzw. ausbauen<br />
können war <strong>de</strong>r Aufbau e<strong>in</strong>er tragfähigen Beziehung und<br />
e<strong>in</strong>e daraus entstehen<strong>de</strong> vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>n Leitern <strong>de</strong>s Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs.<br />
Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszeit und die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen wur<strong>de</strong>n im<br />
geschützten Raum durchgeführt. Das be<strong>de</strong>utet, dass nur<br />
<strong>in</strong> Absprache mit <strong>de</strong>n Schülern Inhalte nach draußen<br />
dr<strong>in</strong>gen, sprich mit <strong>de</strong>n Lehrern besprochen wur<strong>de</strong>n.<br />
Gruppentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Die Inhalte <strong>de</strong>s Gruppentra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs im 1. Jahr lehnten sich<br />
an das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>de</strong>s Züricher Ressourcenmo<strong>de</strong>lls von<br />
Storch und Rie<strong>de</strong>ner (2006) und das „Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Jugendlichen-<br />
För<strong>de</strong>rung von Arbeits- und Sozialverhalten“<br />
von Petermann (2003) an. Sehr wichtig <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten<br />
war es jedoch nicht e<strong>in</strong> Programm durchzuführen,<br />
son<strong>de</strong>rn flexibel auf die Erlebnisse und Bedürfnisse<br />
<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer und <strong>de</strong>r Gruppe e<strong>in</strong>zugehen.<br />
Die jungen Erwachsenen <strong>de</strong>r Berufsfachschule für Sozialpflege<br />
wer<strong>de</strong>n beruflich, sprich im Praktikum, mit sehr<br />
herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Themen, wie zum Beispiel Krankheit,<br />
Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen, Sterben und Aggressionen konfrontiert,<br />
die es anzuschauen und zu bearbeiten gilt.<br />
Wichtige Entwicklungsthemen im privaten, im Prozess<br />
<strong>de</strong>s Erwachsenwer<strong>de</strong>ns, s<strong>in</strong>d z.B. <strong>de</strong>r Aufbau von neuen<br />
und reifen Beziehungen zu Altersgenossen, emotionale<br />
Unabhängigkeit von <strong>de</strong>n Eltern und von an<strong>de</strong>ren Erwachsenen,<br />
Entwicklung von Werten und von sozial verantwortlichem<br />
Han<strong>de</strong>ln. Im Gruppentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wur<strong>de</strong>n sowohl<br />
berufliche als auch private<br />
Themen aufgegriffen und systemisch<br />
bearbeitet, d.h. <strong>de</strong>r<br />
Kontext <strong>de</strong>s beruflichen und<br />
privaten Umfel<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong> berücksichtigt<br />
und mit e<strong>in</strong>bezogen.<br />
Im 2. Jahr wur<strong>de</strong> das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
anhand von zwei Theaterprojekten<br />
durchgeführt.<br />
Dazu wur<strong>de</strong> die Klasse <strong>in</strong> zwei<br />
Gruppen - Frauen und Männer -<br />
geteilt, mit <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund<br />
während <strong>de</strong>s Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs zusätzlich<br />
die Entwicklung e<strong>in</strong>es positiven<br />
Frauen- bzw. Männerbil<strong>de</strong>s<br />
zu unterstützen.<br />
Die jungen Frauen setzten sich im Projekt Schwarzlichttheater<br />
sehr <strong>in</strong>tensiv und sensibel mit <strong>de</strong>m beruflichen-<br />
Thema Alter, Älterwer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m fruchtbaren und<br />
unterstützen<strong>de</strong>m Austausch <strong>de</strong>r Generationen ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r.<br />
Die jungen Männer <strong>in</strong>szenierten e<strong>in</strong> akrobatisches<br />
Theaterstück, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m sie sich kritisch mit <strong>de</strong>m Gesundheitssystem<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rsetzten.<br />
Bei<strong>de</strong> Theatergruppen führten ihre Theaterstücke <strong>in</strong>tern,<br />
14
vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren beruflichen Schulen und am Tag <strong>de</strong>r<br />
offenen Tür <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie vor und bekamen sehr viel<br />
Anerkennung dafür. Das Motto, das sich während <strong>de</strong>r<br />
Theaterproben entwickelte war: „Mia gem Voigas“ (Wir<br />
geben Vollgas). Dies war Ausdruck e<strong>in</strong>es positiven<br />
Selbstwertgefühls und e<strong>in</strong>er guten Energie, die sich im<br />
Laufe <strong>de</strong>r Zeit entwickelt hatte.<br />
E<strong>in</strong>zeltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
E<strong>in</strong>zelne Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n durch E<strong>in</strong>zelgespräche<br />
<strong>in</strong> für sie herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Situationen unterstützt.<br />
Der Fokus lag darauf eigene Stärken zu erkennen<br />
und somit befähigt zu wer<strong>de</strong>n, Probleme erkennen und<br />
lösen zu können.<br />
Resümee<br />
Nach <strong>de</strong>r zweijährigen Zusammenarbeit zwischen Berufsfachschule<br />
für Sozialpflege und Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
waren wir alle stolz auf die Schüler <strong>de</strong>r Integrierten<br />
Pflege-Erstausbildung. Wir freuen uns, dass alle <strong>de</strong>n<br />
Abschluss und viele sogar die mittlere Reife geschafft<br />
haben. Die Schüler konnten ihre Stärken und Ressourcen<br />
ent<strong>de</strong>cken und nutzen diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anschließen<strong>de</strong>n<br />
Fachkraftausbildung.<br />
Herzlich Dank gebührt auch Frau Zeil<strong>in</strong>ger, e<strong>in</strong>er Studieren<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie, die durch ihre engagierte<br />
Mitarbeit maßgeblich zum Gel<strong>in</strong>gen <strong>de</strong>s Projektes beigetragen<br />
hat.<br />
Impressionen aus <strong>de</strong>m Projekt „Schwarzlichttheater“<br />
Durchgeführt von Studieren<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik an <strong>de</strong>r Hauptschule In<strong>de</strong>rsdorf<br />
15
Heilpädagogik <strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativen Arbeitsfel<strong>de</strong>rn<br />
Absolventen stellen ihre <strong>in</strong>tegrativen Arbeitsfel<strong>de</strong>r vor<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> Außenklassen e<strong>in</strong>es<br />
För<strong>de</strong>rzentrums mit <strong>de</strong>m Schwerpunkt<br />
geistige Entwicklung<br />
Kar<strong>in</strong> Hammann<br />
Ab <strong>de</strong>n 1990er Jahren wur<strong>de</strong>n Kooperationsprojekte mit<br />
Schülern von Regel- und För<strong>de</strong>rschulen durch das bayrische<br />
Kultusm<strong>in</strong>isterium geför<strong>de</strong>rt. E<strong>in</strong>ige Klassen <strong>de</strong>r<br />
Grund- und Hauptschulstufe <strong>de</strong>r Cäcilien-Schule Fürstenfeldbruck<br />
haben <strong>in</strong> diesem Rahmen ihre jeweilige Partnerschule<br />
wöchentlich o<strong>de</strong>r 14-tägig besucht. Dabei<br />
konnten positive Erfahrungen geme<strong>in</strong>samen Lernens von<br />
Schülern mit und ohne Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung gesammelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Unterrichtsstun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Grundschullehrer<strong>in</strong><br />
und <strong>de</strong>r Heilpädagogischer För<strong>de</strong>rlehrer<strong>in</strong> zusammen<br />
vorbereitet und gehalten. Es gab beispielsweise Naturerkundungsprojekte,<br />
Kunstaktionen, Musik mit Orff-<br />
Instrumenten, gegenseitige Schulbesuche. Im Zuge <strong>de</strong>r<br />
weiteren bildungspolitischen Entwicklung suchte sich die<br />
Cäcilien-Schule ab 2003 e<strong>in</strong>e Partnerschule, um das<br />
Projekt „Außenklasse an e<strong>in</strong>er Regelschule“ zu entwickeln.<br />
Außenklasse Germer<strong>in</strong>g<br />
Seit 2004 lernen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>de</strong>r neuen Außenklasse <strong>de</strong>r Cäcilien-Schule<br />
mit Schülern <strong>de</strong>r Germer<strong>in</strong>ger Theresen-<br />
Schule. Die heutige Klasse 4e besuchen vier Jungen und<br />
vier Mädchen mit För<strong>de</strong>rbedarf im Bereich geistige Entwicklung,<br />
e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d hat e<strong>in</strong>en Schulbegleiter. Die Schüler<br />
wer<strong>de</strong>n von e<strong>in</strong>em Son<strong>de</strong>rschullehrer und e<strong>in</strong>er Heilpädagogischen<br />
För<strong>de</strong>rlehrer<strong>in</strong> unterrichtet.<br />
Die 25 Schüler <strong>de</strong>r Partnerklasse 4d und ihre Lehrer<strong>in</strong><br />
s<strong>in</strong>d im benachbarten Klassenzimmer untergebracht.<br />
Nach Möglichkeit lernen die Schüler bei<strong>de</strong>r Klassen etwa<br />
sechs bis zehn Wochenstun<strong>de</strong>n geme<strong>in</strong>sam. In regelmäßigen<br />
Teamsitzungen <strong>de</strong>r Pädagogen wer<strong>de</strong>n die Ziele,<br />
Inhalte, Vorgehensweisen und Probleme besprochen.<br />
Den Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s geme<strong>in</strong>samen Lernens <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er sehr heterogenen Großgruppe wird durch unterschiedliche<br />
Lernformen begegnet, beispielsweise Erzählkreis,<br />
bewegtes Lernen, Partnerlesen, Wochenplanarbeit,<br />
kreative Angebote, Projekte wie Theater, Action-Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g,<br />
Lesenacht mit Schulhausübernachtung.<br />
Für die Schüler mit son<strong>de</strong>rpädagogischem För<strong>de</strong>rbedarf<br />
ist die wohnortnahe Regelschule von Vorteil. Kurze Wege,<br />
Kontakt zu Gleichaltrigen aus ihrem Heimatort und das<br />
bessere Kennenlernen <strong>de</strong>r näheren Umgebung ermöglichen<br />
ihnen, sich im außerschulischen Leben besser zu<br />
recht zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Die För<strong>de</strong>rschüler realisieren zwar durchaus<br />
die <strong>de</strong>utlichen Unterschie<strong>de</strong> im Leistungsvermögen,<br />
erfahren aber gleichzeitig<br />
Akzeptanz als vollwertige Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Theresen-Schule.<br />
Die Schüler <strong>de</strong>r Partnerklasse zeigen<br />
e<strong>in</strong> höheres Maß an E<strong>in</strong>fühlsamkeit<br />
und Sozialkompetenz. Sie erleben<br />
Schwächen und Fehler als normalen<br />
Bestandteil <strong>de</strong>s Lebens, lernen<br />
Stärken und beson<strong>de</strong>re Fähigkeiten<br />
<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschüler kennen. Vorurteile<br />
und Ängste gegenüber Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten<br />
wer<strong>de</strong>n abgebaut o<strong>de</strong>r entstehen<br />
erst gar nicht. Auch die Grundschüler<br />
haben unterschiedliche Fähigkeiten<br />
und Lernvoraussetzungen und<br />
profitieren von <strong>de</strong>r Differenzierung<br />
und Individualisierung <strong>de</strong>s Unterrichts. Geme<strong>in</strong>same<br />
Projekte stärken das Selbstbewusstse<strong>in</strong> und das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
aller Beteiligten.<br />
Außenklassen <strong>in</strong> Günzlhofen<br />
Seit September 2006 s<strong>in</strong>d drei Klassen <strong>de</strong>r Cäcilien-<br />
Schule <strong>in</strong> die Hauptschule Günzlhofen e<strong>in</strong>gezogen. Dem<br />
dortigen Schulverband machte <strong>de</strong>r Leerstand von Schulräumen<br />
f<strong>in</strong>anzielle Sorgen, und die Cäcilien-Schule suchte<br />
dr<strong>in</strong>gend Räume, weil die Schülerzahlen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren <strong>de</strong>utlich angestiegen waren. So profitieren bei<strong>de</strong><br />
Schulen von dieser neuen I<strong>de</strong>e.<br />
Die Schüler <strong>de</strong>r Außenklassen mit unterschiedlichem<br />
son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rbedarf s<strong>in</strong>d im gleichen Alter<br />
wie die Hauptschüler. Die drei Klassen wer<strong>de</strong>n von zwei<br />
Son<strong>de</strong>rschullehrern und zwei Heilpädagogen unterrichtet.<br />
Außer<strong>de</strong>m unterstützen drei Pflegekräfte das Team.<br />
Geme<strong>in</strong>same Unterrichtsangebote <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>- o<strong>de</strong>r Großgruppen<br />
gibt es <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Fächern Hauswirtschaft, Werken,<br />
