KLARTEXT - Sparkassenzeitung
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M A N A G E R M A G A Z I N D E R S P A R K A S S E N - F I N A N Z G R U P P E<br />
Sparkasse<br />
Feinde lauern<br />
häufig innen<br />
Wie Sparkassen den Abfluss<br />
interner Daten verhindern<br />
Vom Konzert<br />
zum Konto<br />
Was bei Events für<br />
junge Zielgruppen<br />
zu beachten ist<br />
Partner<br />
auf Zeit<br />
Roundtable-Gespräch<br />
zum Sparkassen-<br />
Beteiligungsgeschäft<br />
<strong>KLARTEXT</strong><br />
ZKZ 6374<br />
Medienexperte Frank Brettschneider erklärt, warum eine klare<br />
Sprache dem Image von Finanzinstituten und Managern dient<br />
128. JAHRGANG – NUMMER 02 F E B R U A R 2 0 1 1
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1956
EDITORIAL<br />
3<br />
Weltweit aktiv –<br />
weltweit erfolgreich<br />
KLARE WORTE<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser<br />
Es klang wie ein gut vertrauter Weckruf.<br />
„Wir Sparkassen dürfen die<br />
Umsetzung unserer Strategie nicht<br />
an Beteiligungscontroller oder Berater<br />
delegieren“, mahnte Sparkassen-<br />
Bundesobmann Helmut Schleweis<br />
auf der Vorständetagung „Märkte und<br />
Strategien“ in Berlin. „Wenn wir nicht<br />
unsere Hausaufgaben machen, werden<br />
andere das für uns tun.“ Bei vielen<br />
Verbundunternehmen der Sparkassen<br />
lägen noch erhebliche Synergiepotenziale<br />
brach, sagte Schleweis, der im<br />
Hauptberuf Chef der Sparkasse Heidelberg<br />
ist.<br />
Allein durch die Bündelung der<br />
öffentlichen Versicherer ließen sich<br />
deren „unterdurchschnittliche“ Marktanteile<br />
erhöhen und Sparpotenziale<br />
im dreistelligen<br />
Mio.-Euro-Bereich erzielen, so<br />
Schleweis. Bei den IT-Dienstleistern<br />
sei in Sachen „Bündelung“<br />
schon viel erreicht,<br />
Potenzial bestehe noch bei<br />
Landesbausparkassen oder<br />
Leasingunternehmen. Und<br />
die Verbände sollten „arbeitsteilig,<br />
kooperativ und<br />
redundanzfrei miteinander<br />
arbeiten“.<br />
Derlei Forderungen sind so<br />
neu nicht, sie waren aber im Zuge der<br />
Finanzkrise in den Hintergrund geraten.<br />
Wegen offener Fragen bei den Landesbanken<br />
sehen sich die Sparkassen<br />
vielfach in die Rolle der Getriebenen<br />
gedrängt. Die aktive Gestaltung der<br />
Beteiligungen wird auch dadurch erschwert,<br />
dass die Institute oft nicht<br />
alleinige Besitzer der Verbundunternehmen<br />
sind. „Die Sparkassen müssen<br />
bei Verbundunternehmen die Mehrheit<br />
haben, denn der Besitzer hat das<br />
Sagen“, schlussfolgerte Schleweis. Für<br />
ihn stehe daher auch außer Frage, dass<br />
die Sparkassen den Fondsdienstleister<br />
Deka komplett erwerben sollten.<br />
Bündelung mahnen Vertreter der<br />
Sparkassen-Finanzgruppe auch bei<br />
Oliver Fischer<br />
den etwa 60 aktiven Beteiligungsunternehmen<br />
an, die oft nicht über die<br />
notwendige Größe verfügten, um die<br />
regionalen Potenziale auszuschöpfen.<br />
„Ziel ist eine weitere Konsolidierung<br />
beziehungsweise Bündelung auf<br />
schlagkräftige Größen in den jeweiligen<br />
Regionen“, fordert DSGV-Expertin<br />
Christiane Bauer (ab Seite 36).<br />
Vertreter der Sparkassen begegnen<br />
derlei Einschätzungen teilweise mit<br />
Skepsis, da sie um den engen Draht<br />
zu den Firmenkunden fürchten und<br />
größere Risiken überregionaler Beteiligungen<br />
vermuten. Allerdings sieht der<br />
Gedanke der Bündelung grundsätzlich<br />
vor, dass die Nähe zu den regionalen<br />
Kunden eben nicht gefährdet, sondern<br />
im Gegenteil noch intensiviert<br />
werden soll, weil Prozesse<br />
im Hintergrund mit weniger<br />
Aufwand abgewickelt<br />
werden können (ab Seite 30).<br />
Eine klare Sprache ist alles,<br />
das hat sich nicht zuletzt in<br />
der Finanzkrise gezeigt. Wären<br />
riskante Produkte nicht<br />
mit hochtrabenden oder irreführenden<br />
Bezeichnungen<br />
wie „Asset Backed Securities“<br />
geadelt worden, hätte<br />
vielleicht manch ein Banker<br />
näher nachgefragt, was genau er sich<br />
dann da ins Portfolio holt. Lesen Sie<br />
im Interview mit dem Kommunikationswissenschaftler<br />
Frank Brettschneider,<br />
wie Sparkassen und ihre Manager<br />
durch eine verständliche Sprache ihren<br />
eigenen Ruf und das Image ihrer Institute<br />
pflegen können (ab Seite 10).<br />
Oliver Fischer,<br />
Chefredakteur SPARKASSE<br />
Managermagazin<br />
der Sparkassen-Finanzgruppe<br />
Sparkassen und Internationales –<br />
das passt in den Augen vieler Unterneh<br />
men nicht zusammen. Und auch<br />
Firmenkunden berater stellen immer<br />
wieder fest: Unsere Kunden sind zwar<br />
weltweit aktiv – aber nicht mit uns.<br />
Hier gilt es aktiv zu werden. Schließen<br />
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Geschäft des deutschen Mittelstands<br />
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Schad, Jürgen<br />
Weltweit aktiv<br />
11. Auflage 2010<br />
32 Seiten, DIN A4, geheftet<br />
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4<br />
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Nr. 34 vom 01.01.2011.<br />
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Mitglied der Fachgruppe<br />
Fachzeitschriften im<br />
VDZ. Artikelnummer:<br />
328 080 602<br />
KONJUNKTUR<br />
Die Lokomotive bleibt in Fahrt<br />
Mit einer Rate von 3,6 Prozent<br />
ist die deutsche Wirtschaft<br />
im vergangenen Jahr so<br />
stark gewachsen wie seit der<br />
Wiedervereinigung nicht mehr.<br />
Damit ist Deutschland zur Konjunkturlokomotive<br />
der Eurozone,<br />
aber auch der G-7-Länder geworden.<br />
Zwar war der Einbruch<br />
der Wirtschaftsleistung hierzulande<br />
im Rezessionsjahr 2009<br />
mit 4,7 Prozent auch besonders<br />
ausgeprägt, doch die wettbewerbsstarke<br />
deutsche Industrie<br />
profitiert zurzeit überdurchschnittlich<br />
vom Aufschwung in<br />
den Schwellenländern.<br />
Mittlerweile gehen allein rund<br />
elf Prozent der hiesigen Exporte<br />
in die dynamischen BRIC-<br />
Staaten. Das exportinduzierte<br />
Wachstum hat zu Impulsen bei<br />
der Binnennachfrage geführt.<br />
So sind die Investitionen angesprungen<br />
und entsprechend<br />
auch der Arbeitsmarkt.<br />
Superboom flaut ab<br />
Während in der Eurozone insgesamt<br />
die Arbeitslosigkeit deutlich<br />
anstieg und die höchste<br />
Quote seit 1998 erreichte, ist<br />
unser Arbeitsmarkt auf einen<br />
starken Erholungspfad eingeschwenkt.<br />
Mit einer saisonbereinigten<br />
Rate von 7,5 Prozent<br />
wurde die niedrigste Arbeitslosenquote<br />
seit 1992 erreicht<br />
– und nicht nur die Quote lässt<br />
Freude aufkommen. Noch viel<br />
besser ist das absolute Niveau<br />
der Beschäftigung. Fast 41 Mio.<br />
Beschäftigte gibt es in Deutschland,<br />
so viele wie noch nie.<br />
So überrascht es auch nicht,<br />
dass der in der Vergangenheit<br />
als Dauerpessimist bekannte<br />
deutsche Konsument mittlerweile<br />
ins Optimistenlager gewechselt<br />
ist. Seine Stimmung<br />
erreichte zuletzt den höchsten<br />
Wert seit 2007. Dies liegt auch<br />
an der bislang niedrigen Inflation,<br />
die mit einer Rate von<br />
1,1 Prozent im vergangenen<br />
Jahr dazu beitrug, dass das real<br />
verfügbare Einkommen um<br />
1,5 Prozent angestiegen ist.<br />
Auch die Aussichten für das<br />
laufende Jahr sind gut. So erreichten<br />
die vorlaufenden<br />
Stimmungsindikatoren der Unternehmen<br />
zum Jahreswechsel<br />
Höchststände. Viele Prognostiker<br />
leiten daraus bereits<br />
Gertrud R. Traud,<br />
Chefvolkswirtin und Leiterin<br />
Research,<br />
Landesbank Hessen-Thüringen<br />
Wachstumsraten für das Jahr<br />
2011 von bis zu 3,2 Prozent ab.<br />
Mit einer Rate von „nur“ etwa<br />
zwei Prozent zähle ich zu den<br />
angeblichen Pessimisten. Eine<br />
Rate von zwei Prozent ist aber<br />
alles andere als pessimistisch.<br />
Vielmehr sehe ich nach dem Superboom<br />
des Jahres 2011 eine<br />
Normalisierung.<br />
Dafür sind mehrere Faktoren<br />
verantwortlich: So fallen nicht<br />
„Wir sollten uns<br />
nicht davor fürchten,<br />
wenn sich die<br />
Wachstumsrate im<br />
Vergleich zum<br />
Vorjahr fast halbieren<br />
sollte. Das letzte,<br />
was wir jetzt gebrauchen<br />
können, ist<br />
eine neue Blase.“<br />
nur der Lagerzyklus und die<br />
Konjunkturprogramme weg.<br />
Auch zahlreiche der im Vorjahr<br />
antreibenden Faktoren verlieren<br />
an Dynamik. Insbesondere<br />
die abflachende Entwicklung<br />
bei unseren Abnehmerländern<br />
wird spürbar werden. In der<br />
Eurozone bremsen die notwendigen<br />
Konsolidierungsmaßnahmen<br />
in den hoch verschul-<br />
deten Staaten. In den derzeit<br />
noch boomenden Schwellenländern<br />
drohen Inflationsgefahren,<br />
so dass die dortige Geldund<br />
Fiskalpolitik restriktiver<br />
wird.<br />
Vieles hängt an China<br />
Wesentlich wird die Entwicklung<br />
in China sein. Mit einem<br />
Anteil von 5,5 Prozent gehört<br />
diese aufstrebende Nation mittlerweile<br />
zu unseren wichtigsten<br />
Exportdestinationen. Bei Maschinen<br />
sind die Chinesen sogar<br />
unsere wichtigsten Abnehmer.<br />
Sobald die restriktiven Maßnahmen<br />
in China greifen, wird<br />
dies unsere Exportdynamik entsprechend<br />
dämpfen. Das ist vor<br />
dem Hintergrund der bereits<br />
hoch ausgelasteten Kapazitäten<br />
allerdings keine Katastrophe.<br />
Sollte es nämlich nicht zu einer<br />
Abflachung der Nachfrage kommen,<br />
bestünde das Risiko von<br />
Überhitzungen auch bei uns.<br />
Eine deutlich höhere Inflation<br />
wäre dann unausweichlich. Es<br />
ist also zu begrüßen, dass das<br />
Wachstum in moderatere Bahnen<br />
übergeht.<br />
Zwei Prozent sind genug<br />
Eine Wachstumsrate des deutschen<br />
Bruttosozialprodukts<br />
von zwei Prozent wird aber<br />
hoch genug sein, um die Beschäftigungssituation<br />
weiter zu<br />
verbessern. Ich erwarte, dass<br />
die Zahl der Arbeitslosen im<br />
Verlauf des Jahres 2011 auf die<br />
Marke von 2,5 Mio. zurückgehen<br />
wird. Entscheidend für die weitere<br />
Verbesserung am Arbeitsmarkt<br />
ist die Tatsache, dass die<br />
Beschäftigungsschwelle mittlerweile<br />
bei einem Wachstum<br />
von nur noch knapp 1,5 Prozent<br />
liegt. Ein Anstieg der Wirtschaftsleistung<br />
in dieser Höhe<br />
reicht also aus, um weitere Beschäftigung<br />
zu generieren.<br />
Wir sollten uns also nicht davor<br />
fürchten, wenn sich die<br />
Wachstumsrate des BIP in diesem<br />
Jahr im Vergleich zum<br />
Vorjahr fast halbieren sollte.<br />
Das ist lediglich der Übergang<br />
von der rasanten Aufholjagd im<br />
Nachkrisenjahr hin zu einem<br />
auch mittelfristig durchhaltbaren<br />
Wachstumstempo. Denn das letzte,<br />
was wir jetzt gebrauchen können,<br />
ist eine neue Blase.<br />
<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
KOLUMNENTITEL INHALT 5<br />
Ausgabe 2<br />
Februar 2011<br />
Kommentar<br />
Konjunktur<br />
Die deutsche Lokomotive bleibt in<br />
Fahrt, schreibt Helaba-Chefvolkswirtin<br />
Gertrud R. Traud 4<br />
Impressum 4<br />
Nachrichten<br />
Informationstechnik<br />
Die Kreditwirtschaft begegnet den<br />
steigenden Risiken mit wachsenden<br />
Anstrengungen 6<br />
Kredite<br />
Die Kredithürde ist gesunken, die<br />
Unternehmen wachsen. Doch mit<br />
Risiken müssen die Kunden rechnen 6<br />
Kurs-Kompass 8<br />
Rechts-Tipps 9<br />
Management<br />
˘ Sprache der Banken – Titel<br />
Kommunikationswissenschaftler<br />
Frank Brettschneider erklärt, inwieweit<br />
die Sprache das Image von Kreditinstituten<br />
und Managern beeinflusst 10<br />
Plädiert für klare Worte: Sprachexperte<br />
Frank Brettschneider Seite 10<br />
Am runden Tisch (v.l.):<br />
Beteiligungsmanager Paslack,<br />
Unternehmer Goltermann und<br />
Wünderlich, Sparkassenvorstand<br />
Staroßom, Unternehmer<br />
Seidenstücker<br />
Beteiligungsgeschäft: Sparkassenmanager diskutieren mit Unternehmern<br />
Vertrieb<br />
Sparkassen versuchen, Tablet-PCs<br />
in den Vertrieb einzubinden.<br />
Doch die Integration in die IT der<br />
Sparkassen ist schwierig 16<br />
˘ Datenschutz<br />
Interne Informationen lassen sich<br />
heute mühelos verbreiten. Wie<br />
Sparkassen den Abfluss interner<br />
Daten verhindern 18<br />
Forum<br />
˘ Wikileaks: Sind Geschäftsdaten<br />
ausreichend gesichert?<br />
Es diskutieren Dirk Fox, Geschäftsführer<br />
Secorvo Security,<br />
Consulting und BFG-edv-<br />
Consultant Christoph Fischer 20<br />
˘ Jugendmarketing<br />
Es genügt nicht, junge Leute mit<br />
Partys zu „bespaßen“. Events<br />
müssen Teil eines umfassenden<br />
Marketingkonzepts sein 22<br />
Märkte & Kunden<br />
Existenzgründung<br />
Wie sich ein Unternehmer mit<br />
einem originellen Schlüsseldienst<br />
selbstständig macht 24<br />
Unternehmerporträt<br />
Ein Möbelfabrikant hat eine<br />
Ausstellung für Stühle eröffnet.<br />
Sein Konzept geht auf 25<br />
Chronik 27<br />
Australien<br />
Die Regierung will den bislang<br />
schwachen Wettbewerb im<br />
Finanzsektor befördern 28<br />
USA<br />
US-Banken stehen vor einer<br />
Konsolidierungswelle 29<br />
Finanzgruppe<br />
˘ Beteiligungsgeschäft I<br />
Im Roundtable-Gespräch<br />
diskutieren Manager der<br />
Sparkasse Bremen mit<br />
Unternehmern 30<br />
Beteiligungsgeschäft II<br />
Die Sparkassen haben viele<br />
Beteiligungsfirmen. Fachleute<br />
empfehlen eine Bündelung 36<br />
Perspektiven<br />
Recht – Interview<br />
Der Jurist Peter Mülbert erklärt,<br />
wieso einige Maßnahmen zur<br />
Kontrolle von Anlageberatern<br />
ins Leere zielen 38<br />
Forum<br />
Schutz vor Fehlberatung: Muss<br />
der Berater an die kurze<br />
Leine?<br />
Es diskutieren Peter Lische von<br />
der Verbraucherzentrale Berlin<br />
und DSGV-Vorstand Karl-Peter<br />
Schackmann-Fallis 40<br />
30<br />
FOTOS: MAGUNIA, EGBERT, JOPPEN<br />
Soziales Engagement<br />
Die Frankfurter Sparkasse will für<br />
das Thema Organspende<br />
sensibilisieren 42<br />
Mikrokredite<br />
Durch Mini-Ausleihungen sind<br />
viele Kreditnehmer in die<br />
Schuldenfalle geraten. Für<br />
Mikrokreditkunden der Sparkassen<br />
sind die Risiken gering 44<br />
Literatur<br />
Social Business<br />
Mikrokredit-Pionier Muhammad<br />
Yunus wirbt in einem Buch für<br />
sozial orientiertes Unternehmertum<br />
46<br />
Warnt vor übertriebener<br />
Regulierung der Bankberater:<br />
Jurist Peter Mülbert Seite 38<br />
˘ Titelthemen<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
6<br />
NAMEN & NACHRICHTEN<br />
Personalien<br />
INFORMATIONSTECHNIK<br />
Tücken der Technik<br />
Kaum ein Prozess in einer Sparkasse läuft mehr ohne Unterstützung durch die<br />
IT ab. Doch Magnetstreifen und andere Technologien zeigen, dass die Institute<br />
und deren Dienstleister weiter an der Sicherheit feilen müssen.<br />
Manfred Heckmeier (54,<br />
Foto o.) und Walter Kirchmann<br />
(46), amtierende Geschäftsführer<br />
der Finanz Informatik<br />
Technologie Service<br />
(FI-TS), werden künftig die<br />
Aufgaben von Anton Müller<br />
(65) übernehmen, der nach<br />
mehr als 35 Jahren in der<br />
Sparkassen-Finanzgruppe in<br />
den Ruhestand tritt.<br />
Michael Kröger (51), wird<br />
zum 1. Februar 2011 Bereichsleiter<br />
des internationalen<br />
Immobilienkreditgeschäfts<br />
der Helaba Landesbank<br />
Hessen-Thüringen,<br />
eine Aufgabe die Kröger bereits<br />
seit August 2010 kommissarisch<br />
betreut. Der Jurist<br />
hat das Immobilienfinanzierungsgeschäft<br />
der Helaba<br />
vor allem in den Märkten<br />
Zentral- und Nordeuropas<br />
erfolgreich positioniert.<br />
Peter Lucke (44) ist seit Jahresbeginn<br />
neues Vorstandsmitglied<br />
der Sparkasse Vest<br />
Recklinghausen. Er tritt die<br />
Nachfolge von Heinz-Josef<br />
Bzdega (65) an, der nach<br />
mehr als 45-jähriger Tätigkeit<br />
in dem Institut, davon<br />
20 Jahre als Vorstand, in den<br />
Ruhestand geht.<br />
Thomas Groß (45, Foto u.),<br />
Vorstandsmitglied der West<br />
LB, wird zusätzlich Aufgaben<br />
als Finanzvorstand übernehmen.<br />
Der bisherige Finanzvorstand<br />
Hans-Jürgen Niehaus<br />
(53) scheidet aus.<br />
De rzeit stehen die<br />
Magnetstreifen auf<br />
EC- und Kreditkarten<br />
besonders im Fokus.<br />
Der Grund: Nach Angaben<br />
des BKA nehmen<br />
sogenannte Skimming-<br />
Fälle weiter massiv zu,<br />
bei denen sich Betrüger<br />
die Daten der Magnetstreifen<br />
beschaffen und<br />
damit Karten fälschen.<br />
Zwar ist längst bekannt,<br />
dass der Magnetstreifen<br />
das illegale<br />
Kopieren der Karten<br />
ermöglicht, die Sparkassen<br />
dämpfen aber<br />
Hoffnungen auf schnelle<br />
Abhilfe: „Keine Frage,<br />
wir setzen voll auf Chip-<br />
Technologie, bis wir allerdings<br />
Karten ganz<br />
ohne Magnetstreifen<br />
anbieten können, wird<br />
es noch länger dauern“,<br />
teilte der Deutsche Sparkassen-<br />
und Giroverband<br />
(DSGV) mit. Positiv<br />
stimmt jedoch, dass mit<br />
dem Chip auf der Karte<br />
eine Ersatztechnologie<br />
bereits verfügbar ist.<br />
„Chip only“ ist nicht<br />
kurzfristig durchführbar<br />
etwa wegen der Situation<br />
im Ausland.<br />
Ohnehin werden heute<br />
ausgegebene SparkassenCards<br />
aufgrund der<br />
Kartenlaufzeit von etwa<br />
fünf Jahren mittelfristig<br />
auf dem Markt bleiben.<br />
Mit einer Ausnahme: Die<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
gibt ab dem zweiten<br />
Halbjahr 2011 die ersten<br />
SparkassenCards mit<br />
Kontaktlos-Technologie<br />
aus.<br />
Chips brauchen Zeit<br />
Diese Karten müssen<br />
dann nicht mehr in ein<br />
Kartenterminal gesteckt<br />
werden. Der DSGV kündigte<br />
an, dass alle rund<br />
45 Mio. Sparkassen-<br />
Cards mit der innovativen<br />
Zahltechnologie<br />
ausgestattet werden. Die<br />
Sparkassen verfolgten<br />
das Ziel, „immer mehr<br />
Anwendungen auf den<br />
Chip zu bringen“.<br />
Doch auch in anderen<br />
Bereichen sind die Sparkassen<br />
in hohem Maß<br />
auf eine funktionstüchtige<br />
und sichere IT-Infrastruktur<br />
angewiesen. Sie<br />
müssen dafür sorgen,<br />
dass die Nutzung dieser<br />
Ressourcen durch Mitarbeiter<br />
und Kunden<br />
so wenige Gefahrenpotenziale<br />
wie möglich<br />
beinhaltet. So geht es<br />
neben der Sicherheit<br />
der IT vor allem um die<br />
Sicherheit der darüber<br />
ablaufenden Geschäftsprozesse.<br />
Bekannte Schwächen<br />
schutz oder zur Datensicherung<br />
– den genannten,<br />
ganzheitlichen Ansatz<br />
erfordert, gehört sie<br />
als zentraler Bestandteil<br />
in das Risikomanagement<br />
einer Bank. Hier<br />
sprechen schon die gesetzlichen<br />
Vorgaben<br />
eine klare Sprache.<br />
Ohnehin sind viele<br />
Schwachpunkte längst<br />
bekannt, wenn es um<br />
die IT-Infrastruktur<br />
und die darüber ablaufenden<br />
Prozesse geht.<br />
Betrugsfälle etwa treten<br />
BETRUGSVERSUCHE<br />
Misstrauen ist besser<br />
Technische Sicherheitsvorkehren sind das eine, den<br />
gesunden Menschenverstand ersetzen sie jedoch nicht.<br />
Vi ele Betrugsversuche<br />
lassen sich<br />
vermeiden, wenn die<br />
Mitarbeiter und Kunden<br />
der Sparkassen<br />
aufmerksam sind. Das<br />
sogenannte „Cash Trapping“<br />
beispielsweise ist<br />
eine eher simple Masche:<br />
Hierbei bringen<br />
Betrüger am Ausgabeschacht<br />
eines Geldautomaten<br />
Vorrichtungen<br />
an, die das Bargeld zurückhalten.<br />
Der Automat schaltet<br />
sich in solchen Fällen<br />
üblicherweise automatisch<br />
ab, und der Kunde<br />
verlässt die Bank, sofern<br />
er nicht über die<br />
Masche informiert ist.<br />
In Stuttgart allerdings<br />
zogen Bankkunden unverrichteter<br />
Dinge wieder<br />
von Geldautomaten<br />
Weil eine funktionierende<br />
IT-Sicherheit – wie<br />
etwa Maßnahmen zu<br />
Virenschutz, Zugriffsab<br />
– trotz geglückter Geheimzahleingabe<br />
und<br />
dem üblichen Rattern<br />
erschien kein Geld im<br />
vorgesehenen Schlitz.<br />
Als das Geld später trotzdem<br />
vom Konto abgebucht<br />
war, kam heraus,<br />
dass Betrüger den Automaten<br />
mit einer Auffangvorrichtung<br />
manipuliert<br />
hatten.<br />
Nachdem der Kunde<br />
das Gerät verlassen hatte,<br />
holten sich die Gauner<br />
das ausbezahlte<br />
Geld. Ein aufmerksamer<br />
Sparkassenkunde in der<br />
Pfalz dagegen bemerkte<br />
eine solche Manipulation<br />
frühzeitig und verständigte<br />
das Institut.<br />
Die österreichische<br />
Presse berichtet indes<br />
von einer 83-jährigen<br />
Dame, die gegen ihre<br />
G e w o h n h e i t e i n e n<br />
fünfstelligen Betrag<br />
abheben wollte für ihre<br />
Nichte. Die aufmerksame<br />
Beraterin stutzte<br />
und riet der Dame,<br />
nochmals eine Nacht<br />
darüber zu schlafen.<br />
Am nächsten Tag erschien<br />
die Frau aufgelöst<br />
in der Filiale und<br />
berichtete von ständigen<br />
Anrufen, die in<br />
der Drohung gipfelten,<br />
d a s s d i e ve r m e i n t-<br />
liche Nichte ohne die<br />
Geldspritze nicht zum<br />
Begräbnis der Dame<br />
kommen würde. Die<br />
Beraterin rief zusammen<br />
mit der Dame die<br />
Nichte an, und diese<br />
fiel aus allen Wolken.<br />
Eine Betrügerin hatte<br />
sich als Verwandte<br />
ausgegeben.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
NAMEN & NACHRICHTEN 7<br />
Onlinebanking: Gefahr durch Kriminalität<br />
Betrugsfälle treten immer wieder im Bereich der Schnittstellen zum Kunden auf,<br />
etwa beim Onlinebanking: Nicht einmal jeder zweite Kontoinhaber verwendet beim<br />
Onlinebanking eine Firewall, um sensible Daten zu sichern.<br />
GRAFIK: DPA<br />
immer wieder im Bereich<br />
der Schnittstellen<br />
zum Kunden auf, wie<br />
zum Beispiel beim Onlinebanking<br />
und bei SB-<br />
Technologien.<br />
Doch auch die internen<br />
Prozeduren unterliegen<br />
Bedrohungen, die sich<br />
teilweise noch verstärken<br />
dürften. So ist absehbar,<br />
dass immer weniger<br />
Rechenleistung<br />
auf den Arbeitsplatzrechnern<br />
der Mitarbeiter<br />
stattfinden wird und<br />
die meisten Arbeitsplätze<br />
in Zukunft Anwendungen<br />
und Daten von<br />
zentralen Strukturen<br />
beziehen werden. Diese<br />
Entwicklung ist mit der<br />
Einführung von „Smart<br />
Clients“ bereits im Gange<br />
und wird durch verschiedene<br />
Virtualisierungstechnologien<br />
noch<br />
weiter anhalten.<br />
Schwer kalkulierbar<br />
Angesichts der zunehmenden<br />
Vernetzung<br />
und des ungebrochenen<br />
Trends zur Nutzung internetbasierter<br />
Anwendungen<br />
bieten sich in<br />
diesem Bereich vermehrt<br />
An- und Zugriffsmöglichkeiten.<br />
Beispiele<br />
sind „Trojaner“, die unbemerkt<br />
auf die Rechner<br />
der Mitarbeiter gelangen<br />
und von dort aus weitere<br />
Anwendungen befallen.<br />
Hier geht es also darum,<br />
die Arbeitsplätze zu<br />
schützen. Doch auch die<br />
Infrastruktur als ganze<br />
ist gefordert. Bereits jetzt<br />
haben es Firmen und andere<br />
Institutionen immer<br />
wieder mit gezielten<br />
Angriffen auf die IT von<br />
außen zu tun. Hier spielen<br />
DoS-Attacken (Denial<br />
of Service) eine wichtige<br />
Rolle, absichtlich herbeigeführte<br />
Serverüberlastungen,<br />
die über das<br />
Internet zu den Onlinesystemen<br />
gelangen.<br />
Adressaten finden sich<br />
auch im Finanzbereich.<br />
Als Reaktion auf die<br />
Sperrung von Wikileaks-<br />
Konten etwa wurden im<br />
Dezember 2010 die Webseiten<br />
von MasterCard,<br />
Visa und PayPal lahmgelegt.<br />
Und anders als<br />
etwa im Fall manipulierter<br />
Kreditkarten ist<br />
das Katastrophenrisiko<br />
derartiger Angriffe hoch,<br />
da zentrale Prozesse betroffen<br />
sind und nicht<br />
„nur“ einzelne Kunden.<br />
Noch ein Problem:<br />
Solche Attacken lassen<br />
sich vorab nur schwer<br />
statistisch erfassen und<br />
damit kalkulieren und<br />
versichern. In der Regel<br />
handelt es sich um einmalige,<br />
sich nicht wiederholende<br />
Ereignisse.<br />
Zudem stehen bislang<br />
kaum wirksame Abwehrmethoden<br />
zur Verfügung.<br />
Einen guten Überblick<br />
über die derzeitige,<br />
technische Entwicklung<br />
dürfte die IT-Messe Cebit<br />
in Hannover (1. bis 5.<br />
März 2011) bieten, mit<br />
der schon bekannten<br />
Plattform „Banking & Finance“.<br />
Dort präsentieren<br />
sich neben diversen<br />
Dienstleistern aus dem<br />
Sparkassenverbund<br />
auch zahlreiche andere<br />
Unternehmen aus den<br />
Bereichen Hard- und<br />
Software.<br />
Cebit zeigt Neues<br />
Den bereits veröffentlichten<br />
Informationen<br />
zufolge werden Zugangsmanagementsysteme<br />
eine wichtige Rolle spielen<br />
– zum Teil in Verbindung<br />
mit dem neuen<br />
Personalausweis – zudem<br />
zeigen viele Aussteller<br />
Weiterentwicklungen<br />
bekannter Plattformen<br />
und Produkte.<br />
Umfangreich vertreten<br />
sind zudem Anbieter von<br />
Lösungen zum Cash Management.<br />
<br />
Martin Schwer<br />
Lesen Sie zum Thema „IT-<br />
Sicherheit“ auch ab Seite<br />
18.<br />
Pressespiegel<br />
Gemeinsame Richtung<br />
Wenn die Euro-Staaten ihre gemeinsame Währung beibehalten<br />
wollen, müssen sie die Währungsunion in Richtung<br />
einer politischen Union umbauen. Grundsätzlich muss das<br />
Ziel des Vorhabens sein, dass sich die Volkswirtschaften in<br />
eine gemeinsame Richtung entwickeln – mithilfe einer besseren<br />
Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dazu<br />
müssen neben Staatsdefiziten und Schuldenstand auch<br />
andere volkswirtschaftliche Kennziffern überwacht werden,<br />
etwa die Verschuldung von Privathaushalten und Unternehmen<br />
und die Leistungsbilanz.<br />
Financial Times Deutschland, 31. Januar 2011<br />
Spanischer Trendsetter<br />
Criteria verwandelt sich in CaixaBank und wird mit einem<br />
Schätzwert von mehr als 20 Mrd. Euro die zehntgrößte Bank<br />
des Euroraums stellen. Ohne die schwere Wirtschaftskrise<br />
wäre eine solche Umwandlung wohl kaum vorstellbar. Denn<br />
die Cajas, die sich historisch gesehen als Alternative zu Wucherern<br />
für kleine Leute verstanden, wollten ihre juristische<br />
Form nicht aufgeben. Doch diese scheint im Ringen um privates<br />
Kapital zur Stärkung der Solvenz nun endgültig ein<br />
Auslaufmodell. Im krisengezeichneten Sparkassenlager<br />
dürften jedoch nicht viele in der Lage sein, dem strahlenden<br />
Beispiel zu folgen.<br />
Börsenzeitung, 29. Januar 2011<br />
Griechischer Schuldenschnitt<br />
Das Land [Griechenland], so viel ist klar, wird seine Schulden<br />
nie zurückzahlen können, schon gar nicht aus eigener Kraft.<br />
[…] Athen würde seine Anleihen am Markt oder bei der Europäischen<br />
Zentralbank zurückkaufen. Da die Bonds heute<br />
deutlich unter dem Ausgabekurs gehandelt werden, sänke<br />
der Schuldenstand des Landes auf einen Schlag beträchtlich.<br />
[…] Nur tut das allen anderen Beteiligten weh: Einerseits<br />
müsste der europäische Hilfsfonds den Griechen unter die<br />
Arme greifen, damit sie das Geld für den Rückkauf überhaupt<br />
aufbringen können. Andererseits würden die Gläubiger Milliarden<br />
verlieren, die sie in Griechen-Bonds investiert haben.<br />
Nicht nur für Banken und Fonds wäre das bitter, sondern am<br />
Ende auch für viele Lebensversicherte und Sparer.<br />
Die Welt, 29. Januar 2011<br />
Geordneter Rückzug<br />
Für die WestLB läuft der Countdown. […] Für die Sparkassen<br />
und die anderen Landesbanken kann es nur noch um Schadensbegrenzung<br />
gehen. Wehtun wird es der Gruppe finanziell<br />
wie auch hinsichtlich ihrer Reputation so oder so. Das<br />
gälte auch für die theoretische Möglichkeit, die WestLB komplett<br />
an einen gruppenfremden Investor zu verkaufen. Eines<br />
steht fest: Einfach gegen die Wand fahren lassen kann und<br />
wird man die WestLB nicht. Das wäre für alle Beteiligten und<br />
obendrein für das ganze Finanzsystem die mit Abstand teuerste<br />
„Lösung“.<br />
Börsen-Zeitung, 25. Januar 2011<br />
Strategischer Coup<br />
Die Landesbanken überlassen den Sparkassen bei der Dekabank<br />
die alleinige Regie. […] Die Übernahme ist von immenser<br />
strategischer Bedeutung für die Sparkassen, denn<br />
sie liefert ihnen eine interessante Zukunftsperspektive. Bereits<br />
jetzt spielt die Dekabank eine wichtige Rolle für die<br />
Refinanzierung der Sparkassengruppe. […] Sollte es so kommen,<br />
wie in Sparkassenkreisen gemunkelt wird, könnte sie<br />
gemeinsam mit Teilen der WestLB das bieten, was die LBB,<br />
die im Verbund eher als große Sparkasse gesehen wird, nicht<br />
zu leisten imstande ist: Sie könnte neben dem Fondsgeschäft<br />
zu einer Zentralbank der Sparkassen ausgebaut werden und<br />
damit langfristig deren Unabhängigkeit von den Landesbanken<br />
herstellen. Eine gute Perspektive für Sparkassen.<br />
Frankfurter Rundschau, 8. Januar 2011<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
KREDITE<br />
Aufschwung<br />
Die sogenannte Kredithürde ist gesunken,<br />
deutsche Unternehmen wachsen kräftig. Doch<br />
mit Risiken müssen die Kunden leben.<br />
Das Gespenst der „Kreditklemme“<br />
scheint vorerst gebannt. Das Münchner<br />
Ifo-Institut, das monatlich für die<br />
gewerbliche Wirtschaft eine sogenannte<br />
Kredithürde ermittelt, signalisiert Entwarnung.<br />
Die Umfragen unter 4000 Unternehmen<br />
hätten ergeben, dass die Kredithürde<br />
seit Anfang 2010 kontinuierlich<br />
sinke, sagt Klaus Abberger, Koordinator<br />
der Befragungen, gegenüber SPARKASSE.<br />
Abberger spricht von einer „nachhaltigen<br />
Verbesserung beim Kreditzugang<br />
für Unternehmen im Jahr 2010“. Mittlerweile<br />
sei der Indikator zu den Durchschnittswerten<br />
wirtschaftlich normaler<br />
Zeiten zurückgekehrt.<br />
Dies bestätigt die Bundesbank, die konstatiert,<br />
dass im III. Quartal 2010 – erstmals<br />
seit dem Ausbruch der Finanzkrise<br />
– für Firmenkunden die Kreditrichtlinien<br />
gelockert worden seien, was „gegen eine<br />
bankseitige Behinderung des Aufschwungs<br />
in Deutschland“ spreche.<br />
Dass die Unternehmen in Deutschland<br />
durch die häufig beschworene Kreditklemme<br />
viel weniger behindert wurden,<br />
als von vielen Beobachtern erwartet worden<br />
war, geht indirekt auch aus der Studie<br />
„Diagnose Mittelstand 2011“ hervor,<br />
die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband<br />
(DSGV) vor Kurzem vorgelegt<br />
hat. Demzufolge sei es den Unternehmen<br />
auch im schlimmsten Krisenjahr 2009<br />
quer durch alle Größenklassen gelungen,<br />
ihre Kapitalbasis zu stärken, wie DSGV-<br />
Vorstandsmitglied Karl-Peter Schackmann-Fallis<br />
erklärte. Die Eigenkapitalquote<br />
der Unternehmen sei zwischen<br />
2008 und 2009 im Schnitt von 12,8 auf<br />
Am Aktienmarkt bleiben die Optimisten<br />
am Ball. Umfragen zeigen<br />
zwar, dass die Anleger nach dem starken<br />
Schlussquartal des letzten Jahres mehrheitlich<br />
ein längeres Durchschnaufen<br />
einkalkulieren. Mitunter wird auch von<br />
einer notwendigen Korrektur<br />
gesprochen. Man sorgt sich,<br />
dass die Wirtschaft abkühlt,<br />
weil Chinas Zinserhöhungen<br />
den Asienboom bremsen.<br />
Gleichzeitig werden die hohen<br />
Staatsschulden in Euroland<br />
und neuerdings auch in den<br />
USA als Risiko eingestuft.<br />
Dennoch sehen die Investoren<br />
zunächst für Aktien<br />
kein grundsätzliches Ausstiegssignal.<br />
Gelegentliche<br />
Rücksetzer werden daher<br />
schnell ausgebügelt. So brach<br />
der deutsche Leitindex DAX<br />
Anfang Februar 2011 über eine wichtige<br />
Widerstandsmarke nach oben aus und<br />
markierte bei Kursen oberhalb von 7210<br />
ein neues Jahreshoch. Damit stehen<br />
deutsche Aktien wieder auf dem Niveau<br />
von 2008. Solange die Unterstützungen<br />
KURS-KOMPASS<br />
Im Zweifel aufwärts<br />
Autor<br />
Hans Schmid,<br />
Sparkassenverband<br />
Bayern<br />
nach unten halten, testet man offenbar,<br />
wie weit sich der Aufwärtsimpuls nach<br />
oben ausdehnen lässt. Es zeigte sich erneut,<br />
dass Aktienmärkte häufig viel länger<br />
der übergeordneten Richtung folgen<br />
als man denkt. Hier gilt eben das Motto:<br />
Der Anleger kann zwar tun was<br />
er will, aber nicht wollen, was er<br />
möchte.<br />
