03/2011 - Scoach Europa AG

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KOLUMNE Notfalloperation In einer dramatischen Rettungsaktion hat der US-Notenbankchef Ben Bernanke der Wirtschaft in hoher Dosis liquide Drogen zur Linderung verabreicht. Der Patient überlebte, zeigt nun aber Abhängigkeitssymptome. War die Medikation falsch? Glückt der Entzug? Was macht Herr Bernanke? Ist er von Sinnen, wenn er immer neues Geld in die Wirtschaft pumpt? Bringt das etwas außer einer Hyperinflation? Ist es womöglich sogar seine Absicht, Inflation zu produzieren? Immerhin: Der US-Schuldenberg ist mit rund 15 Billionen Dollar gewaltig – die Amerikaner stehen bald mit 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Kreide. Wie soll dieser Schuldenberg jemals abgetragen werden, wenn nicht über Inflation? Fragen, die man dieser Tage auf nahezu jeder Grillparty hört. Leider wird nach wie vor kaum beachtet, dass es sich bei der Krise seit 2007 um eine Finanzkrise handelt, die deflationär wirkt. Das bekannteste Beispiel einer deflationären Finanzkrise ist die japanische Misere seit Ende der Achtzigerjahre, welche bis heute andauert. Finanzkrisen sind deshalb nicht inflationär, da sie in aller Regel zu einer Bilanzschrumpfung im privaten Sektor führen. Oder anders ausgedrückt: Wenn mein Haus heute nur noch zwei Drittel seines ursprünglichen Wertes hat, muss ich dennoch meine Hypothek zurückzahlen, was mich zum Sparen zwingt. Diese Nachfrageschwäche führt dazu, dass die Kreditnachfrage der Privaten zurückgeht. Das ist in der aktuellen Krise der entscheidende Punkt: Die geschaffene Liquidität der Zentralbank „Es wird zu wenig beachtet, dass es sich bei der Krise um eine Finanzkrise handelt, die deflationär wirkt.“ bleibt zu einem großen Teil auf den Konti der Banken bei der Zentralbank und fließt somit nicht in die Wirtschaft. Dieser Umstand kann gemessen werden und zurzeit weist nichts darauf hin, dass die geschaffene Liquidität in bedeutendem Ausmaß in die Wirtschaft fließt. Aus diesem Grund dürfte die amerikanische Geldpolitik vorerst noch expansiv und die Leitzinsen tief bleiben. Die zunehmend robustere Konjunktur und der sich über den Erwartungen verbessernde Arbeitsmarkt weisen aber darauf hin, dass auch in den USA bald einmal die Zinswende – wir erwarten diese im ersten Quartal des kommenden Jahres – angezeigt ist. In Euroland wurden die Leitzinsen bereits angehoben. Ohnehin dürfte die Inflation ihren Tiefpunkt bereits hinter sich gelassen haben. Sie wird wohl in den kommenden Monaten wegen gestiegener Kapazitätsauslastungen und Basiseffekten bei Energie ansteigen. In den nächsten zwölf Monaten ist deshalb auch mit höheren Kapitalmarktzinsen zu rechnen. Aktien muss das nicht zwingend belasten. Sie können aufgrund ihrer positiven Gewinnentwicklung und ihrer fairen Bewertung weiter übergewichtet werden. Und Herr Bernanke? Er hat richtig gehandelt, nun muss er allerdings noch den Entzug verträglich gestalten. Thomas Steinemann ist studierter Volkswirt und hat 1992 zum Thema „Euro: Währungskooperation und Europäische Währungsunion“ promoviert. Seit 2000 ist er Chefstratege der Vontobel- Gruppe sowie Leiter der Multi-Asset-Class-Produkte und des Vontobel-Anlagekomitees. 14 www.scoach.de
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