Sport, Musik und Religion. Da <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Hauptschule <strong>de</strong>r<br />
Unterricht vermehrt von Fachlehrern angeboten wird,<br />
16
sucht sich die Heilpädagog<strong>in</strong> bzw. Son<strong>de</strong>rschullehrer<strong>in</strong><br />
ihren Kooperationslehrer für e<strong>in</strong> Fach, z.B. Hauswirtschaft,<br />
und bespricht im Team die notwendige Planung<br />
und Vorgehensweise. Außer<strong>de</strong>m s<strong>in</strong>d Neigungsgruppen<br />
für die Haupt- und För<strong>de</strong>rschüler möglich, da die Schülerzahlen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hauptschulklassen teilweise unter 20 liegen.<br />
Die Schüler <strong>de</strong>r Cäcilien-Schule fühlen sich <strong>in</strong> Günzlhofen<br />
sehr wohl. E<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d stolz, dass sie die Hauptschule<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Nähe ihres Wohnortes besuchen.<br />
Insgesamt ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fühlsamer Umgang mit allen Schülern<br />
erfor<strong>de</strong>rlich, da durch die Pubertät immer wie<strong>de</strong>r<br />
Bef<strong>in</strong>dlichkeitsstörungen auftreten, die phasenweise das<br />
Mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r bee<strong>in</strong>trächtigen. Von <strong>de</strong>n Lehrern <strong>in</strong> Günzlhofen<br />
wird e<strong>in</strong> besseres Sozialverhalten ihrer Schüler und<br />
e<strong>in</strong> Kompetenzzuwachs bei <strong>de</strong>r Übernahme von Verantwortung<br />
festgestellt.<br />
Resümee<br />
Heilpädagogische Arbeit <strong>in</strong> Außenklassen erfor<strong>de</strong>rt e<strong>in</strong><br />
hohes Maß an Engagement, Flexibilität, Gelassenheit,<br />
Empathie und Kreativität. E<strong>in</strong>erseits ist die Individualität<br />
<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>zelnen Schüler zu berücksichtigen, an<strong>de</strong>rerseits ist<br />
das E<strong>in</strong>halten festgelegter Regeln <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Gruppe für alle<br />
notwendig. Nur so wer<strong>de</strong>n positive Interaktionsprozesse<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gruppe ermöglicht. Im geme<strong>in</strong>samen Unterricht<br />
erwerben die Regelschüler soziale Kompetenzen, die<br />
För<strong>de</strong>rschüler wer<strong>de</strong>n zu besserem Lernfortschritt angespornt.<br />
Es darf aber nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, dass zur<br />
„<strong>in</strong>klusiven Qualität“ <strong>de</strong>s geme<strong>in</strong>samen Lernens auch <strong>de</strong>r<br />
umgekehrte Effekt gehört: Die Regelschüler staunen über<br />
Fertigkeiten <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschüler, diese wie<strong>de</strong>rum schulen<br />
ihre soziale Kompetenz. Im System Schule be<strong>de</strong>utet<br />
Heilpädagogik überwiegend Gruppenangebote, E<strong>in</strong>zelför<strong>de</strong>rung<br />
bleibt eher die Ausnahme. Der Lehrplan hat für<br />
die Gestaltung <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n maßgebliche Be<strong>de</strong>utung. Die<br />
Ausstattung von Regelschulen ist nicht immer barrierefrei<br />
und <strong>de</strong>shalb verbesserungswürdig. Therapeutische Angebote<br />
und Spezialräume wie Wickel- o<strong>de</strong>r Snoezelenraum<br />
fehlen. Die <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeit erfor<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n<br />
beteiligten Professionen (Lehrer, Heilpädagogen, Pflegepersonal,<br />
Zivis) e<strong>in</strong> ständiges Aufe<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rzugehen.<br />
Kontakt:<br />
www.hammann-heilpaedagogik.<strong>de</strong><br />
„Mittendr<strong>in</strong> statt nur dabei“ -<br />
Vernetzung und För<strong>de</strong>rung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
heilpädagogischen Tagesstätte<br />
Monika Hrd<strong>in</strong>a und Markus Böswirth<br />
Wenn <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Entwicklung o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Erziehung e<strong>in</strong>es<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>s Schwierigkeiten auftreten, die über das "normale<br />
Maß" h<strong>in</strong>ausgehen, kann die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Heilpädagogischen Tagesstätte e<strong>in</strong>e Hilfe se<strong>in</strong>.<br />
Zur HPT kommen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r, die seelisch beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r von<br />
e<strong>in</strong>er solchen Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung bedroht s<strong>in</strong>d. Oftmals führen<br />
Störungen <strong>de</strong>s Verhaltens im emotionalen, sozialen Bereich<br />
zu Aggressivität bzw. Rückzug und auch zu Schulleistungsstörungen<br />
(Teufelskreis).<br />
Vernetzung von För<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />
Die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r s<strong>in</strong>d häufig<br />
durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />
aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Symptomen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Bewältigung<br />
ihrer Lebenswirklichkeit<br />
(Familie,<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten) so bee<strong>in</strong>trächtigt,<br />
dass sie<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen<br />
Gruppe<br />
überfor<strong>de</strong>rt<br />
wären 2 . Ihnen gel<strong>in</strong>gt<br />
die Bewältigung<br />
<strong>de</strong>r Entwicklungsaufgabe<br />
Schule nicht<br />
mehr. Wichtiges Ziel<br />
<strong>de</strong>r<br />
Heilpädagogischen<br />
Tagesstätte ist daher die Integration <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong><br />
ihre Familie und ihr Lebensumfeld.<br />
Heilpädagogik hat <strong>in</strong> <strong>de</strong>r HPT u. a. die Aufgabe verschie<strong>de</strong>ne<br />
För<strong>de</strong>rmaßnahmen zu vernetzen. Der Heilpädagoge<br />
steht „mittendr<strong>in</strong>“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dreieck bestehend aus K<strong>in</strong>d,<br />
Eltern und Schule. Nicht selten kommt es vor, dass er<br />
zwischen <strong>de</strong>n drei Systemen vermitteln muss. Er ist dann<br />
B<strong>in</strong><strong>de</strong>glied zwischen Schule und Eltern, o<strong>de</strong>r Helfer bei<br />
Entscheidungen.<br />
Heilpädagogik befähigt K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> ihrem Alltag mit e<strong>in</strong>em<br />
gestärkten Selbstkonzept aufzutreten und sich damit<br />
besser zu <strong>in</strong>tegrieren. Ziele e<strong>in</strong>er heilpädagogischen<br />
E<strong>in</strong>zelbegleitung s<strong>in</strong>d häufig das Erleben von Selbstwirksamkeit<br />
und die Reduzierung von Wi<strong>de</strong>rstand/Angst<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Schule. Es geht darum Motivation aufzubauen<br />
und K<strong>in</strong><strong>de</strong>r durch Strukturhilfen zur Selbststrukturierung<br />
zu befähigen. Wenn das Selbstkonzept <strong>de</strong>r K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
gestärkt ist, können sie auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule sicherer auftreten,<br />
was Integration erleichtert.<br />
Beispiel:<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>r können <strong>in</strong> ihrer Integration <strong>in</strong> das Lebensumfeld<br />
durch heilpädagogische Maßnahmen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn das Ausdrucksspiel aus <strong>de</strong>m Erleben d.h. Jeux<br />
Dramatiques als Metho<strong>de</strong> e<strong>in</strong>bezogen wird:<br />
Jeux Dramatiques ist e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Form <strong>de</strong>s Theaterspielens<br />
ohne e<strong>in</strong>geübte Rollen und ohne Auswendiglernen.<br />
Rollen wer<strong>de</strong>n nach eigenen Bedürfnissen gewählt<br />
2 Vgl. Konzeption Tagesstätte Hebertshausen<br />
(www.caritas-hpt-hebertshausen.<strong>de</strong>)<br />
17
und gestaltet. Das Ausdrucksspiel bietet die Möglichkeit,<br />
eigene Grenzen und Freiräume neu zu <strong>de</strong>f<strong>in</strong>ieren, neue<br />
Handlungsmöglichkeiten und Sichtweisen zu entwickeln.<br />
Durch e<strong>in</strong>en klar strukturierten Rahmen stellt es e<strong>in</strong>e<br />
wertvolle För<strong>de</strong>rmöglichkeit <strong>de</strong>r sozialen und emotionalen<br />
Kompetenzen dar.<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>r lernen dabei mit neuen Handlungsmustern zu<br />
experimentieren und wer<strong>de</strong>n dabei nicht bewertet. Dadurch<br />
erfahren sie e<strong>in</strong> Gefühl <strong>de</strong>s Angenommense<strong>in</strong>s, das<br />
sich positiv auf ihr Selbstkonzept auswirkt.<br />
Die neunjährige Denise, bei <strong>de</strong>r e<strong>in</strong>e Sprachstörung vorliegt,<br />
hat soziale Kontaktschwierigkeiten. Innerhalb e<strong>in</strong>es<br />
Schulwechsels ist sie <strong>in</strong> ihrer neuen Klasse zur Außenseiter<strong>in</strong><br />
gewor<strong>de</strong>n. Ihr Selbstkonzept ist durch Aussagen<br />
geprägt wie: „Mich mag eh’ ke<strong>in</strong>er“. In ihrem Verhalten<br />
ist sie stark abhängig von Reaktionen <strong>de</strong>r Umwelt.<br />
Beim Ausdrucksspiel im Rahmen <strong>de</strong>r heilpädagogischen<br />
För<strong>de</strong>rung (wöchentliche E<strong>in</strong>heit über 1,5 Stun<strong>de</strong>n <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>gruppe) gel<strong>in</strong>gt es Denise zunächst ihre aggressiven<br />
Seiten zu zeigen, z.B. als „Löwe“. In <strong>de</strong>n darauf<br />
folgen<strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong>n spielt sie häufig e<strong>in</strong>en „Wolf“ und<br />
schafft es dabei ihre Frustrationen, die sie im Schulalltag<br />
täglich erlebt, auszudrücken. Als sie nach mehreren E<strong>in</strong>heiten<br />
die „versorgen<strong>de</strong> Geißenmutter“ spielt (Tier, das<br />
an<strong>de</strong>re e<strong>in</strong>lädt) wird <strong>de</strong>utlich, dass sie Vertrauen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
Gruppe gefasst hat und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Lage ist, positiver Kontaktaufnahme<br />
zu <strong>de</strong>n Mitspielern aufzubauen. Die darauf<br />
folgen<strong>de</strong> positive Rückmeldung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren K<strong>in</strong><strong>de</strong>r im<br />
Nachgespräch genießt sie sehr.<br />
Zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st <strong>in</strong> <strong>de</strong>r heilpädagogischen Kle<strong>in</strong>gruppe hat sie<br />
nach e<strong>in</strong>iger Zeit ihren Platz <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gruppe sicher. Denise<br />
hat neue Rollen (wie „Versorgen“ und „Versorgt Wer<strong>de</strong>n“)<br />
ent<strong>de</strong>ckt und ihr Handlungsrepertoire erweitert.<br />
Durch die Rückmeldung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und das<br />
Erleben von Selbstwirksamkeit <strong>in</strong> geschütztem Rahmen<br />
hat Denise wie<strong>de</strong>r positive und liebenswerte Eigenschaften<br />
an sich kennen gelernt. Abschließend kann sie die<br />
gemachten positiven Erfahrungen auf ihre Situation <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
Schule übertragen. Sie nimmt Kontakt zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Schülern auf und äußert aktiv Wünsche gegenüber <strong>de</strong>r<br />
Lehrer<strong>in</strong>. Ihr Selbstwertgefühl ist gestärkt und <strong>de</strong>m drohen<strong>de</strong>n<br />
Teufelskreis im Zusammenhang mit Schulleistungsstörungen<br />
konnte erfolgreich entgegengewirkt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Tätigkeitsfeld <strong>de</strong>r Heilpädagog<strong>in</strong><br />
im Fachdienst e<strong>in</strong>er Tagesstätte für<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche mit e<strong>in</strong>er<br />
geistigen Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
Reg<strong>in</strong>a Mayer<br />
Der Auftrag <strong>de</strong>r Heilpädagog<strong>in</strong> <strong>in</strong> unserer E<strong>in</strong>richtung ist,<br />
<strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d bzw. Jugendlichen mit all se<strong>in</strong>en Bedürfnissen,<br />
se<strong>in</strong>en Ressourcen und Interessen zu helfen sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Persönlichkeit <strong>in</strong>dividuell und positiv zu entfalten. In<br />