Vermutlich stieg in den vergangenen<br />
Wochen auch die<br />
Risikobereitschaft. Von den<br />
niedrigen Zinsen und den<br />
gleichzeitig überall zu lesenden<br />
Jahresreports über die zurückliegenden<br />
Kursgewinne an den<br />
Aktienbörsen ließ sich das Publikum<br />
anlocken. Deshalb können<br />
noch weitere freie Gelder in<br />
die Märkte gelenkt werden, bis<br />
genug zittrige Hände investiert<br />
sind. Erst dann wäre markttechnisch<br />
ein ordentlicher Rücksetzer angezeigt.<br />
Dominierten im vergangenen Jahr<br />
noch die „Kurzfrist-Optimisten“, die nur<br />
kleinere Beträge vorübergehend in Aktien<br />
parkten, so überwiegen für 2011 die<br />
sogenannten „langfristig Überzeugten“,<br />
für die der Aktienkauf keine taktische,<br />
sondern eine strategische Angelegenheit<br />
ist.<br />
Das erste Quartal ist meist eine gute<br />
Zeit für Dividendenwerte. Bis zur Ausschüttung<br />
im späten Frühjahr wurden<br />
schon häufig die „dicken Fische“, die<br />
mehr als fünf Prozent auszahlen, favorisiert.<br />
Alles in Butter also? Nein.<br />
Der vorsichtige Optimismus wird von<br />
zwei wichtigen Gefahren begleitet: Die<br />
Investitionsquote ist schon verhältnismäßig<br />
hoch, so dass nun neue massive<br />
Umschichtungen zugunsten von Aktien<br />
kommen müssen, um weiter steigende<br />
Kurse zu unterfüttern. Bleiben diese frischen<br />
Gelder aus, droht ein Absacken.<br />
Steigende Zinsen bergen Gefahren<br />
Die noch größere Gefahr im neuen Jahr<br />
dürfte von möglicherweise steigenden<br />
Zinsen ausgehen. Eine leichte Erhöhung<br />
wäre dabei schon einkalkuliert<br />
und nicht überraschend. Steigt die Umlaufrendite<br />
aber schnell an, bekommen<br />
die Aktien wieder Konkurrenz. Aber so<br />
weit ist es noch nicht.<br />
<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
NAMEN & NACHRICHTEN 9<br />
Das Foto zeigt den Dresdener 400-Meter-<br />
Hürdenläufer Silvio Schirrmeister.<br />
<br />
FOTO: DPA<br />
15,6 Prozent gestiegen. Dass die „Kernschmelze<br />
der Kapitalbasis“ (Schackmann-Fallis)<br />
nicht stattgefunden habe,<br />
liege auch an den Unternehmen selbst.<br />
Diese hätten offenbar verstärkt auf private<br />
Reserven zurückgegriffen.<br />
Zu dieser Einschätzung passt eine Mitteilung<br />
der KfW-Bankengruppe, derzufolge<br />
die deutschen Banken im dritten<br />
Quartal 2010 neun Prozent weniger Darlehen<br />
ausgereicht haben als im entsprechenden<br />
Vorjahresquartal. Demnach<br />
sind viele Banken ihre Kredite nicht<br />
losgeworden, obwohl sich die deutsche<br />
Wirtschaft kräftig erholt hatte.<br />
Auch im vierten Quartal 2010 dürfte<br />
das Kreditgeschäft geschrumpft sein, wie<br />
Experten berichten. Den Grund für diese<br />
Entwicklung sieht die Bundesbank darin,<br />
dass sich die Innenfinanzierung der Unternehmen<br />
im Zuge der konjunkturellen<br />
Erholung verbessert habe. Zudem haben<br />
die Unternehmen ihre Investitionen laut<br />
Abberger kräftig zurückgefahren, während<br />
die deutsche Wirtschaft 2009 um<br />
fast fünf Prozent abstürzte. Es gab also<br />
kaum neuen Finanzierungsbedarf.<br />
Unternehmen helfen sich selbst<br />
Von diesem Nachfragerückgang der Kredite<br />
sind aber nicht alle Institutsgruppen<br />
betroffen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />
meldeten zuletzt erneut<br />
wachsende Kreditneugeschäfte. Ifo-<br />
Experte Abberger begründet das damit,<br />
dass die Geschäftsbeziehungen kleiner<br />
und mittlerer Unternehmen zu Sparkassen<br />
und Genossenschaftsbanken auch in<br />
der Krise sehr stabil geblieben seien.<br />
Und die Kreditversorgung durch die<br />
Sparkassen sei auch künftig nicht gefährdet,<br />
ergänzt DSGV-Vorstand Schackmann-Fallis,<br />
selbst wenn die Eigenkapitalanforderungen<br />
bedingt durch die<br />
Basel-III-Vorgaben steigen. Allerdings<br />
seien bei der Umsetzung von Basel III in<br />
europäisches Recht noch einige Dinge zu<br />
klären.<br />
Was die Auswirkungen von Basel III auf<br />
den Bankensektor insgesamt anbelangt,<br />
bleibt Ifo-Experte Abberger vorsichtig.<br />
Die strengeren Eigenkapitalvorschriften<br />
griffen tief in das Geschäftsgebaren<br />
der Banken ein. Viele Kreditinstitute<br />
müssten ihre Eigenkapitalbasis stärken,<br />
was teilweise schwierig werden dürfte.<br />
Ein kritischer Punkt sei erreicht, wenn<br />
sich das Staatsschuldenproblem auch<br />
auf größere Euroländer wie Spanien<br />
und Italien ausweiten sollte. Hier seien<br />
einige deutsche Banken als Geldgeber in<br />
beträchtlichem Maße engagiert, ebenso<br />
wie im schwächelnden Markt für US-Gewerbeimmobilien.<br />
„All diese Risiken sind<br />
noch nicht erledigt“, warnt Abberger. <br />
Dieter W. Heumann<br />
Banken und Sparkassen sind zunächst<br />
keine Primäradressaten<br />
der Prospekthaftung, soweit sie nicht<br />
aktiv gestaltend oder werbend auftreten.<br />
Trotzdem ergeben sich<br />
für Geldinstitute erhebliche<br />
Haftungsrisiken, wenn sie Anlegern<br />
zu Produkten raten, denen<br />
ein falscher oder unvollständiger<br />
Prospekt zugrunde<br />
liegt.<br />
Dieses Haftungsrisiko hat ein<br />
Urteil des Bundesgerichtshofs<br />
(BGH) vom 9. März 2010 noch<br />
einmal verschärft. Einer deutschen<br />
Anlegerin wurde dort<br />
gegen eine Brokerfirma mit<br />
Sitz in den USA ein Schadensersatzanspruch<br />
wegen Verlusten<br />
aus Optionsgeschäften<br />
an US-Börsen zugesprochen.<br />
Der Broker war von einem in<br />
Deutschland tätigen Vermittler<br />
selbst getäuscht worden,<br />
der seinerseits die Anlegerin<br />
zu von vornherein chancenlosen Börsentermingeschäften<br />
verleitet hatte.<br />
Für den BGH war entscheidend, dass<br />
der Broker das Geschäftsmodell des<br />
Vermittlers nicht vorab geprüft hatte.<br />
Um die Bedeutung dieses Urteils zu<br />
verstehen, hilft ein Blick auf die Prospekthaftung.<br />
Jeder Prospekt, der für<br />
eine Anlageentscheidung von Bedeutung<br />
ist, muss richtig und vollständig informieren.<br />
Ist dies nicht der Fall, haften<br />
RECHTS-TIPPS<br />
Verschärfte Prospekthaftung<br />
Ein BGH-Urteil erhöht das Haftungsrisiko von Sparkassen bei<br />
falschen oder unvollständigen Verkaufsprospekten.<br />
Bei einer Massenklage von Telekom-Aktionären<br />
fielen die Prozessakten 2008 gleich<br />
körbeweise an. Damals ging es darum, ob<br />
der Verkaufsprospekt des Ex-Monopolisten<br />
alle relevanten Fakten enthalten hatte.<br />
Ähnliche Anlegerprozesse sind nach dem<br />
jüngsten BGH-Urteil eher noch wahrscheinlicher<br />
geworden.<br />
FOTOS: DPA, SVB, ÖRAG<br />
Autor Prof. Guido<br />
Holzhauser,<br />
Anwalt aus dem<br />
Netzwerk<br />
der Örag-<br />
Rechtsschutzversicherung<br />
alle Verantwortlichen und Personen,<br />
die entscheidenden Einfluss ausgeübt<br />
haben oder im Prospekt als Garanten<br />
erscheinen, dem Geschädigten auf<br />
Schadensersatz.<br />
Die Haftungsgrundlagen<br />
ergeben sich bei Aktienemissionen<br />
aus dem Börsengesetz<br />
und für den grauen Kapitalmarkt<br />
zusätzlich aus dem Verkaufsprospektgesetz.<br />
Damit<br />
ist die Prospekthaftung weitestgehend<br />
spezialgesetzlich<br />
geregelt. Hiernach muss der<br />
Anleger im Streitfall beweisen,<br />
dass der Prospekt falsch<br />
oder unvollständig ist. Der in<br />
Anspruch Genommene muss<br />
hingegen nachweisen, dass<br />
ihm dieser Mangel nicht bekannt<br />
war. Oder er beweist,<br />
dass der Anleger die Wertpapiere<br />
nicht aufgrund des Prospekts<br />
erworben hat.<br />
Als weitere Haftungsgrundlage<br />
kommt generell die Haftung aus<br />
Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht,<br />
wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch<br />
geregelt ist. Dies gilt, wenn etwa<br />
ein Berater oder Vermittler besonderes<br />
Vertrauen für sich in Anspruch genommen<br />
hat, um den Anleger zum Kauf einer<br />
Anlage zu motivieren.<br />
Beweislast bleibt beim Anleger<br />
Laut BGH soll diese Haftung vor allem<br />
bewirken, dass der Wille des potenziellen<br />
Anlegers nicht durch unlautere<br />
und irreführende Prospektpublizität<br />
beeinträchtigt wird. Deshalb greift sie<br />
auch nur, wenn ein ursächlicher Zusammenhang<br />
zwischen dem fehlerhaften<br />
Prospekt und dem Erwerb eines<br />
Anlageprodukts besteht. Dies muss der<br />
Anleger darlegen und beweisen. Lediglich<br />
in Ausnahmefällen einer durch<br />
Publikationen erzeugten „Anlagestimmung“<br />
kann eine Umkehr der Beweislast<br />
eintreten.<br />
Diese Überlegungen lassen sich auf<br />
Fälle übertragen, in denen Anleger<br />
durch Prospektangaben in die Irre geführt<br />
werden. Mit Blick auf das BGH-Urteil<br />
werden Banken und Sparkassen in<br />
Haftungsfällen noch stärker als bisher<br />
darlegen und nachweisen müssen, dass<br />
sie eigenverantwortlich Anlagemodelle<br />
vorab überprüft haben.<br />
<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
10<br />
MANAGEMENT<br />
SPRACHE DER BANKEN – TITELINTERVIEW<br />
Klare Sprache, guter Ruf<br />
Medienexperte Frank Brettschneider hat die Sprache deutscher Finanzinstitute analysiert.<br />
Im Gespräch erklärt der Wissenschaftler, wie Banken verständlicher kommunizieren können,<br />
inwieweit die Sprache das Image von Kreditinstituten und ihrer Manager beeinflusst –<br />
und welche Chancen soziale Medien bieten.<br />
Neben dem Schreibtisch von Frank<br />
Brettschneider stapeln sich Zeitungen<br />
aus dem vorvergangenen Jahr.<br />
„Die muss ich noch auswerten“, sagt er<br />
etwas verlegen. Von seinem Bürofenster<br />
aus sieht der Wissenschaftler auf das<br />
Schlossgebäude, in dem mit der Universität<br />
Hohenheim die älteste Hochschule<br />
Stuttgarts residiert. Brettschneider hat<br />
dort den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft<br />
inne. Wahlforschung, Themenmanagement<br />
und Medientheorie<br />
gehören zu seinen Themen.<br />
Ende vergangenen Jahres sorgte der<br />
Wissenschaftler mit einer Studie zur<br />
Verständlichkeit der Bankensprache<br />
für Aufsehen (SPARKASSE Ausgabe<br />
10/2010). 400 Dokumente von 39 großen<br />
Finanzinstituten wertete sein Team<br />
aus, darunter Pressemitteilungen, Datenschutzerklärungen<br />
und allgemeine<br />
Geschäftsbedingungen (AGBs). Das Ergebnis:<br />
Die Sparkassen schnitten zwar generell<br />
gut ab, aber zahlreiche Dokumente<br />
waren unverständlich. Lange Sätze, Passivformulierungen<br />
sowie Fremdwörter<br />
und Anglizismen erschweren oftmals<br />
den Zugang zu den Texten – und dadurch<br />
eine effektive Kommunikation mit den<br />
Zielgruppen.<br />
Herr Brettschneider, welche Erkenntnis aus<br />
Ihrer Studie hat Sie am meisten überrascht?<br />
Prof. Frank Brettschneider: Erstaunlich<br />
ist, dass die Banken so wenig aus der Finanzkrise<br />
gelernt haben. Diese Krise ist<br />
auch eine Vertrauenskrise: Es müsste<br />
eigentlich oberste Priorität haben, den<br />
Menschen das Vertrauen in ihre Banken<br />
zurückzugeben. Die Verständlichkeit von<br />
Dokumenten spielt dabei eine wichtige<br />
Rolle und lässt sich einfach beeinflussen.<br />
Aber statt dort anzusetzen, macht man<br />
weiter wie zuvor.<br />
Vielleicht ist es den Instituten gar nicht bewusst,<br />
dass ihre Texte schwer verständlich<br />
sind? Gerade bei AGBs oder Datenschutzerklärungen<br />
wird wohl in erster Linie auf<br />
Rechtssicherheit geachtet.<br />
Brettschneider: Natürlich müssen die<br />
Formulierungen rechtssicher sein. Aber<br />
einigen gelingt es dennoch, diese Texte<br />
verständlich zu gestalten. Die Banken<br />
täten gut daran, sich an der besten Variante<br />
zu orientieren. Anderenfalls ist es<br />
nicht verwunderlich, wenn Kunden sich<br />
fragen, ob man sie absichtlich im Unklaren<br />
lässt oder etwas zu vertuschen hat.<br />
Ihre Studie untersucht verschiedene Parameter<br />
wie Anglizismen, Fremdwörter und<br />
Passivsätze. Die Banken schnitten in den Kategorien<br />
teilweise sehr unterschiedlich ab:<br />
So verwendet etwa die Mercedes Benz Bank<br />
in ihren Dokumenten sehr viele Anglizismen,<br />
jedoch nur wenige Fremdwörter.<br />
Brettschneider: Es gibt tatsächlich kein<br />
Geldinstitut, von dem man sagen kann:<br />
Die machen alles richtig oder alles falsch.<br />
Gerade bei den Anglizismen spielt verin<br />
Teamarbeit verfasst werden. Denn es<br />
kommt einerseits auf die fachliche Richtigkeit<br />
an, für die etwa bei den AGBs die<br />
Juristen zuständig sind. Aber der Text<br />
muss auch verständlich formuliert sein.<br />
Das können Menschen mit einer journalistischen<br />
Ausbildung meist besser. Um<br />
zusammenzuarbeiten, müssen sich die<br />
Fachleute in ihrer jeweiligen Expertise<br />
akzeptieren. Doch aus vielen Unternehmen<br />
weiß ich, dass es dabei Probleme<br />
gibt: Oft beharren die Experten auf ihren<br />
Formulierungen und können sich<br />
nur schwer darauf einstellen, mit Laien<br />
zu kommunizieren. Die Kommunikationsabteilung<br />
muss hier eine Art Dolmetscherfunktion<br />
übernehmen.<br />
„Oft beharren Experten auf ihren Formulierungen<br />
und können sich nur schwer darauf<br />
einstellen, mit Laien zu kommunizieren.“<br />
Prof. Frank Brettschneider<br />
mutlich die Zielgruppe der jeweiligen<br />
Bank eine Rolle. Institute wie etwa die<br />
Sparkassen, die sich an ein sehr breites<br />
Publikum richten, verzichten eher auf<br />
Anglizismen. Das ist auch richtig so:<br />
Umfragen zeigen, dass Anglizismen bei<br />
40 Prozent der Bevölkerung nicht gern<br />
gesehen werden, gerade von den älteren<br />
Zielgruppen oder bei niedrigem<br />
Bildungsniveau. Eine Bank dagegen, die<br />
sich vor allem an Geschäftskunden richtet,<br />
kann auch Anglizismen verwenden.<br />
Verschiedene Texte einzelner Finanzinstitute<br />
wurden ganz unterschiedlich bewertet. Liegt<br />
das auch daran, dass die Texte von jeweils<br />
anderen Abteilungen der Häuser erstellt werden?<br />
Und wenn ja – wer sollte die Dokumente<br />
Ihrer Meinung nach verfassen?<br />
Brettschneider: Tatsächlich variiert das<br />
je nach Institut – mal sind es PR-Leute,<br />
mal Journalisten oder Juristen. Wir haben<br />
nicht konkret abgefragt, wer welche<br />
Texte formuliert hat. Meiner Meinung<br />
nach sollten Dokumente grundsätzlich<br />
Die von ihnen untersuchten Pressemitteilungen<br />
werden von professionellen PR-Fachkräften<br />
verfasst. Sie schnitten auch am besten<br />
von allen Dokumenten ab. Dennoch gab es<br />
selbst hier bei einigen Instituten deutliche<br />
Schwächen. Wie lassen sich diese ausräumen?<br />
Brettschneider: Eine Möglichkeit wäre,<br />
sich externe Hilfe zu leisten und die Texte<br />
einer Verständlichkeitsprüfung zu unterziehen.<br />
Es gibt mittlerweile Software, die<br />
dazu in der Lage ist. In Deutschland ist<br />
vor allem die Wiener Sachtextformel recht<br />
verbreitet, die wir auch für unsere Untersuchungen<br />
verwenden. Sie gibt die Verständlichkeit<br />
in absolvierten Schuljahrgängen<br />
an und ist leicht zu interpretieren. In den<br />
USA sind diese Prüfungen bereits gang und<br />
gäbe. Dort gibt es Vorschriften für Ministerien,<br />
dass nur Texte veröffentlicht werden<br />
dürfen, die einen bestimmten Schwellenwert<br />
an Verständlichkeit erreichen.<br />
Könnten auch deutsche Finanzinstitute gesetzlich<br />
dazu verpflichtet werden, ihre Texte<br />
verständlich zu formulieren?<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FOTOS: MARTIN EGBERT (5), DPA
12<br />
MANAGEMENT<br />
Brettschneider: Wenn die Banken die<br />
formalisierte Verständlichkeitsprüfung<br />
nicht selbst einführen, wird sie vorgeschrieben<br />
werden, davon bin ich überzeugt.<br />
In der Pharmaindustrie gibt es<br />
schon seit einigen Jahren eine entsprechende<br />
EU-Richtlinie: Bei Neuzulassung<br />
eines Medikaments muss nachgewiesen<br />
werden, dass die Packungsbeilagen verständlich<br />
sind. Wir haben klare Hinweise,<br />
dass so eine Regelung auch für die<br />
Finanzbranche kommt. Das Verbraucherschutzministerium<br />
hat Ende 2010<br />
eine Ausschreibung in dieser Richtung<br />
vorgenommen.<br />
Würde es sich für eine Organisation wie die<br />
Sparkassen-Finanzgruppe anbieten, eine<br />
Richtlinie zur Verständlichkeit herauszugeben,<br />
an der sich die Institute orientieren?<br />
Brettschneider: Die Sparkassen haben<br />
bereits Schritte in diese Richtung unternommen,<br />
indem sie etwa ihre AGBs zentral<br />
erstellen lassen. So muss nicht jedes Institut<br />
für sich an dem Dokument arbeiten,<br />
sondern es wird durchdacht, geprüft und<br />
als Muster für alle zur Verfügung gestellt.<br />
Das ist ein sehr guter Weg, Verständlichkeit<br />
herzustellen. Sicherlich wäre es auch<br />
wünschenswert, interne Sprachleitlinien<br />
zu definieren. Es gibt etliche Unternehmen,<br />
die mit einem „Corporate Wording“<br />
festlegen, welche Begriffe verwendet<br />
werden dürfen und welche nicht. Man<br />
könnte sich etwa nach dem Standard der<br />
Deutschen Presse-Agentur richten, die mit<br />
einer Satzlänge von nicht mehr als zwölf<br />
Wörtern arbeiten. Außerdem orientiert<br />
man sich dort an Häufigkeitslisten der<br />
meist verwendeten Begriffe. Hintergrund<br />
ist, dass Menschen nicht Buchstabe für<br />
Buchstabe lesen, sondern das Wort als<br />
Ganzes erfassen. Die gebräuchlichen Wörter<br />
kann der Leser schnell aufnehmen.<br />
Besser kurz und aktiv – Tipps für verständliches Formulieren<br />
Bei einer Konstruktion wie „Innovations-<br />
Inves titions-Entscheidung“ funktioniert<br />
das dagegen nicht so gut.<br />
Vielleicht braucht es manchmal schwierige<br />
Fachbegriffe, weil Banken sehr komplexe<br />
Inhalte vermitteln müssen?<br />
Brettschneider: Keineswegs. Ich gebe<br />
Ihnen ein Beispiel aus der Politik: die<br />
Schlichtung von Heiner Geißler in der Sache<br />
Stuttgart 21. Da wurden Begriffe wie<br />
‚Dolinen‘ oder ‚Überwerfungsbauwerk‘<br />
verwendet, die niemand kannte. Geißler<br />
hat immer wieder insistiert, die Diskussion<br />
für die Zuschauer verständlich zu<br />
machen. In den ersten drei Sitzungen<br />
hat das gar nicht funktioniert, aber dann<br />
hatten sich die Teilnehmer darauf eingestellt.<br />
Plötzlich konnte der Geologe erklären,<br />
wie die Untersuchungen ablaufen,<br />
wie Wasser von der einen Schicht in die<br />
andere kommt. Aus dem ‚Überwerfungsbauwerk’<br />
der Experten wurde die für<br />
Laien verständliche ‚Brücke’ – und über<br />
eine Million Menschen haben die Diskussion<br />
im Fernsehen verfolgt.<br />
Lange Sätze in kürzere Sätze aufteilen, sonst<br />
benötigt der Leser mehrere Leseansätze,<br />
um den Sinn zu verstehen. Ab einer Satzlänge<br />
von zwanzig Wörtern wird es schwer,<br />
den Gesamtkontext zu überblicken. Im<br />
Idealfall sollte jeder Satz nur eine Information<br />
bieten.<br />
Vor allem bei Handlungsanweisungen sollte<br />
der Leser direkt angesprochen werden<br />
(„Bitte informieren Sie uns über Änderungen<br />
aller Daten so zeitnah wie möglich.“), das<br />
klingt höflicher als indirekte Formulierungen<br />
(„Änderungen sind der Sparkasse unverzüglich<br />
mitzuteilen.“).<br />
Schachtelsätze vermeiden, da sie den Lesefluss<br />
unterbrechen und schwerer zu verstehen<br />
sind als einfache Haupt- und Nebensätze.<br />
Passivkonstruktionen machen den Satz<br />
unnötig kompliziert („Dabei wird Ihnen von<br />
uns der Zweck angegeben, zu dem die Daten<br />
im Falle Ihrer Einwilligung erhoben werden“).<br />
Besser aktiv formulieren („Wir erläutern Ihnen<br />
den Zweck, weshalb wir Ihre Daten erheben“).<br />
Fremdwörter wie „Zahlungsdiensterahmenvertrag“<br />
oder „prospektiv“ vermeiden – oder,<br />
falls unvermeidbar, erläutern.<br />
(aus der Studie „An den Kunden vorbei. Die<br />
Sprache der Banken.“)<br />
Ihrer Meinung nach hat verständliche Kommunikation<br />
sogar noch einen attraktiven<br />
Nebeneffekt: Sie kann Kaufentscheidungen<br />
positiv beeinflussen.<br />
Brettschneider: Mit dieser Meinung stehe<br />
ich nicht alleine da. Nicht umsonst<br />
werben ING-Diba und die Ergo-Versicherung<br />
mit ihrem Bemühen um Verständlichkeit.<br />
Es gibt Ergebnisse aus der<br />
Marktforschung, die auf den Stellenwert<br />
von Verständlichkeit und Transparenz<br />
gerade nach der Finanzkrise hinweisen.<br />
Das ersetzt natürlich nicht die Notwendigkeit,<br />
gute Produkte zu haben.<br />
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband<br />
(DSGV) hat eine Reihe von Prospekten ent-<br />
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MANAGEMENT 13<br />
„Wenn die Banken die formalisierte<br />
Verständlichkeitsprüfung nicht selbst einführen,<br />
wird sie vorgeschrieben<br />
werden, davon bin ich überzeugt.“<br />
wickelt, die Berater bei ihren Kundengesprächen<br />
unterstützen sollen. Sie erklären<br />
komplizierte Produkte wie etwa die Riester-<br />
Rente anhand von Schaubildern. Können solche<br />
Visualisierungen helfen?<br />
Brettschneider: Alles was der Veranschaulichung<br />
dient, halte ich für eine gute<br />
Idee. Eyetracking-Studien haben gezeigt,<br />
dass Leser zuerst auf Infografiken gucken<br />
und dann erst auf den Text. Schaubilder<br />
sind also ein wichtiger Zugang. Leider<br />
zeichnen sich Finanzbroschüren oft eher<br />
durch ihre staubtrockene Sprache und<br />
Gestaltung aus. Natürlich gehört Seriosität<br />
zur Branche, die Visualisierung sollte<br />
also nicht zum Comic werden. Ideal wäre<br />
eine Verbindung von Seriosität und leichtem<br />
Erschließen von Inhalten.<br />
Nicht immer lösen Bemühungen, Produkte<br />
möglichst einfach zu erklären, ein positives<br />
Echo aus. Als die Sparkassen Infozettel mit<br />
Produktbeschreibungen erstellt haben,<br />
wurden diese von Verbraucherschützern<br />
als verkapptes Marketing gebrandmarkt.<br />
Wie lassen sich solche Angriffe vermeiden?<br />
Brettschneider: Indem man sich frühzeitig<br />
mit relevanten Stakeholdern wie<br />
etwa Verbraucherschützern an einen<br />
Tisch setzt, seine Ideen präsentiert und<br />
Verbesserungsvorschläge diskutiert. Das<br />
erfordert ein Umdenken, aber es ist notwendig<br />
für die Banken, um eine Reputation<br />
aufzubauen und das Vertrauen relevanter<br />
Teilöffentlichkeiten zu gewinnen.<br />
Ein Unternehmen, das einen guten Ruf<br />
genießt, wird auch in Krisenzeiten wohlwollender<br />
behandelt. Verbraucherschützer,<br />
mit denen man über ein Jahr hinweg<br />
einen guten Kontakt hatte, werden einen<br />
nicht so schnell in der Öffentlichkeit angreifen.<br />
Das ist eine Frage des gegenseitigen<br />
Respekts.<br />
In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass<br />
viele Banker zu Finanzprodukten mit unverständlichen<br />
Bezeichnungen wie „Asset<br />
Backed Securities“ gegriffen hatten, deren<br />
Wirkungsweisen und Risiken ihnen offenbar<br />
nicht bekannt waren. Würden Sie sagen,<br />
dass die Finanzkrise eine Kommunikationskrise<br />
war?<br />
Brettschneider: Ich würde es nicht darauf<br />
reduzieren wollen, da es sich vor<br />
allem um eine substanzielle Krise handelt;<br />
wenngleich es sicher auch kommunikative<br />
Krisenursachen gab: So ist es<br />
denkbar, dass die Konstrukteure beson-<br />
ders riskanter Finanzprodukte bewusst<br />
unverständliche Begriffe gewählt hatten,<br />
um sich und ihre Produkte vor allzu kritischen<br />
Nachfragen zu schützen. Wenn<br />
ein Produkt mit einem Fachbegriff geadelt<br />
wird, macht sich derjenige, der allzu<br />
ausführlich nachfragt, schließlich der<br />
Unwissenheit und Naivität verdächtig.<br />
Aber gerade auch beim Umgang mit der<br />
Finanzkrise gab und gibt es kommunikative<br />
Mängel. Statt Vertrauen wieder aufzubauen,<br />
sind viele Fehler gemacht worden,<br />
weil Probleme anfangs heruntergespielt<br />
und verschleiert wurden. Ähnlich war<br />
das zuvor schon in der Energiebranche<br />
abgelaufen. Denken Sie an die Störfälle in<br />
den Atomkraftwerken Brunsbüttel und<br />
Krümmel: Die Bevölkerung verlangte<br />
Aufklärung, aber der Stromkonzern Vattenfall<br />
gab nur scheibchenweise Informationen<br />
heraus und vermittelte damit<br />
das Gefühl: Die verbergen etwas. Auch<br />
im Zuge der Finanzkrise kommen immer<br />
wieder Zweifel am Verhalten der Banken<br />
auf. Und sie werden mit jeder neuen Negativ-Meldung<br />
aktualisiert, selbst wenn<br />
die Ursachen schon weit zurückliegen.<br />
Haben Sie auch ein Positiv-Beispiel?<br />
Brettschneider: Hier lässt sich die Chemieindustrie<br />
anführen: Sie war in den<br />
Am Kunden vorbei – Studie zur Bankensprache<br />
Wie kommunizieren Banken unter dem Einfluss<br />
der Finanzkrise mit ihren Kunden? Gibt es hinsichtlich<br />
der Verständlichkeit von Dokumenten<br />
signifikante Unterschiede zwischen den<br />
Banken? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt<br />
der Studie, an der die Universität Hohenheim<br />
gemeinsam mit der H&H Communication Lab<br />
GmbH sowie dem Finanz-Sprachdienstleister<br />
CLS Communications gearbeitet hat.<br />
„An den Kunden vorbei. Die Sprache der<br />
Banken“ lautet der Titel, der das Ergebnis<br />
der Studie schon vorwegnimmt: Noch immer<br />
verschenken viele Banken großes Potenzial<br />
bei der Kommunikation mit ihren Endkunden<br />
und anderen Gruppen. Bei vielen Dokumenten<br />
fanden sich hohe Barrieren gegen Verständlichkeit:<br />
Sätze mit mehr als 80 Wörtern,<br />
jeder zweite Satz im Passiv und Fremdwörter<br />
sowie Anglizismen, die nicht erklärt werden.<br />
Unter den Instituten mit den schlechten oder<br />
unverständlichen Informationen fanden sich<br />
viele private Banken wie die Postbank, Cortal<br />
80er-Jahren die am stärksten kritisierte<br />
Branche. Heute steht sie in Bezug auf ihre<br />
Reputation gar nicht schlecht da – weit<br />
vor den Banken jedenfalls. Die Chemie-<br />
Unternehmen haben die Kritik in Bezug<br />
auf Umweltschutz, Nachhaltigkeit und<br />
Ressourcen ernst genommen. Nach und<br />
nach wurde mit Umweltschutzmaßnahmen<br />
und klarer Nutzen-Kommunikation<br />
am Image gearbeitet. So hat es die chemische<br />
Industrie geschafft, dass Menschen<br />
heute bei Chemie an etwas Hilfreiches<br />
denken, etwa an Medikamente<br />
oder an Fasern in ihren Kleidern. Es hat<br />
allerdings mehr als zehn Jahre gedauert,<br />
diesen Imagewandel hinzubekommen.<br />
Ist davon auszugehen, dass auch das Bankwesen<br />
zehn Jahre brauchen wird, um die<br />
Imageschäden aus der Finanzkrise wieder<br />
auszugleichen?<br />
Brettschneider: Vielleicht sogar länger.<br />
Das hängt davon ab, ob man aus der Krise<br />
lernt und sich auf Transparenz besinnt.<br />
Die ersten Beobachtungen sind wenig ermutigend.<br />
Früher zählten Verschwiegenheit und Diskretion<br />
zu den wichtigsten Eigenschaften einer<br />
Bank. Heute werden Kommunikationsfähigkeit<br />
und Transparenz eingefordert. Liegt da<br />
ein Paradigmenwechsel vor?<br />
Brettschneider: Diese Veränderung ist<br />
vor allem auf den Wandel der Kunden zurückzuführen.<br />
Die Menschen haben durch<br />
die modernen Medien einen höheren Informationsgrad<br />
und stärkere Vergleichsmöglichkeiten.<br />
Mündigere Kun den stellen<br />
höhere Anforderungen an Unternehmen.<br />
Zudem ist die Bindung an ein Institut nicht<br />
mehr so stark, da wird schnell mal ein anderes<br />
Online-Konto bei der Konkurrenz eröffnet.<br />
Das Einzige, was da hilft, sind gute<br />
Consors, Targo Bank oder SEB. In den „Top<br />
Ten“ dagegen acht Institute der Sparkassen-<br />
Finanzgruppe. Zu den am besten bewerteten<br />
Instituten gehörten die Sparkassen München,<br />
Esslingen-Nürtingen und KölnBonn. Auch der<br />
Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV)<br />
konnte sich mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen,<br />
die zentral zur Verfügung gestellt<br />
werden, einen Spitzenplatz sichern. „Einige<br />
der Banken im Test können als sehr positive<br />
Beispiele angesehen werden“, heißt es in<br />
der Studie. Sie erzielten beim „Hohenheimer<br />
Verständlichkeitsindex“, der von 0 (völlig<br />
unverständlich) bis 20 (sehr gut verständlich)<br />
reicht, mit ihren Texten die höchsten Werte.<br />
Andere Dokumente entlarvte die Studie als so<br />
unverständlich, dass sie dem Schwierigkeitsgrad<br />
einer Doktorarbeit entsprächen.<br />
SPARKASSE hat die Studie im Dezember 2010<br />
vorgestellt. Interessenten erhalten den Artikel<br />
per PDF gratis bei sparkasse@dsgv.de<br />
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14<br />
MANAGEMENT<br />
„Wenn Sparkassen in sozialen Medien<br />
plötzlich von ‚coolen Gewinnspielen‘ reden,<br />
kommt das nicht authentisch rüber.“<br />
Argumente und die Unterscheidbarkeit<br />
von anderen Instituten – etwa durch bessere<br />
Verständlichkeit.<br />
In Sachen Transparenz setzen viele Unternehmen<br />
auf soziale Medien wie Facebook<br />
oder Twitter. Wie sollte die Finanzwirtschaft<br />
mit diesen Netzwerken umgehen?<br />
Brettschneider: Banken können soziale<br />
Medien als Kanal und Seismograf<br />
nutzen. Sie zeigen die Stimmung in den<br />
relevanten Zielgruppen und was den<br />
Kunden wichtig ist. Zudem kann man<br />
in sozialen Netzwerken viel zielgenauer<br />
kommunizieren als in anderen Medien.<br />
Die GLS Bank hat es geschafft, durch Social<br />
Media zum Krisengewinnler zu werden:<br />
Sie nutzt das mangelnde Vertrauen<br />
der Kunden zu den Banken und verbindet<br />
es mit nachhaltigen Anlageformen.<br />
Damit hat sie enormen Erfolg. Auch für<br />
die Sparkassen bieten sich hier Chancen.<br />
Während sie früher als eher langweilig<br />
und unsexy galten, sind sie in der Krise<br />
auf einmal wieder interessant.<br />
man bedienen müssen, weil die jüngeren<br />
Kunden sich sonst andere Banken suchen.<br />
Durch Onlinebanking hat die Bindung<br />
an die Filiale nachgelassen – gerade<br />
bei den Jungen. Sie sind es gar nicht mehr<br />
gewohnt, zur Bank zu gehen, selbst wenn<br />
sie mal einen Berater brauchen. Deswegen<br />
muss online ein Ansprechpartner<br />
da sein, den man als Kunde schnell findet.<br />
Da ist es doch vernünftig, in sozialen<br />
Netzwerken präsent zu sein.<br />
Wenn man in diesen Medien mit jungen Menschen<br />
kommuniziert, muss man sich den dort<br />
vorherrschenden Sprachcodes anpassen?<br />
Brettschneider: Anbiedern sollte man<br />
sich auf keinen Fall, das kann schnell<br />
peinlich werden. Wenn Sparkassen plötzlich<br />
von „coolen Gewinnspielen“ reden,<br />
kommt das nicht authentisch rüber.<br />
Diese Sprache passt vielleicht zu Sportartikelherstellern,<br />
aber nicht zu Rentenzertifikaten.<br />
Bei Banken ist es das Verlässliche,<br />
Solide und vielleicht auch das<br />
Nachhaltige, das überzeugt.<br />
Zur Person<br />
Prof. Frank Brettschneider (45) ist seit April<br />
2006 Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft<br />
der Universität Hohenheim.<br />
Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen<br />
das Communication Performance Management,<br />
die Medienwirkungsforschung, die<br />
Wahl- und Einstellungsforschung sowie das<br />
Themenmanagement in Wirtschaft und Politik.<br />
Nach dem Studium der Politikwissenschaft,<br />
Publizistik und Jura an der Universität Mainz<br />
wurde Brettschneider in Stuttgart zum Thema<br />
„Öffentliche Meinung und Politik“ promoviert.<br />
2002 folgte die Habilitation zum Thema<br />
„Spitzenkandidaten und Wahlerfolg“. Vor<br />
seiner Berufung an die Uni Hohenheim war<br />
Brettschneider Professor für Kommunikationswissenschaft<br />
an der Universität Augsburg.<br />
Bislang sind die Sparkassen in den sozialen<br />
Medien noch zurückhaltend. Wie groß ist der<br />
Druck, dort präsent zu sein?<br />
Brettschneider: Die neuen Kanäle wird<br />
Welche Themen sind geeignet, um sie auf<br />
Facebook zu besprechen?<br />
Brettschneider: Geeignet sind Themen,<br />
die zum guten Ruf des Unternehmens<br />
Taktisches Verschleiern – wie verständlich sind Politiker?<br />
Frank Brettschneider beschäftigt sich seit<br />
Langem mit politischer Kommunikation.<br />
„Wenn es um ihre Erfolge geht, drücken sich<br />
Politiker gern verständlich aus, auch damit sie<br />
in der Tagesschau zitiert werden“, weiß der<br />
Wissenschaftler. Ex-Kanzler Gerhard Schröder<br />
beherrsche die Kunst der verständlichen Rede<br />
