STRASSENBAHN MAGAZIN Juwelenjagd in Esslingen - Die unvergessene END (Vorschau)
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8/2014 | August € 8,50
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Seit 1978
Geschichte:
Esslingen –
Nellingen –
Denkendorf
Bildraritäten und
Zeitzeugen-
Berichte
Betriebe
Fahrzeuge
Geschichte
Juwelenjagd
in Esslingen
Die unvergessene END
Samba im Revier: Mülheims
Großraumwagen im Porträt
Perle im Vogtland: 120 Jahre
Straßenbahn in Plauen
Totaler Tiefpunkt 1994: Die
Münchner Tram vor 20 Jahren
Einsteigen, bitte …
Eine Frage der Klasse
Stimmen Sie ab
Kurz nach Redaktionsschluss für
den Journal-Teil dieses Heftes meldeten
die Stadtwerke Gera am
27. Juni Insolvenz an. Die genauen
Folgen dieses Schrittes für den Geraer Verkehrsbetrieb
GmbH als Tochter der Stadtwerke
werden vermutlich erst nach Druckbeginn
unseres Magazins feststehen. Hier
sollen jetzt keine Befürchtungen aufgezählt,
sondern die Stärken des GVB betont werden:
Der kleine Straßenbahnbetrieb in
Ostthüringen hat sich in den vergangenen
Jahren zum Vorzeigeobjekt dafür entwickelt,
wie in kleineren Städten ein effizienter
und trotzdem moderner Trambetrieb
laufen kann. Ob diese im städtischen Nahverkehr
in Gera erreichte Klasse im vollen
Umfang erhalten bleibt, wird die Zukunft
zeigen – und im STRASSENBAHN MA-
GAZIN nachzulesen sein.
Stichwort „Klasse“ – dieses Wort bringt
ja nicht nur Qualität ganz allgemein zum
Ausdruck, sondern ist auch eine Maßein-
Was halten Sie von der Idee, in Straßen- oder Stadtbahnen
1.-Klasse-Abteile einzuführen?
• Das wäre eine gute Sache – damit gibt man der Straßenbahn noch
zusätzliche Qualität als Verkehrsmittel.
• Davon halte ich nichts; das schafft nur Probleme im Betrieb und verkompliziert
den Fahrkartenverkauf.
• Das geht am Bedarf völlig vorbei – das Interesse der Fahrgäste dürfte
nur gering sein …
Stimmen Sie online ab: www.strassenbahn-magazin.de
heit für Reisekomfort. Bei einem Treffen
von Eisen- und Straßenbahnfreunden kam
kürzlich zur Sprache, dass viele Eisenbahngesellschaften
in Deutschland auch
im S-Bahnverkehr Sitzplätze der 1. und
2. Klasse anbieten. Im Bereich des um
Dresden zuständigen Verkehrsverbundes
Oberelbe nutzen etwa ein Zehntel aller
S-Bahn-Fahrgäste den 1.-Klasse-Bereich.
Im S-Bahn-Betrieb von Ballungsräumen
wie Berlin, München und Hamburg gehören
die Klassenunterschiede bewusst seit
mehreren Jahren der Vergangenheit an.
Vor allem in der Vorkriegszeit experimentierten
aber auch verschiedene europäische
Straßenbahnbetriebe mit Sitzbereichen
1. Klasse – etwa Merseburg und
Neuchâtel. Da stellt sich die Frage: Spricht
eigentlich etwas gegen einen qualitativ
höherwertigen Bereich in heutigen Straßen-
oder Stadtbahnwagen? Unter den erwähnten
Freunden entspann sich ein munterer
Gedankenaustausch – von der
Überzeugung, auf diese Weise endlich
mehr Autofahrer in die Tram zu bekommen,
bis hin zu praktischen Überlegungen,
wie die Sitzbereiche abgetrennt werden
könnten. Andere winkten ab:
zu platzraubend, am Bedarf
vorbeigehend, nicht umsetzbar
etc. Ich persönlich meine, es
gäbe für ein solches Angebot
keinen Platz – die Wagen vieler
Straßenbahnbetriebe sind ja
heute schon voll. Doch wie
sehen Sie, liebe Leser, das?
Mit Stoff überzogene
Schaumstoffplatten
als „Polsterung“
und meist nur für
normalgewichtige
Menschen berechnete
Sitzabstände –
das prägt aktuelle
Stadt- und Straßenbahnwagen.
Welchen
Zuspruch fänden
1.-Klasse-Bereiche?
CHRISTIAN LÜCKER
André
Marks
Verantwortlicher
Redakteur
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
3
Inhalt
TITEL
Die unvergessene Straßenbahn Esslingen – Nellingen – Denkendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Betriebe
TITEL
Vogtlandperle auf Meterspur . . . . . . . . . . . . . . . 16
120 Jahre Straßenbahn in Plauen – Sie gehört zu den liebevoll geführten
Kleinbetrieben in Deutschland – und die Plauener dürfen auf ihre im November
1894 eröffnete Straßenbahn zu Recht stolz sein. Da stellt sich die
Frage, wie würdigen sie deren 120. Jubiläum in diesem Jahr?
Im Schatten des Herkules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Kassels Linie 1 im Porträt – Nur wenige Straßenbahnlinien haben
eine längere Geschichte als sie. Eine ihrer Endstellen führt sogar zu
einem UNESCO-Weltkulturerbe. Doch Kassels 1 hat noch mehr zu
bieten als eine mittlerweile 137-jährige Tradition und eine drei
Kilometer lange Berg- und Talbahn
Tram-Kultur mit Stange. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Aktuelles von der Straßenbahn
in Riga – Sie ist Europas
Kulturhauptstadt 2014 – und
auch die Straßenbahnhauptstadt
Lettlands – Riga! Noch immer
fahren auf neun Linien massenhaft
Tatra- Wagen mit Trolleystange
durch die Straßen. Doch
die Ablösung der Fahrzeuge
rückt näher
Titelmotiv
Die Straßenbahn Esslingen –
Nellingen – Denkendorf
kurz nach ihrem Ausgangspunkt
auf der Neckarbrücke
in Esslingen DIETER SCHLIPF
RUBRIKEN
„Einsteigen, bitte ...“ . . . . . . 3
Bild des Monats . . . . . . . . . . 6
Journal . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Nächster Halt . . . . . . . . . . . . 33
Einst & Jetzt . . . . . . . . . . . . . 50
Fundstück des Monats . . . . . 75
Forum, Impressum . . . . . . . . 80
Vorschau . . . . . . . . . . . . . . . 82
„Ende gut ...“ . . . . . . . . . . . 82
Das besondere Bild. . . . . . . . 83
4 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Besondere B-Wagen in Bochum und Dortmund 44 137 Jahre alt und jüngst erweitert: Kassels Linie 1 24
In der Talsohle 1994: Münchens Tram vor 20 Jahren 66 Dresden: Als die Linie 3 noch bis Freital fuhr ... 64
Fahrzeuge
Geschichte
TITEL
Samba in Mülheim. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
60 Jahre Großraumwagen links und rechts der Ruhr – Am
19. Februar 1954 ging der erste vierachsige Großraumwagen mit ungewohnt
großer Aufnahmefläche in Mülheim an der Ruhr in Dienst.
Elf solche Trieb- und 13 Beiwagen prägten vier Jahrzehnte die dortigen
Meterspurgleise
TITEL
Juwelenjagd in Esslingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Erinnerungen an die END – Auch mehr als 35 Jahre nach Einstel lung
und Abriss der Straßenbahn Esslingen–Nellingen–Denkendorf besteht
sie in der Erinnerung vieler Menschen fort. Doch was macht den Nimbus
dieser Überlandstrecken aus? Die Re daktion sprach darauf verschiedene
Zeitzeugen an …
Die Längsten und Jüngsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Stadtbahnwagen B in Dortmund und Bochum – Seit 1986 fahren in
Dortmund spezielle B-Wagen. Und nur hier ist – seit 1996 – dieser klassische
Stadtbahnwagentyp auch als dreiteiliger Achtachser anzutreffen. Auch
die Bogestra orderte für ihre einzige Normalspurlinie B-Wagen. 25 Exemplare
sind auf der U35 zwischen Bochum-Hustadt und Herne unterwegs
STRASSENBAHN im Modell
Idyll mit Manta und Mülleimer. . . . . . . . . . . 76
Ein Stück Ruhrgebiet in H0: Guido Mandorf hat seine Modelltram-
Anlage aus dem Kohlenpott und dem Bergischen Land erweitert
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Ablösung durch den Bus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Details zum Ende von Linie 3 nach Freital – Am zeitigen Morgen
des 26. Mai 1974 fuhr die letzte Straßenbahn von Freital-Heinsberg nach-
Dresden-Löbtau. Dann übernahmen Busse diese Leistung …
TITEL
Vor dem Neubeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Die Münchner Straßenbahn vor 20 Jahren – 1994 befand sich die
Tram in der bayerischen Landeshauptstadt auf ihrem historischen Tiefpunkt:
Noch wenige Monate zuvor hatte es Streckenstilllegungen gegeben – aber
wie fand Stefan Hinder aus Oldenburg den Betrieb vor?
Ganze 28 Tage in Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Die Straßenbahn in Cuxhaven – 2014 ist das Jahr des Gedenkens
an den Beginn des Ersten Weltkriegs. Unmittelbar damit verknüpft ist
aber auch die Erinnerung an die kurze Betriebszeit der Straßenbahn in
Cuxhaven – aber warum war sie nur wenige Tage in Betrieb?
5
Bild des Monats
Bild des Monats
Sommerzeit – Urlaubszeit! Den in diesen Monaten sinnvollen Badespaß mit dem
Hobby Straßenbahn zu verbinden, das ist zum Beispiel auf der spanischen Insel
Mallorca möglich. Seit nunmehr 101 Jahren verbindet hier die Tranvia de Sóller
den Bahnhof mit dem Hafen der Gemeinde. Die knapp fünf Kilometer lange
Strecke hat eine Spurweite von drei englischen Fuß (914 Millimeter) und wird
von der Bevölkerung liebevoll als „Orangen-Express“ bezeichnet. Bis heute
kommen hier auch mehrere Fahrzeuge aus der Anfangszeit der Tram zum Einsatz.
So fotografierte Paul G. Liebhart an einem heißen Julitag 2012 den 1913
in Saragossa von der Firma Carde & Escoriaza gebauten Triebwagen 2 mit zwei
offenen Beiwagen an der Uferpromenade im Alltagsdienst.
6
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Bild des Monats
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014 7
Meldungen aus Deutschland,
aus der Industrie und aus aller Welt
Die Variobahn 607 passiert am 18. Juni 2014 nach dem Verlassen der Bahnhofshalle
das Empfangsgebäude des Chemnitzer Hauptbahnhofs MARKUS BERGELT
ONLINE-UMFRAGE
Reservewagen für
Notfälle erforderlich
Im Heft 7/2014 fragten wir die Leser,
ob Betriebe grundsätzlich eine Reserve
an Straßenbahnwagen für unvorhergesehene
Fälle unterhalten sollten?
Zu Redaktionsschluss erklärten 87,3
Prozent der sich an der Umfrage beteiligenden
Leser: Ja, die Betriebe
sollten zumindest eine gewisse Anzahl
älterer Straßenbahnfahrzeuge als
Reserve vorhalten.
8,5 Prozent der Teilnehmer sind der
Meinung, dass diese Reserve unbedingt
aus modernen und zeitgemäßen
Fahrzeugen bestehen müsse. Immerhin
4,2 Prozent der Leser erklärten,
dass ein Reservepark betriebswirtschaftlich
nicht vertretbar sei. Bei
Engpässen wäre ein Ersatzverkehr mit
angemieteten Bussen sinnvoller. SM
Chemnitz: Straßenbahnumbau am Hauptbahnhof vollendet
Nächster Schritt für das „Chemnitzer Modell“
Seit dem 16. Juni fahren die Wagen
der Chemnitzer Straßenbahnlinien 4
und 6 sowie der City-Bahn-Linie 522
durch den Chemnitzer Hauptbahnhof.
Damit ist eine weitere Voraussetzung
zur Umsetzung des Chemnitzer Modells
geschaffen. Die 2002 elektrisch in
Betrieb genommene City-Bahn-Verbindung
Chemnitz – Stollberg verkörpert
als Pilotprojekt die „Stufe 0“ des
Chemnitzer Modells: Erstmals realisierten
die beteiligten Partner dabei eine
schnelle und bequeme Schienenanbindung
des Umlands – von Stollberg über
Pfaffenhain und Neukirchen-Klaffenbach
– an die Chemnitzer Innenstadt.
Ziel ist seither, ein nachhaltiges Verkehrskonzept
für den Großraum Chemnitz
zu verwirklichen. Insgesamt sollten
dafür nach ursprünglichen Planungen
etwa 264 Millionen Euro Investitionen
fließen. Das „Zielnetz 2020“ würde bei
kompletter Einbindung aller Teilabschnitte
des Chemnitzer Modells bis zu
226 Kilometer Eisenbahn- und Straßenbahngleise
umfassen. Das Vorhaben ist
dabei in fünf Stufen gegliedert – Stufe 1:
Einfahrt in den Chemnitzer Hauptbahnhof;
Stufe 2: Ausbau nach Thalheim;
Stufe 3: Ausbau nach Niederwiesa; Stufe
4: Ausbau nach Limbach-Oberfrohna
sowie die Verlängerung Stollberg –
Oelsnitz (Stufe 5).
Infrastruktur für
Stufe 1 vorbereitet
Die am 16. Juni eröffneten Anlagen bilden
die Voraussetzung für die „Stufe
1“ des Chemnitzer Modells. Sie umfassen
die Neugestaltung des Hauptbahnhofes
mit Verknüpfung von Straßenbahn-
und Eisenbahnnetz. Für diese
erste Stufe veranschlagte der projektierende
Verkehrsverbund Mittelsachsen
(VMS) Planungs- und Baukosten
von 32,5 Millionen Euro, die sich wesentlich
aus Mitteln des Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)
speisen. Mit dem 2011 begonnenen
Umbau und der Öffnung der Bahnsteighalle
und des Querbahnsteiggebäudes
sind die wichtigsten Voraussetzungen
geschaffen, um Züge aus
Mittweida, Burgstädt oder Hainichen
auf Straßenbahngleisen weiter zur
Zentralhaltestelle und darüber hinaus
zu führen. Von der Hallenwand entlang
der Georgstraße blieb im Zuge der Arbeiten
nur die tragende Konstruktion
stehen, die zwischenzeitlich eine neue
Verkleidung erhielt. Im Laufe der Umgestaltung
entfernten die Arbeiter die
westlichen Hallenbahnsteige 1 bis 4
komplett und verfüllten den Gepäckund
Posttunnel. Das Terrain für die
neuen „Straßenbahnsteige“ ist gegenüber
den Bahnsteigen der Eisenbahn
um etwa 2,5 Meter abgesenkt. Neu
entstand eine Stützmauer neben dem
Gleis am Bahnsteig 5. Diese Stützmauer
markiert innerhalb der Bahnhofshalle
zugleich die Grenze zwischen dem
Gleisbereich der DB AG im östlichen
Hallenteil und den auf westlicher Seite
tiefer liegenden Bahnsteigen, die für
das Chemnitzer Modell benötigt werden.
Der Bahnsteig 5 blieb an seiner
alten Stelle, von hier fahren die Züge in
Richtung Leipzig ab.
Hybridfahrzeuge vor
der Auslieferung
Die für die betriebliche Umsetzung der
„Stufe 1“ nötigen acht Zweisystem-
8
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Deutschland
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
und der Hersteller Stadler Pankow
GmbH präsentierten im Juni die Rohbauten
der neuen Berliner U-Bahn-
Wagen des Typs IK. Stadler fertigt
zunächst zwei neue U-Bahn-Prototypzüge
für das Kleinprofilnetz (Linien U1
bis U4) der BVG. Sie sollen 2015 in
den Linieneinsatz gehen. Nach erfolgreichem
Testbetrieb besteht eine Option
auf Serienherstellung für bis zu 34
weitere Fahrzeuge. Die Unternehmen
versprechen ein modernes Fahrgastinformationssystem
und helles, freundlifahrzeuge
– mit Option auf zwei weitere
Wagen – des Typs „CityLink“ von
Vossloh werden nach einer entsprechenden
Ausschreibung vom Sommer
2012 für Ende 2014 bis Anfang 2015
erwartet. Bis zum ersten Linieneinsatz,
der momentan ab Fahrplanwechsel
im Dezember 2015 zunächst
auf den Strecken nach Mittweida,
Burgstädt und Hainichen geplant ist,
sind noch umfangreiche Probe- und
Zulassungsfahrten zu absolvieren. Die
dreiteiligen Fahrzeuge zum Stückpreis
von über drei Millionen Euro werden
etwa 37 Meter lang und 2,65 Meter
breit sein. Sie sollen über 94 Sitzplätze
und Luftfederung für hohen Fahrkomfort
verfügen und mindestens
100 Kilometer pro Stunde erreichen.
Die Traktionsleistung auf den Eisenbahnabschnitten
wird ein Dieselaggregat
übernehmen.
Linienänderung
im CVAG-Netz
Die seit 16. Juni mögliche Durchfahrt
durch den Hauptbahnhof zog Veränderungen
im Liniennetz der Stadt nach
sich: Die Linien 4 und 6 sowie die City-
Bahn-Linie 522 steuern den Bahnhof
nun direkt an. Während die Linie 4 die
Wendefahrt über Straße der Nationen
– Hauptbahnhof – Carolastraße im
Uhrzeigersinn absolviert, befahren die
sich im Takt ergänzenden Linien 6 und
522 die Hauptbahnhofschleife in entgegengesetzter
Richtung. Die Linien 1
und 2 sind seit 16. Juni wieder mit -
einander verknüpft: Bahnen der Linie 1,
die aus Schönau kommen, fahren über
Zentralhaltestelle zur Brückenstraße
und weiter als Linie 2 – erneut über
Zentralhaltestelle – nach Bernsdorf,
ebenso in der Gegenrichtung. Zuvor
endeten ab 8. Mai die Straßenbahnlinien
2, 6 und die City-Bahn-Linie 522
übergangsweise am Bahnhofsvorplatz,
nachdem bereits ab Februar 2013 von
der Nordseite kommend Bahnen in die
Bahnhofshalle rollten und dort stumpf
wendeten.
Zur feierlichen Freigabe der Bahnhofs-Durchfahrt
am 16. Juni fuhren
nach den obligatorischen Ansprachen
je eine Variobahn der CVAG und der
City-Bahn parallel aus der Bahnhofshalle
vorbei an Ehrengästen und
Schaulustigen hinaus auf die Bahnhofstraße.
Berlin
U-Bahn-Wagen IK
in Endmontage
MSP
Im Chemnitzer Hauptbahnhof steht am 17. Juni Variobahn 411 der City-
Bahn zur Abfahrt nach Stollberg bereit
PETER KALBE
Auch die historischen Straßenbahnfahrzeuge können jetzt den Hauptbahnhof
von Chemnitz erobern, so im Rahmen des Kappler Straßenbahnfestes
hier Triebwagen 801 bei einer Rundfahrt am 21. Juni STEFFEN KUSS
ches Design. Die Luftfederung wirkt
sich positiv auf die Laufruhe der Fahrzeuge
aus. Durch die sogenannte
Bombierung verbreitert sich der Innenraum
um etwa zehn Zentimeter. Das
ermöglicht eine komfortablere Anordnung
der Sitze und Mehrzweckabteile.
Auch der Fahrerarbeitsplatz zeichnet
sich durch besonderen Komfort aus: Er
ist so gestaltet, dass der Fahrer sowohl
im Sitzen als auch im Stehen arbeiten
kann. Die Fahrerkabine ist darüber
hinaus dunkel gestaltet, um ein
mögliches Blenden der Fahrer entgegenkommender
Züge zu verringern.
Die jeweils vierteiligen Züge sind
für bis zu 330 Fahrgäste dimensioniert,
sie sollen über etwa 80 Sitzplätze
in Längsbestuhlung sowie über 250
Stehplätze verfügen. In den kommenden
Wochen werden in Reinickendorf
die Rohbauten für den zweiten Zug
hergestellt. Die einzelnen Zugbestandteile
kommen nach Fertigstellung zur
Endmontage ins Stadler-Werk Hohenschönhausen.
PM
Hamburg
S-Bahn zeigt
neues Fahrzeug
Am 16. Juni präsentierte die S-
Bahn Hamburg GmbH gemeinsam mit
dem Hersteller Bombardier Transportation
der Presse ein Modell der zukünftigen
Elektrotriebwagen der Baureihe
490 in Originalgröße. Es zeigt die
Stirnfront, welche die neueste Sicherheitsnorm
erfüllt, sowie die geplante
Ausstattung des Innenraums. Im durchgehend
begehbaren Zug sind Klimatisierung
und ein modernes Fahrgastinformationssystem
vorgesehen. Ab 2016
testet die S-Bahn zunächst acht Prototypen,
von denen vier Einheiten als
Bielefeld
Der Nahverkehrsbetreiber mo-
Biel bedauert die Entscheidung
der Bürger gegen die Stadtbahnverlängerung
nach Heepen. Mit
53,4 Prozent Nein-Stimmen
zeigte der Bürgerentscheid am
25. Mai ein knappes Votum gegen
eine Neubaustrecke Sennestadt
– Heepen. Ungeachtet dessen
plant moBiel drei andere
Netzerweiterungen, konkret die
der Linie 4 vom Lohmannshof zur
Schloßhofstraße und die der Linie
3 von Stieghorst nach Hillegossen.
Weiterhin beginnen voraussichtlich
im Herbst die Bauarbeiten
zur Verlängerung der Linie 2
nach Altenhagen.
MSP
Heidelberg
Am 23. Juni erteilte das
Regierungspräsidium Karlsruhe
den Planfeststellungsbeschluss
für die 2,5 Kilometer lange Straßenbahn
ins Neuenheimer Feld.
Sie ist Herzstück des „Heidelberger
Mobilitätsnetzes“, mit dem
die Heidelberger Straßen- und
Bergbahn AG (HSB) ihr Straßenbahnnetz
umfassend ausbaut.
Die HSB investiert mit Förderung
durch Bund und Land etwa 37,5
Millionen Euro in das Projekt
Neuenheimer Feld. Voraussichtlich
im Frühjahr 2015 kann der
Bau beginnen. Entlang der neuen
Strecke sind fünf Haltestellen
geplant.
MSP
Bremen
Die Bremer Straßenbahn Aktiengesellschaft
(BSAG) hat ihre
Strecke über die Stadtgrenze
hinaus nach Lilienthal und Falkenberg
fertiggestellt. Die Kosten
des Projekts summieren sich
auf voraussichtlich 64,1 Millionen
Euro und sind damit um
7,75 Millionen Euro teuer als ursprünglich
veranschlagt. Schleifwagen
3985 befuhr am 24. Juni
nach dreijähriger Bauzeit als
erstes Schienenfahrzeug die
neue Gleisanlage. Ab Anfang Juli
finden Personalschulungen mit
Leerfahrten statt. Am 1. August
wird die neue Strecke von Borgfeld
nach Falkenberg offiziell eröffnet.
MSP
rz gemeldet kurz gemeldet kurz gemeldet kurz gemeldet kurz gemeldet kurz gemeldet kurz gemeldet
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
9
Aktuell
Berlin: Vom 12. Mai bis 14. Juni erneuerte die BVG die Gleise zwischen Pankow Kirche und Französisch Buchholz/
Guyotstraße. Die Linie 50 fuhr deshalb nur zwischen Virchow-Klinikum und Pankow Kirche, zwischen Pankow S/U und
Guyotstraße verkehrte Schienenersatzverkehr. Kurz nach Pankow Kirche entstand mittels Kletterweiche eine provisorische
Endstelle, auf Linie 50 setzte die BVG Zweirichtungswagen ein, hier F6Z 4034 am 13. Mai
ERNST PLEFKA
Zweisystemzüge für einen Betrieb
auch unter 15-Kilovolt-Vollbahn-Fahrleitung
ausgeführt sind. Die Zweisystemversion
ist für eine Höchstgeschwindigkeit
von 140 Kilometer pro
Stunde ausgelegt, die reinen Gleichstromzüge
sollen hingegen maximal
100 Kilometer pro Stunde erreichen.
Bis Ende 2018 verstärken zunächst 60
Züge den vorhandenen Fahrzeugpark
und lösen die Wagen der Baureihen
472/473 ab. JEP
Magdeburg
Straßenbahn wieder
bis Barleber See
Am 8. Juni 2013 stellten die Magdeburger
Verkehrsbetriebe (MVB)
hochwasserbedingt den Straßenbahnverkehr
zum Barleber See ein. Seitdem
fuhr die Straßenbahn nur bis zur Zwischenschleife
Neue Neustadt. Ab
28. Oktober 2013 durften Fahrgäste
bei Ein- und Ausrückfahrten zum und
vom Betriebshof Nord bis und ab Haltestelle
Schule Rothensee mitfahren.
Am 23. Dezember 2013 nahmen die
MVB einen eingeschränkten Betrieb
bis zum Depot Nord auf, im 10-Minuten-Takt
fuhr jede zweite Bahn weiterhin
nur bis Neue Neustadt. Am Betriebshof
wendeten die Wagen über
das Gleisdreieck, eine Weiterfahrt zur
etwa 200 Meter entfernten Zwischenschleife
Rothen see war nicht möglich,
da das Gleis dort auf mehreren Metern
unterspült worden ist.
In den zurückliegenden Wochen
erledigten die MVB die nötigen Stopfund
Richtarbeiten an den Gleisan lagen.
Seit 2. Juni Betriebsbeginn können die
Wagen wieder auf der Gesamtstrecke
fahren, allerdings wegen noch immer
eingeschränkter Energieversorgung ab
Neue Neustadt nur alle 20 Minuten.
Für die 2015 angedachte Behebung
dieser Schäden sind schätzungsweise
über fünf Millionen Euro sowie eine
europaweite Ausschreibung nötig.
Positive Signale gibt es indes von
einer anderen Baustelle: Voraussichtlich
im Oktober beginnen die Arbeiten
für die Neubaustrecke, die entlang der
Wiener Straße eine neue Verbindung
zwischen den Bestandsstrecken entlang
der Halberstädter und Leipziger
Straße herstellt.
DP
Dresden
Hauptuntersuchung
für Tatra-Wagen
Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB)
feierten 2010 den Abschied von ihren
Tatras, doch sieht eine jüngst am 16. Juni
veröffentlichte Ausschreibung die erneute
Hauptuntersuchung (HU) für neun
modernisierte Wagen vor. Insgesamt sollen
vier T4D-MT und fünf TB4D (mit
Hilfsführerstand) mangels eigener Kapazitäten
bei einem externen Anbieter eine
8-Jahres-Inspektion gemäß BOStrab erhalten.
Bei diesen Fahrzeugen handelt
es sich laut Ausschreibung um Wagen,
deren letzte HU im Zeitraum 2001 bis
2007 erfolgte. Infrage kommen dementsprechend
die teils seit vielen Jahren abgestellten
T4D-MT 224 201, 249, 263,
267 und 277 sowie die teilweise aktuell
noch im Einsatz stehenden TB4D 244
033, 034, 046-048. Neben der eigentlichen
Inspektion gehören eine Grundinstandsetzung
aller Bauteile, Fahrzeuginbetriebnahme
und Transport der Wagen
zum Auftragsumfang. Die Ausschreibung
erfolgte europaweit, im Juli erwartet
die DVB Angebote interessierter
Unternehmen. Im Oktober ist die Zuschlagserteilung
geplant. Bereits zwischen
2010 und 2012 erhielten neun Tatras,
allerdings in eigener Werkstatt,
eine Hauptuntersuchung.
DTF
Köln
Serie K2400
im Liniendienst
Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB)
haben die ersten beiden Fahrzeuge
der neuen Stadtbahn-Serie K2400 am
13. Juni in den Liniendienst gestellt.
Die Wagen entstanden durch einen
umfassenden Umbau alter Fahrzeuge
der Serie K2100 von 1984/85. Die KVB
leistet die pro Doppelwagen etwa 1,7
Millionen Euro teure Sanierung weitgehend
in Eigenarbeit, was zugleich
den Erhalt von Arbeitsplätzen und
Know-how in der KVB-Hauptwerkstatt
fördert. Vossloh Kiepe unterstützt als
Partner die Revitalisierung der elektronischen
Ausrüstung. Die Stadt fördert
Hamburg: Die Kopfform der ab dem Jahr 2016 zu liefernden S-Bahn-Wagen
verdeutlicht dieses Modell in Originalgröße
JENS PERBANDT
Magdeburg: Niederflurwagen 1355 konnte als einer der ersten Züge am
2. Juni wieder bis Barleber See durchfahren DITMAR PAUKE
10
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Deutschland
Dresden: Für neun Tatras, darunter 224 201, planen die Verkehrsbetriebe
einen weiteren Instandhaltungszyklus
MICHAEL SPERL
Stuttgart: ZTw 104 hat seinen Standplatz in der Straßenbahnwelt verlassen
und wird auf den Tieflader gezogen
JÜRGEN DAUR
die Investition der KVB mit bis zu 1,3
Millionen Euro je Einheit. Bis 2017 erhalten
im Rahmen des Umbauprogramms
alle 28 Fahrzeuge der Serie
2100 eine Verjüngungskur und sind
damit weitere 25 bis 30 Jahre fit für
den Liniendienst.
Verändert wird der Fahrgastraum
mit mehr Platz für Rollstühle und Kinderwagen,
neuen barrierearmen
Klapptrittstufen sowie Klimatisierung.
Von den ursprünglich zwei Fahrerkabinen
pro Einheit entfällt eine, was dank
Einsatz in Doppeltraktion betrieblich
aber unproblematisch ist. Der Fahrerarbeitsplatz
wird ergonomischer gestaltet
und den anderen Stadtbahn-Serien
angepasst. Nach umfangreichem Vergleich
zwischen den Optionen Sanierung
oder Neubeschaffung entschied
sich die KVB 2008 für den Weg der Sanierung.
Hierbei war von entscheidender
Bedeutung, dass sich die Qualität
der alten Fahrzeuge, vor allem des
Stahls der Wagenkästen, als ausgesprochen
gut erwiesen hatte. Auch die
Drehgestelle erwiesen sich in intensiven
Tests als so stabil, dass sie nach
Grundüberholung langfristig weiter
verwendbar sind.
PM/MSP
Stuttgart
Kurze Reise –
großer Aufwand
Als eine der vorerst letzten baulichen
Maßnahmen erhält das historische
SSB-Depot Bad Cannstatt seit Juni
sukzessive neue Toranlagen. Dies gilt
auch für die Ausstellungshalle der Straßenbahnwelt,
bei der als Konzession an
die Statik allerdings nur die mittig gelegenen
Gleise Tore erhalten. Der bisher
ganz am Rand platzierte Zahnradbahnzug
aus Triebwagen 104 (Esslingen,
1950) und den Vorstellwagen 118 und
120 (Esslingen, 1898 bzw. 1900) lief somit
Gefahr, „auf ewig“ eingemauert zu
werden. Dies gab den Anstoß, die ohnehin
nicht optimal dargebotenen Fahrzeuge
aus der Schausammlung zu entfernen
und bis auf weiteres in der
benachbarten oberen Wagenhalle zu
hinterstellen. Aufgrund der tief sitzenden
Antriebs- bzw. Bremszahnräder sowie
weiterer Besonderheiten konnte die
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STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
11
Aktuell
Essen: Der nach Unwettern auf der Linie 106 auf der Martin-Luther-Straße
in Essen West „gestrandete“ N8C Nr. 1108
WERNER WÖLKE
Nordrhein-Westfalen
„Ela“-Unwetterschäden
Wegen Sturmschäden stellten mehrere Straßenbahn- und Stadtbahn-
Betriebe am Pfingstmontagabend (9. Juni) bzw. am Folgetag ihren Verkehr für
teils mehrere Tage vorübergehend ein. Aufgrund umgestürzter Bäume auf den
Straßen, Oberleitungsschäden und vereinzelten Stromausfällen konnten viele
oberirdische Linien nicht mehr fahren. Auch gab es zahlreiche Schäden an Haltestellen-
und Signalanlagen. Allein im Bereich der Stadt Essen richtete das
Tiefdruckgebiet „Ela“ Schäden in Höhe von mehr als 63 Millionen Euro an.
Die EVAG bot ab 15. Juni wieder den kompletten Verkehr auf Essener Stadtgebiet
an. In Mülheim betrafen Oberleitungsschäden alle Straßenbahnlinien sowie
die Stadtbahnlinie U18. Auf der Strecke befindliche Züge erlitten bei mehreren
Betrieben Schäden durch herabstürzende Äste. In Duisburg betrafen die
Unwetterfolgen die Linie 901 sowie die U79, die nicht bis Düsseldorf fahren
konnte. Die Rheinbahn rechnet damit, dass die komplette Schadensbehebung
noch länger andauern wird. Am 11. Juni fuhr zunächst eine provisorische
„Ringlinie“ in der Düsseldorfer Innenstadt, ab 18. Juni lief der Verkehr bei der
Rheinbahn wieder planmäßig. Die EVAG und MVG starteten spontan eine Aktion
„Freie Fahrt für freiwillige Helfer“ am Wochenende 14./15. Juni. PM/MSP
Vossloh: Am 12. Juni wurde der Citylink 327 der VBK im Klima-Wind- Kanal
in Wien unter winterlichen Bedingungen gestestet ROBERT SCHREMPF
„Zacke“ oder „Zacketse“ – wie die
Stuttgarter ihre Zahnradbahn nennen –
nicht auf eigener Achse, sondern nur
mit Hilfe eines Spezialtiefladers umziehen.
In einer ganztägigen Aktion am
15. Mai rollten die Fahrzeuge Stück für
Stück aus der Ausstellungshalle auf die
Ladebrücke eines Lkw, um dann nach
750 Meter Fahrt in der oberen Halle
wieder auf Schienen zu stehen. Weil
dies kurzzeitige Straßensperren erforderte,
musste neben einem Sicherungsfahrzeug
bei jeder Fahrt auch die Polizei
hinzugezogen werden.
JDA
Darmstadt
Hitzeprobleme
bei der Tram
Am 12. Juni stellte HEAG mobilo
den Betrieb auf der Linie 1 (Eberstadt
– Hauptbahnhof) ein. Die extreme Hitze
beeinträchtigte die Elektronik der
Straßenbahnen und führt zu erhöhtem
Wartungsaufwand in den Werkstätten.
Parallel dazu traten an den älteren
Hochflurfahrzeugen technische Probleme
bei der Antriebssteuerung auf,
die HEAG mobilo in Zusammenarbeit
mit dem Hersteller behebt, was voraussichtlich
einige Wochen in Anspruch
nimmt. Bis diese Arbeiten vollendet
sind, entfällt der Betrieb auf der Linie
1. Ausgenommen sind davon nur wenige
Frühfahrten ab der Haltestelle
Frankenstein und vier Einrückfahrten
am Abend retour. „Mit dieser Maßnahme
können wir trotz der geringeren
Fahrzeugverfügbarkeit alle übrigen
Linien verlässlich bedienen“, erklärte
die Pressesprecherin der HEAG mobilo.
Die HEAG mobilo bittet die Fahrgäste
für die damit verbundenen Beeinträchtigungen
um Verständnis. PM
Wuppertal
Schwebebahnausbau
mit Nacharbeiten
Obwohl ein Festakt am 4. April
2014 den vor 19 Jahren begonnenen
Ausbau der Schwebebahn offiziell abgeschlossen
hatte, ruhte der Betrieb
am Wochenende 14./15. Juni erneut:
In der Betriebspause während der
nordrhein-westfälischen Osterferien
waren die Arbeiten in der Wagenhalle
Oberbarmen nicht fertiggestellt worden.