unserer Tagesstätte existieren weitere Fachdienste:<br />
Sprachheilpädagogik, Psychologie, Ergotherapie, Musiktherapie,<br />
Physiotherapie, heilpädagogisches Reiten.<br />
Durch <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Hilfen wird e<strong>in</strong>e ganzheitliche<br />
För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s sichergestellt.<br />
Fachdienst <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Tagesstätte<br />
Da sich die Persönlichkeit e<strong>in</strong>es Menschen durch Rückmeldungen<br />
aus se<strong>in</strong>er Umwelt entwickelt, ist es wichtig,<br />
die sozialen Beziehungen, die <strong>de</strong>r Mensch hat, zu berücksichtigen.<br />
Dies be<strong>de</strong>utet für mich, vor allem auch das<br />
Umfeld zu begleiten, damit sich das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en sozialen<br />
Kontakt positiv erleben und <strong>de</strong>mentsprechend se<strong>in</strong>e<br />
I<strong>de</strong>ntität f<strong>in</strong><strong>de</strong>n kann. Ziel <strong>de</strong>r heilpädagogischen Fachdienstarbeit<br />
ist immer die personale und soziale Integration<br />
<strong>de</strong>s Individuums. Diese kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>zelbegegnung<br />
Spielbehandlung, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsför<strong>de</strong>rung,<br />
Sprachanbahnung, För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
Selbstkonzepts, Wahrnehmungsför<strong>de</strong>rung<br />
heilpädagogischen Gruppe<br />
Sprachzwerge, Bewegungsgruppe, Projektgruppe,<br />
„Blickpunktgruppe“<br />
geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die E<strong>in</strong>zelbegegnungen f<strong>in</strong><strong>de</strong>n <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es geschützten Rahmens statt. Wenn e<strong>in</strong>e Vertrauensbasis<br />
geschaffen ist, kann dann e<strong>in</strong>e För<strong>de</strong>rung im<br />
E<strong>in</strong>zelkontakt stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />
Bei vorhan<strong>de</strong>nen sozialen<br />
und emotionalen Kompetenzen<br />
wird das K<strong>in</strong>d bzw. <strong>de</strong>r<br />
Jugendliche <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gruppe<br />
weiter geför<strong>de</strong>rt, so dass<br />
e<strong>in</strong>e Übertragung auf an<strong>de</strong>re<br />
Lebensbereiche möglich wird.<br />
Innerhalb von heilpädagogischen<br />
Kle<strong>in</strong>stgruppen wird<br />
z.B. über Emotionskarten das<br />
Erlernen von Verhaltensketten<br />
behan<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Projektgruppe effektives<br />
Arbeitsverhalten erlernt.<br />
18
Wichtig dabei ist auch e<strong>in</strong>e Begleitung <strong>de</strong>s Systems. Dies<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
Teamberatung<br />
d.h. Lernmöglichkeiten im Alltag schaffen; Sichtweisen<br />
zum K<strong>in</strong>d/Jugendlichen besprechen bzw. verän<strong>de</strong>rn;<br />
das Team bei <strong>de</strong>r Erstellung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rplanung<br />
begleiten<br />
Fallgespräche<br />
d.h. mit Betreuern und Lehrern Zielsetzungen bzw.<br />
heilpädagogische Lernmöglichkeiten im Bereich<br />
Schule abstimmen und planen<br />
Beratung <strong>de</strong>r Eltern und Familien<br />
d.h. heilpädagogische Beratungen und Gespräche<br />
zum Lernfeld „zu Hause“ anbieten sowie Hausbesuche,<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>rer Erziehungsthemen o<strong>de</strong>r die Tagesstruktur<br />
besprochen wer<strong>de</strong>n<br />
e<strong>in</strong>en („normal entwickelten“) jungen Erwachsenen zur<br />
Seite zu stellen, <strong>de</strong>r ihn <strong>in</strong> die Freizeitwelt (wie z.B. Disco,<br />
K<strong>in</strong>o o<strong>de</strong>r Volksfest) begleitet und <strong>in</strong>tegriert. Durch diesen<br />
erfuhr <strong>de</strong>r Jugendliche e<strong>in</strong> Vorbild für <strong>de</strong>n Umgang<br />
mit an<strong>de</strong>ren Menschen und er erhielt Sicherheit <strong>in</strong> neuen<br />
Umgebungen.<br />
Abschließen<strong>de</strong>r Gedanke<br />
Die Heilpädagog<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>richtung ist e<strong>in</strong>e Person bei<br />
<strong>de</strong>r alles zusammenfließt und abgestimmt wird. Durch<br />
das zielgerichtete/geme<strong>in</strong>same Han<strong>de</strong>ln können K<strong>in</strong><strong>de</strong>r<br />
und Eltern <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Lebenssituationen effektiv<br />
unterstützt wer<strong>de</strong>n. Ich <strong>de</strong>nke, dass diese Arbeitsweise<br />
sehr gut auf heilpädagogische Bedarfssituation an <strong>de</strong>n<br />
Grundschulen zu übertragen ist, z.B. bei <strong>de</strong>r Stärkung <strong>de</strong>r<br />
sozialen Kompetenz und <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Selbstkonzepts<br />
bei Lernschwierigkeiten.<br />
Elternarbeit<br />
d.h. Elternaben<strong>de</strong> zu bestimmten Themen anbieten<br />
Beson<strong>de</strong>rs wichtig ist mir bei heilpädagogischen Angeboten<br />
<strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r Integration. So habe ich z.B. e<strong>in</strong> „Patenschaftsprojekt“<br />
aufgebaut. Dieses Projekt verfolgte<br />
das Ziel e<strong>in</strong>em Jugendlichen mit geistiger Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
Zur Situation <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n<br />
Regelschulen<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>de</strong>r Podiumsdiskussion<br />
Heilpädagogen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule als e<strong>in</strong>e mögliche<br />
Antwort zu Herausfor<strong>de</strong>rungen im System<br />
Schule<br />
E<strong>in</strong>ig waren sich die Teilnehmer dar<strong>in</strong>, dass schon <strong>de</strong>r<br />
Alltag <strong>in</strong> Regelschulen heute viele Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
birgt. Regelschüler haben vermehrt mit erhöhten Anfor<strong>de</strong>rnissen<br />
zu kämpfen. Lehrer wünschen sich Unterstützung,<br />
um K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> ihren jeweiligen sozialen Kontext zu<br />
unterstützen und ihre <strong>in</strong>dividuelle und geme<strong>in</strong>same Entwicklungsprozesse<br />
und Lernprozesse zu för<strong>de</strong>rn. E<strong>in</strong>e<br />
sehr gute Möglichkeit wäre e<strong>in</strong>e Unterstützung durch die<br />
Heilpädagogik. Auch die abschließen<strong>de</strong> Podiumsdiskussion<br />
ergab e<strong>in</strong>e sehr rege Diskussion.<br />
Lehrer s<strong>in</strong>d mit Problemfällen alle<strong>in</strong> gelassen<br />
Rektor Meier, Grundschule Hebertshausen, berichtete,<br />
dass Lehrer mit Problemfällen häufig alle<strong>in</strong> gelassen und<br />
überfor<strong>de</strong>rt seien, trotz gelegentlicher Hilfe <strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rzentrums.<br />
Aus se<strong>in</strong>er Sicht nimmt die Zahl auffälliger<br />
Schüler (Aggression, Lernschwierigkeiten, Konzentrations-<br />
und Wahrnehmungsstörungen etc.) <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten<br />
und Grundschule zu. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz von Heilpädagogen<br />
müsste daher schon im K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten geschehen. E<strong>in</strong>e<br />
Nachfrage <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Klassen 1 – 4 führe zu<br />
<strong>de</strong>m Ergebnis, dass <strong>in</strong> je<strong>de</strong>r Klasse Bedarf an Heilpädagogik<br />
angezeigt wur<strong>de</strong>. In e<strong>in</strong>igen Klassen sei dies sogar<br />
dr<strong>in</strong>gend notwendig.<br />
Rektor Güll, Hauptschule In<strong>de</strong>rsdorf, begrüßte die I<strong>de</strong>e,<br />
för<strong>de</strong>rbedürftigen Schülern möglichst heimatnah e<strong>in</strong>en<br />
geeigneten För<strong>de</strong>rort zu bieten - <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regel an <strong>de</strong>r<br />
Grund- bzw. Hauptschule. Er mahnte jedoch an, dass<br />
dies von <strong>de</strong>r politischen Seite ke<strong>in</strong>eswegs konsequent<br />
begleitet wür<strong>de</strong>. Es sei e<strong>in</strong>e Sache, am grünen (Schreib-)<br />
Tisch nachvollziehbare Gedanken <strong>de</strong>n Schulen als neue<br />
Aufgaben quasi per Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Erziehungs-<br />
19
und Unterrichtsgesetzes zu übertragen, e<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>re<br />
Sache aber, an <strong>de</strong>n Schulen die entsprechen<strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />
zu schaffen, diesen Paradigmenwechsel auch<br />
realisieren zu können. Rektor Güll er<strong>in</strong>nerte, dass <strong>de</strong>r<br />
Begriff Inklusion letztlich "e<strong>in</strong>e Schule für alle" zum Ziel<br />
hat. Dies gehe weit über <strong>de</strong>n <strong>in</strong>tegrativen Ansatz <strong>de</strong>rzeitiger<br />
Kooperationsklassen h<strong>in</strong>aus. Es sei zu befürchten,<br />
dass vor allem die Regelschulen an die Grenze <strong>de</strong>s Belastbaren<br />
kommen, wenn sich Sach- und Personalausstattung<br />
dieser Zielsetzung nicht anpassen. Gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren wür<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Schule immer mehr verlangt,<br />
auf ihren Schultern immer mehr abgela<strong>de</strong>n. Sich<br />
<strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung zu stellen, Inklusion auch nur annähernd<br />
umsetzen zu können, wür<strong>de</strong> von allen Beteiligten<br />
e<strong>in</strong>e enorme Kraftanstrengung be<strong>de</strong>uten. Vor allem<br />
müsste dies zur Folge haben, dass sich e<strong>in</strong>erseits Schulen<br />
für an<strong>de</strong>re Professionen öffnen, an<strong>de</strong>rerseits Schulsozial-<br />
und vor allem auch Heilpädagogen endlich zum Stammpersonal<br />
von Schulen gemacht wer<strong>de</strong>n. Festzuhalten<br />
bleibe jedoch, dass sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Bildungslandschaft entschei<strong>de</strong>nd<br />
etwas än<strong>de</strong>rn müsse.<br />
Was nicht ausgeson<strong>de</strong>rt wird, braucht später nicht<br />
<strong>in</strong>tegriert wer<strong>de</strong>n.<br />
Frau E<strong>de</strong>r, Mutter e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>de</strong>s mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung und<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Vere<strong>in</strong>s „Geme<strong>in</strong>sam Leben – geme<strong>in</strong>sam<br />
Lernen“ <strong>in</strong> Dachau wies darauf h<strong>in</strong>, dass die Bereitschaft<br />
von Regelschulen, beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rte K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aufzunehmen (auch<br />
<strong>in</strong> Form von E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>tegration), ziemlich stark an die<br />
Bed<strong>in</strong>gungen geknüpft ist, entsprechend kompetentes<br />
Fachpersonal auch tatsächlich vor Ort zu haben. Re<strong>in</strong> auf<br />
die stun<strong>de</strong>nweise Unterstützung durch mobile son<strong>de</strong>rpädagogische<br />
Dienste angewiesen zu se<strong>in</strong>, sei <strong>de</strong>n heute<br />
schon stark belasteten Regelschullehrkräften <strong>in</strong> aller<br />
Regel zu wenig. Sie bräuchten ohneh<strong>in</strong> schon, aufgrund<br />
<strong>de</strong>r hohen Anzahl von auffälligen Schülern und <strong>in</strong> weiten<br />
Teilen Bayern viel zu großen Klassenstärken, zusätzliche<br />
Unterstützung um diversen För<strong>de</strong>rbedarf ab<strong>de</strong>cken zu<br />
können. Auch e<strong>in</strong>e Umgestaltung <strong>de</strong>r Unterrichtsmethodik<br />
– weg vom Frontalunterricht – wäre für die differenzierte<br />
För<strong>de</strong>rung von allen K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn erfor<strong>de</strong>rlich. Jahrgangsübergreifen<strong>de</strong>s<br />
Arbeiten, Stationenarbeit und viele<br />
an<strong>de</strong>re Arbeitsmetho<strong>de</strong>n machen differenziertes Lernen<br />
ohne Ausgrenzung möglich. Unterstützen<strong>de</strong>s Fachpersonal<br />
kann nach Bedarf überall e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n ersten Schuljahren müssen K<strong>in</strong><strong>de</strong>r „das Lernen“<br />
lernen, angepasst an die jeweiligen Neigungen und Bedürfnisse<br />
<strong>de</strong>s Schülers. Fachkompetente Hilfe ist zu<br />