in einfachen Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen.<br />
Bei ihm könne man sich einiges abschauen,<br />
wenn es um Verständlichkeit geht.<br />
Aber auch im Vernebeln unpopulärer<br />
Entscheidungen sei Schröder ein Meister:<br />
Die Agenda 2010 etwa habe er mit komplizierten<br />
Schachtelsätzen und Fachbegriffen<br />
abgehandelt. „Taktisches Verschleiern“ nennt<br />
Brettschneider das. Geldinstituten rät er von<br />
einem solchen Vorgehen ab, selbst wenn es<br />
um unangenehme Themen gehe. „Man sollte<br />
die Menschen lieber direkt ansprechen, statt<br />
abstrakt zu bleiben“, sagt er. Zustimmung<br />
hänge auch von Verständlichkeit ab. Das beste<br />
Beispiel dafür sei der heutige Verteidigungsminister<br />
Karl-Theodor zu Guttenberg. Selbst<br />
bei unpopulären Maßnahmen wie der Opel-<br />
Sanierung habe er jeden Schritt genau erklärt<br />
Hohe Sympathiewerte<br />
dank klarer<br />
Sprache: CSU-Politiker<br />
Karl-Theodor zu<br />
Guttenberg.<br />
und sich damit hohe<br />
Sympathiewerte verdient.<br />
Die Bevölkerung<br />
fordere diese Art der<br />
Rechenschaft immer<br />
mehr ein, sowohl von<br />
Politikern als auch von<br />
Wirtschaftsmanagern.<br />
„Mit dem steigenden<br />
Bildungsniveau geht<br />
auch ein höheres<br />
Selbstbewusstsein<br />
einher. Die Menschen<br />
fühlen sich in der Lage,<br />
mitzureden“, so Brettschneider.<br />
Besonders<br />
eindringlich wirke die Verwendung von bildhafter<br />
Sprache. Diese sei das Steckenpferd des<br />
ehemaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering.<br />
„Man denke nur an die ‚Heuschrecken‘: Er<br />
hätte ‚Finanzinvestoren‘ sagen können, aber<br />
das wäre nicht hängen geblieben. Die Heuschrecke<br />
ist gefräßig, sie fällt in Schwärmen<br />
über etwas her und zieht dann weiter – ein sehr<br />
starkes Bild“, lobt Brettschneider.<br />
beitragen. Das können Aktivitäten sein,<br />
in denen das soziale Engagement zum<br />
Ausdruck kommt, beispielsweise die Unterstützung<br />
eines Kindergartens durch<br />
eine Sparkasse. Aber auch für das Management<br />
ist Facebook ein wichtiges<br />
Reputationsinstrument. Es ist durchaus<br />
denkbar, die Frage der künftigen Unternehmensstrategie<br />
online zu diskutieren:<br />
Was sind die Anforderungen an ein Geldinstitut<br />
in der Zukunft? Für so etwas eignet<br />
sich Facebook wunderbar.<br />
Inwieweit sollte ein Vorstandssprecher dort<br />
in Erscheinung treten?<br />
Brettschneider: Die Personalisierung in<br />
den Medien schreitet weiter voran. CEOs<br />
und andere Vorstandsmitglieder spielen<br />
eine immer größere Rolle bei der Selbstdarstellung<br />
von Unternehmen. Das wird<br />
auch im Internet spürbar werden. Man<br />
kann sich natürlich dagegen stemmen<br />
und nicht mitmachen – dann tritt man<br />
aber in den Medien weniger in Erscheinung.<br />
Die Wirtschaftsberichterstattung<br />
besteht nicht mehr nur aus nackten Zahlen<br />
und Fakten, sondern sie erzählt Geschichten.<br />
Als Unternehmen muss man<br />
damit umgehen und entscheiden, ob ein<br />
Vorstand oder mehrere das „Storytelling“<br />
in den Medien übernehmen. Mit der Ein-<br />
Personen-Strategie macht sich das Unternehmen<br />
natürlich sehr abhängig. Das<br />
kann gut gehen – aber eben auch nicht.<br />
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MANAGEMENT 15<br />
Man denke nur an die Telekom und Ron<br />
Sommer: Sein Stern sank gemeinsam mit<br />
dem Aktienkurs.<br />
Woran liegt es, dass Manager wie Josef<br />
Ackermann fast noch schärfer beäugt werden<br />
als deren Unternehmen?<br />
Brettschneider: Das hängt mit dem<br />
Negativismus in der Berichterstattung<br />
zusammen. Medien wollen über Kritik<br />
ihre Distanz symbolisieren. Wenn sie<br />
einen Unternehmenschef kritisieren,<br />
dann gilt das als Zeichen für ihre Glaubwürdigkeit.<br />
Wenn sie über seine Erfolge<br />
schreiben, wird schnell gefragt, ob es da<br />
eine geschäftliche Verbindung gibt. Das<br />
andere ist: Je mehr ein Unternehmen<br />
in der Öffentlichkeit steht, desto mehr<br />
muss es sich für sein Verhalten rechtfertigen.<br />
Wenn man ein Renditeziel von<br />
zwanzig Prozent ausgibt, wird das von<br />
Journalisten schnell in den politischen<br />
Zusammenhang gerückt: Auf der einen<br />
Seite Sozialkürzungen, auf der anderen<br />
Seite exorbitante Gewinnerwartungen,<br />
wie passt das zusammen? Wirtschaft<br />
hat den Sprung in den Politikteil der Zeitungen<br />
und in die Talkshows geschafft.<br />
Das erhöht aber auch den Druck auf die<br />
Handelnden.<br />
Das heißt, dass das Image eines Managers<br />
auch davon abhängt, dass er die richtigen<br />
Worte findet.<br />
Brettschneider: Ja, mitunter kann ein<br />
einziger verbaler Fehlgriff eine unerwartet<br />
starke Wirkung entfalten. Erinnern<br />
Sie sich an den Begriff „Peanuts“, mit<br />
dem der einstige Deutschbanker Hilmar<br />
Kopper Rechnungen in Höhe von 50 Mio.<br />
D-Mark bezeichnete, die ein Kunde nicht<br />
zahlen konnte. Dieses Wort hing dem Manager<br />
noch jahrelang nach. Oder denken<br />
Sie an das Victory-Zeichen von Herrn<br />
Ackermann. Unbedacht gewählte Worte<br />
und Gesten wandeln sich schnell zu Symbolen,<br />
die gegen die Manager verwendet<br />
werden.<br />
Wenn sich Manager in den Medien äußern,<br />
sprechen sie aber gern von „sozialer Verantwortung“<br />
und „Nachhaltigkeit“, bezeichnen<br />
sich selbst als „Teamplayer“ und bevorzugen<br />
„flache Hierarchien“. Sind solche – positiv<br />
gemeinten – Äußerungen nicht längst zur<br />
Floskel geworden?<br />
Brettschneider: Das Problem ist die<br />
mangelnde Unterscheidbarkeit, weil alle<br />
die gleichen hohlen Phrasen von sich<br />
geben. Wenn man glaubwürdig kommunizieren<br />
will, muss man Beispiele geben:<br />
Wo wird Nachhaltigkeit im Unternehmen<br />
manifest? Wie zeigen sich flache Hierarchien<br />
im konkreten Arbeitsablauf? Da<br />
sind wir wieder beim Geschichten erzählen<br />
– und bei der Verständlichkeit. <br />
n<br />
Das Gespräch führten Ulrike Schäfer und<br />
Oliver Fischer.<br />
SOZIALE MEDIEN<br />
Weder gestelzt<br />
noch gewollt<br />
Social Networks haben ihre eigene Sprache und Regeln. Wie<br />
Sparkassen ihre Strategie finden und den richtigen Ton treffen.<br />
Zuhören und verstehen<br />
Versuchen Sie, zunächst durch Zuhören und<br />
Beobachten einen Zugang zum Nutzer zu<br />
finden. Mithilfe eigener Recherchen, aber auch<br />
einem gezielten Monitoring können Sie herausfinden,<br />
wie die Nutzer über die Sparkasse<br />
und ihre Themen denken und „Anfängerfehler“<br />
vermeiden. Die regelmäßige und umfassende<br />
Beobachtung von sparkassenrelevanten<br />
Themen im Internet gehört auch später zu<br />
den „Hausaufgaben“, um Krisen frühzeitig zu<br />
erkennen oder die Wirkung der eigenen Aktivitäten<br />
einschätzen zu können.<br />
Klare Ziele festlegen<br />
Eine Strategie mit Zielen, Zielgruppen und<br />
daraus abgeleiteten Kanälen und Maßnahmen<br />
muss Grundlage der Social-Media-Aktivitäten<br />
sein. Sie beantwortet die Frage, welche Unternehmens-<br />
und Kommunikationsziele mit<br />
Sozialen Netzwerken erreicht werden können.<br />
Für Sparkassen kommen etwa Kundendialog,<br />
-einbindung in das gesellschaftliche<br />
Engagement oder Personalrekrutierung<br />
infrage. Grundsätzlich gilt: Xing eignet sich für<br />
geschäftliche Kontakte, Privatkunden erreichen<br />
Sie über Facebook. Twitter dient der Verbreitung<br />
von Unternehmensnachrichten und der<br />
Beantwortung von Kundenanfragen.<br />
Ressourcen einplanen und Strukturen<br />
schaffen<br />
Gutes Social-Media-Management kostet Zeit<br />
und Geld. Die Moderation der Kommunikation<br />
und die Reaktion auf Nutzerbeiträge erfordert<br />
ständige Aktivität und Reaktionsfähigkeit. Dies<br />
setzt klare Verantwortlichkeiten und Vertretungsregeln<br />
voraus. Ein fester Social-Media-<br />
Beauftragter steuert alle Vorhaben, sorgt<br />
für Qualität und Vernetzung der beteiligten<br />
Bereiche. Für die Anfangszeit bietet sich ein<br />
abteilungsübergreifendes Projektteam von<br />
Verantwortlichen aus Marketing, medialem<br />
Vertrieb, Unternehmenskommunikation, Qualitätsmanagement<br />
und Personal an.<br />
Mitarbeiter einbeziehen<br />
Jeder Mitarbeiter ist privat ein wertvoller<br />
Botschafter und Informationslieferant der<br />
Sparkasse, gerade wenn Sie eigene Angebote<br />
in sozialen Medien schaffen wollen. Binden Sie<br />
deshalb von Anfang an alle Mitarbeiter in die<br />
Planungen ein und definieren Sie gemeinsam<br />
den Rahmen der privaten und der beruflichen<br />
Kommunikation in Form von Mitarbeiterrichtlinien.<br />
Diese schaffen Sicherheit für offizielle<br />
Aktivitäten autorisierter Mitarbeiter sowie für<br />
private, aber sparkassenrelevante Aktivitäten<br />
aller Mitarbeiter. Sie dienen der Orientierung<br />
und Sensibilisierung für das Verhalten in<br />
sozialen Netzwerken, haben aber auch eine<br />
Motivationsfunktion.<br />
Mehrwert bieten<br />
Finanzdienstleistungen sind Low-Involvement-<br />
Produkte. Sie benötigen eine besonders starke<br />
Geschichte und für den Nutzer relevante und<br />
aktuelle Themen. Bieten Sie Ihren Kunden<br />
interessante Informationen und Interaktionsmöglichkeiten.<br />
Für das reine „Verkünden“ von<br />
Unternehmensnachrichten braucht es keine<br />
sozialen Medien. Hilfreich sind Themen- und<br />
Kampagnenpläne, die alle infrage kommenden<br />
Inhalte und Aktionen über das Jahr verteilen.<br />
Authentisch auftreten<br />
Ehrlichkeit, aber auch Unehrlichkeit wird in<br />
sozialen Netzwerken schnell erkannt – oder<br />
entlarvt. Identifizieren Sie sich daher immer<br />
eindeutig. Authentizität bedeutet auch,<br />
den Nutzer ernst zu nehmen, sich für seine<br />
Meinung zu interessieren und auf kritische<br />
Fragen einzugehen. Dazu gehört eine einheitliche<br />
Anspracheform – je nach Zielgruppe<br />
wird geduzt oder gesiezt. Begegnen Sie dem<br />
Nutzer auf Augenhöhe und vermeiden Sie eine<br />
sprachliche „Anbiederung“. Es empfiehlt sich<br />
darüber hinaus die Festlegung einheitlicher<br />
Schreibweisen und Begriffe für die sprachliche<br />
Corporate Identity als Grundlage für alle Redakteure<br />
und Mitarbeiter.<br />
Messen Sie Ihren Erfolg<br />
Legen Sie quantifizierbare Zielvorgaben bereits<br />
zu Beginn Ihrer Aktivitäten fest. Bei Marketingaktionen<br />
auf Facebook kann dies beispielsweise<br />
die Gewinnung einer bestimmten Anzahl<br />
von Fans im eigenen Geschäftsgebiet sein.<br />
Wichtig ist auch der Aktivitätengrad und die<br />
Qualität der Beiträge der Nutzer. Überprüfen<br />
Sie immer wieder, ob Sie die anfangs gesetzten<br />
Ziele erreichen und optimieren Sie wenn nötig<br />
Ihre Maßnahmen.<br />
Verena Freyer, DSGV<br />
Eine Checkliste für Social-Media-Aktivitäten der<br />
Sparkassen sowie Muster-Mitarbeiterrichtlinien<br />
erhalten Sie unter Verena.Freyer@dsgv.de.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
16<br />
MANAGEMENT<br />
VERTRIEB<br />
Kundenbindung 2.0<br />
Apples iPad hat den Tablet-PCs zum Durchbruch verholfen. Sparkassen überlegen, wie sie das<br />
digitale Gerät anwenden können. Doch seine Herkunft steht einem Einsatz entgegen: Da es sich<br />
um einen Apple-Rechner handelt, ist eine Einbindung in die Sparkassen-IT noch schwierig.<br />
n VON ANJA KÜHNER<br />
R<br />
und 450.000 Tablet-Computer gingen<br />
nach Berechnungen des Branchenverbands<br />
Bitkom im Jahr 2010 über den<br />
Ladentisch. 2009 waren gerade einmal<br />
20.000 Stück der Geräte verkauft worden,<br />
der Absatz wächst also derzeit um<br />
den Faktor 25. Dieses Wachstum ist nur<br />
einem Gerät zu verdanken: dem iPad.<br />
Der Technologiesprung von Apple erhöht<br />
für die gesamte Produktklasse der<br />
digitalen Flundern dauerhaft die Absatzprognosen:<br />
Laut einer Umfrage von Bitkom/Forsa<br />
erwägen drei Mio. Deutsche,<br />
sich in nächster Zeit einen Tablet-PC zu<br />
kaufen. Geräte mit anderen Betriebssystemen<br />
wie Windows 7 von Microsoft<br />
oder das Blackberry Playbook von RIM<br />
werden vermutlich dem iPad Marktanteile<br />
abspenstig machen.<br />
„Bei Tablet-PCs handeln die Anbieter<br />
derzeit nach dem Motto: ,Alle wollen ins<br />
Wohnzimmer des Kunden‘“, sagt Gudrun<br />
Hesch, Produktmanagerin E-Banking<br />
und Portale der Fiducia IT. Mit iPads hoffen<br />
die Anbieter, die breite Masse<br />
der Verbraucher zu erreichen. Aber auch<br />
Beratungsgespräche vor Ort beim Kunden<br />
könnten durch Applikationen (Apps)<br />
unterstützt werden.<br />
Ein Blick in andere Branchen zeigt, wie<br />
es gehen könnte. Beim Softwareunternehmen<br />
SAP etwa sind weltweit rund<br />
2500 iPads im Einsatz, die meisten in der<br />
Entwicklung. Auch der Vertrieb nutzt die<br />
flachen Geräte. „Der Sales-Mitarbeiter hat<br />
ein handlicheres Gerät zur Verfügung als<br />
wenn er jedes Mal ein Notebook aufklappen<br />
müsste“, sagt SAP-Sprecher Hilmar<br />
Schepp. Ein iPad sei schneller zur Hand<br />
als andere Geräte, denn es starte schneller<br />
als ein Notebook oder ein Netbook.<br />
„Keine Klappe, schneller Start“<br />
Das sei vor allem darauf zurückzuführen,<br />
dass man nicht erst ein umfangreiches<br />
Betriebssystem hochfahren muss, denn<br />
das iPad basiere auf einem schnellen<br />
Handy-Betriebssystem. Man könne dem<br />
Kunden mit dem iPad sofort die Apps, die<br />
man für das Gerät entwickelt hat, direkt<br />
im Einsatz zeigen. „Auch das haptische<br />
Erlebnis ist dabei nicht zu<br />
unterschätzen“, sagt Schepp. In der Finanzbranche<br />
war besonders die Deutsche<br />
Vermögensberatung DVAG schnell<br />
am Start. Bereits zum deutschen Verkaufsstart<br />
orderte man für den Vertrieb<br />
1000 Geräte, so dass bereits Mitte Juni<br />
2010 die ersten iPads an die Vermögensberater<br />
ausgehändigt werden konnten.<br />
Die Geräte können die Kontakt-, E-Mail<br />
und Termindaten der Vermögensberater<br />
aus dem betriebseigenen Online-System<br />
synchronisieren. Zur Unterstützung der<br />
Vermögensberater hat die DVAG spezielle<br />
Apps entwickelt, wie ein Präsentationstool,<br />
eine App zur Ermittlung des Rentenbedarfs<br />
und der Zugriff zur Mediathek<br />
des Unternehmens.<br />
Auch die Deutsche Bank setzt das iPad<br />
seit Herbst 2010 in rund 300 ihrer bundesweit<br />
mehr als 770 Filialen in der Vorsorgeberatung<br />
für Kunden ein. Die Berater<br />
der Deutschen Bank haben mit dem<br />
Vorsorgeprogramm zwischenzeitlich in<br />
mehreren tausend Beratungsgesprächen<br />
sehr gute Erfahrungen gesammelt.<br />
„Die Kunden loben vor allem die anschauliche<br />
Visualisierung auf dem Ta-<br />
Noch Fragen zur<br />
Lebenssituation? Bei<br />
Vertriebsgesprächen<br />
kann das iPad ein<br />
wirkungsvolles<br />
Präsentationsinstrument<br />
sein.
MANAGEMENT 17<br />
Auch für die eigene Kontoführung eignen<br />
sich die digitalen Geräte – die Sparkassen<br />
sind mit passenden Apps ganz vorn dabei.<br />
<br />
FOTOS: DETTBARN, DSV<br />
blet-Computer, die ihr Interesse an einer<br />
fundierten Beschäftigung mit dem Thema<br />
Vorsorge weckt“, berichtet Matthias<br />
Battefeld, der in der Zentrale der Deutschen<br />
Bank als Leiter Privatkunden tätig<br />
ist. Andere Geldinstitute sind noch in der<br />
Beobachtungshaltung: Die Private-Banking-Einheit<br />
der Commerzbank arbeitet<br />
mit Testgeräten. Doch einen offiziellen<br />
Einsatz von iPads in der Beratung gebe es<br />
nicht, heißt es aus der Bank.<br />
Auch die Sparkassen halten sich derzeit<br />
noch zurück: „Ein großflächiger Einsatz<br />
in der Beratung ist bei den Sparkassen<br />
derzeit nicht geplant“, erklärt Stefan<br />
Brinkmann, IT-Stratege beim Deutschen<br />
Sparkassen- und Giroverband (DSGV)<br />
und Senior-Berater beim SIZ Informatikzentrum<br />
der Sparkassenorganisation.<br />
„Das Apple-Betriebssystem stellt die<br />
größte Hürde dar, denn es ist proprietär<br />
und kann daher nicht ins Windows-basierte<br />
Back-End eingebunden werden.“<br />
Daher müsse man immer noch an den<br />
stationären Rechner, um die Kundendaten<br />
einzugeben, was im Alltag nicht<br />
praktikabel sei. Brinkmann bestätigt<br />
jedoch, dass man sich intensiv mit dem<br />
Thema beschäftige: „Im Moment wird getestet,<br />
wie etwa die Internetfiliale 5.0 mit<br />
der neuen Browsersprache HTML5 auf<br />
das iPad gebracht werden könnte.“ Zudem<br />
sei der Aufmerksamkeitsfaktor des<br />
Geräts nicht zu unterschätzen.<br />
Bei den meisten Banken ist der<br />
Leistungsumfang der Mobile-Banking-<br />
Apps für iPhone und iPad noch identisch,<br />
die Branche hat sich hauptsächlich auf<br />
die Entwicklung von Applikationen für<br />
ihr Online Banking kapriziert. Hier sind<br />
die Sparkassen vorne dabei: Seit September<br />
gibt es die für das iPad optimierte<br />
Version der iPhone-App „S-Banking“.<br />
Auch bei der Comdirect hat man derzeit<br />
eine iPad-fähige Version der Banking-<br />
App. „Der Leistungsumfang der Apps für<br />
iPhone und iPad ist noch identisch, das<br />
muss jedoch nicht so bleiben“, sagt Helge<br />
Fobbe, Leiter des Web-Managements der<br />
Comdirect-Bank.<br />
Neue Chancen für Banking-Apps<br />
Es sei zu erwarten, dass sich die Apps<br />
den neuen Möglichkeiten des iPads anpassen,<br />
hier sind sich die Marktexperten<br />
einig. „Durch das große, hochauflösende<br />
Display werden andere Nutzungsszenarien<br />
denkbar,“ sagt Joerg Schwitalla,<br />
Abteilungsleiter Marketing und<br />
Unternehmenskommunikation<br />
von Star-Finanz-Software.<br />
Fiducia-IT-Produktmanagerin<br />
Hesch weist in die gleiche Richtung:<br />
Die Möglichkeiten der<br />
Gestaltung der grafischen Bedienoberfläche<br />
seien durch das<br />
größere Display wesentlich vielfältiger.<br />
„Bei unserer ‚vr.de HD‘<br />
genannten App fürs iPad haben<br />
wir Split-Screens umgesetzt“,<br />
sagt Hesch. Bei Apps für Tablet-<br />
PCs ließen sich auch gut Bilder<br />
und Banner integrieren.<br />
Sind die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
durch das größere Display<br />
klar, besteht derzeit jedoch<br />
noch keine Sicherheit, wie die<br />
Kunden Tablet-PCs tatsächlich<br />
nutzen werden. Vielleicht ist<br />
dies ein Grund, warum wirklich innovative<br />
Software für das iPad derzeit laut<br />
Marktexperte Tobias Haustein, Vorstand<br />
von Aixigo, noch Mangelware ist. Ein<br />
weiterer Grund: „Die Softwareentwickler<br />
brauchen Zeit, um sich an das neue Format<br />
zu gewöhnen.“<br />
„Die Möglichkeiten des iPads werden<br />
in der Regel nicht genutzt“, bestätigt<br />
Boris Janek von VR Networld, der mit<br />
seinem Weblog „Electrouncle“ einer der<br />
Vordenker des Web 2.0 im deutschen Finanzwesen<br />
ist. „In Sachen iPad fehlt bisher<br />
eine App, die absolut eigenständig<br />
ist und nicht nur eine Erweiterung oder<br />
Anpassung vorhandener Möglichkeiten,<br />
also etwa des Onlinebankings oder eine<br />
weitere Geldautomatensuche.“ Seiner<br />
Meinung nach bieten sich iPad und Co.<br />
geradezu an für Beratung: „Interessant<br />
wären Apps, die den Nutzer auch klüger<br />
machen, etwa in Form von Tutorials.“<br />
Einen Schritt in diese Richtung ist die<br />
Deutsche Bank gegangen. Mit der „VorsorgeApp“<br />
wurde eine Beratungsanwendung<br />
weiterentwickelt, die der Konzern<br />
zunächst in der „Zukunftsfiliale Q 110“<br />
in Berlin erfolgreich getestet hat. Mit ihr<br />
können die Kunden ihren Vorsorgebedarf<br />
auf dem iPad schnell berechnen. Die<br />
Darstellung zeigt Vorsorgelücken und<br />
bietet einen Einstieg in eine Beratung.<br />
„Ein großflächiger<br />
Einsatz in der<br />
Beratung ist bei<br />
den Sparkassen<br />
derzeit nicht<br />
geplant.“<br />
Stefan Brinkmann,<br />
IT-Stratege<br />
beim DSGV<br />
„Vorsorge gehört leider nicht zu den<br />
Themen, mit denen sich Verbraucher<br />
gerne beschäftigen“, sagt Deutschbanker<br />
Battefeld. „Die Visualisierung mit<br />
spielerischen Elementen auf dem iPad<br />
gibt Kunden den Anlass, sich konkret mit<br />
ihrer finanziellen Zukunft zu befassen“,<br />
so der Privatkunden-Leiter. Ein Beispiel<br />
für einen spielerischen Einstieg in ein<br />
durchaus komplexes Thema sei, dass<br />
der Kunde für den möglichen Effekt der<br />
Inflation auf seine Altersvorsorge mit<br />
einem Schätz-Spiel sensibilisiert wird: Zu<br />
Beginn des Gesprächs kann der Kunde<br />
auf dem iPad den Preis einer Kugel Eis in<br />
30 Jahren schätzen.<br />
Quasi auf halbem Wege dorthin ist die<br />
Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen,<br />
die seit Anfang 2009<br />
das sogenannte PenPad einsetzt.<br />
Insgesamt sind rund 300<br />
dieser Geräte im Einsatz, die in<br />
ähnlicher Form vor allem von<br />
Paketdiensten bekannt sind.<br />
„An jedem Beraterplatz steht<br />
eines“, sagt Thomas Hölle, Leiter<br />
Betriebsorganisation der<br />
Esslinger Sparkasse. „Die häufigste<br />
Einsatz-Situation ist eine<br />
Kontoeröffnung“, beschreibt er.<br />
Der Berater lege das neue Konto<br />
direkt in OSPlus an, der Kunde<br />
unterschreibe den Vertrag<br />
elektronisch. Es werde nur noch<br />
eine Version ausgedruckt, die<br />
für den Kunden. Ohne weiteren<br />
manuellen Eingriff des Bankmitarbeiters<br />
wandert die Bank-<br />
Version direkt ins elektronische Archiv.<br />
„Kein Papier intern mehr zu haben, verschlankt<br />
den Prozess erheblich“, so Hölle.<br />
Auch der Wegfall von Einscannen und<br />
Dokumententransport sei eine erhebliche<br />
Erleichterung. Das PenPad zeichnet<br />
nicht nur die Unterschrift auf. Es misst<br />
auch die Druckstärke und die Schreib-Geschwindigkeit<br />
und berechnet daraus einen<br />
Algorithmus, der für die Fälschungssicherheit<br />
der Unterschrift bürgt. „Wir<br />
sind große Fans vom PenPad“, sagt Hölle.<br />
Formulare lassen sich sparen<br />
Auch der DSGV denkt über einen internen<br />
Einsatz des iPads nach. „Es entsteht<br />
momentan eine erste Konzeption, und<br />
wir bauen an einer Lösung. Die erste<br />
Version haben wir gerade auf dem SIZ-<br />
Kongress in Bonn präsentiert“, bestätigt<br />
DSGV-Experte Brinkmann. „Interner Einsatz“<br />
heißt für ihn, dass etwa bei der Vorbereitung<br />
einer Gremiensitzung auf ausgedruckte<br />
Dokumente verzichtet wird.<br />
Diese könne man dann während der Sitzung<br />
von einem gesicherten Server aufs<br />
iPad abrufen.<br />
Auch Präsentieren über Beamer sei dabei<br />
mit dem iPad und sogar mit dem iPhone<br />
möglich – ein praktischer Nebeneffekt,<br />
der laut Brinkmann beim Programmieren<br />
der App entstanden sei. <br />
<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
18<br />
MANAGEMENT<br />
DATENSCHUTZ<br />
Die Feinde lauern<br />
häufig innen<br />
Nicht erst die Veröffentlichungen brisanter Dokumente durch die Enthüllungsplattform Wikileaks<br />
zeigen: Oft lassen sich als geheim eingestufte Daten über informelle Plattformen problemlos<br />
verbreiten. Daher stehen gerade Kreditinstitute vor der besonderen Verantwortung, Strukturen<br />
bestmöglich abzusichern und alle Beteiligten zu sensibilisieren.<br />
n VON MARTIN SCHWER<br />
Technische Unzulänglichkeiten, frustrierte<br />
Mitarbeiter oder überraschte<br />
Reinigungskräfte – zahllose Quellen für<br />
interne Dokumente aus Banken gab es<br />
bereits in der Vergangenheit. Mit der zunehmenden<br />
Vernetzung der Systeme<br />
und der problemlosen Speicherbarkeit<br />
großer Datenmengen auf kleinstem<br />
Raum vergrößert sich gleichzeitig das potenzielle<br />
Ausmaß von Datenlecks.<br />
Und dabei geht es längst nicht nur<br />
um Kundendaten. Auch strategische<br />
Entscheidungen einer Sparkasse oder<br />
bestimmte Investment-Engagements<br />
könnten bei einem etwaigen Bekanntwerden<br />
zu erheblichen Irritationen bei<br />
Kunden und Öffentlichkeit führen.<br />
Dabei stehen den potenziellen „Informanten“<br />
mittlerweile deutlich mehr Veröffentlichungsoptionen<br />
zur Verfügung<br />
als bislang, und aufgrund ausgefeilter<br />
Anonymisierungstechniken dürfte die<br />
Hemmschwelle deutlich tiefer liegen, als<br />
diese etwa beim Gang zu einem Nachrichtenmagazin<br />
läge.<br />
Wie einfach und mit welcher Resonanz<br />
sich Vertrauliches veröffentlichen lässt,<br />
hat Wikileaks kürzlich mit der Veröffentlichung<br />
diplomatischer Berichte aus US-<br />
Botschaften vorgeführt. Die „geleakten“<br />
TollCollect-Verträge zeigen, dass auch<br />
deutsche Daten nicht fehlen. Im Bankensektor<br />
liegt der Enthüllungsplattform<br />
nach Medienberichten umfangreiches<br />
Material der Bank of America vor. Auch<br />
beim Bankhaus Julius Bär dürfte derzeit<br />
Nervosität herrschen, nachdem ein<br />
früherer Geschäftsleiter Daten an Wikileaks<br />
übergeben hat (s. Foto).<br />
Technik ist nur die eine Seite<br />
Doch sollte kein Verantwortlicher die<br />
Enthüllungsplattform überbewerten,<br />
CDs mit Kundendaten gelangten auch<br />
zuvor schon an die Steuerbehörden, und<br />
der deutsche Staat bezahlt sogar dafür.<br />
Die aktuelle Diskussion zeigt jedoch ganz<br />
Gau für die Bank: Der Schweizer Ex-Banker Rudolf Elmer übergibt Mitte Januar an den<br />
Wikileaks-Gründer Julian Assange CDs zur Auswertung und Veröffentlichung. Auf den<br />
Datenträgern sollen Daten von rund 2000 mutmaßlichen Steuerbetrügern gespeichert sein,<br />
die der frühere Julius-Bär-Geschäftsleiter Elmer gesammelt haben will. <br />
FOTO: DPA<br />
deutlich, dass auch die Sparkassen ihre<br />
Kontrollmechanismen laufend überprüfen<br />
und sich dabei fragen müssen, wie es<br />
mit der Datensicherheit bestellt ist – und<br />
zwar auf allen Ebenen und zu jeder Zeit.<br />
Keye Moser, Leiter Sicherheitstechnologie<br />
beim SIZ Informatikzentrum der<br />
Sparkassenorganisation, beschreibt die<br />
Anforderungen mit einem Bild: „Es bringt<br />
wenig, bestimmte Bereiche als Fort Knox<br />
auszubauen und den Hintereingang unbewacht<br />
zu lassen.“<br />
Ganz besonders wichtig sei es, alle Mitarbeiter<br />
auf ein hohes Datenschutzniveau<br />
einzuschwören. Dabei mahnt der<br />
Sicherheitsexperte sowohl technische als<br />
auch organisatorische Maßnahmen an,<br />
um den erforderlichen Sicherheitsstandard<br />
zu gewährleisten und Mitarbeitern<br />
keine unnötigen Lücken zu bieten. „Im<br />
Fall von Abteilungswechseln dürfen sich<br />
beispielsweise keine Rechte der verschiedenen<br />
Posten kumulieren.“ Generell<br />
fordert Moser, Daten ausschließlich aufgrund<br />
geschäftlicher Veranlassungen zu<br />
sammeln. „Zu Vertriebszwecken aufbereitete<br />
Kundendaten sollten zum Beispiel<br />
im Fall einer Weitergabe verschlüsselt<br />
sein, sodass Missbrauch auch bei Verlust<br />
unmöglich ist.“<br />
Zugriff nur auf notwendige Daten<br />
Der SIZ-Experte setzt in diesem Zusammenhang<br />
auf ein funktionierendes<br />
Berechtigungsmanagement, wie es ja<br />
bereits in der MaRisk vorgegeben ist.<br />
„Deshalb sollte jeder interne oder externe<br />
Angreifer nur auf solche Daten zugreifen<br />
können, die er für seine unmittelbare<br />
Arbeit benötigt.“ Unerwünschte Verlockungen<br />
entstehen damit erst gar nicht.<br />
Trotzdem wird sich der Zugriff auf<br />
Sensibles in einer Bank nie verhindern<br />
lassen. Daher gilt es, allen Beteiligten<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
MANAGEMENT 19<br />
Dienstleisterverträge gehören unter die Lupe<br />
Die einschlägigen Sicherheits- und Datenschutzgrundsätze<br />
gelten auch, wenn eine<br />
Sparkasse externe Dienstleister mit der Verarbeitung<br />
personenbezogener Daten beauftragt<br />
– im Fall der sogenannten Auftragsdatenverarbeitung.<br />
Das Bundesdatenschutzgesetz<br />
(BDSG) nennt etwa die Datenübermittlung zu<br />
Scoringzwecken sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnung<br />
durch Dritte. Auch für externe<br />
Auftragnehmer gelten Mitarbeiterdatenschutz<br />
und eine Informationspflicht bei unrechtmäßiger<br />
Kenntniserlangung. Wichtig: Datenschutz<br />
ist laut Gesetz nicht delegierbar, der Auftraggeber<br />
ist also für seine Einhaltung verantwortlich.<br />
Anwendung findet das BDSG nur bei personenbezogenen<br />
Daten.<br />
Das BDSG fordert eine schriftliche Auftragserteilung.<br />
Hierbei gelten zehn Mindestanforderungen<br />
an den Inhalt des Vertragsabschlusses<br />
(„10 Punkte des Datenschutzes“). So müssen<br />
beispielsweise Gegenstand und Dauer des<br />
Auftrags konkret vereinbart werden, ebenso<br />
Umfang, Art und Zweck der vorgesehenen<br />
Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von<br />
Daten, wie bei Berichtigung, Löschung und<br />
Sperrung von Daten vorzugehen ist oder<br />
wie die Umsetzung der Kontrollpflichten des<br />
Auftragnehmers erfolgen soll. Zudem wird der<br />
Auftraggeber verpflichtet, sich vor Beginn der<br />
Datenverarbeitung und sodann regelmäßig<br />
von den getroffenen technischen und organisatorischen<br />
Maßnahmen beim Dienstleister zu<br />
überzeugen.<br />
Altverträge bergen Gefahren<br />
Die neuen Anforderungen des BDSG gelten<br />
für alle Neuverträge seit dem 1. September<br />
2009. Experten stehen allerdings auf dem<br />
Standpunkt, dass auch Altverträge, die davor<br />
geschlossen wurden, nach den genannten<br />
Mindestanforderungen zu überprüfen sind<br />
und dass diese zur Not anzupassen sind. Die<br />
Rechtslage ist hier zwar nicht eindeutig, doch<br />
steht außer Frage, dass bei Nichterfüllung<br />
der Auftraggeber haftet und bei lückenhaften<br />
Altverträgen gegebenenfalls keine Möglichkeit<br />
des Rückgriffs auf den Dienstleister besteht.<br />
Etwaige Verstöße gehen bei Nichteinhaltung<br />
der Mindestanforderungen also zulasten der<br />
auftraggebenden Sparkasse. Dazu kommen<br />
Bußgelder gegen den Auftraggeber bei<br />
falschen, unvollständigen oder nicht abgeschlossenen<br />
Verträgen von bis zu 50.000 Euro<br />
je Vertrag, das Gleiche gilt bei Verstößen gegen<br />
die Kontrollpflichten.<br />
Es ist also wichtig, Maßnahmen zur Risikominimierung<br />
zu treffen und bei allen laufenden<br />
und kommenden Verträgen zu überprüfen,<br />
ob die fachlichen und datenschutzrechtlichen<br />
Anforderungen erfüllt werden. Ist dies nicht der<br />
Fall, sind Nachbesserungen fällig, denn Datenschutzpannen<br />
und die daraus resultierenden<br />
Imagerisiken kann sich kein Unternehmen<br />
leisten. Fehlende Datenschutzregeln können<br />
dabei sogar fachliche Punkte beeinflussen<br />
und aufwändigere und damit teurere Abläufe<br />
erfordern.<br />
Brisanz und Folgen möglicher Datenschutzverstöße<br />
deutlich vor Augen zu<br />
führen. Sensibilisierung – neudeutsch<br />
Awareness – sehen die meisten Experten<br />
daher als vordringliche Aufgabe.<br />
Die Sparkasse Witten beispielsweise hat<br />
sich nach Angaben des dortigen Datenschutzbeauftragten<br />
Andreas Kirsch für<br />
ein abgestuftes Schulungsmodell entschieden.<br />
„Wir haben die Mitarbeiter in<br />
vier Zielgruppen eingeteilt und<br />
„Alle Dienstleister<br />
müssen<br />
die Standards<br />
zu<br />
jeder Zeit<br />
nachprüfbar<br />
einhalten.“<br />
Keye Moser, Leiter<br />
Sicherheitstechnologie<br />
beim SIZ<br />
für diese jeweils maßgeschneiderte<br />
Schulungskonzepte entwickelt.“<br />
Vorstände und Abteilungsleiter<br />
sensibilisiert Kirsch aus<br />
Zeitgründen im Rahmen ohnehin<br />
stattfindender Termine. In<br />
zwei weitere Zielgruppen hat<br />
Kirsch mittlere Führungskräfte<br />
und die Mitarbeiter eingeteilt.<br />
Diese werden jeweils in eigenen<br />
Veranstaltungen geschult.<br />
„Ganz wichtig in unserem Konzept:<br />
Neue Kollegen und Auszubildende<br />
bilden eine eigene,<br />
vierte Zielgruppe, die wir mit<br />
separaten Schulungen sensibilisieren.“<br />
So wollen die Wittener jeden<br />
der etwa 450 Mitarbeiter schulen. „Uns<br />
war es wichtig, wirklich alle Mitarbeiter<br />
zu erreichen.“<br />
Diese Verpflichtung sieht auch Manfred<br />
Hartl, der den Unternehmensbereich<br />
Compliance bei der Stadtsparkasse München<br />
leitet und zudem als Datenschutzbeauftragter<br />
fungiert. „Neben Fachhandbüchern<br />
und aktuellen Informationen<br />
setzen wir ein webbasiertes Weiterbildungsprogramm<br />
ein, das alle Mitarbeiter<br />