Die notwendigen Nacharbeiten
waren ursprünglich während des regulären
Schwebebahnbetriebs sowie
vor allem nachts vorgesehen. Verursacht
durch Stromausfälle im Bereich
der neuen Kehre in Oberbarmen stand
der Betrieb am 8. Mai für rund 20 und
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am 9. Mai für 90 Minuten still. Um
ähnliche Vorkommnisse auszuschließen,
legte die Betriebsleitung fest, alle
Restarbeiten gebündelt am genannten
Wochenende auszuführen.
Ab 1995 ließen die Stadtwerke Wuppertal
GmbH (WSW) das Gerüst der
Schwebebahn, beide Wagenhallen sowie
die Haltestellen der Wuppertaler
Schwebebahn (ausgenommen die drei
Stationen Hauptbahnhof, Ohligsmühle
und Alter Markt) erneuern. Dazu investierten
sie 512 Millionen Euro. Als Letztes
haben die WSW in Oberbarmen eine
neue Wagenhalle bauen lassen. Im kommenden
Jahr soll der Fahrplan im Berufsverkehr
auf einen Zwei-Minuten-
Takt verdichtet und der Wagenpark
durch Neubaufahrzeuge ersetzt werden,
womit die Runderneuerung der Schwebebahn
abgeschlossen sein wird. PKR
Industrie
Vossloh
Erster Citylink
in Karlsruhe
Der erste von insgesamt 25 bestellten
Niederflur-Stadtbahnen NET 2012
aus der Citylink-Familie von Vossloh traf
Ende Mai in zwei Teilen bei den Verkehrsbetrieben
Karlsruhe (VBK) ein. Der
NET 2012 ist 37,20 Meter lang und 2,65
Meter breit, niederflurig, klimatisiert und
erreicht eine Fahrgastkapazität von 224
Personen. Im September sollen die ersten
sieben NET 2012 in den Linieneinsatz
kommen. Für Ende des Jahres ist
auch eine Eisenbahnzulassung für einen
möglichen Einsatz auf den AVG-Strecken
der S1 und S11 vorgesehen.
Nach einer europaweiten Ausschreibung
haben die VBK zusammen mit der
Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) im
Oktober 2011 die Wagen für rund 75
Millionen Euro bestellt. Vossloh baut die
12
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Industrie · Weltweit
Fahrzeuge im ostspanischen Valencia.
Durch einen Zwei-Schicht- Betrieb will
Vossloh zusammen mit VBK/AVG bis August
die Zulassung nach der Bau- und
Betriebsordnung für Straßenbahnen
(BOStrab) erreichen. Mitte Juni 2014
weilte der zweite von Vossloh gefertigte
Karlsruher Citylink im Klima-Wind-Kanal
in Wien. In der Anlage simulierten die
Techniker Wettereinflüsse am Triebwagen
327, die Verfügbarkeit und Sicherheit
von Komponenten unter realistischen
Betriebsbedingungen zwischen
-20 und +40 Grad Celsius im Zusammenspiel
mit Fahrtwind- und Fahrzyklussimulationen.
Mit der fortlaufenden
Auslieferung stehen dann genügend
Niederflurfahrzeuge zur Verfügung, um
die modernisierte Strecke im Stadtteil
Rintheim bis zum Jahresende barrierefrei
in Betrieb nehmen zu können. Die
dort in Form der hochflurigen GT8 noch
teilweise eingesetzte „Holzklasse“ schicken
die VBK mit Wiedereröffnung des
Streckenabschnitts voraussichtlich in
den Ruhestand/Reservedienst. MSP/ROS
Bombardier/Vossloh
Zweite Flexity-Serie
für Krefeld
Bombardier Transportation und Vossloh-Kiepe
begannen mit der Auslieferung
von zwölf weiteren niederflurigen
Flexity Outlook (FOC) – Serie 660 bis
671 – an die Stadtwerke Krefeld (SWK).
Das erste Fahrzeug erreichte Krefeld am
23. Mai. Im Gegensatz zur Erstserie erfolgt
die Endmontage nicht mehr im
Werk Aachen, sondern in Wien. Die
Überführung nach Krefeld geschieht auf
dem Schienenweg mittels Spezialtrans-
Wuppertal: Der Abschluss der vor 19 Jahren begonnenen Erneuerung
der Schwebebahn (im Bild die Haltestelle Pestalozzistraße)
verzögerte sich bis Mitte Juni
PHILLIP KRAMMER
portwagen. Ab Ende 2014 verfügen die
SWK nach Abschluss der Lieferung über
31 Flexity Outlook. Für Verstärkerfahrten
zu Stoßzeiten beabsichtigen die SWK,
fünf bis sechs hochflurige M8C-Triebwagen
zu erhalten. Die übrigen M8C werden
durch die aktuelle FOC-Auslieferung
sukzessive abgelöst. In Umbau befinden
sich zurzeit die Flexity Outlook der Erstserie
601 bis 619, in deren äußeren Wagenmodulen
ersetzt SWK die sieben nebeneinander
angeordneten Längssitze
durch drei Quersitze. Die Sitzplatzanzahl
sinkt damit von 52 auf 46, die Zahl der
Stehplätze steigt von 106 auf 111. ROS
Siemens/Astra
Sechs Imperio-Trieb -
wagen für Arad bestellt
Ende August 2011 stellten der Verkehrsbetrieb
und die Stadtverwaltung
in Arad gemeinsam den ersten niederflurigen
Triebwagen vom Typ „Impe-
Bombardier: Die Überführungsfahrt des ersten Krefelder Flexity Outlook der
zweiten Lieferserie legte am 21. Mai in Linz einen Stopp ein ROBERT SCHREMPF
rio“ vor. Nun hat die Stadt Arad beschlossen,
Triebwagen dieses Typs zu
beschaffen, die vom Konsortium aus
„Astra Vagoane Calatori“ und Siemens
in Arad gebaut werden. In Auftrag sind
sechs Fahrzeuge im Wert von 9,4 Millionen
Euro angegeben – finanziert
durch einen Kredit der Bank für Wiederaufbau
und Entwicklung. Astra sei, so
verlautete aus der Geschäftsleitung,
derzeit in der Lage, jährlich bis zu 36
solcher Triebwagen herzustellen. Auch
Wien: Als Ersatzverkehr für die
am 14./15. Juni baubedingt unterbrochene
U-Bahn-Linie U6 fungierte
die eigens eingerichtete Straßenbahnlinie
„E6“, die zwischen
der Jägerstraße und Floridsdorf
pendelte und in den Betriebsbahnhöfen
Brigittenau (Wexstraße) und
Floridsdorf (Peitlgasse) wendete.
Zum Einsatz kamen fünf lange Niederflurwagen
Typ B und als Besonderheit
auch eine der seit April in
Floridsdorf beheimateten E 2 + c 5 -
Garnituren. Mit den sechs Zügen
boten die Wiener Linien ein 7,5-Minuten-Intervall
an, das die ebenfalls
in dieser Relation verkehrende
Linie 31 (Schottenring – Stammersdorf)
noch halbierte. Mit Straßenbahnen
im 3- bis 4-Minuten-Takt
war das Fahrgastaufkommen gut
zu bewältigen. WOLFGANG KAISER
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
13
Aktuell
Edinburgh: Triebwagen 273 der neu eröffneten Straßenbahn vor dem
Edinburgh Castle. Insgesamt 27 dieser vom Unternehmen CAF in Spanien
gebauten Fahrzeuge stehen zur Verfügung
ANDREW THOMPSON
Prag: Am 3. Juni traf der 100. Wagen vom Skoda-Typ 15T ein. Am 8. Juni absolvierte
er Probefahrten, hier an der Modranska skola. Nach einem Sicherheitstest
wechselte er am 12. Juni in den Betriebsbestand ONDREJ MATEJ HRUBES
andere rumänische Betriebe wie Oradea
und Cluj haben bereits Interesse an
diesem Fahrzeugtyp bekundet. AMA
Ausland
Großbritannien: Edinburgh
Straßenbahn nimmt
Fahrgastbetrieb auf
Mit dreieinhalb Jahren Verspätung
und erheblichen Kostenüberschreitungen
nahm die schlüsselfertig von einem
Konsortium unter der Führung des Baukonzerns
Bilfinger erstellte Straßenbahn
in der schottischen Hauptstadt
Edinburgh am 31. Mai den Fahrgastbetrieb
auf. Die Stadtverwaltung und der
Betreiber Edinburgh Trams Limited
(ETL) verzichteten auf ein spektakuläres
Eröffnungsfest. Die rund 13,5 Kilometer
lange Strecke mit 15 Haltestellen
führt vom Stadtzentrum zum westlich
der Stadt gelegenen Flughafen. Speziell
für ihre Funktion als Flughafenzubringer
bieten die Wagen eine hohe Anzahl
an Gepäckfächern. Die erste Phase des
Projekts schloss ursprünglich eine Verlängerung
vom Stadtzentrum Richtung
Norden in den Stadtteil Leith am Hafen
ein. Doch aufgrund der ständig steigenden
Kosten, die für die schließlich verkürzte
Strecke 1,2 Milliarden Euro erreichten,
stellten die Planer diesen
Abschnitt 2011 zurück. Da hatte die
Auslieferung der 27 bei CAF bestellten,
42,5 Meter langen Niederflurbahnen
vom Typ Urbos 3 jedoch bereits begonnen.
Für die nun eröffnete Strecke sind
nur 17 Fahrzeuge nötig, womit ein erheblicher
Fahrzeugüberhang besteht.
Infolge der Kostensteigerungen ist die
schottische Regierung derzeit nicht gewillt,
weiter in den Ausbau der Tram zu
investieren. Während die Innenstadtstrecke
zwischen York Place und dem
Bahnhof Haymarket größtenteils straßenbündig
verläuft, ist der Westabschnitt
überwiegend stadtbahnmäßig
mit nur wenigen Bahnübergängen ausgebaut.
Auf einzelnen Abschnitten ist
eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometer
pro Stunde möglich. RSC
Slowakei: Bratislava
Neue Obusse in Betrieb
Obusse vom Škoda/SOR-Typ 30Tr in
Betrieb. Die 12,1 Meter langen Normalbusse
mit den Betriebsnummern
6001 bis 6015 verfügen über vier Einstiege
und bieten Platz für 28 sitzende
und 67 stehende Fahrgäste. Die
Wagen kommen vorerst ausschließlich
auf der Linie 204 zwischen Rádiová
und Valašská zum Einsatz.
In den kommenden Monaten geht
die Modernisierung des Fuhrparks zügig
weiter, denn der Verkehrsbetrieb
bestellte 2013/14 insgesamt 50 Normal
obusse vom Typ 30Tr und 70 Gelenkobusse
vom Typ 31Tr. Die neuen,
zu 85 Prozent von der EU finanzierten
Fahrzeuge können die 68 Altwagen
vom Typ 14Tr und die 40 Exemplare
Bauart 15Tr vollständig ablösen, zudem
erhöht der Verkehrsbetrieb den
Anteil an Gelenkwagen deutlich.
Auf dem rund 40 Kilometer langen
Obus-Netz verkehren derzeit 14 Linien
(33, 64, 201 bis 212), die sich im
Stadtzentrum oft mehrfach überlagern.
Gelenkwagen vom Typ 15Tr
sind nur auf den Linien 201, 202 und
208 anzutreffen, die ausgedehnte
Wohngebiete im Südosten der Stadt
bedienen. Bisher besaß der Verkehrs-
In der slowakischen Hauptstadt
Bratislava (Preßburg) sind seit 4. Juni
insgesamt 15 fabrikneue Niederflurbetrieb
sieben Niederflur-Obusse: Auf
der isolierten Linie 33 im Westen der
Stadt sind seit 2006 sechs Gelenkwagen
Škoda/Irisbus 25Tr im Einsatz und
im Stadtnetz ist seit 2003 ein Normalbus
vom Škoda-Typ 21TrAC vorhanden.
WK
Schweiz: Genf
Mehr Straßenbahnen
nach Carouge
Neun zusätzliche Haltestellen hat
die Straßenbahnlinie 18 seit Ende
Juni. Mit der Verlängerung verstärken
die Transports Publics Genevois
(TPG) die Bedienung der südwestlich
des Flusses Arve gelegenen Stadt
Carouge mit ihren 21.000 Einwohnern.
Weitere Verlängerungen sind
für die vier Straßenbahnlinien 12,
14, 15, 18 in Planung, um die Innenstadt
und die Vorstädte besser zu
bedienen. Besonderes Augenmerk
richten die Verkehrsplaner in Genf
auch auf die grenzüberschreitenden
Nahverkehrslinien, denn täglich gibt
es mehr als 80.000 Einpendler aus
Frankreich und dem Kanton Vaud.
Größtes Neubauvorhaben ist „Ceva“,
Linz: 3,6 Millionen Personen nutzten 2013 die neue Tramverbindung von
Leonding nach Linz, abgebildet am Harter Plateau. In zwei Etappen wird
die Linie 3 nun von Leonding nach Traun verlängert ROBERT SCHREMPF
Bratislava: 15 viertürige Obusse vom Škoda/SOR-Typ 30Tr verjüngen seit
Juni 2014 den Fahrzeugpark in der slowakischen Landeshauptstadt, weitere
85 Neue 30Tr/31Tr folgen in den nächsten Monaten WOLFGANG KAISER
14
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Weltweit
ein 16 Kilometer langes S-Bahn-ähnliches
Projekt, das Genf-Cornavin mit
Eaux-Vives und Annemasse verbinden
soll und künftig 225.000 Grenzgebietsbewohnern
den Weg nach
Genf erleichtert. 1,25 Milliarden Euro
stellen die Schweiz und der Kanton
Genf dafür zur Verfügung. VLC
Österreich: Linz
StadtRegioTram
nach Traun im Bau
Die Straßenbahnlinie 3 fährt seit
August 2011 vom Linzer Hauptbahnhof
weiter in das südwestlich gelegene
Wohn- und Gewerbegebiet der
Nachbarstadt Leonding. Seit Anfang
Mai 2014 ist eine zweite Ausbaustufe,
die 4,5 Kilometer lange Neubaustrecke
über die Gemeinde Pasching
in das Stadtzentrum von Traun, im
Bau. Die Inbetriebnahme erfolgt in
zwei Etappen: Ab November 2015
soll die Linie 3 zunächst von der bisherigen
Endstation „Doblerholz“
rund 2,7 Kilometer weiter zur „Traunerkreuzung“
führen, wo ein neuer
Nahverkehrsknoten entsteht. Mitte
2016 folgt der zweite Bauabschnitt,
die Weiterführung über den Hauptplatz
der Stadt Traun bis zum vorläufigen
Endpunkt „Schloss Traun“. Bauherr
ist das vom Land Oberösterreich
gegründete Eisenbahninfrastruktur-
Unternehmen „Schiene OÖ GmbH“.
Für den Betrieb besteht mit den Linz
AG Linien ein bis 2033 laufender Verkehrsdienstevertrag.
In Planung ist
die abermalige Verlängerung der
StadtRegioTram um rund 3,5 Kilometer
nach Haid-Ansfelden und Kremsdorf.
ROS
Portugal: Lissabon
Stadtrundfahrten
unter neuem Label
Die rot-weiß lackierten historischen
Wagen der Stadtrundfahrt-Linie
Colinas de Lisboa – Circuito Turistico
fahren seit Kurzem unter der Sightseeing-Ägide
„yellowbus“ mit dem
Label „carristur“. Von Juni bis September
geht es von 9.20 bis 19 Uhr
im 20-Minuten-Takt von der Praça de
Comércio auf dem Rundkurs über
den Linienweg der 25E nach Estrella
Basilica, weiter auf der 28E durch die
engen und steilen Gassen des Altstadtviertels
Alfama zum Endpunkt
Martim Moniz und von hier aus zurück
zum Ausgangspunkt auf einer
Teilstrecke der Linie 12E. Bei hohem
Andrang beispielsweise durch Kreuz-
fahrtschiffe kommen weitere Wagen
aus dem Depot hinzu und verdichten
den Takt. Die Companhia Carris de
Ferro de Lisboa reagiert damit auf die
steigende Bekanntheit und Beliebtheit
der Tram in Lissabon bei Touristen
und die Überfüllung der Stammlinie
28E. Die Abschnitte Praça de
Comércio – Estrella Basilica und Martim
Moniz – Praça de Comércio werden
hierbei mit dem Einholmstromabnehmer
befahren, während auf
dem Streckenabschnitt entlang der
28E zwischen Estrella Basilica und
Martim Moniz wegen ins Lichtraumprofil
ragenden Hausecken stets der
Stangenstromabnehmer mit Kontaktrolle
Verwendung findet.
CT
USA: Minneapolis/St. Paul
Green Line eröffnet
Am 14. Juni ging im Großraum
Minneapolis/St. Paul im US-Bundesstaat
Minnesota die 17,6 Kilometer
lange Green Line in Betrieb. Hauptbestandteil
ist ein 15 Kilometer langer
Neubauabschnitt mit 18 Haltestellen;
die Linie verbindet die
Zentren der Twin Cities und ergänzt
die bereits 2004 eröffnete Hiawatha
Line (Länge 19,7 Kilometer), die der
Verkehrsbetrieb MetroTransit nun als
Blue Line bezeichnet. Die ersten 2,6
Kilometer durch das Zentrum von
Minneapolis legen die beiden Stadtbahnlinien
auf einer gemeinsamen
Trasse zurück.
Während die Blue Line danach in
Richtung Flughafen nach Süden weiterfährt,
zweigt die Green Line nach
Osten ab und bedient die University
of Minnesota mit mehreren Haltestellen.
Die Strecke überquert dabei
den Mississippi auf dem Unterdeck
der Washington Avenue Bridge, wo
zwei der bisher vier Autofahrspuren
der Stadtbahn gewichen sind. Die
Fahrt endet am östlichen Rand der
Innenstadt von St. Paul am kürzlich
wiedereröffneten Fernbahnhof Union
Depot. Die Stadtbahnen verkehren
ganztags alle zehn Minuten und
brauchen für die Gesamtstrecke 48
Minuten. Für den Betrieb auf der
Green Line hatte MetroTransit bei
Siemens in Sacramento (Kalifornien)
47 Fahrzeuge des Typs S70, der bereits
in zahlreichen nordamerikanischen
Städten im Einsatz ist, bestellt.
Weitere zwölf Wagen lieferte Siemens
als Ergänzung für die Blue Line,
die bisher ausschließlich mit 27 Flexity
Swift-Stadtbahnwagen von Bombardier
verkehrte.
RSC
Lissabon: Der Tw 9 ist am 30. Mai auf der Stadtrundfahrtlinie in der Altstadt
unterwegs. Hier bleiben Stangenstromabnehmer Pflicht CLAUDIA TUGEMANN
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STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
15
Betriebe
Zu den Historischen Fahrzeugen
der Plauener Straßenbahn
gehört Triebwagen 51
(MAN 1928), hier am 16. Juni
2013 vor dem Oberen Bahnhof.
Ihm folgt der inzwischen
verkaufte Tw 234. Gegenwärtig
unterhält die PSB noch
21 modernisierte KT4D
RONNY DAUER
Vogtlandperle
120 Jahre Straßenbahn in Plauen Sie gehört zu den liebevoll geführten Kleinbetrieben in
Deutschland – und die Plauener dürfen auf ihre im November 1894 eröffnete Straßenbahn zu
Recht stolz sein. Da stellt sich die Frage, wie würdigen sie deren 120. Jubiläum in diesem Jahr?
Zu den Städten im Deutschen Kaiserreich,
in denen vor 120 Jahren die
erste elektrische Straßenbahn gefahren
ist, zählt neben Bochum/Herne,
Dortmund, Erfurt, Gotha, Hamburg, Lübeck,
Mülhausen im Elsass, Straßburg,
Wuppertal und Zwickau auch die im Südwesten
von Sachsen gelegene Stadt Plauen
im Vogtland.
Ende des 19. Jahrhunderts setzte in dieser
an traditionellen Handelsstraßen gelegenen
Stadt einen ungeahntes industrielles Wachstum
ein. Doch sowohl der Bahnhof der 1851
eröffneten Sächsisch-Bayerischen Staatseisenbahn
von Leipzig nach Hof als auch der
Bahnhof der 1875 eröffneten Elstertalbahn
lagen in dieser Zeit noch außerhalb der Stadt.
Um vom Stadtzentrum zur ab 1875 „Plauen
oberer Bahnhof“ genannten Station der
Eisenbahnstrecke nach Bayern bzw. Leipzig/Chemnitz
zu kommen, war ein Anstieg zu
16 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Plauen
An der Syrabrücke, später nur „Tunnel“ genannt, herrscht seit Inbetriebnahme der Linie in Richtung
Neundorf (1899) immer Hochbetrieb, hier die zentralen Umsteigestelle vor dem Ersten Weltkrieg
Der im Jahr 1928 von MAN gebaute werkneue Triebwagen 56: Er trägt den vom 23. April 1921
bis Ende 1950 gültigen Eigentumsnamen „Sächsische Elektrizitäts-Straßenbahn-Aktiengesellschaft“
(SESAG). Dieser Tw schied 1969 aus dem Liniendienst aus SLG. AXEL REUTHER (2)
meistern – zum „Unteren Bahnhof“ an der
Eisenbahnstrecke Gera – Weischlitz galt es
hingegen, ins Elstertal hinabzulaufen. Da sich
sowohl in diesem Bereich als auch oberhalb
des Stadtzentrums nach der Reichseinigung
zahlreiche Unternehmen ansiedelten, erschien
der Bau und Betrieb einer Straßenbahn eine
gewinnversprechende Investition zu sein. Die
Lohnkutscher und seit 1862 zu Fuß arbeitenden
Packträger reichten für das Beförderungs-
und Transportbedürfnis nicht aus. Daraufhin
vereinbarte die Stadtverwaltung im
Oktober 1885 mit einem Leipziger Unternehmer
den Bau einer Straßenbahn zwischen
dem Unteren und Oberen Bahnhof. Der Vertrag
hätte anschließend einen Betrieb mit
Pferden, mit einer „vollständig rauch- und
rußfreien Locomotive bzw. Locomotivwagens“
oder aber mit einem in einer Röhre unterirdisch
geführten Drahtseil erlaubt. Doch
das Projekt verlief im Sande – womöglich
überforderten alle drei Varianten die finanziellen
Möglichkeiten des Leipzigers?
Die AEG hält Wort
Da der Bedarf an einer Straßenbahn in Plauen
von Jahr zu Jahr wuchs, schloss die Stadtverwaltung
am 29. Mai 1893 mit der Allgemeinen
Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG)
einen Vertrag zum Bau einer elektrischen
Straßenbahn. Vom Betrieb einer Pferdebahn
hatte man zu diesem Zeitpunkt vermutlich
einerseits aufgrund der beschriebenen Steigungen,
andererseits aber wohl aufgrund der
positiven Erfahrungen mit elektrischen Straßenbahnen
im In- und Ausland längst Abstand
genommen. Der Bau der gemäß Vertrag
meterspurigen Gleisanlagen begann am
27. März 1894, parallel entstanden eine Wagenhalle
an der Erholungsstraße (heute ein
Teil der Theaterstraße) sowie die „Kraftstation“.
Im Juli 1894 trafen neun von der Firma
P. Herbrand & Co. in Köln-Ehrenfeld
gebaute zweiachsige Triebwagen auf dem
Daten & Fakten:
Straßenbahn Plauen
Anschrift:
Straßenbahn Plauen GmbH
Wiesenstraße 24, 08527 Plauen
www.strassenbahn-plauen.de
Telefon: 03 74 1/29 94-0
Spurweite: . . . . . . . . . . . . . . . . 1.000 Millimeter
Eröffnung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.11.1894
Aktuelle Streckenlänge: . . . . . . . 16,2 Kilometer
Anzahl Linien:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Fahrzeuge: . . . . . . . . . . 21 KT4D (modernisiert),
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Flexity Classic Plauen
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
17
Betriebe
Umsteigestelle Tunnel 1947: Die Folgen der nur wenige Jahre zurückliegenden Bombenangriffe sind
noch unübersehbar. Polygone Glasreste und Pappen bilden die Fenster der Triebwagen
„Wir üben Solidarität ...“ prangt am Haltestellengebäude des Tunnels, der
in der DDR-Zeit den Namen Otto-Grotewohl-Platz trägt. Hinter dem hier
am 5. Mai 1973 fotografierten Tw 52 steht der Nonnenturm PETER DÖNGES
Auf diesem um 1939 gedruckten Schülerfahrschein der Straßenbahn ist
auch eine vom Tunnel nach Chrieschwitz geplante Buslinie eingezeichnet.
Kriegsbedingt nahm sie ihren Betrieb nicht auf SLG. SIGURD HILKENBACH
Unteren Bahnhof ein. Mit Pferden ins Depot
an der Erholungsstraße gezogen, begann der
Einbau der AEG-Motoren.
Mit der Betriebsführung beauftragte die
AEG eines ihrer Tochterunternehmen – die
Allgemeinen Local- und Straßenbahngesellschaft
mit Sitz in Berlin. Am 17. November
1894 eröffnete diese die erste Teilstrecke
der Plauener Straßenbahn – sie
führte vom Oberen Bahnhof zum Neustadtplatz.
Knapp drei Wochen danach
ging der eingleisig ausgeführte Abschnitt
zum Unteren Bahnhof in Betrieb.
Die ersten Betriebsjahre
Nach wenigen Betriebsmonaten verkaufte
die Allgemeinen Local- und Straßenbahngesellschaft
den 3,3 Kilometer langen
Straßenbahnbetrieb
zum 28. Mai
1895 an die Sächsische
Straßenbahn-Gesellschaft (SSG), auf
deren Rechnung rückwirkend auch der Betrieb
ab 1. Januar 1895 stattfand.
Bis 1898 beeinträchtigen wiederholt Pflasterarbeiten
die Straßenbahn, da die AEG deren
Gleise in 1894 unbefestigte Straßen hatte
legen lassen. Parallel ließ die SSG bis August
1899 den Abschnitt vom Tunnel bis zum Neustadtplatz
zweigleisig ausbauen. Zwischen den
Jahren 1898 und 1903 stockte die SSG den
Wagenpark erstmals auf. Entsprachen die
1898 in Werdau gebauten Tw 10 und 11 noch
weitestgehend den 1884 gelieferten Zweiachsern,
so waren die 1899 von der Firma O. L.
Kummer & Co. in Niedersedlitz gelieferten
Tw 12 bis 15, die 1902 von der AG Elektrizitätswerke
(vorm. O. L. Kummer & Co.) gelieferten
Tw 16 bis 18 sowie die 1903 von der
Waggon- und Maschinenfabrik AG vorm.
Busch in Bautzen gelieferten Tw 19 und 20 auf
andersartigen Untergestellen aufgebaut. Ab
1905 stammten alle bis 1928 von der Plauener
Straßenbahn beschafften Triebwagen von
MAN aus Nürnberg. Beiwagen gab es die ersten
sechseinhalb Betriebsjahrzehnte in Plauen
nicht. Um die Jahrhundertwende entstand
eine zweite Strecke, sie zweigte von der Syrabrücke
(später in Tunnel umbenannt) in
Richtung Westen zur Gaststätte Grüner
Kranz ab. Diesen am 21. Oktober 1899 eröffneten
Abschnitt erweiterte die SSG am
1. Januar 1905 bis zur Kaserne in Neundorf.
Die 1894 eingeweihte Verbindungsstrecke
zwischen den beiden wichtigsten
Bahnhöfen Plauens ließ das Unternehmen
hingegen im Mai 1902 nach Norden bis zur
Parkstraße in Haselbrunn verlängern – sieben
Jahre danach weitere 500 Meter bis
Waldschlösschen.
Anfang Januar 1902 nahm die Straßenbahngesellschaft
an der Talbahnstraße eine
Wagenhalle in Betrieb, um den angewachsenen
Fahrzeugpark warten und nachts
geschützt abstellen zu können. Doch drei
Jahre später löste diesen „Motorwagen-
Schuppen“ ein am Unteren Bahnhof errichtetes
Depot ab. Fasste dieses anfangs auf
sechs überdachten Gleisen 24 Triebwagen,
so ließ es die SSG 1911 und 1928 erweitern.
Das Netz und der
Fahrzeugpark wachsen
Im Jahr 1904 überschritt die Stadt Plauen
die 100.000-Einwohner-Marke, zum
Jahresende stellte die SSG den Betrieb
der eigenen Kraftstation
ein und bezog ab 1. Januar
1905 ihren Strom vom
städtischen Elektrizitätswerk.
Im August 1905 weihte
die SSG eine neue, zwei
Kilometer lange, zweigleisige
Strecke ein: Sie führte als
„rote Linie“ als Diagonale
vom Dittrichplatz zum Friedhof
an der Lessingstraße, ab dem 1. Juni
1906 weitere 900 Meter nach Nordosten bis
Preißelpöhl. Die beiden anderen Linien erhielten
1905 eine gelbe und blaue Markierung.
Während im September 1909 im Norden
die bereits erwähnte Verlängerung in Haselbrunn
fertiggestellt war, ging Anfang Dezember
1909 im Süden eine vom Tivoli abzweigende
Neubaustrecke (weiße Linie) bis
ins einen Kilometer entfernte Reinsdorf in
Betrieb (nach der Eingemeindung 1926 in
Südvorstadt umbenannt).
Da die SSG gewinnbringend wirtschaftete,
übernahm sie 1910 das gesamte Aktien-
18 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Plauen
Nach dem Wiederaufbau war die Haltestelle
Tunnel auch in der DDR-Zeit ein beliebtes
Motiv für Ansichtskarten
SLG. SIGURD HILKENBACH (2)
kapital der Geraer Straßenbahn und
1910/11 Anteile an zwei Elektrizitätsgesellschaften.
Ebenso war eine Beteiligung an
den 1912 geplanten Überlandstraßenbahnen
nach Rodewisch und Reichenbach vorgesehen,
deren Bau aufgrund des Ersten
Weltkrieges unterblieb.
Waren bis 1905 insgesamt 34 Triebwagen
in Dienst gestellt worden, so beschaffte die
SSG in den Jahren 1911/12 elf weitere zweiachsige
Motorwagen. Zwei Jahre vor Ausbruch
des Ersten Weltkrieges erreichte zugleich
die Stadt Plauen mit über 128.000
Einwohnern ihren Bevölkerungshöchststand.
Während des Ersten Weltkrieges
Anfang August 1914 waren auch nahezu 80
Prozent des Fahrpersonals zum Frontdienst
eingezogen worden. Daraufhin stellte die
SSG den Betrieb der weißen Linie komplett
und den der roten Linie im Bereich der Innenstadt
für zwei Wochen ein. Im Oktober
1914 begann die Straßenbahngesellschaft
mit dem verspätet eingetroffenen Material
den Bau einer neuen Straßenbahnstrecke
vom Dittrichplatz auf kürzerem Wege zum
Unteren Bahnhof. Nachdem in der Blücher-,
Pestalozzi- und einem Teil der Konradstraße
bereits die Gleise lagen, stoppte das Unternehmen
die Arbeiten am 5. November
1914 kriegsbedingt. Im weiteren Kriegsverlauf
stellte die SSG mehrfach aufgrund Personalknappheit
den Betrieb auf der weißen
und roten Linie ein und legte 1917 mehrer
Linien zusammen. In den letzten Kriegsjahren
arbeiteten deshalb auch
Frauen als Schaffnerinnen.
Nach Ausrufung der Republik
blieb die wirtschaftliche
und politische Lage in Plauen
angespannt: Im Jahr 1919 stellte
die SSG den Gesamtverkehr
aufgrund von Kohlenmangel im
Elektrizitätswerk an 35 Tagen
und im Jahr 1920 den Verkehr
auf der roten Linie zwischen Dittrichplatz
und Albertplatz
aufgrund
geringer
Nachfrage
ein. Den
übrigen
Betrieb legten zwischen
1920 und 1922 mehrfach
Streiks lahm.
Durch die 1920er- und 1930er-Jahre
Da sich der unternehmerische Schwerpunkt
der Gesellschaft seit 1912 mehr auf Elektrizitätswerke
richtete, beschloss die Generalversammlung
der SSG am 23. April 1921
eine Umbenennung in Sächsische Elektrizitäts-Straßenbahn-Aktiengesellschaft
(SE-
SAG).
Bereits vom Dittrichplatz in Richtung Unterer
Bahnhof verlegte Schienen ließ noch
die SSG 1920 ausbauen und verwendete sie
für den Bau der neuen Strecke zum Hauptfriedhof
im Stadtteil Reusa. Von dieser
nahm die SESAG zunächst am 11. Juni den
Liniennetzplatz vom 4. April 1939. An diesem
Tag erhielten die bisher lediglich mit Farben
gekennzeichneten Linien erstmals Nummern
zugewiesen
GRAFIK: JOACHIM MENSDORF
Abschnitt von der Albertbrücke bis zum
Schloss Reusa (Ortseingang Reusa) in Betrieb.
Nach Einweihung einer Zwischenetappe
im November 1921 eröffnete die AG
am 13. Juli 1922 die als grüne Linie betrie-
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
19
Betriebe
Am nach 1945 neu errichteten Oberen Bahnhof enden heute die Linien 1 und 6. In der Wendeschleife
verbringen am 11. Juni 2006 die Wagen 230 und 236 ihre Wendezeit MICHAEL SPERL
bene Gesamtstrecke bis zum Eingang des
Hauptfriedhofes.
Aufgrund hoher Betriebsverluste stellte
die SESAG den Straßenbahnbetrieb in der
Silvesternacht 1922 ein – nach über einem
Jahr Betriebsruhe nahm sie ihn am 16. April
1924 auf den Hauptlinien wieder auf. Zwischen
1925 und 1931 änderte sich der Linienverlauf
der befahrenen Strecken mehrfach,
an den Schnittstellen Tunnel und
Albertbrücke ergänzte Weichen und Gleise
vereinfachten den Betrieb.
Im Jahr 1926 lieferte MAN vier und
1928 sieben neue Triebwagen nach Plauen,
so dass auf die noch vorhandenen, aber zwischenzeitlich
modernisierten Wagen aus der
Anfangszeit der Straßenbahn langsam ausschieden.
Der als siebtes und zunächst letztes
neues Fahrzeug im Juni 1928 gelieferte
Triebwagen trug die Nr. 56.
Anfang der 1930er-Jahre beeinträchtigte
die Weltwirtschaftskrise den Betrieb – auf eine
Betriebseinstellung verzichtete die SESAG jedoch.
Per 4. April 1939 lösten die Liniennummern
1 bis 4 das bisherige Farbsystem ab
(1944 um Linie 5 im Verlauf der gleichzeitig
verkürzten Linie 2 ergänzt). Pläne von 1939,
auch in Plauen einen Obusbetrieb einzurichten,
legte man 1941 zu den Akten.
Die 1940er-Jahre
Beförderte die Plauener Straßenbahn 1939
über 9,154 Millionen Fahrgäste, so stieg die
Beförderungsleitung im Jahr 1943 auf 20,382
Millionen. In jenem Kriegsjahr verfügte die
SESAG über 41 Personentriebwagen, unter
den 180 Betriebsangehörigen befanden sich
55 Frauen. Aufgrund der Treibstoffknappzeit
entstand im Herbst 1944 ein Anschlussgleis
von der Pausaer Straße zum Güterbahnhof,
dessen Nutzung im Krieg aber hinter den Erwartungen
zurückblieb.