diesem Zeitpunkt e<strong>in</strong>e absolute Investition <strong>in</strong> die Zukunft.<br />
Zu be<strong>de</strong>nken sei aber das, wofür <strong>de</strong>r Grundgedanke <strong>de</strong>r<br />
Inklusion steht: „Was nicht ausgeson<strong>de</strong>rt wird, braucht<br />
später nicht <strong>in</strong>tegriert wer<strong>de</strong>n.“<br />
Schule und För<strong>de</strong>rschule entfalte sich <strong>in</strong> sechs verschie<strong>de</strong>nen<br />
För<strong>de</strong>rwegen, die es konsequent weiterzuentwickeln<br />
gilt.<br />
Als För<strong>de</strong>rwege beschrieb er <strong>de</strong>n Mobilen Son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />
Dienst, das alternative schulische Angebot (AsA)<br />
als Son<strong>de</strong>rform <strong>de</strong>s mobilen son<strong>de</strong>rpädagogischen Dienstes,<br />
Beratungszentren, Kooperationsklassen, Außenklassen<br />
und auch die Öffnung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschüler für Schüler<br />
ohne son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rbedarf. Er wies auf e<strong>in</strong><br />
Mo<strong>de</strong>llprojekt <strong>in</strong> München h<strong>in</strong>, bei <strong>de</strong>m <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>r städtischen Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
<strong>de</strong>r E<strong>in</strong>satz von Heilpädagogen an Grundschulen, angebun<strong>de</strong>n<br />
an e<strong>in</strong> För<strong>de</strong>rzentrum, erprobt wird.<br />
Es ist an <strong>de</strong>r Zeit sich weiterzuentwickeln.<br />
Dass vor allem auch Geld <strong>in</strong> die Hand genommen wer<strong>de</strong>n<br />
muss, um auch die <strong>in</strong> Bayern reichlich vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Kapazitäten nutzen zu können, daran er<strong>in</strong>nerte Frau<br />
We<strong>in</strong>müller- Atze, Son<strong>de</strong>rpädagog<strong>in</strong> am Lehrstuhl für<br />
Lernbeh<strong>in</strong><strong>de</strong>rtenpädagogik <strong>de</strong>r LMU:<br />
„Dass wir mit unserem momentanen Bildungssystem an<br />
Grenzen stoßen, spüren wir an allen Ecken und En<strong>de</strong>n. Es<br />
ist an <strong>de</strong>r Zeit uns weiterzuentwickeln.“<br />
Untersuchungen wür<strong>de</strong>n zeigen, dass För<strong>de</strong>rschüler<br />
wenige Chancen im Leben zu haben sche<strong>in</strong>en. Auch <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n höheren Bildungsebenen wird von Chancenungleichheit<br />
gesprochen. Hier müsse sich etwas än<strong>de</strong>rn.<br />
E<strong>in</strong>e Evaluation <strong>de</strong>s Bildungssystem müsste von <strong>in</strong>nen<br />
kommen und nicht als Kontrolle von außen. E<strong>in</strong> verän<strong>de</strong>rter<br />
Personalschlüssel und Expertenzusammenschlüsse<br />
müssten dann verbun<strong>de</strong>n se<strong>in</strong> mit kle<strong>in</strong>eren Lerngruppen,<br />
die mit curricularen Basisbauste<strong>in</strong>en arbeiten und so<br />
sichtbare Leistungsverbesserungen <strong>in</strong> allen Bereichen<br />
ermöglichen wür<strong>de</strong>n. Frau We<strong>in</strong>müller- Atze schlug vor:<br />
Wie könnte e<strong>in</strong>e Schule für alle aussehen?<br />
Wir füllen die Schule mit Expertenwissen nicht nur aus <strong>de</strong>r<br />
Son<strong>de</strong>rpädagogik, son<strong>de</strong>rn als vielfältigen Bereichen auf.<br />
Wir passen die Lerngruppen und die Lern<strong>in</strong>halte <strong>de</strong>n <strong>in</strong>dividuellen<br />
Lernmöglichkeiten <strong>in</strong> allen Richtungen an.<br />
Wir müssen das Leben an die Schule holen und sie auch<br />
räumlich dafür ausstatten.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong> Netzwerk von Lernmodulen, das sich von<br />
e<strong>in</strong>er Basis ausgehend nach oben verzweigt.<br />
Wir bil<strong>de</strong>n die Gesellschaft <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule ab.<br />
Die Talente je<strong>de</strong>s E<strong>in</strong>zelnen erfahren ihre Wertschätzung,<br />
so wie auch die Bildung als zentrale Aufgabe für die Gesellschaft<br />
e<strong>in</strong>en an<strong>de</strong>ren Stellenwert bekommen muss.<br />
Das Mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r von allgeme<strong>in</strong>er Schule und För<strong>de</strong>rschule<br />
konsequent weiterentwickeln<br />
Herr Weigl machte die Position <strong>de</strong>s bayerischen Staatsm<strong>in</strong>isteriums<br />
für Unterricht und Kultus <strong>de</strong>utlich. Die pädagogische<br />
Wirklichkeit <strong>de</strong>s Mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>rs von allgeme<strong>in</strong>er<br />
20
Möglichkeiten<br />
von<br />
Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong> Regelschulen<br />
21
Das K<strong>in</strong>d stärken - Erfahrungen von<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule<br />
Christ<strong>in</strong>e Nie<strong>de</strong>rmayer, Monika Lumbe und Michael Kreisel<br />
Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
Seit Anfang 2007 bieten Dozenten und auch<br />
Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
heilpädagogische Projekte <strong>in</strong> Regelschulen<br />
<strong>de</strong>s Landkreises Dachau an. Mit<br />
<strong>de</strong>n Projekten soll das Arbeitsfeld von Heilpädagogen<br />
<strong>in</strong> Regelschulen bekannter<br />
gemacht und durch gute Beispiele gezeigt<br />
wer<strong>de</strong>n, wie Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen<br />
gel<strong>in</strong>gen kann. Wir wussten, dass wir uns<br />
ehrgeizige Ziele gesetzt hatten, zumal die<br />
Projekte zunächst auf freiwilliger Basis<br />
durchgeführt wur<strong>de</strong>n. Mut gaben uns Beispiele<br />
aus <strong>de</strong>n skand<strong>in</strong>avischen Län<strong>de</strong>rn,<br />
die zeigen, dass es selbstverständlich se<strong>in</strong><br />
kann, dass Heilpädagogen zum Schulkollegium<br />
e<strong>in</strong>er Regelschule gehören. Dieser Vision folgend<br />
wollten wir Möglichkeiten aufzeigen, wie dies auch <strong>in</strong><br />
Bayern geschehen könnte. Parallel zu <strong>de</strong>n heilpädagogischen<br />
Projekten trafen sich Studieren<strong>de</strong>, Dozenten und<br />
Absolventen <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie zu e<strong>in</strong>em Arbeitskreis, <strong>de</strong>r<br />
die Initiativen begleitete. Erklärtes Ziel war es, dazu<br />
beizutragen, dass <strong>in</strong> <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Regelschulen<br />
Heilpädagogen mittelfristig im Schulalltag tätig s<strong>in</strong>d.<br />
Wenn wir heute <strong>de</strong>n Alltag <strong>in</strong> Regelschulen anschauen, so<br />
begegnen uns viele Herausfor<strong>de</strong>rungen:<br />
Aggressionen, Lernschwierigkeiten, Konzentrationsund<br />
Wahrnehmungsstörungen, <strong>de</strong>nen pädagogisch<br />
zu begegnen klassische Lehrer <strong>in</strong> <strong>de</strong>n gegebenen<br />
Strukturen oft überfor<strong>de</strong>rt s<strong>in</strong>d.<br />
sich anbahnen<strong>de</strong> Schwierigkeiten, die aufgefangen<br />
und <strong>de</strong>nen frühzeitig begegnet wer<strong>de</strong>n müsste.<br />
För<strong>de</strong>rung und emotionale Stabilisierung, die so<br />
gestaltet se<strong>in</strong> müsste, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d das „an<strong>de</strong>rs ist“<br />
sich nicht als problematisch o<strong>de</strong>r ausgegrenzt erleben<br />
muss.<br />
Auch im Umgang mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />
und Jugendlichen mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen<br />
ist es dr<strong>in</strong>glich, auch <strong>in</strong><br />
Bayern nach Wegen zu suchen,<br />
wie Integration und Inklusion<br />
noch besser gel<strong>in</strong>gen kann.<br />
Antworten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividualisieren<strong>de</strong>n<br />
Angeboten und <strong>in</strong> <strong>in</strong>klusiven<br />
Schulstrukturen zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n,<br />
für die auch Lehrstrategien zu<br />
reflektieren und konzipieren wären. Fragen wären hier,<br />
wie z.B. Neugier als entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kraft <strong>de</strong>s Lernens<br />
genutzt wer<strong>de</strong>n kann o<strong>de</strong>r wie Lernen mit allen S<strong>in</strong>nen<br />
<strong>in</strong>itiiert bzw. wie e<strong>in</strong> monotoner Schullalltag vermie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Handlungsleiten<strong>de</strong> Hypothese war für uns, dass Sichtweisen<br />
über die eigene Person von großer Be<strong>de</strong>utung für<br />
<strong>de</strong>n schulischen Alltag s<strong>in</strong>d. Vor allem K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit e<strong>in</strong>em<br />
beson<strong>de</strong>ren För<strong>de</strong>rbedarf o<strong>de</strong>r mit drohen<strong>de</strong>n Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen<br />
zeigen oftmals e<strong>in</strong>e negative Selbste<strong>in</strong>schätzung<br />
von sich selbst. Negative Selbste<strong>in</strong>schätzungen können<br />
jedoch zu negativen Erfolgserwartungen führen (erlernte<br />
Hilflosigkeit). Ziel war daher K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und Jugendliche vor<br />
allem <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Entwicklung e<strong>in</strong>es positiven Selbstkonzeptes<br />
zu unterstützen.<br />
„Schule kann Spaß machen, Schule kann toll se<strong>in</strong>“-<br />
E<strong>in</strong> heilpädagogisches Projekt an <strong>de</strong>r Grundschule<br />
zum Thema Entwicklungsför<strong>de</strong>rung<br />
Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Grundschule<br />
Hebertshausen war die Rückmeldung von immer höher<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n alltäglichen Anfor<strong>de</strong>rungen an die Lehrkräfte.<br />
In <strong>de</strong>r Schuljahresanfangskonferenz <strong>de</strong>r Grundschule<br />
stellte Frau Nie<strong>de</strong>rmayer zunächst <strong>de</strong>n Beruf und die<br />
Arbeitsweise von Heilpädagogen sowie die Planung und<br />
Durchführung ihres Projektes vor. Bei<strong>de</strong>s weckte bei allen<br />
Lehrkräften großes Interesse.<br />
Als nächster Schritt wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Rektor und <strong>de</strong>n Lehrern<br />
e<strong>in</strong>e Bedarfserhebung zu <strong>de</strong>n Bereichen sozialemotionales<br />
Verhalten, Sprache, Aufmerksamkeit und<br />
Wahrnehmung durchgeführt. Dabei stellte <strong>de</strong>r Rektor mit<br />
großem Erstaunen die hohe Anzahl an zu unterstützen<strong>de</strong>n<br />
Schülern <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Schulklassen fest. In je<strong>de</strong>r<br />
Klasse mel<strong>de</strong>ten die Lehrer zwischen zwei bis sieben<br />
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K<strong>in</strong><strong>de</strong>r, die aus ihrer Sicht e<strong>in</strong>e heilpädagogische För<strong>de</strong>rung<br />
zur Bewältigung <strong>de</strong>s Schulalltags benötigten.<br />
Das Projekt wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er 2. Klasse durchgeführt. In <strong>de</strong>r<br />
ersten Phase war <strong>de</strong>r Fokus auf das Kennen lernen <strong>de</strong>r<br />
Klassen sowie <strong>de</strong>rer Strukturen, <strong>de</strong>m Aufbau e<strong>in</strong>er positiven<br />
Beziehung zu <strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>r Beobachtung<br />
e<strong>in</strong>zelner K<strong>in</strong><strong>de</strong>r. In Absprache mit <strong>de</strong>r Lehrkraft wur<strong>de</strong>n<br />
drei K<strong>in</strong><strong>de</strong>r zunächst e<strong>in</strong>zeln, dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>gruppe<br />
betreut. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Durchführung stand das Reflexionsgespräch<br />
mit <strong>de</strong>r Lehrer<strong>in</strong> unter <strong>de</strong>n Fragestellungen:<br />
Wie könnten Sie sich die Arbeit e<strong>in</strong>er Heilpädagog<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Grundschule vorstellen?<br />
Was haben Sie an <strong>de</strong>m Projekt Heilpädagogen <strong>in</strong><br />
Regelschulen als positiv empfun<strong>de</strong>n?<br />
Wovon bräuchten Sie als Grundschullehrer<strong>in</strong> mehr?<br />
Zukünftige Tätigkeitsfel<strong>de</strong>r e<strong>in</strong>er Heilpädagog<strong>in</strong> sah die<br />