einmal jährlich absolvieren müssen. So<br />
erreichen wir, dass auch jene Mitarbeiter,<br />
die nicht tagtäglich mit Kundendaten<br />
arbeiten, die Datenschutzgrundsätze<br />
kennen und beachten.“ Hartl lässt seinen<br />
Kollegen gegenüber zudem keinen<br />
Zweifel, dass die Münchener Verstöße<br />
nicht dulden. „Wir nehmen Hinweise<br />
oder Beschwerden über eine mögliche<br />
Verletzung des Bankgeheimnisses sehr<br />
ernst. Sollten sich die Vorwürfe als berechtigt<br />
erweisen, müsste der Mitarbeiter<br />
mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen<br />
rechnen.“ In Witten<br />
weist Kirsch zudem immer wieder<br />
darauf hin, dass der Datenschutz<br />
der eigenen Sicherheit<br />
der Mitarbeiter dient. „So können<br />
wir die Kollegen mit ins<br />
Boot holen.“<br />
Dabei gilt es darüber hinaus,<br />
für die unterschiedlichsten Fälle<br />
gerüstet zu sein. SIZ-Experte<br />
Moser führt die Notfallplanung<br />
an: „Auch im Brandfall müssen<br />
wir die Datensicherheit gewährleisten.<br />
Wenn die Mitarbeiter<br />
das Gebäude verlassen, dürfen<br />
Unbefugte keine sensiblen Daten<br />
vorfinden.“ Maßgeschneiderte<br />
Regelungen fordert Moser auch im<br />
Fall von Auslagerungen. „Alle Dienstleister<br />
müssen die nötigen Standards zu jeder<br />
Zeit nachprüfbar einhalten.“<br />
Alle Kollegen müssen mit ins Boot<br />
Die Umsetzung ist Angelegenheit jedes<br />
einzelnen Instituts, Dienstleister wie<br />
SIZ oder Finanz Informatik können hier<br />
nur unterstützen. Der Münchner Datenschutzbeauftragte<br />
Hartl unterzieht seine<br />
Abläufe daher regelmäßigen Überprüfungen:<br />
„Zusätzlich hat uns das SIZ zertifiziert,<br />
dass unser IT-Sicherheitsprozess<br />
funktioniert.“ Doch klar ist, dass die besten<br />
Vorkehrungen mit dem Engagement<br />
der Mitarbeiter leben und sterben.<br />
Moser mahnt daher das nötige Bewusstsein<br />
an: „Sensibilität braucht es auf allen<br />
Ebenen, angefangen mit dem Vorstand<br />
bis zum unteren Ende der Hierarchie.<br />
Sicherheit ist ganz eindeutig Teamaufgabe.“<br />
n<br />
Lesen Sie zum Thema auch die nachfolgenden<br />
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FORUM<br />
Wikileaks: Sind Geschäftsdaten<br />
Auch Banken geraten ins Visier der Enthüllungsplattform. Wie steht es um die Informationssicherheit<br />
1. Grundsätzlich bin ich davon<br />
überzeugt, dass der technische<br />
Schutz bei Finanzdienstleistern<br />
ausreichend<br />
ist. Allerdings gilt auch für<br />
Finanzdienstleister, dass es<br />
häufig an der sauberen Umsetzung<br />
hapert. Wikileaks<br />
hat gezeigt, dass Dokumente<br />
relativ problemlos aus Behörden<br />
und Unternehmen<br />
herausgeschmuggelt werden<br />
können, weil zu viele<br />
Personen regulären Zugriff<br />
auf sie haben. Das Need-toknow-Prinzip<br />
und die restriktive<br />
Vergabe und der<br />
Entzug der Zugriffsrechte<br />
werden nicht immer konsequent<br />
umgesetzt. Auf die<br />
in Wikileaks kürzlich veröffentlichten<br />
Diplomaten-Depeschen<br />
hatten offenbar Millionen<br />
Menschen regulären<br />
Zugriff.<br />
2. Die Skandale um Wikileaks<br />
haben den Finger auf<br />
eine sensible Wunde gelegt.<br />
An dieser Stelle sind nicht<br />
Berater gefragt, sondern<br />
die Unternehmensleitung:<br />
Sie muss konsequent dafür<br />
sorgen, dass der Zugriff auf<br />
Daten beschränkt bleibt und<br />
nur derjenige Zugriff hat,<br />
der ihn qua Aufgabenstellung<br />
haben muss. Wenn dem<br />
nicht so ist, wäre das eine<br />
Sorgfaltspflichtverletzung<br />
des Managements. Zwar<br />
ist gerade in Finanzinstituten<br />
das Problembewusstsein<br />
vorhanden, dennoch<br />
herrscht auch in dieser Branche<br />
eine gewisse Nachlässigkeit.<br />
Führungskräfte verlassen<br />
sich zu oft auf ihre IT und<br />
kontrollieren nicht hinreichend selbst.<br />
Und weil Führungskräfte in Finanzunternehmen<br />
in der Regel keine Techniker<br />
sind, wissen sie nicht immer, was zu prüfen<br />
ist und welche Fragen sie ihrem IT-<br />
Leiter stellen müssten. Das IT-Problem ist<br />
also kein rein technisches, sondern immer<br />
auch ein organisatorisches.<br />
3. Wer ein sicheres Unternehmen haben<br />
will, braucht die Sensibilität auf der obersten<br />
Führungsebene – als Vorbild und<br />
Forderung. Es geht um die Sorgfalt bei<br />
der Umsetzung von Schutzmechanismen<br />
PRO<br />
„Grundsätzlich<br />
bin ich davon<br />
überzeugt,<br />
dass der<br />
technische<br />
Schutz bei<br />
Finanzdienstleistern<br />
ausreichend<br />
ist.“<br />
Dirk Fox,<br />
Geschäftsführer<br />
Secorvo Security<br />
Consulting<br />
und bei der Organisation<br />
von Sicherheit im Unternehmen<br />
nach grundsätzlichen<br />
Prinzipien wie dem Need-toknow-Prinzip,<br />
um klare Verantwortungszuweisungen<br />
und um gegenseitige Kontrolle.<br />
Wird das konsequent<br />
umgesetzt, entstehen die<br />
meisten Probleme gar nicht.<br />
Dazu muss man keine einzige<br />
neue Technik einführen<br />
und keine zusätzlichen<br />
Überwachungssysteme<br />
installieren, weil einer Vielzahl<br />
von Bedrohungen die<br />
Grundlage entzogen wird.<br />
Natürlich ist es nicht auszuschließen,<br />
dass eine Person<br />
sich mit böser Absicht oder<br />
unter Überschreitung ihrer<br />
Befugnisse widerrechtlich<br />
Dokumente verschaffen will.<br />
Dieses Risiko bleibt – es lässt<br />
sich aber durch die Überwachungssysteme,<br />
die derzeit<br />
diskutiert werden, nicht<br />
wirksam reduzieren.<br />
4. Bei Verstößen gegen die<br />
Verschwiegenheitspflicht<br />
versuchen Unternehmen<br />
üblicherweise, den Informationsabfluss<br />
unter Nutzung<br />
technischer Logfiles zu belegen.<br />
Dabei muss extrem<br />
vorsichtig vorgegangen werden,<br />
um dem Ganzen nicht<br />
den Beweiswert zu nehmen.<br />
Unabdingbar ist dabei, dass<br />
die Vorgehensweise sauber<br />
dokumentiert wird. In<br />
jedem Einzelfall ist vorher<br />
zu prüfen, ob die Aufklärer<br />
auf bestimmte Dokumente<br />
überhaupt zugreifen dürfen,<br />
vor allem dann, wenn in<br />
Unternehmen die Privatnutzung<br />
von Telekommunikations- oder IT-<br />
Systemen erlaubt ist. Viele Unternehmen<br />
neigen dazu, – oft ein Auswuchs der Technikbegeisterung<br />
mancher Führungskräfte<br />
– sich auf technische Beweismittel zu<br />
fokussieren und das Einfachste unter den<br />
Tisch fallen zu lassen: das persönliche<br />
Gespräch. Welche Konsequenzen ein Unternehmen<br />
arbeitsrechtlich daraus zieht,<br />
hängt letztlich vom Einzelfall ab.<br />
5. Wenn sensible Daten zum Schaden des<br />
Unternehmens nach draußen gelangen,<br />
gehören immer zwei dazu: der Datendieb<br />
Fragen an die Kontrahenten<br />
1. Sind Daten, Hard- und Software,<br />
von Finanzdienstleistern ausreichend<br />
abgesichert?<br />
2. Sind die Reaktionen auf Wikileaks<br />
hysterisch und andere Sicherheitsprobleme<br />
viel entscheidender?<br />
3. Sollte der Schwerpunkt auf Achtsamkeit<br />
gelegt werden – oder auf<br />
Hard- und Software?<br />
Herausforderung für Datensicherheit und Kultur des<br />
agieren im Namen der Wahrheit und können mit viel<br />
und die Unternehmenskultur. Mitarbeiter,<br />
die stolz auf ihr Unternehmen sind,<br />
wollen diesem nicht schaden. Wenn, wie<br />
im Fall Wikileaks, Daten nach außen gegeben<br />
wurden, schien das den Handelnden<br />
offenbar der einzig gangbare Weg,<br />
um auf Missstände hinzuweisen. Eine<br />
Vertrauenskultur, die Kritik zulässt, hohe<br />
Loyalität und Identifikation mit dem<br />
Unternehmen sind ein extrem starker<br />
Schutzschild gegen Verrat. Deshalb waren<br />
die Security-Awareness-Kampagnen,<br />
die wir auch in vielen Unternehmen der<br />
Finanzbranche durchführten, im Kern<br />
Loyalitätskampagnen.<br />
6. Es sind die einfachen Dinge und eine<br />
positive Sicherheitskultur, mit denen<br />
man vorbeugen kann. Die meisten unerwünschten<br />
Informationsabflüsse basieren<br />
nicht auf aufwendiger Spionagetechnik,<br />
sondern jemand greift häufig ganz<br />
regulär auf Dokumente zu, die er im Rahmen<br />
seiner Arbeit nicht benötigt. Zwar<br />
schafft auch die beste Unternehmenskultur<br />
keine perfekte Sicherheit, aber sie ist<br />
ein starker Schutzschild. <br />
n<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FORUM 21<br />
ausreichend gesichert?<br />
deutscher Finanzdienstleister? Reicht der aktuelle Schutz vor Hackern, Whistleblowern & Co.?<br />
4. Müssen stärkere Sicherheits- und<br />
Überwachungsmaßnahmen künftig<br />
auch für Mitarbeiter gelten?<br />
5. Ist Schutz überhaupt technisch zu<br />
gewährleisten – oder muss sich die<br />
Unternehmenskultur ändern?<br />
6. Der Geist scheint aus der Flasche.<br />
Lässt er sich mit neuen technischen<br />
Mitteln wieder einfangen?<br />
Unternehmens: Maskierte Wikileaks-Aktivisten<br />
Interesse der Medien rechnen.<br />
FOTO: DPA<br />
1. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit,<br />
nirgends. Ob beim Feuerschutz<br />
oder bei Soft- und Hardware-technischen<br />
Lösungen – es bleibt immer ein Restrisiko.<br />
Gerade bei komplexen Systemen wie<br />
einer Banksoftware, die sich aus Kerntechniken,<br />
Marketing-, Controlling- und<br />
Überwachungsinstrumenten zusammensetzt,<br />
finden Angreifer immer wieder<br />
Lücken. Die meisten Betrachter fokussieren<br />
bei einer Banksoftware nur das<br />
Frontend: Geldautomaten, Schaltertische<br />
oder Webpage. Aber die kritischen Zonen<br />
sind an anderer Stelle. Von den Arbeitsräumen<br />
des Unternehmens aus gelangen<br />
die Mitarbeiter ins Internet und können<br />
sich dort mit allem Möglichen infizieren.<br />
Nicht von der Banking-Anwendung, vom<br />
08/15-PC des Mitarbeiters geht die Gefahr<br />
aus. Dabei sind wir in Deutschland besser<br />
geschützt als in anderen Ländern.<br />
2. Geheimnisverrat hat es immer schon<br />
gegeben. Wikileaks ist wegen der Brisanz<br />
und der Menge der „ge-leakten“ Daten<br />
präsent. Eine solche Plattform gab es zuvor<br />
noch nicht. Vor diesem Phänomen<br />
haben Politik und Unternehmen<br />
eine Riesenangst,<br />
beide wollen, dass Informationen<br />
über sie geheim<br />
bleiben. Problematischer als<br />
Wikileaks ist allerdings der<br />
Identitätsdiebstahl, dazu<br />
gehören etwa Phishing und<br />
Trojaner. Dieser Bereich hat<br />
sich zu einer Underground-<br />
Economy entwickelt. Malware,<br />
„bösartige Software“,<br />
und die dazugehörigen Kommunikationsmechanismen<br />
programmieren und hosten<br />
rund 100 junge Russen oder<br />
Ukrainer und ihrer Helfershelfer<br />
dort, wo die Polizei<br />
dieser Welt wenig Zugriff<br />
hat. Bei dieser Industrie<br />
kann man 100.000 infizierte<br />
Rechner in Deutschland buchen,<br />
um beispielsweise ein<br />
Finanz institut anzugreifen.<br />
3. Awareness, die Aufmerksamkeit<br />
für mögliche Gefahren,<br />
und der Einsatz von<br />
Hard- und Software lassen<br />
sich nicht gegeneinander<br />
ausspielen. Hardware allein<br />
löst das Problem nicht.<br />
Man denke an die Token,<br />
Hardwarekomponenten zur<br />
Identifizierung und Authentifizierung<br />
von Benutzern,<br />
die mathematisch gelungen<br />
sind. Auf Seiten des Nutzers<br />
aber gibt es ein Problem:<br />
Wen ihn ein „Trojaner“ auf<br />
eine Internetseite führt und<br />
behauptet, sein Token sei<br />
nicht mehr synchronisiert,<br />
er möge seine Daten noch<br />
einmal eingeben, macht<br />
der User unter Umständen<br />
genau das. In diesen Fällen<br />
schützt kein Sicherheitsmechanismus.<br />
Genau hier verläuft eine<br />
Grenze: Banken arbeiten für die ganze<br />
Bevölkerung. Um jeden zu bedienen,<br />
darf man keine Technik einsetzen, die<br />
ein Großteil der Kunden nicht verstünde.<br />
Das schränkt die Möglichkeiten ein.<br />
4. Wir brauchen einen offenen Umgang<br />
mit dem Thema und strategisches Investment.<br />
Alles läuft auf ein klassisches<br />
Drei-Säulen-Konzept wie beim Militär<br />
hinaus: Protect, Detect und React. Schützen,<br />
soweit es geht, Minimieren des Restrisikos<br />
und bei einem Vorfall schnelle<br />
CONTRA<br />
„Es gibt<br />
keinen vollständigen<br />
technischen<br />
Schutz. Zudem<br />
werden die<br />
Sicherheitsabteilungen<br />
häufig nur als<br />
Kostenfaktor<br />
gesehen.“<br />
Christoph Fischer,<br />
Geschäftsführer<br />
BFK edvconsulting<br />
Reaktion und konsequentes<br />
Law-Enforcement, Strafverfolgung<br />
der Täter. Überträgt<br />
man dies auf das Online-<br />
Banking, erfordert das zum<br />
einen Aufklärung des Kunden.<br />
Auch die Mitarbeiter<br />
müssen intensiv geschult<br />
werden und Sicherheitsmechanismen<br />
an die Hand bekommen.<br />
Mitarbeiter lassen<br />
sich nicht überwachen, das<br />
ist in Deutschland durch Datenschutz<br />
und Fernmeldegeheimnis<br />
stark limitiert.<br />
5. Es gibt keinen vollständigen<br />
technischen Schutz.<br />
Zudem werden die Sicherheitsabteilungen<br />
häufig nur<br />
als Kostenfaktor gesehen<br />
und finden oft nicht das nötige<br />
Gehör. Man muss prinzipiell<br />
eine Unternehmenskultur<br />
forcieren, in der solche<br />
Lecks nicht auftauchen können.<br />
Eine gewisse Geschäftsethik<br />
gehört ebenfalls dazu.<br />
Dennoch kann es immer<br />
einen unzufriedenen Mitarbeiter<br />
geben, der mit einem<br />
USB-Stick oder Wissen im<br />
Kopf das Unternehmen verlässt<br />
und Daten weiter trägt.<br />
6. Der Krieg wird weitergehen.<br />
Die Täter sind enorm<br />
kreativ, sie reagieren auf<br />
jede Änderung. Das ist ein<br />
Rüstungswettlauf, bei dem<br />
beide Seiten ständig neue<br />
Mittel einsetzen. Das kostet<br />
Geld. Auf der anderen Seite<br />
summieren sich die einzelnen<br />
kleinen Schadensfälle<br />
mittlerweile zu Milliardensummen.<br />
Clevere Techniken,<br />
die Zusammenarbeit<br />
von Banken, Industrie und Staat sind<br />
ebenso gefragt, wie eine bessere internationale<br />
Zusammenarbeit beim Law-<br />
Enforcement. Dabei kommt es auch auf<br />
Schnelligkeit an. In Deutschland sind die<br />
Gerichte mit der richtigen Einschätzung<br />
dieser Themen und Fälle oft überfordert.<br />
Hier sind Lücken zu schließen. Wenn die<br />
Beteiligten nicht aufpassen, könnten die<br />
Menschen das Vertrauen ins Internet, ins<br />
Onlinebanking oder das E-Government<br />
verlieren. <br />
n<br />
Die Fragen stellte Thomas Schindler.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
22<br />
MANAGEMENT<br />
JUGENDMARKETING<br />
Vom Konzert zum Konto<br />
Viele Sparkassen versuchen junge Leuten mit Konzerten, Partys und anderen Veranstaltungen<br />
anzusprechen. Es genügt allerdings nicht, die Jugendlichen zu „bespaßen“, wie Experten warnen.<br />
Eventmarketing sollte Teil eines umfassenden Marketingkonzepts sein.<br />
n VON STEFAN BOTTLER<br />
Mit sportlichen Großereignissen kann<br />
das Stadion Nattenberg in Lüdenscheid<br />
nur noch selten dienen. Doch einmal<br />
im Jahr tobt hier der Bär – die Sparkasse<br />
lädt zur Knax-Party. „Jedes Jahr<br />
kommen 4000 bis 4500 Kinder zwischen<br />
sechs und zwölf“, sagt Kai Pritschow,<br />
Marketing-Mitarbeiter der Sparkasse<br />
Lüdenscheid. „In 16 Jahren hat sich die<br />
Knax-Party zum größten Kids-Event in<br />
Lüdenscheid gemausert.“<br />
Zum Erfolg haben außer den günstigen<br />
Veranstaltungszeitpunkten jeweils<br />
am Ende der Sommerferien auch<br />
die abwechslungsreichen Programme<br />
beigetragen. Das Finanzinstitut der<br />
80.000-Einwohner-Stadt arbeitet mit<br />
Jugendfeuerwehr, Kinderschutzbund,<br />
örtlichen Museen, Schulen und weiteren<br />
Kooperationspartnern zusammen.<br />
2010 luden wenige Wochen nach der<br />
Fußball-WM in Südafrika Spielstationen,<br />
Clownauftritte und Musikkonzerte mit<br />
Motiven vom „schwarzen Kontinent“<br />
zum Mitmachen ein.<br />
Auf weitere Events für Nachwuchskunden<br />
verzichtet die Sparkasse weitgehend.<br />
Allenfalls für 14- bis 18-Jährige gibt es<br />
eine jährliche „Cash-Box“-Fahrt etwa<br />
zum Indoor-Alpin-Center in Bottrop oder<br />
zum Schalke-Stadion in Gelsenkirchen.<br />
„Wir sehen Events als reine Kundenbindungsmaßnahme“,<br />
sagt Pritschow.<br />
Tatsächlich haben 80 bis 90 Prozent der<br />
Teilnehmer bereits ein Sparkassenkonto.<br />
Auf Produktpräsentationen und Promotion-Aktionen<br />
kann das südwestfälische<br />
Institut verzichten. Während des Events<br />
haben die Jugendlichen ohnehin anderes<br />
im Kopf.<br />
Kundenbindung hat Vorrang<br />
Im Jugendmarketing gelten eigene Gesetze.<br />
Sparkassen, die mit Partys, Konzerten<br />
oder Ausflügen Kunden binden<br />
und Neukunden gewinnen wollen, müssen<br />
ihre Angebote in ein umfassendes<br />
Vertriebskonzept integrieren. Häufig<br />
kommen jugendliche Nicht-Kunden vor<br />
allem deshalb, weil Freunde und Bekannte<br />
mit Sparkassen-Karte teilnehmen.<br />
Ein mehrstufiges Preiskonzept kann für<br />
manchen schnellen Erfolg sorgen: Wenn<br />
die Freunde niedrigere oder gar keine<br />
Eintrittspreise zahlen, mag das für manchen<br />
Jugendlichen ein zusätzlicher Anstoß<br />
zur Kontoeröffnung oder zum Clubeintritt<br />
sein.<br />
Das Marktpotenzial wird so allerdings<br />
kaum ausgeschöpft, wie einschlägige<br />
Studien zeigen. Für zwei von drei Kindern<br />
sind Werbebotschaften ein selbstverständlicher<br />
Bestandteil des Alltags,<br />
ermittelte unlängst die Verbraucheranalyse<br />
(VA) 2010 über den sechs- bis 13-jährigen<br />
Nachwuchs. Bei älteren Zielgruppen<br />
dürfte dieser Prozentsatz noch höher<br />
sein. „Vor allem im Non-Food-Bereich<br />
fallen auch jüngere Kinder mit einem<br />
Jugendparty der Sparkasse<br />
Zollernalb in einer<br />
Balinger Disco (o.),<br />
Knax-Party der Sparkasse<br />
Lüdenscheid im Sportstadion<br />
am Nattenberg: Die<br />
Sparkassen haben gute<br />
Chancen, mit Events bei<br />
jungen Leuten zu punkten.<br />
Experten raten aber dazu,<br />
auf Veranstaltungen auch<br />
Informationen zu<br />
vermitteln.<br />
FOTOS: FOTOS: SPARKASSE<br />
ZOLLERNALB, SPARKASSE<br />
LÜDENSCHEID<br />
ausgeprägten Markenbewusstsein auf“,<br />
so fasst Ingo Höhn, Geschäftsleiter des<br />
Egmont Ehapa Verlags (Micky Maus Magazin)<br />
und Auftraggeber der Kids VA, die<br />
Marktforschungsergebnisse zusammen.<br />
Weil aber nur wenige Marken einen vergleichbar<br />
hohen Bekanntheitsgrad haben<br />
wie die Sparkassen mit ihrem HKS-<br />
13-Rot, ist die Ausgangsposition für alle<br />
436 Institute zwischen Flensburg und<br />
Füssen außerordentlich gut.<br />
Nur „bespaßen“ ist zu wenig<br />
Allerdings müssen sie ein ganzheitliches<br />
Marketingkonzept entwickeln und dür-<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
MANAGEMENT 23<br />
fen sich nicht ausschließlich auf Events<br />
verlassen, rät Kathrin Wirz. „Die Jugendlichen<br />
sollen nicht nur bespaßt werden“,<br />
sagt die Marketingreferentin des Deutschen<br />
Sparkassen- und Giroverbands<br />
(DSGV). „Die immer wieder zitierte Meinung,<br />
dass die Kommunikation von vermeintlich<br />
trockenen Finanzthemen bei<br />
jungen Leuten nicht gut ankommt, ist ein<br />
handfestes Vorurteil.“<br />
Mit einer umfassenden Konzeption,<br />
die junge Zielgruppen von der Geburt<br />
bis zum Erwachsenendasein begleitet,<br />
hat die Sparkasse Zollernalb im württembergischen<br />
Balingen seit rund sieben<br />
Jahren Erfolg. „Wir bauen auf der Philosophie<br />
eines ‚Kontos fürs Leben‘ auf“,<br />
sagt Birgit Schön, verantwortlich für das<br />
Jugendmarketing. Die Schwaben setzen<br />
bei den Eltern an, die unmittelbar nach<br />
der Geburt Babyalben mit eingefügten<br />
Gutscheinen der Sparkasse und des örtlichen<br />
Einzelhandels erhalten. Der Nachwuchs<br />
ab sechs Jahren spart im Knax-<br />
Club Punkte an, die am Weltspartag in<br />
Geschenke umgetauscht werden.<br />
Eltern müssen überzeugt werden<br />
Jugendliche ab zwölf Jahren werden im<br />
S-Club ebenfalls mit Preisen für den Umgang<br />
mit Geld sensibilisiert. Bei jedem<br />
Filialbesuch mit Beratergespräch, Geldeinzahlung<br />
oder Produkterwerb gibt es<br />
ein Los: Der Empfänger nimmt an einem<br />
Wettbewerb mit hochwertigen Gewinnen<br />
wie iPods, Fotohandys oder Mountainbikes<br />
teil.<br />
Von vornherein waren Events fester Bestandteil<br />
des Konzepts. Zur Institution ist<br />
die „Party Night“ geworden. Jedes Jahr<br />
heizt unmittelbar nach dem Weltspartag<br />
in der Großraumdiskothek „Top Ten“ in<br />
Balingen eine bekannte Pop-Größe bis zu<br />
1600 Jugendlichen ein. 2010 engagierte<br />
die Sparkasse die Girlie-Band Monrose.<br />
Zuvor werden auf dem rauch- und alkoholfreien<br />
Event die Wettbewerbspreise<br />
verteilt. Mit dem gleichen Ablauf locken<br />
Kinonachmittage rund 600 Besucher an.<br />
Für Zehn- bis 13-Jährige, die zu jung für<br />
die Party Night sind, wird ein Film gezeigt.<br />
Im vergangenen Jahr war es „Karate<br />
Kid“.<br />
„Die Jugendlichen sind in<br />
den vergangenen Jahren anspruchvoller<br />
geworden“, sagt<br />
Marketingmanagerin Schön.<br />
„Die Party Night muss mit einer<br />
Vorlaufzeit von nur sechs bis<br />
acht Wochen geplant werden.“<br />
Die Gefahr eines Fehlgriffs sei<br />
angesichts der schnelllebigen<br />
und ständig wechselnden<br />
Trends groß.<br />
Bei der Auswahl der Popstars<br />
folgt die Sparkasse deshalb<br />
den Empfehlungen der Diskothekenmanagements,<br />
bei<br />
den Kinofilmen befragt sie<br />
die Jugendlichen nach Präferenzen.<br />
„Wir sehen die Events<br />
„Wir sehen<br />
die Events als<br />
öffentlichkeitswirksame<br />
Belohnung<br />
für<br />
aktive<br />
Kunden.“<br />
Birgit Schön,<br />
Jugendmarketing,<br />
Sparkasse Zollernalb<br />
als öffentlichkeitswirksame<br />
Belohnung für aktive Kunden an und signalisieren<br />
den Jugendlichen, dass sich<br />
der Kontakt zur Sparkasse lohnt“, sagt<br />
Schön. Jedes Jahr schickt die Sparkasse<br />
7000 bis 8000 persönliche Einladungen<br />
heraus. „Auch die Eltern von Heranwachsenden<br />
müssen von den Veranstaltungen<br />
überzeugt sein“, erläutert die Managerin.<br />
In den Einladungen werden deshalb ausführlich<br />
die Sicherheitsvorkehrungen<br />
geschildert.<br />
Wer mit Jugendlichen erfolgreich kommunizieren<br />
will, muss diese an ihren<br />
regelmäßigen Aufenthaltsorten erreichen<br />
– also auch in Schulen und Jugendclubs.<br />
Das jedenfalls ist die Erfahrung der<br />
Kreissparkasse Aue-Schwarzenberg, die<br />
in sieben größeren Geschäftsstellen Jugendmarktbetreuer<br />
beschäftigt. An allen<br />
Schulen im Einzugsgebiet halten die se<br />
regelmäßig Referate zu Zahlungsverkehr,<br />
Wertpapiergeschäften und anderen<br />
Wirtschaftsthemen.<br />
Von einem „unaufdringlichen<br />
Zugang“ zur Zielgruppe zeigt<br />
sich Volkmar Viehweg überzeugt.<br />
„Wir können außerdem<br />
beim ersten Kundenkontakt<br />
wichtiges Basiswissen voraussetzen“,<br />
sagt der Marketingleiter.<br />
Wohl auch dank dieser Vernetzung<br />
sind bislang mehr als<br />
20.000 Jugendliche dem Club<br />
„S-Peck“ beigetreten, den die<br />
Sparkasse für die Zielgruppe<br />
ab 13 Jahre aufgemacht hat.<br />
Im Schwarzenberger Musikclub<br />
„Night Fly“, der jedes Wochenende<br />
bis zu 1000 Gäste<br />
zählt, hat S-Peck laut Viehweg<br />
eine „Lounge“ eröffnet. Hier<br />
finden vom Planspiel Börse bis<br />
zur Präsentation der Prepaid-<br />
Kreditkarte alle möglichen Promotions<br />
statt. Außerdem werden hier regelmäßig<br />
Geburtstagspartys für 16- und 18-jährige<br />
„S-Peck“-Mitglieder sowie Wettbewerbe<br />
für Bands aus der Region inszeniert. Und<br />
alle paar Jahre lädt die Sparkasse auch<br />
zum ganz großen Musikevent mit einem<br />
bundesweit bekannten Star ein.<br />
Die Synergieeffekte, die aus einer solchen<br />
Partnerschaft entstehen können,<br />
sind offenbar enorm: In der Zielgruppe<br />
der über 16-jährigen Jugendlichen melden<br />
die Sachsen eine Marktabschöpfung<br />
von 92 Prozent – mehr geht kaum.<br />
<br />
Planung und Controlling von Jugendevents – Sparkasse Schaumburg setzt Maßstäbe<br />
Wer Kunden binden will, muss Events anbieten.<br />
Wohl nahezu jeder Marketingexperte<br />
unterschreibt diese Aussage. Instrumente, die<br />
den Erfolg solcher Veranstaltungen überprüfen,<br />
sind jedoch Mangelware. Die Sparkasse<br />
Schaumburg im niedersächsischen Rinteln<br />
geht deshalb Schritt für Schritt vor. Für Jörg<br />
Nitsche, verantwortlich für Jugendmarketing<br />
des Finanzinstituts, beginnt das Controlling<br />
bereits bei der Festlegung von Terminen<br />
und Budgets für das kommende Jahr. „Wir<br />
definieren anhand der Projektplanung die<br />
Zielgruppen und kalkulieren anhand von<br />
Erfahrungswerten die voraussichtlichen Teilnehmerzahlen“,<br />
sagt Nitsche. Hierbei muss die<br />
Sparkasse berücksichtigen, wie viele Jugendliche<br />
bereits ein Konto haben und Mitglied des<br />
Knax-Clubs (sechs bis zwölf Jahre) oder S-Clubs<br />
(ab zwölf Jahren) sind. Alle übrigen Teilnehmer<br />
zahlen höhere Beiträge.<br />
Das Spektrum von Jugend-Events reicht von<br />
Partys über Städtereisen nach Amsterdam,<br />
London oder Paris bis zu Ausflugsfahrten in den<br />
regionalen Saurierpark. „Bei jeder Veranstaltung<br />
wird kalkuliert, ob sie im Rahmen des Gesamtbudgets<br />
bleibt oder ob zusätzliche Gelder eingeplant<br />
werden müssen“, sagt Nitsche. Wenn das<br />
Event abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse<br />
anhand der geplanten Ziele analysiert. Außer<br />
den Teilnehmerzahlen selbst werden auch die<br />
Organisation und die Presseresonanz analysiert.<br />
„Wir ermitteln den genauen Betrag, den die<br />
Veranstaltung pro Teilnehmer gekostet hat.“<br />
Eine Partyveranstaltung für 10.000 Euro, die<br />
von 5000 Jugendlichen aufgesucht wird, kann<br />
demnach kosteneffizienter sein als eine Reise<br />
für 1000 Euro, an der 50 teilnehmen. Auch der<br />
Imagegewinn wird analysiert. Jeder Teilnehmer<br />
erhält einen Beurteilungsbogen, auf dem er<br />
Programm, Organisation und andere Details<br />
anonym mit Schulnoten bewerten soll. Die Sparkasse<br />
entscheidet dann anhand eines Ampelsystems,<br />
ob das Event wiederholt wird (grün),<br />
auf dem Prüfstand gehört (gelb) oder abzusetzen<br />
ist (rot). „Auch Kleinigkeiten können den<br />
Imagegewinn schmälern“, sagt Nitsche. So<br />
bemängelten Jugendliche unlängst bei einem<br />
Musikevent, das in einem alten Gebäude stattgefunden<br />
hatte, die unzureichende Beheizung.<br />
Trotz guter Noten für das Programm stellten<br />
die Sparkassen-Marketer die Ampel auf Gelb –<br />
die Wiederholung ist also ungewiss. „Bei einer<br />
Neuauflage werden sich die Zielgruppen sofort<br />
an die kalte Nacht vom Vorjahr erinnern“, sagt<br />
Nitsche. Das ist jedoch eine Ausnahme. Bei<br />
80 bis 85 Prozent der Veranstaltungen wird die<br />
Ampel auf Grün gestellt. Und weil Kontobesitzer<br />
immer Vergünstigungen erhalten, können<br />
die Niedersachsen relativ genau ermitteln, wie<br />
viel Neuanmeldungen ein Event auslöst. Am<br />
größten ist die Nachfrage demnach bei Sprachreisen<br />
für knapp 1300 Euro, die mit<br />
150 Euro rabattiert werden.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
24<br />
MÄRKTE & KUNDEN<br />
EXISTENZGRÜNDUNG<br />
Der Aufbewahrer<br />
Mit einer originellen Idee machte sich ein Unternehmer bei München selbstständig: Bei seiner<br />
Firma „Keystorage“ können Kunden ihre Haustürschlüssel einlagern lassen. Das erspart ihnen im<br />
Notfall den teuren Schlüsseldienst. Unterstützt wird das Unternehmen von einer Sparkasse.<br />
n VON CLAUDIA FRICKEL<br />
Der Postbote klingelt, man öffnet die<br />
Tür, geht in den Hausflur – und die<br />
Tür fällt ins Schloss. Wenn niemand sonst<br />
zu Hause ist, bleibt oft nur der Anruf<br />
beim Schlüsseldienst. Doch viele Firmen<br />
lassen sich ihre Dienstleistung viel Geld<br />
kosten: Im schlimmsten Fall mehrere<br />
Hundert Euro verlangen manche Firmen<br />
für den Ausbau des alten und den Einbau<br />
eines neuen Schließzylinders.<br />
Das brachte Jürgen Steinhäuser schon<br />
vor fünf Jahren auf eine Idee: Warum<br />
nicht die Schlüssel für Kunden sicher einlagern?<br />
Der 45-Jährige aus Altomünster<br />
bei München ist in der Beratung, Planung<br />
und dem Vertrieb von sicherheitstechnischen<br />
Anlagen tätig. „Immer wieder<br />
hörte ich von Kunden ihre Sorgen und<br />
ihren Ärger über teure Schlüsseldienste,<br />
von denen sie sich abgezockt fühlen.“<br />
Ursprünglich dachte Steinhäuser an<br />
eine technische Lösung – die Eingabe<br />
eines Codes oder Fingerabdrucks sollte<br />
eine verschlossene Tür wieder öffnen<br />
können. Doch die Installation eines<br />
entsprechenden Apparats wäre für Bewohner<br />
eines Mietshauses schwierig<br />
geworden. Einfacher umzusetzen ist<br />
das Prinzip von Keystorage: Ein Kunde<br />
schließt einen Jahresvertrag mit der<br />
Firma ab und bekommt anschließend<br />
seine Unterlagen inklusive eines Lagerumschlags<br />
sowie eines Siegels per Post<br />
zugeschickt. In diesen Umschlag packt<br />
er seinen Ersatzschlüssel, versiegelt ihn<br />
und schickt ihn per Einschreiben los. Allerdings<br />
nicht an Keystorage, sondern an<br />
eine Partnerfirma am eigenen Wohnort.<br />
Partner sitzen an 80 Orten<br />
Das junge Unternehmen arbeitet bundesweit<br />
an 80 Standorten mit der Sicherheitsfrma<br />
Securitas zusammen. Der Umschlag<br />
wird dort nur gelagert, nicht<br />
geöffnet. Ausgesperrte Kunden rufen eine<br />
Hotline an, beantworten eine Sicherheitsfrage<br />
und bekommen den Umschlag<br />
samt Schlüssel innerhalb von 30 bis<br />
60 Minuten vorbeigebracht, zu jeder Tagesund<br />
Nachzeit, wie Keystorage verspricht.<br />
Für den Service zahlt der Kunde pro<br />
Jahr 48 Euro plus 12,50 Euro Ersteinlagerungsgebühr.<br />
„Schließzylinder und<br />
Tür bleiben intakt“, wirbt Steinhäuser.<br />
Eingelagert werden könne jeder Schlüssel,<br />
ob für Haustür-, Tresor-, oder Waffenschrank.<br />
Um Missbrauch zu verhindern, hat<br />
Keystorage mehrere Sicherheitsstufen<br />
eingebaut. Schlüssel und Kundendaten<br />
werden getrennt voneinander in verschiedenen<br />
Städten aufbewahrt, so dass<br />
sie nicht miteinander in Verbindung<br />
gebracht werden können. Der Firmeninhaber<br />
erklärt: „Die Adresse liegt in der<br />
Sicherheitszentrale in Ostfriesland, der<br />
Schlüssel versiegelt und anonym beim<br />
örtlichen Sicherheitsdienst.“ Kunden<br />
müssen sich bei einem Anruf bei der Hotline<br />
mit einem Passwort identifizieren.<br />
Keystorage startete im kleinen Rahmen<br />
bereits 2009, im April 2010 gründete<br />
Steinhäuser gemeinsam mit einem Partner<br />
eine UG, also eine kleine GmbH. Der<br />
gelernte Energieanlagen- und Flugzeugelektroniker<br />
gründete bereits 1992 eine<br />
eigene Handelsvertretung für Sicherheitstechnik<br />
und führte ab 1995 eine eigene<br />
Firma. Seit 2008 ist Steinhäuser im<br />
Verkauf, dem Vertrieb und der Beratung<br />
von sicherheitstechnischen Anlagen tätig.<br />
Bundesweit 3000 Kunden hat die Firma<br />
inzwischen, von denen sie 1700 Schlüssel<br />
eingelagert hat. Allerdings haben nicht<br />
Prinzip Schlüsseldepot – Jürgen Steinhäusers Geschäftsidee<br />
Das Keystorage-Prinzip von Firmengründer Jürgen Steinhäuser (o.): Der Kunde schickt<br />
seinen Schlüssel zum Deponieren, im Notfall bringt ihn ein Securitas-Mitarbeiter.<br />
Kundenadresse und Schlüssel werden an unterschiedlichen Orten gelagert.FOTOS: KEYSTORAGE<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
MÄRKTE & KUNDEN 25<br />
alle von ihnen den vollen Preis gezahlt,<br />
Keystorage hat Immobilienkunden oder<br />
Autohäuser zum Start mit Vorzugspreisen<br />
geködert.<br />
Das Unternehmen trägt sich noch nicht<br />
selbst, trotzdem hat die Geschäftsidee<br />
schon eine Auszeichnung bekommen:<br />
Die Leser der Online-Ausgabe der „Financial<br />
Times Deutschland“ kürten Keystorage<br />
2009 zum „Gründer des Monats“.<br />
Noch keine schwarzen Zahlen<br />
Einen Kredit wollte Steinhäuser für seine<br />
Firma nicht aufnehmen. „Wir finanzieren<br />
uns aus unserem operativen Geschäft“,<br />
sagt er. Die Wahl des Finanzpartners war<br />
für ihn aber klar: „Das bekannteste Kreditinstitut<br />
bei uns in Altomünster ist die<br />