Nach dem siebten Bombenangriff auf
Plauen stellte die Straßenbahn am 19. März
1945 den Betrieb ein, nach dem 14. Angriff
war die Stadt am 10. April zu 75 Prozent
zerstört, was auf fast alle Gleisanlagen und
Oberleitungen in der Innenstadt zutraf. Die
Wagenhalle am Unteren Bahnhof gab es
nicht mehr, die Werkstatt an der Wiesen-
Seit 1976 gibt es die Kurzgelenkwagen des Tatratyps KT4D in Plauen. Hier zwei Wagen mit der typischeren Farbgebung am 23. Mai 1990 an
der Endstelle Waldfrieden. Diese Strecke ging im Oktober 1983 in Betrieb
PETER DÖNGES
20 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Plauen
straße sowie die Wagenhalle an der Theaterstraße
wiesen schwere Beschädigung auf.
Von den 42 Triebwagen waren fünf irreparabel
zerstört, acht schwer und 29 leicht beschädigt.
Glasscheiben gab es in keinem
Wagen mehr, berichtete der im April 2014
verstorbene Plauener Straßenbahnhistoriker
Joachim Mensdorf.
Während der amerikanischen Besatzungszeit
zogen Pferde noch rollfähige Wagen
vor die zerstörten Wagenhallen, ab
Ende Mai 1945 pendelten ersatzweise von
den US-Behörden dafür freigegebene Busse
in der zerstörten Stadt, nach dem Besatzerwechsel
im Sommer stellten die Russen den
Busbetrieb Ende Oktober 1945 ein. Dank
des Fleißes der Straßenbahner und Beschäftigten
verschiedener Baubetriebe war ein
erster Gleisabschnitt ab 12. November
1945 elektrisch befahrbar – die Wagen fuhren
vom Tunnel nach Norden bis Haselbrunn.
Bis Oktober 1948 erfolgte der Wiederaufbau
fast aller Gleisanlagen – bis auf den
Abschnitt vom Dittrichplatz (Leninplatz)
zur Bahnhofstraße in der Friedensstraße. Ab
Mai 1946 standen 15 Triebwagen zur Verfügung,
die nachts in der reparierten Fahrzeughalle
an der Theaterstraße standen, diese
Halle blieb bis 1962 in Nutzung.
Die DDR-Zeit
Der 1948 begonnene Wiederaufbau der
Werkstatt an der Wiesenstraße war am
22. Mai 1950 abgeschlossen. Nachdem der
Rat der Stadt den Bau einer neuen Wagenhalle
an der Melanchthonstraße abgelehnt
hatte, ließ die Straßenbahngesellschaft die
Halle am Unteren Bahnhof ebenfalls wiederaufbauen.
Ab Februar 1951 stand sie
wieder zur Verfügung.
Per 1. Januar 1951 führte der VEB (K)
Verkehrsbetrieb der Stadt Plauen den Straßenbahnbetrieb,
die SESAG wurde Ende
Juni 1951 aus dem Handelsregister gelöscht.
Seit 1951 verkehrt die Plauener Straßenbahn
wieder täglich in vollem Umfang – und in
diesem Jahr trafen nach 23 Jahren die ersten
Neubaufahrzeuge ein: drei LOWA-Wagen
vom Typ ET51 (Tw 57 bis 59).
Mitte der 1950er-Jahre begann der im
August 1965 abgeschlossene zweigleisige
Ausbau des Netzes sowie die Umgestaltung
Liniennetz 1. Januar 1969
Linie 1
Linie 2
Linie 3
Linie 4
Linie 5
Linie 5
Plamag – Neundorf
Oberer Bahnhof – Unterer Bahnhof
Oberer Bahnhof – Preißelpöhl
Oberer Bahnhof – Reusa
Oberer Bahnhof – Südvorstadt
Plamag – Südvorstadt
(nur in Hauptverkehrszeit)
„Kleine Bahn ganz groß“ – mit dieser Veranstaltung begannen im Mai 2014 die Festlichkeiten
zum 120. Jubiläum. Dazu verkehrte am 17. Mai der historische Gotha-Wagen-Zug RONNY DAUER (2)
Der als Partywagen genutzte Tw 78 gehört zu den Markenzeichen der PSB. Anlässlich „20 Jahre Bier-
Elektrische“ fand am 10. September 2011 eine Sonderfahrt statt, hier am Oberen Bahnhof
der Endstellen – sofern der Verkehrsbetrieb
die Strecken nicht verlängern ließ. Letzteres
traf auf die Linie 1 zu, deren neuer Endpunkt
sich seit 30. Dezember 1957 an der
Plamag befindet.
Traf Anfang 1957 ein Gotha-Triebwagen
vom Typ ET54 ein (Tw 60), so folgten zwischen
Ende 1957 und Juli 1960 sieben Gotha-T57
und 1961/62 fünf erste T2. Sie
ersetzten gemeinsam mit den etwa zwei
Dutzend bis 1968 vom Verkehrsbetrieb neu
beschafften bzw. von der Reichsbahn aus
Klingenthal oder Halle gebraucht übernommen
Wagen der Typen ET54, T57, T2
und T2D die nach der Jahrhundertwende
gebaute MAN-Fahrzeuge. Mit den parallel
eingetroffenen Beiwagen der Gotha-Typen
B57 und B2-61 begann im März 1961 der
offizielle Beiwagenbetrieb auf Linie 1.
In punkto Gleisbau gab es in den 1960er-
Jahren vor allem Änderungen an den Knotenpunkten
sowie im Bereich des Abzweiges
zum Unteren Bahnhof. Außerdem entstanden
weitere Endschleifen, nach deren Fertigstellung
sich der Beiwagenbetrieb auf
weitere Linien ausdehnte. Als zweite Neubaustrecke
nach Kriegsende ging im Dezember
1966 die Verlängerung um 800
Meter vom Hauptfriedhof bis zur neuen
Endstelle Reusa in Betrieb.
Liniennetz ab 5. Oktober 1983
Linie 1
Linie 2
Linie 3
Linie 4
Linie 5
Linie 6
Linie 7
Plamag – Neundorf
Oberer Bahnhof – Unterer Bahnhof
Waldfrieden – Neundorf
Plamag – Reusa
Südvorstadt – Preißelpöhl
Oberer Bahnhof – Waldfrieden
Reusa – Unterer Bahnhof
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
21
Betriebe
Jubiläumsfeierlichkeiten 2014
Nach einer Modellausstellung am 17./18. Mai bereitet
sich die PSB derzeit auf dem September vor.
Vom 4. bis zum 13. findet dann in der Stadtgalerie
eine Ausstellung mit Exponaten, Dokumenten
und Aufnahmen der Straßenbahn statt. Höhepunkt
ist jedoch ein für den 13. September geplanter
Fahrzeugkorso von der Bahnhofstraße
über den Tunnel nach Neundorf. An diesem werden
neben allen historischen Wagen auch je ein
KT4D und ein neuer Niederflurwagen teilnehmen.
An der Zentralhaltestelle am Tunnel veranstaltet
die PSB parallel ein Volksfest. Details werden ab
August auf der Homepage der Straßenbahngesellschaft
bekanntgegeben.
Historischer Wagenpark
Für den Sonderverkehr hält die PSB die historischen
Tw 21 (MAN 1905) sowie Tw 51 (MAN 1928) betriebsfähig
vor. Der 1966 gebaute Gotha-T2-64
Nr. 78 verkehrt hingegen seit 1991 als Partywagen
„Bier-Elektrische“. Der baugleiche Tw 79 und der
Bw 28 (B2-64) stehen im historischen Zustand
der 1970er-Jahre für Sonderfahrten zur Verfügung.
Diese vier Triebwagen können für 150 Euro
pro Stunde gechartert werden.
Als Hilfsgerätefahrzeug (Salzwagen) ist mit dem
Tw 64 ein zweiachsiger Gothawagen vom Typ T57
noch im Bestand. Der KT4D Nr. 0202 dient hingegen
als Schleif- und Schmierwagen sowie der
Tw 0235 (KT4DMC) als Winterdienstwagen.
Am 16. Juni 1976 kam der erste Kurzgelenkwagen
in Plauen zum Einsatz – der KT4D
Nr. 202. Bis 1988 gelangten insgesamt 45 solche
Wagen in die Vogtlandmetropole. Ihren
Einsatz koordinierte ab 1. Januar 1982 der in
das Volkseigene (VE) Verkehrskombinat Karl-
Marx-Stadt integrierte VEB Städtischer Nahverkehr
der Stadt Plauen.
Seit 5. Oktober 1983 erschließt die Straßenbahn
auch das Neubaugebiet Chrieschwitzer
Hang. Diese 2,11 Kilometer lange
Neubaustrecke zweigt im Bereich der
Haltestelle Vogtlandklinikum von der Linie
nach Reusa in Richtung Nordosten ab – die
Endschleife trägt den Namen Waldfrieden.
Die Entwicklung seit 1990
Bereits vor der Vereinigung am 3. Oktober
1990 erhielten viele Haltestellen ihre alten
Namen zurück – so bezeichnete der Verkehrsbetrieb
den Otto-Grotewohl-Platz
nach dem Mauerfall rasch wieder als Tunnel.
Per 1. Juli 1990 erfolgte die Umwandlung
des Betriebes in die Plauener Straßenbahn
GmbH (PSB). Mit den ab Oktober zur
Verfügung stehenden Fördergeldern ließ der
Betrieb mehrere Gleisbereiche, aber auch
die Werkstatt an der Wiesenstraße erneuern
bzw. modernisieren.
Nachdem zwischen 1987 und 1989 insgesamt
24 weitere KDT4 eingetroffen waren,
reduzierte sich der Zweiachserbestand
ab 1989 in großen Schritten. Am 9. November
1991 endete ihr regulärer Liniendienst,
die danach auf Linie 2 noch genutzten
Zweirichtungswagen stellte der Betrieb
am 14. August 1992 ab. An diesem Tag
ging am Unteren Bahnhof eine Wendeschleife
in Betrieb.
Waren die Fahrpreise der Straßenbahn ab
1944 mehr als vier Jahrzehnte gleich geblieben
(ein Einzelfahrschein kostete 20
Pfennige), erhöhten sie sich ab 1991 in mehreren
Schritten bis auf aktuell 1,30 Euro für
eine Einzelfahrt und 3,40 Euro für eine Tageskarte.
Am 29. Mai 1994 trat ein neuer Linienplan
in Kraft. Danach gab es sieben Jahre
lang keine direkte Verbindung zwischen
Oberen und Unteren Bahnhof, wie es 100
Jahre lang üblich gewesen war.
Um bei angenehmem Wetter an die Eröffnung
des Straßenbahnbetriebes zu gedenken,
fand am 17./18. September 1994
eine große Jubiläumsfeier statt. Aus diesem
Anlass verkehrten unter anderem ein großer
Fahrzeugcorso sowie die Sonderlinie 100
zum Betriebshof. Am eigentlichen Jubiläumstag
im November würdigten Stadtverwaltung
und PSB das 100-jährige Verkehrsmittel
nochmals.
In den Sommerferien und Weihnachtsferien
1996/97 fuhr die PSB erstmals nach einem
Ferienfahrplan. Da er sich bewährte,
reduziert sich das Angebot während der
schulfreien Wochen danach mehrere Jahre.
Einer der gegenwärtig sechs vorhandenen Niederflurwagen
von Bombardier ist am 7. Juni 2014 auf der
Syrastraße unterwegs in die Südvorstadt (Linie 5),
im Hintergrund steht der einst zur Stadtbefestigung
dienende „Rote Turm“
RONNY DAUER
22
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Bahnhofstr.
5
Plamag
Hof
Am Vogtlandstadion
Am Stadtwald
Wartburgplatz
Morgenbergstraße
Zwickau
Leipzig
Seumestr.
Chamissostraße
PLAUEN Oberer Bf.
Oberer Bf,
Oberer Bahnhof, Stadtpark
Pausaer Str. Martin-Luther-Straße
1 6
Oberer Bahnhof
Busbahnhof Am Albertplatz
Capitol
Neues Tunnel
Westbahnhof
Dittrichplatz Rathaus
1 3
Seehaus
Hans-Löwel-Platz
Neundorf
Plauen-West
Neue Elsterbrücke
Westend
Weischlitz
Cheb
Pausaer Str.
Liebknechtstr.
Plauen-Zellwolle
Parkeisenbahn
Festwiese
Pausaer Str.
Hainstr.
Neundorfer Str.
Preißelpöhl
4
Beethovenstraße
Schlachthofstraße
Plauen
Unterer Bahnhof
A.-Bebel-Str.
Hofer Straße
Bickelstraße
Südvorstadt
Weischlitz
aus: Schwandl‘s Tram Atlas Deutschland
Aktueller Liniennetzplan der Plauener Straßenbahn GmbH
1·4·5·6
3·4·5·6
Böhlerstr.
Syrastr.
Breitscheidstr.
Hofer Str.
Oelsnitzer Str.
5
(Plauen Mitte)
(proj.)
Reichenbacher
Str.
Äußere
Weiße Elster
3 6
Greiz
Gera
Waldfrieden
Vogtlandklinikum
Schloss Reusa Hauptfriedhof
Knielohstr. Röntgenstraße
Suttenwiese
Anton-Kraus-
Straße
Dr.-Karl-Gelbke-Straße
Carl-von-Ossietzky-Weg
Reichenbacher Str.
Dammstr.
Röntgenstr.
1
3
4
5
6
Reusaer Str.
Oberer Bahnhof – Neundorf
Neundorf – Waldfrieden
Preißelpöhl – Reusa
Plamag – Südvorstadt
Oberer Bahnhof – Waldfrieden
Straßenbahn
Eisenbahnstrecken
1 km
Dresdner Str.
Plauen
Kleinfriesener Str.
4
Reusa
GRAFIK: ROBERT SCHWANDL
Lesen
Sie noch oder
sammeln
Sie schon?
Der Bau der Stadtgalerie in der Plauener
Innenstadt führte auch bei der PSB von
1999 bis 2001 zu Behinderungen. Während
der Sanierung der Elsterbrücke pendeln eine
Woche lang je zwei KT4D Heck an Heck
zwischen der provisorischen Endhaltestelle
vor der Brücke und der Baustelle am Tunnel.
Dort gestaltete die PSB die Zentralhaltestelle
bis zum Herbst 2001 völlig neu.
Mangels Nachfrage der Fahrgäste bis zum
Unteren Bahnhof stellte die PSB die am
20. Juli 2001 wieder als Verbindung zum
Oberen Bahnhof eingerichtete Linie 2 am
30. März 2007 ein. Als Ersatz fährt eine neue
Stadtbuslinie den Unteren Bahnhof an. Seitdem
betreibt das Unternehmen nur noch fünf
Linien. Deren Gleise hat die PSB in den vergangenen
zwei Jahrzehnten teils grundlegend
sanieren lassen. Während der Bauarbeiten
übernahmen oft Busse den Verkehr, so auch
während der Rekonstruktion der Neundorfer
Straße als die Linien 1 und 3 vom April
2008 bis zum Oktober 2009 nicht vom Zentrum
nach Neundorf fahren konnten.
Der aktuelle Betrieb
Für den Betrieb stehen der PSB aktuell noch
21 zwischen 1992 und 1999 modernisierte
KT4D sowie derzeit sechs Flexity Classic
zur Verfügung. Der erste dieser Niederflurwagen
traf am 20. August 2013 aus Bautzen
in Plauen ein. Insgesamt sollen zehn
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Wagen dieses Typs beschafft werden. Seit
dem Ende des regulären Doppeltraktionsbetriebes
im November 2007 verkehren die
KT4D lediglich bei Fußballheimspielen des
VFC Plauen sowie zu Silvester „im Zweierpack“.
Zu den Besonderheiten Plauens gehört,
dass die Tatrawagen im Winter mit
zwei angelegten Stromabnehmern fahrend,
während im Sommer nur der vordere Triebwagen
die Energie über den Stromabnehmer
aus dem Netz bezieht.
In der Hauptverkehrszeit bedient die PSB
wochentags alle Straßenbahnlinien im 12-
Minuten-Takt, samstags alle 15 Minuten,
sonntags gilt ein 30-Minuten-Takt. Nach
20.30 Uhr wickelt die Gesellschaft den Betrieb
seit 2007 mit Bussen und Kleinbussen
(Linientaxis) ab. Die Beschaffung der Niederflurwagen
gilt als Beweis dafür, dass die
Stadt Plauen auf die Straßenbahn auch weit
über deren 120. Jubiläum hinaus nicht verzichten
will.
ANDRÉ MARKS
Quellen
Joachim Mensdorf, Klaus Reichenbach: 75
Jahre Straßenbahn Plauen, hrsg. im Auftrag des
Verkehrsmuseums Dresden 1969
Joachim Mensdorf, Klaus Reichenbach: „110
Jahre Straßenbahn Plauen 1894–2004“, hrsg.
von der Plauener Straßenbahn GmbH 2004
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
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Betriebe
Im Schatten des Herkules
Kassels Linie 1 im Porträt Nur wenige Straßenbahnlinien
haben eine längere Geschichte als sie. Eine ihrer Endstellen
führt sogar zu einem UNESCO-Weltkulturerbe. Doch Kassels 1
hat noch mehr zu bieten als eine mittlerweile 137-jährige Tradition
und eine drei Kilometer lange Berg- und Talbahn
Auf dem Kamm des Habichtswalds überragt der Herkules
die Stadt Kassel, zu dessen Wahrzeichen er zählt.
Aus Richtung der im Jahr 1717 fertiggestellten Statue führt
die Wilhelmshöher Allee in die Innenstadt. Seit 9. Juli 1877 fährt
hier auch die heutige Straßenbahnlinie 1
STEFAN VOCKRODT
24
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Kassel
Gibt es in Deutschland neben Kassels
1 noch eine weitere Tramlinie,
die seit 137 Jahren durchgehend
ihre Stammstrecke befährt? Gewiss
– als am 9. Juli 1877 Kassels Straßenbahn
auf dem Abschnitt Königsplatz – Wilhelmshöhe
(der Stammstrecke der heutigen
Linie 1) den Betrieb aufnahm, hieß sie noch
nicht „1“. Und sie fuhr auch nicht elektrisch.
Zunächst zogen kleine Trambahnlokomotiven
dreiachsige Beiwagen auf der
Wilhelmshöher Allee aus der Stadt hinaus
und zur Endstation einige 100 Meter unterhalb
des ehemals kurfürstlichen Schlosses
Wilhelmshöhe hinauf. 1898 löste die „Elektrische“
den Dampfbetrieb ab, während auf
dem übrigen Netz noch Pferdebahnen verkehrten.
Im Jahre 1928 verlängerte der Straßenbahnbetrieb
die Tramlinie 1 vom Königsplatz
aus nach Norden. Mehr als 80
Jahre lag ihre dortige Endstelle an der Holländischen
Straße zu Füßen des Werkes
Mittelfeld von Henschel (heute Bombardier
Kassel). Seit Oktober 2011 führt sie von
dort parallel zur B7 in die kleine, aber stark
gewachsene Nachbarstadt Vellmar. Mit
etwa 13 Kilometer Länge, handelt es sich
zwar seitdem nicht um Kassels längste, aber
nach wie vor um eine der nachfragestärksten
Linien Kassels.
Begeben wir uns auf eine Fahrt mit Kassels
Linie 1. Man sollte etwas Zeit mitbringen,
denn es lohnt sich durchaus, unterwegs einmal
auszusteigen. Wer mit dem Fernzug nach
Kassel kommt, steigt am 1991 neugestalteten
Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe aus. Hier erwartet
uns ein großzügig überdachter, mit vier
Tramgleisen ausgerüsteter Tram- und Busbahnhof.
Auf Gleis 5 erwartet uns die Linie 1
Richtung Wilhelmshöhe.
Futuristisch wirkt die Bus- und Straßenbahnhaltestelle vor dem 1991 eingeweihten ICE-Bahnhof
Kassel-Wilhelmshöhe. Die Wagen der Linie 1 bedienten bis Ende 2013 die Station auf dem linken
Gleis in Richtung Wilhelmshöhe und auf dem zweiten von rechts nach Vellmar LARS BRÜGGEMANN
Die Schleife der Linie 1 am Bergpark
Wilhelmshöhe liegt völlig im
Grünen. Der Tw 462 befindet sich
nach des Betriebshofs auf der
Fahrt in die Stadt
STEFAN VOCKRODT
Besonderheit im Fahrzeugpark
Es kommt Tw 475. Der Wagen ist eine kleine
Besonderheit, nicht nur weil er der letztgebaute
der 25 NGT6C ist, mit denen in
Deutschland die moderne Niederflurära begann.
Ihn beschaffte 1994 nicht die KVG,
sondern die Kassel-Naumburger Eisenbahn
(KNE), heute eine Tochter der Hessischen
Landesbahn (HLB). Warum? 1995 verlängerte
man in Kassel die Linie 5 auf den Gleisen
der KNE in die südwestliche Nachbarstadt
Baunatal. Seither wird die alte Schleife
zu Füßen des VW-Werks Baunatal nur noch
von Schichtwechslerzügen bedient. Und als
Beitrag der KNE bzw. HLB für die Überlandtram
tragen die Tw 474 und 475 zwar
den KVG-Lack, aber das Eigentümersignet
der Eisenbahn.
Der Tw 475 präsentiert sich bereits im aktuellen,
etwas dunkleren Blau der KVG mit
weißer Schrift „Die Straßenbahn“, dunkelrotem
Wappenlöwen an den Frontenseiten
und breitem roten Streifen an der unteren
Wagenkastenkante als Eigentumskennzeichen.
Nimmt man ganz vorne rechts über
dem Triebdrehgestell Platz, so kann man
durch die Frontscheibe auf die Strecke
schauen. Der Zug fährt los, biegt rechts ab
auf die Wilhelmshöher Allee, passiert den
Abzweig der Linien 3 und 4 Richtung Druseltal
und Helleböhn und die Schleife der Linie
7 durch die Rolandstraße und rollt nun
geradeaus die sanft steigende Wilhelmshöher
Alle hinauf. Die Tram fährt in Straßenmitte,
der Gleiskörper liegt fahrbahnbündig,
ist aber durch das Pflaster herausgehoben.
Links und rechts gibt es eine Pkw-Spur, daneben
Parkstreifen und streckenweise angenehm
breite Fußwege.
Blick hinauf zum Herkules
Vor uns ragt der Habichtswald auf, dessen
Gipfel die 1701 bis 1717 auf einem Oktogon
Schloss mit Pyramide errichtete Herkules-Statue
krönt, die einen fantastischen
Blick über Kassel und das Fuldatal bis hin -
über zum Meißner und Hohen Hagen bietet.
Unterhalb des Herkules liegen die Kaskaden
– die berühmten Wasserspiele – und
darunter liegt wie ein Riegel Schloss Wilhelmshöhe,
einst Sitz der hessischen Kurfürsten,
später logierten hier Napoleons
Bruder Jerome (Kassel war Hauptstadt des
kurzlebigen „Königreichs Westfalen“) und
Kaiser Wilhelm II. Heute dient das Schloss
als Kunstmuseum – vor allem Gemälde alter
niederländischer Meister, darunter zwölf
von Rembrandt, gehören zur Sammlung.
Wir passieren die vor einigen Jahren zur
Kaphaltestelle umgebaute Station Kunoldstraße
und biegen, kurz bevor die Straße
steiler zu steigen beginnt, nach rechts ab in
die Haltestelle – nein, nicht „Betriebshof
Wilhelmshöhe“, sondern – „Hessischer
Rundfunk“. Auch wenn direkt hinter der
Haltestelle die Einfahrt in den Betriebshof
Wilhelmshöhe liegt, ältestes und größtes
Depot sowie Hauptwerkstatt der Kasseler
Straßenbahn, heißt die Haltestelle nach dem
auf der anderen Seite der Straße gelegenen
Funkhaus Kassel des HR. Während der
Fahrerwechsel stattfindet, hat man einen
guten Blick auf die Hallen des Betriebshofs,
in dem sich mit etwas Glück noch ältere
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
25
Betriebe
Im wahrsten Sinne des Wortes ein Bahnhof: Die Endstelle Wilhelmshöhe von Kassels Linie 1 mit
dem 1877 errichteten Empfangs- und Verwaltungsgebäude. Als die Aufnahme vor 2011
entstand, endete die Linie 1 noch an der Holländischen Straße
BRIAN TURNER
N8C oder der als Gleispflegezug dienende
frühere Tw 317 (GT6-ZR) erkennen lassen.
Die große Wendeschleife
Wilhelmshöhe
Der folgende Abschnitt ist für Fotografen ein
„Muss“, wir fahren nun in eine Art „grünen
Tunnel“ ein, die beiden Gleise säumen links
und rechts recht hohe Bäume, nach etwa 100
Meter Weg trennen sich die Gleise und wir beginnen
die Fahrt durch die ausgedehnte Wendeschleife.
Am Eingang liegt die Haltestelle
„Kurhessentherme“, beide Bahnsteige sind bereits
räumlich weiter getrennt. Hier steigen
Spaziergänger aus, die entweder in den Park
hinauf oder auch durch den Wald hinüber zur
ebenfalls im Grünen gelegenen Endstelle Hessenschanze
gehen wollen. Unsere Bahn rollt
weiter und passiert die ehemalige Haltestelle
Weißensteinstraße, eine der wohl am wenigstens
genutzten Haltestellen Deutschlands.
Danach biegt unser Zug in die Endstelle Wilhelmshöhe
ein. Hier kann man staunen: Hinter
den beiden 60 Meter langen Haltestellengleisen
ragt ein pompöses Empfangsgebäude
auf, das erkennbar älteren Baujahrs ist. Tatsächlich
errichtete die „Cassels Tramway
Company“ hier 1877 einen „großen Bahnhof“.
Das Gebäude ist denkmalgeschützt und
beherbergt ein Besucherzentrum für den Bergpark.
Zwischen Bahnsteigen und Bau befinden
sich großzügige Fahrradstellplätze, hier lassen
sich auch Räder des Fahrradverleihs „Konrad“
mieten, für ÖPNV-Nutzer zu sehr günstigen
Konditionen.
Wer in den Park und zum Herkules will,
klettert nun die Stufen hinauf und geht
durch den Park. Es lohnt sich, man sollte
aber mindestens zwei Stunden dafür einplanen.
Wir wollen aber weiterfahren, lassen
den Fahrer seine Pause machen und rollen
nach sieben Minuten Wendezeit wieder hinunter.
Die Bahn fährt die lange Schleife zu
Ende, hält am stadteinwärtigen Bahnsteig
der Kurhessentherme und erreicht hinter
dem Betriebshof wieder die Wilhelmshöher
Allee. Es lohnt sich erneut, vorne zu sitzen,
denn jetzt fällt der Blick hinab auf Kassel.
Die lange Gerade:
Wilhelmshöher Allee
Von nun rollt die „1“ rund 3 Kilometer geradeaus,
zwischen dem Bahnhof Wilhelmshöhe
und der City teilt sie sich den Weg mit
der Linie 3 (Druseltal – Ihringshäuser Straße).
Der kreisrunde Königsplatz ist das Zentrum von Kassels City. Die Haltestelle liegt
mitten im Platz, bis zu drei Wagen können hier hintereinander halten. Sechs
der sieben Tramlinien fahren hier durch STEFAN VOCKRODT
26
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Kassel
Daten & Fakten: Kassels Linie 1
Führung: . . . . . . . . . . Wilhelmshöhe – Bahnhof
Wilhelmshöhe – Kirchweg – Rathaus –
Königsplatz – Stern – Holländische Straße –
Vellmar Nord
Haltestellen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Länge:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 km
Fahrzeit: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Minuten
Takt: . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Minuten (tagsüber)
Fahrzeuge:. . . . . . . . . . NGT6C, NGT8 (auch 2x),
bald auch NGT8 + NB4
Fahrpreis:
• Einzelfahrschein (Stadtgebiet): . . . . 2,70 Euro
• Tageskarte: „KasselPlus“ . . . . . . . . . 6,20 Euro
Gruppenkarte . . . . . . . . 12,– Euro
(bis 5 Personen)
Nachdem wir den Nahverkehrsterminal am
ICE-Bahnhof verlassen und die Gleise der DB
überquert haben, fahren wir nun auf eigenem
Gleiskörper (heute überwiegend Rasengleis)
die breite Allee hinunter.
Hinter der Haltestelle „Rotes Kreuz“
zweigt nach links die Linie 4 ab, die den Einschnitt
der verrohrten Drusel durchfährt, bevor
sie dann auf der Friedrich-Ebert-Straße
weitgehend parallel zur „1“ Richtung City
läuft. Wir durchqueren jetzt den Stadtteil
Wehlheiden und erreichen die Haltestelle
„Kirchweg“. Hier biegt nach links die Linie
7 in die Germania- und die Goethestraße ab,
bis 1965 fuhren rechts von hier die Züge der
meterspurigen Herkulesbahn los Richtung
Brasselisberg und Herkules. Nun geht es wieder
ein Stück bergan – die Wilhelmshöher Allee
ist zwar schnurgerade, aber ein wenig
„Berg- und Talbahn“ – bis wir die Haltestelle
Murhardstraße erreichen, in deren Nähe
sich ein Teil der stark gewachsenen Universität
befindet. Die Bahn ist bereits gut besetzt,
jetzt wird sie voll. An der Haltestelle Weigelstraße
vorbei erreichen wir das Wilhelmshöher
Tor mit seinen recht klobigen Torbauten
am Brüder-Grimm-Platz. In der Nähe liegt
das Museum für Sepulkralkultur, das sich –
wohl einmalig auf der Welt – den Totenriten
der unterschiedlichen Kulturen widmet. Nun
biegt die Bahn scharf nach links und rollt hinab
in die Innenstadt. An der großen Kreuzung
mit der Fünffensterstraße mündet unsere
Linie 1 in den Innenstadtring. Wir rollen
weiter geradeaus in die Haltestelle Rathaus.
Jetzt erreichen wir Kassels Innenstadt und
fahren durch eine der ältesten Fußgängerzonen
Deutschlands: die Obere und Untere
Königsstraße. Bis auf die Linien RT5 und 7
führen alle Kasseler Tramlinien hier durch.
Neben unserer „1“ sind das die Linie 3, die
Linien 4 und 8 von der Friedrich-Ebert-Straße,
die Linien 5 und 6 aus der Frankfurter
Straße sowie die Regiotramlinien RT3 von
Hofgeismar und RT4 von Wolfhagen. Die
Bahn rollt langsam an den zahlreichen Fußgängern
vorbei zum Friedrichsplatz mit dem
Museum Fridericianum, Kunstkennern wegen
der alle fünf Jahre in Kassel stattfindenden
Documenta bestens vertraut, und
erreicht den zentralen, kreisrunden Königsplatz.
Nun geht es auf der engeren Unteren
Königsstraße hinab zum Stern, einer echten
„Grand Union“. Hier können die Bahnen
aus jeder in jede Richtung abbiegen. Doch
unsere „1“ (und die sie auf diesem Abschnitt
verstärkenden Linien RT3, RT4 und 5) fahren
geradeaus weiter nach Norden in die
Holländische Straße.
Am alten Henschelwerk
Die Trasse ist nun optisch wenig ansprechend,
durchfahren wir doch einen ehemals
stark industriell geprägten Stadtteil. Am
Holländischen Platz passieren wir den Ort
des Stammwerk von Henschel. Doch der
Lokomotivbau gehört hier schon lange der
Vergangenheit an, heute nutzt die Universität
das Gelände, viele Studierende steigen
hier aus und ein.
Weiter geht es auf der Holländischen
Straße nach Nord-Nord-West, linkerhand
liegt der große Hauptfriedhof, hinter der
RT3 Hofgeismar
1
Vellmar Nord
RT4 Wolfhagen
Ahnatal-
Heckershausen
Ahnatal-
Casselbreite
Vellmar-Obervellmar
VELLMAR
Musikerviertel
Nordstraße
a)
Vellmar Stadtmitte
Vellmar Festplatz
1
Wilhelmshöhe (Park) – Vellmar Nord
a) Gleisverschlingung
b) Linksverkehr
1 km
2014 © R. Schwandl
8
Hessenschanze
1
Wilhelmshöhe
(Park)
Bebelplatz
Weißensteinstr.
Bf. Wilhelmshöhe
Hessischer
Rundfunk Kunoldstr.
Kurhessen-
Therme
3 Druseltal
Der Linienverlauf von Kassels 1
3
7
4·(7)
a)
Vellmar-
Osterberg/EKZ
KS-Jungfernkopf
Rotes
Kreuz
KS-Harleshausen
KS-Kirchditmold
4
8
Kirchweg
6
Wolfsanger
7
Dörnbergstr.
Holländische Straße
Hegelsbergstraße
KASSEL Hbf
Annastr.
Berlepschstr.
Murhardstr./
KS-Wilhelmshöhe
Weigelstr.
Universität
5 Baunatal
4 Mattenberg
6 Brückenhof
5
Vellmar-Niedervellmar
Vellmar, Triftstraße
b) Stadtgrenze
Kassel, Berliner Straße
Wilhelmshöher Allee
Wiener Straße
Hauptfriedhof
Mombachstraße
Holländischer Platz/
Universität
1·3
(
(
Holländische Str.
7
5·6
Am
Stern
Königspl.
Friedrichsplatz
Rathaus
1·5
Ihringshäuser
Straße
7
3·6·7
Altmarkt
4·8
Göttingen
3
3 7
Weserspitze
4 Hessisch Lichtenau
8 Kaufungen, Papierfab.
GRAFIK ROBERT SCHWANDL
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
27
Betriebe
Am nördlichen Stadtrand Vellmars liegt die andere Endstelle der
Linie 1. Bei der Eröffnung am 22. Oktober 2011 entstand diese
Aufnahme mit dem Triebwagen 618
MICHAEL KOCHEMS
Haltestelle Hegelsbergstraße befand sich
früher der Betriebshof Holländische Straße,
wieder eine Spezialität: Einst barg die Wagenhalle
die Wagen teilweise auf zwei Etagen
– heute befindet sich hier eine Tankstelle.
Zuletzt wendeten 2008/09 die Züge der
Linien 1, 2 und 5 in diesem Bereich während
des Umbaus der Schleife Holländische
Straße, unter anderem für den Linksverkehr
nach Vellmar.
Auf dem linken Gleis nach Vellmar
Linksverkehr? Richtig gelesen. Kurz vor der
Schleife Holländische Straße wechseln wir
auf das linke Gleis. Die Wendeschleife wird
deshalb auch im Uhrzeigersinn (normal ist
gegen den Uhrzeigersinn) befahren. Wir laufen
auf dem linken Gleis in den Durchgangsteil
der Haltestelle ein. Gegenüber steht abfahrbereit
ein Zug der Linie 5 nach Baunatal.
Nun beginnt die Neubaustrecke nach Vellmar.
Wir passieren – linksfahrend – einige
Bau- und Heimwerker- sowie Autozubehörmärkte,
rechts von uns liegt die stark befahrene,
autobahnmäßig ausgebaute Holländische
Straße (B7). Direkt vor der Haltestelle
Berliner Straße wechselt die „1“ in den Mittelstreifen
der B7.
Das ist auch der Grund für den Linksverkehr:
Damit die Linie 1 mit Einrichtungswagen
bedient werden kann, der Mittelstreifen
der B7 aber nur Mittelbahnsteighaltestellen
zuließ, hat man halt ganz pragmatisch die
Seiten gewechselt. So geht es an den Haltestellen
Berliner Straße (noch Kassel) und
Triftstraße (bereits Vellmar) vorbei und unter
der ICE-Strecke Kassel – Hannover sowie
der alten Hannoverschen Südbahn hindurch.
Kurz darauf wechselt unsere Bahn wieder
auf die rechte Seite – der Gleiswechsel ist hier
eine einfache, signalgesicherte Kreuzung. Der
im Linksverkehr befahrene Abschnitt ist
etwa 1,5 Kilometer lang.