Lehrer<strong>in</strong> vor allem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er, <strong>de</strong>n Unterricht unterstützen<strong>de</strong>n,<br />
Kle<strong>in</strong>gruppenarbeit mit verschie<strong>de</strong>nen Inhalten (z.B.<br />
Wahrnehmungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g von sozial-emotionalen<br />
Kompetenzen, Regeltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g). Die Heilpädagog<strong>in</strong> wür<strong>de</strong><br />
ferner für E<strong>in</strong>zelgespräche mit Schüler, Lehrern und<br />
Eltern dr<strong>in</strong>gend benötigt. Die Lehrer<strong>in</strong> empfand als beson<strong>de</strong>rs<br />
positiv, dass die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r durch die Mitarbeit <strong>de</strong>r<br />
Heilpädagog<strong>in</strong> die Möglichkeit hatten Schule an<strong>de</strong>rs zu<br />
erleben: „Schule kann Spaß machen, Schule kann toll<br />
se<strong>in</strong>“. Beson<strong>de</strong>rs gefiel ihr, dass jene K<strong>in</strong><strong>de</strong>r, die e<strong>in</strong>e<br />
Entwicklungsför<strong>de</strong>rung benötigen, auf verschie<strong>de</strong>nen<br />
Ebenen <strong>in</strong> ihren Stärken und Ressourcen geför<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n.<br />
Die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r hätten durch die För<strong>de</strong>re<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong><br />
positives Selbstkonzept entwickelt, was auch ihre Integration<br />
<strong>in</strong> die Klassengeme<strong>in</strong>schaft erleichterte hat. Im<br />
Austausch mit <strong>de</strong>r Heilpädagog<strong>in</strong> zeigte die Lehrer<strong>in</strong><br />
großes Interesse an Informationen zu e<strong>in</strong>er an<strong>de</strong>ren<br />
(pädagogischen bzw. heilpädagogischen) Sichtweise, wie<br />
Diagnostik, Unterstützung und För<strong>de</strong>rung von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />
positiv gel<strong>in</strong>gen kann. Dies wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Schulalltag für<br />
Schüler sowie auch für Lehrer befriedigen<strong>de</strong>r gestalten.<br />
„Die Hexe <strong>in</strong> mir….“ - E<strong>in</strong> heilpädagogisches Projekt<br />
an <strong>de</strong>r Hauptschule zum Thema Maskenbau<br />
und Maskenspiel<br />
In <strong>de</strong>r heilpädagogischen Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
können kreative Metho<strong>de</strong>n - und gera<strong>de</strong> aber auch<br />
das Medium „Maske“ - wichtige persönlichkeits- und<br />
entwicklungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Angebote darstellen.<br />
Daher bot Frau Lumbe an <strong>de</strong>r Hauptschule Markt In<strong>de</strong>rsdorf<br />
e<strong>in</strong> spezifisch für Mädchen aufgebautes heilpädagogisches<br />
Projekt mit <strong>de</strong>m Titel „Die Hexe <strong>in</strong> mir - Maskenbau<br />
und Maskenspiel“ für die 5., 6., 7. und 8. Klasse an.<br />
Ziele waren die Stärkung <strong>de</strong>r emotionalen und sozialen<br />
Kompetenzen bzw. die Stärkung von i<strong>de</strong>ntitätsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />
Fähigkeiten.<br />
Innerhalb e<strong>in</strong>es Zeitraumes von drei Wochen wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong><br />
vier Gruppen (Gruppengröße 10-12 Mädchen) an jeweils<br />
zwei Schultagen (<strong>in</strong>sgesamt 6 Tage) Masken getont,<br />
anschließend kaschiert, farblich gestaltet und dann auf<br />
<strong>de</strong>r Bühne vor- und dargestellt.<br />
Mädchen können gera<strong>de</strong> über gestalterische Metho<strong>de</strong>n<br />
Fähigkeiten wie Rollendistanz, Rollenübernahme, Empathie,<br />
Ambiguitätstoleranz und I<strong>de</strong>ntitätsdarstellung gut<br />
erproben. Begleitend zum Maskenbau und –spiel wur<strong>de</strong>n<br />
übungszentrierte und erlebnisaktivieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n<br />
angeboten wie z.B. kreatives Schreiben, Rollenspiele,<br />
Improvisationsübungen und Interaktionsspiele.<br />
Die Lehrer<strong>in</strong>nen waren begeistert von dieser Form <strong>de</strong>r<br />
pädagogischen För<strong>de</strong>rung. Die „Hexe“, als I<strong>de</strong>ntitätsfigur<br />
mit ihren unterschiedlichen Facetten eröffnete <strong>de</strong>n Mädchen<br />
e<strong>in</strong> breites Übungsfeld („Probehan<strong>de</strong>ln“), d.h. mit<br />
unterschiedlichen Rollen zu experimentieren und ihre<br />
emotionalen und sozialen Kompetenzen zu stärken. Nach<br />
e<strong>in</strong>er wun<strong>de</strong>rschönen Darstellung, bei <strong>de</strong>r die Mädchen<br />
sich und ihre Masken präsentieren konnten, g<strong>in</strong>gen sie<br />
gestärkt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Unterrichtsalltag zurück.<br />
„BewegtSe<strong>in</strong> …“ - E<strong>in</strong> heilpädagogisches Projekt<br />
an <strong>de</strong>r Hauptschule zum Thema Psychomotorik<br />
Bewegung kann mehr als Sport se<strong>in</strong>; dies erfuhren Schüler/<strong>in</strong>nen<br />
aus <strong>de</strong>n Ganztagsklassen <strong>de</strong>r Hauptschule<br />
In<strong>de</strong>rsdorf. Montagmorgens stand für die K<strong>in</strong><strong>de</strong>r und<br />
Jugendlichen <strong>de</strong>r Klassen 5 bis 8 das Unterrichtsfach<br />
„Psychomotorik“ im Stun<strong>de</strong>nplan. Herr Kreisel wollte mit<br />
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<strong>de</strong>m Angebot Hauptschüler stark machen für alltägliche<br />
und zukünftige Anfor<strong>de</strong>rungen.<br />
Hauptschüler/<strong>in</strong>nen erleben sich heute weniger als „Schüler<br />
e<strong>in</strong>er Schule <strong>de</strong>r Mehrheit“ son<strong>de</strong>rn mehr als „auf <strong>de</strong>m<br />
Arbeitsmarkt schwer vermittelbare Schüler“. Das nagt an<br />
ihrem Selbstbewusstse<strong>in</strong>. Die Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung von<br />
Stolz und Wür<strong>de</strong> sowie Herangehensweisen im S<strong>in</strong>ne von<br />
Empowerment (Selbstermächtigung) s<strong>in</strong>d wichtige Themen<br />
<strong>de</strong>r Heilpädagogik <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich.<br />
Wie kann dies über das Medium Bewegung<br />
gel<strong>in</strong>gen? Zunächst e<strong>in</strong>mal,<br />
<strong>in</strong><strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Heilpädagoge <strong>de</strong>utlich<br />
Achtung und Wertschätzung <strong>de</strong>n<br />
Schüler/<strong>in</strong>nen entgegen br<strong>in</strong>gt. Innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Psychomotorischen För<strong>de</strong>rung<br />
wer<strong>de</strong>n vielfältige Bewegungsspiele<br />
und -experimente angeboten,<br />
die bewirken, dass die Schüler/<strong>in</strong>nen<br />
sich selbst vielfältiger wahrnehmen<br />
(und spüren, wie sie etwas<br />
machen, was sie können und was<br />
sie erreichen können);<br />
ihren Körper differenzierter wahrnehmen<br />
(und lernen sich auch<br />
e<strong>in</strong>mal zu entspannen);<br />
ihre S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>utlicher wahrzunehmen (und sich <strong>in</strong><br />
ihrer Ganzheit spüren);<br />
geme<strong>in</strong>sam etwas mit an<strong>de</strong>ren machen (und lernen<br />
zwischen <strong>de</strong>n eigenen und frem<strong>de</strong>n Bedürfnissen zu<br />
unterschei<strong>de</strong>n).<br />
Was bleibt?<br />
Die Erfolge <strong>de</strong>r Projekte haben dazu geführt, dass das<br />
Thema <strong>in</strong> die Ausbildung <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie implementiert<br />
wur<strong>de</strong>. Die Kooperation mit <strong>de</strong>n genannten Regelschulen<br />
bleibt erhalten und wird ausgebaut.<br />
So wird <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Hauptschule In<strong>de</strong>rsdorf die Psychomotorische<br />
För<strong>de</strong>rung mit Unterstützung von drei Studieren<strong>de</strong>n<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r fachpraktischen Ausbildung <strong>de</strong>r<br />
Fachaka<strong>de</strong>mie weitergeführt. Ab diesem Schuljahr<br />
wer<strong>de</strong>n hier Kle<strong>in</strong>stgruppen von 3- 4 K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn<br />
angeboten. Wir wer<strong>de</strong>n dabei Schwerpunkte<br />
<strong>de</strong>r heilpädagogischen För<strong>de</strong>rung setzen<br />
(z.B. <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Körperarbeit, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Entspannung<br />
o<strong>de</strong>r im Bewegten Lernen). Regelmäßig reflektieren<br />
wir die heilpädagogische Vorgehensweise<br />
mit <strong>de</strong>n beteiligten Lehrer<strong>in</strong>nen und <strong>de</strong>r Sozialarbeiter<strong>in</strong>.<br />
Wir wollen weiter erproben, wie dies<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r Ganztagsschule umgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Die Heilpädagogik beg<strong>in</strong>nt sich so<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Schulalltages zu etablieren.<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen ist e<strong>in</strong> dankbares<br />
und <strong>in</strong>teressantes Arbeitsfeld. Es ist für alle<br />
Beteiligten dr<strong>in</strong>gend notwenig hier weiteres zu<br />
unternehmen. Unsere Erfahrung ist, dass Schulen<br />
- und mit ihnen engagierte Lehrer - auf<br />
Initiativen <strong>in</strong> diese Richtung gera<strong>de</strong>zu warten.<br />
Wir hoffen, dass wir mit diesem Bericht auch Heilpädagogen<br />
<strong>in</strong> an<strong>de</strong>ren Regionen ermutigen können Schritte <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e ähnliche Richtung zu gehen.<br />
Mit <strong>de</strong>m Projekt wur<strong>de</strong>n bekannte Pfa<strong>de</strong> verlassen. Den<br />
Schülern und Schüler<strong>in</strong>nen machten die Bewegungse<strong>in</strong>heiten<br />
zunächst e<strong>in</strong>mal großen Spaß. Gleichzeitig wirkte<br />
das heilpädagogische Projekt präventiv gegenüber Verhaltens-<br />
und Lernstörungen.<br />
So wie die Schüler/<strong>in</strong>nen lernten ihre Bewegungen zu<br />
koord<strong>in</strong>ieren, lernten sie auch ihre emotionalen Impulse<br />
zu steuern. Wenn die Bewältigung e<strong>in</strong>er schwierigen<br />
Bewegungsaufgabe als Gruppe gelang, waren sie stolz<br />
auf sich.<br />
Die Schüler/<strong>in</strong>nen begannen eigene (Bewegungs-) Erfolge<br />
zu achten und gaben sich die erlebte Achtung immer<br />
mehr selbst. Positive Erlebnisse <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fremd- und<br />
Selbstwahrnehmung und <strong>de</strong>r sozialen Interaktion konnten<br />
sich regulierend auf das Verhalten <strong>de</strong>r Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen<br />
auswirken.<br />
Die Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>de</strong>s Ganztagsbereiches berichteten, dass<br />
Schüler/<strong>in</strong>nen die <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Bewegungsexperimente<br />
erfahrene Aufmerksamkeit auch auf ihre Aufmerksamkeit<br />
<strong>in</strong>nerhalb von schulischen Anfor<strong>de</strong>rungen übertragen.<br />
E<strong>in</strong>zelne Schüler/<strong>in</strong>nen konnten direkt im Anschluss an<br />
die Psychomotorische För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>m Unterricht wesentlich<br />
besser folgen.<br />
24
Konzeption Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong> Regelschulen<br />
Michael Kreisel<br />
Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
Die vorliegen<strong>de</strong> Konzeption begrün<strong>de</strong>t und beschreibt<br />
Ziele und Aufgaben <strong>de</strong>s Heilpädagogen/ <strong>de</strong>r Heilpädagog<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule 3 .<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen von Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen<br />
Regelschule wie För<strong>de</strong>rschule s<strong>in</strong>d heute mit neuen und<br />
umfassen<strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen konfrontiert. Verän<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schülerschaft und <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
betreffen dabei alle Schulformen. Schüler zeigen recht<br />
unterschiedliche Lernausgangslagen und Lehrer klagen<br />
über die Zunahme von Verhaltens- und Lernschwierigkeiten.<br />
Problemlagen <strong>de</strong>r Schüler:<br />
Schüler lösen Konflikte zunehmend mit Gewalt.<br />