Sparkasse.“ Die 7500-Einwohner-Kommune<br />
gehört zur Region der Sparkasse<br />
Dachau. Ursprünglich hoffte Steinhäuser<br />
auf eine Unterstützung durch ein Beteiligungsmodell,<br />
mit der kleine und mittelständische<br />
Firmen gefördert werden<br />
sollen. Es werde viel für dieses Modell geworben,<br />
sagt Steinhäuser. „Doch sowohl<br />
in Dachau als auch in München sagten<br />
mir die Sparkassen, dass sie das Beteiligungsmodell<br />
nicht anbieten.“ Dennoch<br />
fühle er sich gut aufgehoben bei der Sparkasse<br />
Dachau. „Sie begleiten auch junge<br />
Unternehmen und Produkte gut, und ich<br />
fühle mich durch meine Bank gut unterstützt.“<br />
Die Sparkasse Dachau unterstützt und<br />
berät Existenzgründer in allen Finanzierungsfragen,<br />
inklusive Fördermittel,<br />
Zahlungsverkehr oder Absicherungen<br />
Im Vorfeld einer Gründung sind viele<br />
Entscheidungen zu treffen. Das Institut<br />
gibt darum Tipps und Anregungen. „In<br />
diesem Fall beschränkte sich die Beratung<br />
auf die Möglichkeiten der Sicherungen<br />
im Onlinebanking und die Absicherungen<br />
betrieblicher Risiken, da<br />
eine Finanzierung nicht gebraucht wurde“,<br />
sagt Michael Stich, stellvertretender<br />
Gebietsdirektor der Sparkasse Dachau in<br />
Altomünster.<br />
Steinhäuser zeigt sich sicher, dass sich<br />
seine Geschäftsidee bald selbst tragen<br />
wird. Das Kundenpotenzial sei groß: Pro<br />
Jahr sollen sich in Deutschland zwei Mio.<br />
Menschen aussperren, hat Steinhäuser<br />
ermittelt. Auch wenn sich nach seinen<br />
Angaben rund zwei Drittel selbst helfen<br />
können, weil sie Schlüssel bei Nachbarn<br />
oder Freunden deponiert haben, bleiben<br />
immer noch mehr als 650.000 potenzielle<br />
Kunden für Keystorage übrig – in<br />
Deutschland.<br />
Steinhäuser könne sich aber eine Expansion<br />
ins europäische Ausland gut vorstellen:<br />
Das sei „im deutschen Erfolgsfall<br />
denkbar und aufgrund der Zusammenarbeit<br />
mit Securitas und deren flächendeckender<br />
Präsenz jederzeit möglich“.<br />
Das Keystorage-Konzept sei so aufgebaut,<br />
dass es „schnell, überall und jederzeit beliebig<br />
multiplizierbar ist“.<br />
<br />
UNTERNEHMERPORTRÄT<br />
Der Aufmöbler<br />
Ein Hersteller von Bürositzmöbeln aus Franken besitzt eine<br />
Privatsammlung originaler Stühle vom Biedermeier bis zur Gegenwart.<br />
Diese inspirierten auch das Design eigener Produkte.<br />
n VON HORST PETER WICKEL<br />
An den Erwerb des ersten Designerstücks,<br />
„Theodora“ von Ettore<br />
Sottsass, kann sich Werner Löffler noch<br />
genau erinnern. 1987 kaufte Löffler, der<br />
sich als „Sitzmöbeltraditionalisten“ bezeichnet,<br />
das Kunstwerk, das sich auch<br />
zum Sitzen eignet.<br />
Sottsass gilt bis heute als Ikone des Designs,<br />
und sein Stück „Theodora“ war<br />
für Löffler der Start in ein anhaltendes<br />
Sammlerabenteuer. Schon damals<br />
wusste Löffler, welche besondere Bedeutung<br />
Stühle für jeden Designer haben.<br />
Die Sitzmöbel gelten als Visitenkarte, sie<br />
besitzen eine höhere visuelle Attraktivität<br />
als Tische, Schränke, Sofas oder<br />
Küchenmöbel.<br />
Einen Stuhl zu entwerfen, gehört zu den<br />
großen Herausforderungen für Designer.<br />
Diese Aufgabe schien im Sinne der Moderne<br />
vollendet gelöst, als Michael Thonet<br />
seine Stühle in der seinerzeit revolutionären<br />
Bugholz-Technik herausbrachte.<br />
Heute, 150 Jahre später, gibt es unzählige<br />
neue Stuhlmodelle, die den künstlerischen,<br />
technischen und gesellschaftlichen<br />
Wandel vor Augen führen. Wie<br />
kein anderer Gegenstand ermöglicht das<br />
Thema Stuhl eine Auseinandersetzung<br />
mit widerstreitenden Positionen des Designs.<br />
Auch in der Sammlung Löffler gibt<br />
es sehr unterschiedliche Sitzmöbel von<br />
Marcel Breuer, Tom Dixon, den Gebrüdern<br />
Thonet und vielen anderen. Unter<br />
den Ideen finden sich auf der einen Seite<br />
die vernunftorientierte, zweckdienliche<br />
Form, auf der anderen Seite das freie<br />
Spiel der Fantasie und die künstlerisch<br />
autonome Formgebung.<br />
Sparkasse lobt die Perspektiven<br />
Ob Stühle oder Hocker, Armlehnstühle,<br />
Schaukelstühle oder Liegen – die Liebe<br />
zur angewandten Kunst hat Löffler nicht<br />
losgelassen. So umfasst seine Sammlung<br />
heute die kulturgeschichtliche Entwicklung<br />
von Biedermeier über Jugendstil,<br />
Art Deco, Nachkriegsmoderne bis zur<br />
Postmoderne. Alle Exponate, egal ob aus<br />
Holz, Stahlrohr oder Fiberglas, sind im<br />
ursprünglichen Zustand, also unrestauriert<br />
und zeitgeschichtlich authentisch.<br />
„Die Sammlung ist ein Panoptikum des<br />
Sitzens und der Handwerkskunst der<br />
vergangenen zwei Jahrhunderte“, sagt<br />
Löffler, der seine ersten selbst gebauten<br />
Stühle in der heimischen Garage zusammensetzte.<br />
Nachdem der ausgebildete<br />
Industriekaufmann zehn Jahre lang<br />
weltweit in der Möbelbranche tätig gewesen<br />
war, gründete er 1992 seine eigene<br />
Fabrik für Bürositzmöbel – und sammelte<br />
fleißig weiter.<br />
Seit 1994 ist das Unternehmen Kunde<br />
der Sparkasse Nürnberg, und die bewertet<br />
die Situation und Perspektiven<br />
des Unternehmens positiv: „Eine gute<br />
Unternehmer und Sammler: Werner Löffler<br />
inmitten einiger seiner Schätze. FOTOS: LÖFFLER Lesen Sie bitte weiter auf der folgenden Seite.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
26<br />
MÄRKTE & KUNDEN<br />
Exponate der Sammlung Löffler: Die Stuhlmodelle sind nach Themen wie „Sitzlösungen der 68er“, „Wien“ oder „Stahlrohr“ geordnet.<br />
Eigenkapitalausstattung, eine gute Liquiditätssituation,<br />
eine positive Umsatzund<br />
Ertragsentwicklung sowie eine zu<br />
erwartende Umsatzsteigerung<br />
2010 sind Indikatoren dafür“,<br />
sagt Günther Brunner, Firmenkundenbetreuer<br />
der Sparkasse<br />
Nürnberg. Mit einem erwarteten<br />
Umsatzwachstum von<br />
mehr als 30 Prozent für 2010<br />
hebe sich das Unternehmen<br />
deutlich vom Branchentrend<br />
ab (siehe Kasten).<br />
Bei der Planung neuer Räumlichkeiten<br />
für das Unternehmen<br />
dachte Löffler nicht nur an<br />
mehr Platz für Mitarbeiter und<br />
aktuelle Kollektion, sondern<br />
auch an eine Ausstellungshalle<br />
für seine Sammlerstücke. Für<br />
die Präsentation der Sitzmöbel<br />
haben sich der Unternehmer<br />
und Heidemarie Leitner, wissenschaftliche<br />
Kuratorin der<br />
Sammlung, etwas Besonderes<br />
ausgedacht: Auf einer Aktionsfläche<br />
werden wechselnde Themen<br />
gezeigt, daneben wurden verschiedene<br />
Depots eingerichtet. Diese Depots<br />
sind nach Funktion, Zeit-, Länder- und<br />
Materialzugehörigkeit angeordnet.<br />
Patent auf „bewegtes Sitzen“<br />
So gibt es etwa Depots zu den Themen<br />
Stahlrohr, 68er-Generation oder Klapplösungen,<br />
zu Wien, Skandinaven oder<br />
Italien. Sämtliche Exponate sind mit<br />
zahlreichen Informationen und teilweise<br />
auch mit Hintergrundgeschichten<br />
ausgewiesen. Den Besuchern der Sammlung<br />
wird die Geschichte des Sitzens als<br />
„Herr Löffler<br />
will ‚Löffler‘<br />
als Marke<br />
unverwechselbar<br />
machen.<br />
Und wir<br />
gehen davon<br />
aus, dass ihm<br />
das auch<br />
gelingen<br />
wird.“<br />
Günther Brunner,<br />
Firmenkundenbetreuer<br />
der Sparkasse<br />
Nürnberg<br />
Entwicklungsgeschichte der Menschheit<br />
demonstriert. Löffler erklärt: „Wir haben<br />
heute das Sitzen früh, systematisch und<br />
über eine lange Zeit erlernt.“<br />
Die meisten Menschen, die<br />
zu Hause sitzen, sich ins Auto<br />
setzen und ihre Arbeit im Sitzen<br />
verbringen, klagen allerdings<br />
früher oder später über<br />
die Folgen. Denn eigentlich<br />
sind Menschen aufgrund ihrer<br />
körperlichen Gegebenheiten<br />
auf Bewegung eingestellt.<br />
Während Bewegung den Stoffwechsel<br />
fördert und damit die<br />
Ernährung der Körperzellen<br />
in den Bandscheiben und der<br />
Muskulatur anregt, führen Stehen,<br />
Liegen oder Sitzen letztlich<br />
zu einer Stagnation der<br />
Stoffwechselaktivitäten.<br />
Die Folgen sind bekannt:<br />
In deutschen Unternehmen<br />
machen Erkrankungen des<br />
Muskel- und Skelettsystems,<br />
überwiegend bedingt durch<br />
Rückenbeschwerden, rund ein<br />
Drittel aller Krankentage aus.<br />
Deshalb kam es Löffler darauf an, sitzenden<br />
Menschen die Bewegung zurückzugeben.<br />
So wurde die Sammlung zur<br />
Inspiration für die laufende Produktion.<br />
„Die Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichte<br />
des Sitzens hat mich bewogen,<br />
das patentierte Ergo-Top-System<br />
zu entwickeln, das bewegtes Sitzen durch<br />
eine rundum bewegliche Sitzfläche ermöglicht“,<br />
sagt Löffler.<br />
Firmenkundenbetreuer Brunner von<br />
der Sparkasse Nürnberg traut dem Sitzmöbelfabrikanten<br />
noch einiges zu: „Unter<br />
Einbeziehung moderner Elemente<br />
mit Erschließung hochwertiger Einrichtungssegmente<br />
hat Herr Löffler das Ziel,<br />
‚Löffler‘ als Marke unverwechselbar zu<br />
machen. Und wir gehen davon aus, dass<br />
ihm das auch gelingen wird.“<br />
Ein Platz in der Bestenliste des spannenden<br />
Stuhl-Designs, da sind sich Experten<br />
einig, ist den Modellen auf jeden<br />
Fall schon heute sicher.<br />
<br />
Blüht der Betrieb, freut<br />
sich die Sparkasse<br />
Seit 1994 ist das Unternehmen Löffler<br />
Bürositzmöbel in Reichenschwand Kunde der<br />
Sparkasse Nürnberg, die als Hausbank vom<br />
Zahlungsverkehr über Versicherungen bis zur<br />
Finanzierung von gewerblichen Investitionen<br />
inklusive öffentlicher Finanzierungsmittel<br />
beinahe alle Finanzgeschäfte abwickelt. Aus<br />
dem vor 18 Jahren gegründeten Möbelunternehmen<br />
ist inzwischen eine wachsende Firma<br />
mit rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
geworden. Mehr als zehn Mio. Euro Umsatz<br />
verzeichnete Löffler im Jahr 2009, für das<br />
Jahr 2010 rechnet der Unternehmer mit<br />
einem Wachstum von mehr als 30 Prozent.<br />
Die Sparkasse Nürnberg beurteilt die aktuelle<br />
Lage des Unternehmens positiv. Indikatoren<br />
dafür seien eine gute Eigenkapitalausstattung<br />
und Liquiditätssituation, positive Umsatz- und<br />
Ertragsentwicklung und die zu erwartende<br />
Umsatzsteigerung 2010, heißt es bei der<br />
Sparkasse Nürnberg. Obwohl in der Möbelbranche<br />
nur bescheidene Zuwachsraten zu<br />
erwarten seien, setze sich Löffler deutlich vom<br />
Branchentrend ab.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
Chronik<br />
27<br />
31. Januar<br />
Laut Angaben des<br />
Statistikamts Eurostat in<br />
Luxemburg ist die<br />
Inflationsrate im Januar<br />
mit 2,4 Prozent auf den<br />
höchsten Stand seit mehr<br />
als zwei Jahren im<br />
Euroraum gestiegen.<br />
30. Januar<br />
Die Bundesanstalt für<br />
Finanzmarktstabilisierung<br />
zieht nach zwei Jahren<br />
Bankenrettung Zwischenbilanz.<br />
Demnach nutzten<br />
Ende 2010 neun Banken<br />
Garantien des Sonderfonds<br />
Finanzmarktstabilisierung<br />
(Soffin) in einer<br />
Gesamthöhe von 64 Mrd.<br />
Euro, vier Banken werden<br />
mit 29 Mrd. Euro<br />
Eigenkapital unterstützt.<br />
Der Fonds wurde nicht<br />
einmal bis zur Hälfte<br />
ausgeschöpft. Seit Ende<br />
2010 nimmt der Soffin<br />
keine neuen Rettungsanträge<br />
mehr an.<br />
28. Januar<br />
In Spaniens Sparkassensektor<br />
beginnt ein neues<br />
Zeitalter: La Caixa, die<br />
größte Sparkasse des<br />
Landes, wird in eine<br />
gelistete Bank mit einem<br />
geschätzten Wert von 20<br />
Mrd. Euro umgewandelt.<br />
La Caixa wird in die<br />
börsennotierte Finanzholding<br />
Criteria eingegliedert.<br />
Die Investoren reagierten<br />
euphorisch.<br />
27. Januar<br />
Laut „Diagnose Mittelstand“<br />
des DSGV hat sich<br />
die Eigenkapitalsituation<br />
der mittelständischen<br />
Unternehmen in<br />
Deutschland weiter<br />
verbessert. Demnach stieg<br />
die Eigenkapitalquote der<br />
Unternehmen trotz der<br />
Krise zwischen den Jahren<br />
2008 und 2009 von<br />
durchschnittlich 12,8 auf<br />
15,6 Prozent.<br />
Bergauf: die Leistung der deutschen Wirtschaft<br />
13. Januar<br />
Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden meldet, legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP) im vergangenen Jahr preisbereinigt um 3,6 Prozent zu, das ist das<br />
stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Ein wichtiger Impuls kam von den<br />
Investitionen und insbesondere den Exporten. Der Einfluss des Konsums war<br />
hingegen weniger bedeutsam. Im laufenden Jahr erwarten der Deutsche Sparkassenund<br />
Giroverband und der Bundesverband der Deutschen Industrie einen BIP-Zuwachs<br />
von 2,3 Prozent. <br />
GRAFIK: DPA , FOTO: DSGV<br />
17. Januar<br />
Nach Zahlen der<br />
Europäischen Zentralbank<br />
setzt sich die<br />
Konsolidierung in<br />
Europas Bankensektor<br />
fort. 2010 sank die Zahl<br />
der Finanzinstitute im<br />
Euroraum um 211<br />
Banken auf 7865. Das<br />
entspricht einem<br />
Rückgang von 2,6<br />
Prozent.<br />
13. Januar<br />
Die neue European<br />
Banking Authority (EBA)<br />
wählt einen Chairman:<br />
Andrea Enria, derzeit<br />
Leiter der Aufsichtsabteilung<br />
der italienischen<br />
Notenbank, soll die<br />
nächste Stresstest-Runde<br />
für das europäische<br />
Bankensystem beaufsichtigen.<br />
Die Kompetenzen<br />
der EBA wurden im<br />
Vergleich zu ihrer<br />
Vorgängerorganisation<br />
CEBS erweitert, um<br />
Finanzkrisen künftig<br />
wirksamer zu verhindern.<br />
12. Januar<br />
DSGV-Präsident Heinrich<br />
Haasis und Uwe Fröhlich<br />
(Foto), Präsident der<br />
Deutschen Volks- und<br />
Raiffeisenbanken,<br />
widersprechen „dezidiert“<br />
dem Eindruck, es seien bei<br />
den Instituten schwerwiegende<br />
Verfehlungen<br />
aufzudecken. Vorangegangen<br />
war eine Ankündigung<br />
von Bundesverbraucherministerin<br />
Ilse Aigner<br />
(CSU), künftig „verdeckte<br />
Ermittler“ einzusetzen, um<br />
die Beratung in den<br />
Banken zu testen. Auch<br />
die geplante BaFin-Registrierung<br />
der rund 300.000<br />
Kundenberater lehnen<br />
beide Verbände ab.<br />
10. Januar<br />
Chinas Vize-Ministerpräsident<br />
Li Keqiang sichert<br />
in Madrid zu, spanische<br />
Staatsanleihen im Wert<br />
von sechs Mrd. Euro zu<br />
kaufen, um den Euro zu<br />
unterstützen. Zuvor hatte<br />
China bereits den Kauf<br />
portugiesischer und<br />
griechischer Papiere mit<br />
politischen Forderungen<br />
verknüpft. Der Ökonom<br />
Peter Bofinger sieht<br />
Chinas Finanzspritzen<br />
daher kritisch. Es sei<br />
bedenklich, wenn ein<br />
nicht-demokratisches<br />
Land Einfluss auf<br />
EU-Mitgliedsländer<br />
erhalte.<br />
7. Januar<br />
Nach einer Studie der<br />
Fondsgesellschaft Allianz<br />
Global Investors (AGI)<br />
haben die privaten<br />
Haushalte in Deutschland<br />
ihr Geldvermögen 2010<br />
um 220 Mrd. Euro oder<br />
4,7 Prozent auf 4,88<br />
Billionen Euro gesteigert.<br />
Im Schnitt verfüge jeder<br />
Bundesbürger nun über<br />
59.000 Euro, das sind fast<br />
3000 Euro mehr als Ende<br />
2009. Den Vermögensaufbau<br />
führt AGI auf die<br />
hohe Sparquote und das<br />
per saldo gute Börsenjahr<br />
zurück.<br />
6. Januar<br />
Die Verhandlungen über<br />
die Frankfurter DekaBank<br />
führen zu einer Einigung:<br />
Die Sparkassen können<br />
den zentralen Fondsdienstleister<br />
komplett<br />
übernehmen, die bisher<br />
hälftig an der Deka<br />
beteiligten Landesbanken<br />
steigen aus.<br />
Stimmen die Regionalverbände<br />
der Sparkassen<br />
zu, fließen den Landesbanken<br />
2,35 Mrd. Euro zu.<br />
Basis dieser Summe ist<br />
eine Deka-Bewertung<br />
von 4,7 Mrd. Euro.<br />
5. Januar<br />
Seit Jahresbeginn<br />
werden die Geldautomaten<br />
in allen 32<br />
europäischen Ländern<br />
auf die sogenannte<br />
EMV-Chip-Technologie<br />
umgestellt, die den<br />
Magnetstreifen auf den<br />
Debitkarten abschaffen<br />
soll. Die Banken erhoffen<br />
sich davon einen<br />
Rückgang des „Skimming“<br />
genannten<br />
Datenklaus an Geldautomaten,<br />
bei dem Betrüger<br />
Kartendaten ausspähen.<br />
3. Januar<br />
Die deutschen Bürgschaftsbanken<br />
lehnen es<br />
ab, von der Bankenabgabe<br />
ausgenommen zu<br />
werden. Die Patronatserklärung<br />
der Bundesländer<br />
vertrage sich nicht<br />
mit dem Selbstverständnis<br />
der Institute als<br />
private Selbsthilfeeinrichtung,<br />
sagt Waltraud<br />
Wolf, Vorsitzende des<br />
Verbands Deutscher<br />
Bürgschaftsbanken.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
28<br />
MÄRKTE & KUNDEN<br />
AUSTRALIEN<br />
Mehr Markt<br />
Derzeit dominieren nur vier Institute die Kreditwirtschaft Australiens. Das soll sich jetzt ändern.<br />
Mit politischen Mitteln will die Regierung für mehr Unternehmensvielfalt, Konkurrenzfähigkeit<br />
und wettbewerbsfördernde Rahmenbedingungen sorgen.<br />
Australiens Finanzminister Wayne<br />
Swan glaubt, die passende Therapie<br />
für sein Land zu kennen. „Ein lebhafter<br />
Wettbewerb ist der beste Weg, die Zinsen<br />
für die Kreditnehmer auf lange Sicht<br />
niedriger zu halten und ein System zu<br />
schaffen, das echte Alternativen bietet.“<br />
Das sagte Swan bei der Präsentation der<br />
jüngsten Pläne seiner Regierung zur Reform<br />
des Bankensektors.<br />
Tatsächlich besteht erheblicher wettbewerbspolitischer<br />
Handlungsbedarf.<br />
Zwar ist der Kreditwirtschaft Australiens<br />
als Erfolg anzurechnen, dass die globale<br />
Finanzkrise kaum Schrammen in den<br />
Bilanzen der Aussi-Banken hinterlassen<br />
hat. Von Nachteil ist aber die starke Unternehmenskonzentration<br />
der Branche.<br />
Letztlich dominieren nur vier Großinstitute<br />
die Banking Community – die Commonwealth<br />
Bank of Australia, die National<br />
Australia Bank, die Australia and<br />
New Zealand Banking Group sowie die<br />
Westpac.<br />
Diese „Großen Vier“ decken zusammen<br />
87 Prozent der Kreditausleihungen ab.<br />
Bei Hypothekarkrediten liegt ihr Marktanteil<br />
sogar bei 91 Prozent. Vor Ausbruch<br />
der globalen Finanzkrise waren das lediglich<br />
60 Prozent gewesen. 1984 hatten<br />
kleine Spezialinstitute – etwa Baufinanzierer<br />
und Kreditgesellschaften – noch<br />
36 Prozent aller Hypothekar-Darlehen<br />
und 25 Prozent aller Einlagen im australischen<br />
Bankensystem abgedeckt. In der<br />
Zwischenzeit sind diese Marktanteile<br />
indessen auf jeweils vier Prozent abgerutscht.<br />
Zinsanhebungen sorgen für Ärger<br />
Ein unerwünschter zinspolitischer<br />
Neben effekt dieser Konzentrationsprozesse:<br />
Die marktbeherrschenden „Big<br />
Four“ der Branche erhöhten in jüngerer<br />
Zeit ihre Zinssätze für Hypothekarkredite<br />
deutlich zügiger als die Notenbank<br />
ihre Leitzinsen. Das ist zum Politikum<br />
geworden. Schließlich leben zwei Drittel<br />
aller Australier in Wohneigentum. Und<br />
da 90 Prozent der australischen Hypothekardarlehen<br />
mit variablen Zinssätzen<br />
vereinbart werden, spüren die Eigenheimer<br />
jede Zinsanhebung unmittelbar<br />
im Portemonnaie. Das aber betrachtet<br />
die Regierung derzeit als bedrohlichen<br />
Bankenviertel von Sidney – den vier „Säulen“<br />
will die Regierung eine fünfte Finanzgruppe<br />
zur Seite stellen. <br />
FOTOS: DPA<br />
Hemmschuh für den konjunkturellen<br />
Aufschwung und reagiert entsprechend<br />
verärgert: Finanzminister Swan verurteilte<br />
die flotten Zinsanhebungen der<br />
vier Großbanken als „absolut<br />
nicht zu rechtfertigen“.<br />
Über mehr Wettbewerb fördernde<br />
Rahmenbedingungen<br />
soll solche „Preispolitik“ nun<br />
gestoppt werden. Regierung<br />
und Zentralnotenbank wollen<br />
im Finanzsektor dadurch<br />
für mehr Konkurrenz sorgen,<br />
dass der bislang den Markt<br />
bestimmenden „Vier-Säulen-<br />
Strategie“, die im Wesentlichen<br />
nur die genannten vier Großbanken<br />
zulässt, eine große<br />
fünfte Finanzgruppe zur Seite<br />
gestellt werden soll.<br />
Dazu werden die bestehenden<br />
kleinen Kredit institute<br />
gefördert. So sollen Kreditgenossenschaften,<br />
allgemeine Kreditfinanzierungs-<br />
und spezielle Baufinanzierungsgesellschaften<br />
ausgebaut werden<br />
– alles in der Absicht, vor allem Bauinteressenten<br />
eine Alternative zu den Hypothekardarlehen<br />
der Großbanken zu<br />
„Ein lebhafter<br />
Wettbewerb<br />
ist<br />
der beste Weg<br />
zu einem<br />
System, das<br />
echte Alternativen<br />
bietet.“<br />
Wayne Swan,<br />
Australiens<br />
Finanzminister<br />
bieten. Die Kreditinstitute der „Fünften<br />
Säule“ werden dadurch gestärk, dass sie<br />
Zugang zum Pfandbriefmarkt erhalten.<br />
Zudem sollen die nationalen Pensionsfonds<br />
künftig auch diese Ins titutsgruppe<br />
als Anlageobjekt wählen dürfen. Die Regierung<br />
will durch eigene Finanzhilfen<br />
im Volumen von umgerechnet rund drei<br />
Mrd. Euro finanziell unmittelbar Schützenhilfe<br />
leisten.<br />
Genossenschaften sollen profitieren<br />
Mehr als 20 Spezialkredit- und Baufinanzierungsgesellschaften<br />
werden<br />
eine allgemeine Banklizenz erhalten, um<br />
sich stärker als Konkurrent im Finanzsektor<br />
profilieren zu können. Von Trainingsund<br />
Schulungsmaßnahmen erhofft man<br />
sich mehr Leistungsfähigkeit dieser Institute<br />
im Finanzsektor.<br />
Für mehr Bankenwettbewerb wird<br />
auch ein Verbot von Ausstiegsgebühren<br />
sorgen, wenn Hypo-Darlehensnehmer<br />
den Anbieter wechseln wollen. Überdies<br />
achtet die Wettbewerbsbehörde ACCC<br />
künftig stärker auf etwaige zinspolitische<br />
Absprachen der Banken. Anzeichen für<br />
entsprechende Vereinbarungen in der<br />
Vergangenheit gibt es offenbar. Und<br />
deshalb soll auch das Kartellamt seine<br />
Aufsicht über die Banken<br />
ausdehnen dürfen. So wollen<br />
Regierung und Notenbank die<br />
Abhängigkeit der Kreditnehmer<br />
von den Großbanken verringern.<br />
Manager dieser Banken<br />
wie Ralph Norris, Chef der<br />
Commonwealth Bank, warnen<br />
naturgemäß vor staatlichen<br />
Eingriffen: „Unsere Einwände<br />
gehen davon aus, dass der Finanzsektor<br />
grundsätzlich solide<br />
und konkurrenzkräftig ist<br />
und dass beim Einsatz zusätzlicher<br />
regulatorischer Maßnahmen<br />
Vorsicht walten sollte.“<br />
Finanzminister Swan sieht<br />
aber eben noch Defizite: Er,<br />
Swan, glaube zwar an die<br />
grundlegende Bedeutung der Marktwirtschaft.<br />
„Aber in einer Marktwirtschaft<br />
müssen Unternehmen und private Haushalte<br />
faire Chancen vom Bankensektor<br />
erhalten.“<br />
<br />
Klaus Hauptfleisch<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
MÄRKTE & KUNDEN 29<br />
USA<br />
Weniger<br />
Teilnehmer<br />
US-Banken stehen nach einem schwierigen Jahr jetzt vor einer<br />
Konsolidierungswelle. Vor allem kleinere Häuser sind in Gefahr.<br />
Das Jahr 2010 hat den US-Banken wieder<br />
Gewinne beschert, unter dem<br />
Strich. Doch die konzentrieren sich auf<br />
wenige große Institute. Im Innern der<br />
Bankenlandschaft Amerikas sieht es weniger<br />
verheißungsvoll aus. Hohe Arbeitslosigkeit,<br />
schwaches Wachstum und die<br />
ausbleibende Erholung am angeschlagenen<br />
Immobilienmarkt ließen die Zahl<br />
der Bankenpleiten im vergangenen Jahr<br />
auf 157 ansteigen, von 140 im Jahr 2009.<br />
Drei Jahre vorher war gar keine Bank aus<br />
dem Markt ausgeschieden.<br />
Mehr noch. Zum Jahresende 2010 standen<br />
932 Geldhäuser auf der langen Liste<br />
der „Problembanken“, mehr als acht Prozent<br />
mehr als Ende September. Historisch<br />
droht jeder fünften Bank auf dieser Liste<br />
eine Pleite. Als Wackelkandidaten gelten<br />
gemeinhin Banken, die eine Kernkapitalquote<br />
(Tier 1) von weniger als sechs<br />
Prozent aufweisen. Das sind derzeit rund<br />
zwölf Prozent der Geldhäuser.<br />
100 gelten als Wackelkandidaten<br />
„Ab jetzt werden wir weniger Pleiten sehen“,<br />
verspricht der Sprecher der US-Einlagensicherung<br />
FDIC, Greg Hernandez.<br />
Doch das ist nur für die größeren Institute<br />
ein Trost. Denn mit fortschreitender<br />
Zeit seit Ausbruch der Finanzkrise 2008<br />
sind die Opfer der Bankenkrise immer<br />
kleiner geworden. Der Beleg: Trotz steigender<br />
Zahl von Pleiten im vergangenen<br />
Jahr ging das betroffene Eigenkapital um<br />
46 Prozent zurück. Die gute Nachricht für<br />
die US-Kunden ist dabei: Selbst die nicht<br />
versicherten Einlagen wurden<br />
bei den Pleiten zu 90 Prozent<br />
gerettet.<br />
Doch was bringt die nähere<br />
Zukunft den US-Banken? „Die<br />
begonnene Finanzmarktreform<br />
wird die Gewinne im<br />
traditionellen Geschäft limitieren“,<br />
erläutert der Branchenanalyst<br />
Jefferson Haralson<br />
beim Broker Keefe, Bruyette &<br />
Woods in New York. Daher sei<br />
mit einer wachsenden Konsolidierungswelle<br />
zu rechnen. Der<br />
Dezember war bereits der aktivste<br />
Monat bei Fusionen und<br />
Übernahmen in der US-Bankenlandschaft<br />
in mehr als zwei<br />
Jahren. Die auffälligsten und größten der<br />
zuletzt angekündigten Deals waren die<br />
Übernahme von Chrysler Financial für<br />
6,3 Mrd. Dollar durch Kanadas TD Bank<br />
und der Erwerb der Marshall & Ilsley<br />
Bank durch die Bank of Montreal.<br />
Mögliche Ziele für Übernahmen gibt es<br />
in den USA zuhauf. Fast 100 Banken, die<br />
im Rahmen des Troubled Asset Relief<br />
„Wir sehen,<br />
dass einige<br />
der kleineren<br />
Banken in<br />
einer Stresssituation<br />
sind.“<br />
David Miller, Experte<br />
für Finanzstabilität,<br />
US-Finanzministerium<br />
Konsolidierung ist für die US-Bankenbranche<br />
nichts Neues. Zuletzt mussten nach der<br />
Großen Depression viele Institute schließen,<br />
wie diese Kleinbank auf einem Foto von<br />
1936. FOTO: DPA<br />
Program (TARP) Hilfe vom US-Finanzministerium<br />
erhalten hatten, gelten derzeit<br />
als Wackelkandidaten. Sieben Banken,<br />
die im Hilfsprogramm während der Krise<br />
waren, sind bereits bankrott. „Wir sehen,<br />
dass einige der kleineren Banken in einer<br />
Stresssituation sind“, sagt David Miller<br />
im Büro für Finanzstabilität, das im Finanzministerium<br />
das TARP-Programm<br />
abwickelt. Viele dieser Banken gelten als<br />
„gelähmt“, wie es Arthur Wilmarth, ein<br />
Bankenexperte an der George-Washington-Universität<br />
ausdrückt. Im Klartext:<br />
Sie sitzen meist auf wackligen Gewerbekrediten<br />
– oft für Shoppingmalls – und<br />
haben nur begrenzte Refinanzierungsmöglichkeiten.<br />
Bankenzahl steht vor Halbierung<br />
Konsolidierung ist für die Bankenlandschaft<br />
in den USA nichts Neues. Die Zahl<br />
der Institute hat sich in den vergangenen<br />
20 Jahren auf jetzt 7760 halbiert. Sie<br />
könnte sich in weniger als dieser Zeit<br />
noch einmal halbieren, sagt Barclays<br />
Capital-Analyst Jason Goldberg. Derzeit<br />
kontrollieren die 20 führenden Banken<br />
in den USA 57 Prozent der Einlagen. Im<br />
Jahr 2003 waren es noch 46 Prozent gewesen,<br />
1998 nur 38 Prozent.<br />
Der Druck auf die Branche bleibt auch<br />
weiterhin gewaltig. Noch gelten 10,8 Mio.<br />
Wohnhäuser als „unter Wasser“, der<br />
Verkaufswert reicht nicht, um die Hypothek<br />
zu decken. Satte 22,5 Prozent aller<br />
Häuser, die mit Hypotheken finanziert<br />
wurden, werden vom Immobilien-Spezialisten<br />
CoreLogic so eingestuft.<br />
Die Situation könnte<br />
sich im laufenden Jahr wieder<br />
verschlimmern. In der ersten<br />
Januarwoche entschieden die<br />
Richter am Obersten Gericht<br />
von Massachusetts, dass Banken,<br />
die den Titel auf ein Haus<br />
nicht präsentieren können<br />
(weil er im Verbriefungsprozess<br />
verloren ging), kein Recht<br />
zu einer Zwangsversteigerung<br />
haben.<br />
Das wird in Tausenden von<br />
Fällen zu einer Situation führen,<br />
in der Hypothekenkunden<br />
zwar nicht mehr tilgen können,<br />
die Bank aber trotzdem nicht<br />
zwangsversteigern kann. Das würde die<br />
Bilanzen der Kreditinstitute zusätzlich<br />
belasten. Experten rechnen damit, dass<br />
sich andere US-Staaten im Verlauf des<br />
Jahres dem Urteil des Supreme Court von<br />
Massachusetts anschließen werden. Das<br />
hätte für die US-Banken bislang unabsehbare<br />
Folgen.<br />
<br />
Markus Gärtner<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
BETEILIGUNGSGESCHÄFT – ROUND-TABLE<br />
Partner auf Zeit<br />
Ob es um die Wachstumsfinanzierung oder eine Nachfolgeregelung geht – die Bremer Sparkasse<br />
hat sich über die nwk Nordwest an mittelständischen Firmen beteiligt und versorgt diese mit<br />
Eigenkapital. Die Unternehmer Stephan Goltermann, Christian Seidenstücker und Jens Wünderlich<br />
diskutieren mit Sparkassenvorstand Heiko Staroßom und nwk-Manager Ralf Paslack über ihre<br />
Erfahrungen im Beteiligungsgeschäft.<br />
SPARKASSE: Herr Seidenstücker, die Joke<br />
Event AG ist eine große Event-Agentur, die<br />
Sie und Ihr Partner Peter Melms gegründet<br />
haben. Die nwk nordwest Kapitalbeteiligungsgesellschaft<br />
der Bremer Sparkasse<br />
ist seit 2002 an Ihrer Gesellschaft beteiligt.<br />
Wie kam es dazu?<br />
Christian Seidenstücker: Im Event-<br />
Geschäft spielt Größe eine wichtige Rolle.<br />
Wir hatten deshalb 2002 den Plan,<br />
eine größere, schlagkräftigere Einheit<br />
zu bilden. Dafür sollten mehrere Gesellschaften<br />
zu einer großen Einzelgesellschaft<br />
verschmolzen werden. Damals<br />
wollten aber drei von insgesamt sieben<br />
Gesellschaftern nicht mitziehen und<br />
aussteigen. Sie mussten wir abfinden.<br />
Wir haben deshalb bei verschiedenen<br />
Banken eine kleine Road-Show unternommen,<br />
um uns das notwendige Kapital<br />
zu besorgen. Dabei sind wir auch auf<br />
die Sparkasse Bremen zugekommen, zu<br />
der wir damals noch keine Geschäftsbeziehungen<br />
besaßen. Sie hat uns zunächst<br />
ein Darlehen angeboten, um die Alt-Gesellschafter<br />
abzufinden.<br />
Und wie kam es dazu, dass die nwk dann<br />
eingestiegen ist?<br />
Seidenstücker: Ein Mitarbeiter der Kreditabteilung<br />
hat uns auf den damals<br />
noch recht jungen Ableger der Sparkasse<br />
Bremen hingewiesen – die nwk nordwest<br />
Kapitalbeteiligungsgesellschaft. Sie beteiligt<br />
sich an Firmen, um ihr Wachstum<br />
zu finanzieren. Wir wurden hellhörig und<br />
haben uns das genauer angeschaut. Kurze<br />
Zeit später bekamen wir einen Termin<br />
bei Jürgen Oltmann, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden<br />
der Sparkasse Bremen.<br />
Wir haben ihm unsere Firmenidee<br />
vorgestellt, und er war schnell Feuer und<br />
Flamme und hat uns eine Beteiligung<br />
angeboten. Auch von unseren anderen<br />
Mitgesellschafter hatten wir hierfür das<br />
Plazet. Sie waren davon begeistert, einen<br />
kapitalkräftigen Partner wie der Sparkasse<br />
Bremen an ihrer Seite zu haben.<br />
Wie groß ist die Beteiligung der nwk nordwest?<br />
Seidenstücker: Die Sparkasse Bremen<br />
hat sich zunächst mit rund 18 Prozent an<br />
der Event-Agentur beteiligt. In einem weiteren<br />
Schritt stockte sie ihren Anteil auf<br />
24,95 Prozent auf. Dies kam daher, weil<br />
zwei weitere Gesellschafter ausgestiegen<br />
sind. Jetzt gibt es bei der Joke Event AG<br />
drei Aktionäre. Die nwk nordwest sowie<br />
mich und meinen Partner, Peter Melms.<br />
Hilft Ihnen nwk nordwest, wenn Sie bei großen<br />
Events in Vorkasse gehen müssen?<br />
Seidenstücker: Nein, dies macht die<br />
Sparkasse Bremen. Sie greift uns bei der<br />
Finanzierung solcher Großereignisse<br />
unter die Arme, indem sie uns die notwendigen<br />
Kontokurrentlinien zur Verfügung<br />
stellt. Größere Geldbeträge werden<br />
kurzfristig finanziert. Das geht meist auf<br />
dem kurzen Dienstweg. Ich glaube, damit<br />
genießen wir einen wichtigen Wettbewerbsvorteil.<br />
Wir haben hierdurch<br />
am deutschen Event-Markt die Chance,<br />
schnell und flexibel größere Vorhaben<br />
umzusetzen. Dies hat uns sicherlich auch<br />
bei der Expansion sehr geholfen. Mittlerweile<br />
ist die Joke Event AG bundesweit<br />
aktiv. Auch im Ausland wickeln wir Projekte<br />
ab.<br />
Hilft Ihnen die nwk in Managementfragen?<br />
Seidenstücker: Nein, mittlerweile nicht<br />