Auf Straße und Rasengleis
durch Vellmar
Kurz danach biegen wir rechts ab in den Ort
Vellmar hinein zur Haltestelle Dörnbergstraße,
der erste Verknüpfungspunkt mit den Vellmar
erschließenden Buslinien und mit P&R-
Parkplätzen. Von dort geht es ein kurzes
Stück abseits jeglicher Straße weiter, bevor die
„1“ auf der Brüder-Grimm-Straße wieder zur
echten Straßenbahn wird. So passieren wir die
Haltestelle Vellmar Festplatz, dann geht es auf
die eigene Trasse. Auf Rasengleis wird die
Haltestelle Vellmar Stadtmitte erreicht. Mit ei-
Die Kassler
Verkehrsgesellschaft AG
Anschrift:
Kassler Verkehrsgesellschaft AG (KVG)
Königstor 3–13, 34117 Kassel
www.kvg.de
Spurweite: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.435 mm
Streckenlänge (Tram): . . . . . . . . . . . . . . 89,2 km
(ohne Regiotram)
Linien: . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Tram, 4 Regiotram
Fahrzeuge: . . . . . . . 85 Straßenbahntriebwagen,
davon: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 N8C
(Tw 417 bis 422, Hochflur, Reserve)
. . . . . . . 25 6NGTW (Tw 451 bis 475)
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 NGT8 ER
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 NGT8 ZR
(alle Bombardier Classic, zwei Bauserien)
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Regiotram
Betriebshöfe: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
ner Fahrbahnbreite von 6 Meter und 82 Meter
Bahnsteiglänge ist sie der zentrale Umsteigepunkt
zwischen Tram und Bus in Vellmar.
Und wieder folgt eine kleinere Besonderheit:
Zwischen Vellmar Stadtmitte und der Nordstraße
verläuft die Trasse der „1“ am linken
Straßenrand und ein Stück in einer Gleisverschlingung.
Hier fahren wir durch eine typische moderne
Vorstadt mit Ein- und Mehrfamilienhaussiedlungen,
die hinter einer Schallschutzwand
liegen. Auf eigener, begrünter
Trasse geht es an der Haltestelle Musikerviertel
vorbei zur Endstelle Vellmar Nord an
der Stadtgrenze. Die Schleife umrundet einen
gut gefüllten P&R-Platz, daneben sind
dutzende, teilweise gesicherte Abstellmöglichkeiten
für Fahrräder vorhanden.
Die Bahnsteige liegen am Beginn der Wendeschleife,
die auf dem üblichen, also gegen
die Uhr zeigenden Weg durchfahren wird.
Nach rund 42 Minuten (ab Endstelle Wilhelmshöhe
gerechnet) sind wir am Ziel. Die
„1“, insbesondere die Verlängerung nach
Vellmar, ist eine stark ausgelastete Linie. Doch
wie alle Kasseler Stadtlinien wird sie im 15-
Minuten Takt befahren. Um die Fahrgastkapazität
zu erhöhen, hat Kassel einige NB4-
Beiwagen aus Rostock erworben, die hinter
den Classic NGT8 zum Einsatz kommen sollen.
Derzeit verkehren bis zu sechs Kurse als
Doppeltraktionen aus NGT8 aller Serien.
Kassels Linie 1 bietet nicht nur viel Kultur,
sondern dem Straßenbahnfreund auch
eine interessante Linienführung mit vielseitigem,
abwechslungsreichem Betrieb. Allerdings
sollten Fotografen etwas aufpassen:
Es gibt in Kassel Straßenbahnfahrer, die sich
und ihre Wagen nicht gerne fotografieren
lassen ...
STEFAN VOCKRODT
28 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Nächster Halt: …
Der Wagen 22 der Wuppertaler Schwebebahn am 24. Juli 2009 an der zehn Jahre zuvor wieder eingerichteten Haltestelle Kluse auf der Fahrt von
Oberbarmen nach Vohwinkel. Oben ist die Glaskonstruktion der in Höhe Bembergstraße gelegenen Haltestelle zu erkennen
LARS BRÜGGEMANN
Nächster Halt:
Kluse
Bei Eröffnung der Wuppertaler Schwebebahn
ging am 1. März 1901 in Elberfeld auch die
Haltestelle Kluse in Betrieb. Bis zum 23. Mai
1901 war sie Endpunkt des Abschnittes vom
Zoo. Am folgenden 24. Mai nahm die Continentale
Gesellschaft für elektrische Unternehmungen
(eine Tochter der Elektrizitäts-AG vormals
Schuckert & Co. mit Sitz in Berlin) den
Abschnitt Zoo – Vohwinkel in Dienst. In den
ersten drei Betriebsjahren gab es an der Kluse
eine Kehrschleife, die nach der Verlängerung
bis Oberbarmen 1903 überflüssig wurde – die
Haltestelle Kluse lag seitdem fast in der Mitte
der Strecke. Die bis zur Gründung der Stadt
Wuppertal (1929) als Schwebebahn Barmen–
Elberfeld–Vohwinkel bezeichnete Einschienenhängebahn
entwickelte sich rasch zu einem
Wahrzeichen der Region, für die Wuppertaler
war und ist sie aber bis heute ein ganz normales
innerstädtisches Verkehrsmittel.
Im Zweiten Weltkrieg führten die Bombardements
auch zu Beschädigungen der Schwebebahn.
Die bei einem Angriff im Juni 1942 ausgebrannte
Haltestelle Kluse bediente die
Betreibergesellschaft nach dem Krieg nicht
mehr und ließ die letzten Trümmer 1954 beseitigen.
Nach Einstellung der Straßenbahn in
den 1980er-Jahren bestand zwischen den
Schwebebahnhaltestellen Hauptbahnhof und
Landgericht im Stadtteil Elberfeld jedoch ein
Defizit an öffentlichen Nahverkehrsangeboten
– vor allem um Besucher ins Schauspielhaus
und Großkino sowie zur Kulturinsel zu bringen.
Daraufhin begannen Planungen zum Neubau
der Haltestelle Kluse. Am 26. März 1999
war es soweit: Nach 54 Jahren hielt wieder die
Schwebebahn zwischen den Pfeilern 266/267.
Die neue Haltestelle mit dem Hauptnamen
Kluse und dem Beinamen Schauspielhaus wirkt
etwas futuristisch – selbst von unten ist die Hallenkonstruktion
mit gläsernem Dach sichtbar.
Die Haltestelle Kluse/Schauspielhaus liegt über
der Wupper im Kluse-Bogen. Mit dem Begriff
Klus – teils auch Klause genannt – wird meist
ein enges, steiles Durchbruchstal bezeichnet,
also eine Art Schlucht mit felsigen Seitenwänden,
aber mit verhältnismäßig geringem Gefälle
des Talgrundes. Die Wupper fließt hier in einem
engen Bogen. Wikipedia erklärt es aber etwas
einfacher: Kluse stehe einfach für eine Haltestelle
der Wuppertaler Schwebebahn im Stadtteil
Elberfeld. LARS BRÜGGEMANN/AM
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
33
Betriebe
Tram-Kultur mit Stange
Aktuelles von der Straßenbahn in Riga Sie ist Europas Kulturhauptstadt 2014 – und auch
die Straßenbahnhauptstadt Lettlands – Riga! Noch immer fahren auf neun Linien massenhaft Tatra-
Wagen mit Trolleystange durch die Straßen. Doch die Ablösung der Fahrzeuge rückt näher
Irgendwie sehen sie ein bisschen unvollständig
aus. Ja, sogar ein bisschen
nackt: die über 200 Tatra-Wagen, die jeden
Tag zehntausende Fahrgäste in
Lettlands Hauptstadt Riga befördern. Auf
dem Dach der Wagen: Kein für die meisten
europäischen Länder so typischer Einholmoder
Scherenstromabnehmer, sondern die
klassische Trolleystange, die in den meisten
europäischen Straßenbahnstädten schon
seit gut 100 Jahren ausgedient hat!
Die Letten schwören aber offenbar darauf.
Außer in Riga sorgen nämlich auch in Daugavpils
(Dünaburg) noch Trolleystangen für
die Stromaufnahme, nur der Straßenbahnbetrieb
in Liepaja (Libau) setzt in Lettland auf
„Schere“. Was soll‘s? Es funktioniert ja!
Auf gut 100 Kilometern Streckenlänge und
neun Linien „stängeln“ sich die Tatras jeden
Tag durch die Kulturhauptstadt 2014. Dabei
setzt der Betrieb als einziges der drei lettischen
Straßenbahnunternehmen keine gebrauchten
Bahnen aus dem Westen ein: Zum
Fahrzeugbestand gehören über 200 modernisierte
T3A und T3MR. Außerdem rücken
nach und nach neue Škoda-Niederflurwagen
an. Mittlerweile sind davon schon 26 dreiund
vierteilige Wagen in Riga im Einsatz, so
dass die stark frequentierten Linien 6 und 11
in der Regel komplett oder zum Großteil mit
diesen Wagen bedient werden. Weitere Fahrzeuge
werden die noch sehr gepflegten Tatras
langsam ersetzen.
So oder so: Die Reise nach Riga lohnt sich!
Das Straßenbahnnetz erstreckt sich über weite
Teile der Stadt und überrascht an vielen
Stellen mit interessanten Streckenführungen.
Zentraler Knotenpunkt ist die Haltestelle
Centraltirgus in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Hier herrscht großstädtisches Getümmel,
hier überquert die Bahn im dichten Takt
einen Kanal, um vor den Markthallen des
Hafens jeden Tag tausende Fahrgäste einund
auszuspucken. Die Fahrgäste kaufen frisches
Obst, Blumen für den Wohnzimmertisch
und lassen sich manchmal von den Möwen
ihr halbes Fischbrötchen klauen: Riga ist
eben eine alte Hansestadt und damit richtig
maritim! Das liegt wohl vor allem am Fluss
Daugava (Düna), auf den die Straßenbahnwagen
nach dem Verlassen der Haltestelle
mit Blick auf die riesigen Eisenbahn- und Autobrücken
zusteuern.
Anstatt Fahrscheine
elektronische Tickets
Für die Fahrer ein alltäglicher Anblick – sie
verkaufen noch während der Fahrt Tickets
für die, die sich vorher keines mehr beschaffen
konnten. Das ist allerdings keine gute
34 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Lettland: Riga
RECHTS Willkommen
in der Kulturhauptstadt
2014! Von der
Daugava-Brücke aus
haben die Besucher
einen fantastischen
Blick auf die
Altstadt von Riga.
Ein T3A-Paar macht
sich vor dieser
Kulisse auf den Weg
in Richtung
Bišumuiža
LINKS Vor den zen -
tralen Markthallen
in der Nähe des
Hauptbahnhofs
laden die Fahrgäste
fast jeden Tag unzählige
Tüten mit
frischem Obst, Gemüse
und Fisch in
die Straßenbahn ein
ALLE FOTOS:
CHRISTIAN LÜCKER
RECHTS Ein drei tei li ger
Škoda-Niederflur -
wagen flüchtet vor
einem Gewitter und
streift dabei die
Oper und die
Altstadt von Riga
Entscheidung. In den Bahnen sind die Fahrkarten
vergleichsweise teuer. Dafür gibt es sie
an fast jedem Kiosk in der Stadt. Statt einer
Karte aus Pappe oder Papier kauft man in
Riga ein elektronisches Ticket, das nach Belieben
mit Geld aufgeladen werden kann.
Großer Vorteil für Touristen: In Lettland
gibt es seit diesem Jahr den Euro. Ein Tagesticket
für alle Straßenbahnlinien kostet rund
drei Euro. Es gilt, sobald das Ticket mit dem
Lesegerät in der Bahn in Berührung kommt.
Also los! Besonders empfehlenswert ist eine
Fahrt mit der Linie 10. Sie fährt von der Haltestelle
Centraltirgus aus über die lange Dünabrücke
und wird ziemlich schnell zur idyllischen
Vorortlinie. Direkt hinter der City geht
es auf zum Teil schmalen Straßen durch ausgedehnte
Parkanlagen mit Hügeln und Seen.
Später führt die 10 eingleisig durch eine mit
Kopfsteinen gepflasterte Straße, eingerahmt
von den typischen lettischen Wohnhäusern
mit Holzvertäfelung. Das alles lässt sich bequem
aus einem Tatrawagen entdecken – diese
Fahrt macht richtig Spaß!
Riga zu Fuß erkunden, lohnt sich allerdings
ebenfalls: Von der Oper aus erreichen
die Besucher direkt die gut erhaltene Altstadt,
den Stadtkern mit seinen prächtigen Jugendstilhäusern
und die vielen, wunderschön angelegten
Parkanlagen. Ohnehin ist Riga eine
sehr grüne Stadt. Abgesehen von den Straßenbahnen
– fast alle sind in den Hausfarben
Dunkelblau, Hellblau und Weiß lackiert. Das
steht den Wagen zwar sehr gut. Was aber völlig
fehlt: Ansprechende Werbungen, die darauf
hinweisen, dass Riga Kulturhauptstadt
ist. Als solche muss sich die Stadt mit ihrer
Straßenbahn und ihrem kulturellen Angebot
nämlich auf keinen Fall verstecken.
CHRISTIAN LÜCKER
Anreise und Tramreise
Von Deutschland aus steuern verschiedene Fluglinien
Riga an, zum Beispiel das Unternehmen
„Air Baltic“, das sich auf Flüge in den baltischen
Raum spezialisiert hat. Riga ist auch ein guter
Ausgangspunkt, um die anderen beiden lettischen
Straßenbahnbetriebe zu besuchen.
Daugavpils (Dünaburg) im Osten des Landes ist
mit einer täglichen Eisenbahnverbindung zu erreichen.
In der zweitgrößten Stadt Lettlands fahren
überwiegend die sehr rustikalen lettischen
RWS-6 sowie russische KTM-5, aber auch ehemalige
Schweriner T3D.
Liepaja (Libau) an der Küste im Westen ist am
besten mit dem Bus angebunden. Dort sind ausschließlich
KT4SU und KT4D im Einsatz, letztere
aus Erfurt, Cottbus und Gera.
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
35
Fahrzeuge
Samba in Mülheim
60 Jahre Großraumwagen links und rechts der Ruhr Am 19. Februar 1954 ging der erste
vierachsige Großraumwagen mit ungewohnt großer Aufnahmefläche in Mülheim an der Ruhr in
Dienst. Elf solche Trieb- und 13 Beiwagen prägten vier Jahrzehnte die dortigen Meterspurgleise
Anfang der 1950er-Jahre war man
auch in Mülheim an der Ruhr wieder
wer: Das Wirtschaftswunder
verlieh ein neues Selbstbewusstsein,
der Sambatanz aus Brasilien erreichte
große Popularität und die deutschen Fußballer
errangen zum ersten Mal den Weltmeistertitel.
In diese Zeit fiel die Aufstockung
und Verjüngung des Wagenparks.
Die Betriebe der Stadt Mülheim an der
Ruhr beobachteten die Entwicklung neuer
Straßenbahnwagen sehr genau. Die Landesausstellung
„Schiene und Straße“ in der
Nachbarstadt Essen vom 8. bis zum 23.
September 1951 zeigte die neuesten Entwicklungen
im Verkehrsbereich und aus der
Industrie. Während die Deutsche Bundesbahn
ihre größte Dampflok in Form der
umgebauten 05 003 präsentierte, stellten
die Hersteller von Straßenbahnfahrzeugen
die ersten Großraumzüge für Hannover,
Düsseldorf und Essen vor. Als Einrichtungswagen
waren die 17,1 Tonnen schweren,
14,10 Meter langen und 2,20 Meter
breiten Fahrzeuge (in Düsseldorf 2,35 Meter
breit) mit den elektrisch angetriebenen
neuen Düwag-Falttüren nur auf der rechten
Seite ausgestattet. Mit „nur“ einem Fahrerstand
benötigten sie an den Endstationen
zum Wenden entsprechend Gleisschleifen
oder Umsetzdreiecke. Das Abfertigen der
Fahrgäste erfolgte nach dem in den USA
praktizierten Fahrgastfluss-System: Nach
dem Einstieg an der großen Heckplattform
verkaufte der Schaffner von seinem fest installierten
Schaffnersitzplatz die Fahrschei-
36 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Mülheims Großraumwagen
RECHTS Ein vom
Tw 229 geführter
Mülheimer Großraumzug
nimmt auf
der Fahrt nach Mülheim
am 26. März
1973 an der Haltestelle
Hamburger
Straße in Essen mehrere
Fahrgäste auf.
Seit dem 28. Mai
1977 verkehrt hier
auf dem Mittelstreifen
der A40 die Linie
U18 auf Normalspur
LINKS Fabrikneue Großraumwagen
warten im
alten Mülheimer Betriebs
hof an der Friedrich-Ebert-Straße
auf
ihren Einsatz auf den
mit der EVAG betriebenen
Gemeinschaftslinien
8 und 18
SLG. AXEL REUTHER (2)
FRITZ ORWAT,
SLG. BERND OEHLERT
UNTEN Der Fahrgastraum
dieser Vierachser
präsentiert sich
mit der Bestuhlung
für den Berufs -
verkehr. Die Geräumigkeit
lässt den
Vergleich mit einer
Samba-Tanzfläche zu
ne und fertigte den Wagen ab. Zum Aussteigen
waren die doppelte Mitteltür sowie
die Einzeltür beim Fahrer vorgesehen.
Die Vorbilder der Mülheimer Wagen
Der ausgestellte Essener Wagen 513 war mit
der gleichen schräg gestellten Frontscheibe
ausgerüstet wie das Fahrzeug 301 für den
Straßenbahnbetrieb in Hannover. Bis 1953
nahm die Süddeutsche Eisenbahngesellschaft,
Abteilung Essener Straßenbahn, sechs
weitere Triebwagen dieser Bauform in Betrieb.
Dabei hatte sich die SEG schon maßgeblich
an der Entwicklung der Großraumwagen
in den frühen 1930er-Jahren beteiligt:
Sie stellte in Essen 1933 zwei Prototypen
vierachsiger Zweirichtungs-Triebwagen mit
dem neuartigen Tandemantrieb der Waggonfabrik
Uerdingen als Tw 503 und 504 in
Dienst (siehe SM 4/2014, Seiten 48ff.) Hierbei
trieb ein längsliegender Motor über Kardangelenke
und spiralverzahnte Räder beide
Achsen der Drehgestelle an. In den Jahren
1939 und 1940 erhielt Mülheims Nachbarstadt
20 ähnliche, aber nicht identische vier-
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
37
Fahrzeuge
Der erstgelieferte Mülheimer Großraumwagen – Tw 220 – hat im April 1957 mit einem Beiwagen
die Haltestelle Mülheim-Stadtmitte in Richtung Essen verlassen
PETER BOEHM, SLG. AXEL REUTHER
Die ersten Nachkriegsjahre in Mülheim
Unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen
im Ruhrgebiet begann in Mülheim der Wiederaufbau.
Die Besatzungsmacht und Stadtverwaltung
teilten die Bediensteten der Betriebe der Stadt Mülheim
an der Ruhr am 14. April 1945 zu Reparaturarbeiten
an den Gleisen und Fahrzeugen ein. Nur
wenige Strecken waren befahrbar, von den 120
Trieb- und Beiwagen waren 33 Fahrzeuge mehr
oder weniger betriebsbereit. Zum Instandsetzen der
Fahrzeuge mangelte es allerdings an Materialien.
Hier war Improvisation gefragt. Mit Loren- und Güterwagen
der Straßenbahn fuhren die Männer den
Trümmerschutt ab. Die Mitarbeiter leisteten Unvorstellbares,
da bis zum Ende des Jahres 1945 fast alle
Straßenbahnstrecken wieder in Betrieb genommen
werden konnten – bis auf einige Abschnitte im
achsige Wagen. Die Entwicklung solcher
Fahrzeuge setzte die ab 1935 zur Waggonfabrik
Uerdingen gehörende Düsseldorfer
Waggonfabrik AG (Düwag) 1949 fort.
Stadtteil Styrum, die nach Brückensprengungen
nicht erreichbar waren. Im Jahr 1946 beförderte die
Straßenbahn in Mülheim bereits wieder 27 Millionen
Fahrgäste. Nach der Währungsreform am 20.
Juni 1948 besserten sich die Verhältnisse. Die Wiederherstellung
der Strecken gipfelten im Netzanschluss
einer neuen Siedlung in Oberdümpten im
Jahre 1952, die heute noch von der Linie 102 bedient
wird. Der Kauf von zehn KSW-Trieb- und fünf
passenden Beiwagen sowie fünf Aufbaumotorwagen
linderte bis 1949 die Kriegsverluste. Inzwischen
zählte der Verkehrsbetrieb jährlich knapp 32 Millionen
Fahrgäste pro Jahr, die er mit veralteten, oft
notdürftig reparierten Zweiachserzügen beförderte.
Ersatz sowie ein höheres Platzangebot durch Neubaufahrzeuge
waren dringend notwendig.
Die ersten Bestellungen aus Mülheim
Nachdem der überarbeitete Tandemantrieb
mit Achshohlwellen statt der zuvor verwendeten
Pendelrollenlager die Serienreife erlangt
hatte, bestellten die Betriebe der Stadt Mülheim
an der Ruhr bei der Düwag zunächst
sechs Großraumwagen für Einrichtungsbetrieb
zum Stückpreis von gut 160.000 DM,
den elektrischen Teil fertigte Siemens. Zu dieser
Zeit hielt man Einrichtungswagen für
komfortabler als Zweirichter, da sie durch die
geschlossene Bauweise auf der linken Seite
zugluftfrei waren und mehr Sitzplätze anboten.
Ohne einen zweiten Fahrerplatz samt
Fahrschalter kamen sie auch etwas preiswerter
daher. Der erste Wagen – in selbsttragender
Stahlleichtbauweise hergestellt – nahm am
19. Februar 1954 in Mülheim den Dienst auf.
Zum Einsatz kamen die neuen Fahrzeuge mit
den Betriebsnummern 220 bis 225 auf den
mit Essen betriebenen Gemeinschaftslinien 8
und 18 zunächst solo. An den Endstellen dieser
Linien – in Mülheim-Uhlenhorst und in
Essen-Steele bzw. bei der Verstärkerlinie 8 in
Essen am Porscheplatz – gab es Gleisschleifen.
Im Mülheimer Gebiet fuhren die neuen Wagen
ab der zweiten Hälfte des Jahres 1954 auf
der Linie 13, nachdem an der Duisburger
Straße/Akazienallee ein Gleisdreieck eingerichtet
war und die Endstelle Hauptfriedhof
eine Gleisschleife erhalten hatte. Zum Wenden
in Dreiecken verfügten die Fahrzeuge
über entsprechende Heckfahrschalter.
Technische Details der Wagen
Stolz erwähnten die Mülheimer die in ihrer
Heimatstadt produzierten Bauteile der neuen
Wagen: die von den Mülheimer Eisenwerken
hergestellten Getriebe und die von der Firma
Neumann gelieferten Lautsprecheranlagen.
Die Großraumwagen boten 29 gepolsterte
Sitz- und etwa 80 Stehplätze. Fahrer und
Schaffner führten ihre Tätigkeiten jetzt im Sitzen
aus, während sie zuvor ihre Arbeit täglich
bis zu zehn Stunden stehend verrichtet hatten.
Erstmals steuerten die Fahrer diese Fahrzeuge
nicht mit einer Fahrkurbel, sondern
bedienten den Doppelnockenfahrschalter
mit Schalthilfe über einen Fahrknüppel, wobei
die Bewegung nach vorne „Fahren“ und
nach hinten „Bremsen“ bedeutete (mit dem
Nullkontakt in der Mitte der Knüppelführung).
Diese Fahrschalter, ausgestattet mit
20 Fahr- (davon elf in Serie, acht parallel
und eine mit 30 Prozent Feldschwächung)
sowie 14 Bremsstufen, waren zu dieser Zeit
die modernsten ihrer Art: Sie benötigten im
Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit viel
weniger Raum und Gewicht als die älteren
Fahrschalter, weil durch die Doppelnockenschalterbauart
auf die sogenannte Fahr-
Brems-Walze verzichtet werden konnte, was
wiederum Unterhaltskosten einsparte.
Als Antrieb kamen je zwei Motoren des
Typs GB 191 der Siemens-Schuckert-Werke
AG mit einer Leistung von je 95 Kilowatt
zum Einbau. Die Bremseinrichtung bestand
aus einer elektrischen Kurzschlussbremse,
elektromagnetischen Schienenbremsen und
einer Handhebelbremse, die durch hydraulische
Druckübertragung auf die Bremstrom-
Der Tw 224 kommt am 31. August 1974 von der
unterirdischen Haltestelle Mülheim Hbf und erklimmt
die provisorische Rampe zur Fahrt nach
Mülheim-Heißen Kirche
WOLFGANG MEIER
38 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Mülheims Großraumwagen
meln wirkten. Zum Auslösen der Schienenbremse
und des Sandstreuers stand dem
Fahrer am Armaturenbrett ein Kombinationshebel
zur Verfügung, der mit der rechten
Hand zu bedienen war. Die Fronten der neuen
Fahrzeuge verfügten nach Düsseldorfer
Vorbild über eine geradestehende Panorama-Windschutzscheibe.
Ab Werk besaßen
die Wagen von der Bergischen Stahlindustrie
in Remscheid ab den 1940er-Jahren hergestellte
automatische Kompaktkupplungen.
Mülheim-Rathausmarkt: Bw 300 – der 1958 erstgelieferte Bw in Zweirichtungsvariante – ver stärkt
am 12. April 1962 auf Linie 15 nach Oberhausen den GT6 Nr. 253 WILHELM ECKERT, SLG. WOLFGANG MEIER
Einsatz der Mülheimer Großraumwagen 1958
Linie 8: Mülheim-Uhlenhorst – Essen, Porscheplatz (bei zwei Mülheimer und zwei Essener Kursen)
Linie 11: Mülheim-Hauptfriedhof – Essen-Stadtwaldplatz (über Essen-Borbeck; bei dieser Linie vermischte
sich der Betrieb mit Zweiachserzügen)
Linie 13: Flughafen – Raffelberg, Duisburger Straße (mit zwei Solowagen bei drei Kursen)
Linie 18: Mülheim-Uhlenhorst – Essen-Steele (vier Mülheimer sowie zwei Essener Züge)
Die Anschlusslieferungen
Da sich die neuen Fahrzeuge gut bewährten,
erteilten die Betriebe der Stadt einen Anschlussauftrag
von fünf weiteren Triebwagen
und vier Großraumbeiwagen, die zwischen Januar
und März 1955 als Tw 226 bis 230 und
Bw 186 bis 189 eintrafen. Die zweite Großraumwagenserie
war ebenfalls mit einer vornehm
wirkenden Innenraum-Holzverkleidung
versehen, aber mit 33 Sitzplätzen ausgerüstet.
Davon waren zehn Doppelsitze als Stapelsitze
ausgeführt, die in der Hauptverkehrszeit
auf die nebenstehenden Stühle gestülpt werden
konnten. Durch den Entfall der zehn Sitzplätze
gewann man 23 Stehplätze hinzu.
Die gut 40.000 DM teuren Beiwagen mit
einem Gewicht von knapp zehn Tonnen
verfügten über die gleiche Sitzplatzanordnung.
Neu war jedoch, dass deren Innenraum
nicht mit Holz, sondern ähnlich wie
bei Omnibussen mit Kunststoff verkleidet
war. Lackiert waren sowohl die Trieb- als
auch Beiwagen in Hellelfenbein, unterbrochen
mit einem breiten tannengrünen Farbband
unterhalb der Fenster, das wiederum
mit Chromleisten eingefasst war.
Im Jahre 1958 lieferte die Düwag vier weitere
Großraum-Einrichtungsbeiwagen, welche
die Betriebe als Bw 190 bis 193 in Dienst
stellten, so dass jetzt acht Mülheimer Großraumzüge
vornehmlich auf den mit der Essener
Verkehrs-AG (EVAG) betriebenen Gemeinschaftslinien
zum Einsatz kamen – siehe
Kasten. Auf drei Mülheimer Kursen der Linie
11 konnten demnach höchstens zwei Mülheimer
Großraumzüge fahren, die Essener
hatten hier fünf Kurse zu besetzten.
Der Tw 228 biegt im Juni 1973 mit einem ehemaligen
Bogestra-Beiwagen im Zuge der
Oberen Saarland straße auf der Linie 13 (seit
1980 VRR-Linie 110) in die Haltestelle Witthausstraße
ein GÜNTER HAPPEL, SLG. BERND OEHLERT
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
39
Fahrzeuge
Der Tw 227 bedient im Dezember 1985 in Richtung Mülheim die Haltestelle Siegfriedbrücke. Der
Gelenkwagen vom Typ M8C fährt als Gegenzeug in Richtung Friesenstraße REINHARD SCHULZ
Zu erwähnen ist, dass die Essener bis 1956
insgesamt 50 Triebwagen mit schwächerer
Motorleistung erhielten, weil sie zunächst auf
die Doppeltraktion setzten, aber auch entsprechende
Leichtbaubeiwagen in Betrieb
nahmen. Bis 1977 rüstete die EVAG dann 20
Großraumwagen mit je zwei 100-Kilowatt-
Motoren für den Einsatz mit Großraumbeiwagen
um. Ebenfalls im Jahre 1958 erhielt
Mülheim die fünf Zweirichtungsanhänger 300
bis 304 zur Verstärkung von gleichzeitig in
Dienst gestellten Gelenkwagen.
Auch aus der westlichen Nachbarstadt
kamen weitere Großraumwagen nach Mülheim:
Auf der Normalspurlinie 2 setzte die
Duisburger Verkehrsgesellschaft von DU-
Hochfeld Bahnhof-Süd bis zum Mülheimer
Rathaus auf acht Kursen regelmäßig einen
ihrer aus Wagen der Baujahre 1952 und
1954 gebildeten vier Großraumzüge ein.
Das war aber nicht von langer Dauer, da
sich die Duisburger auf die Anschaffung von
Gelenkwagen konzentrierten und 1962 ihre
Vierachser entsprechend erweitern ließen.
Für die von den Essenern vom 18. Mai
1952 bis zum 8. April 1958 werktäglich betriebene
Schnellbahnlinie D (Durchgangslinie
von Essen Hbf bis Mülheim Stadtmitte
und zurück) genügte ein Kurs, der im Stundentakt
mit einem Großraumwagen in 25
Minuten beide Zentren miteinander verband
und an der Stadtgrenze Kurswagen der Linien
8 und 18 überholen konnte – bei einem
Zeitgewinn von zehn Minuten. Mit dem Beginn
der Ausbauarbeiten auf der Kruppstraße
stellte die EVAG diese Linie ein. Ab 1963
bewährten sich die Großraumzüge der Linien
8 und 18 auf dem eigenen Bahnkörper der
nun autobahnähnlich ausgebauten Kruppstraße
im Zuge der heutigen Autobahn A 40
mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h.
Nachbestellung 1956 abgelehnt
und Modernisierungen
Während der Internationale Rat für Gesellschaftstanz
den Samba im Jahre 1959 in das
Turnierprogramm der lateinamerikanischen
Tänze aufnahm, sank das Interesse der Straßenbahnbetriebe
an Vierachsern, da zu dieser
Zeit bereits fassungsstärkere und leistungsfähigere
Gelenkwagen zur Verfügung standen.
So lehnten die Betriebe der Stadt Mülheim an
der Ruhr im Jahr 1956 ein Angebot der Düwag
zur Lieferung von fünf weiteren Großraum-Triebwagen
ab. Diese Fahrzeuge wären
mit den moderneren, größeren Seitenscheiben
ausgestattet gewesen und hätten die Betriebsnummern
231 bis 235 getragen.
Die elf vorhandenen Großraumtriebwagen
waren in Mülheim jedoch unverzichtbar.
Analog zur Modernisierung der ab 1958 angeschafften
Mülheimer Gelenkwagen unterzog
sie der Verkehrsbetrieb mehreren Umbauten.
So erhielten alle Wagen ab 1968
Der aus Tw 221 und Bw 183 (ex Bogestra) gebildete Großraumzug verkehrt am 19. Mai 1979 auf Linie 8 als Verstärkerzug bis zum Betriebshof
Mülheim-Broich, hier aufgenommen in der Leinweberstraße im Mülheimer Zentrum
BERND OEHLERT
40 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Mülheims Großraumwagen
elektromechanische Federspeicherbremsen
der Bauart Raco. In den Werkstätten von
Mülheim und der EVAG erfolgte bis 1969
auch den Umbau aller Wagen auf schaffnerlosen
Betrieb. Der heutige Museumstriebwagen
227 diente im Jahre 1964 als Prototyp
für den Umbau zum Einmannwagen. Dabei
entfiel der Schaffnerplatz, stattdessen erhielt
der Vierachser Fahrscheinentwerter und automatisierte
Türschließvorrichtungen. Die
Befestigung der ab Werk am rechten Türholm
angebrachten vorderen linken Eingangstür
wechselte nach links, um dem Fahrpersonal
bei an Haltestellen geöffneter Tür
mehr Bewegungsfreiheit für den Fahrscheinverkauf
zu ermöglichen. Die Armaturenbretter
erhielten Piktogrammtaster, den Einbau
einer Funkanlage kennzeichnete fortan
ein schwarzes „F“ auf der Fahrzeugfront.
Äußerlich waren die Wagen nach der Modernisierung
an dreiteiligen Streifen unterhalb
der Fenster zu erkennen, die pflegeintensiven
Chromleisten entfielen. Außerdem rüstete das
Werkstattpersonal alle Großraumwagen mit
automatischen Kupplungen der Bauart Scharfenberg
aus. Diese verbanden nicht nur die
Wagen, sondern gleichzeitig auch die Lichtund
Bremsleitungen miteinander. Alle Großraumbeiwagen
bekamen zudem Signalan -
lagen, Notbremseinrichtungen und eine elektrische
Abreißbremse; der Großteil der
Triebwagen erhielt einen Einholmstromabnehmer
der Bauart Stemmann BS 80.
Am Tw 230 erprobten die Verkehrsbetriebe
eine von der Firma Hanning & Kahl entwickelte
hydraulische Federspeicherbremse;
am Tw 229 testeten sie von Juli 1966 bis zum
August 1972 die elektronische Fahrschaltersteuerung
der Bauart Simatic. Die fünf Zweirichtungsbeiwagen
bauten die Betriebe ab
1963 ebenfalls auf schaffnerlosen Betrieb um.
Nach Einstellung der Linie 15 auf Oberhausener
Gebiet im Jahr 1971 rüstete man sie zu
Einrichtungswagen um und teilte ihnen danach
die Betriebsnummern 194 bis 198 zu.
Weitere Beiwagen von der
Bogestra und neuer Lack
Wegen des Bedarfes an zusätzlichen Beiwagen
kauften die Betriebe der Stadt Mülheim
an der Ruhr von der Bochum-Gelsenkirchener
Straßenbahn AG im Jahre 1971 fünf
Großraumanhänger der Baujahre 1955/56
an, die dort als Zweirichtungsfahrzeuge mit
den Betriebsnummern 507 bis 509, 513 und
514 eingesetzt worden waren. Nach der Anpassung
an die Mülheimer Betriebsverhältnisse
und dem Umbau auf schaffnerlosen
Einrichtungsverkehr gingen sie in Mülheim
zwischen Juni 1972 und Januar 1973 als Wagen
181 bis 185 in Betrieb. Sie unterschieden
sich von den einheimischen Wagen durch ihre
Türanordnung 2-1-1 (von hinten aus gezählt),
boten 37 Sitzplätze aus Durofol-Werkstoff
in Abteilform und 78 Stehplätze. An-
Am 3. November 1979
verlässt Tw 224 mit
einem ehema ligen
Bogestra-Beiwagen
die Stadtmitte am
Berliner Platz zum
Uhlenhorst
BERND OEHLERT
Das Prinzip des
Fahrgastflusses
entnahmen die
Fahrgäste ab 1955
den Fahrplänen
SLG. BERND OEHLERT
fangs waren sie noch beige lackiert, ab 1976
bekamen sie die neue gelbe Farbgebung und
verstärkten auf allen Mülheimer Linien das
Angebot sowohl hinter vierachsigen Großraumwagen
als auch hinter Sechsachsern.