Immer mehr Schüler haben große Probleme sich zu<br />
konzentrieren.<br />
Schüler lei<strong>de</strong>n zunehmend unter psychischen Belastungen<br />
und Symptomen bzw. Auffälligkeiten wie Kopf- und<br />
Bauchschmerzen, Ängsten, Depressionen und Suizidwünschen,<br />
sozialem Rückzug und Kontaktproblemen.<br />
Immer mehr K<strong>in</strong><strong>de</strong>r haben Lernschwierigkeiten und s<strong>in</strong>d<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Schule ohne Unterstützung nicht<br />
gewachsen.<br />
Schüler haben weiterh<strong>in</strong> unterschiedliche Bildungschancen<br />
– dies trifft vor allem für Schüler mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
zu.<br />
Viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss.<br />
Die Lebenswelten <strong>de</strong>r Schüler s<strong>in</strong>d verstärkt durch gesellschaftliche<br />
Trends bee<strong>in</strong>flusst. Familien und auch <strong>de</strong>r<br />
soziale Zusammenhalt verän<strong>de</strong>rn sich. Gesellschaftliche<br />
Trends wirken auf die Schule und verstärken häufig ungleiche<br />
Bildungschancen von Schülern.<br />
Gesellschaftliche Trends:<br />
Zunehmen<strong>de</strong> Pluralität<br />
Entgrenzung <strong>de</strong>r Arbeitswelt<br />
Überflutung <strong>de</strong>r Arbeitswelt<br />
Verlust <strong>de</strong>r Traditionen<br />
Die gesetzlichen Vorgaben sehen <strong>in</strong> Bayern seit 2003<br />
schulische Integration und <strong>de</strong>utschlandweit umfassen<strong>de</strong><br />
Inklusion vor.<br />
Immer mehr betroffene Eltern wünschen sich, dass K<strong>in</strong><strong>de</strong>r,<br />
die „an<strong>de</strong>rs s<strong>in</strong>d“ o<strong>de</strong>r als beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rt gelten, <strong>in</strong> die<br />
Regelschule <strong>in</strong>tegriert und dort geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Wenn<br />
die Schule heute auf all das Antworten geben will, steht<br />
sie vor manchmal kaum leistbaren Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />
Im Schulalltag zeigt sich dies u.a. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Überfor<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Lehrkräfte.<br />
E<strong>in</strong>e mögliche bildungspolitische Antwort wird im Ausbau<br />
von Ganztagsschulen gesehen, e<strong>in</strong>e weitere im Ausbau<br />
zusätzlicher pädagogischer Angebote im Kontext von<br />
Schule.<br />
Auch im Rahmen <strong>de</strong>r Inklusions<strong>de</strong>batte wird nach Wegen<br />
gesucht, die Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung und<br />
Integration von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen<br />
zu verbessern.<br />
E<strong>in</strong>e Schule <strong>de</strong>r Zukunft benötigt sicherlich mehr <strong>in</strong>dividualisieren<strong>de</strong><br />
Angebote und mehr Kooperation unter <strong>de</strong>n<br />
pädagogischen Fachkräften.<br />
In diesem Zusammenhang ersche<strong>in</strong>t es notwendig die<br />
Arbeitsfel<strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Schulen - außer für Lehrer - auch für<br />
an<strong>de</strong>re Berufsgruppen zu öffnen. Sozialpädagogen und<br />
Heilpädagogen sollten verstärkt <strong>in</strong> das System Schule<br />
e<strong>in</strong>bezogen wer<strong>de</strong>n. Mit ihren je spezifischen Handlungskonsequenzen<br />
könnten sie vor Ort auf die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Schule antworten.<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n soll dargestellt wer<strong>de</strong>n, welche spezifischen<br />
Handlungskonzepte Heilpädagogen als Antworten<br />
an die Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Schule beisteuern können.<br />
3 Es s<strong>in</strong>d hier Überlegungen <strong>de</strong>s hauptamtlichen Dozententeams<br />
<strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik Aka<strong>de</strong>mie Schönbrunn<br />
zusammengefasst wor<strong>de</strong>n. Neben <strong>de</strong>m Autor waren beteiligt:<br />
Lilo Nitz, Elisabeth Dausch, Monika Lumbe, Christ<strong>in</strong>e<br />
Nie<strong>de</strong>rmayer und Simone Ste<strong>in</strong>er.<br />
25
Das Berufsbild <strong>de</strong>s Heilpädagogen bzw. <strong>de</strong>r Heilpädagog<strong>in</strong><br />
Heilpädagogen haben sich als qualifizierte Mitarbeiter <strong>de</strong>r<br />
Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rten- K<strong>in</strong><strong>de</strong>r- und Jugendhilfe zu staatlich anerkannten<br />
Heilpädagogen weitergebil<strong>de</strong>t. Ihre Vorgehensweise<br />
ist durch e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>utliche Haltung und Ethik bestimmt.<br />
Menschen wer<strong>de</strong>n - auch bei extremster Verschie<strong>de</strong>nheit<br />
- als gleichwertige Partner und ‚Person’<br />
anerkannt.<br />
Können Sie sich an Situationen er<strong>in</strong>nern,<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen Sie sich als Person, so wie Sie s<strong>in</strong>d, wertgeschätzt<br />
und verstan<strong>de</strong>n gefühlt haben?<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong> Gefühl <strong>de</strong>r Zuversicht <strong>in</strong> Ihre eigene Kraft<br />
entstan<strong>de</strong>n ist?<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen <strong>in</strong> Ihnen das Gefühl von eigener Stärke und Kraft<br />
durch die Unterstützung e<strong>in</strong>es an<strong>de</strong>ren Menschen entstan<strong>de</strong>n<br />
ist?<br />
Heilpädagogen unterstützen Sie<br />
<strong>in</strong>dividuelle Entwicklungen zu erkennen und zu verstehen.<br />
durch <strong>in</strong>dividuelle Begleitung ihre eigenen Ziele zu erkennen<br />
und ihren eigenen Weg zu gehen.<br />
Heilpädagogen koord<strong>in</strong>ieren <strong>de</strong>n Ablauf von <strong>in</strong>dividuellen<br />
Hilfeleistungen und führen <strong>in</strong>dividuelle För<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />
durch. Individuelle För<strong>de</strong>rmaßnahmen beziehen sich<br />
dabei auf das Gestalten von Beziehungen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel- und<br />
Gruppenbezug, das Verstehen und Erkennen (Diagnostik),<br />
das Beraten und Begleiten sowie das För<strong>de</strong>rn und<br />
Unterrichten. Sie s<strong>in</strong>d <strong>de</strong>utlich an <strong>de</strong>n Stärken und Ressourcen<br />
e<strong>in</strong>es Menschen orientiert. Unter E<strong>in</strong>beziehung<br />
<strong>de</strong>r Stärken- Perspektive gehen Heilpädagogen davon<br />
aus, dass je<strong>de</strong>r Mensch Wi<strong>de</strong>rstandressourcen und Wi<strong>de</strong>rstandskräfte<br />
besitzt, die im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Kraft<br />
„heilend“ wirken können.<br />
Auch wenn <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regel e<strong>in</strong> Defizit Anlass für die Aufnahme<br />
e<strong>in</strong>er heilpädagogischen Maßnahme ist, wird im<br />
Prozess <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Schwerpunkt auf die Ressourcen<br />
und Schutzfaktoren e<strong>in</strong>es Menschen gelegt. Es geht<br />
um die Stärkung <strong>de</strong>s Selbstwertes und <strong>de</strong>s Selbstkonzeptes<br />
e<strong>in</strong>es Menschen. Die (drohen<strong>de</strong>) Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung wird<br />
auf Erschwernisse und Belastungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Person- Umwelt-<br />
Beziehung bezogen. Übergeordnete Zielsetzung ist<br />
die personale und soziale Integration <strong>de</strong>s Menschen mit<br />
Bee<strong>in</strong>trächtigungen.<br />
Heilpädagogen beziehen ihre Diagnostik auf die E<strong>in</strong>leitung<br />
von Hilfen und auf die Begleitung <strong>de</strong>s Integrations-<br />
und För<strong>de</strong>rprozesses.<br />
Die heilpädagogische Diagnostik ist als För<strong>de</strong>rdiagnostik<br />
am pädagogischen Han<strong>de</strong>ln und an <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung orientiert.<br />
Innerhalb dieses Prozesses <strong>de</strong>s Erklärens von auffälligen<br />
Verhalten und <strong>de</strong>s Verstehens bzw. Erkennens <strong>de</strong>r<br />
Bef<strong>in</strong>dlichkeit e<strong>in</strong>es Menschen ist vor allem entschei<strong>de</strong>nd,<br />
<strong>in</strong>wieweit <strong>de</strong>ssen Aktivität und Teilhabe bee<strong>in</strong>trächtigt ist.<br />
Im Anschluss an e<strong>in</strong>e Hypothesenbildung wer<strong>de</strong>n<br />
Ziele und Aufgaben für e<strong>in</strong> heilpädagogisches<br />
Handlungskonzept bestimmt. Heilpädagogisch<br />
gestaltete Handlungskonzepte s<strong>in</strong>d dann durch<br />
e<strong>in</strong>e spezifische heilpädagogische Beziehungsgestaltung<br />
gekennzeichnet.<br />
Je nach Klientel wer<strong>de</strong>n die Schwerpunkte <strong>de</strong>s<br />
Handlungskonzeptes unterschiedlich gesetzt, z.B.<br />
bezogen auf Bewegung<br />
u.a. Psychomotorik, Entspannungsmetho<strong>de</strong>n,<br />
Musiktherapie, heilpädagogischer Tanz<br />
bezogen auf Lernen<br />
u.a. Verhaltensmodifikation, Erwachsenen-<br />
bildung, Montessori Pädagogik, Didaktik für<br />
<strong>de</strong>n Unterricht<br />
bezogen auf Tätigkeit<br />
u.a. Erlebnispädagogik, heilpädagogischer Zirkus,<br />
heilpädagogisches Werken, TEACCH- Ansatz<br />
bezogen auf Sprachlichkeit<br />
u.a. Unterstützte Kommunikation (UK), Sprachanbahnung<br />
und Sprachför<strong>de</strong>rung<br />
bezogen auf Spiel<br />
u.a. heilpädagogische Spielför<strong>de</strong>rung, heilpädagogische<br />
Spieltherapie, Maskenarbeit, Jeux dramtiques,<br />
bezogen auf Leiblichkeit<br />
u.a. Körperarbeit, Basale För<strong>de</strong>rung<br />
Dabei steht weniger die Beseitigung von Fehlern o<strong>de</strong>r gar<br />
Schädigungen, son<strong>de</strong>rn mehr die Erhaltung und Wie<strong>de</strong>rgew<strong>in</strong>nung<br />
von Handlungsfähigkeit e<strong>in</strong>es Menschen im<br />
Vor<strong>de</strong>rgrund.<br />
Auch wird die Arbeit mit <strong>de</strong>m System e<strong>in</strong>bezogen. In <strong>de</strong>r<br />
begleiten<strong>de</strong>n Beratung von Angehörigen können konkrete<br />
Handlungsanleitungen und Informationen gegeben bzw.<br />
die Angehörigen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Konstruktion von Lösungen unterstützt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Heilpädagogen ordnen auffälliges Verhalten von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn <strong>in</strong> die wechselwirken<strong>de</strong>n Zusammenhänge<br />
ihrer komplexen Lebenswirklichkeit e<strong>in</strong>.<br />
Es gilt zu klären, wo und <strong>in</strong> welchem Umfeld das K<strong>in</strong>d welches Verhalten zeigt, was bei <strong>de</strong>m K<strong>in</strong>d<br />
selbst zu beobachten ist, welche mediz<strong>in</strong>isch-psychologischen Umstän<strong>de</strong> als ausschlaggebend<br />
für das auffällige Verhalten <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s genannt wer<strong>de</strong>n und welche familiären Umstän<strong>de</strong>, sozialen<br />
Normen bzw. gruppenspezifischen Werte das K<strong>in</strong>d prägen.<br />
Gefragt s<strong>in</strong>d mehrperspektivische Sichtweisen sowie e<strong>in</strong> Verständnis für die <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse<br />
und Möglichkeiten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>de</strong>s im Zusammenhang se<strong>in</strong>es konkreten Lebensumfel<strong>de</strong>s.<br />
26
Heilpädagogische Fragestellungen im Arbeitsfeld<br />
Regelschule<br />
Heilpädagogen s<strong>in</strong>d im schulischen Bereich bisher vorrangig<br />
<strong>in</strong>nerhalb von son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rzentren<br />
e<strong>in</strong>gesetzt wor<strong>de</strong>n. Innerhalb <strong>de</strong>s Arbeitsfel<strong>de</strong>s Regelschule<br />
ergeben sich aus heilpädagogischer Sicht erweiterte<br />
Fragestellungen. E<strong>in</strong>e Schule für alle kann sich von<br />
Fragestellungen und Vorgehensweisen <strong>de</strong>r Heilpädagogik<br />
<strong>in</strong>spirieren lassen. Es gilt das Arbeitsfeld Regelschule<br />
heilpädagogisch zu gestalten.<br />
Nicht erst seit <strong>de</strong>m „Pisa Schock“ erleben wir, dass sich<br />
Eltern und Lehrkräfte <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Schulen ähnlichen Fragen<br />
stellen, wie sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Heil- und Reformpädagogik seit<br />