mehr so stark wie früher. In der Anfangsphase<br />
war die nwk nordwest jedoch ein<br />
wichtiger Partner. Sie hat mir sehr dabei<br />
geholfen, Businesspläne aufzustellen,<br />
um den weiteren Wachstumspfad der<br />
Gesellschaft zu bestimmen. Zudem war<br />
ich damals im Aktienrecht kein Experte.<br />
Wie arbeitet bei der AG das betriebliche<br />
Berichtswesen? Bei welchen Geschäften<br />
muss ich als Vorstand den Aufsichtsrat<br />
um eine Genehmigung bitten? All das<br />
waren Fragen, wo mir die nwk nordwest<br />
mit Rat und Tat zur Seite stand. Ohne ihre<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FINANZGRUPPE 31<br />
Am runden Tisch (v.l.):<br />
n Ralf Paslack, Geschäftsführer der nwk<br />
nordwest Kapitalbeteiligungsgesellschaft<br />
der Sparkasse Bremen<br />
n Stephan Goltermann, Geschäftsführer des<br />
Bremer Anlagenbauers Georg Schünemann<br />
GmbH<br />
n Jens Wünderlich, geschäftsführender<br />
Gesellschafter des IT-Dienstleisters<br />
Engram<br />
n Heiko Staroßom, Mitglied des Vorstands<br />
der Sparkasse Bremen<br />
n Christian Seidenstücker, Vorstand der<br />
Eventagentur Joke Event AG<br />
<br />
FOTOS: ROLAND MAGUNIA<br />
Unterstützung hätte ich diesen teilweise<br />
steinigen Weg nicht geschafft<br />
Herr Staroßom, was sind die Hauptgründe<br />
dafür, dass sich die Bremer Sparkasse an<br />
Mittelständlern beteiligt?<br />
Heiko Staroßom: Die Sparkasse Bremen<br />
ist ein wichtiger Partner für den<br />
gesamten Mittelstand. Sie gewährt den<br />
Unternehmen nicht nur Darlehen und<br />
unterstützt Betriebe bei der Gründungsfinanzierung.<br />
Sie ist auch im Zins- und<br />
Währungsmanagement, im Auslandsgeschäft<br />
und in der Vermögensverwaltung<br />
aktiv. Wir bieten unseren Kunden also<br />
eine ganze Bandbreite an Dienstleistungen.<br />
Es wäre ein Fehler, wenn wir im<br />
Beteiligungsgeschäft nicht dabei wären.<br />
Es ist ein wichtiger Pfeiler, um unseren<br />
die vorhandene Geschäftsführung von<br />
den Altgesellschaftern die Anteile. In diesem<br />
Fall wissen wir genau, worauf wir uns<br />
einlassen. Dies ist bei einer Nachfolgeregelung<br />
anders. Hier will vielleicht ein<br />
Universitätsabsolvent mit 23 Jahren in<br />
die Fußstapfen seines Vaters treten und<br />
soll die Geschäftsführung des elterlichen<br />
Betriebs übernehmen. In diesem Fall wissen<br />
wir nicht immer, ob das neue Management<br />
unseren Anforderungen genügt, um<br />
eine Beteiligung zu rechtfertigen.<br />
Die nwk besteht seit 1996. Warum betreibt<br />
die Bremer Sparkasse erst seitdem dieses<br />
Geschäft?<br />
Staroßom: Ich bin seit 2001 Mitglied<br />
des Vorstands der Bremer Sparkasse<br />
und für den Bereich verantwortlich. Dies<br />
„Das Beteiligungsgeschäft ist ein wichtiger<br />
Pfeiler, um unseren Firmenkunden neue<br />
Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen.“<br />
Heiko Staroßom, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Bremen<br />
Firmenkunden neue Wachstumsmöglichkeiten<br />
zu eröffnen.<br />
Stehen bei den Beteiligungen der nwk mehr<br />
Wachstumsfinanzierungen oder Nachfolgelösungen<br />
im Vordergrund?<br />
Staroßom: Ob für eine Wachstumsfinanzierung<br />
oder eine Nachfolgeregelung – die<br />
Motive für einen Einstieg der nwk nordwest<br />
sind sehr verschieden. Wir schauen<br />
uns jeden Einzelfall genau an. Passt die<br />
Beteiligung zu uns, machen wir das Geschäft.<br />
Wir achten insbesondere darauf,<br />
dass das Unternehmen, an dem wir uns<br />
beteiligen, über ein funktionierendes und<br />
eingespieltes Management verfügt. Wir<br />
sind deshalb gern bei einem Management<br />
Buy-out, MBO, Partner. Hier übernimmt<br />
war zu einer Zeit, als das Beteiligungsgeschäft<br />
nicht ganz leicht war. Die Internetblase<br />
platzte, viele Firmen waren auf<br />
dem Markt. Doch die Verkäufer hatten<br />
immer noch übertriebene Kaufpreisvorstellungen.<br />
Diese mussten wir erst einmal<br />
auf ein realistisches Maß herunterschrauben.<br />
Denn es nützt nichts, teuer<br />
einzukaufen. Wir haben uns deshalb genau<br />
umgeschaut. Dabei sind wir auf zwei<br />
Unternehmen gestoßen, an denen wir<br />
uns beteiligt haben. Die Beteiligungen<br />
entpuppten sich im Nachhinein als<br />
Glücksgriff. Sie haben sich ausgezeichnet<br />
entwickelt.<br />
Welche Firmen waren das?<br />
Staroßom: Es handelt sich dabei um<br />
einen führenden Fotovoltaik-Anbieter<br />
sowie einen Finanzierer von Windparks.<br />
Vor allem die Beteiligung an dem Fotovoltaik-Anbieter<br />
war sehr erfolgreich.<br />
Dies gelang nicht nur durch den Gang<br />
der Gesellschaft an die Frankfurter Börse,<br />
sondern durch den späteren Verkauf der<br />
Firma an einen industriellen Investor.<br />
Der hatte die Gesellschaft mehrheitlich<br />
übernommen und später von der Börse<br />
genommen.<br />
Begleitet die nwk also auch Börsengänge?<br />
Ralf Paslack: Ja, ursprünglich haben<br />
wir unser Corporate-Finance-Geschäft<br />
mit Börsengängen gestartet. Wir haben<br />
festgestellt, dass unsere Kunden hieran<br />
einen großen Bedarf haben. Bei Aktienplatzierungen<br />
waren wir jedoch nicht<br />
der Konsortialführer. Dennoch saßen<br />
wir als Co-Manager mit am Tisch. Damit<br />
besaßen unsere Kunden die Chancen,<br />
Aktien mitzuzeichnen, und wir konnten<br />
als Vertrauter die Börsenneulinge weiter<br />
beraten.<br />
Haben Sie jetzt einen Börsenkandidaten in<br />
ihrem Beteiligungsportfolio?<br />
Staroßom: Ich will nicht ausschließen,<br />
dass eine unserer Beteiligungsfirmen an<br />
die Börse geht. Aktuell steht aber nichts<br />
an. Es muss das Börsenklima stimmen,<br />
und der Kandidat muss passen.<br />
Warum wurde das Beteiligungsgeschäft<br />
nicht direkt an das Mutterhaus angebunden,<br />
sondern in eine eigene Gesellschaft<br />
eingebracht?<br />
Staroßom: Dies hat mehrere Gründe.<br />
Organisatorisch steuert die Bremer Sparkasse<br />
viele ihrer Sparten in eigenen Tochtergesellschaften.<br />
So haben wir unser<br />
Auslandsgeschäft unter dem Dach der<br />
Nordwest International, nwi, gebündelt.<br />
Selbst Catering und Services haben wir<br />
in eine eigenständige Gesellschaft eingebracht.<br />
Es ist deshalb nur konsequent,<br />
dass wir unser Kapitalbeteiligungsgeschäft<br />
in einer eigenständigen Tochter<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
32<br />
FINANZGRUPPE<br />
führen. Zudem schreibt uns dies das Unternehmensbeteiligungsgesetz<br />
vor.<br />
Macht die nwk Ihren Beteiligungsfirmen Renditevorgaben?<br />
Staroßom: Nein, da unterscheiden wir<br />
uns von vielen anderen Beteiligungsgesellschaften.<br />
Wir betrachten das Geschäft<br />
langfristig. Wir haben nicht bei einem<br />
Einstieg schon den Ausstieg im Auge,<br />
um schnell Gewinne zu erzielen, sondern<br />
setzen auf ein nachhaltiges Beteiligungsgeschäft.<br />
Wir wollen die Gesellschaften<br />
über einen längeren Zeitraum begleiten,<br />
um sie zu entwickeln und auszubauen.<br />
Ich glaube, diese Strategie passt genau<br />
zum Mittelstandsgeschäft einer Sparkasse.<br />
Denn wir betreuen größtenteils familiengeführte<br />
Betriebe, die eine andere<br />
Sichtweise haben. Sie denken in Generationen<br />
und nicht in Quartalsberichten.<br />
Die nwk ist ein Partner, der ein erfolgreiches<br />
Beteiligungsgeschäft betreiben<br />
will. Er bietet den Mittelständlern aber<br />
auch Halt und Stabilität – und das langfristig.<br />
Wie lange hält die Gesellschaft ihre Beteiligungen?<br />
Staroßom: Wie schon gesagt, wir sind<br />
ein langfristiger Partner. Wir sind nicht<br />
diejenigen, die einen Ausstieg anschieben.<br />
Es gibt bei uns deshalb keine zeitlichen<br />
Vorgaben. Häufig hätten wir uns<br />
bei dem einen oder anderen Unternehmen<br />
länger engagiert. Ein Beispiel hierfür<br />
ist eine Gesellschaft, die während<br />
der Sparkassenbeteiligung zu einem der<br />
größten deutschen Engineering-Dienstleister<br />
des Flugzeugkonzerns Airbus aufstieg.<br />
Hier sind wir 2003 eingestiegen. Als<br />
wir uns damals beteiligten, setzte der Betrieb<br />
gerade mal 3,5 Millionen Euro um.<br />
Als wir unsere Anteile veräußerten, waren<br />
es 55 Millionen.<br />
Herr Goltermann, die von Ihnen geleitete<br />
Schünemann-Gruppe ist unter anderem ein<br />
Anbieter von Filteranlagen für Schwimmbäder<br />
und produziert komplexe Ventilsysteme<br />
für U-Boote, Fregatten und Korvetten. Die<br />
„Im Mittelstand wird viel aus dem Bauch<br />
entschieden. Wir begleiten Unternehmer,<br />
wenn es um größere Investitionen geht.“<br />
Ralf Paslack, Geschäftsführer nwk nordwest<br />
nwk ist seit 2003 bei der Georg Schünemann<br />
GmbH an Bord. Wie kam es dazu?<br />
Stephan Goltermann: Hier kamen<br />
verschiedene Umstände zusammen.<br />
Schünemann hatte sich im Jahr 2000<br />
an einer kleinen Gesellschaft in Süddeutschland<br />
beteiligt. Doch der Betrieb<br />
war ein Sanierungsfall. Die Muttergesellschaft<br />
musste stets Geld nachschießen,<br />
um Verluste auszugleichen. Wir hatten<br />
zwar mit 45 Prozent eine gute Eigenkapitalausstattung.<br />
Dennoch nagte die<br />
Tochter an unserem finanziellen Polster.<br />
Wir machten uns deshalb als gute hanseatische<br />
Unternehmer Gedanken, wie<br />
wir unsere Eigenkapitalbasis verbreitern<br />
konnten. Da spielte plötzlich der Zufall<br />
Pate.<br />
Wie das?<br />
Goltermann: Wir hatten von der nwk<br />
nordwest noch nie etwas gehört, doch bei<br />
einem Gespräch mit dem Vorstand der<br />
Sparkasse Bremen fiel der Name. Als wir<br />
nachfragten, wurden wir über das Konzept<br />
der Beteiligungsgesellschaft aufgeklärt.<br />
Wir passten zwar zunächst scheinbar<br />
nicht in ihr Portfolio, da sie sich in der<br />
Anfangsphase auf Firmen aus der New<br />
Economy und Start-ups konzentriert hatte.<br />
Doch für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden<br />
der Bremer Sparkasse, Jürgen<br />
Oltmann, war das kein Problem. Er<br />
fand es gut, einen alt eingesessenen Maschinenbauer<br />
aus Bremen mit an Bord<br />
der nwk nordwest zu haben. Wir seien ein<br />
gutes Gegengewicht zu den Jungunternehmen,<br />
bei denen sich die Gesellschaft<br />
engagierte. Und auch unsere Gesellschafter<br />
waren von dem Plan begeistert,<br />
dass indirekt die Sparkasse Bremen bei<br />
unserem Traditionsunternehmen Gesellschafter<br />
würde.<br />
Vertrauen gegen Vertrauen: Jens Wünderlich (l.) vom IT-Dienstleister Engram profitiert davon,<br />
dass seine Kunden der Bremer Sparkasse als Gesellschafter vertrauen. Sparkassenmanager<br />
Heiko Staroßom (r.) vertraut Engram so sehr, dass sein Institut indirekt die Mehrheit hält.<br />
Staroßom ist für SPARKASSE-Leser übrigens kein Unbekannter: Er hatte bereits an einem<br />
Round-Table-Gespräch zu Frauen im Management teilgenommen, siehe SPARKASSE 10/2010.<br />
Weil Sie damit einen finanzkräftigen Partner<br />
mit an Bord haben …<br />
Goltermann: Ja, aber nicht nur das. Unsere<br />
Altgesellschafter sind seit Jahren an<br />
einer Verbreiterung der Unternehmensbasis<br />
interessiert. Die nwk sollte das Feld<br />
für strategische Allianzen bereiten und<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FINANZGRUPPE 33<br />
Aufeinander eingespielt: nwk-Manager Ralf<br />
Paslack (l.) und Stephan Goltermann vom<br />
Anlagenbauer Schünemann, unten auf dieser<br />
Seite: Joke-Event-Manager Christian<br />
Seidenstücker<br />
den langfristigen Generationswechsel<br />
begleiten.<br />
Ist die Beteiligungsgesellschaft fündig geworden?<br />
Goltermann: Noch nicht. Es kann aber<br />
sein, dass wir in naher Zukunft einen<br />
geeigneten Partner aufnehmen, entsprechende<br />
Gespräche laufen. Und der Generationswechsel<br />
in der Geschäftsleitung<br />
wurde bereits eingeleitet.<br />
Haben sich die nwk oder die Sparkasse Bremen<br />
je bei Ihnen ins Tagesgeschäft eingemischt?<br />
Goltermann: Nein, die nwk hat sich<br />
aus dem Tagesgeschäft herausgehalten.<br />
Aber wir finden im Tagesgeschäft gute<br />
Unterstützung bei einem anderen Tochterunternehmen<br />
der Sparkasse Bremen,<br />
der Zoba Zollberatung und -abwicklung<br />
GmbH. Sie hilft uns bei schwierigen Fragen<br />
der Zollabwicklung, da wir auch im<br />
Exportgeschäft sehr aktiv sind.<br />
Einige Risikokapitalgesellschaften haben<br />
Managementteams, die den Geschäftsführern<br />
ihrer Beteiligungsfirmen helfen. Gibt<br />
es so etwas bei der nwk?<br />
Seidenstücker: Es sind nicht nur solche<br />
konkreten Anlässe. Ich sehe Herrn<br />
Paslack als eine Art Sparringspartner für<br />
die Unternehmer. Er verfügt zwar über<br />
keine detaillierten Marktkenntnisse,<br />
dennoch hilft er mit seinem gesunden<br />
Menschenverstand. Das ist wichtig, wenn<br />
ein Unternehmer neue Märkte oder Geschäftsfelder<br />
erobern will und sich dabei<br />
möglicherweise verrannt hat. Er bringt<br />
dann die kritischen Themen auf den<br />
Tisch und hilft dem Unternehmer, den<br />
richtigen Weg einzuschlagen.<br />
Paslack: Im Mittelstand wird viel aus<br />
dem Bauch heraus entschieden. Wir begleiten<br />
deshalb die Unternehmer, wenn<br />
es um größere Investitionen geht, die<br />
zustimmungspflichtig sind. So schauen<br />
wir, ob sich das Investment wirtschaftlich<br />
lohnt. Das ist wichtig, um auch die<br />
weitere Zukunft der Gesellschaft abzusichern.<br />
Kontrolliert die nwk regelmäßig die Geschäftspläne?<br />
Paslack: Ja, wir haben ein Quartalsreporting<br />
und haben am Ende eines Jahres<br />
eine Art Budgetplanungssitzung. Dort<br />
ziehen wir ein Resümee, ob die Pläne des<br />
vergangenen Jahres eingehalten wurden.<br />
Zudem vereinbaren wir die Ziele für<br />
das folgende Geschäftsjahr.<br />
Herr Wünderlich, Sie sind geschäftsführender<br />
Gesellschafter der Engram GmbH, die<br />
vor allem Unternehmen und Finanzdienstleistern<br />
IT-Lösungen anbietet. Die nwk ist<br />
Ist die nwk als Gesellschafter im Rücken hilfreich<br />
für den Kundenfang?<br />
Wünderlich: Das kann man durchaus<br />
bejahen. Für einige unserer großen Kunden<br />
spielt die finanzielle Basis unseres<br />
Unternehmens bestimmt eine Rolle. Die<br />
nwk nordwest als Gesellschafter und dahinter<br />
die Sparkasse Bremen sorgen für<br />
Vertrauen.<br />
Die nwk ist ihr Mehrheitsgesellschafter. Dürfen<br />
Sie dennoch Finanzhäuser wie die Deutsche<br />
Bank oder Commerzbank ansprechen,<br />
um sie als Kunden zu gewinnen?<br />
Wünderlich: Bei der Wahl unserer<br />
Kunden haben wir völlig freie Hand. Die<br />
Deutsche Bank gehört ebenso zu unseren<br />
Kunden wie die Sparkassen-Finanzgruppe.<br />
Wir sind ein Dienstleister für die gesamte<br />
Finanzbranche. Letztlich geht es<br />
für die Engram darum, sich am Markt<br />
erfolgreich zu behaupten, sich positiv<br />
zu entwickeln und im Sinne aller Gesellschafter<br />
Gewinne zu erwirtschaften.<br />
Hilft Ihnen die Sparkasse Bremen bei der<br />
Finanzierung von Großprojekten?<br />
Wünderlich: Das ist schon vorgekommen.<br />
Wir haben einige große Projekte<br />
für Rechenzentren entwickelt, die vorfinanziert<br />
werden mussten. So zum<br />
Beispiel die Entwicklung eines Redaktionssystems<br />
für Selbstbedienungsgeräte,<br />
das wir für ein Rechenzentrum der<br />
Volksbanken im Süden realisiert haben.<br />
Gegen die Entwicklungskosten standen<br />
vertraglich vereinbarte Lizenzerlöse, die<br />
erst nach Fertigstellung generiert werden<br />
„Herr Paslack verfügt zwar über keine<br />
detaillierten Marktkenntnisse, aber er hilft<br />
mit seinem gesunden Menschenverstand.“<br />
Christian Seidenstücker, Vorstand Joke Event AG<br />
Paslack: Nein, dennoch unterstützen<br />
wir die Geschäftsführungen, wo wir nur<br />
können. So stellen wir ihnen unser gesamtes<br />
Research-Material zur Verfügung,<br />
wenn sie in einen neuen Markt oder in ein<br />
neues Geschäftsfeld vorstoßen wollen.<br />
Auch bei unternehmenspolitischen Fragen<br />
stehen wir Pate. Beispielsweise unterstützen<br />
wir die Geschäftsführer, wenn<br />
sie neue Arbeitszeit- oder Vergütungsregelung<br />
einführen wollen. Da bringen wir<br />
unsere Erfahrungen ein, die wir bei anderen<br />
Gesellschaften gesammelt haben.<br />
seit 2002 bei Ihnen engagiert. Was waren<br />
die Gründe für dieses Engagement?<br />
Jens Wünderlich: Wir sind ein auf digitale<br />
Kommunikation für Finanzdienstleister<br />
spezialisiertes Softwarehaus. Unsere<br />
Produkte werden für die Optimierung<br />
des Online- und auch stationären Vertriebs<br />
unserer Kunden eingesetzt. Auch<br />
wenn unsere Ausrichtung damals gar<br />
nicht so internetlastig war, sind wir 2001<br />
von der Folgen der Dotcom-Blase nicht<br />
verschont geblieben und mussten uns<br />
neu aufstellen. Dafür suchten wir einen<br />
finanzkräftigen Partner. Damals arbeiteten<br />
wir bereits für die Sparkassen und<br />
Volksbanken. Dadurch kam der Kontakt<br />
zur nwk nordwest zustande. Wir haben<br />
uns dann entschieden, die nwk als Gesellschafter<br />
an Bord zu holen.<br />
konnten. Bei der Vorfinanzierung hat uns<br />
die Sparkasse Bremen unterstützt. Das<br />
ließ sich schnell und unkompliziert realisieren,<br />
da man uns als Beteiligungsunternehmen<br />
natürlich sehr gut beurteilen<br />
konnte.<br />
Hat die Beteiligungsgesellschaft bei der Engram<br />
ein großes Mitspracherecht?<br />
Wünderlich: Herr Paslack sitzt im Aufsichtsrat<br />
unserer Gesellschaft. Die strategische<br />
Ausrichtung des Unternehmens<br />
stimmen wir natürlich gemeinsam mit<br />
unseren Aufsichtsräten ab. Das operative<br />
Geschäft wird aber nicht beeinflusst und<br />
ist Sache der Geschäftsführung.<br />
Herr Staroßom: Die nwk hält fast alle Anteile<br />
an der Engram. Gehen Sie gerne Mehrheitsbeteiligungen<br />
ein?<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
34<br />
FINANZGRUPPE<br />
Stephan Goltermann – Anlagenbauer Schünemann<br />
Er hat fast sein ganzes Berufsleben bei der<br />
Georg Schünemann GmbH verbracht: Stephan<br />
Goltermann. Der heute 64-Jährige ist seit<br />
1984 Geschäftsführer beim Bremer Anlagenbauer.<br />
Das 1937 gegründete Unternehmen<br />
mit dem Markenzeichen SAB steht auf mehreren<br />
Beinen. Kernstück des Geschäfts ist der<br />
Bau von Filtrationsanlagen, um das Wasser<br />
von Schwimmbädern zu säubern. Ein weiteres<br />
Geschäftsfeld ist die Herstellung von Spezialventilen<br />
und Regelsystemen für deutsche<br />
U-Boote, Fregatten sowie Korvetten. Auch<br />
selbstreinigende Filter hat SAB im Angebot.<br />
Abnehmer hierfür sind Großunternehmen wie<br />
BASF, Bayer, Klöckner und andere Kraftwerksbetreiber.<br />
Die Gesellschaft hat 2009 das beste<br />
Jahr ihrer Geschichte erzielt. Der Umsatz mit<br />
rund 60 Mitarbeitern bewegte sich bei neun Mio.<br />
Euro. Der direkte Auslandsanteil wird mit<br />
25 Prozent angegeben. Die Eigenkapitalquote<br />
liegt bei 50 Prozent. Die Bremer Sparkasse<br />
ist seit 2003 über die nwk nordwest mit rund<br />
25 Prozent an der Betriebsgesellschaft Georg<br />
Schünemann GmbH beteiligt. An der Georg-<br />
Schünemann-Gruppe halten die Familien Wuppermann<br />
und Homann die Mehrheit. Die Familie<br />
Homann ist durch die Herstellung von Feinkostsalaten<br />
bundesweit bekannt. Goltermann hat<br />
jüngst die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft<br />
an die beiden neuen Geschäftsführer<br />
Wolfgang Lister und Felix Krüger abgegeben.<br />
Staroßom: Die Engram GmbH ist ein<br />
Einzelfall. Dennoch scheuen wir uns<br />
nicht, auch Mehrheiten einzugehen. Wir<br />
haben hier keine festen Regeln. Für uns<br />
gilt nur: Die Firma muss zu uns passen.<br />
Auch wenn Sie dadurch das volle unternehmerische<br />
Risiko tragen?<br />
Staroßom: Wer in diesem Geschäft antritt,<br />
nur um Risiken zu vermeiden, ist<br />
Fehl am Platz. Wer keine Risiken eingeht,<br />
kann auch nicht von Chancen profitieren.<br />
Sind Beteiligungsfirmen in die Insolvenz<br />
gegangen?<br />
Paslack: Ja, wir haben auch Unternehmen<br />
während der Fahrt verloren. Ich<br />
kenne keine Beteiligungsgesellschaft mit<br />
Christian Seidenstücker – Eventagentur Joke Event AG<br />
Christian Seidenstücker (41) hat 1992 mit<br />
Peter Melms die Joke Event AG gegründet.<br />
Das Unternehmen ist heute eine der führenden<br />
Eventagenturen im norddeutschen<br />
Raum und begleitet Großereignisse bei der<br />
Live-Kommunikation. Die Agentur ist bundesweit<br />
aufgestellt und hat Niederlassungen<br />
in Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Berlin und<br />
Düsseldorf. Die Bremer Gesellschaft ist auch<br />
international aktiv. Sie betreute Projekte in<br />
Afrika, USA, Mexiko sowie im koreanischen<br />
Raum. Zu ihren Kunden gehören Konzerne wie<br />
die Autohersteller Mercedes Benz, Hyundai,<br />
Kia und der Spieleproduzent Nintendo sowie<br />
die Bremer Sparkasse. Die Joke Event AG<br />
beschäftigt 62 Mitarbeiter und erzielte zuletzt<br />
einen Nettoumsatz von 15,2 Mio. Euro. An<br />
dem Event-Dienstleister ist die nwk Kapitalbeteiligungsgesellschaft<br />
seit 2002 beteiligt. Sie<br />
stieg zunächst mit 18 Prozent ein und baute<br />
die Beteiligung weiter auf 24,9 Prozent aus.<br />
Die restlichen Anteile teilen sich die Vorstände<br />
Seidenstücker und Melms zu gleichen Teilen.<br />
Ursprünglich sollte die nwk bereits nach eini<br />
vergleichbarem Geschäft in Deutschland,<br />
die dieses Schicksal nicht mit uns teilt.<br />
Das gehört zum Geschäft, auch wenn es<br />
wehtut.<br />
Herr Wünderlich, Sie sind mit mehr als zehn<br />
Prozent an der Engram beteiligt. Ist die nwk<br />
ein Partner auf Zeit?<br />
Wünderlich: Es ist nicht ausgeschlossen,<br />
dass es irgendwann einen Wechsel<br />
im Gesellschafterkreis gibt und die nwk<br />
ausscheidet oder ihre Anteile reduziert.<br />
Das gehört zum Geschäft dazu.<br />
Die nwk verfügt über viele Gesellschaften,<br />
die unter anderem in den Branchen IT, Anlagenbau,<br />
Kunststofftechnik und Handel aktiv<br />
sind. Wäre es nicht besser, wenn Sie sich auf<br />
gen Jahren aussteigen. Inzwischen ist sie eine<br />
feste Größe im Aktionärskreis. Seidenstücker<br />
hat an der Universität in Siegen Betriebswirtschaft<br />
studiert. Der gebürtige Göttinger hatte<br />
bereits während des Studiums eine eigene<br />
Marketingfirma.<br />
wenige Branchen konzentrieren, um mehr<br />
Kompetenz aufzubauen?<br />
Staroßom: Wir beteiligen uns vor allem<br />
an Firmen im Nordwesten Deutschlands.<br />
Wir würden uns beschränken, wenn wir<br />
uns auf bestimmte Branchen fokussieren.<br />
Das haben wir nicht vor.<br />
Die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse<br />
Bremen ist vor allem in Bremen und Umgebung<br />
aktiv. Dennoch ist unter ihren Gesellschaften<br />
auch der IT-Dienstleister Netvico<br />
mit Sitz in Stuttgart. Ein Einzelfall?<br />
Paslack: Wir suchen nicht aktiv im bayerischen<br />
Wald Beteiligungen. Dies würde<br />
unser Management stark belasten.<br />
Dennoch beteiligen wir uns auch an<br />
Firmen außerhalb der Bremer Grenzen.<br />
So sitzt der Fotovoltaik-Anbieter Ersol in<br />
Erfurt. In Stuttgart haben wir uns ferner<br />
vor einigen Jahren an einem Immobilienentwickler<br />
beteiligt. Die Anteile haben<br />
wir 2010 verkauft.<br />
Kommen andere Sparkassen auf Sie zu, um<br />
Ihren Firmenkunden eine Beteiligungsmöglichkeit<br />
zu ermöglichen?<br />
Staroßom: Ja, wir arbeiten sehr eng mit<br />
der Sparkasse Bremerhaven zusammen.<br />
Wir entwickeln derzeit mit unserem<br />
Nachbarn das Geschäft, weil beide Sparkassen<br />
von einer verbesserten Eigenkapitalausstattung<br />
der Firmen profitieren.<br />
Leider ist dies aber die Ausnahme. Es<br />
wäre schön, wenn sich weitere Sparkassen<br />
unserem Beteiligungsgeschäft anschließen<br />
würden.<br />
Warum gibt es in der Sparkassen-Finanzgruppe<br />
nicht mehr solcher Kooperationen?<br />
Staroßom: Viele Sparkassen betrachten<br />
das Firmengeschäft immer noch als<br />
reines Kreditgeschäft. Sie haben erst in<br />
den vergangenen Jahren erkannt, dass<br />
auch das Beteiligungsgeschäft dazu<br />
zählt. Denn der Wettbewerb wird für den<br />
Mittelstand härter. Die Unternehmen<br />
brauchen mehr denn je das notwendige<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FINANZGRUPPE 35<br />
Eigenkapital, um weiter zu wachsen. Die<br />
Sparkasse kann ihnen hier als Partner<br />
zur Seite stehen.<br />
In Deutschland gibt es eine Vielzahl großer<br />
Beteiligungsgesellschaften. Wäre es nicht<br />
sinnvoll, wenn alle Sparkassen ihr Beteiligungsgeschäft<br />
in einer gemeinsamen Gesellschaft<br />
bündeln würden, um sich gegen<br />
Konkurrenten durchzusetzen?<br />
Staroßom: Ich kann mir eine solche Gesellschaft<br />
auf dem Papier vorstellen. Sie<br />
brächte für unser Mittelstandsgeschäft<br />
eher Nachteile. Der Wettbewerbsvorteil<br />
der Sparkassen liegt darin, dass wir in<br />
den Regionen einen engen Draht zu unseren<br />
Firmenkunden haben. Er würde<br />
verloren gehen, wenn wir Konzernstrukturen<br />
aufbauen. Zudem birgt ein überregionales<br />
Beteiligungsgeschäft höhere<br />
Risiken und verursacht mehr Kosten.<br />
Wünderlich: Da kann ich nur zustimmen.<br />
Mittelständlern ist es wichtig,<br />
dass unternehmenspolitische Entscheidungen<br />
schnell und unkompliziert<br />
getroffen werden. Dies ist bei der nwk<br />
nordwest der Fall. Die wichtigen Ansprechpartner<br />
sitzen vor Ort. Wir können<br />
uns schnell austauschen, wenn es<br />
notwendig ist. Größere Einheiten bergen<br />
hingegen größere Risiken. Ich kann mir<br />
deshalb nicht vorstellen, dass eine bundesweite<br />
Beteiligungsgesellschaft der<br />
Sparkassen-Finanzgruppe schnell und<br />
flexibel reagiert, wenn es bei einer Beteiligungsgesellschaft<br />
mal brennt.<br />
Jens Wünderlich – IT-Dienstleister Engram<br />
Jens Wünderlich hat schon immer die Welt<br />
von Bits und Bytes fasziniert. Bei seinem<br />
Studium der Wirtschaftswissenschaften an<br />
der Bremer Uni legte er seine Schwerpunkte<br />
auf EDV, Organisation und Marketing. Seine<br />
Diplom arbeit schreibt er über elektronische<br />
Prospekte. Heute ist der 46-Jährige geschäftsführender<br />
Gesellschafter der Engram GmbH, an<br />
der er mit mehr als zehn Prozent beteiligt ist.<br />
Der Bremer IT-Dienstleister entwickelt seit 20<br />
Jahren Software-Lösungen, um die Geschäftsprozesse<br />
großer Unternehmen zu erleichtern.<br />
Zu den Kunden gehören Sparkassen und Volksbanken,<br />
aber auch Industriekunden wie BASF,<br />
T-Systems und die Wintershall AG. Vor allem<br />
die Sparkassen sind ein wichtiger Kunde. Ihnen<br />
half Wünderlich, das Internetbanking attraktiver<br />
zu machen. Zudem betreibt die Engram<br />
GmbH seit mehreren Jahren für die DekaBank<br />
die Lernplattform „training.deka.de“. Das Portal<br />
unterstützt Kundenberater der Sparkassen<br />
bei ihrer Arbeit. Sie können sich hier unter anderem<br />
über die neuesten Vertriebsstrategien<br />
Ralf Paslack – Beteiligungsgesellschaft nwk nordwest<br />
Ralf Paslack ist Geschäftsführer der nwk<br />
nordwest Kapitalbeteiligungsgesellschaft der<br />
Bremer Sparkasse mbH. Er leitet ein insgesamt<br />
sechsköpfiges Team, das sich derzeit um 14<br />
Beteiligungen kümmert. Ob Wachstumsfinanzierung<br />
oder Regelung der Unternehmensnachfolge<br />
– die nwk nordwest beteiligt sich<br />
vor allem an Firmen in Bremen und Umgebung.<br />
Die se müssen nachweislich über ein<br />
tragfähiges Geschäftsmodell verfügen. Die<br />
Beteiligungen können in offener und stiller<br />
Form erfolgen. Die Firma investiert zwischen<br />
0,5 und drei Mio. Euro. Kernabsicht der nwk<br />
ist, das Eigenkapital von mittelständisch geprägten<br />
Gesellschaften zu stärken. Dabei stellt<br />
sie auch Mezzanine-Kapital zur Verfügung.<br />
Die nwk verfügt über Firmenbeteiligungen<br />
aus verschiedenen Branchen: Im Anlagenbau<br />
ist sie bei der Antares Datensysteme GmbH<br />
engagiert, die Messausrüstungen zur Erdölexploration<br />
herstellt. In der Kunststofftechnik ist<br />
es die Multiplex GmbH, die Verbundwerkstoffe<br />
für maritime, militärische und industrielle<br />
Zwecke herstellt. In der Sparte IT hält die nwk<br />
Beteiligungen an den Firmen Netvico und der<br />
Neuland Bremen GmbH. Weitere Anteile besitzt<br />
sie unter anderem am Pflegedienstleister Ambulanter<br />
Hauspflegeverbund Achim GmbH &<br />
Co. KG, der Mediaclipping GmbH, der BWK Chemiefaser<br />
GmbH, dem Nahrungsmittelhersteller<br />
Veracus sowie an der Fun Factory, Europas<br />
größtem Hersteller für Erotikspielzeuge.<br />
informieren. An der Engram GmbH hält nwk<br />
nordwest seit 2002 mehr als 80 Prozent.<br />
Seidenstücker: Das sehe ich ähnlich. Ich<br />
glaube, dass ich keine Beteiligungsgesellschaft<br />
als Partner in meiner Firma zugelassen<br />
hätte, die über einen riesigen Verwaltungsapparat<br />
verfügt. Ich will nicht<br />
mit einem Banker XY in Frankfurt oder<br />
London telefonieren, um nach Wochen<br />
das Okay für eine Investition zu bekommen.<br />
Ich will, dass mein Gesellschafter<br />
in meiner Nähe sitzt, um mich mit ihm –<br />
auch mal Auge in Auge – auszutauschen.<br />
Bei einer großen Beteiligungsgesellschaft<br />
hätte ich das Gefühl, eine Nummer<br />
unter vielen zu sein.<br />
Sie wollen einen Ansprechpartner vor Ort?<br />
Seidenstücker: Ja. Denn ich glaube<br />
nicht, dass der Portfolio-Manager eines<br />
Londoner Beteiligungsfonds wirklich<br />
versteht, wie mein Geschäft funktioniert.<br />
Als 2008 die Wirtschaftskrise einsetzte,<br />
hätte er wahrscheinlich reagiert, wie<br />
viele andere Manager auch. Er hätte die<br />
Budgets gestrichen und Personal entlassen,<br />
um kurzfristig den Gewinn zu steigern.<br />
Damit hätte er unserem sensiblen<br />
Geschäft mit Live-Kommunikation mehr<br />
geschadet als geholfen. Die nwk nordwest<br />
hingegen hat uns behutsam durch<br />
die Krise gesteuert und weiter auf Wachstumskurs<br />
gehalten.<br />
Wünderlich: Ja, ich glaube, das ist ein<br />
wesentlicher Vorteil der Beteiligungsgesellschaft<br />
der Bremer Sparkasse. Wie ich<br />
es auch von Geschäftsführern anderer<br />
Beteiligungsgesellschaften gehört habe,<br />
schneidet sie nicht gleich die Beziehungen<br />
ab, wenn es mal schlechter läuft.<br />
Im Gegenteil: Sie prüft sorgfältig, wo die<br />
Gründe für eine Fehlentwicklung liegen<br />
und man entwickelt gemeinsame Gegenmaßnahmen,<br />
um das Unternehmen wieder<br />
fit für die Zukunft zu machen. Meist<br />
geht die Rechnung auf. <br />
n<br />
Das Gespräch moderierte Gregory Lipinski.<br />
Lesen Sie zum Thema auch die nachfolgenden<br />
Seiten.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
36<br />
FINANZGRUPPE<br />
BETEILIGUNGSGESCHÄFT II<br />
Mut zur Größe<br />
Die Sparkassen-Finanzgruppe ist an einem Geflecht von mittelständischen Unternehmen beteiligt.<br />
Sie steuert das Geschäft über 60 aktive Gesellschaften. Diese sind aber nach Einschätzung von<br />
Fachleuten oftmals zu klein, um sich allein am Markt erfolgreich zu behaupten.<br />
n VON GREGORY LIPINSKI<br />
Rund 150 Mio. Euro haben die Beteiligungsgesellschaften<br />
der Sparkassen-Finanzgruppe<br />
2009 investiert. Darin<br />
sind stille Beteiligungen nicht enthalten,<br />
die die Sparkassen gemeinsam mit den<br />
mittelständischen Beteiligungsgesellschaften<br />
der Länder eingegangen sind.<br />
Experten erwarten, dass die Beteiligungsgesellschaften<br />
2010 mehr Geld für Anteilskäufe<br />
ausgegeben haben als noch<br />
ein Jahr zuvor. Per Ende Oktober vergangenen<br />
Jahres wurden rund die „Hälfte<br />
der für 2010 bei den Gesellschaften zur<br />
Verfügung stehenden Mittel von 550 Millionen<br />
Euro in Beteiligungen investiert“,<br />
sagt Christiane Bauer, Abteilungsdirektorin<br />
Marktstrategie und Produktmanagement<br />
beim Deutschen Sparkassen- und<br />
Giroverband (DSGV).<br />
Anders sah es in der Wirtschaftskrise<br />
aus. Hier hatten die Beteiligungsgesellschaften<br />
weniger investiert, obwohl sie<br />
ausreichend Kapital besaßen. Der Grund:<br />
Die Sparkassen hatten weniger Firmen<br />
gefunden, die sich für ein Investment eigneten.<br />
Expertin Bauer hält es gerade jetzt<br />
für sinnvoll, das Beteiligungsgeschäft<br />
zu intensivieren. Die Firmenkundenbetreuer<br />
aller Sparkassen sollten das Beteiligungsgeschäft<br />