Nach erfolgter Hauptuntersuchung kam
mit Tw 222 am 1. Mai 1975 der erste Großraumtriebwagen
in gelber Farbgebung auf
der Linie 13 in Betrieb. Allerdings wies er
im Gegensatz zum im Jahre 1974 umlackierten
Gelenkwagen 254 und dem inzwischen
gelb lackierten Bw 198 ein gelbes
Dach auf, um auch diese Farbvariante zu
testen. Nach einer Woche ließ die Betriebsleitung
das Dach des Tw 222 allerdings ins
pflegeleichtere Grau ändern. Nach diesem
Schema lackierten die Verkehrsbetriebe
fortan alle Straßenbahnwagen im Rahmen
von Hauptuntersuchungen entsprechend
neu. Lediglich die Tw 223 und 225 sowie
mehrere Großraumbeiwagen verkehrten bis
zu ihrem Ausscheiden mit dem alten hellelfenbein-farbenen
Anstrich.
Darüber hinaus erhielten alle Großraumwagen
ab Ende der 1970er-Jahre neue Vordertüren
mit fast bis in Fußbodenhöhe herunterreichender
Verglasung.
Die letzten Einsatzjahre
Die Tw 222 und 225 setzten die Betriebe der
Stadt Mülheim bei Bedarf als Fahrschulwagen
ein. Nach dem Beginn des Umbaus der Kruppstraße
auf Stadtbahnbetrieb beschränkte sich
das Einsatzgebiet der Vierachser ab dem
7. April 1974 fast ausschließlich auf das
Mülheimer Straßenbahnnetz. Nur auf der Linie
104 kamen die Wagen noch bis auf Essener
Gebiet. Der Tw 225 und der Bw 187 fuhren
allerdings im Rahmen einer Sonderfahrt
am 13. Juli 1987 durch das westliche Ruhrgebiet,
hauptsächlich durch Mülheim und Essen.
Im Frühjahr 1982 führte die Ruhrgebietstour
sogar bis zum Hauptbahnhof von
Recklinghausen. Der aus den frisch lackierten
Tw 230 und Bw 189 gebildete Zug verkehrte
an diesem Tag als eine der vielen Abschiedsfahrten
zur Vestischen Straßenbahn.
Während die letzten Essener Vierachser
im November 1982 den Weg des alten Eisens
gingen, schieden die Mülheimer Großraumbeiwagen
ab 1981 und die Großraumtriebwagen
ab 1984 aus. Nach einem
Unfall musterten die Betriebe im Mai 1984
als erstes den Tw 223 aus. Im September
1984 traf es dann die gelb lackierten Tw
221 und 224. Die letzten beiden Großraumtriebwagen
blieben bis zur Anlieferung
der Niederflur-Wagenserie 201 bis 204 im
Jahre 1995 in Betrieb.
Den Tw 230 und die Bw 185 sowie 186
gaben die Betriebe 1995 an ein im Aufbau
befindliches Museum nach Schwerte ab. Sie
kehrten später auf unerwartete Weise in
den Regeldienst zurück: Nach der Schließung
des Museums übernahm die drei
Fahrzeuge im Dezember 1998 der Straßen-
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
41
Fahrzeuge
Am 31. August 1997
finden anlässlich
des 100. Jubiläums
der Mülheimer
Straßenbahn auch
Stadtrundfahrten
mit dem Museums -
triebwagen 227
statt. Er startet am
Betriebshof, der im
Rahmen eines Tages
der offenen Tür für
alle Interessierte
geöffnet ist
BERND OEHLERT (2)
bahnbetrieb im rumänischen Arad, um damit
seinen Wagenpark weiter zu modernisieren.
Auch der zunächst in Mülheim als
Museumsbeiwagen vorgesehene Bw 183
kam im Jahr 2000 nach Rumänien. Diese
vier Fahrzeuge standen dort bis zum Jahr
2009 in Betrieb.
Das Museumsstück Tw 227
Der Tw 227 wird in Mülheim als betriebsfähiges
Museumsfahrzeug vorgehalten, seit
1993 trägt er wieder das Farbschema von
1964. Einen seiner ersten Einsätze als historischer
Wagen absolvierte er – noch behängt
mit dem ehemals Bochumer Bw 183 – anlässlich
der 100-Jahr-Feier der Essener Straßenbahn
am 22. August 1993 auf der Ausstellung
in der Schweriner Straße und beim
anschließenden Wagenkorso. Weitere Einsätze
fanden am 31. August 1997 zur 100-
Jahr-Feier der Mülheimer Straßenbahn auf
einer Sonderlinie zwischen Betriebshof und
Am 17. Mai 1999 –
dem „Vatertag“ –
genießen die Fahrgäste
im Tw 227 eine Ruhr -
gebietsrundfahrt
Länge
Breite
Drehzapfenabstand
Leistung
Masse
Daten & Fakten: Mülheims Großraumwagen
Baujahr Betriebsnummern Stückzahl
1954 Tw 220 bis 225 6
1955 Tw 226 bis 230 5
14,10 Meter
2,20 Meter
6,00 Meter
2 x 95 Kilowatt
17,1 Tonnen
Baujahr Betriebsnummern Stückzahl
1955 Bw 186 bis 189 4
1958 Bw 190 bis 193 4
1958 Bw 300 bis 304 5
(ab 1965 > Bw 194 bis 198)
von Bogestra 1955/56 ab 1972/73 in Mülheim 5
übernommen als Bw 181 bis 185
Hauptfriedhof sowie am 12. September
1998 anlässlich des RÜ-Festes im Essener
Stadtteil Rüttenscheid statt, als er zwischen
Holsterhauser Platz und Essen-Borbeck
pendelte.
Inzwischen mit dem Mülheimer Stadtwappen
„nachgerüstet“, kam der Museums -
wagen zu Sonderfahrten im Ruhrgebiet sogar
bis Wanne-Eickel. Zum 125. Jubiläum
der Essener Straßenbahn verkehrte er am
21. September 2013 mit Fahrpersonal der
Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft
(VHAG) der Mülheimer Verkehrsgesellschaft
zwischen den Gleisschleifen Knappschaftskrankenhaus
in Steele und Katernberg im
Osten Essens, nachdem Technik-Spezialisten
der VHAG-EVAG e.V. bei der Instandsetzung
des zuvor aufgrund von Fahrschalterschäden
abgestellten Wagens geholfen
hatten.
Aktuell steht der Mülheimer Großraumwagen
ohne Einschränkung für Sonderfahrten
zur Verfügung. Den Fahrdienst und
die Vermietung übernehmen die Mitglieder
der VHAG-MVG e.V. – dieser Verein ist per
Post auf der Duisburger Straße 78 in 45479
Mülheim, im Netz unter www.mhvg.de/
Service/Nostalgiefahrten.html oder unter
der Telefonnummer (02 01) 82 61 455 erreichbar.
Im nächsten Jahr blickt Tw 227
dann auf ein „erlebnisreiches“ Sechzigjähriges
zurück.
BERND OEHLERT
42 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Fahrzeuge
Die Dortmunder Stadtwerke (DSW) setzen als einziger Betrieb auch dreiteilige
Stadtbahnwagen B ein. Der Tw 349, hier am 1. Februar 1997 bei Westerfilde,
gehört zu den elf nachträglich mit einem Mittelteil ausgerüsteten B-Wagen
CHRISTIAN WENGER
Die Längsten und Jüngsten
Stadtbahnwagen B in Dortmund und Bochum Seit 1986 fahren in Dortmund spezielle
B-Wagen, und nur hier trifft man – seit 1996 – diesen Fahrzeugtypen auch als dreiteiligen Achtachser
an. Auch die BOGESTRA orderte für ihre einzige Normalspurlinie insgesamt 25 B-Wagen
Die ab 1986 an die Dortmunder Stadtwerke
(DSW) gelieferten B-Wagen
sind der zweiten Generation zuzurechnen.
Im Vergleich zu den Lieferungen
an andere Betriebe gibt es aber einige
betriebsspezifische Besonderheiten. Zwar
stammt der wagenbauliche Teil ebenfalls von
der Düsseldorfer Waggon fabrik AG (Düwag),
die elektrische Ausrüstung jedoch von der
AEG (Motoren) und BBC/Kiepe (übrige Elektrik).
Die Sitz- und Raum aufteilung ist weitgehend
identisch mit den fünf 1985 nach
Essen gelieferten Wagen. Am Gelenkportal
befindet sich allerdings auf Anordnung der
Landesregierung anstelle der in Köln üblichen
Längssitzbank jeweils auf einer Seite ein Behindertensitz
mit Aufstützhandlauf – wie
auch bei den Düsseldorfer Wagen. Die erste
Liefererserie für Dortmund umfasste 1986 die
zehn Wagen Nr. 301 bis 310.
Die Wagenkästen sind in Stahlleichtbauweise
erstellt und entsprechen den für die
meisten Betriebe gelieferten Wagen. Auch
die Drehgestellbauweise ist unverändert.
Das Leergewicht sank gegenüber den mit
38,4 Tonnen bereits gewichtsoptimierten
Essener Wagen noch einmal im 900 Kilogramm
auf 37,5 Tonnen. Die in herkömmlicher
Stahlbauweise gefertigten Düsseldorfer
B-Wagen der Serie 4000 wogen hingegen
43,4 Tonnen. Da die Dortmunder Fahrer
keine Fahrausweise verkaufen, verzichteten
die DSW auf die Einzeltüren an den Wagenenden.
Pro Seite des Gelenkwagens stehen
somit vier Doppeltüren zur Verfügung.
Eine Neuheit für den B-Wagen waren die
erstmals an Stelle von Schiebe- oder Falttüren
verwendeten Außenschwenktüren. Diese
gleichen denen der Stuttgarter Stadtbahnwagen,
arbeiten sehr geräuscharm und
reduzieren den Wartungsaufwand an der
Mechanik erheblich. Eine Mittelstange im
Bereich der Türöffnung gibt es nicht, weshalb
auch für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen
überall ein ungehinderter Zugang
möglich ist.
Den Einstieg führte die Düwag nur zweistufig
aus, da die Wagen ausschließlich an
90 Zentimeter hohen Bahnsteigen verkehren
sollten. Eine Klappstufe ermöglicht aber
auch den Zustieg von 35 Zentimeter hohen
Bahnsteigen. Die Schwenkstufen unterhalb
der Schürze entfielen. An der vorderen rechten
Doppeltür ist aber für den Fahrereinstieg
vom Schienenniveau ein Steigbügel unterhalb
der Schürze vorgesehen.
Abweichende Lackierung
bei erster Dortmunder Serie
Bei den zehn 1986 nach Dortmund gelieferten
B-Wagen gingen die DSW erstmals vom
zuvor üblichen braun/beigen Außenanstrich
ab: Die Fahrzeuge trugen die Stadtfarben
Rot/Weiß. Diese Lackierung wich jedoch in
der Ausführung vom „Einheitsanstrich“ der
meisten B-Wagen ab, denn das Fensterband
44 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
B-Wagen
und die Rammbohle an den Stirnseiten waren
weiß und die Wandflächen unterhalb der
Fenster mit Ausnahme eines schmalen weißen
Absetzstreifens rot gehalten. Die Türen
mit den ovalen Fensteröffnungen hatten
ebenfalls eine weiße Lackierung erhalten.
Als gelungen bezeichnen Stadtbahnkenner
die Fahrgastraumausstattung. Cremefarbene
Seitenwände kontrastieren gut mit der
braunen Holzmaserung der Fahrerraumtrennwände
und Sitzverkleidungen an den
Auffangräumen. Die weiße Decke mit Resopal-Oberfläche
weist zwei durchgehende
Leuchtbänder mit Alu-Raster-Abdeckung
auf. Die Polstersitze sind mit rotem Wollplüsch
bezogen, die Haltestangen mit rotem
Kunststoff ummantelt und der Fußboden
besteht aus hellgrauem, rauen Spoknolbelag.
Eine Novität für B-Wagen ist das Fehlen
von Entwerteranlagen im Fahrgastraum,
was die Verkabelung erheblich vereinfacht.
Da die Abfertigung in Dortmund an den
Stationen mit Automaten und Entwertern
erfolgt, konnte hierauf verzichtet werden.
Der Fahrerraum ist ausschließlich durch
eine Drehtür in der Trennwand vom Fahrgastraum
her zugänglich. Die Trennwand
erhielt zusätzlich auf der linken Seite Glasscheiben
für den Sichtkontakt zwischen
Fahrer und Fahrgästen. Die auch bei Doppelzugbetrieb
mögliche Sicht durch den
ganzen Zug dient auch der Vorbeugung von
Vandalismusschäden.
Die Liniennummern- und Ziel-Rollbandbeschilderung
an den Stirnseiten und an den
Wagenseiten ist mit dem IBIS-Steuergerät
auf dem Armaturenbrett einzustellen. Wie
auch die Kölner Wagen der zweiten Generation
verfügen die Dortmunder Wagen
über eine Haltestellen-Perlschnur auf der Innenseite
der wagenseitigen Anzeige, auf der
ein roter Lichtpunkt die nächstfolgende
Haltestelle anzeigt. Ein roter Pfeil verweist
auf die Fahrtrichtung.
Parallelen zu anderen
Stadtbahnwagen
Wie die meisten B-Wagen anderer Städte erhielten
die Dortmunder Fahrzeuge eine
Choppersteuerung mit Netzrückspeisung.
Dazu baute die Düwag flüssigkeitsgekühlte
Chopper ein. Die Antriebs- und Bremssteuerung
ist in Mikroprozessortechnik erstellt.
Für die Bordnetzversorgung wählte der Hersteller
einen statischen Umformer der Firma
AEG. Der Antrieb ist für eine Höchstgeschwindigkeit
von 80 km/h ausgelegt.
Der Stromabnahme dient der schon bei
den Stadtbahnwagen N bewährte Scheren-
Der noch fast werksneue Dortmunder Tw 302 kurz nach Aufnahme des Betriebes auf der Linie
U41 im Frühjahr 1987 am Hochbahnsteig der Haltestelle Immermannstraße AXEL REUTHER (2)
Die Dortmunder Linie U49 ist teils in Mittellage der B54 trassiert. Von einer Brücke über diese
Bundesstraße sind Blicke auf das Dach der eingesetzten B-Wagen möglich, hier der dreiteilige
Tw 348 im April 2014 vor der Haltestelle Westfalenpark
FELIX FÖRSTER
Ein von den DSW aus Bonn übernommener
Stadtbahnzug erreicht im Oktober 2007 die
Endstation Grevel der Linie U42. Die ersten acht
Bonner Wagen trugen zunächst alle Eigenwerbung
der Stadtwerke in zwei Ausführungen
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
45
Fahrzeuge
Ausschließlich in Dortmund fährt der
B-Wagen auch in achtachsiger Version
SLG. AXEL REUTHER (2)
Seitenansicht und Grundriss
der sechsachsigen
Dortmunder B-Wagen
Den seit mehr als zwei Jahrzehnten eingesetzten B-Wagen der Bogestra sieht man ihr Alter nicht
an, wie diese Aufnahme vom Juni 2014 im Untergrund von Herne zeigt
CHRISTIAN LÜCKER
stromabnehmer mit Doppelwippe der Firma
Stemmann. Um die Möglichkeit des gegenseitigen
Abschleppens zu gewährleisten, erhielten
die B-Wagen die mit den N-Wagen
identischen BSI-Kupplungen. Die Kupplungsachse
liegt daher mit 450 Millimeter
über SOK für Stadtbahnwagen recht niedrig.
B 80 C und N8C waren dann jedoch nur
mechanisch kuppelbar, nicht elektrisch.
Bei den ab Januar 1991 gelieferten Serien
(das Baujahr der ersten Wagen war noch
1990) kam es zu einigen Änderungen gegenüber
der ersten Serie von 1986. Während im
technischen Bereich nur der Einbau eines
Fehlerdiagnose-Gerätes im Fahrerstand zu
erwähnen ist, betreffen die augenfälligen Veränderungen
Lackierung, Fahrgastsitze (ab
Tw 355) und Zielbeschilderung. Die Wagen
sind im neuen Farbschema der DSW mehrheitlich
weiß lackiert. Lediglich die Rammbohle
an der Stirnfront und das Wagendach
sind in Rot gehalten, ebenso ein umlaufendes
Zierband im Bereich der Wagenschürze.
Neue Linienfilme zeigen anstatt einer weißen
Nummer auf blauem Grund eine weiße
Nummer auf der Untergrundfarbe der jeweiligen
Linie (die Wagen der ersten Serie
rüsteten die DSW mit derartigen Linienfilmen
nach). Von 1990 bis 1994 lieferte die
Düwag in dieser Form 44 Wagen (Tw 311 bis
354) nach Dortmund. Die Wagen der Erstserie
passten die DSW nach und nach dem neuen
Farbschema an. Die Ziel- und Seitenbänder
der Wagen sind mittlerweile durch
elektronische Anzeigen ersetzt worden.
Die Idee zum Mittelteil
Bereits Ende der 1970er-Jahre gab es Pläne,
die Kapazität von B-Wagen durch Einfügen
eines zusätzlichen Mittelteiles zu erweitern.
Ein entsprechendes Vorhaben in Köln verfolgte
der dortige Verkehrsbetrieb aber
nicht weiter.
Am Eröffnungstag der ersten Teilstrecke der Bogetra-Linie
U35 steht Tw 6001 am 2. September
1989 im Betriebshof Riemke AXEL REUTHER
46 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
B-Wagen
Verwendete Literatur
Spathmann, M. und Brunnecker, U.: Die elektrische
Ausrüstung für die neuen Stadtbahnwagen
B 80 D der Bochum-Gelsenkirchener
Straßenbahnen AG, in: Stadtverkehr, Heft 9/1988
NN: Stadtbahnwagen B80D für Bochum, in:
Stadtverkehr, Heft 3/1989
NN: Neues von der Stadtbahn Dortmund –
Stadtbahnwagen B80 C für die Dortmunder
Stadtwerke (DSW) in: Stadtverkehr, Heft 7/1987
Kapazitätsengpässe und die sich ergebende
Notwendigkeit, teilweise in Dreifachtraktion
zu fahren, bewogen die Dortmunder
Stadtwerke Ende 1994, dieses Projekt
wieder aufzugreifen. Zum einen bot das die
Möglichkeit, das Platzangebot ohne neue
Fahrzeuge zu erweitern, und zum anderen
genügt anstatt einer Doppeltraktion oft ein
achtachsiger Einzelwagen, was Fahrzeuge
für andere Verstärk ungen freisetzt.
Im Herbst 1995 bestellten die DSW für
die elf damals jüngsten Wagen der Baujahre
1993/94 je ein Mittelteil. Die damit in der
zweiten Jahreshälfte 1996 ergänzten Tw
344 bis 354 fuhren danach auf den Linien
U41 und U42 im Zugverband mit Sechsachsern,
nach Abschluss der Streckenanpassungen
ab Herbst auch einzeln auf der
U47 nach Aplerbeck.
Durch das Mittelteil erhöhte sich die Länge
der Wagen um zehn auf 38 Meter, das
Gewicht stieg von 37,5 auf 50 Tonnen und
das Platzangebot vergrößerte sich um 80
Plätze auf 260, davon 96 Sitze.
Der Tw 343 erhielt im Mai 1998 ebenfalls
ein Mittelteil, das in den Abmessungen
zwar den Stahlbauten der Düwag entsprach,
aber mehrheitlich aus glasfaserverstärktem
Kunststoff (GFK) gefertigt war
und als Erprobungsträger diente. Diese Bauweise
sollte eine Gewichtsreduzierung von
etwa 25 Prozent gegenüber der Stahlbauweise
ermöglichen. In der Praxis bewährte
sie sich jedoch nicht, so dass die DSW das
Mittelteil 2001 entfernen ließen. Seitdem
verkehrt Tw 343 wieder als Sechsachser.
Parallel zum Versuch mit dem GFK-Mittel
lieferte die Düwag in den Jahren
1998/99 zehn ab Werk achtachsige B-Wagen
– die Tw 355 bis 364 (jeweils mit Mittelteilen
aus Stahl). Doch damit war der
Fahrzeugbedarf in Dortmund noch immer
nicht gedeckt. Daraufhin übernahmen die
DSW im Jahr 2004 aus Bonn 13 gebrauchte
B-Wagen der ersten Generation. Davon
rüsteten die Stadtwerke letztendlich aber
nur zehn als Tw 401 bis 410 für den Liniendienst
in Dortmund um. Zwei dienten
von Anfang an als Ersatzteilspender, beim
13. Wagen hatten die Werkstattmitarbeiter
mit dem Umbau für den Liniendienst bereits
Der 1994 gebaute Dortmunder Tw 353 erhielt nachträglich ein Mittelteil. André Rogalla fotografierte
ihn im warmen Abendlicht an der Stadtbahnhaltestelle Obernette
Aktuelle Beiträge über B-Wagen im STRASSENBAHN MAGAZIN
Heft Titel Untertitel
9/13 Vom Kompromiss zum Erfolgsmodell 40 Jahre Stadtbahnwagen B
10/13 Das Vorbild vieler Sechsachser 40 Jahre Stadtbahnwagen B – Teil 2
11/13 Reif für Veränderungen 40 Jahre Stadtbahnwagen B – Teil 3
12/13 Die Geschichte geht weiter Dritte Generation B-Wagen für Köln und Bonn
1/14 Neuer Anblick – aber alte Wagen Veränderungen an B-Wagen für Bonn und Köln
5/14 Vielfalt statt Einheitsbrei Stadtbahnwagen B in Düsseldorf und Duisburg
7/14 Nicht nur anders lackiert Stadtbahnwagen B in Mülheim und Essen
begonnen, brachen ihn aber ab. Er diente
danach ebenfalls als Ersatzteilspender, ehe
ihn die DSW 2013 gänzlich zerlegen ließen.
Die Stadtbahnwagen der Bogestra
Für die erste normalspurige Stadtbahnlinie
der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen
(Bogestra) lieferte die Düwag in den
Jahren 1988/89 eine Serie von 13 Wagen
(Tw 6001 bis 6013) mit einer elektrischen
Ausrüstung von Siemens und Kiepe aus.
Diese Fahrzeuge sind der zweiten Generation
zuzurechnen und entsprechen vom
Grundprinzip her den an andere Betriebe
gelieferten Wagen. Wie schon die Dortmunder
Wagen haben sie keine Einzeltüren
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
47
Fahrzeuge
Seitenansicht und Grundriss der Bogestra-B-Wagen
Stadtbahnwagen B für den Rhein-Ruhr-Raum
Nummern Stück Baujahr Type Bemerkung Türanordnung Art Stromabnehmer
BOGESTRA
6001–6013 13 1988/89 B 80 D 0-2-2/2-2-0 D V
6014–6025 12 1992/93 B 80 D 0-2-2/2-2-0 D V
Summe 25
DORTMUND
301–310 10 1986 B 80 C (B6) 2. Gen. 0-2-2/2-2-0 D V
311–324 14 1990/91 B 80 C (B6) 2. Gen. 0-2-2/2-2-0 D V
325–334 10 1992 B 80 C (B6) 2. Gen. 0-2-2/2-2-0 D V
335–343*** 9 1993 B 80 C (B6) 2. Gen. 0-2-2/2-2-0 D V
344 1 1993 B 80 C (B8*) 2. Gen. 0-2-2/2-2-0* D V
345–354 10 1994 B 80 C (B8*) 2. Gen. 0-2-2/2-2-0* D V
355–364 10 1998/99 B 80 C (B8) 2. Gen. 0-2-2/2/2-2-0 D V
Summe 64
DÜSSELDORF
4001–4012 12 1981 B 80 D 2. Gen. 1-2-2/2-2-1 ** F E
4101–4104 4 1988 B 80 D 2. Gen. **** 1-2-2/0-2-0 F V
4201–4243 43 1985/86 B 80 D 2. Gen. Alu 1-2-2/2-2-0 F V
4244–4255 12 1987 B 80 D 2. Gen. Alu 1-2-2/2-2-0 F V
4256–4269 14 1988 B 80 D 2. Gen. Alu 1-2-2/2-2-0 F V
4270–4288 19 1992/93 B 80 D 2. Gen. Alu 1-2-2/2-2-0 F V
Summe 104
DUISBURG
4701–4714 14 1983/84 B 80 C 2. Gen. 1-2-2/2-2-0 F E
4715–4718 4 1984/85 B 80 C 2. Gen. **** 1-2-2/0-2-0 F E
Summe 18
ESSEN
5101–5111 11 1976 B 80 C ex B100S 1-2-2/2-2-1** S E
5121–5128 8 1978 B 80 C ex B100S 1-2-2/2-2-1 F E
5141–5145 5 1985 B 80 C 2. Gen. 0-2-2/2-2-0 F E
Summe 24
MÜLHEIM/RUHR
5012–5016 5 1976 B 80 S 1-2-2/2-2-1** S E
5031–5032 2 1985 B 80 C 2. Gen. 0-2-2/2-2-0 S E
Summe 7
SLG. AXEL REUTHER
Türanordnung: 0 = keine Tür; 1 = einfache Tür; 2 = Doppeltüren; ** = nachträglich Einzeltüren ausgebaut;
D = Drehschwenktür; F = Falttür; S = Schwenkschiebetür
Stromabnehmer: E = Einholm; V = Vollschere
Umbauten:
* = nachträglicher Umbau von Sechs- in Achtachser; *** = Tw 343 1998–2001 versuchsweise mit GFK-
Mittelteil als B8; **** mit Speiseabteil (bei den Duisburger Tw 4715–4718 im Jahr 2000 ausgebaut)
mehr an den Wagenenden und auch keine
Entwerter im Wageninneren, da Verkauf
und Abfertigung an den Stationen stattfinden.
Auch die Schwenktüren entsprechen
der Dortmunder Ausführung. Im Gegensatz
zu allen bisherigen B-Wagen gibt es keine
Eingangsstufen mehr, da der Einsatz ausschließlich
an 90 Zentimeter hohen Bahnsteigen
stattfindet. Als erster erfüllt somit
der Bogestra-Wagen vollständig die Kriterien
eines Schnellbahnfahrzeuges.
Der Wagenkasten ist in selbsttragender
Leichtstahlbauweise erstellt. Für den Untergestellrahmen
verwendete die Waggonfabrik
normalen Stahl, für den Wagenkastenaufbau
nichtrostenden Stahl. Infolge der
entfallenen Klappstufen führte die Düwag
die Außenprofile durchgehend aus, wodurch
sich das Wagengewicht reduzierte.
Das Leergewicht eines Bogestra-Wagens
liegt dadurch bei 37,5 Tonnen. Eine weiterer
Besonderheit stellt die Motorisierung
der Bochumer B-Wagen dar: Jedes Fahrzeug
wird anstelle der bisher üblichen Tandemantriebe
von vier neuentwickelten kleinen
Einzelachsmotoren mit je 136 Kilowatt Leistung
angetrieben.
Der Wagenkasten hat gegenüber den B-
Wagen anderer Betriebe ein kantigeres Aussehen,
da Stirn- und Seitenwände nach oben
hin leicht eingezogen und Schürze und
Dachkante etwas stärker abgewinkelt sind.
Das dadurch gefälligere Aussehen wird
auch durch die Lackierung unterstrichen,
die erstmals für Stadtbahnwagen den vom
Verbund für Schnellverkehrslinien vorgegebenen
Kriterien entspricht. Der Wagenkasten
ist in weiß gehalten, die Fensterpartien
sind durch ein hellgraues Band abgesetzt. Je
ein roter Absetzstreifen verläuft unter der
Dachkante und im Bereich der Wagenschürze
und ein orangefarbener Absetzstreifen
am Schürzenrand. Im Bereich der
Schürze tragen die Fahrzeuge den Schriftzug
und das Markenlogo des „City-Express“.
Insgesamt 25 B-Wagen bei Bogestra
Bei den Farben im Wageninneren überwiegen
helle Farbtöne. Die Schalensitze verfügen
über eine hellblaue Wollplüschauflage
auf Sitzfläche und Rückenlehne. Ein behindertengerechter
Sitz ist auch in den Bochumer
Wagen zu finden. Der Führerraum ist
vom übrigen Wageninneren abgetrennt, der
Zugang erfolgt aus dem Fahrgastraum
durch eine Tür mit großem Fenster. Anstelle
eines weiteren Fensters sind in der Führerstandsrückwand
der Bochumer Wagen
Steuer- und Überwachungsgeräte eingebaut.
Aus Sicherheitsgründen achtet die Bogestra
auf eine gute Überschaubarkeit des Innenraumes,
gläserne Trennscheiben an den Einstiegräumen
und die Ausführung der Gelenkverbindung
gestatten freie Durchsicht
fast über die gesamte Wagenbreite.
48 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
B-Wagen
Lieferung von Stadtbahn -
wagen B – Gesamtzahlen
Stadt Stück Bemerkungen
Bochum 25
Bonn 75 52 Stück SWB; 23 Stück SSB
Dortmund 64 davon 21 B8 (elf umgebaut)
Duisburg 18 davon vier mit Speiseabteil
Düsseldorf 104 davon vier mit Bistro-Abteil
Essen 24 davon elf durch SRR
beschafft
Köln 172 davon 13 Stück für KBE
Mülheim 7 davon fünf durch SRR
beschafft
Summe 489
Der Tw 6024, ein B-Wagen der zweiten Bogestra-Lieferung, verlässt 2011 in einem Doppelzug
die Haltestelle Ruhr-Universität in Richtung Innenstadt AXEL REUTHER (2)
Auch in den Bochumer Wagen sind die
Türen behindertengerecht ohne mittlere
Haltestange ausgeführt. Die Türsicherung
erfolgt über Druckschwellenkontakte im
Gummiprofil sowie durch Lichtschranken
und Motorstromüberwachung. Das Öffnen
der Türen kann zentral vom Fahrerplatz aus
oder individuell durch den Fahrgast erfolgen.
Während dazu im Innenraum die entsprechenden
Druckknöpfe vorhanden sind,
erfolgt das Öffnen von außen erstmalig mit
Hilfe eines Bewegungsmelders. Über der
Tür befindet sich eine entsprechende Einrichtung,
der die Tür bei Erfassen des Fahrgastes
automatisch öffnet. Im Falle einer
Türsteuerung wird dies durch eine Leuchtschrift
innen und außen an den jeweiligen
Türen angezeigt. Das Fahrzeug verfügt über
eine IBIS-Ausrüstung zur Ansteuerung der
Zuglenkung, Fahrziel- und Fahrwegmarkierung
mit Haltestellenmarkierung und
Lautsprecheransage.
Mehrere kleine Veränderungen
Eine nach Nummer und Ziel getrennte Rollfilmanzeige
an den Fronten und Fahrweganzeigen
an den Wagenseiten gewähr leisteten
eine gute Fahrgastinformation.
Mittlerweile haben elektronische Anzeigen
die Rollbänder an den Fronten ersetzt, während
die Linienkästen an den Wagenseiten
mit einer Folie mit der aufgedruckten Liniennummer
„U35“ verschlossen sind. Im
Wageninneren wird die nächste Haltestelle
durch eine an den Gelenkbögen montierte
Leuchtschrift angezeigt.
In technischer Hinsicht handelt es sich bei
dem Wagen für Bochum um eine Ausführung
mit umrichtergespeisten Drehstromantrieben
und Mikroprozessorsteuerung und einer
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Die
technische Ausstattung entspricht im Wesentlichen
derjenigen anderer Betriebe. Neu ist der
Einsatz eines zentralen Diagnose- und Steuergerätes,
das bei der Fehlersuche und Wartung
hilft sowie einen sparsamen Energieverbrauch
im Fahrbetrieb sicherstellt. Zur Verlängerung
der normalspurigen Stadtbahnlinie U35 kamen
1992/93 zwölf gleichartige Wagen (die
Tw 6014 bis 6025) hinzu. Sie sind bis heute im
täglichen Betrieb zu finden. AXEL REUTHER
Die B-Wagen bestritten lange Zeit den Gesamtverkehr auf der U35. Die 25 Exemplare reichten aber wegen des deutlich gestiegenen Fahrgastaufkommens
irgendwann nicht mehr aus, so dass die Bogestra ihnen inzwischen sechs Stadtbahnwagen vom Typ Tango zur Seite stellen musste
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
49
Geschichte
50 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Einst & Jetzt
Einst
&Jetzt
Am 2. Mai 1990 erreichte ein Zweiachser-Zweiwagenzug des
VEB Städtischer Nahverkehr Halberstadt die Endhaltestelle in
der Voigtei. Hier musste er über ein Gleisdreieck wenden. Den
Tw 42 vom Gotha-Typ T2D hatte ČKD im Jahre 1968 gebaut
und bis 1972 der Verkehrsbetrieb von Halle an der Saale genutzt.
Den Bw 54 vom Typ B57 lieferte die Waggonfabrik Gotha 1961
nach Magdeburg, er kam 1968 in die Stadt am Fuße des Harzes.
Im Aufnahmejahr gab es in Halberstadt ausschließlich zweiachsige
Fahrzeuge, mit denen 6,2 Millionen Fahrgäste unterwegs
waren. In der im Zweiten Weltkrieg großteils zerstörten Altstadt
bestanden viele Baulücken und zahlreiche Fachwerkhäuser waren
dem Verfall preisgegeben. Um neuen Wohnraum zu schaffen,
ersetzte die Stadtverwaltung in den letzten DDR-Jahren alte
Bausubstanz systematisch durch Plattenbauten. Eine rühmliche
Ausnahme bildete das Haus Voigtei Nr. 48, dessen Fassade sich
in schön renoviertem Zustand zeigte.
Knapp 24 Jahre später ist die Straßenbahn – trotz hartnäckiger
Stilllegungsdiskussionen – immer noch in Betrieb, wenn auch
die Fahrgastzahlen mittlerweile um fast zwei Drittel gesunken
sind. Bald nach der politischen Wende kam es zur Erneuerung
der Infrastruktur und am 4. August 1993 ging eine eingleisige
Neubaustrecke zum Wohngebiet Nordring (Sargstedter Weg)
in Betrieb. Von 1991 bis 2003 schaffte der Verkehrsbetrieb insgesamt
18 Gelenktriebwagen Typ GT4 aus Stuttgart, Freiburg
und Nordhausen (ex Freiburg) an. Heute reichen gewöhnlich
die fünf, 2006/07 beschafften „Leoliner“-Niederflurwagen
für den Betrieb der Linien 1 und 2 aus, als Reserve stehen aber
noch die GT 4 Nr. 156, 167 und 168 zur Verfügung. Die Aufnahme
mit Tw 156 entstand am 26. März 2014.
TEXT & FOTOS: WOLFGANG KAISER
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
51
Geschichte
Juwelenjagd
in Esslingen
Am 27. Februar 1978, dem
vorletzten Betriebstag der END,
fährt Tw 6 die 70-Promille-Steigung
von Scharnhausen nach Neuhausen hinauf
WOLFGANG MEIER
52 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
END
Erinnerungen an die END Auch mehr
als 35 Jahre nach ihrer Einstellung und dem
Abriss besteht die Straßenbahn Esslingen –
Nellingen – Denkendorf in der Erinnerung
vieler Menschen fort. Doch was macht
den Nimbus dieser eheamligen Überlandstraßenbahn
im Schwäbischenaus?