längerem bekannt s<strong>in</strong>d. Fragen, wie z.B. Neugier als<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kraft <strong>de</strong>s Lernens genutzt wer<strong>de</strong>n kann<br />
o<strong>de</strong>r wie Lernen mit allen S<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>itiiert bzw. wie e<strong>in</strong><br />
monotoner Schullalltag vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Lehrer berichten, dass sich <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>r Regelschule bei<br />
Schülern heute immer mehr spezielle Lern- und Erziehungsanfor<strong>de</strong>rnisse<br />
zeigen. Für Lehrkräfte zeigen sich<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen:<br />
im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten<br />
(aggressiv-ausagieren<strong>de</strong>s, ängstlich-gehemmtes, sozial-unreifes,<br />
sozialisiert- <strong>de</strong>liquentes Verhalten)<br />
im Umgang mit Lernschwierigkeiten<br />
(Probleme beim Schriftspracherwerb, Probleme <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s mathematischen Denkens, entwicklungs-<br />
und lernerschweren<strong>de</strong>n biologischen Faktoren,<br />
entwicklungs- und lernerschweren<strong>de</strong>n Umwelte<strong>in</strong>flüsse,<br />
ungünstigen schulischen Lehr-/Lernbed<strong>in</strong>gungen)<br />
im Umgang mit Auffälligkeiten <strong>in</strong> Sprache und<br />
Kommunikation<br />
(Auffälligkeiten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Aussprache o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Sprechablaufes<br />
und <strong>de</strong>r Grammatik, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>- und<br />
Kommunikationsfähigkeit, im Sprachverständnis)<br />
im Umgang mit Auffälligkeiten im Bereich Motorik<br />
und Körper<br />
(fe<strong>in</strong>- und grobmotorischen Auffälligkeiten, Auffälligkeiten<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r sensorischen Integration, gehemmte<br />
Motorik o<strong>de</strong>r negatives Körperbewußtse<strong>in</strong>, chronische<br />
o<strong>de</strong>r progrediente Krankheiten, Traumatisierungen)<br />
Im Umgang mit <strong>de</strong>n Problemlagen <strong>de</strong>r Schüler ist die<br />
Regelschule gehalten, die Integration gesellschaftlicher<br />
Gruppen zu gewährleisten und Formen spezieller Pädagogik<br />
e<strong>in</strong>zubeziehen. Es gilt die Integration von Schülern<br />
mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund zu verbessern. Wie dies gel<strong>in</strong>gen<br />
kann, ist auch aus heilpädagogischer Sicht zu beantworten.<br />
E<strong>in</strong>e „gute Schule“ muss Schlüsselkompetenzen <strong>de</strong>s<br />
Lernens för<strong>de</strong>rn. Heilpädagogische Fragestellungen zu<br />
schulischen Lernvoraussetzungen und Lernbed<strong>in</strong>gungen<br />
wären hier:<br />
Wie kann die Lernbereitschaft <strong>de</strong>r Schüler verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie kann korrigieren<strong>de</strong> und positive Lernerfahrung<br />
gestaltet se<strong>in</strong> (dialogisches Lernen)?<br />
Wie können Mo<strong>de</strong>lle für antworten<strong>de</strong> Beziehungspartner<br />
gelebt wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie kann Initiative und Eigenverantwortung geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie kann die Lernmotivation von Schülern verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie kann han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>s und vernetztes Lernen gel<strong>in</strong>gen?<br />
Wie kann Selbstwirksamkeitserleben bei Schülern<br />
unterstützt wer<strong>de</strong>n?<br />
Zusätzlich ist zu fragen, wie sozial- emotionale Lernprozessen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule unterstützt wer<strong>de</strong>n können. Es geht<br />
um emotionale Vorrausetzungen, die dazu beitragen<br />
können, dass Lernen gut gel<strong>in</strong>gt. Unterstützt wer<strong>de</strong>n<br />
könnte dies vor allem durch das Erleben von personalen<br />
Mo<strong>de</strong>llen (z.B. im Dialog <strong>in</strong> Projekten lernen bzw. <strong>in</strong><br />
ästhetischen Angeboten sich selbst erfahren).<br />
Zu fragen ist:<br />
Wie können Schüler <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Entwicklung von Werten<br />
und Orientierung unterstützt wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie können Schüler <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fähigkeit und Bereitschaft<br />
zu Verantwortung unterstützt wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie können Schüler <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Fähigkeit und Bereitschaft<br />
zu <strong>de</strong>mokratischer Teilhabe unterstützt wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie können Schüler <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Bereitschaft an<strong>de</strong>re Kulturen<br />
kennen zu lernen und zu akzeptieren unterstützt<br />
wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie können Schüler e<strong>in</strong>en kompetenten Umgang mit<br />
Verän<strong>de</strong>rungen entwickeln?<br />
Die Regelschule steht heute hohen Erwartungen und<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen gegenüber (von Schülern, Eltern, im<br />
öffentlichen Raum und von <strong>de</strong>r Politik). Es besteht <strong>de</strong>r<br />
Anspruch an mehr Zusammenarbeit und Vernetzung <strong>de</strong>r<br />
Schule im Sozialraum. Heilpädagogen sollten sich also <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>r Regelschule die Frage stellen, wie die Gestaltung von<br />
Übergängen gel<strong>in</strong>gen kann o<strong>de</strong>r wie e<strong>in</strong>e Vernetzung mit<br />
Vere<strong>in</strong>en und Selbsthilfegruppen geschehen kann. Je<br />
nach Standort und Schulform muss auch die Frage gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, wie die Zusammenarbeit mit Volkshochhochschule<br />
und an<strong>de</strong>ren außerschulischen Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />
gestaltet se<strong>in</strong> sollte und wie mit <strong>de</strong>r Jugendhilfe<br />
und mit <strong>de</strong>n mediz<strong>in</strong>ischen Diensten zusammengearbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
27
Ziele von Heilpädagogik an Regelschulen<br />
Wichtigstes Ziel von Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen ist<br />
zunächst die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Teilhabe benachteiligter<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>r. Heilpädagogen könnten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule dazu<br />
beitragen, dass für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r unterschiedlicher Herkunft<br />
mehr Chancengleichheit hergestellt und die Teilhabe von<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn mit (drohen<strong>de</strong>n) Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule<br />
erweitert wird. Dies durch<br />
e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>de</strong>r Lebenswelten von K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn mit<br />
Bee<strong>in</strong>trächtigungen,<br />
die Bereitstellung <strong>in</strong>dividueller (För<strong>de</strong>r-) angebote,<br />
die För<strong>de</strong>rung von Integration <strong>in</strong> Form von kulturellen<br />
und sprachlichen Entwicklungen,<br />
die Ermöglichung <strong>de</strong>s Ausdrucks von <strong>in</strong>dividuellen<br />
Lebensthemen <strong>de</strong>r Schüler.<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen kann e<strong>in</strong>en Beitrag<br />
leisten, wie Schule ganztags gel<strong>in</strong>gen kann ("gute<br />
Praxis"). Heilpädagogen können dazu beitragen,<br />
dass<br />
bedürfnis- und ressourcenorientierte Angebote <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />
Regelschule ausgeweitet wer<strong>de</strong>n,<br />
Motivation und Umgangsformen bei Schülern gestärkt<br />
wer<strong>de</strong>n (För<strong>de</strong>rung positiver Peerkultur),<br />
sozial-emotionale Kompetenzen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />
bei Lernprozessen <strong>de</strong>r Wert von Prozessen, Fehlern<br />
und Irrwegen anerkannt wird,<br />
<strong>de</strong>r Respekt vor <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>s K<strong>in</strong><strong>de</strong>s beachtet<br />
wird,<br />
außerunterrichtliche Lernprozesse thematisiert und<br />
geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />
geme<strong>in</strong>same Verantwortung für Lernprozesse übernommen<br />
wird,<br />
Schule als „Heimat“ erfahrbar wird,<br />
Hausaufgaben <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule erledigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen kann Schulentwicklung<br />
för<strong>de</strong>rn und erweitern durch<br />
<strong>de</strong>n Aspekt <strong>de</strong>r Inklusion,<br />
Vernetzung und Kooperation im Sozialraum,<br />
Erweiterung <strong>de</strong>r Bildungsangebote,<br />
das Zusammenspiel unterschiedlicher Berufsgruppen<br />
(Fachlehrer, Heilpädagogen, Sozialpädagogen,Schul-<br />
psychologen etc.),<br />
Angebote, die Spaß und Neugier<strong>de</strong> an Lernen vermitteln.<br />
Heilpädagogen <strong>in</strong> Regelschulen können die Zusammenarbeit<br />
und Vernetzung <strong>de</strong>r Schule im Sozialraum<br />
verbessern durch die:<br />
Gestaltung von Übergängen,<br />
Vernetzung mit Vere<strong>in</strong>en und Selbsthilfegruppen,<br />
Zusammenarbeit mit Volkshochhochschule und<br />
an<strong>de</strong>ren außerschulischen Bildungs<strong>in</strong>stitutionen,<br />
Zusammenarbeit mit Jugendhilfe,<br />
Zusammenarbeit mit mediz<strong>in</strong>ischen Diensten.<br />
Mögliche Aufgaben <strong>de</strong>s Heilpädagogen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule<br />
Das Berufsfeld <strong>de</strong>s Heilpädagogen hat Schnittstellen mit<br />
an<strong>de</strong>ren Berufsfel<strong>de</strong>rn wie die <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik, <strong>de</strong>r<br />
Psychologie, <strong>de</strong>r Sozialarbeit sowie <strong>de</strong>r Ergotherapie und<br />
Logopädie. Es wäre anzustreben, dass Heilpädagogen<br />
bzw. Heilpädagog<strong>in</strong>nen als feste Planungsstellen <strong>in</strong><br />
Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen o<strong>de</strong>r Gymnasien<br />
angestellt wer<strong>de</strong>n. In e<strong>in</strong>er Schule <strong>de</strong>r Zukunft sollte<br />
<strong>de</strong>r/die Heilpädagog<strong>in</strong> nicht nur auf E<strong>in</strong>zelfallmaßnahmen<br />
bezogen se<strong>in</strong>, son<strong>de</strong>rn auch im Schulalltag und bei präventiven<br />
Angeboten tätig se<strong>in</strong>.<br />
Die im Folgen<strong>de</strong>n beschriebenen möglichen Aufgabenfel<strong>de</strong>r<br />
wären entsprechend <strong>de</strong>r jeweiligen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
und Schulform <strong>de</strong>r Schule auszudifferenzieren<br />
bzw. zu gestalten.<br />
Mögliche Aufgabengebiete von Heilpädagogen <strong>in</strong> Regelschulen<br />
könnten se<strong>in</strong>: Begleiten<strong>de</strong> Angebote zum Unterricht,<br />
Unterstützung im Unterricht, Beobachtung und<br />
Diagnostik, Arbeit mit <strong>de</strong>m System, Prävention von Lern-<br />
und Verhaltensauffälligkeiten.<br />
Begleiten<strong>de</strong> Angebote zum Unterricht wer<strong>de</strong>n im<br />
E<strong>in</strong>zel- o<strong>de</strong>r Gruppenbezug durchgeführt. Angebote<br />
wären zu folgen<strong>de</strong>n Themen zu konzipieren:<br />
zur Kompetenz- und Lernför<strong>de</strong>rung,<br />
zur Entwicklungs- und Wahrnehmungsför<strong>de</strong>rung,<br />
als Lerncoach<strong>in</strong>g,<br />
zur Sprach- und Kommunikationsför<strong>de</strong>rung,<br />
zur Stärkung <strong>de</strong>s Selbstkonzepts,<br />
zur Stärkung sozial-emotionaler Kompetenzen,<br />
für sozial unsichere Schüler,<br />
für ängstliche K<strong>in</strong><strong>de</strong>r,<br />
für Schüler mit Schwierigkeiten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit<br />
und Konzentration,<br />
für Schüler mit aggressivem Verhalten,<br />
für Schüler mit Schwierigkeiten im Lernen,<br />
für benachteiligte Schüler,<br />
zur Integration von Schülern mit Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rungen,<br />
28
als Berufsf<strong>in</strong>dungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />
Unterstützung im Unterricht sollte auch bei <strong>de</strong>r<br />
Durchführung von Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n,<br />
z.B. bei <strong>de</strong>r<br />
Gruppenarbeit,<br />