„hoffähig“ machen – um<br />
den Kunden nicht nur Kredite anbieten<br />
zu können, sondern auch Eigenkapital,<br />
wenn dies benötigt werde. Bauer: „Eigenkapital<br />
ist kein Konkurrenzprodukt zum<br />
klassischen Kredit, sondern eine sinnvolle<br />
Komponente bei der Strukturierung<br />
der Passivseite eines Unternehmens und<br />
dazu noch eine ertragreiche.“ Die Sparkassen<br />
sollten deshalb dieses Geschäftsfeld<br />
nicht ausblenden, wenn sie der<br />
führende Unternehmensfinanzierer in<br />
Deutschland sein wollen.<br />
Technologiebetriebe oft im Fokus<br />
Zu den großen Beteiligungsgesellschaften<br />
der Sparkassen-Finanzgruppe<br />
gehören die Kreissparkasse Köln, die<br />
SUBG Aachen, S-Refit AG in Regensburg,<br />
an der 21 Sparkassen der Region beteiligt<br />
sind, sowie die SIB Innovations- & Beteiligungsgesellschaft<br />
in Dresden. Die SIB<br />
wurde im Oktober 1999 gemeinsam von<br />
der Ostsächsischen Sparkasse Dresden<br />
und der Technologie-Zentrum Dresden<br />
gegründet und hat sich derzeit an mehr<br />
als 30 Firmen aus unterschiedlichen<br />
Bereichen beteiligt. Dazu gehören viele<br />
Technologiebetriebe. So entwickelt die<br />
Hess AG beispielsweise organische Solarzellen,<br />
der Pharmaziehersteller Urotec<br />
produziert Produkte, die Harnleiterverengungen<br />
beheben sollen. Die SIB beteiligt<br />
sich mit Beträgen zwischen 250.000<br />
bis 2,5 Mio. Euro an Unternehmen maximal<br />
mit einem Anteil von 49<br />
Prozent.<br />
Bei den Landesbanken zählt<br />
die NordHolding zu einer der<br />
größeren Beteiligungsgesellschaften.<br />
Hinter ihr stehen als<br />
Gesellschafter unter anderem<br />
die Nord/LB, der Versicherungskonzern<br />
VGH sowie die Sparkassen<br />
Hannover, Hildesheim<br />
und Celle. Die 1969 gegründete<br />
Gesellschaft ist derzeit an<br />
50 Unternehmen mit einem<br />
Kapital von insgesamt 260 Mio.<br />
Euro engagiert. Sie verfügt noch<br />
über freie Investitionsmittel von<br />
165 Mio. Euro.<br />
In Stuttgart gehört die Süd Beteiligungen<br />
GmbH zu einer der<br />
führenden Gesellschaften in<br />
diesem Bereich. Sie hat sich an 45 Firmen<br />
mit einem direkten Inves titionsvolumen<br />
von rund einer halben Mrd. Euro beteiligt.<br />
Süd Beteiligungen entstand im Frühjahr<br />
2009 aus diversen Tochtergesellschaften<br />
der Landesbank Baden-Württemberg.<br />
Haspa steckt 50 Mio. in neuen Fonds<br />
„Eigenkapital ist<br />
kein Konkurrenzprodukt<br />
zum<br />
klassischen<br />
Kredit.“<br />
Christiane Bauer,<br />
Produktmanagerin,<br />
DSGV<br />
In Norddeutschland zählt die Haspa Beteiligungsgesellschaft<br />
für den Mittelstand<br />
(Haspa BGM) zu einer der größeren Beteiligungsfirmen<br />
der Sparkassen-Finanzgruppe.<br />
Sie investiert jährlich zwischen sechs<br />
und zehn Mio. Euro, um Anteile an mittelständischen<br />
Firmen zu erwerben. Da<br />
die Wirtschaft im vergangenen Jahr um<br />
3,7 Prozent gewachsen ist, hat auch die<br />
Haspa BGM mehr investiert als noch ein<br />
Jahr zuvor. Als weiteren Grund für die<br />
stärkere Investitionstätigkeit nennt Anja<br />
Lucas, Vertreterin der Haspa BGM, auch<br />
die „wieder planbarere Geschäftstätigkeit“<br />
der Mittelständler. Die Haspa BGM<br />
steigt bei Unternehmen mit maximal<br />
49 Prozent ein. In der Regel sind es inhabergeführte<br />
Betriebe, die über ein profitables<br />
und zukunftsfähiges Geschäftsmodell<br />
verfügen. Eine weitere Voraussetzung:<br />
Die Firmen sollten sich bereits seit einigen<br />
Jahren am Markt bewährt haben.<br />
Die Haspa BGM hat sich breit aufgestellt<br />
und verfolgt keinen Branchenfokus.<br />
Mal hält sie Anteile an Modeanbietern<br />
wie Brands Fashion (siehe Kasten), mal<br />
an einem Hersteller von Förderanlagen<br />
für die Mineralölindustrie wie die M+F<br />
Mess- und Fördertechnik. Diese<br />
hatte 2008 für Schlagzeilen gesorgt,<br />
weil sie einen millionenschweren<br />
Großauftrag für den<br />
Moskauer Flughafen erhielt, um<br />
ein neues Hydrantensystem für<br />
die Betankung von Großjets zu<br />
errichten.<br />
Jüngst hatten Haspa und Haspa<br />
BGM einen neuen Eigenkapitalfonds<br />
über 50 Mio. Euro<br />
aufgelegt. Das Geld wird in<br />
Tranchen von 500.000 bis fünf<br />
Mio. Euro und einer Laufzeit<br />
von sieben bis acht Jahren investiert.<br />
Der Eigenkapitalfonds ist<br />
Teil der bundesweiten Initiative<br />
der Sparkassen-Finanzgruppe,<br />
die 2010 rund 550 Mio. Euro<br />
für den deutschen Mittelstand<br />
bereitstellte. Der Fonds beteiligt sich in<br />
Form von Genussrechten. Dies werde in<br />
der Handelsbilanz als echtes Eigenkapital<br />
ausgewiesen und nehme sogar an<br />
Verlusten teil, heißt es. Die Haspa BGM<br />
betrachtet sich als Partner auf Zeit. Sie<br />
bleibt maximal sieben bis zehn Jahre an<br />
einer Gesellschaft beteiligt.<br />
Anders ist dies etwa bei der BSV-Beteiligungsgesellschaft<br />
der Sparkasse<br />
Vogtland im sächsischen Oelsnitz, die<br />
maximal acht Jahre Anteilseigner bleibt.<br />
„Danach sollten grundsätzlich Anteilsveräußerungen<br />
erfolgt sein beziehungsweise<br />
sind gewährte typisch stille Einlagen<br />
zurückzuzahlen“, sagt die Sparkasse.<br />
Die BSV betrachtet sich auch als ein Institut,<br />
das Existenzgründer unterstützt, um<br />
Arbeitsplätze in der Region zu schaffen.<br />
Rege im Beteiligungsgeschäft tummeln<br />
sich auch viele kleinere Sparkasseninstitute,<br />
die hierdurch regionale Wirtschaftsförderung<br />
betreiben. Dazu zählt<br />
die Kreissparkasse Biberach, die ihr Beteiligungsgeschäft<br />
über den Chancenkapitalfonds<br />
sowie die Chancenkapital<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FINANZGRUPPE 37<br />
Beteiligungs-GmbH steuert. Sie ist eine<br />
Art Frühphasen-Investor, der sich bereits<br />
kurz nach der Firmengründung beteiligt.<br />
Ein Beispiel hierfür ist das Passauer Unternehmen<br />
Crealytics, das Firmen dabei<br />
hilft, ihr Marketing bei Suchmaschinen<br />
zu verbessern.<br />
Frühphasen-Investor in Biberach<br />
Im Beteiligungsgeschäft verfügt die<br />
Kreissparkasse Biberach über ein genehmigtes<br />
Fondsvolumen von 25 Mio. Euro,<br />
davon wurden inzwischen 16 Mio. Euro<br />
beansprucht. „Offene Beteiligungen werden<br />
selten eingegangen, häufiger sind<br />
typisch stille Beteiligungen“, sagt Ursel<br />
Straub-Neumann, Sprecherin der Kreissparkasse<br />
Biberach. Unterstützt werden<br />
die jungen und mittelständischen<br />
Betriebe nicht nur mit Geld. Die Beteiligungsgesellschaft<br />
greift den Inhabern<br />
auch bei „betriebswirtschaftlichen und<br />
planerischen Belangen“ unter die Arme.<br />
Der Branchenfokus ist breit gestreut. Er<br />
reicht von Elektrotechnik, Maschinenbau<br />
bis zur Energie- und Wasserversorgung.<br />
Dabei ist die Gesellschaft auch im risikoreichen<br />
Wirtschaftszweig der Gen- und<br />
Biotechnologie aktiv. So hat Chancenkapital<br />
auch Hersteller von biopharmazeutischen<br />
Produkten wie Cellca in Oberschwaben<br />
im Portfolio.<br />
Sparkassen, die nicht im Beteiligungsgeschäft<br />
aktiv sind, etwa die Berliner<br />
Sparkasse oder die Nassauische Sparkasse,<br />
begründen dies damit, dass derlei<br />
Aktivitäten nicht zum Kerngeschäft<br />
gehörten. Die Frankfurter Sparkasse hat<br />
sich aus dem Geschäftsfeld verabschiedet,<br />
nachdem sie ursprünglich an der<br />
Beteiligungsgesellschaft der Freien Sparkassen<br />
beteiligt war. „Seitdem wir keine<br />
Freie Sparkasse mehr sind, mussten wir<br />
den Verband und daran gebunden auch<br />
die Beteiligungsgesellschaft verlassen.<br />
Dadurch endete unser Engagement in<br />
diesem Bereich“, sagt Sven Matthiesen,<br />
Sprecher der Frankfurter Sparkasse.<br />
Auch in Schleswig-Holstein verfügen<br />
diverse Sparkassen über keine eigene Beteiligungsgesellschaft.<br />
Dies liegt daran,<br />
dass sie eng mit der MBG Mittelständische<br />
Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein<br />
kooperieren. Die 1994 auf Initiative<br />
der Kieler Landesregierung gegründete<br />
Gesellschaft und die Sparkassen beteiligen<br />
sich an Mittelständlern in der Region<br />
zwischen Flensburg und Hamburg, um<br />
ihnen das notwendige Eigenkapital zur<br />
Verfügung zu stellen. Damit vermindert<br />
die MBG gleichzeitig das Beteiligungsrisiko<br />
der Sparkasse, die meist die Hausbank<br />
des kapitalsuchenden Betriebs ist.<br />
Experten plädieren für Bündelung<br />
Gesellschafter der MBG sind unter anderem<br />
der Sparkassen- und Giroverband<br />
Schleswig-Holstein, die HSH Nordbank,<br />
die Investitionsbank Schleswig-Holstein<br />
sowie die Commerzbank als auch die<br />
Deutsche Bank. Die Zahl der Beteiligungsfirmen<br />
ist in den vergangenen<br />
Jahren gesunken. Derzeit verfügt die<br />
Sparkassen-Finanzgruppe über 78 Beteiligungsgesellschaften,<br />
davon gelten lediglich<br />
60 als aktiv.<br />
Fachleute begrüßen die zahlenmäßige<br />
Verringerung. „Ziel ist eine weitere Konsolidierung<br />
beziehungsweise Bündelung<br />
auf schlagkräftige Größen in den jeweiligen<br />
Regionen“, sagt DSGV-Expertin<br />
Bauer. Viele Beteiligungsfirmen besäßen<br />
nicht die richtige Betriebsgröße. Sie seien<br />
„organisatorisch nicht optimal aufgestellt,<br />
um erfolgreiches Beteiligungsgeschäft zu<br />
betreiben“, erklärt die Expertin.<br />
n<br />
Wachsen mit Einheitsmode: BGM ist in vielen Märkten aktiv<br />
Die Haspa BGM beteiligt sich still und offen<br />
an Unternehmen mit einem Umsatz zwischen<br />
zehn und 250 Mio. Euro. Die Firmen kommen<br />
aus ganz unterschiedlichen Branchen. Im<br />
Oktober 2010 ist die Hamburger Beteiligungsgesellschaft<br />
beispielsweise über den von ihr<br />
gemanagten „Mittelstandsfonds Hamburg“ bei<br />
der Brands Fashion GmbH eingetreten. Das<br />
in Buchholz bei Hamburg ansässige Unternehmen<br />
produziert modische Berufskleidung<br />
und deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette<br />
ab. Zum Kundenstamm zählen etwa<br />
die Radeberger-Gruppe, Airbus, Shell und die<br />
beiden Hamburger Erstligaclubs FC St. Pauli und<br />
HSV. Ein weiteres Standbein hat sich Brands<br />
Fashion vor einiger Zeit im Bereich der Schulbekleidung<br />
aufgebaut. Mit der Devise „Kleider<br />
machen Schule“ stieg das Unternehmen in den<br />
Models<br />
zeigen<br />
einheitliche<br />
Schulkleidung:<br />
In<br />
diesem<br />
Geschäftsfeld<br />
will die Firma<br />
Brands<br />
Fashion<br />
wachsen –<br />
mithilfe einer<br />
Haspa-Beteiligung.<br />
FOTO: DPA<br />
stark wachsenden Markt ein und will sich auch<br />
hier in den nächsten Jahren als Marktführer<br />
etablieren. Zu einem der aktuellen Großprojekte<br />
von Brands Fashion zählt die Ausstattung<br />
der Filialen eines großen Lebensmittelhändlers<br />
mit CI-konformer Berufskleidung für die<br />
Angestellten. Das Investitionsvolumen liegt im<br />
zweistelligen Millionenbereich, sagt Sven Bode,<br />
Prokurist der Haspa BGM.<br />
Mit der Minderheitsbeteiligung der Haspa BGM<br />
und der damit gestärkten Eigenkapitalbasis<br />
will Brands Fashion in den Kerngeschäftsbereichen<br />
weiter expandieren. Ein Börsengang<br />
des Mittelständlers sei jedoch vorerst nicht geplant,<br />
sagt Bode. Generell betrachtet sich die<br />
Haspa-Tochter BGM als längerfristiger Partner<br />
der Beteiligungsfirmen, der ohne Laufzeitbeschränkung<br />
agieren kann.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
38<br />
PERSPEKTIVEN<br />
RECHT – INTERVIEW<br />
Berater unter Druck<br />
Anlageberater stehen unter Dauerbeschuss und haben in der öffentlichen Diskussion einen<br />
schweren Stand. Der Mainzer Jurist Peter Mülbert erläutert im Gespräch, inwiefern die aktuellen<br />
Gesetzesvorhaben für mehr Bürokratie und nicht immer für mehr Verbraucherschutz sorgen.<br />
SPARKASSE; Herr Mülbert, der Druck auf die<br />
Anlageberater in Geldinstituten kommt von<br />
allen Seiten: vom Vertrieb, vom Kunden und<br />
vom Gesetz. Ist das gerecht?<br />
Prof. Peter Mülbert: Es erscheint zumindest<br />
verständlich. Einerseits stehen die<br />
Anlageberater in Banken unter besonderer<br />
öffentlicher Kritik. Zum anderen ist<br />
die gesunkene Reputation der Berater<br />
aber auch eine Frage des Zyklus auf den<br />
Finanzmärkten. Anlageberater bekommen<br />
eben mehr als andere das Auf und<br />
Ab an den Märkten zu spüren.<br />
Wie beurteilen Sie die politische Begründung<br />
der Registrierungspflicht für alle Berater?<br />
Mülbert: Im Regierungsentwurf ist zumindest<br />
ein bewusster Wille feststellbar,<br />
den Berater in den Fokus zu nehmen.<br />
Zum einen, weil damit mittelbar auch<br />
die Unternehmensleitungen stärker diszipliniert<br />
werden sollen, zum anderen,<br />
um den Berater zu disziplinieren und<br />
um sein Interesse am Kunden wirksam<br />
zu unterstützen. Ich sehe hier vor allem<br />
ein enormes quantitatives Problem. Es<br />
ist die Rede von etwa 300.000 Beratern,<br />
die registriert werden müssten. Veränderungen<br />
müssten ständig nachgehalten<br />
und eingepflegt werden.<br />
Drohen nicht rechtliche Konflikte, wenn die<br />
Daten eines ganzen Berufsstands gespeichert<br />
werden?<br />
Mülbert: Es liegt in der Hand des Gesetzgebers,<br />
datenschutzrechtliche Schwierigkeiten<br />
zu überwinden. Allerdings<br />
reflektieren die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes<br />
letztlich rechtliche<br />
Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht<br />
in einem Urteil zur Volkszählung<br />
unter dem Stichwort informationelle<br />
Selbstbestimmung des Einzelnen entwickelt<br />
und ausdifferenziert hat. Über diese<br />
verfassungsrechtlichen Grenzen für<br />
die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener<br />
Daten kann sich auch der<br />
Gesetzgeber nicht hinwegsetzen.<br />
Könnte sich ein Berater gegen die Erfassung<br />
seiner Daten zur Wehr setzen?<br />
Mülbert: Letztlich ja, und zwar durch<br />
eine Verfassungsbeschwerde.<br />
Sind Registrierungspflicht und die Androhung<br />
berufsrechtlicher Sanktionen tat-<br />
sächlich der richtige Weg, um das Geschäftsgebaren<br />
von Banken zu verändern?<br />
Mülbert: Man müsste Beratern schon<br />
fast heroische Eigenschaften unterstellen,<br />
würden sie sich etwaigem organisationsstrukturellen<br />
Druck in einem Institut<br />
auf der Basis dieses Gesetzes tatsächlich<br />
widersetzen. Andererseits sind in der<br />
Vergangenheit Haftungsfälle bei der Beratung<br />
auch deswegen aufgetreten, weil<br />
eine individuelle Beratung gescheitert<br />
ist, im Ergebnis also ungeeignete Produkte<br />
verkauft wurden. Gerade bei langjährigen<br />
Berater-Kunde-Beziehungen<br />
kann schon mal einiges schieflaufen,<br />
was aus Sicht des Instituts unbedingt<br />
verhindert werden muss. Zurzeit sind<br />
etwa 500.000 strukturierte Produkte am<br />
Markt, die ein Berater sich unmöglich individuell<br />
erschließen kann. Daher sind<br />
Vorgaben von Institutsseite sinnvoll oder<br />
sogar unabdingbar, um die Qualität des<br />
Beratungsprozesses und des Beratungsergebnisses<br />
zu sichern.<br />
Sorgt das „Beipackzettel“ genannte Produktinformationsblatt<br />
hier aus Ihrer Sicht<br />
für qualitative Verbesserungen bei der Beratung?<br />
Mülbert: Ich persönlich habe Sympathie<br />
für den Beipackzettel. Er ist eine Informationsgrundlage,<br />
aus der die wesentlichen<br />
Komponenten eines Produkts ersichtlich<br />
sind. Eines der rechtlichen Probleme in<br />
diesem Zusammenhang ist allerdings,<br />
Zur Person<br />
Prof. Peter O. Mülbert (52) ist seit 1999 Inhaber<br />
eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht,<br />
Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Bankrecht<br />
an der Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz und Direktor des Instituts für deutsches<br />
und internationales Recht des Giro-, Spar- und<br />
Kreditwesens. 2010 wurde Mülbert in das Gutenberg<br />
Forschungskolleg aufgenommen, was<br />
mit einer fünfjährigen Forschungsfreistellung<br />
verbunden ist. Weitere Stationen in Mülberts<br />
akademischer Laufbahn waren die Universitäten<br />
Heidelberg und Trier. Zudem ist Mülbert<br />
als Sachverständiger in vielen Organisationen<br />
tätig, unter anderem im Finanzausschuss des<br />
Deutschen Bundestags und in der BaFin.<br />
dass der Beipackzettel Grundlage für<br />
massenhafte Haftungsansprüche von<br />
Anlegern werden könnte, etwa mit dem<br />
Argument, die Produktinformationen<br />
seien unzureichend oder unvollständig<br />
gewesen.<br />
Wie wahrscheinlich ist so ein Fall?<br />
Mülbert: Hier droht einem Geldinstitut<br />
relativ geringe Gefahr. Falls irgendwann<br />
ein Risiko auftaucht – das Thema haben<br />
wir bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung<br />
auch schon immer –, dann wird<br />
nachgeprüft, ob dieses Risiko in den Informationen<br />
enthalten war oder nicht.<br />
Was sieht die Prospekthaftung hier vor?<br />
Mülbert: Der große Börsenprospekt<br />
muss eine Zusammenfassung der wesentlichen<br />
Elemente eines Wertpapiers<br />
und den damit verbundenen Risiken<br />
enthalten. Und da sieht das deutsche<br />
Recht ausdrücklich vor, dass allein wegen<br />
Fehlern in diesem Teil nicht gehaftet<br />
wird. Nach dieser Logik dürfte auch für<br />
einen falschen Beipackzettel nicht gehaftet<br />
werden. Die Regierungsbegründung<br />
sieht dies jedoch ausdrücklich anders.<br />
Der Kunde könnte Schadenersatzanspruch<br />
erheben. Es kommt hinzu, dass<br />
das Informationsblatt nur ein Teil der gesamten<br />
Beratung ist. Daneben muss der<br />
Beratungszettel durch individuell auf<br />
den Kunden zugeschnittene Hinweise ergänzt<br />
werden.<br />
Als verpflichtende Ergänzung kommt auch<br />
das Beratungsprotokoll hinzu. Sollte der<br />
Kunde aus Ihrer Sicht das Recht haben, auf<br />
ein umständliches Beratungsprotokoll zu<br />
verzichten?<br />
Mülbert: Als Kunde könnte man die Dokumentation<br />
im Streitfall auch einmal<br />
benötigen. Allerdings gehöre auch ich<br />
eher zu denjenigen, die das Protokoll als<br />
Belästigung empfinden. Als ich das erste<br />
Mal diese Übung mitgemacht habe,<br />
brauchte der Berater allein 25 Minuten<br />
für das korrekte Ausfüllen.<br />
BaFin, Finanz- und Verbraucherschutzministerien<br />
wollen sogenannte verdeckte Ermittler<br />
in die Banken schicken, um die Qualität<br />
von Bankberatung zu prüfen. Seit wann ist<br />
Verbraucherschutz eine Aufgabe der Finanzaufsicht?<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
PERSPEKTIVEN 39<br />
FOTOS: MARTIN JOPPEN<br />
Mülbert: In der Tat ist Verbraucherschutz<br />
bislang keine Aufgabe der Bankaufsicht.<br />
Die Bankaufsicht agiert nicht im<br />
Interesse der Kunden, sondern sie dient<br />
der Sicherheit der Einlagen, der Sicherheit<br />
der Institute und der Finanzmarktstabilität.<br />
Im Verbraucherschutzministerium<br />
ist allerdings schon seit Längerem<br />
die Tendenz vorhanden, der BaFin auch<br />
den Verbraucherschutz als Aufgabe zu<br />
übertragen.<br />
Das Verbraucherschutzministerium fühlt<br />
sich zuständig, doch die verdeckten Ermittler<br />
soll die BaFin entsenden. Sind Konflikte<br />
hier nicht unvermeidbar?<br />
Mülbert: Um das in einen etwas weiteren<br />
Kontext zu stellen: Der Ausdruck<br />
„verdeckte Ermittler“ hat der Diskussion<br />
hierzulande eine gewisse Schlagseite<br />
verpasst, zu der es mit dem in angelsächsischen<br />
Ländern üblichen Ausdruck<br />
„Mystery Shopping“ nicht gekommen<br />
wäre. Ob es sinnvoll ist, so etwas zu machen<br />
und gegebenenfalls die Tests sogar<br />
zu veröffentlichen, darüber lässt sich<br />
streiten. Es wurden ja schon in der Vergangenheit<br />
einzelne Tests durchgeführt,<br />
wobei einzelne Institute sehr schlecht<br />
weggekommen sind. Einige Institute geben<br />
allerdings zu bedenken, auch deswegen<br />
schlecht bewertet worden zu sein,<br />
weil sie aus Sicht der Tester zu konservativ<br />
beraten hätten.<br />
„Vermittler können weitgehend unreguliert<br />
agieren, die Anforderungen an die Berater in<br />
Banken werden dramatisch verschärft.“<br />
Prof. Peter Mülbert<br />
Wie könnten die Tests aussagefähiger werden?<br />
Mülbert: Das ist die große Frage. Ein Problem<br />
besteht etwa darin, dass ein Berater<br />
entweder Geldwäsche oder eine Testberatung<br />
vermuten wird, wenn ein ihm völlig<br />
unbekannter Kunde auftaucht und einen<br />
größeren Betrag anlegen will. Die nachvollziehbare<br />
Reaktion wird sein, dass er<br />
eher übervorsichtig berät. Ich habe meine<br />
Zweifel, dass die Tests so angelegt werden<br />
können, dass sie tatsächlich aussagefähige<br />
Ergebnisse vermitteln.<br />
Wer befasst sich mit der Ausgestaltung der<br />
Tests?<br />
Mülbert: Wer Tests in Auftrag gibt, kann<br />
auch über die Art der Ausgestaltung bestimmen.<br />
Die BaFin wird wahrscheinlich<br />
keine eigenen Leute schicken, sondern<br />
kommerzielle Dienstleister in Anspruch<br />
nehmen.<br />
Das Gesetz unterscheidet zwischen stark<br />
regulierten Anlageberatern und sogenannten<br />
Anlagevermittlern, die kaum reguliert<br />
werden. Ist das nicht unsinnig?<br />
Mülbert: Es ist wenig sinnvoll, hier so<br />
stark zu differenzieren. Bei Banken gibt<br />
es fast nur Anlageberatung, auch deswegen,<br />
weil der Bundesgerichtshof festgeschrieben<br />
hat, dass immer dann, wenn<br />
ein Kunde zur Bank kommt und mit ihr<br />
mögliche Investitionen am Anlage- und<br />
Kapitalmarkt bespricht, ein stillschweigender<br />
Beratungsvertrag zustande<br />
kommt. Außerhalb von Banken positionieren<br />
sich dagegen Anlagevermittler,<br />
obwohl selbst Mitglieder des Bundesgerichtshofes<br />
der Auffassung sind, dass<br />
hier bei genauem Zusehen vielfach ebenfalls<br />
Beratung stattfindet.<br />
Dennoch werden beide Gruppen sehr ungleich<br />
behandelt, Berater werden von der<br />
BaFin geprüft, Vermittler von der Gewerbeaufsicht.<br />
Warum?<br />
Mülbert: Eine Vermutung geht dahin,<br />
dass sich die BaFin mit dem Bereich des<br />
grauen Markts schlicht nicht belasten<br />
wollte. De facto können Vermittler weitgehend<br />
unreguliert agieren. Die Anforderungen<br />
an die Berater in Banken werden<br />
dramatisch verschärft, vor allem der Kontrolldruck<br />
wird deutlich ausgeweitet. Und<br />
es steht zu erwarten, dass die BaFin diese<br />
neue Aufgabe mit einigem Engagement<br />
wahrnehmen wird, voraussichtlich in<br />
markantem Gegensatz zum Verhalten der<br />
Gewerbeaufsicht, was kein Vorwurf sein<br />
soll. Schon aus Gründen der Sachkunde<br />
und Kapazität werden die Gewerbeaufsichtsämter<br />
damit überfordert sein, diesen<br />
Markt sachgerecht zu überwachen.<br />
Während der Krise gab es auch Tendenzen,<br />
die Honorarberatung auf Kosten der Provisionsberatung<br />
zu favorisieren.<br />
Mülbert: Honorarberatung wird in<br />
Deutsch land von der breiten Masse der<br />
Bevölkerung nicht nachgefragt, das zeigt<br />
der relative Misserfolg der Wettbewerber,<br />
die auf dieses Geschäftsmodell setzen. In<br />
„Geiz-ist-geil“-Zeiten ist es wohl auch illusorisch,<br />
das anzunehmen. Die Politik hätte<br />
die Marktstrukturen komplett umgestalten<br />
müssen, und das wäre letztlich nur durch<br />
massive ordnungsrechtliche Eingriffe in<br />
die etablierten Marktstrukturen, etwa durch<br />
Provisionsverbote, möglich gewesen. Von<br />
alleine funktioniert das aber nicht. <br />
<br />
Das Interview führte Christoph Becker.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
40<br />
FORUM<br />
Schutz vor Fehlberatung: Muss<br />
Ob Beratungsprotokoll oder Registrierungspflicht – Verbraucherschützer wollen Berater mit allerlei<br />
1. Stiftung Warentest und<br />
unser Bundesverband VZBZ<br />
haben Protokolle überprüft,<br />
und auch die Verbraucherzentralen<br />
haben im Rahmen<br />
des Projekts „Wirtschaftlicher<br />
Verbraucherschutz“<br />
bisher rund 100 Beratungsprotokolle<br />
ausgewertet. Dazu<br />
haben sich unsere Mitarbeiter<br />
und Praktikanten in Banken<br />
und Sparkassen beraten<br />
lassen, weitere Protokolle<br />
stellten uns die Institute zur<br />
Verfügung. Unser ers tes Fazit<br />
ist durchwachsen: Zwar<br />
nutzen die Institute das Protokoll<br />
zur Dokumentation,<br />
häufiger aber, um die eigenen<br />
Haftungsrisiken zu minimieren.<br />
Man kann nicht<br />
generell sagen, dass Banken<br />
oder Sparkassen und Genossen<br />
besser oder schlechter<br />
wären, entscheidend ist der<br />
jeweilige Berater.<br />
Aus dieser Erkenntnis eine<br />
vollständig normierte Beratung<br />
abzuleiten, wäre falsch.<br />
Ziel muss es sein, mithilfe<br />
der Protokolle individuelle,<br />
auf den jeweiligen Verbraucher<br />
zugeschnittene Angebote<br />
zu machen. Aus den<br />
vorhandenen Angeboten<br />
muss das Beste ausgewählt<br />
werden – passend zum Verbraucher,<br />
nicht zur Bank. Aktuell<br />
sind diese Instrumente<br />
noch zu undifferenziert. Zusammenfassend<br />
lässt sich<br />
sagen, dass immer noch zu<br />
provisions- und eigeneinnahmenorientiert<br />
verkauft<br />
wird, außerdem sind Defizite<br />
in der Beraterschulung feststellbar.<br />
Viele Berater gehen<br />
noch nicht differenziert genug auf die<br />
Lebenssituation ihres Gegenübers ein.<br />
2. Auch uns fragen die Verbraucher:<br />
Müssen die Banken uns jedes Mal das<br />
ganze Beratungsprotokoll wieder vorlegen?<br />
Hier sollte man entsprechend der<br />
jeweiligen Kundensituation einen Modus<br />
vivendi finden. Wird innerhalb weniger<br />
Monate mehrfach beraten, genügte<br />
unserer Meinung nach ein verkürztes<br />
Protokoll, aus dem sich eine klare Risikodarstellung<br />
ergibt. Nur wenn sich etwas<br />
verändert, sollte das gesamte Protokoll<br />
erstellt werden, anderenfalls reichte<br />
PRO<br />
„Geldinstitute<br />
orientieren<br />
den Verkauf<br />
noch immer zu<br />
sehr an Provisionen<br />
und<br />
Eigeneinnahmen.“<br />
Peter Lischke,<br />
Geschäftsführer,<br />
Verbraucherzentrale<br />
Berlin<br />
im Wiederholungsfall eine<br />
Kurzfassung.<br />
3. Für diese These gibt es keine<br />
Daten. Festzuhalten bleibt,<br />
dass Protokollberatungspflichten<br />
sinnvoll und nützlich<br />
sind. Unser Eindruck ist:<br />
Wer sein Geld online anlegt,<br />
kann in der Regel das Risiko<br />
recht gut einschätzen<br />
und hat sich vor seiner Entscheidung<br />
intensiv mit dem<br />
jeweiligen Produkt beschäftigt.<br />
4. Der zweigeteilte Finanzmarkt<br />
– regulierter Teil mit<br />
Kreditinstituten und Versicherungen<br />
auf der einen,<br />
grauer Markt auf der anderen<br />
Seite – ist fragwürdig.<br />
Dabei geht es nicht gegen<br />
seriöse, alteingesessene Vertriebsorganisationen<br />
und<br />
freie Vermittler, sondern<br />
gegen die vielen unseriösen<br />
Anbieter. Viele Verbraucher<br />
haben keine Lust dazu, sich<br />
von ihrer Bank ausfragen<br />
zu lassen. Das nutzen diese<br />
Vertriebe aus. Hier scheint<br />
mir das große Problem zu<br />
liegen, nicht bei den Online-<br />
Banken. Die Finanzvertriebe<br />
werden auch durch<br />
ein neues Anlegerschutzverbesserungsgesetz<br />
nicht ausreichend<br />
kontrolliert. Dass<br />
freie Finanzvermittler nur<br />
der Gewerbeaufsicht unterliegen,<br />
Banken und Sparkassen<br />
aber der Aufsicht durch<br />
die BaFin, ist ärgerlich. Die<br />
Behauptung, das müsse so<br />
sein, weil anderenfalls ein<br />
mittelständischer Markt kaputtgemacht<br />
wird, halten wir nicht für<br />
tragfähig. Hier misst der Gesetzgeber mit<br />
zweierlei Elle.<br />
5. Verbraucherschutz ist notwendig,<br />
auch wenn er Zeit und Geld kostet. Beratung<br />
muss gesetzlich geregelt sein.<br />
Dennoch rufen wir Verbraucherschützer<br />
nicht nach immer neuen Gesetzen: Nicht<br />
alles lässt sich bis ins Kleinste durchregeln.<br />
Verbraucherschutz hat nicht das<br />
Ziel, Märkte zu hemmen und Produktentwicklungen<br />
zu verhindern. Trotzdem<br />
müssen ein paar starke Pflöcke eingesetzt<br />
werden, und jeder sollte wissen, dass die<br />
Fragen an die Kontrahenten<br />
1. Dient das Beratungsprotokoll<br />
dem Kunden, oder schreckt es<br />
ihn eher ab?<br />
2. Muss die Protokollierungspflicht<br />
der Beratung allen Kunden vorgeschrieben<br />
werden?<br />
3. Treibt die Gesetzeslage nicht<br />
Kunden vermehrt zu Anbietern<br />
ohne Beratungspflicht, etwa Onlinebanken?<br />
dabei anfallenden Kosten letztlich auf<br />
den Verbraucher umgelegt werden. Dies<br />
ist im Sinne des Anlegerschutzes notwendig.<br />
6. Generell geht es uns um zweierlei:<br />
Vernünftige Produkte müssen vernünftig<br />
unter das Volk gebracht werden, und<br />
unseriösen Anbietern muss das Handwerk<br />
gelegt werden. Uns Verbraucherschützern<br />
reichte es, wenn das, was jetzt<br />
geregelt worden ist, konsequent umund<br />
durchgesetzt würde. Zusätzlich fordern<br />
wir, dass die BaFin eine wesentlich<br />
stärkere, den Verbraucher schützende<br />
Komponente als verbraucherorientierte<br />
Finanzaufsicht bekäme und auf Kundenanfragen<br />
reagieren könnte. Hier fehlen<br />
bisher Regelungen, die es in anderen<br />
EU-Staaten bereits gibt. Großbritannien,<br />
dieses Musterbeispiel freier Marktwirtschaft,<br />
könnte hier als Vorbild dienen. n<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FORUM 41<br />
der Berater an die kurze Leine?<br />
Maßnahmen überwachen. Führen diese aber tatsächlich zum erklärten Ziel?<br />
4. Ist es angemessen, dass freie Finanzvermittler<br />
weitgehend unreguliert<br />
auf dem Markt agieren?<br />
5. Verteuert Verbraucherschutz Produkte<br />
und Dienstleistungen auf<br />
Kosten des Verbrauchers?<br />
6. Brauchen Kunden weitere Rechte<br />
gegenüber Finanzinstituten?<br />
Die Fragen stellte Thomas Schindler.<br />
Umfassende Beratung in einer Sparkasse:<br />
Der Gesetzgeber will die Berater stärker<br />
überwachen, doch Experten betrachten viele<br />
Maßnahmen als kontraproduktiv.<br />
FOTO: DPA<br />
1. Die Sparkassen haben das gesetzlich<br />
vorgegebene Beratungsprotokoll innerhalb<br />
kurzer Zeit und mit großem Aufwand<br />
eingeführt. Bei jeder Wertpapierberatung<br />
wird seit Januar 2010 nun ein<br />
schriftliches Protokoll angefertigt und<br />
dem Kunden ausgehändigt. Das dauert<br />
im Schnitt je nach Beratungsgespräch<br />
etwa 15 Minuten. Wenn man das hochrechnet,<br />
sind jeden Tag 5000 Sparkassenberater<br />
allein damit beschäftigt, Protokolle<br />
anzufertigen. Das ist Zeit, die der<br />
eigentlichen Kundenberatung nicht zur<br />
Verfügung steht. Das Beratungsprotokoll<br />
dient damit in erster Linie der Bürokratie,<br />
nicht der Kundenberatung.<br />
2. Wir denken, dass Kunden kein Protokoll<br />
aufgezwungen werden sollte. Grundsätzlich<br />
muss ein Beratungsprotokoll<br />
bei jeder Wertpapierberatung angefertigt<br />
werden. Aber der Kunde sollte auch<br />
die Möglichkeit haben, die<br />
Erstellung eines Protokolls<br />
ausdrücklich abzulehnen.<br />
Wir befürchten, dass sich<br />
sonst manche Kunden aus<br />
der Beratung verabschieden.<br />
Das wäre nicht im Sinne des<br />
Gesetzgebers, der ja gerade<br />
auf eine bessere Beratungsqualität<br />
abzielte. Hier muss<br />
der Gesetzgeber Augenmaß<br />
walten lassen.<br />
3. Das Ziel sollte es sein, ein<br />
einheitliches Anlegerschutzniveau<br />
zu erreichen. Am aktuellen<br />
Gesetzentwurf sehen<br />
wir daher Nachbesserungsbedarf.<br />
Mit zusätzlichen Anforderungen<br />
werden nur<br />
diejenigen Kreditinstitute<br />
belastet, die Beratung anbieten.<br />
Die zusätzlichen wirtschaftlichen<br />
und bürokratischen<br />
Belastungen dürfen<br />
nicht dazu führen, dass Kunden<br />
auf Beratung verzichten<br />
und sich in reinen Online-<br />
Angeboten selbst bedienen.<br />
Die Regelung erreicht deshalb<br />
vor allem, dass diejenigen<br />
Vertriebswege für<br />
Institute und für Kunden<br />
aus Kostengründen attraktiver<br />
werden, bei denen keine<br />
Beratung erfolgt. Es ist<br />
unlogisch und widersinnig,<br />
bessere Beratung zu fordern<br />
und im Ergebnis diejenigen<br />
zu bevorzugen, die keine Beratung<br />
anbieten. Diese Wettbewerbsverzerrung<br />
sollte<br />
beseitigt werden.<br />
4. Aktuell lässt man freie<br />