Am letzten Betriebstag der END – am 28. Februar 1978 – sind die Wagen bis abends gut gefüllt. Neben
Straßenbahnfreunden nehmen auch viele Einheimische von der Straßenbahn Abschied DIETER SCHLIPF
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
53
Geschichte
Die Wagen- und Werkstatthalle in Nellingen nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1926; drei Jahre später
ergänzte die END den Bau um eine zweite Halle dieser Form SLG. GOTTFRIED BAUER (2)
Spricht man ältere Straßenbahnfreunde
auf die Straßenbahn Esslingen–
Nellingen–Denkendorf (END) an,
beginnen die Augen aller zu leuchten,
die diesen reizvollen Überlandbetrieb
noch kennengelernt haben. Doch was
machte die Attraktivität dieser Strecken
aus? Spontan fallen Aussagen wie „die Steigung
zum Zollberg“, „der Wageneinsatz“,
„die abwechslungsreiche Trassierung“ oder
„der dichte Takt in der Hauptverkehrszeit“.
Die Aktionen zur Dokumentation der letzten
Einsatzmonate glichen entsprechend oft
einer Juwelenjagd – kein Weg war zu weit,
um den Straßenbahnbetrieb noch einmal in
Aktion zu erleben.
Mit ihren Aufnahmen, Filmen und Erzählungen
haben die Zeitzeugen von damals
längst auch jüngere Straßenbahnfreunde
für die END begeistert, obwohl
deren Schienenverkehr seit 1978 Geschichte
ist und Omnibusse die Aufgaben der
Straßenbahnwagen übernommen haben.
Die Ausgangssituation
im 19. Jahrhundert
Die Nachbargemeinden von Esslingen (bis
Oktober 1964 offiziell Eßlingen geschrieben)
im Neckartal sind bereits seit 1845/46
durch die württembergische Ostbahn erschlossen.
Aufgrund der Tallage Esslingens
entstanden aber nach der Genehmigung
zum Bau von Eisenbahnen untergeordneter
Bedeutung ab 1878 keine Nebenstrecken in
die nördlich und südlich der Stadt gelegenen
Orte und Gemeinden. Auch die ab 1885
verfolgten Pläne zum Bau einer Eisenbahn
von Eßlingen in die Fildergemeinden südlich
der Stadt ließen sich nicht umsetzen. So liefen
aus diesen Gemeinden täglich etwa
2.000 Menschen die Zollbergsteige zu ihren
Arbeitsstellen im Neckartal zu Fuß hinab –
und zum Feierabend wieder hinauf ...
Mit fortschreitender Industrialisierung und
parallel wachsender Bevölkerung wuchs das
Bedürfnis nach einem Nahverkehrsmittel ab
1900 weiter an. Doch zunächst waren es wieder
die Menschen im Neckartal, denen ein
weiteres öffentliches Verkehrsmittel zur Ver-
54 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
END
fügung stand: die Eßlinger Städtische Straßen -
bahn. Sie verband ab dem 24. Mai 1912
Ober türkheim (1922 nach Stuttgart eingemeindet)
mit Mettingen, dem Bahnhof Eßlingen
und Obereßlingen (1913 in Eßlingen eingemeindet).
Dieser 7,5 Kilometer langen
Durchgangslinie folgte im Sommer 1912 eine
Stadtlinie, sie schloss die Eßlinger Altstadt an
den Bahnhof an. Auf Grundlage eines gemeinsamen
Gesellschaftervertrages führte die
Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) den Betrieb
der Eßlinger Städtischen Straßenbahn.
Kriegsbedingt stellte die SSB den Verkehr auf
der Stadtlinie 1915 ein – und nahm ihn auch
nach 1918 nicht mehr auf. (Der Betrieb auf
der Durchgangslinie endete am 7. Juli 1944,
Obusse übernahmen diese Leistungen.)
Eine Straßenbahn soll es richten
Nachdem weder vor noch im Ersten Weltkrieg
der Bau einer Eisenbahnstrecke von Eßlingen
auf die Filderebene zustande gekommen war,
unternahmen nach der Wirtschaftskrise An-
Sowohl den Verlauf
der Städtischen Straßenbahn
Eßlingen
als auch END sowie
der später eröffneten
Bus- und Stadtbahnlinien
verdeutlicht
diese Übersicht
GRAFIK: IVONNE WINKLHOFER
Der Fotograf der
Stuttgarter Straßenbahnen
hielt im
Dezember 1926 eine
Probefahrt in der
zweiten Zollbergkehre
auf einer
Glasplatte fest.
Die Häuser im Neckartal
gehören zur
Pliens auvorstadt
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
55
Geschichte
Auf dem Esslinger Bahnhofsvorplatz
warteten im Frühjahr 1973
die Fahr gäste auf „ihre“ Straßenbahn
oder den Obus. Dieser hatte
1944 die Eßlinger Städtische
Straßenbahn von Ober türkheim
nach Obereß lingen abgelöst
ULLRICH MÜLLER
Vom Pliensauturm am Neckarufer war der Verlauf der END gut zu überschauen. So entstand am
25. Februar 1978 sowohl diese Aufnahme des Tw 2 auf der Rampe zur Pliensaubrücke …
… als auch von Tw 8, der gerade mit einem Bw
in der Gegenrichtung fahrend den Neckar zum
Bahnhofsvorplatz überquert DIETER SCHLIPF (2)
Daten & Fakten: END
Betreiber:
Straßenbahn Esslingen-Nellingen-Denkendorf GmbH
Betriebsführung:. Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB)
Spurweite:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.000 Millimeter
Konzessionserteilung: . . . . . . . . . . . . . . 24.06.1926
Eröffnungen:
Esslingen – Denkendorf: . . . . . . . . . 18.12.1926
Nellingen – Neuhausen: . . . . . . . 21.09.1929
Streckenlänge: . . . . . . . . . . . . . . . . . 11,6 Kilometer
Zweigleisigkeit: . . . . . . Pliensauturm – Weilstraße und
. . . . . . . . . . . . . . . . . . Zollberg – Mutzenreisstraße
Hersteller Fahrzeuge: . . . . . Maschinenfabrik Eßlingen
erhaltene Fahrzeuge:. . . . . . . sechs Tw und vier Bw
Einstellung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.02.1978
fang der 1920er-Jahre die Schultheißen von
Berkheim, Nellingen auf den Fildern, Denkendorf
sowie Neuhausen auf den Fildern einen
neuen Anlauf. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister
von Esslingen beschlossen sie
am 19. August 1924 eine Gesellschaft zum
Bau einer Überlandstraßenbahn zu gründen.
Knapp ein halbes Jahr später setzten sie dieses
Vorhaben in die Tat um. An der per 27. Januar
1925 mit einem Stammkapital von
750.000 Reichsmark gegründeten Gesellschaft
hielt die Stadt Eßlingen mit 375.000
Reichsmark die Hälfte der Anteile. Ein Fünftel
übernahm die Stuttgarter Straßenbahnen
AG; die Gemeinde Nellingen auf den Fildern
beteiligte sich mit 113.000 Reichsmark (etwa
15,1 Prozent) und Denkendorf mit 112.000
Reichsmark (etwa 14,9 Prozent).
Am 24. Juni 1926 erhielt die Straßenbahn
Eßlingen–Nellingen–Denkendorf GmbH die
Konzession zum Bau und Betrieb einer meterspurigen
Überlandstraßenbahn von Eßlingen
über die Zollbergsteige hinauf nach Nellingen
und weiter nach Denkendorf. Sechs
Monate später war es soweit: Die END eröffnete
am 18. Dezember 1926 den Betrieb,
drei Jahre später – am 21. September 1929 –
nahm sie die Verlängerung von Nellingen
über Scharnhausen nach Neuhausen in Betrieb.
Im Vorfeld dieser Erweiterung hatten
sich im Februar 1928 auch die Gemeinden
Scharnhausen und Neuhausen auf den Fildern
der Gesellschaft angeschlossen und das
Stammkapital erhöht, welches die Gesellschafter
danach prozentual umverteilten. Für
den von den SSB geführten Betrieb beschaffte
die Gesellschaft bei der Maschinenfabrik
Eßlingen 1926 zunächst fünf vierachsige
Trieb- und sieben zweiachsige Beiwagen. In
den Jahren 1927, 1929 und 1942 folgten
weitere fünf baugleiche Triebwagen sowie
schließlich 1955 – da die Konstruktion für
56 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
END
ein Ganzstahlfahrzeug noch nicht fertiggestellt
war – der vermutlich letzte neue Holzkastenwagen
Deutschlands, mit einer Sondergenehmigung
nach den Originalplänen
aus dem Jahr 1926.
In den Jahren 1927, 1929 und 1941 kamen
aber auch acht gleichartige Beiwagen
zur END. Sie alle waren in der viergleisigen
Wagenhalle mit angeschlossener Werkstadt
in Nellingen stationiert, an welche die END
1929 eine weitere viergleisige Halle anbauen
ließ. Damit stellte Nellingen zugleich den
Betriebsmittelpunkt der Straßenbahngesellschaft
dar.
Die Trassierung der END
Die END begann anfangs in Eßlingen auf
der Eisenbahnstraße neben der Post (ab
1953 auf dem Bahnhofsvorplatz) und überquerte
von dort zunächst auf der Pliensaubrücke
die Eisenbahngleise und anschließend
den Neckar. Auf dessen südlicher Seite
durchfuhr die Straßenbahn einen Teil der
Pliensauvorstadt und folgte den Serpentinen
der Zollbergstraße hinauf nach Nellingen
auf den Fildern. Dabei erklomm sie knapp
130 Höhenmeter. Von Nellingen führte die
Trasse auf der Hochebene weiter nach Denkendorf,
welches sich bis ins Körschtal erstreckt.
Die Endstation Denkendorf befand
sich jedoch am oberen Ortsrand in einer
kleinen Senke, dadurch lag das zum Umfahren
genutzte Gleisende in einer Steigung.
Es ermöglichte das Umsetzen von gerade einem
Triebwagen und endete mitten auf der
Schäfersteige.
Die 1929 eröffnete Stichstrecke von Nellingen
nach Neuhausen war zunächst zweigleisig
in der Hindenburgstraße verlegt, dann
führte sie eingleisig auf eigener Bahntrasse
hinunter ins Körschtal zunächst zur Ausweichhaltestelle
Krähenbach und danach
weiter zur ebenfalls zweigleisigen Haltestelle
Scharnhausen. Diese lag etwa 600 Meter
vom Ort entfernt, der Bau einer Stichstrecke
in die Gemeinde blieb in der Planungsphase.
Danach ging es mit 70 Promille bergauf in
Richtung Neuhausen. Diese Gemeinde erreichte
die END am nördlichen Ortsrand.
Nach einer dort angelegten Haltestelle folgte
etwa 500 Meter weiter die Endausweichstelle.
Das von dort ungefähr 60 Meter weiterführende
Stumpfgleis wurde nur selten
von Solowagen befahren.
Weitere betriebliche Besonderheiten
Bis zum Wiederaufbau der 1945 gesprengten
Pliensaubrücke im Oktober 1946 lag die Endstation
Esslingen in der Ausweiche Weilstraße.
Während der Erweiterung der neuen Pliens aubrücke
im Jahr 1964 über die vierspurig ausgebaute
Bundesstraße 10 konnten die Wagen
der END den Esslinger Bahnhofsvorplatz
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
57
Geschichte
58 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
END
Am 27. Februar
1978 nutzte ein
Großvater den
letzten Betriebssonntag
für eine
letzte Fahrt mit
seinem Enkel mit
der END, hier bei
der Einfahrt des
Tw 3 in die
Ausweichstelle
Scharnhausen
WOLFGANG MEIER
Nach dem Passieren
des Durchlasses
unter der Autobahn
A8 – hier
am 9. Februar
1969 – sind es nur
noch wenige Hundert
Meter bis
Neuhausen
DIETER SCHLIPF
Mitten auf der Pliens aubrücke
lichtete Dieter
Schlipf am 22. Oktober
1977 mit Tw 9 einen der
Altbauwagen der END ab
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
59
Geschichte
Schichtwechsel am Nachmittag des 29. September
1961: Alles was rollen kann, ist auf
der END im Einsatz – hier Tw 9 mit zwei Bw
sowie Tw 3 mit Bw 22 und ganz hinten Tw 2.
Der Solowagen bediente die Haltestelle Zollberg,
wo Züge aufgrund der Steigung bergwärts
nicht hielten
JÖRG ZIMMER (2)
Die END in den 1950er- und 1960er-Jahren
Sie war eine der letzten neueröffneten Straßenbahnen
in Deutschland. Seit 1926 ersparte die END täglich
mehreren Tausend Arbeitern einen viele Kilometer
langen beschwerlichen Anmarsch von den
Filderorten über die Zollbergsteige in die Eßlinger
Fabriken und abends den ermüdenden Heimweg
bergauf. Die Straßenbahn entwickelte sich zum Segen
für Stadt und Land.
Die Endstation in Eßlingen lag zunächst in der Eisenbahnstraße
neben der Post, die nach der großen
Innenstadtschleife am Schelztor vorbei erreicht wurde.
Dann aber kamen sich zunehmender Autoverkehr
der Wirtschaftswunderzeit und die den Bahnhofsvorplatz
kreuzende Straßenbahn immer mehr ins Gehege.
Die END wich 1953 auf eine neue und für sie günstigere
Schleife direkt vor dem Bahnhofsgebäude aus.
Die END bot in den 1950er- und 1960er-Jahren –
je nach Tageszeit und Wochentag – einen 12- bis 48-
Minuten-Verkehr an. Die Kurse bestanden entweder
aus Solo-Triebwagen oder aus einem Triebwagen mit
einem bzw. zwei Beiwagen.
Hoch her ging es im Berufsverkehr: Ein einzelner
Triebwagen fuhr voraus hinauf auf den Zollberg, ihm
folgten im Sichtabstand zwei Dreiwagenzüge über die
ganze Strecke. Alles was rollen konnte, war unterwegs!
Erinnerungen an den Streckenverlauf
Vom Bahnhof Eßlingen verlief die Strecke über eine
Rampe auf die mittelalterliche Pliensaubrücke –
hier war die Strecke zweigleisig. In der Pliensauvorstadt
am linken Neckarufer begann der 72 Promille
steile Anstieg mit drei Kehren hinauf auf den
Zollberg. Die Trasse lag, nicht immer profilfrei, meist
auf oder unmittelbar neben der Straße – mit allen
Konsequenzen für den übrigen Verkehr. Dann folgte
der ebenere Abschnitt nach Nellingen (damals
noch nicht Ostfildern). Hier befand sich der Betriebsmittelpunkt
mit dem Depot an der Schillerstraße.
In Nellingen war die END die Beherrscherin der
Durchgangsstraße mit zwei Ausweichen, geradeaus
Richtung Denkendorf, nach rechts Richtung Neuhausen.
Ein- und ausgestiegen wurde über die Fahrbahn,
dazu kamen mehrfach täglich Rangiermanöver
mit an- und abzuhängenden Beiwagen. Die Folge
war, dass der schon damals nicht unbedeutende
Autoverkehr regelmäßig zum Stillstand kam. Das
war für die Gegner des Straßenbahnverkehrs ein
„Beweis“ dafür, dass das Schienenverkehrsmittel
nichts anderes als ein Störfaktor sei und verschwinden
müsse …
Geradeaus ging es nach Denkendorf. Der Ort liegt
am Hang über dem Körschtal, die Endstelle lag, für
die Fahrgäste eher ungünstig, am oberen Rand, in
der steilen Dorfstraße ins Tal hinab lagen keine Gleise
– das war ein Schwachpunkt der END.
Der Ast nach Neuhausen
Seit 1929 führte die Straßenbahn von Nellingen
nach Neuhausen. Nach dem Abstieg ins Körschtal
und der 70-Promille-Steigung wieder bergauf bedienten
die Wagen die Haltestelle Scharnhausen.
Dass diese über einen halben Kilometer von der
ebenfalls nicht erreichten. Sie wendeten in dieser
Zeit mittels einer einfachen Wendeschleife
westlich der Brückenrampe in der Pliensauvorstadt.
Diese dazu neu errichtete Anlage
diente während der Brückensperrung zugleich
als provisorische Endhaltestelle. Damit sich
ihre Schuhsohlen weniger abnutzten, fuhren
von Juni 1945 bis Mitte 1947 besonders viele
Menschen mit der Straßenbahn. Der Andrang
in den Wagen war umso größer als dass
die END in dieser Zeit zwei Trieb- und zwei
Beiwagen an die Filderbahn ausleihen musste.
Im Jahr 1958 beschaffte die END je zwei von
der Maschinenfabrik Eßlingen gebaute vierachsige
Großraumtrieb- und beiwagen. Sie
versahen fortan gemeinsam mit den Altbauwagen
den Dienst.
Die Einstellung
Für die am 28. Februar 1978 erfolgte Einstellung
des Straßenbahnbetriebes werden
heute unterschiedliche Gründe angeführt.
Am häufigsten – und sicherlich tatsächlich
ausschlaggebend – nennt man wirtschaftliche
Gründe. Spätestens in den 1980er-
Jahren hätte die END sowohl in die Gleise
als auch elektrischen Anlagen nicht
unerheblich investieren müssen, um einen
sicheren Weiterbetrieb zu garantieren.
Gleichzeitig war die Bevölkerung in den
1970er-Jahren auf den Pkw- und Bus-Verkehr
fixiert. Da die selbst motorisierten
Menschen die Straßenbahn vor allem an
60 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
END
Nellingen im August 1975: Tw 13 nach Denkendorf passiert den zweigleisigen Abzweig in die Hindenburgstraße
(nach Neuhausen). Der Tw fährt in die Ausweiche ein, an die das Depot anschließt
Am letzten Betriebstag, am 28. Februar 1978,
trugen mehrere Fahrzeuge der END Trauerkränze,
so auch Triebwagen 11 DIETER SCHLIPF
Hinter der Endstelle Denkendorf befand sich das letzte Gleisstück auf der Schäfersteige. Das
Umsetzen erforderte Konzentration, wie hier Ende 1976 vom Fahrer des Tw 6 GOTTFRIED BAUER
Ortsmitte entfernt lag, war ein weiterer Schwachpunkt
der END.
Während des Baus der Reichsautobahn entstand
in den 1930er-Jahren ein enger Durchlass für die
Straßenbahn – an dieser Stelle befindet sich an der
heutigen A 8 ein Hinweisschild. Dann endete die
END im nördlichen Teil von Neuhausen. Von der
End-Ausweiche verlief ein Stumpfgleis bis zur Ortsmitte,
das damals noch unregelmäßig von Einzeltriebwagen
befahren wurde.
der Zollbergsteige als Verkehrshindernis
empfanden, baute sich ein lokalpolitischer
Druck auf, den Störfaktor Schienenverkehr
zu beseitigen. Unter diesen Umständen
traf die Geschäfts führung der END
die Entscheidung, den Straßenbahnbetrieb
zu beenden und den Weg für Busse frei zu
machen.
Dazu übergab sie Ende Februar 1978
die Betriebsführung an den Städtischen
Verkehrsbetrieb Esslingen am Neckar
Die END war in den 1950er- und 1960er-Jahren
mit jährlich drei bis vier Millionen Fahrgästen
unentbehrlich. Was die Zukunft bringen würde,
war unklar, aber als im Jahr 1958 zwei neue moderne
Züge (Tw 12 + 13, Bw 36 + 37) in Betrieb
gingen, schien der Anfang für eine neue END gemacht.
Sogar Erweiterungspläne gab es, unter
anderem von Neuhausen über Sielmingen nach
Bernhausen und nach Berkheim. Doch es blieb
bei den Plänen …
JÖRG ZIMMER
(SVE), der als Ersatz für die beiden Straßenbahnlinien
zwei Buslinien einrichtete:
• die ED (Esslingen – Denkendorf),
seit 1985 Linie 119
• EN (Esslingen – Neuhausen),
seit 1985 Linie 120
Für diese Linien beschaffte der SVE erstmals
in seiner Geschichte Gelenkbusse des Daimler-Benz-Typs
O305G. Für diese Bauart war
das zugleich der erste kommerzielle Einsatz.
Die Straßenbahn Esslingen–Nellingen–Denkendorf
GmbH existiert übrigens bis heute,
sie firmiert allerdings seit März 1978 als
END Verkehrsgesellschaft GmbH & Co.
KG und erbringt vor allem im Landkreis
Esslingen lokale Verkehrsleistungen mit
Bussen. Diesen Geschäftszweig hatte die
END 1955 mit der Buslinie Fi von Esslingen
nach Echterdingen eröffnet und danach
schrittweise ausgebaut.
Museumspläne nach der Einstellung
Da das Depot in Nellingen und ein Großteil
des Wagenparks nach der Einstellung 1978
zunächst unverändert erhalten blieben, plante
der damals bestehende Verein „Straßenbahnmuseum
Stuttgart e. V.“ (SMS), zwischen
Nellingen und Neuhausen einen
Museumsstraßenbahnbetrieb einzurichten.
Doch da der END in Nellingen bereits Anfang
März einen längeren Abschnitt der
Fahrleitung demontieren ließ, waren Fahrten
bis Neuhausen nicht mehr möglich. Im Bereich
des Depots und auf der Schillerstraße
fanden nach der offiziellen Einstellung des
Straßenbahnbetriebes dennoch mehrere Rangierfahrten
statt. Möglich war das, weil sich
eines der Unterwerke direkt neben der Wagenhalle
befand. Nach dem Ende der Stromeinspeisung
in die Fahrleitung verschoben die
Straßenbahnfreunde die verbliebenen Wagen
per Muskelkraft oder mit Hilfe eines Rüstwagens.
Im April 1979 entschied der Gemeinderat
von Ostfildern, das Depotgelände
in Nellingen anderen Zwecken zuzuführen.
Als Ausgleich bot er dem SMS ein Grundstück
am Rand von Nellingen zur Errichtung
einer Wagenhalle mit Museum an. Die paral-
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
61
Geschichte
Am Montag, dem 27. Februar 1978, waren die Tage der END längst gezählt. Ab Mittwoch dieser Woche fuhren die hier am Endpunkt in Denkendorf
nicht weit vom Rathaus einsteigenden Schüler mittags mit dem Bus! Weitere END-Aufnahmen folgen im nächsten Heft
WOLFGANG MEIER
Erinnerungen an die letzten Jahre der END
Seit frühester Kindheit habe ich mich für Straßenbahnen
interessiert, vor allem für Fahrzeuge aus der
Vorkriegszeit. Geboren und aufgewachsen in Düsseldorf,
musste ich mich leider im Herbst 1974 von
den letzten Vorkriegswagen in meiner Heimatstadt
verabschieden. So blieb es nicht aus, meinen Bahnhorizont
Richtung Süddeutschland zu erweitern,
denn ich hatte gehört, dass es in Baden-Württemberg
noch eine Überlandstraßenbahn mit Vorkriegsfahrzeugen
und Pendelschaffnern gab.
Erster Besuch 1975
Im August 1975 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit,
die Straßenbahn Esslingen – Nellingen – Denkendorf
mit ihrem Abzweig nach Neuhausen zu besuchen.
Von ihrer Existenz wusste ich erst seit kurzer Zeit,
aber als jemand, der grade seine Ausbildung begann,
waren meine finanziellen Möglichkeiten, was die Reisekasse
anging – und vor allem die Finanzierung von
Diafilmen – sehr eingeschränkt. Was mich besonders
an der END reizte, waren die großen und für Meterspur
sehr breiten alten Wagen aus der Vorkriegszeit,
teilweise mit zweiachsigen Beiwagen und Schaffnern.
Die Fahrzeuge waren völlig anders, als die, die
ich aus dem Großstadtverkehr kannte. Zu dieser Zeit
gab es in der alten Bundesrepublik Deutschland
kaum noch Vorkriegswagen.
Von Esslingen fuhren die Straßenbahnen abwechselnd
nach Denkendorf bzw. Neuhausen. Interessant
war für mich vor allem die Streckenführung.
Die meisten Streckenabschnitte im Netz waren eingleisig.
Es ging von der Endhaltestelle in Esslingen
zweigleisig über die Pliensaubrücke, die den Neckar
und die Eisenbahnstrecke Stuttgart – Esslingen –
Plochingen überquert. Ein Stück hinter der Brücke
ging es dann eingleisig weiter. Die Strecke führte
steil und serpentinenartig den Berg hinauf Richtung
Zollberg. Bergwärts fuhren die Züge in Teilabschnitten
gegen den talwärts fahrenden Autoverkehr.
Mir war damals schon klar, dass dies eine große
Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer bedeutete.
Der Betriebsmittelpunkt war Nellingen mit dem
dortigen Depot. Hier teilten sich auch die Strecken
nach Neuhausen und Denkendorf.
Besonders gut gefiel mir die Strecke nach Neuhausen.
Es ging über Wiesen und Felder mit Überwegen
und Andreaskreuzen, teilweise sehr steil ansteigend
Neuhausen entgegen. Zwischendrin gab
es noch zwei romantische Ausweichen – Krähenbach
und Scharnhausen Brücke. So bekam ich einen
ersten Eindruck der Straßenbahn END. Es sollte
nicht mein letzter Besuch sein.
Letzter Besuch im Februar 1978
1978 ergab sich eine zweite und letzte Möglichkeit,
kurz vor ihrer Still legung zur END zu fahren. Mit weiteren
Straßenbahnfreunden besuchte ich am letzten
Februarwochenende 1978 samstags die Stuttgarter
Straßenbahn und sonntags die END. Das Wochenende
war völlig verregnet, und wir konnten kaum
Fotos machen. Eigentlich sollte die Rückfahrt am
Sonntag sein. Wir fuhren die gesamte Strecke ab und
entschlossen uns dann, eine weitere Nacht zu bleiben.
Wir hatten gehört, dass es am Morgen Schülerkurse
mit zwei Beiwagen nach Neuhausen gab.
Deshalb wollten wir die letzte Möglichkeit für Aufnahmen
davon nutzen.
Am nächsten Morgen überraschte uns die Sonne.
Wir marschierten entlang der Strecke von Nellingen
nach Neuhausen und es entstanden schöne
Bilder. Wir hatten noch leichten Bodennebel,
der sich langsam mit der aufsteigenden Sonne
verzog. Die Wege entlang der Strecke waren matschig,
wodurch unsere Schuhe litten. Aber das war
sehr schnell vergessen, denn wir bekamen landschaftlich
schönste Motive geboten, auch erlebten
wir die versprochenen Dreiwagenzüge.
Gegenverkehr am Zollberg erlebt
Dann fuhren wir auch noch den Abschnitt nach
Denkendorf ab. Auf dieser Strecke verkehrten die
zwei modernen Garnituren. So konnten wir –
zumindest in der HVZ – die Umfahrung des Beiwagens
in der dortigen Kuppelendstelle fotografieren.
Zu guter Letzt marschierten wir noch die Strecke
vom Zollberg nach Esslingen hinunter. Jetzt erlebte
auch ich persönlich, dass die eingleisige
Streckenführung ein echtes Hindernis darstellte.
Parallel fuhren probeweise schon Gelenkbusse die
Strecke entlang. Zwei Tage später übernahmen sie
den Verkehr und die END war Geschichte. Wir
konnten so noch den vorletzten Tag der END im
vollen Betrieb erleben und sie bleibt mir – vor allem
beim Anblick der Bilder – immer in guter Erinnerung.
WOLFGANG MEIER AUS NEUSS IM JUNI 2014
62 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
END
lel beginnende Umgestaltung von Straßen in
Nellingen und Neuhausen ließ für einen sinnvollen
Museumsstraßenbahnbetrieb keinen
Raum. Am 2. Dezember 1981 kam das endgültige
Aus für das Museumsprojekt. Am Ersatzdomizil
im badischen Schönau unterhielten
die Mitglieder des SMS auch mehrere
ehemalige END-Fahrzeuge, bis sich die Vereinigung
1995 auflöste und fast alle Wagen
den Weg alten Eisens gingen.
Spurensuche 2014
Anstelle der 1926/29 gebauten Nellinger
Wagenhalle entstand an gleicher Stelle bis
1989 nach deren Bauprinzipien ein Kulturzentrum,
das den Namen „Halle“ trägt.
Im Bereich der ehemaligen Ausweichstellen
Krähenbach und Scharnhausen haben
vier Strommasten die Jahrzehnte seit der
Stilllegung überdauert. Die Stadt Ostfildern
sieht den Erhalt dieser Zeitzeugen vor, dazu
wäre jedoch eine Sicherung der Substanz
dringend notwendig – die Korrosion ist an
allen vier Masten nicht zu übersehen. Die
einstige Strecke der END ist an vielen Stellen
noch zu sehen, auch wenn sonst nur noch
wenig an die Straßenbahn erinnert.
Von den Fahrzeugen aus den 1920er-Jahren
werden der Tw 2 im Zustand von 1978
sowie der Tw 4 im Zustand von ca. 1930 in
der Straßenbahnwelt Stuttgart erhalten. Der
nach Einstellung der END gemeinsam mit
dem Bw 22 am Zollberg als Denkmal aufgestellte
Tw 3 (Baujahr 1926) befindet sich
seit 1981 (mit dem Beiwagen) für die Öffentlichkeit
nicht zugänglich im Landesmuseum
für Technik und Arbeit in Mannheim.
Der bis vor kurzem im Hannoverschen Straßenbahn-Museum
in Sehnde-Wehmingen
erhaltene Tw 8 wurde im Jahr 2012 aufgrund
seines schlechten Zustandes ver-
Das Gestrüpp sowie der Baum wachsen auf der alten END-Trasse nach Neuhausen, während
im Hintergrund ein Zug der U7 nach Ostfildern-Nellingen fährt
DIETER SCHLIPF
Per Stadtbahn zum Zollberg?
Seit dem Jahr 2000 ist das in Ostfildern aufgegangene
Nellingen mit den Linien U7 und U8 an
das Stuttgarter Stadtbahnnetz angeschlossen. Ein
Wiederaufbau der Straßenbahn als Stadtbahn bis
zum Bahnhof Esslingen wird seit Jahren untersucht.
Pläne für die Verlängerung der U7 bis nach
Esslingen sind vorhanden. Der Verlauf sieht nach
der Ortsdurchfahrt von Nellingen einen Tunnel
schrottet. Von den beiden 1982 an die Rittnerbahn
nach Südtirol verkauften Ganzstahlwagen
aus dem Jahr 1958 ist Tw 12
als Reservewagen
noch in Oberbo-
Freuen Sie sich auf viele weitere
Bildraritäten aus dem Alltag der
END in der kommenden Ausgabe!
zen vorhanden,
Tw 13 hingegen
befindet sich seit
Dezember 2012
in der Stuttgarter Straßenbahnwelt, muss
aber noch restauriert werden. Erhalten geblieben
ist auch Tw 20 II (Esslingen 1950, bis
1965 SSB Nr. 297). Er befindet sich in Geilenkirchen-Gillrath
in Privateigentum.
Neben diesen sechs Triebwagen und dem
Bw 22 gibt es noch drei ehemalige END-
und eine mit modernen Stadtbahnzügen heutzutage
zu bewältigende Steigungsstrecke den Zollberg
hinunter vor. Anschließend wäre eine neue
Brücke über den Neckar notwendig. Doch noch ist
nichts entschieden, aber die Chancen stehen nicht
schlecht, dass anstelle der früheren meterspurigen
blau-grünen END in Zukunft eine normalspurige
gelbe Stadtbahn verkehren könnte. JÖRG ZIMMER
Beiwagen: Der Bw 21 wird vom Verein
„Stuttgarter Historische Straßenbahnen
e.V.“ als nicht betriebsfähiges Exponat erhalten.
Bw 23 wird als
stationäres Café „Alte
Achse“ genutzt. Der von
1951 bis 1965 als Bw 41
von der END geführte
Bw 22 der Eßlinger
Städtischen Straßenbahn befindet sich ebenfalls
in der Stuttgarter Straßenbahnwelt.
Aufgrund der Begeisterung auch jüngerer
Straßenbahnfreunde für die END sehen die
noch erhaltenen Fahrzeuge der einstigen Überlandstrecke
einer gesicherten Zukunft entgegen.
Der Nimbus END lebt! ANDRÉ MARKS
In der Stuttgarter Straßenbahnwelt werden neben den Tw 2, 4 und 13 auch noch die Bw 21,
23 und 41 (als ESS-Bw 22) sowie ein Schleifwagen und eine Verschublore der Nachwelt
erhalten. Die letzten Oberleitungsmasten der END stehen hingegen im Körschtal bei Scharnhausen,
hier Ende 2013 fotografiert
HANS-JOACHIM KNUPFER (LINKS), JÜRGEN DAUR (RECHTS)
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
63
Geschichte
Die so genannte Begerburg in Dresden-Dölzschen
war ein beliebtes Fotomotiv im Plauenschen
Grund . Inzwischen ist sie von der hier
das Tal über querenden Autobahn aus zu sehen.
Daran war am 17. Mai 1974 noch nicht zu
denken – als die Linie 3 noch bis Freital fuhr
FRANK EBERMANN
Ablösung durch den Bus
Details zum Ende von Linie 3 nach Freital Am zeitigen Morgen des 26. Mai 1974 fuhr die
letzte Straßenbahn von Freital-Hainsberg nach Dresden-Löbtau. Dann übernahmen Busse diese
Leistung. Doch es war nicht der erste Einsatz dieses Verkehrsmittels auf Linie 3 …
Ab 7. Oktober 1902 verband die
Staatsstraßenbahn Löbtau – Deuben
den Anfang 1903 in Dresden
eingemeindeten Stadtteil der sächsischen
Residenzstadt mit Deuben im
Döhlener Becken, wo 1921 durch den Zusammenschluss
mehrerer bis dahin selbstständiger
Gemeinden die Stadt Freital entstand.
Die Vorgeschichte dieser in 1.450-mm-
Stadtspur errichteten Straßenbahn, ihren
Bau, ihre Verlängerungen nach Hainsberg
und (Hainsberg-)Coßmannsdorf sowie den
Betrieb bis 1974 stellte bereits der Beitrag
im STRASSENBAHN MAGAZIN 7/2014
vor. Nach dessen Erscheinen meldeten sich
viele Straßenbahnfreunde und berichteten
von den letzten Betriebsmonaten der Linie 3
in Freital. Diese Informationen folgen hier
nun zusammengefasst.
In den 1960er-Jahren hatte der schaffnerlose
OS-Verkehr mit Zahlboxen den ZZ-
Betrieb auch auf der Linie 3 nach Freital abgelöst.
Im Jahr 1973 löste wiederum das
Fahrschein-Entwerter-System diese Abfertigungsmethode
ab. Dazu erhielten die auf
dieser Strecke vom Wilden Mann bis nach
Freital-Hainsberg noch verwendeten Vorkriegswagen
– allesamt städtische Normalwagen
teils auf MAN-Untergestellen – entsprechende
Entwerterboxen. In den letzten
Betriebsjahren der Linie 3 gab es dabei mehrere
Freitaler „Stammwagen“. Zu ihnen
zählten unter anderem die Tw 203 660, 203
664, 203 666, 203 672, 203 677, 203 679,
203 680, 203 683, 203 707, 203 712 und
203 716. Sie waren im Normalfall mit jeweils
zwei Beiwagen unterwegs.
Anfang der 1970er-Jahre fiel die Entscheidung,
die Straßenbahn von Dresden-
Löbtau nach Freital einzustellen und auf
Busbetrieb umzustellen. Die Straßenbahn
wurde zu dieser Zeit einerseits als Hindernis
für den Straßenverkehr angesehen, andererseits
fehlte es an Kapazitäten, die Gleise
im Plauenschen Grund zu erneuern, um
auf der Strecke regulär vierachsige Tatrawagen
einsetzen zu können.