Freiarbeit,<br />
Stationsarbeit,<br />
Projektarbeit,<br />
Unterstützung <strong>de</strong>r Gruppendynamik.<br />
Außer<strong>de</strong>m könnten Formen (kooperativer) Lernbegleitung<br />
e<strong>in</strong>zelner Schüler stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n durch:<br />
spezielle Beobachtung e<strong>in</strong>zelner Schüler o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
Unterrichtsgeschehens<br />
Formen <strong>de</strong>s Teamteach<strong>in</strong>gs<br />
Feedback an die Lehrkraft.<br />
Beobachtung und Diagnostik sollte folgen<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>beziehen:<br />
Das Erfassen und Erklären von Entstehungsbed<strong>in</strong>gungen<br />
auffälligen Verhaltens bei Schülern (aus systemisch-ganzheitlicher<br />
Sicht, neurobiologisch- erklärbarer<br />
Be<strong>de</strong>utung von Verhalten, als För<strong>de</strong>rdiagnostik<br />
und begleiten<strong>de</strong> Diagnostik im Unterricht, als<br />
teilnehmen<strong>de</strong> und nicht teilnehmen<strong>de</strong> Beobachtung).<br />
Das Wahrnehmen und Verstehen <strong>de</strong>r Verhaltensweisen<br />
von Schülern <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>n.<br />
E<strong>in</strong>e Arbeit mit <strong>de</strong>m System ist auf mehrere Teilsysteme<br />
auszubauen, d.h. auf<br />
die Koord<strong>in</strong>ierung schulischer und außerschulischer<br />
För<strong>de</strong>rmaßnahmen,<br />
die Arbeit mit <strong>de</strong>r Familie<br />
(Anleitung und Begleitung von Eltern <strong>in</strong>cl. Großeltern,<br />
Beratung von Eltern),<br />
die Kooperation mit Lehrern und an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen<br />
<strong>de</strong>r Schule<br />
(Entwicklung von För<strong>de</strong>rplänen im Kontext von Unterrichts-<br />
und Erziehungsplanung für <strong>in</strong>klusive Unterrichtsplanung,<br />
Kollegiale Praxisreflexion <strong>de</strong>r Person-<br />
Umfeld-Bed<strong>in</strong>gungen von Schülern mit auffälligen<br />
Verhalten),<br />
die Beratung <strong>de</strong>r Lehrer<br />
(zu Möglichkeiten heilpädagogischer Lernangebote<br />
und Lernstrategien sowie heilpädagogischer Lehrstrategien<br />
bei <strong>in</strong>klusiven Bedarfen / zur Gestaltung<br />
von <strong>in</strong>klusiven Strukturen und Praktiken)<br />
<strong>de</strong>n Aufbau kooperativer Beratungsformen<br />
die Kooperation mit Institutionen <strong>de</strong>s Sozialraumes,<br />
<strong>de</strong>n Aufbau von Netzwerken: zwischen Elementar-<br />
und Primarpädagogik (Vorbereitung und Begleitung<br />
<strong>de</strong>s Übergangs), mit Trägern <strong>de</strong>r Jugend- und Sozialhilfe,<br />
mit <strong>de</strong>m Hort, mit Vere<strong>in</strong>en (Sport, Gesundheit,<br />
Kultur, Umwelt und Soziales), mit Erziehungsberatungsstellen,<br />
mit Gesundheitsdiensten.<br />
Außer<strong>de</strong>m sollten neben <strong>de</strong>r E<strong>in</strong>zelfallhilfe Formen<br />
<strong>de</strong>r Prävention von Lern- und Verhaltensauffälligkeiten<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>r Schule angeboten wer<strong>de</strong>n; wie z.B.:<br />
Durchführung spezieller kreativ- ästhetischer Angebote<br />
u.ä.<br />
Durchführung von speziellen Projekten<br />
Elternbildung bei Elternaben<strong>de</strong>n<br />
För<strong>de</strong>rung von Elternselbsthilfe<br />
(wie z.B. Elterncafe, Selbsthilfegruppen)<br />
Auf die genannten Herausfor<strong>de</strong>rungen könnte die Berufsgruppe<br />
<strong>de</strong>r Heilpädagogen im Rahmen <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer<br />
Arbeit mit an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen Antworten geben.<br />
Schulforscher weisen darauf h<strong>in</strong>, dass die Schule heute<br />
viel mehr persönlichkeitsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Funktion hat, als <strong>in</strong><br />
früheren Zeiten. Immer mehr Schüler erfahren die Wirklichkeit<br />
aus zweiter Hand o<strong>de</strong>r leben <strong>in</strong> quasi „virtuellen<br />
I<strong>de</strong>ntitäten“.<br />
In e<strong>in</strong>er ständig sich wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Welt ist die Schule<br />
gefragt Orientierung und Stabilisierung zu geben. Sie<br />
muss e<strong>in</strong>en Raum bereitstellen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m korrigieren<strong>de</strong> und<br />
positive Lernerfahrungen für Schüler möglich s<strong>in</strong>d.<br />
Mögliche Aufgabe von Heilpädagogik <strong>in</strong> Regelschulen<br />
wäre auch, Schüler dar<strong>in</strong> zu unterstützen, dass es sich<br />
lohnt sich für sich selbst zu engagieren und sich selbst<br />
Zukunftsperspektiven zu schaffen. Hierzu kann die Berufsgruppe<br />
<strong>de</strong>r Heilpädagogen e<strong>in</strong>en wertvollen Beitrag<br />
leisten.<br />
29
Ausblick<br />
Michael Kreisel<br />
Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
Manche sagen, dass die Welt heute aus <strong>de</strong>n Fugen geraten<br />
ist. Zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st lässt sie sich nicht mehr so e<strong>in</strong>fach<br />
erschließen. In Zeiten <strong>de</strong>r Globalisierung verän<strong>de</strong>rn sich<br />
die Familien und <strong>de</strong>r soziale Zusammenhalt. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r s<strong>in</strong>d<br />
heute radikal an<strong>de</strong>ren Bed<strong>in</strong>gungen unterworfen als<br />
früher. Die Schule muss sich all <strong>de</strong>m stellen.<br />
Der Blick <strong>de</strong>r Heilpädagogik auf die Regelschule<br />
Heilpädagogik wird als Oberbegriff für e<strong>in</strong>e spezielle<br />
Pädagogik genutzt, was <strong>in</strong> Deutschland aber nicht e<strong>in</strong>em<br />
e<strong>in</strong>heitlichen Berufsbild entspricht. Son<strong>de</strong>rpädagogen<br />
arbeiten vorrangig im schulischen Bereich. Heilpädagogen<br />
s<strong>in</strong>d eher generalistisch ausgebil<strong>de</strong>t. Sie arbeiten <strong>in</strong> För<strong>de</strong>rschulen<br />
und ihr Berufsbild hat zusätzlich e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>utliche<br />
außerschulische Orientierung.<br />
Der Blick <strong>de</strong>r Heilpädagogik auf die Regelschule kommt<br />
daher von zwei Seiten. Es ist e<strong>in</strong> Blick, <strong>de</strong>r sich auf direkte<br />
und <strong>in</strong>direkte Formen von För<strong>de</strong>rung bezieht. E<strong>in</strong>erseits<br />
s<strong>in</strong>d unmittelbare Problemschwerpunkte Ausgangspunkt<br />
heilpädagogischer Intervention, an<strong>de</strong>rerseits s<strong>in</strong>d<br />
es eher <strong>de</strong>ren Ursachen und Bed<strong>in</strong>gungsfaktoren 4 .<br />
Üblicher Weise wer<strong>de</strong>n Heilpädagogen h<strong>in</strong>zugezogen,<br />
wenn sich bei K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn Auffälligkeiten ergeben. Wir wür<strong>de</strong>n<br />
sagen: wenn bei K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn Bee<strong>in</strong>trächtigungslagen<br />
vorliegen.<br />
Die Beiträge dieser Publikation beziehen sich vorrangig<br />
auf <strong>in</strong>direkte För<strong>de</strong>rschwerpunkte und weniger auf direkte<br />
För<strong>de</strong>rprogramme (bezogen auf die Störung e<strong>in</strong>es<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>s). Liegt e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung o<strong>de</strong>r Beh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
vor, dann sehen wir, dass das K<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er I<strong>de</strong>ntität <strong>in</strong> Gefahr ist<br />
(d.h. <strong>in</strong> Gefahr ist se<strong>in</strong>e Ganzheit zu verlieren),<br />
<strong>in</strong> Gefahr ist se<strong>in</strong>e soziale Zugehörigkeit zu verlieren.<br />
(d.h. von sozialer Ausglie<strong>de</strong>rung bedroht ist).<br />
Im S<strong>in</strong>ne von Inklusion und Integration för<strong>de</strong>rt Heilpädagogik<br />
dann die Erhaltung und Wie<strong>de</strong>rgew<strong>in</strong>nung von<br />
Handlungsfähigkeit.<br />
Hierfür s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Heilpädagogik Formen spezieller Pädagogik<br />
und heilpädagogischer Handlungskonzepte entwickelt<br />
wor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Heilpädagogik stellen wir uns vorrangig<br />
die Frage, wie Menschen gestärkt wer<strong>de</strong>n können,<br />
dass sie mit <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Umwelt besser umgehen<br />
können.<br />
Heilpädagogik sollte <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Regelschule <strong>de</strong>r Zukunft<br />
nicht nur auf <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>zellfall bezogen se<strong>in</strong><br />
Im schulischen Bereich <strong>de</strong>nken wir dabei nicht nur komplementär,<br />
d.h. ergänzend zum Unterricht. Es geht uns<br />
auch um die Entwicklung von sozial- emotionalen Kompetenzen<br />
und um die Stärkung <strong>de</strong>s Selbstkonzeptes von<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn parallel zu Zielen <strong>de</strong>s Unterrichts.<br />
Heilpädagogik wür<strong>de</strong> im wahrsten S<strong>in</strong>ne „speziell“ bleiben,<br />
wenn <strong>de</strong>r Schritt <strong>de</strong>r Integration und E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>de</strong>s<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>s <strong>in</strong> das Umfeld nicht gel<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong>e Schule <strong>de</strong>r Zukunft<br />
sollte daher die Schülerschaft weniger zweiteilen.<br />
Hierüber haben wir uns <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Fachtages <strong>in</strong>tensiv<br />
ausgetauscht. Vor allem durch die Beiträge <strong>de</strong>r betroffenen<br />
Eltern kamen wir zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass Hilfe und<br />
För<strong>de</strong>rung allen Schülern gleichermaßen gegeben wer<strong>de</strong>n<br />
müsste.<br />
Dafür müssen aber Rahmenbed<strong>in</strong>gungen geschaffen<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Institution Schule und auch ihre Lehrer<br />
müssten sich verän<strong>de</strong>rten Bed<strong>in</strong>gungen anpassen. Die<br />
Möglichkeiten <strong>de</strong>r Ganztagsschule eröffnen hier ganz<br />
neue Perspektiven.<br />
In die Regelschule <strong>de</strong>r Zukunft sollte e<strong>in</strong> Heilpädagoge –<br />
ähnlich wie e<strong>in</strong> Schulsozialarbeiter - als „normale Ausstattung“<br />
dazu gehören. Mit <strong>de</strong>m Projekt „Heilpädagogik <strong>in</strong><br />
Regelschulen“ haben wir dafür geworben und umsetzbare<br />
Konzepte entwickelt, für die wir uns weiter e<strong>in</strong>setzen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Ich danke <strong>de</strong>n beteiligten Dozent<strong>in</strong>nen und Studieren<strong>de</strong>n<br />
für ihr enormes Engagement <strong>in</strong> die Zukunft zu <strong>de</strong>nken<br />
und neue pädagogische Mo<strong>de</strong>lle zu entwickeln.<br />
Vielleicht ist das, was jetzt fachlich manchmal noch als<br />
Vision erarbeitet wor<strong>de</strong>n ist, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Jahren selbstverständlicher<br />
Teil <strong>de</strong>s schulischen Alltags!<br />
4 Zu <strong>de</strong>n Begriffen direkte und <strong>in</strong>direkte För<strong>de</strong>rung vgl.<br />
Heimlich <strong>in</strong> Faulstich 2008 S. 521<br />
30
Impressionen aus <strong>de</strong>m Projekt „Erdofen“<br />
Durchgeführt von Studieren<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik an <strong>de</strong>r Hauptschule In<strong>de</strong>rsdorf<br />
November 2008<br />
Herausgeber:<br />
Fachaka<strong>de</strong>mie für Heilpädagogik<br />
Aka<strong>de</strong>mie Schönbrunn<br />
Gut Häusern 1<br />
85229 Markt In<strong>de</strong>rsdorf<br />
Tel.: 08139/809-110<br />
www.aka<strong>de</strong>mie–schoenbrunn.<strong>de</strong><br />
Michael Kreisel<br />
Leitung <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie<br />
Elisabeth Dausch<br />
Stellvertr. Leitung <strong>de</strong>r Fachaka<strong>de</strong>mie<br />
V.i.S.d.P. und Redaktion<br />
Michael Kreisel<br />
E.Mail: Kreisel.Michael@aka<strong>de</strong>mie-schoenbrunn.<strong>de</strong><br />
Bil<strong>de</strong>r:<br />
Michael Kreisel, Monika Lumbe, Stephanie Tr<strong>in</strong>kl, Simone Müller<br />
Illustrationen:<br />
Manfred Nittbaur, Angela Ullrich<br />
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