Finanzvermittler nahezu<br />
ungeregelt auf dem Markt<br />
agieren und unterwirft sie<br />
lediglich einer Gewerbeaufsicht.<br />
Die Schrauben und<br />
damit der Aufwand werden<br />
so dort angezogen, wo heute<br />
nach allen Erfahrungen ein höheres<br />
Qualitätsniveau unterstellt werden kann.<br />
Nicht belastet werden die Bereiche, wo<br />
eher Zweifel angebracht sind. Gute Beratung<br />
wird durch staatliche Auflagen immer<br />
teurer gemacht. Eigentlich müsste es<br />
umgekehrt sein: Es müssten diejenigen<br />
entlastet werden, die gute Beratung anbieten.<br />
Und Regulierungen müssten dort<br />
ansetzen, wo ohne Beratung oder ohne<br />
CONTRA<br />
„Regulierungen<br />
müssten dort<br />
ansetzen, wo<br />
ohne Beratung<br />
oder ohne<br />
ausreichende<br />
Qualität verkauft<br />
wird.“<br />
Karl-Peter<br />
Schackmann-<br />
Fallis,<br />
Geschäftsführendes<br />
Vorstandsmitglied,<br />
Deutscher<br />
Sparkassen- und<br />
Giroverband<br />
ausreichende Qualität einfach<br />
verkauft wird.<br />
5. Allein für das Anlegerschutzverbesserungsgesetz<br />
veranschlagt die Bundesregierung<br />
rund 24 Mio. Euro<br />
pro Jahr sowie einmalig drei<br />
Mio. Euro. Die Kosten für diese<br />
überschießenden gesetzgeberischen<br />
Maßnahmen<br />
muss letztlich der Anleger<br />
tragen. Wir halten es daher<br />
auch aus diesem Grund<br />
nicht für gerechtfertigt,<br />
wenn jeder Sparkassenberater<br />
bei der BaFin gemeldet<br />
werden soll, während Vermittler<br />
am grauen Kapitalmarkt<br />
nur der Gewerbeaufsicht<br />
unterliegen und reine<br />
Vermittler von Investmentfonds<br />
die Beratung nicht einmal<br />
protokollieren müssen.<br />
Für ein Kreditinstitut und<br />
seine Beratungsqualität ist<br />
der Vorstand verantwortlich,<br />
er ist bereits heute bei der<br />
BaFin registriert. Eine Registrierungspflicht<br />
für alle Berater<br />
ist teuer und aufwändig<br />
– und bringt in der Sache<br />
keine Verbesserung.<br />
6. Insgesamt sehen wir es<br />
positiv, dass die Bundesregierung<br />
die Anlageberatung<br />
weiter verbessern will.<br />
Die vorgeschlagenen Regelungen<br />
decken sich zum<br />
Teil mit Maßnahmen, die<br />
die Kreditwirtschaft bereits<br />
praktiziert. So setzen die<br />
Institute bereits heute standardisierte<br />
Produktinformationsblätter<br />
erfolgreich<br />
in der Anlageberatung ein.<br />
Bei der Verbesserung der<br />
Beratungsqualität warten<br />
wir nicht auf die Vorgaben<br />
des Gesetzgebers. Für uns ist<br />
das eine Daueraufgabe, die<br />
wir mit Hochdruck verfolgen. Ganzheitliche<br />
und persönliche Beratung für alle<br />
Einkommensstufen, Altersklassen und<br />
Lebensphasen gehört für die Sparkassen<br />
zur Geschäftsphilosophie dazu. Wir wollen<br />
aber auch, dass unsere Kunden die<br />
angebotenen Lösungen verstehen. Unser<br />
Ziel ist es, Marktführer im verständlichen<br />
Erklären von Finanzprodukten zu werden.<br />
n<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
42<br />
PERSPEKTIVEN<br />
SOZIALES ENGAGEMENT<br />
Trommeln für Spender<br />
Drei Menschen sterben statistisch gesehen jeden Tag in Deutschland, weil ein Spenderorgan fehlt.<br />
Die Frankfurter Sparkasse will für das Thema sensibilisieren – und andere Institute inspirieren.<br />
n VON CLAUDIA FRICKEL<br />
Herz, Niere, Leber oder Lunge: 12.000<br />
Menschen warten jedes Jahr in<br />
Deutschland dringend auf eine Organspende.<br />
Rund 4000 von ihnen kann geholfen<br />
werden, doch drei Menschen sterben<br />
jeden Tag, weil kein passendes Organ<br />
zur Verfügung stand.<br />
Dagegen will die Frankfurter Sparkasse<br />
etwas tun – indem sie hilft, ein Bewusstsein<br />
für das Thema zu schaffen. „Wir<br />
wollen Mitarbeiter und Kunden sensibilisieren“,<br />
sagt Christian Schudnagies, Vertriebsdirektor<br />
für Unternehmenskunden<br />
bei der Fraspa. Er hat einen persönlichen<br />
Bezug zum Thema: „Ich habe Ärzte in der<br />
Familie, die in ihrer beruflichen Praxis<br />
Transplantierte betreuen. Zudem hatte<br />
ich früher einen Mitarbeiter, der nach<br />
einem tragischen Unfall mit 28 Jahren<br />
selbst zum Organspender geworden ist.“<br />
Schudnagies setzt sich aus persönlicher<br />
Überzeugung zusammen mit seinem<br />
Kollegen Heinz Wissenbach für mehrere<br />
Aktionen der Fraspa zum Thema Organspende<br />
ein. Die Bank arbeitet dabei mit<br />
der Deutschen Stiftung Organspende<br />
(DSO) zusammen. Die DSO besteht bereits<br />
seit 25 Jahren und ist seit Mitte 2000 die<br />
zentrale Koordinierungsstelle für Organspende<br />
in Deutschland (s. Kasten).<br />
Einen Bezug zur Fraspa gibt es schon<br />
lange: Das Institut betreut die Organisation<br />
seit ihrer Gründung. Schudnagies<br />
suchte einen Weg, um die DSO auch über<br />
das Geschäftliche hinaus zu unterstützen.<br />
Die DSO ist bundesweit für die Koordinierung<br />
der Organspenden verantwortlich.<br />
Spanier spenden häufiger<br />
„Viel zu viele Menschen haben sich noch<br />
nicht mit dem Thema auseinandergesetzt“,<br />
sagt Prof. Günter Kirste, Medizinischer<br />
Vorstand der DSO: „Dies soll sich<br />
ändern.“ Laut einer Umfrage der Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung<br />
würden zwar drei Viertel der Deutschen<br />
nach dem Tod ihre Organe spenden, aber<br />
nur 25 Prozent der Befragten besäßen einen<br />
Organspendeausweis.<br />
Im Jahr 2009 haben laut DSO bundesweit<br />
1217 Menschen nach ihrem Tod ihre<br />
INTERVIEW<br />
„Wir brauchen viel mehr Botschafter“<br />
Thomas Beck von der Deutschen Stiftung Organtransplantation sucht weitere Partner<br />
SPARKASSE: Herr Beck, laut einer<br />
Umfrage der Bundeszentrale für<br />
gesundheitliche Aufklärung sind<br />
zwar zwei Drittel der Deutschen<br />
bereit, nach ihrem Tod Organe zu<br />
spenden. Aber nur jeder vierte<br />
Deutsche besitzt einen Organspendeausweis.<br />
Wie das?<br />
Thomas Beck: Grundsätzlich<br />
wären die meisten Menschen<br />
bereit zu helfen. Aber<br />
viele haben sich noch nicht<br />
intensiv genug mit der Frage<br />
zur Organspende auseinandergesetzt<br />
und schieben die<br />
Entscheidung vor sich her. Solange<br />
man selbst oder sein Umfeld<br />
nicht direkt betroffen ist,<br />
hat das Thema für viele keine<br />
Lebensrelevanz. Es ist jedoch<br />
wichtig, sich frühzeitig mit diesem<br />
Thema auseinanderzusetzen<br />
und eine Entscheidung zu treffen.<br />
Schon deshalb, weil andernfalls die Angehörigen<br />
in einer Situation der Trauer<br />
und Verzweiflung vor diese schwierige<br />
Entscheidung gestellt werden. Davor<br />
„Wir müssen die<br />
Strukturen in den<br />
Krankenhäusern<br />
verbessern.“<br />
Thomas Beck,<br />
kaufm. Vorstand<br />
der Deutschen<br />
Stiftung Organtransplantation<br />
(DSO)<br />
sollte man seine Familie bewahren,<br />
einen Organspendeausweis<br />
ausfüllen und vor allem<br />
mit seinen Angehörigen darüber<br />
sprechen.<br />
Wie wichtig sind gemeinsame Aktionen<br />
wie die mit der Frankfurter<br />
Sparkasse für die DSO?<br />
Beck: Sehr wichtig, weil damit<br />
viele Menschen persönlich und<br />
ganz direkt erreicht werden.<br />
Wir brauchen viel mehr Botschafter,<br />
die sich für das Thema<br />
Organspende einsetzen und<br />
ihm die Selbstverständlichkeit<br />
und Wertigkeit geben, die ihm<br />
zukommt. Jeder von uns kann<br />
in die Situation geraten, auf<br />
eine Organspende angewiesen<br />
zu sein, um zu überleben.<br />
Was ist für die DSO die größte Herausforderung<br />
und die wichtigste Aufgabe der<br />
Zukunft?<br />
Beck: Zum einen müssen wir unermüdlich<br />
in unserer Aufklärungsarbeit fort-<br />
fahren. Zu diesem Zweck haben wir die<br />
Stiftung „Fürs Leben“ gegründet und<br />
geben den Zahlen und Fakten hinter<br />
der Organspende und Transplantation<br />
mit den authentischen Patienten- und<br />
Angehörigengeschichten ein Gesicht.<br />
Auf diese Weise versuchen wir, die Menschen<br />
emotional zu erreichen und zu<br />
motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen.<br />
Zum andern müssen wir aber auch<br />
gemeinsam mit unseren Partnern im<br />
Gesundheitssystem die Strukturen in<br />
den Krankenhäusern verbessern, damit<br />
hier die Organspende ebenfalls<br />
stärker als bisher wahrgenommen und<br />
gefördert wird. Leider kommen viele<br />
Krankenhäuser ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag<br />
zur Organspende nur<br />
unzureichend nach. Spender werden<br />
nicht erkannt, oder wir als Koordinierungsstelle<br />
werden nicht darüber informiert.<br />
Andere Länder, wie etwa Spanien,<br />
können uns hier ein Vorbild sein,<br />
insgesamt mehr Verbindlichkeit und<br />
Selbstverständlichkeit ins System zu<br />
bringen.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
PERSPEKTIVEN 43<br />
Organe gespendet – 19 Spender mehr als<br />
im Vorjahr. Die Zahl der Organspender<br />
pro eine Million Einwohner hat sich mit<br />
14,9 gegenüber dem Vorjahr (14,6) kaum<br />
bewegt. Zum Vergleich: In Spanien gibt es<br />
34 Spender pro eine Million Einwohner.<br />
Dabei gehe das Thema alle an, wie die<br />
DSO eindringlich ermahnt. Jeder könne<br />
plötzlich durch eine schwere Krankheit<br />
oder einen Unfall in die Situation geraten,<br />
auf ein neues Organ angewiesen zu sein.<br />
Die Wahrscheinlichkeit, selbst irgendwann<br />
auf eine Organspende angewiesen<br />
zu sein, sei viel höher, als tatsächlich als<br />
Organspender infrage zu kommen. DSO-<br />
Vorstand Kirste erläutert: „Für unsere<br />
Aufklärungsarbeit brauchen wir starke<br />
Partner und Sponsoren, Unternehmen<br />
und Institutionen, die helfen, das Thema<br />
als gemeinsame gesellschaftliche<br />
Aufgabe in die Öffentlichkeit zu tragen<br />
und insbesondere auch finanziell durch<br />
Spenden zu unterstützen.“<br />
Hier setzte die Frankfurter Sparkasse<br />
an. Schudnagies und Wissenbach organisierten<br />
zunächst 2009 einen Gesundheitstag<br />
zur Organspende bei der Fraspa.<br />
Die DSO informierte mit einem Stand<br />
die Mitarbeiter, auch die Empfängerin<br />
eines Spenderorgans war anwesend.<br />
Wer wollte, konnte direkt einen Organspendeausweis<br />
ausfüllen. Schudnagies<br />
ist begeistert über die Resonanz bei den<br />
Fraspa-Angestellten: „Sie waren sehr aufgeschlossen,<br />
etliche hatten auch bereits<br />
einen Organspendeausweis.“<br />
Sparkasse motiviert Kunden<br />
Danach weiteten Schudnagies und Wissenbach<br />
ihr Engagement aus. „Wir sprachen<br />
die Fraport AG als unseren größten<br />
Kunden an und fragten, ob sie nicht auch<br />
bei einer Aktion mit der DSO mitmachen<br />
wolle.“ Die Fraport AG als Betreibergesellschaft<br />
des Frankfurter Flughafens erklärte<br />
sich sofort bereit: In vier Kantinen des<br />
Unternehmens informierte die DSO eine<br />
Woche lang über Organspende.<br />
Als nächstes regten Schudnagies und<br />
Wissenbach eine Kooperation mit dem<br />
Radiosender Radio Tele FFH an. Außerdem<br />
wird die Frankfurter Sparkasse<br />
beim Tag der Organspende am 4. Juni als<br />
Bankpartner der DSO auftreten. „Die Aktion<br />
fing im Kleinen an und hat jetzt ganz<br />
schöne Wellen geschlagen“, sagt der Vertriebsdirektor.<br />
Jetzt möchte Schudnagies andere Sparkassen<br />
motivieren, dem Beispiel seines<br />
Hauses zu folgen. „Ich möchte dafür<br />
innerhalb der Sparkassenorganisation<br />
werben. Jeder kann versuchen, die eigenen<br />
Mitarbeiter und Kunden für das Thema<br />
zu sensibilisieren. Wenn nur jedes<br />
50. Institut die DSO unterstützt, ist das<br />
schon eine sehr gute Sache.“ Vorsorglich<br />
nehmen er und Wissenbach die Sorge vor<br />
etwaigem Mehraufwand: „Die DSO ist gut<br />
ausgestattet und arbeitet sehr professionell,<br />
sie unterstützt und hilft.“<br />
<br />
Organspende in Deutschland: Daten und Fakten<br />
In Deutschland werden mehr Organe benötigt<br />
als gespendet. Im Jahr 2009 wurden laut Deutscher<br />
Stiftung Organspende (DSO) 2172 Nieren<br />
verpflanzt – 2772 inklusive Lebendspenden.<br />
Auf der Warteliste für eine Nierentransplantation<br />
standen hingegen über 8000 Patienten.<br />
Der Bedarf an Spendernieren ist am größten.<br />
Es folgen Leber, Herz und Lunge. Lediglich bei<br />
der Bauchspeicheldrüse und beim Dünndarm<br />
kann der Bedarf nahezu gedeckt werden. Fast<br />
100.000 Organe wurden seit 1963 allein in<br />
Deutschland transplantiert. Fünf Jahre nach<br />
der Transplantation sind noch etwa 70 Prozent<br />
der Empfänger am Leben. Im Durchschnitt<br />
schenkt ein Organspender drei schwerkranken<br />
Menschen eine Überlebenschance. Die<br />
Vergabe von Spendeorganen erfolgt nach<br />
festgelegten Kriterien wie Dringlichkeit, Gewebeübereinstimmung<br />
und Erfolgsaussicht. Die<br />
Chancengleichheit in der Organvergabe wird<br />
durch eine einheitliche Warteliste gesichert.<br />
Es ist auch möglich, nur bestimmte Organe zu<br />
spenden, das kann man im Organspendeausweis<br />
festhalten, den es zum Download oder<br />
zum Bestellen beim Infotelefon Organspende,<br />
der DSO oder der Bundeszentrale für gesundheitliche<br />
Aufklärung gibt. Auch Krankenkassen,<br />
Pro und contra Organspende<br />
viele Ärzte und Apotheken stellen sie zur<br />
Verfügung. Die DSO unterstützt etwa 1400<br />
Krankenhäuser mit Intensivstationen und<br />
50 Transplantationszentren im komplexen und<br />
viel Professionalität erfordernden Organspendeprozess.<br />
Mit „Fürs Leben. Für Organspende“<br />
hat die DSO die bisher größte bundesweite<br />
Initiative zu diesem Thema ins Leben gerufen.<br />
Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela<br />
Merkel.<br />
www.dso.de<br />
www.fuers-leben.de<br />
www.organspende-info.de<br />
Möchten auch andere Sparkassen für das<br />
Thema sensibilisieren: Christian Schudnagies<br />
und Heinz Wissenbach von der Fraspa.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
44<br />
PERSPEKTIVEN<br />
MIKROKREDITE<br />
Hier muss die schwarze<br />
Null genügen<br />
Mikrokredite standen zuletzt in der Kritik. Vor allem Kreditnehmer in Asien gerieten in die<br />
Schuldenfalle, weil die Finanzierer die Kredite leichtfertig vergäben, monieren Marktbeobachter.<br />
Für die Mikrokredit-Kunden deutscher Sparkassen sind solche Risiken gering. Die Institute<br />
schätzen ihre monetären Ertragsaussichten allerdings auch sehr realistisch ein.<br />
n VON SUSANNE SCHNEIDER<br />
Während Mikrokredite bis vor Kurzem<br />
noch als Allheilmittel gegen Armut<br />
gefeiert wurden, sorgten sie zuletzt auch<br />
für Negativschlagzeilen. Einigen Mikrofinanzierern<br />
– vor allem in Asien – wird<br />
vorgeworfen, mit Wucherzinsen und zügelloser<br />
Kreditvergabe Menschen in die<br />
Schuldenfalle zu treiben. In Indien kam<br />
es kürzlich gar zu einer Selbstmordwelle<br />
hochverschuldeter Mikrokreditnehmer.<br />
Natürlich sind die Bedingungen hierzulande<br />
anders als in Indien. Dennoch liegt<br />
die Frage nahe, ob Mikrofinanzierung<br />
auch in Deutschland zur Überschuldung<br />
statt zu Mehreinkommen führen kann.<br />
Immerhin sei der Leitgedanke der Mikrofinanzierung<br />
hierzulande derselbe wie<br />
in Asien oder Osteuropa, wie Hans-Jürgen<br />
Mulski, Vorstandsvorsitzender der<br />
Herner Sparkasse, betont. „Oftmals wird<br />
der Existenzaufbau aus einer schwierigen<br />
wirtschaftlichen und sozialen<br />
Ausgangslage heraus gewagt“, sagt Mulski,<br />
dessen Sparkasse seit 2008 mit dem<br />
StarterCenter NRW der Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />
Herne bei der Mikrofinanzierung<br />
kooperiert.<br />
Anträge scheitern oft im Vorfeld<br />
Die Gefahr, dass Kredite auch – oder gerade<br />
– an Menschen vergeben werden, die<br />
sie gar nicht zurückzahlen können, sei<br />
dennoch gering. In Deutschland werden<br />
Mikrokredite nicht so lax vergeben wie in<br />
Teilen Asiens und Osteuropas. Dort gibt<br />
es in bestimmten Regionen inzwischen<br />
deutlich zu viele Mikrofinanzierer, von<br />
denen manche börsennotiert sind und<br />
hohe Renditeerwartungen ihrer Anleger<br />
erfüllen müssen.<br />
Zwar versuchten Mikrofinanzier auch<br />
in Europa durchaus, den Kreditprozess<br />
zu verschlanken, indem sie beispielsweise<br />
auf einen schriftlichen Business-Plan<br />
verzichteten, sagt Bertram Reddig, Leiter<br />
Fördergeschäft und Mikrokredit-Experte<br />
beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband<br />
(DSGV). Bei den Sparkassen<br />
seien kleine Kredite für Gründer und<br />
Kleinstunternehmer jedoch „normales<br />
Kreditgeschäft“, es müssten also sämtliche<br />
Vorgaben einer Kreditvergabe eingehalten<br />
werden.<br />
Das heißt auch, dass sehr<br />
genau geprüft wird, wie Sparkassenvorstand<br />
Mulski betont.<br />
„Voraussetzung für die Bewilligung<br />
einer Mikrofinanzierung<br />
ist eine dauerhafte Markt- und<br />
Tragfähigkeit der unternehmerischen<br />
Idee und die Bereitschaft,<br />
das Unternehmen<br />
nachhaltig auszubauen.“ Die<br />
Kriterien für eine Kreditvergabe<br />
berücksichtigen auch die<br />
Persönlichkeit, das Engagement<br />
und die Motivation des<br />
Gründers oder Unternehmers.<br />
Die damit verbundene Rückzahlungswahrscheinlichkeit<br />
der ausgereichten Mittel, ein<br />
überzeugendes schriftliches<br />
Unternehmenskonzept und<br />
eine einwandfreie Schufa-Auskunft<br />
bildeten weitere Voraussetzungen<br />
für die Kreditbewilligung, ergänzt<br />
Mulski.<br />
Einige Kreditgeber gehen noch weiter.<br />
So begleitet die Sparkasse Leipzig, die seit<br />
Mai 2010 mit der Stadt Leipzig an einem<br />
Mikrodarlehensfonds beteiligt ist, Mikrokreditnehmer<br />
noch bis zu fünf Jahre. In<br />
dieser Zeit finden regelmäßige Plan-Ist-<br />
Abgleiche mit den jungen Unternehmen<br />
statt, um möglichen Fehlentwicklungen<br />
vorzubeugen und um bei Anlaufschwierigkeiten<br />
rechtzeitig gegensteuern zu<br />
können.<br />
Die hohen Anforderungen sind denn<br />
auch der Hauptgrund dafür, dass viele<br />
Finanzierungen in diesem Geschäftsbereich<br />
erst gar nicht zustande kommen.<br />
So berichtet Manfred Bernjus, Leiter Vorstandsstab<br />
der Sparkasse Offenbach, die<br />
im Bereich Mikrokredite in Kooperation<br />
mit dem regionalen Gründungscenter<br />
„Bei den etwa<br />
30 von uns<br />
begleiteten<br />
Finanzierungen<br />
gab<br />
es bislang<br />
lediglich<br />
einen Ausfall.“<br />
Manfred Bernius,<br />
Leiter Vorstandsstab,<br />
Sparkasse<br />
Offenbach<br />
KIZ und weiteren Akteuren 2007 den „Ostpolkredit“<br />
ins Leben gerufen hat, dass<br />
seit 2007 von etwa 100 Finanzierungsanfragen<br />
nur etwa ein Drittel realisiert worden<br />
sei. Die Gründe waren laut Bernjus<br />
zum einen nicht durchdachte Geschäftskonzepte,<br />
zum anderen häufig<br />
auch irrtümliche Erwartungen<br />
der Kreditnehmer, dass es sich<br />
dabei um nicht-rückzahlbare<br />
Zuschüsse handele. Vor diesem<br />
Hintergrund mussten bisher<br />
allerdings auch nur wenige<br />
Ausfälle verzeichnet werden.<br />
„Bei den etwa 30 von uns begleiteten<br />
Finanzierungen gibt<br />
es bislang lediglich einen Ausfall“,<br />
sagt Bernjus.<br />
Experten zufolge kann Mikrofinanzierung<br />
vor allem dann<br />
in die Überschuldung führen,<br />
wenn Banken oder andere<br />
Mikrofinanzierer ein starkes<br />
Eigeninteresse an diesem Geschäft<br />
entwickeln – wie das Beispiel<br />
Indien zeigt. Doch damit<br />
sei hierzulande nicht zu rechnen.<br />
Die meist intensive Betreuung<br />
der Kreditnehmer macht dieses<br />
Geschäft, das zudem, wie die Sparkassen<br />
berichten, eher mit kleinen Stückzahlen<br />
verbunden ist, in der Regel so aufwändig,<br />
dass es betriebswirtschaftlich sogar<br />
defizitär sein kann – zumal zweistellige<br />
Zinssätze, wie teilweise in Asien von<br />
den Mikrokreditnehmern gefordert, in<br />
Deutschland nicht durchsetzbar wären.<br />
Eine Frage des öffentlichen Auftrags<br />
Vor diesem Hintergrund habe man mit<br />
diesem Geschäftszweig auch keine hohen<br />
betriebswirtschaftlichen Erwartungen<br />
verbunden, sagt der Leiter Vorstandsstab<br />
der Sparkasse Offenbach. Allerdings fielen<br />
durch eine extrem schlanke Abwicklung<br />
in dem Institut auch keine nennenswerten<br />
Kosten an. Der Geschäftszweig sei<br />
auch deshalb sinnvoll, weil bei der Finanzierung<br />
kein Kreditrisiko bestehe, sagt<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
PERSPEKTIVEN 45<br />
Sparkassenmanager Bernjus. Als Motive<br />
der Sparkasse, solche Finanzierungen zu<br />
übernehmen, nennt Bernjus zum einen<br />
die Erfüllung eines öffentlichen Auftrags,<br />
zum anderen gehe es um die Förderung<br />
von Kleinstunternehmen. „Wir wollen<br />
für schlüssige Geschäftsideen die Chance<br />
auf Umsetzung bieten und damit verbunden<br />
eine Bankfähigkeit für solche Unternehmen<br />
erreichen.“<br />
DSGV-Experte Reddig glaubt nicht, dass<br />
die aufwändigen Mikrokredit-Prozesse es<br />
in jedem Falle notwendig machen, dass<br />
die Sparkasse zuzahlt. „Ich gehe davon<br />
aus, dass das Geschäft kostendeckend<br />
machbar ist, etwa wenn Sparkassen bei<br />
der kostenintensiven Betreuung der<br />
Kleinkreditnehmer mit geeigneten Partnern<br />
vor Ort zusammenarbeiten, wie es<br />
auch der DSGV-Leitfaden zur Existenzgründungsbetreuung<br />
anregt.“ Zudem<br />
sollte hier grundsätzlich auf die Hereinnahme<br />
von Sicherheiten verzichtet werden,<br />
deren Verwaltung und eventuelle<br />
spätere Verwertung mehr Kosten als<br />
Nutzen bringen könne. Allerdings, so<br />
schränkt Reddig ein, seien kleine Kredite<br />
naturgemäß kein Produkt, das eine Sparkasse<br />
oder ein anderes Geldinstitut aus<br />
rein betriebswirtschaftlichen Gründen in<br />
den Fokus seiner Aktivitäten stelle.<br />
Unter dem Strich überwiegen Vorteile<br />
Freilich können Banken und Sparkassen<br />
auch hierzulande nicht jeden Mikrokreditnehmer<br />
vor Überschuldung schützen.<br />
So ist ein Geldinstitut kaum in der Lage zu<br />
verhindern, dass sich ein Kreditnehmer<br />
bei verschiedenen Häusern gleichzeitig<br />
oder nacheinander Kredite beschafft.<br />
Selbst das Einholen von Schufa-Auskünften<br />
hilft hier nicht weiter. So ist nicht gesagt,<br />
dass alle kreditgebenden Institute<br />
der Schufa angeschlossen sind. Zudem<br />
ist es möglich, dass vergebene Kredite<br />
nicht an die Schufa gemeldet werden.<br />
„Letztlich können wir als Sparkasse nicht<br />
verhindern, dass sich jemand bei weiteren<br />
Kreditinstituten Mittel beschafft,<br />
nachdem er von uns eine Finanzierung<br />
erhalten hat“, sagt der Offenbacher Sparkassenmanager<br />
Bernjus. In der Praxis<br />
habe er aber ein solches Geschäftsgebaren<br />
bei Mikrofinanzierungen noch nicht<br />
festgestellt.<br />
Unter dem Strich überwiegen in<br />
Deutschland die Vorteile der Mikrofinanzierungen<br />
gegenüber potenziellen<br />
Nachteilen. „Viele Mikrofinanzvorhaben<br />
entfalten entwicklungsförderliche<br />
Wirkungen, schaffen Einkommen und<br />
Beschäftigung“, sagt der Herner Sparkassenchef<br />
Mulski. Die kleinvolumigen<br />
Finanzierungen ermöglichten oft erst<br />
Gründung, Existenzfestigung und Wachstum<br />
eines Kleinstunternehmens. <br />
<br />
Lesen Sie zum Thema auch die nachfolgende<br />
Seite.<br />
Mikrokredite in der Kritik – Wucherzinsen und laxe Vergabepraxis ruinieren Empfänger<br />
Straßenszene im indischen Hyderabad:<br />
In Indien und anderen asiatischen Ländern<br />
sorgten Mikrofinanzierungen zuletzt für<br />
Negativschlagzeilen. Einigen Mikrofinanzierern<br />
wird vorgeworfen, die Kreditnehmer mit zu<br />
hohen Zinsen und ungezügelter Kreditvergabepraxis<br />
in die Schuldenfalle zu treiben. Durch<br />
das rasante Wachstum der Mikrokreditgeber,<br />
deren Geschäft mittlerweile vor allem über<br />
Masse funktioniert, werde vielen Bedürftigen<br />
das Geld regelrecht aufgedrängt, teilweise<br />
ohne Rücksicht darauf, wie viele Schulden der<br />
Kreditnehmer bereits bei Konkurrenten hat. Für<br />
viele Schuldner ist es vielerorts auch problemlos<br />
möglich, von einem Mikrokreditanbieter Geld<br />
zu leihen, um die ausstehenden Raten beim<br />
nächsten zu begleichen. Dies führt häufig in<br />
eine Schuldenspirale, aus der sich einige nur<br />
durch Freitod zu befreien wüssten. Im indischen<br />
Bundesstaat Andhra-Pradesh gab es sogar eine<br />
Reihe von Selbstmorden unter Mikrokreditnehmerinnen.<br />
Mindestens 30 Frauen nahmen<br />
sich Medienberichten zufolge innerhalb von 45<br />
Tagen das Leben, weil sie ihre Kleinstkredite<br />
von durchschnittlich 300 Rupien pro Woche<br />
(umgerechnet 5 Euro) nicht zurückzahlen<br />
konnten. Nach Berichten von Rating-Agenturen<br />
zahlen derzeit nur noch 20 bis 30 Prozent der<br />
Mikrokreditkunden in Andhra Pradesh ihre<br />
Kredite ab. Der Bundesstaat ist das Zentrum<br />
des Mikrokreditwesens. Mit 26,5 Mio. Kreditnehmern<br />
ist Indien der mit Abstand größte<br />
Mikrokreditmarkt der Welt.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
46<br />
LITERATUR<br />
SOCIAL BUSINESS<br />
Mit Konzernen<br />
gegen Armut<br />
Nobelpreisträger Muhammad Yunus versucht,<br />
Unternehmen zur Gründung sozial orientierter<br />
Unternehmen zu gewinnen.<br />
n VON MIRKO HEINEMANN<br />
Ar mut ist ein Fehler im<br />
gesellschaftlichen System,<br />
so die Ausgangsthese<br />
von Muhammad Yunus. Der<br />
Ökononom und Friedensnobelpreisträger,<br />
der mit seiner<br />
Grameen-Bank das Prinzip<br />
der Mikrokredite konsequent<br />
umsetzte, dreht das Rad weiter:<br />
„Social Business“ heißt<br />
sein Aufruf an Unternehmer<br />
und Konzerne, den Aufbau<br />
von Firmen zu betreiben, die,<br />
statt Gewinne für Shareholder<br />
zu erwirtschaften, diese lieber<br />
in eine „soziale Rendite“<br />
umwandeln sollten. „Soziale<br />
Unternehmen“ sind für Yunus<br />
die Vorreiter im Kampf gegen<br />
die Armut.<br />
Social Business<br />
Von der Vision zur Tat.<br />
Muhammad Yunus,<br />
Hanser Verlag, 2010,<br />
269 Seiten, 19, 90 Euro<br />
„Wir können uns Social<br />
Business als selbstloses Unternehmen<br />
vorstellen, dessen<br />
Ziel die Lösung eines sozialen<br />
Problems ist“, schreibt Yunus.<br />
Die Gewinne der Firma sollten<br />
sozialen Zwecken zugeführt<br />
werden. Erste Firmen dieser<br />
Art hat Yunus bereits ins Leben<br />
gerufen, in Kooperation<br />
mit großen Konzernen. Dem<br />
Nahrungsmittelhersteller<br />
Danone etwa, dem Chiphersteller<br />
Intel, dem Chemieunternehmen<br />
BASF oder dem<br />
Versandhändler Otto (siehe<br />
Interview). Die Firmen tragen<br />
den Beinamen „Grameen“<br />
und verpflichten sich zur Gewinnmaximierung<br />
im Sinne<br />
der Armutsbekämpfung.<br />
Ein lobenswertes Ziel, die<br />
Gefahr dabei ist nur: Das La-<br />
bel „Grameen“ könnte zum<br />
PR-Vehikel für multinationale<br />
Konzerne werden, die sich<br />
damit zu Helden im Kampf<br />
gegen die Armut stilisieren,<br />
während sie andernorts Gewinne<br />
aufgrund des globalen<br />
sozialen oder ökologischen<br />
Gefälles erwirtschaften.<br />
„Grameen“ als PR-Vehikel?<br />
Dennoch ist die Idee bestechend.<br />
Yunus’ Verdienst war<br />
es, die Macht der vormodernen<br />
Geldverleiher in den<br />
Slums von Bangladesch zu<br />
brechen. Statt wegen kleinster<br />
Kreditsummen in ein System<br />
faktischer Sklaverei zu geraten,<br />
weil der Geldverleiher<br />
auch die Abnahme bestimmte<br />
und als Zwischenhändler fungierte,<br />
vergab seine Grameen-<br />
Bank erstmals auch Kredite<br />
ohne weitergehende Konditionen<br />
an die Ärmsten der Armen,<br />
und das zu einem günstigeren<br />
Zinssatz.<br />
Die Kredite brachen das<br />
tradierte System der Armut<br />
auf und eröffneten damit<br />
erstmals Aufstiegsschancen.<br />
Gleichzeitig wurde ein bis<br />
dato brachliegender ökonomischer<br />
Sektor erschlossen.<br />
Heute beträgt das Kapital der<br />
Grameen-Bank mehr als eine<br />
halbe Mrd. US-Dollar.<br />
Mit dem Social Business ist<br />
es ähnlich wie mit der Grameen-Bank:<br />
Neu ist die Idee<br />
nicht, aber Yunus treibt sie<br />
engagiert voran. Er erweist<br />
sich damit als unermüdlicher<br />
Kämpfer für eine Reformierung<br />
des Kapitalismus selbst.<br />
Yunus fordert ein Umdenken:<br />
Gewinne sind moralisch<br />
dann, wenn sie für moralische<br />
Zwecke verwendet werden.<br />
Sie sollten nicht einige wenige<br />
reich machen, sondern<br />
der Bekämpfung der Armut<br />
dienen. Und damit der Gesellschaft.<br />
<br />
Grameen-Bank-Gründer Muhammad Yunus (r.) mit Otto-Group-Aufsichtsratschef<br />
Michael Otto. Der Versandhändler hat mit der Bank<br />
Grameen die Otto Grameen Textile Company gegründet.<br />
<br />
FOTOS: DPA, OTTO GROUP<br />
„Erst einmal geht es um die Sache“ –<br />
Fragen an den Yunus-Partner Michael Otto<br />
S PA R K A S S E : H e r r O t t o ,<br />
S i e s e t z e n M u h a m m a d<br />
Yunus’ Vision eines „Social<br />
Business“gemeinsam mit<br />
ihm in die Praxis um. Worauf<br />
kommt es dabei an?<br />
Michael Otto: Der erwirtschaftete<br />
Profit wird nicht<br />
als Dividende an Investoren<br />
ausgezahlt, sondern<br />
kommt in vollem Umfang<br />
den Mitarbeitern zugute.<br />
Er soll ausschließlich der<br />
Verbesserung der Lebensumstände<br />
der Angestellten,<br />
ihrer Familien und der<br />
umliegenden Gemeinden<br />
dienen. Die Otto Grameen<br />
Textile Company, ein Joint<br />
Venture zwischen der Otto<br />
Group und Grameen, ist ein<br />
solches „Social Business“.<br />
Eine Fabrik der Zukunft mit<br />
Leuchtturmcharakter. Hier<br />
wird unter sozial und ökologisch<br />
nachhaltigen Bedingungen<br />
Bekleidung für den<br />
Export produziert.<br />
Warum sollte man ein Unternehmen<br />
starten, das keinen<br />
Gewinn abwirft?<br />
Otto: Die Otto Grameen<br />
Textile Company soll natürlich<br />
Gewinne abwerfen. Wir<br />
sprechen hier aber nicht<br />
von einer Kapital- sondern<br />
von einer Sozialrendite. Wir<br />
geben den Menschen keine<br />
Almosen, sondern eine konkrete<br />
Perspektive, sich selbst<br />
aus der Armut zu befreien.<br />
„Hilfe zur Selbsthilfe“ anzubieten,<br />
scheint mir der Weg<br />
zu sein, der nachhaltig Erfolg<br />
verspricht. Nur so lässt<br />
sich die große Kluft zwischen<br />
Arm und Reich schließen.<br />
Ökonomischer Erfolg<br />
und gesellschaftspolitisch<br />
verantwortungsbewusstes<br />
Handeln dürfen sich nicht<br />
ausschließen. Sie sollen sich<br />
gegenseitig befruchten.<br />
Welche Rolle spielt die PR bei<br />
einem solchen Projekt?<br />
Otto: Wir wollen mit diesem<br />
Projekt Gutes tun und<br />
nicht nur ein gutes Gefühl<br />
verbreiten. Deshalb bleibt<br />
Kommunikation wichtig,<br />
steht aber im ersten Schritt<br />
nicht im Vordergrund. Erst<br />
einmal geht es um die Sache.<br />
Wir wollen innovative<br />
Lösungen für globale gesellschaftliche<br />
Herausforderungen<br />
finden. Es geht<br />
darum, die Menschen in den<br />
Entwicklungsländern zu<br />
Partnern zu machen, damit<br />
sie sich selber aus ihren teilweise<br />
noch ganz und gar unzulänglichen<br />
sozialen und<br />
ökologischen Verhältnissen<br />
befreien können. Zu diesem<br />
Denken wollen wir auch andere<br />
animieren.<br />
<br />
Will Gutes tun und Vorbild sein:<br />
Yunus-Partner Michael Otto.<br />
S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
International<br />
besser ankommen<br />
Das Internationale Firmenkundengeschäft bleibt weiterhin<br />
ein wichtiges Vertriebs- und Kommunikationsthema.<br />
Aus diesem Grund unterstützt Sie auf breiter Basis wieder<br />
die Werbekampagne im ersten GSW-Tertial 2011.<br />
Mit den Medien des Deutschen Sparkassenverlages<br />
demonstrieren Sie die Kompetenz Ihrer Sparkasse im<br />
Auslands geschäft.<br />
Kundenprospekt<br />
Auslands geschäft<br />
8 Seiten, DIN lang<br />
Artikel-Nr. 297 401 014B<br />
ab 0,13 €*<br />
Kundenbroschüre<br />
Auslands geschäft<br />
6 Seiten, DIN A4<br />
Artikel-Nr. 297 400 001<br />
1,60 €*<br />
Plakat<br />
Auslandsgeschäft<br />
DIN A1<br />
Artikel-Nr. 202 626 001<br />
ab 1,40 €*<br />
*zzgl. gesetzl. MwSt.<br />
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0711 782-1136, an firmenkunden@dsv-gruppe.de
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