Der Bus-Test
Ende 1973 trafen Verkehrsbetriebe und Rat
der Stadt Freital die Entscheidung, die Straßenbahn
nach Hainsberg einzustellen und
auf Busbetrieb umzustellen. Um zu überprüfen,
ob die Straßen die Voraussetzungen für
den Betrieb mit Gelenkbussen erfüllten, fand
am Sonntag, dem 10. Februar 1974 ein Probebetrieb
statt. An diesem Tag blieben alle
Straßenbahnwagen im Depot in Freital, was
die im Heft 7/14 abgedruckte Aufnahme auf
64 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Dresden/Freital
Quelle
Holger Michel, Ralph Gruner, Bodo Nienerza:
Die ehemalige Straßenbahnstrecke Dresden –
Freital, in: Verkehrsgeschichtliche Blätter 5/1984
den Seiten 62/63 beweist. Denn dieses Dia
entstand nicht im Mai 1974, sondern an
eben jenem 10. Februar 1974, wie sein Urheber
Hans-Dieter Rändler der Redaktion
nachträglich mitteilte, nachdem er bei Redaktionsschluss
von Heft 7 im Urlaub war.
Der Dresdner Eisenbahn- und Straßenbahnfreund
war an jenem Sonntag auf dem
Weg zur Weißeritztalbahn. Anders als gewohnt
hieß es jedoch am damaligen Willi-Ermer-Platz
in einen Ikarus 180 des VEB Kraftverkehr
Freital Dresden umzusteigen. Dieser
bediente an diesem Tag alle Haltestellen der
Linie 3. Bei der Vorbeifahrt am Straßenbahndepot
in Freital sah Rändler die vollgestellte
Halle. Er stieg daraufhin aus dem Bus aus und
lichtete diese tagsüber an regulären Betriebstagen
der Linie 3 undenkbare Parade ab.
Vor zwei Wochen wies der Dresdner aber
auch auf eine Besonderheit der Aufnahme
auf Seite 60 im vorigen Heft hin: Unter dem
Haltestellenschild der Straßenbahnlinie 3
war am 17. Mai bereits ein kleines Schild
mit der Nummer „3A“ angebracht – obwohl
es die Buslinie 3A noch gar nicht gab,
sondern einzig die Straßenbahnlinie 3 die
Haltestellen im Plauenschen Grund und
Freital bediente. Demnach waren bereits
vor Einstellung des Straßenbahnbetriebes
die Busliniennummernschilder an den Haltestellen
befestigt worden.
Der 25./26. Mai 1974
Verkehrte die Linie 3 am 25. Mai 1974 zwar
noch im vollen Umfang bis Freital, so räumten
die Verkehrsbetriebe dennoch bereits das
dortige Depot. Am Abend waren alle Fahrzeuge
von dort abgezogen, so dass sich nach
der Rückfahrt des letzen Zuges am Morgen
des 26. Mai 1974 nach Dresden kein einziger
Straßenbahnwagen mehr in Freital befand.
Die Linie 3 verkehrte mit Betriebs -
beginn 4 Uhr vom Wilden Mann über
Hauptbahnhof bis Plauen Nöthnitzer Straße
– erstmals mit Tatrawagen. Dresden-Löbtau
und Freital-Hainsberg verband fortan der
VEB Kraftverkehr mit der Buslinie 3A.
Die Wendeschleife Freial-Hainsberg
Die Bildunterschrift zur im Heft 7 auf Seite
63 oben abgedruckten Aufnahme enthält ver -
sehentlich einen Fehler. So blickte Frank
Ebermann für diese Fotografie nicht auf die
Einfahrweiche zur Wendeschleife Freital-
Hainsberg, sondern auf die Ausfahrweiche.
Was durch die heutige Bebauung des Areals
mit einem Neubaublock kaum noch vorstellbar
ist – die Straßenbahn führte bis auf die
Am 24. April 1974 fand eine Sonderfahrt mit dem Fahrschulwagen 724 012 nach Freital statt. Die
Aufnahme zeigt ihn auf der Einfahrweiche zur Wendeschleife am Endpunkt Hainsberg im 1933 eingemeindeten
Coßmansdorf. Vor 1961 endete die Straßenbahn hier stumpf HANS-DIETER RÄNDLER (2)
Nicht im Mai, sondern am Sonntag, dem 10. Februar 1974, entstand diese Aufnahme der an diesem
Tag im Depot Freital-Deuben gebliebenen Wagen der Linie 3. An jenem Tag verkehrten probeweise
Gelenkbusse vom Typs Ikarus 180 des VEB Kraftverkehr Dresden auf dieser Linie
Höhe des Stationshäuschens der Schmalspurbahn
parallel zu dieser 750-mm-Strecke
und bog erst mehrere Meter weiter nach links
in den Schleifenbogen ab.
In diesem befand sich der
Abzweig zum Ausweichgleis
– siehe Grafik.
Auch wenn die heutige
Bebauung der Wendeschleife
das vor Ort
nicht mehr nachvollziehen
lässt, so ist doch das
1961 eingeweihte Haltestellengebäude
der Straßenbahn
bis heute er halten.
ANDRÉ MARKS
Die Wendeschleife
Hainsberg in
Coßmannsdorf
GRAFIK:
MÜLLER/vb 5/84
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
65
Geschichte
Vor dem Neubeginn …
Die Münchner Straßenbahn vor 20 Jahren 1994 befand sich die Tram in der bayerischen
Landeshauptstadt auf ihrem historischen Tiefpunkt: Noch wenige Monate zuvor hatte es Streckenstilllegungen
gegeben – aber wie fand Stefan Hinder aus Oldenburg den Betrieb vor?
Es dürfte selten vorkommen, dass Tagestouristen
München besuchen und
ihr Interesse nicht der Frauenkirche,
dem Hofbräuhaus, dem Englischen
Garten oder vielleicht dem Deutschen Museum
gilt, sondern hauptsächlich der „Trambahn“,
wie sie von den Münchnern umgangs -
sprachlich genannt wird. Um mich nicht mit
dem dichten Straßenverkehr von Münchens
Umgebung herumquälen zu müssen, reiste
ich im Rahmen meines Privatprojektes „Bayerntram“
(siehe SM 6/2014, Seite 64ff.) am
24. März 1994 per Zug von Augsburg nach
München und wieder zurück.
Das Tauziehen um die Zukunft der Straßenbahn
in München war damals schon
Jahrzehnte im Gange und hatte allerhand
jähe Wendungen, Lippenbekenntnisse und
Querschüsse hervorgebracht. 1994 befand
sich die Münchner Tram auf ihrem historischen
Tiefpunkt: Noch wenige Monate zuvor
hatte es Streckenstilllegungen gegeben
(im Mai 1993 die SL 16 zum Lorettoplatz
und im November 1993 die SL 12 und 13
nach Harthof bzw. Hasenbergl). Laufend
stellte der Verkehrsbetrieb weitere Wagen
ab, der Fahrzeugpark hatte mittlerweile den
– verglichen mit früheren Zeiten – für Münchener
Verhältnisse bescheidenen Umfang
von 118 Trieb- und 112 Beiwagen erreicht.
Das Straßenbahnnetz umfasste noch acht
Linien, von denen aber die Linien 15/25
und 20/21 praktisch je eine Linie darstellten:
Die Linien 15 und 21 verdichteten nur
den jeweils stärker belasteten Abschnitt der
zugeordneten Stammlinien.
Niederflurwagen sehr schadanfällig
– dreiachsige M/m-Züge dominieren!
Zwar waren seit 1990/91 drei Niederflurwagen
des MAN/AEG-Typs als Prototypen einer
geplanten neuen Fahrzeuggeneration vorhan-
66 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
München
Am Hauptbahnhof zeigten sich
die beiden 1994 in München
im Wesentlichen einge setzten
Typen von Straßenbahnwagen:
Links ein klassischer M-Dreiachserzug
mit Tw 2519 und
Bw 3531 auf Linie 20.
Auf dem Gegengleis steht ein
P-Zug der Linie 21
Auch in München gab es schon ein Stück Straßenbahn in der Fußgängerzone – und zwar
in der Maffeistraße, die von einem Gebäudeflügel der Bayerischen Vereinsbank überbaut ist.
Ein P-Zug mit Tw 2009 an der Spitze passiert gerade diese Stelle
ALLE FOTOS: STEFAN HINDER
Liniennetz der Münchner
Straßenbahn 1994
12 Scheidplatz – Amalienburgstraße
15 St.-Martins-Platz – Großhesseloher Brücke
(nur tagsüber)
18 Effnerplatz – Gondrellplatz
19 Pasing, Marienplatz – St.-Veit-Straße
20 Effnerplatz – Moosach
21 Sendlinger Tor – Hanauer Straße
25 St.-Martins-Platz – Grünwald
27 Petuelring – Schwanseestraße
An der Strecke nach Grünwald gab es
zahlreiche hübsche Wartehäuschen, so wie
hier an der Haltestelle Menterschwaige.
Der von Tw 2535 geführte Zug der Linie 15
wird in wenigen hundert Metern die Stadtgrenze
und damit sein Fahrtziel erreichen
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
67
Geschichte
Wagenpark der Münchner Straßenbahn im März 1994 (nur betriebsfähige Wagen des Personenverkehrs)
Triebwagen
Tw-Nr. Typ Bauart Hersteller Baujahr Anzahl
2003 bis 2017, 2019 bis 2044 P3.16 4x ER-Gel-Tw Rathgeber 1966 bis 1968 41
2701 bis 2703 R1.1 6x ER-Gel-Tw Nfl MAN 1990/91 3
2403/-08/-10/-11/-14/-20/-24/-25/ M4.65 3x ER-Tw Rathgeber 1956 bis 1959 17
-28/-31/-43/-51/-53/-58/-62/-64/-66
2502, 2506 bis 2509, 2511 bis 2513/-16, M5.65 3x ER-Tw Rathgeber 1963 20
2518 bis 2526, 2529, 2535
2602 bis 2614, 2616 bis 2620, 2651, 2653 bis 2670 M5.65 3x ER-Tw Rathgeber 1964/65 37
Gesamt 118
Beiwagen
Bw-Nr. Typ Bauart Hersteller Baujahr Anzahl
3003 bis 3040 p3.17 4x ER-Gel-Bw Rathgeber 1966 bis 1968 38
3402/-03/-08/-11/-12/-14/-16 bis -18, 3427/-30/-36/-39/ m4.65 3x ER-Bw Rathgeber 1956 bis 1959 29
-41/-48/-49/-60, 3462 bis 3467/-69/-71/-75/-91/-97/-98
3501 bis 3545 m5.65 3x ER-Bw Ratgeber 1963/64 45
Gesamt 112
Am Maxmonument
kreuzt der Dreiachszug
Tw 2609 + Bw 3417
auf Linie 20 die Strecke
der Linie 19. Der
Beiwagen gehört noch
zur älteren Spielart
m4.65. Im Hintergrund
das Maximilianeum
(Sitz des bayerischen
Landtages)
68 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
München
den, und eine erste Rate von 20 Serienfahrzeugen
war fest bestellt – aber trotzdem: Ich
traute dem Frieden nicht so ganz, denn immer
wieder gab es widersprüchliche Signale. Beispielsweise
hatten die Verkehrsbetriebe noch
Anfang 1994 angekündigt, die Strecke zum
Petuelring nur noch im Auslaufbetrieb zu befahren
und mittelfristig stilllegen zu wollen.
Glücklicherweise ist es dazu nicht gekommen.
Die lange Zeit modernsten Münchner
Straßenbahnwagen, die Gelenkzüge vom
Typ P (Tw) bzw. p (Bw), waren noch fast alle
da; ausgeschieden waren bis dahin lediglich
die beiden Probezüge sowie der unfallbeschädigte
Tw 2018. Ihr Einsatzgebiet umfasste
die Linien 19 und 21, teilweise auch
die 20. Auf der Linie 19 waren auch die drei
erwähnten Niederflur-Prototypen 2701 bis
2703 zu finden – wenn sie denn fuhren, sie
galten als recht schadanfällig. Ich bekam nur
einen von ihnen zu Gesicht, den Tw 2701.
Die drei Niederflur-Prototypen kamen 1994 – je nach Verfügbarkeit – auf der Linie 19 zum
Einsatz. Hier Triebwagen 2701 am 24. März am Max-Weber-Platz. Dieser Wagen läuft heute
in Norrköping unter der Nummer 22 und dem Taufnamen „München“
Alles andere war noch in der Hand der dreiachsigen
M/m-Züge, und das war aus meiner
Sicht auch gut so. Auf diese Weise konnte ich
noch das typische Gesicht der Münchener
Tram der 1950er- bis 1980er-Jahre erleben –
spät, aber nicht zu spät. Trotz des geschrumpften
Streckennetzes reichte ein Tag natürlich
nicht, um es komplett kennen zu lernen. Ich
steuerte zunächst einige markante innenstadtnahe
Knotenpunkte an, wie zum Beispiel den
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
69
Geschichte
An der Zwischenwendeschleife der Strecke nach Grünwald an der Großhesseloher Brücke bot das „Weiß-Blaue Stand’l“ Brotzeiten und Erfrischungen.
Der Fahrer des Tw 2661 hat es damit offenbar so eilig, dass er das Zielschild noch gar nicht für die Rückfahrt umgestellt hat ...
Und 20 Jahre danach?
München hat seinen Fahrzeugpark inzwischen
fast komplett auf Niederflurwagen umgestellt,
von denen es inzwischen sogar vier unterschiedliche
Typen gibt. Trotzdem hält sich zäh ein
sehr kleiner Rest des Altbestandes – aktuell vier
Trieb- und drei Beiwagen des Typs P/p.
Das Straßenbahnnetz ist gewachsen und umfasst
mittlerweile wieder 13 Linien. Den 1996/97 wiederaufgebauten
Abschnitten Hauptbahnhof –
Romanplatz und Ostfriedhof – Wörthstraße folgten
ab 2009 die neuen Strecken zur Münchner
Freiheit, nach Schwabing Nord und nach St. Emmeram.
Weitere Neubaustrecken sind geplant.
„Stachus“ oder das Maxmonument, das die
Straßenbahn an allen vier Seiten umfährt. Die
Überlandstrecke nach Grünwald befuhr ich
aus Zeitgründen nur bis zur Großhesseloher
Brücke, wo auch die Züge der Verstärkungslinie
15 wendeten.
Alte M4.65 waren schon selten
Eine bedauerliche Panne passierte mir: Der
Bestand an Dreiachsern umfasste im Wesentlichen
nur noch deren neueste Spielart
M5.65 (Tw) bzw. m5.65 (Bw), die sich von
ihren Vorläufern durch Außenschwenktüren
und eine vor die Mittelachse verlegte
Mitteltür unterschied. Die älteren Typen
M4.65 bzw. m4.65 mit ihren charakteristi-
schen Teleskop-Schiebtüren waren selten
geworden, besonders die Triebwagen. Diese
fuhren nur noch einzelne Kurse auf der
Linie 12, was ich aber erst im Laufe des Tages
herausbekam. Meine wenigen Aufnahmen
von diesen Fahrzeugen entstanden daher
schon in der Dämmerung und gerieten
nicht allzu gut.
Allerdings war dies nicht der wesentliche
Grund, warum ich die abendliche Rückreise
nach Stadtbergen in eher gedämpfter Stimmung
antrat. Es lag mehr daran, dass der
Münchner Straßenbahnbetrieb auf mich
noch nicht so richtig zukunftsträchtig wirkte
– vor allem nicht im Vergleich mit dem quirligen
Augsburger Betrieb. STEFAN HINDER
Am Karlsplatz, dem „Stachus“, gab es bei der Einfahrt in die Bahnsteige
oft Parallelfahrten von Straßenbahnzügen, hier zwischen dem
Tw 2043 auf Linie 21 und Tw 2520 auf der 27
Ihn traf Stefan Hinder bei seinem eintägigen Münchenbesuch erst in
der Dämmerung: den M4.65 aus den 1950er-Jahren. Tw 2403 verlässt
mit einem Beiwagen die Endschleife Amalienburgstraße
70 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Geschichte
Am Endpunkt Kugelbake steht 1914 der Triebwagen 3 mit Honoratioren. Die Fahrzeuge waren „gefällig rot und gelb gestrichen“, wie ein Chronist
bemerkte. Lediglich die Motorhaube war nicht lackiert, um Abblätterungen beim Öffnen zu vermeiden FOTOS: STADTARCHIV CUXHAVEN (2)
Ganze 28 Tage in Dienst
Die Straßenbahn in Cuxhaven 2014 ist das Jahr des Gedenkens an den Beginn des Ersten
Weltkriegs. Unmittelbar damit verknüpft ist aber auch die Erinnerung an die kurze Betriebszeit
der Straßenbahn in Cuxhaven: Nach nicht einmal einem Monat war das Kapitel zu Ende ...
In Cuxhaven – ganz an der Spitze des
„Nassen Dreiecks“ zwischen Weser und
Elbe gelegen – begann der See-Tourismus
vor über 100 Jahren sprunghaft zu
wachsen. Ein neues Verkehrsmittel sollte die
Verkehrsströme lenken. Aber: Alles sollte
günstig sein! Die Stadtverwaltung fand dazu
tatsächlich eine Möglichkeit für einen
Trambetrieb ohne Oberleitung und ohne
Neufahrzeuge. Sie erwarb 1914 von der
Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn bei Berlin
drei regelspurige Benzoltriebwagen, die
sich dort nicht einmal fünf Monate vom
9. März bis zum 24. Juli 1912 im Einsatz
befunden hatten. Dass diese kurze Einsatzzeit
in Cuxhaven noch unterboten werden
sollte, ahnte niemand …
Betrieb nur unter Bedingungen
Als Anfang der 1910er-Jahre die Diskussion
aufkam, auch in Cuxhaven zur Bewältigung
zunehmender Verkehrsbedürfnisse von Einwohnern
und Erholungssuchenden einen
Straßenbahnverkehr einzuführen, lag der
Gleiskörper, auf dem die Tram verkehren
sollte, bereits seit längerem: Seit 1891 gewährleistete
eine von den Gleisgruppen des
Hauptbahnhofs ausscherende Schienenverbindung
einen Direktanschluss des etwa
vier Kilometer (1) weiter nördlich gelegenen
Forts Kugelbake, das vor allem der Verteidigung
des Schifffahrtswegs Elbe diente.
Dass die Wagen der Städtischen Bahn Cuxhaven
aus zweiter Hand stammten, sah man ihnen,
hier Tw 1, nicht an. An ihrem zweiten Einsatzort
zierte sie die Kugelbake – ein weithin sichtbares
Seezeichen und zugleich das Stadtwappen
72 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Tram Cuxhaven
Diese im Volksmund als „Kanonenbahn“
bezeichnete Strecke unterstand der Kaiserlichen
Marine und somit war klar, dass nur
unter deren Bedingungen eine Benutzung
für Personenverkehr möglich sein würde.
Eine eigene Strecke wollte die Stadt aus
Kostengründen nicht errichten. Die Mehrheit
der Stadtvertretung stellte vielmehr fest,
„dass die Militärbahn nur in Frage kommen
kann, da die Stadt sonst der hohen Kosten
wegen in absehbarer Zeit keine Straßenbahn
erhalten wird.“ Außerdem erschien
der Streckenverlauf über die Poststraße,
durch Grimmershörn und dann schnurstracks
die Wasserkante entlang bis in die
Nähe der Kugelbake auch für den Personenverkehr
als durchaus geeignet. Doch es
mussten weitgehende Vorgaben der Marine
akzeptiert werden.
Die Marine hat Vorrang
In einer „Zusammenstellung der Bedingungen,
unter welchen die Kaiserliche Kommandantur
den Antrag der Stadt betr. Betrieb
einer Strassenbahn auf dem Gleis der
Militärverbindungsbahn bei dem Reichsmarineamt
befürworten wird“, ist unter
Punkt 2. das Folgende vermerkt:
„Der Marinefiskus behält sich das Recht
vor, die Militärverbindungsbahn jeder Zeit
im marinefiskalischen Interesse zu benutzen.
In jedem solchen Falle ist das Gleis auf
die erste Aufforderung der betreffenden Behörde
sofort von der Stadt frei zu machen,
und der Straßenbahnbetrieb solange einzustellen,
bis von der die Bahn benutzenden
Behörde die Beendigung ihres Transportes
der Stadt mitgeteilt und das Gleis wieder
frei gegeben ist.“
In diesen Fällen war man zu Entschädigungszahlungen
bereit. Ausdrücklich ausgenommen
war jedoch jeglicher Anspruch,
„wenn im Falle eines Krieges oder aus andern
militärischen Gründen der Strassenbahnbetrieb
ohne vorherige Kündigung auf
längere Zeit oder dauernd eingestellt werden
muss.“
Um bei kurzfristig erforderlich werdenden
Fahrten der Marine die Straßenbahnwagen
schnell vom Gleis zu bekommen,
musste die Stadt auf eigene Rechnung am
Anfangs- und Endpunkt der Strecke Abstellmöglichkeiten
und bei Grimmershörn
eine Ausweichstelle errichten. Diese waren
so auszulegen, „dass sie von allen Betriebsmitteln
der Staatseisenbahn benutzt werden
können.“ Ganz so günstig, wie sich die
Stadt die Gleisnutzung vorgestellt hatte,
ging es also doch nicht vonstatten. (2)
Zweifel an Effektivität
von Oberleitung
Über die Betriebsform der neuen Bahn gab
es eingehende Diskussionen. Kostengünstig
sollte sie sein und somit ließen sich Zweifel
an der Effektivität einer normalen, also
im Oberleitungsbetrieb verkehren Bahn
nicht ausräumen. Generell wollte man zwar
die Umstellung auf Oberleitungsbetrieb zu
einem späteren Zeitpunkt nicht ausschließen.
Gleich zu Beginn erschien eine solche
Anlage vielen Verantwortlichen jedoch als
unkalkulierbares Wagnis. Das schließlich
mit der Betriebsführung beauftragte Ingenieur-Bureau
Arnold Clamer & Comp. aus
Hamburg (Cuxhaven gehörte bis 1937 zur
Hansestadt) sollte sich auch um die Fahrzeugbeschaffung
bemühen. Ein Angebot
der in Berlin ansässigen Continentalen
Eisenbahn Bau- und Betriebsgesellschaft
schien genau der Cuxhavener
Bedürfnislage zu entsprechen.
Eine Delegation
reiste nach Schmöckwitz
und nahm die angebotenen
Fahrzeuge anlässlich einer
Probefahrt genauestens in Augenschein.
Alle Beteiligten waren schließlich
überzeugt. Man erwarb drei gut erhaltene
Triebwagen mit benzol-elektrischem Antrieb,
die auf der Grünauer Uferbahn nur
viereinhalb Monate im Einsatz gestanden
Stadtverkehr Cuxhaven heute
Bis 1974 lag der ÖPNV in Cuxhaven in den Händen
der Cuxhavener Omnibus-Gesellschaft
(COG), die vor 40 Jahren von der Kraftverkehr
GmbH & Co. KG (KVG) Stade übernommen wurde.
Deren „Betrieb Cuxhaven“ unterhält heute
sieben vom ZOB direkt am Bahnhof startende
Buslinien, von denen eine nur dann verkehrt,
wenn eine Helgoland-Fähre ein- oder ausläuft.
Die Linie 1006 verbindet die Aussichtsplattform
„Alte Liebe“ direkt mit dem ZOB und bringt den
Fahrgast auch an die Anleger für Hafenrundfahrten
und Seetörns zu den Seehundsbänken.
Mit der Linie 1007 kann man die Kugelbake erreichen
und sich am Endpunkt der seinerzeitigen
Städtischen Bahn umsehen.
Die KVG Stade gehört seit 1996 zu 60 Prozent
der Osthannoverschen Eisenbahn AG und zu 40
Prozent der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe
Elbe Weser GmbH. Weitere Omnibuslinien vom
ZOB Cuxhaven in die Region werden von dem
Verkehrsunternehmen Maass erbracht.
hatten, bis deren Umrüstung auf Oberleitungsbetrieb
erfolgte.
Personen statt Kanonen –
aber nur für kurze Zeit
Die drei Fahrzeuge erwarb die Stadt verhältnismäßig
günstig für jeweils 14.000 Mark,
Mitte Juni trafen sie in Cuxhaven ein. Probefahrten
und Schulungen fanden noch im
selben Monat statt. Nach Fertigstellung aller
erforderlichen Anlagen wie der Wagenhalle
in der Nähe des Hauptbahnhofes an
der Kapitän-Alexander-Straße und der
von der Marine geforderten Ausweichstelle
in Grimmershörn
eröffnete die Stadt am
Verlauf der Städtischen
Tram Cuxhaven
ZEICHNUNG: DIETER HÖLTGE
Die Fahrzeuge der Straßenbahn Cuxhaven
Triebwagen 1 bis 3 Beiwagen 4 und 5
Hersteller: Gasmotorenfabrik Deutz/ Falkenried, Hamburg
Bergmanns Electricitätsunternehmungen
van der Zypen & Charlier
Baujahr: 1912 1914
Empfänger: Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn; Städtische Bahn Cuxhaven
6/1914 an Städtische Bahn Cuxhaven
Verbleib: 1921 an Moerser Kreisbahn 1921 an Moerser Kreisbahn
nur Tw 3 bis 1952 noch im Einsatz
bis 1952 bzw. 1968 im Einsatz
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
73
Geschichte
Ein Jahrzehnt nach ihrem Einsatz in Cuxhaven entstand 1924 diese Aufnahme auf der Strecke von
Moers nach Sevelen am Bahnhof Schaephuysen. Nach langer Standzeit hatten die Fahrzeuge 1921
bei der Moerser Kreisbahn einen neuen Einsatzort gefunden
SLG. PETER BOEHM, SLG. AXEL REUTHER
6. Juli den Betrieb. Die Fahrten der als „Städtische
Bahn Cux haven“ firmierenden Tram
auf der mit elf Unterwegshalten ausgestatteten
Strecke gerieten zum großen Erfolg. Am
ersten Betriebs-Sonntag fuhren 3.000 Personen
mit ihr an die Kugelbake. Ab und an seien
die Wagen kurzzeitig liegengeblieben, vermerken
Zeitungsnotizen und auch von
einigen Unfällen – teils zwischen zwei Triebwagen,
teils mit anderen Verkehrsteilnehmern
– wird berichtet. So sehen eben Alltagssorgen
eines Verkehrsbetriebes aus!
Doch ein solcher „Alltag“ sollte sich in
Cuxhaven nicht einstellen. Am 3. August
1914 erschien eine lapidare Bekanntmachung
in der Ortspresse: „Der Betrieb der
Städtischen Bahn ist auf Anordnung der
Kaiserlichen Kommandantur bis auf weiteres
eingestellt worden.“ – der Erste Weltkrieg
hatte begonnen.
Das Betriebsende
Die Anordnung der Allgemeinen Mobilisierung
von Heer und Flotte am 1. August
1914 bedeutete gemäß der mit der Marine
getroffenen Vereinbarung das Ende des
Tramverkehrs. Am 2. August allerdings verkehrte
die Städtische Bahn noch – gemeinsam
mit Kanonenzügen! Danach hieß es
wieder „Kanonen statt Personen“. Zwischen
Marine-Kommandantur und der
Stadt gab es noch Differenzen über eine vermeintliche
Betriebsbereitschaft, welche
während des gesamten Monats August
1914 seitens der städtischen Bahn für das
Militär bestanden hätte. Die Kommandantur
behauptete jedoch, niemals solche
Dienste beansprucht zu haben. Vor dem
Hintergrund dessen, was nun die Welt bewegte,
verblassten solche Fragen schnell.
Nach Kriegsende setzte die Stadt auf ein
anderes Verkehrsmittel: Ab Dezember 1919
fuhren entlang der Kanonenbahn Busse. Die
kleine Bahn, deren Ausweitung durchaus in
Betracht gezogen worden war, konnte ihre
Leistungsfähigkeit nicht unter Beweis stellen.
Die Fahrzeuge der
Cuxhavener Straßenbahn
Die von der Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn
erworbenen drei Triebwagen waren
nach dem dortigen etwa viereinhalbmonatigen
Einsatz nahezu neuwertig. Sie boten jeweils
23 Sitzplätze auf Querbänken sowie
zehn bequeme Stehplätze und galten als komfortabel
und laufruhig. Der 30 PS leistende
Die hintere Bühne von Tw 2 nach Betriebsaufnahme 1912 in Grünau. Über dem Fahrwerk prangt
der Schriftzug der Continentalen Eisenbahn-Bau und Betriebsgesellschaft SLG. SIGURD HILKENBACH
Benzolmotor war direkt gekuppelt mit einer
20 Kilowatt leistenden Dynamomaschine, die
Strom von 500-Watt-Klemmspannung erzeugte.
Eine Edison-Akkubatterie diente der
Erregung des Dynamos und der Sicherstellung
der Wagenbeleuchtung im Ruhestand. Die
beiden auf den Achsen angebrachten Elektromotoren
lieferten jeweils 20 PS.
Zwar konnten die Fahrzeuge eine Höchstgeschwindigkeit
von 30 km/h erzielen, doch legte
die Stadt für Cuxhaven 25 km/h als zulässige
Höchstgeschwindigkeit auf der freien
Strecke fest. Ansonsten lag sie in unübersichtlichen
Streckenabschnitten deutlich darunter.
Ein Umbau der Fahrzeuge auf Oberleitungsbetrieb
war im Prinzip nach Bewährung vorgesehen.
Ergänzend erfolgte die Beschaffung
von zwei Beiwagen bei Falkenried.
Der Betrieb mit den für 30 Personen ausgelegten
Beiwagen bereitete bei der Probefahrt
einige Schwierigkeiten. Das Protokoll
verzeichnet: „Die Steigung 1:70 zwischen
der Deichstrasse und Neufelderstrasse wurde
nur schwer erstiegen und es ist zu befürchten,
dass der Zug bei voller Besetzung
stecken bleibt.“(2) Doch ein herbeigerufener
Fachmann wusste Rat: Man sollte statt
des billigeren Citin besser Benzol als Brennstoff
verwenden, warf er ein. Dann ließe
sich dieses Problem beheben. Im Jahr 1921
verkaufte die Stadt Cuxhaven den gesamten,
aus diesen fünf Einheiten bestehenden Wagenpark
an die Moerser Kreisbahn. Während
zwei Triebwagen um 1937 aus dem
Verkehr schieden, lief einer bis 1952. Ein Unfall
setzte seinem Einsatz schließlich ebenfalls
ein Ende, er wurde danach gleichfalls verschrottet.
So erinnert heute an den vor 100
Jahren eröffneten Cuxhavener Trambetrieb
kein Fahrzeug mehr. ANDREAS MAUSOLF
Anmerkungen & Dank
(1)
Über die Länge gibt es unterschiedliche Angaben.
In offiziellen Schriftstücken ist von 3,2 Kilometern
Länge der Tramstrecke die Rede, viele andere
Veröffentlichungen nennen jedoch fünf
Kilometer Streckenlänge; wahrscheinlich ist
damit jedoch die Gesamtstrecke der „Kanonenbahn“
gemeint. Die Tram begann an der Kreuzung
eines Fußweges bei den Wasserturmanlagen
am Bahnhof und endete vor dem Fort
Kugelbake an der Abzweigung von der Deichtrift;
(2)
Zitate nach Protokollen und Schriftverkehr
1913–1915, Stadtarchiv Cuxhaven; ein herzlicher
Dank geht an das Stadtarchiv Cuxhaven,
hier besonders an Frank Weyer;
Ferner lagen weitere Unterlagen aus dem Stadtarchiv
Cuxhaven, Aufzeichnungen des Autors sowie
der Artikel „Die Cuxhavener Straßenbahn“
von Michael Neubauer im STRASSENBAHN
MAGAZIN 10 vom November 1973 zugrunde.
Ein weiterer Dank geht an Axel Reuther in Köln
für seine Unterstützung bei der Bildrecherche.
74 STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
Fundstück des Monats
FOLGE 18
Málaga
Calle Marques
de Larios
Ein roter Teppich für Tw 63? Der letzte erhaltene Straßenbahnwagen Málagas war es den Stadtvätern und den Mitgliedern
des Vereins „Tran-Bus“ ab Mai 2014 in der Fußgängerzone der südspanischen Stadt wert
JENS PERBANDT
Filmheld auf rotem Teppich
Im Frühsommer 2014 präsentierte in der spanischen Stadt Málaga die örtliche Vereinigung zur
Erhaltung von historischen Straßenbahnen und Bussen „Tran-Bus“ in einer belebten Einkaufspassage
einen restaurierten Triebwagen. Aber was hat es mit dem zweiachsigen Tw 63 genau auf sich?
Wer Ende des vorigen Jahrzehntes in Málaga an der Küstenstraße
nach dem viele Jahre dort aufgestellten Triebwagen Ausschau hielt,
suchte ihn vergebens! Der einst in dieser südspanischen Stadt eingesetzte
Zweiachser war vor mehreren Jahren von seinem langjährigen
Denkmalsockel verschwunden …
Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen 1922 vom belgischen
Ateliers de Constructions Electriques de Charleroi (ACEC) gebauten
Triebwagen. Das Fahrgestell vom Typ Brill 21-E hatte die USamerikanische
J. G. Brill Company Philadelphia gebaut.
In Málaga pendelte ab 1891 eine Pferdebahn, 1906 begann der
elektrische Betrieb. Im Jahr 1923 umfasste das Straßenbahnnetz in
der Stadt an der Costa del Sol sechs Linien, auf denen 37 Triebwagen
verkehrten. Während der Franco-Diktatur erfolgte ab 1949 die
schrittweise Einstellung – am 31. Dezember 1961 fuhr die letzte Straßenbahn.
Im Juli dieses Jahres soll eine neu gebaute Metrolinie den
Betrieb aufnehmen. Der Triebwagen 63 diente ein Jahr nach seiner
Außerdienststellung (1961) bei den Dreharbeiten für den englischen
Kinofilm „Lawrence von Arabien“ als Requisite. Danach ungenutzt
abgestellt, ließ die Stadtverwaltung den Triebwagen 20 Jahre später
als Denkmal auf einem Sockel an der Paseo Maritimo Pablo Ruiz
Picasso aufstellen. Dieser unüberdachte Standplatz in Küstennähe
war für das Fahrzeug allerdings nicht gut. Die hölzernen Aufbauten
litten erheblich. Deshalb holte der Verein Tran-Bus den Wagen
am 20. November 2008 zur Restaurierung von seinem Sockel. In
den folgenden knapp zwei Jahren erneuerten die Straßenbahnfreunde
den kompletten Holzaufbau und arbeiteten das Fahrgestell äußerlich
auf. Die Stirnfronten des Wagens fertigten sie aus Blech neu an.
Am 18. September 2010 präsentierten sie das restaurierte Fahrzeug
mit authentischer, neuer blauen Farbgebung, wie es bis 1961
auf den Straßen von Málaga unterwegs gewesen war, erstmalig der
Öffentlichkeit. Seitdem ist er regulär im Busdepot der städtischen
Verkehrsgesellschaft EMT für die Öffentlichkeit unzugänglich hinterstellt.
In diesem Sommer zeigte der Verein ihn nun aber erstmals
in der Fußgängerzone Málagas.
JENS PERBANDT
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
75
n Miniatur-Nahverkehr: Anlagen, Fahrzeuge, Tipps und Neuheiten
m sm-modell@geramond.de
Aus der kleinen Tankstelle (unten) ist inzwischen ein Fast-Food-Restaurant
geworden. Als Blickfang dient ein Straßenkreuzer auf dem Dach
Die gleiche Stelle während der Bauphase. Der Bus hat schon seinen
festen Platz gefunden, die Tankstelle und viele Gebäude fehlen noch
76
Anlagenbau
Dieser Wuppertaler Tw 115 ist ein schon älterer Eigenbau von Guido Mandorf.
Das H0-Modell entstand noch aus Resin. Heute nutzt er den 3-D-Druck
Idyll mit Hinterhof,
Manta und Mülleimer
Ein Stück Ruhrgebiet in H0 n SM-Autor Guido Mandorf hat seine Straßenbahnanlage nach
Motiven aus dem Kohlenpott und dem Bergischen Land um eine kleine Ecke erweitert
Meine ja schon häufiger
für Modellfotos im SM
genutzte Tramanlage
besteht in ihrer Form
bereits einige Jahre. Von kleineren
Detailänderungen abgesehen, ist das
Grundkonzept der Gleisführung und
Bebauung stets gleich geblieben. Die
Anlage ist sehr betriebssicher, doch
getreu Murphys Gesetz bereitete die
am schlechtesten erreichbare Stelle,
eine Kurve der Meterspurstrecke,
doch stets irgendwelche Probleme:
Beim Bau hatte ich sie etwas zu eng
In dieser Kurve wird es für die H0-Autofahrer immer recht eng, wenn ein
Gelenkwagen wie der Bochumer Tw 279 an der Haltestelle steht
eingerichtet, was später besonders
bei Gelenkwagen immer wieder für
Ärger der Anlass war.
Kürzlich hatte ich nun die Möglichkeit,
die Anlage etwas zu erweitern
und damit auch diese Schwachstelle
zu beheben. Die Anlage sollte in Zukunft
über Eck gehen und über eine
Überlandstrecke mit einer dörflichen
Endstelle verbunden werden. Die Erweiterung
betraf ausschließlich die
Meterspurstrecken. Die Normalspurstrecke
blieb unverändert, wenn man
von einem zusätzlichen Abstellgleis
Zwei in den 1970er-Jahren moderne Fahrzeuge: Neben dem Mercedes /8
wartet ein Düwag-M-Wagen der EVAG, den Mandorf in Messing fertigte
strassenbahn magazin 8|2014 77
Straßenbahn im Modell
Der Wuppertaler Zug mit dem zweiachsigen Tw 115 und passendem Beiwagen verlässt die Ortschaft Mandorf auf dem Weg ins Umland g. mandorf (12)
im Betriebshof absieht. Im Schattenbereich,
der bei mir von einer hochgelegten
Eisenbahnstrecke getarnt
wird, teilt sich nun die Meterspur
auf, um entweder zur Überlandstrecke
zu führen oder in einer großzügig
geschwungenen Gleisführung
in Straßenlage in die mit Dreischienengleis
ausgebaute Schleife um
die Fabrikanlage zu münden. Die
Überlandstrecke liegt schon vor dem
Ortsausgangsschild in einer langgezogenen
Steigung, die sie dann bis
zur Endstelle beibehält.
Für mich ist wichtig, dass das „Drumherum“
stimmt und die Atmosphäre
einer Ruhrgebietsstadt authentisch
vermittelt wird. So mussten viele
Gebäude modifiziert und gealtert
werden. Hierbei ist zu beklagen, dass
von den einschlägigen Zubehörherstellern
auch im Jahr 2014 überwiegend
Gebäude nach süddeutschem
Vorbild angeboten werden. Ergänzt
wird die Szenerie durch charakteristische
Straßenmöbel, wie z. B. den
Pilzmülleimer, der früher an vielen
Stellen in Essen zu finden war. Ein
passender fotorealistischer Hintergrund
trägt dazu bei, die Stimmung
Dank des fotorealistischen Hintergrunds ist die Illusion nahezu perfekt:
Erst beim zweiten Blick erkennt man, dass es sich um Modelle handelt
auch jenseits der Anlagenkante zu
erhalten. Das Erscheinungsbild meiner
Anlage ist daher ein deutlicher
Dieses „Luftbild“ des im Bau befindlichen Anlagenteils zeigt die Gleislage,
die später im fertigen Zustand hinter den Gebäuden versteckt ist
und gewollter Widerspruch zur kitschig
bunten Darstellung von Modellbahnanlagen
in Katalogen und
Fachzeitschriften.
Der digitale Fahrbetrieb erfolgt über
Oberleitung, die ich auf diesem Anlagensegment
aus 0,2 Millimeter
starkem Silberdraht gebaut habe.
Das Material ist erstaunlich stabil und
zeigt bisher weniger Neigung zu Oxidation
als der zuvor verwendete Messingdraht.
Eine vorbildgerechte Abspannung
ist zwingend notwendig.
Die oft unreflektierte Behauptung,
dass Digital- und Oberleitungsbetrieb
nicht funktionieren, widerlegt der jahrelang
sichere Betrieb. Auch eine öffentliche
Präsentation in diesem Jahr
zeigte einen höchst stabilen Betrieb.
Etwa ein Drittel der Anlagenfläche
ist gleisfrei. Hier findet man beispielsweise
den typischen Hinterhof,
in dem Kinder Fußball spielen, die
Wäsche zum Trocknen hängt und der
neue Bolide, hier natürlich ein Manta
mit Fuchsschwanz, der Nachbarschaft
vorgestellt wird.
Eine fürs Ruhrgebiet typische Hinterhofidylle mit Opel Manta. Auf dem
Moped durften die Halbstarken damals noch ohne einen Helm fahren
78 strassenbahn magazin 8|2014
B
Anlagenbau
Das Depot wurde auf fünf Gleise vergrößert. Die Niederflur-Tw der Rheinbahn und der B-Wagen sind Eigenbauten aus Messing oder als 3-D-Druck
Ein anderes Grundstück kann als
Besonderheit mit unterschiedlichen
Bebauungen versehen werden. Zum
einen kann es als unbebaute und
vollständig begrünte Brachfläche
dargestellt werden. Zum anderen
bietet sie Platz für eine kleine Tankstelle,
die noch kein Supermarkt mit
angeschlossener Zapfstelle war. Um
die Szene in die Gegenwart zu holen,
die für derart kleine Tankstellen leider
keinen Platz mehr bietet, besteht
die Möglichkeit, die Tankstelle durch
ein amerikanisches Restaurant zu
ersetzen, das das historische Tankstellengebäude
heute nutzt. Ein alter
amerikanischer Straßenkreuzer soll
dazu die Kundschaft anlocken.
Nur wenig entfernt von der Stadtstraße,
deren Häuser reichlich Patina
angesetzt haben, liegt ein Wäldchen,
an dessen Rand sich die Straßenbahn
auf den Weg ins Umland macht. Der
Insider wird hier erkennen, dass ich
mich von der ehemaligen Bergischen
Kleinbahn inspirieren ließ. Einst überzog
sie die Gegend zwischen Essen
und Wuppertal mit einem verzweigten
Überlandstraßenbahnnetz. Eingleisig
und neben der Straße trassiert
beginnt hier eine Überlandstrecke,
deren unübersehbare Steigung für
das Fahrpersonal eine große Herausforderung
darstellt.
GM
Mehr von Guido Mandorfs Tramanlage
sehen Sie im nächsten SM.
Der früher in Essen in vielen Straßen aufgestellte Pilzmülleimer entstand
als 3-D-Druck bei Shapeways und ist dort jetzt für jedermann erhältlich
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TramShop, Rolf Hafke, Sieben-Schwaben-Weg 22, 50997 Köln
t 0 22 33-92 23 66 F 0 22 33-92 23 65 m Hafke.Koeln@t-online.de
B
strassenbahn magazin 8|2014 79
Ihre Seiten: Ergänzungen, Anmerkungen, Kritik und Anregung
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STRASSENBAHN MAGAZIN
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Zu „Kuriosa am Stadtrand“
(SM 6/2014)
Längste eingleisige
Strecke in Mahlsdorf
Die mit gut 1,5 Kilometer längste eingleisige
Straßenbahnstrecke Berlins befindet
sich nicht in Heinersdorf, sondern zwischen
der Ausweiche an der Haltestelle
„Rahnsdorfer Straße“ (im Zuge des Hultschiner
Damms) und der Treskowstraße
Ecke Hönower Straße unmittelbar vor der
Endhaltestelle „S Mahlsdorf“ auf der Linie
62. Zum Wageneinsatz auf der Linie 71
sei noch erläutert, dass sowohl Mischgarnituren
aus (Vorkriegs-)Maximum-Triebwagen
und (Nachkriegs-)LOWA-Beiwagen
als auch reine Vorkriegsgarnituren
zum Einsatz kamen, letztere überwiegend,
aber nicht nur als Verstärkungszüge
(„E“). Diesen Wageneinsatz habe ich
aufsummiert und als „überwiegend mit
Vorkriegsgarnituren“ so in meinem Beitrag
„In 25 Minuten vom Alex aufs Dorf“
im SM 1/2014 bezeichnet.
Bernhard Kußmagk, Berlin
Zu „Augsburg vor 20 Jahren“
(SM 7/2014)
Beschleunigung der
GT5 war eine Wucht!
Mit Interesse und Freude habe ich den
Augsburg-Artikel von Stefan Hinder gelesen.
Er weckt unheimlich viele Erinnerun-
gen! Hervorragend! Denn auch ich war
1994 zum ersten Mal so richtig in Augsburg.
Ein Jahr zuvor bin ich lediglich einmal
durchgefahren und in den Folgejahren war
ich ebenfalls noch einige Male dort, eben
wegen der GT5. Das waren geniale
Fahrzeuge. Es ist für mich bis heute unverständlich,
wieso diese Fahrwerkskonstruktion
(vorne Dreiachser, hinten aufgesattelter
Drehgestellwagen) eine derart gute
Kurvenlage hatte. Die im Artikel erwähnten
Beschleunigungswerte kann ich voll und
ganz bestätigen. Die Wagen vom Typ
Mannheim hatten mich als gebürtigen
Mannheimer dagegen auch enttäuscht ...
Jürgen Niemeyer, Mannheim
Zu „120 Jahre Dessauer
Straßenbahn“ (SM 6/2014)
Die KWU nahmen
andere Entwicklung
In diesem Beitrag werden auch die
Kommunalwirtschaftsunternehmen (abgekürzt
KWU) erwähnt. Dazu eine Korrektur:
Die Gründung der KWU erfolgte auf der
Grundlage der von der Deutschen Wirtschaftskommission
(zivile Zentralregierung
der sowjetischen Besatzungszone) am
21. November 1948 erlassenen „Kommunalwirtschaftsverordnung“.
Aufgrund der
damals langsamen Nachrichtenwege war
die Gründung eines KWU frühestens am
1. Januar 1949 möglich. Deshalb gehe ich
davon aus, dass der Dessauer Verkehrsbetrieb
nicht 1948, sondern 1949 dem KWU
angegliedert worden ist.
Außerdem gliederte die Stadtverwaltung
im Jahre 1951 nicht den Verkehrsbetrieb
aus dem KWU aus. Vielmehr mussten alle
KWU auf Grund der am 22. Januar 1951
von der Regierung der DDR erlassenen
„Verordnung über die Organisation der
örtlichen Industrie und der kommunalen
Einrichtungen“ aufgelöst werden. Die
einzelnen Betriebsteile der KWU wurden
danach als selbständige Volkseigene
Betriebe (VEB) weitergeführt.
Mario Schatz, Dresden
Zu „Fahrzeuge der Bonner
Straßenbahn“ (SM 6/2014)
Richtige Firmierung
der Hersteller beachten
Der Autor des Beitrages schreibt, dass
die elektrische Straßenbahn in Bonn am
21. Mai 1902 ihren Betrieb aufnahm. Den
elektrischen Teil der zu diesem Zeitpunkt
vorhandenen Fahrzeuge hätten die Siemens-Schuckertwerke
gebaut. Letzteres ist
jedoch unmöglich, denn die Firma Siemens
& Halske in Charlottenburg bei Berlin und
die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vormals
Schuckert & Co. in Nürnberg schlossen erst
im März 1903 einen Vertrag zur Zusammenlegung
ihrer Starkstromproduktion in
der neuen Firma „Siemens-Schuckert-Werke
G.m.b.H.“ (so die offizielle Schreibweise)
mit Sitz in Berlin und Nürnberg.
Korrektur zur Verwendung der neuen BVG-Busse
Im „Einsteigen, bitte …“ beschrieb ich
im Heft 7 auf Seite 3 aktuelle Probleme
der Bremer Straßenbahn AG mit den
Niederflurwagen vom Typ GT8N. Ich kritisierte
aus diesem Grund die zuvor erfolgte
Abstellung und den Verkauf der
letzten Wegmannwagen als voreilig.
Kurz vor Redaktionsschluss aus Berlin
eingegangene Aufnahmen und Informationen
interpretierte ich falsch: So hat die
BVG die erwähnten 15 Busse nicht zur
Verstärkung von Straßenbahnkursen erworben,
sondern um den Buspark für die
mit dem Land vereinbarten Mehrleistungen
zu erweitern. Durch die Angebotserweiterung
auf Straßen und Schienen benötigt
die BVG zusätzliche Busse – nicht
Straßenbahnwagen. Während die bisher
für baustellenbedingte Straßenbahn-Ersatzverkehre
genutzten Busse seit April im
regulären Busliniendienst verwendet werden,
dienen die aus Amsterdam und Stuttgart
erworbenen Busse seitdem vor allem
dem Ersatzverkehr von baustellenbedingt
verkürzt fahrenden oder unterbrochenen
Straßen- oder U-Bahnlinien. Ich bitte den
Fehler zu entschuldigen. Durch die stetige
Auslieferung weiterer Niederflurwagen
werden modernisierte KT4D frei,
welche die bestellten Mehrleistungen
auf anderen Linien übernehmen bzw. als
Schüler- oder Verstärker züge zum Einsatz
kommen – beispielsweise auf den Linien
M4, M6 oder M8.
Leser des STRASSENBAHN MAGAZIN
berichten, dass – nach bislang unbestätigten
Meldungen – 20 modernisierte
KT4D eine erneute Hauptuntersuchung
bekommen sollen. André Marks
Die elektrische Ausrüstung der ersten
Fahrzeuge in Bonn stammte von Siemens
& Halske – so der Firmenkatalog dieses
Unternehmens. Erkennbar ist es aber
auch an der Bauart der Triebwagen mit
ovalem Vorbaufahrschalter. Noch ein
Punkt: Im Jahr 1906 konnte die Firma Siemens
& Halske die Straßenbahn nicht umspuren,
da sie sich zu diesem Zeitpunkt nur
noch mit Schwachstromtechnik befasste.
Hier werden es wohl die Siemens-Schuckert-Werke
gewesen sein, die den elektrischen
Teil der Umspurung besorgten oder
vielleicht auch als Generalauftragsnehmer
aufgetreten sind. M. Müller, Berlin
Zu „Wagen der DWM/Waggon
Union“ (SM 6/2014)
Oft wechselnde Firmen
in Berlin-Reinickendorf
Zum auf Seite 44 abgedruckten Kasten
noch einige Hinweise, da sich die jüngere
Geschichte des Standortes in Reinickendorf
etwas vielschichtiger darstellt
und der heutige Zustand eigentlich nicht
beschrieben wurde:
ADtranz als Nachfolger von ABB Henschel
verlagerte die Reinickendorfer Fertigung
im Jahre 1997 zum neu gebauten Werk in
Berlin-Wilhelmsruh auf dem Gelände der
ehemaligen Bergmann-Werke (heute Gewerbegebiet
„PankowPark“, Stammsitz
der Stadler Pankow GmbH). Als Fertigungsstandort
wurde Reinickendorf seitens
ADtranz aufgegeben und das verbliebene
Gelände unter wechselnden
Betreibern als Gewerbepark fortgeführt
(aktuell „Holzhauser Markt“). Das Areal
wird heute von Fach- und Supermärkten
dominiert. Allerdings verblieb die Lackiererei
als aktive Produktionsstätte unter anderem
für Schienenfahrzeuge und zugehörige
Komponenten inhabergeführt als
„Dangelmayr Oberflächentechnik
GmbH“. Somit blieb auch der Gleisanschluss
zum Gelände erhalten. Eine gegenüber
der Lackiererei befindliche und
über eine gemeinsame Schiebebühne erreichbare
Fertigungshalle nutzte ADtranz
ab 1999 wieder als Standort für den Servicebereich
(Modernisierungen, Reparaturen,
auch Montage von Neufahrzeugen).
80
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014
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Nummer 298 • 8/2014 • Juli • 45. Jahrgang
In diesen Fachgeschäften erhalten Sie das STRASSENBAHN MAGAZIN
Termine
20. Juli, Bochum: „MuseumsExpress“
Bochum Hbf – Bf Dahlhausen (S); fünf
Abfahrten in Bochum zwischen 11.02
und 17.02 Uhr sowie von Dahlhausen
zwischen 11.51 und 17.51 Uhr
20. Juli, Leipzig: Der „Historische Straßenbahnhof
Leipzig-Möckern“ hat von
10 bis 17 Uhr geöffnet. Stündlich pendelt
im Zubringerverkehr die Linie 29E
mit historischen Wagen zwischen dem
Museum und der Innenstand und es finden
Sonderfahrten mit historischen Wagen
statt. Weitere Informationen unter:
www.strassenbahnmuseum.de
26./27. Juli, Bad Schandau: Sonderbetrieb
anlässlich des Kirnitzschtalfestes
mit historischen Wagen
27. Juli, München: Öffnungstag des
MVG-Museums in der Ständlerstraße 20
von 11 bis 17 Uhr
Postleitzahlgebiet 0
Thalia-Buchhandlung, 02625 Bautzen,
Kornmarkt 7 · Fachbuchhandlung
Hermann Sack, 04107 Leipzig,
Harkortstr. 7
Postleitzahlgebiet 1
Schweitzer Sortiment, 10117 Berlin,
Französische Str. 13/14 · Loko Motive
Fachbuchhandlung, 10777 Berlin,
Regensburger Str. 25 · Modellbahnen
& Spielwaren Michael Turberg, 10789
Berlin, Lietzenburger Str. 51 · Buchhandlung
Flügelrad, 10963 Berlin,
Stresemannstr. 107 · Modellbahn-
Pietsch, 12105 Berlin, Prühßstr. 34
Postleitzahlgebiet 2
Roland Modellbahnstudio,
28217 Bremen, Wartburgstr. 59
Postleitzahlgebiet 3
Buchhandlung Decius, 30159 Hannover,
Marktstr. 52 · Train & Play, 30159
Hannover, Breite Str. 7 · Pfankuch
Buch, 38023 Braunschweig, Postfach
3360 · Pfankuch Buch, Kleine Burg
10, 38100 Braunschweig
Postleitzahlgebiet 4
Menzels Lokschuppen, 40217 Düsseldorf,
Friedrichstr. 6 · Goethe-Buchhandlung,
40549 Düsseldorf, Will -
stätterstr. 15 · Modellbahnladen Hilden,
Hofstr. 12, 40723 Hilden · Fach -
buchhandlung Jürgen Donat, 47058
Duis burg, Ottilienplatz 6
Postleitzahlgebiet 5
Technische Spielwaren Karin Lindenberg,
50676 Köln, Blaubach 6-8 ·
Modellbahn-Center Hünerbein, 52062
Aachen, Augustinergasse 14 · Mayersche
Buchhandlung, 52064 Aachen,
Matthiashofstr. 28-30 · Buchhandlung
Karl Kersting, 58095 Hagen, Berg -
str. 78
Postleitzahlgebiet 6
Kerst & Schweitzer, 60486 Frankfurt,
Solmsstr. 75
Postleitzahlgebiet 7
Stuttgarter Eisenbahn-u.Verkehrsparadies,
70176 Stuttgart, Leuschnerstr.
35 · Buch hand lung Wilhelm Messerschmidt,
70193 Stuttgart, Schwabstr.
96 · Buchhandlung Albert Müller,
70597 Stutt gart, Epplestr. 19C · Eisen -
bahn-Treffpunkt Schweickhardt,
71334 Waiblingen, Biegelwiesenstr.
31 · Osiandersche Buch handlung,
72072 Tübingen, Unter dem Holz 25 ·
Buch verkauf Alfred Junginger, 73312
Geis lingen, Karlstr. 14 · Service rund
ums Buch Uwe Mumm, 75180 Pforzheim,
Hirsauer Str. 122 · Modellbahnen
Mössner, 79261 Gutach, Landstr.
16 A
Postleitzahlgebiet 8
Fachbuchzentrum & Antiquariat Stiletto,
80634 München, Schulstr. 19 ·
Augsburger Lok schuppen, 86199
Augsburg, Gögginger Str. 110 · Verlag
Benedikt Bickel, 86529 Schroben -
hausen, Ingolstädter Str. 54
Postleitzahlgebiet 9
Buchhandlung Jakob, 90402 Nürnberg,
Hefners platz 8 · Modellbahnvertrieb
Gisela Scholz, 90451 Nürnberg,
Nördlinger Str. 13 · Modell spielwaren
Helmut Sigmund, 90478 Nürnberg,
Schweiggerstr. 5 · Buchhandlung
Rupprecht, 92648 Vohenstrauß, Zum
Beckenkeller 2 · Fried rich Pustet & .,
94032 Passau, Nibe lun gen platz 1 ·
Schöningh Buchhandlung & ., 97070
Würz burg, Franziskanerplatz 4
Österreich
Buchhandlung Herder, 1010 Wien,
Wollzeile 33 · Modellbau Pospischil,
1020 Wien, Novaragasse 47 · Technische
Fachbuch handlung, 1040 Wien,
Wiedner Hauptstr. 13 · Leporello – die
Buchhandlung, 1090 Wien, Liechtensteinstr.
17 · Buchhandlung Morawa,
1140 Wien, Hackinger Str. 52 · Buchhandlung
J. Heyn, 9020 Klagenfurt,
Kramergasse 2-4
Belgien
Musée du Transport Urbain Bruxellois,
1090 Brüssel, Boulevard de Smet de
Naeyer 423/1
Tschechien
Rezek Pragomodel, 110 00 Praha 1
Klimentska 32
Dänemark
Peter Andersens Forlag, 2640 Hede -
husene, Brandvaenget 60
Spanien
Librimport, 8027 Barcelona, Ciudad
de Elche 5
Großbritannien
ABOUT, GU46 6LJ, Yateley,
4 Borderside
Ob Tag der offenen Tür, Sonderfahrt oder Sym posium:
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Fax (0 89) 13 06 99-700 · E-Mail: redaktion@geramond.de
2. August, Bochum: Nostalgischer Straßenbahnverkehr
Gelsenkirchen Hbf – Essen
Hbf; sieben mal stündlich ab 11.17
Uhr bzw. von Essen Hbf ab 11.04 Uhr bis
nach 18 Uhr
2. August, Döbeln: Öffentliche Fahrtage
der Pferdestraßenbahn, jeweils 10 bis
12.30 und 14 bis 17 Uhr. Die Fahrten beginnen
am Pferdebahnmuseum, Niederwerder
6. Das Museum ist Dienstag bis
Freitag 10 bis 17 Uhr und sonnabends
9.30 bis 12.30 Uhr geöffnet (an den o. g.
Fahrtagen bis 17 Uhr)
2. August, Freiburg: die Oldtimerlinie 7
verkehrt aufgrund von Bauarbeiten 2014
auf der Route Haid/Munzinger Straße –
Weingarten – Technisches Rathaus – Hauptfriedhof
– Hornusstraße – Zähringen/Gundelfinger
Straße; die Mitfahrt ist kostenfrei,
es werden aber limitierte Spenden-Sonderfahrscheine
zum Erhalt der Wagen angeboten,
Betriebszeit 9.26 bis 17.19 Uhr
Niederlande
van Stockum Boekverkopers, 2512
GV, Den Haag, Westeinde 57 · Norsk
Modell jernbane AS, 6815 ES, Arnheim,
Kluizeweg 474
die historische Burgringlinie 15 entlang
der Nürnberger Altstadt
17. August, Bochum: „MuseumsExpress“
Bochum Hbf – Bf Dahlhausen
(S); fünf Abfahrten in Bochum zwischen
11.02 und 17.02 Uhr sowie von Dahlhausen
zwischen 11.51 und 17.51 Uhr
17. August, Leipzig: Der „Historische
Straßenbahnhof Leipzig-Möckern“ hat
von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Stündlich
pendelt im Zubringerverkehr die Linie
29E mit historischen Wagen zwischen
dem Museum und der Innenstand und
es finden Sonderfahrten mit historischen
Wagen statt. Weitere Informationen unter:
www.strassenbahnmuseum.de
6. September, Augsburg: Rundfahrten
von avg und „Freunden der Augsburger
Straßenbahn e.V.“ (F.d.A.S.) mit
KSW Nr. 506, bei technischen Defekten
GT 8; Abfahrt Königsplatz, B2: 14.05,
15.05 und 16.05 Uhr, Fahrscheine beim
Schaffner im Wagen, Erwachsene 3
Euro, Kinder 1,50 Euro (Mitglieder von
Straßenbahnvereinen frei)
Betriebe
Fahrzeuge
Geschichte
www.strassenbahn-magazin.de
Redaktionsanschrift:
STRASSENBAHN MAGAZIN
Postfach 40 02 09 · D-80702 München
Tel. + 49 (0) 89.13 06 99.720
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Verantw. Redakteur:
André Marks, andre.marks@geramond.de
Redaktion:
Michael Krische (Chefredakteur),
Thomas Hanna-Daoud, Martin Weltner
Redaktion Straßenbahn im Modell:
Jens-Olaf Griese-Bande low,
jobandelow@geramond.de
Redaktionsteam:
Berthold Dietrich-Vandoninck, Wolfgang Kaiser,
Michael Kochems, Bernhard Kuß magk,
Ronald Glembotzky, Hans Immer,
Dr. Martin Pabst, Axel Reuther, Robert Schrempf,
Michael Sperl, Guido Mandorf
Redaktionsassistenz: Brigitte Stuiber
ABO –HOTLINE
Leserservice, GeraMond-Programm
Tel. 0180 – 532 16 17 (14 ct/min.)
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Tel. + 49 (0) 89.13 06 99.527
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Anzeigendispo STRASSENBAHN MAGAZIN:
Tel. + 49 (0) 89.13 06 99.130
anzeigen@verlagshaus.de
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Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.1.2014
Layout: Karin Vierheller
Litho: Cromika, Verona
Druck: Stürtz GmbH, Würzburg
Verlag:
GeraMond Verlag GmbH,
Infanteriestraße 11a, 80797 München
Geschäftsführung:
Clemens Hahn
Herstellungsleitung:
Sandra Kho
Leitung Marketing und Sales Zeitschriften:
Andreas Thorey
Vertriebsleitung:
Dr. Regine Hahn
Vertrieb/Auslieferung Handel:
MZV, Unterschleißheim
Im selben Verlag erscheinen außerdem:
AUTO CLASSIC TRAKTOR CLASSIC SCHIFF CLASSIC
FLUGMODELL MODELLFAN MILITÄR & GESCHICHTE
FLUGZEUG CLASSIC SCHIFFSMODELL CLAUSEWITZ
2. August, Augsburg: Rundfahrten
Preise: Einzelheft Euro 8,50 (D), Euro 9,50 (A),
sFr. 15,90 (CH), bei Einzelversand zzgl. Porto;
von avg und „Freunden der Augsburger
2., 16. August, Halle (Saale): Die Halleschen
Straßenbahnfreunde e.V. laden von
Jahresabopreis (12 Hefte) Euro 91,80 (incl. MwSt.,
Straßenbahn e.V.“ (F.d.A.S.) mit KSW Nr.
im Ausland zzgl. Versandkosten)
506, bei technischen Defekten GT 8; Abfahrt
Königsplatz, B2: 14.05, 15.05 und
11 bis 17 Uhr ins Historische Straßenbahndepot
auf die Seebener Straße 191 ein 6. September, Bochum: Nostalgischer
Die Abogebühren werden unter der Gläubiger-Identifikationsnummer
DE63ZZZ00000314764 des Gera -
Nova Bruckmann Verlagshauses eingezogen. Der
16.05 Uhr, Fahrscheine beim Schaffner 2./3. August, Nürnberg: Öffnungstag Straßenbahnverkehr Gelsenkirchen Hbf Einzug erfolgt jeweils zum Erscheinungstermin der
im Wagen, Erwachsene 3 Euro, Kinder im Historischen Straßenbahndepot St. Peter
von 10 bis 17.30 Uhr (17 Uhr letzter 11.17 Uhr bzw. von Essen Hbf ab 11.04 Impressum. Die Mandatsreferenznummer ist die auf
– Essen Hbf; sieben mal stündlich ab Ausgabe, der mit der Vorausgabe ankündigt wird. Den
aktuellen Abopreis findet der Abonnent immer hier im
1,50 Euro (Mitglieder von Straßenbahnvereinen
frei)
Einlass), während der Öffnungszeiten fährt Uhr bis nach 18 Uhr
dem Adressetikett eingedruckte Kundennummer.
Erscheinen und Bezug: STRASSENBAHN MAGAZIN
erscheint monatlich. Sie erhalten die Reihe in Deutsch -
land, in Österreich und in der Schweiz im Bahnhofs buch -
Selbige verlagerte aber ab 2008 wiederum Stadler Reinickendorf GmbH gegründet. handel, an gut sortierten Zeitschriftenki os ken, im Fachbuchhandel
sowie direkt beim Verlag.
ihre Aktivitäten nach Hennigsdorf. Letzteres übernahm 2011 die Lackiererei
© 2013 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle ihre
Die erneut frei gewordene Halle dient von Dangelmayr und nutzt den Standort enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich
geschützt. Durch Annahme eines Manu skripts erwirbt
nun seit 2010 der Firma Stadler als Fertigungsstätte
für Aluminium-Rohbauten; ren und weitere Servicetätigkeiten.
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inzwischen außerdem für Unfallreparatu-
der Verlag das aus schließ liche Recht zur Ver öffentlichung.
übernommen. Gerichtsstand ist München.
hierfür wurde das Tochterunternehmen
Ivo Köhler, Potsdam Ver antwortlich für den redaktionellen Inhalt: André Marks;
verantwortlich für Anzeigen: Rudolf Gruber, beide Infanteriestr.
11a, 80797 München.
ISSN 0340-7071 • 10815
STRASSENBAHN MAGAZIN 8 | 2014 81
Der ADtranz-Nachfolger Bombardier verlegte
den Service im Herbst 2002 nach
Halle-Ammendorf (und 2005 nach Hennigsdorf).
Nachmieter in der Reinickendorfer
Fabrikhalle war die neu gegründete
Fahrzeugwerke Miraustraße GmbH (FWM).
Vorschau
SLG. THÜRINGERWALDBAHN UND STRASSENBAHN GOTHA GMBH
Liebe Leser,
Sie haben
Freunde, die
sich ebenso
für die
Straßenbahn
mit all Ihren
Facetten begeistern
wie Sie? Dann empfehlen
Sie uns doch weiter! Ich freue mich
über jeden neuen Leser
André Marks,
Verantwortlicher Redakteur
Mit der Straßenbahn ins grüne Herzen Thüringens
Sie kennt jeder Straßenbahnfreund – die Thüringerwaldbahn von Gotha nach Waltershausen bzw. Tabarz. Verkehrt dieses
Kleinod inzwischen seit exakt 85 Jahren, so schaute die Straßenbahn Gotha im Mai 2014 auf eine 120-jährige Betriebsgeschichte
zurück. Am 20./21. September wird dieses Doppeljubiläum zünftig gefeiert. Im Vorfeld der Veranstaltungen erscheint
im STRASSENBAHN MAGAZIN 9 ein großes Porträt der beiden Meterspurbahnen bzw. des heutigen Betriebs TWSB.
Weitere Themen der kommenden Ausgabe
Bremen: Auf ins dritte Jahrzehnt!
Die erste Serie von Niederflurwagen der Hansestadt ist im
dritten Einsatzjahrzehnt angekommen. Ihre Unterhaltung wird
zeitaufwendiger, es gibt Probleme – das nehmen wir zum Anlass
für einen Rückblick auf 20 Jahre GT8N in Bremen. Der
von den Herstellerfirmen MAN/GHH und Kiepe gemeinsam
mit der BSAG entwickelte Wagentyp setzte 1990 international
Maßstäbe: Es war der weltweit erste Straßenbahnwagen mit
durchgehend niederflurigem Wagenboden.
Durch Schwerin mit der Linie 3
Sie durchquert die alte Großherzogliche Residenzstadt von
Nordwest nach Südost und verbindet dabei zwei große Plattenbaugebiete
miteinander – Schwerins Linie 3. Das Porträt
stellt alles Sehenswerte um deren Streckenverlauf vor.
ULF LIEBERWIRTH
Goldene Zeit in Nürnberg?
Die Straßenbahn war 1994 in Nürnberg längst nicht mehr
Hauptträger des ÖPNV, diese Rolle hatte sie an die U- und
S-Bahn abgetreten. Aber ihr Weiterbetrieb war vor 20 Jahren
bereits gesichert gewesen. Davon zeugten unter anderem
die neuen Niederflurwagen. Aber was gehörte in Nürnberg
damals noch zum Betriebsalltag der Straßenbahn?
STEFAN HINDER
Die Beiwagen der
Darmstädter Straßenbahn
Bei westdeutschen Straßenbahnbetrieben ist der Beiwagenbetrieb
eine Besonderheit geworden. HEAG mobilo hält an
dieser bewährten Lösung dennoch fest. Der Beitrag stellt sowohl
die einst als auch heute noch in Darmstadt eingesetzten
Beiwagentypen vor, deren jüngste Generation 2014 bereits
auf zwei Einsatzjahrzehnte zurückblickt.
Ende gut …?
Bahn frei für
neue Sounds
Nächster Halt: Jazz Tube ´14. Die Stadtwerke
Bonn sorgen auch in diesem Jahr
wieder für besonderen Sound im Untergrund.
An den drei U-Bahn-Stationen
Bonn Hbf/Thomas-Mann-Straße, Universität/Markt
und Museumsmeile/Heussallee
geben Musiker aus Bonn und Umgebung
seit 23. Mai sowie an drei noch
folgenden Tagen den Ton an. Eine Mischung
aus Jazz, Blues, Latin, Soul und
Improvisation wartet dann auf die Besucher
– live an der Haltestelle.
Geboten wird das Spektakel jeweils freitags
17 bis 20 Uhr noch am 25. Juli, 29.
August sowie 26. September. Weitere Informationen
gibt es unter www.jazztube-bonn.de.
Das Abschlusskonzert am 24. Oktober
findet im LVR-LandesMuseum Bonn mit
den Gewinnern des Votings statt – dieser
Veranstaltungsort ist dann natürlich
ebenfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln
zu erreichen.
Und was soll uns das am Ende sagen? Bei
der Jazz Tube ´14 handelt es sich um eine
etwas andere Art und einen etwas anderen
Ort, um für den Verkehrsbetrieb zu
werben – einschließlich „nachhaltiger“
An- und Abreise mit den Stadtbahnlinien
16, 63 und 66. Genau deshalb ist es am
Ende eine wirklich gute Sache! TE/AM
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Das besondere Bild
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Am 5. August 1976 trafen sich in Neapel in der Via Vannella
Gaetani an der Piazza Vittorio zwei Triebwagen der Serie
951 bis 1054. Diese von der Waggonfabrik IMAM Volturnio
gebauten Fahrzeuge stammten aus den 1930er-Jahren.
Um 1960 wurden ca. 50 Wagen durch das ortsansässige Unternehmen
AERFER modernisiert und erhielten leicht stromlinienförmige Plattformen
– so auch die fotografierten Tw 961 und 1031. Letzterer trug
anstelle des „Mussolinigrüns“ bereits eine orange -graue Lackierung.
Ab den 1970er-Jahren erhielten viele der Fahrzeuge neue Wagenkästen.
Zwischen Mai 2003 und Januar 2004 ruhte der Gesamtbetrieb
der Straßenbahn. In dieser Zeit fanden umfangreiche Gleiserneuerungen
sowie die Umstellung der gesamten Fahrleitungsanlage
auf Betrieb mit Pantographen statt. Die auf diese Weise umgerüsteten
Vierachser der hier vorgestellten Serie lösten zwischen 2004
und 2007 letztendlich 22 Niederflurwagen vom Typ Sirio der Firma
Ansaldo/Breda ab. Der Tw 1029 wird als Museumswagen genutzt,
einige neukarrossierte Vierachser sind hingegen als Reserve
vorhanden.
TEXT & FOTO: WOLFGANG MEIER