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KLARTEXT - Sparkassenzeitung

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M A N A G E R M A G A Z I N D E R S P A R K A S S E N - F I N A N Z G R U P P E<br />

Sparkasse<br />

Feinde lauern<br />

häufig innen<br />

Wie Sparkassen den Abfluss<br />

interner Daten verhindern<br />

Vom Konzert<br />

zum Konto<br />

Was bei Events für<br />

junge Zielgruppen<br />

zu beachten ist<br />

Partner<br />

auf Zeit<br />

Roundtable-Gespräch<br />

zum Sparkassen-<br />

Beteiligungsgeschäft<br />

<strong>KLARTEXT</strong><br />

ZKZ 6374<br />

Medienexperte Frank Brettschneider erklärt, warum eine klare<br />

Sprache dem Image von Finanzinstituten und Managern dient<br />

128. JAHRGANG – NUMMER 02 F E B R U A R 2 0 1 1


Ihre Erfolgs - Formel:<br />

Fundiertes Wissen + aktuelle Information x 12<br />

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bis spätestens 4 Wochen nach Erhalt des zweiten Heftes. Ansonsten erhalte ich „Betriebswirtschaftliche<br />

Blätter“ zum Jahrespreis von 145,00 Euro (inkl. gesetzl. MwSt. und Zustellung im Inland). Ich kann das Abonnement<br />

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1956


EDITORIAL<br />

3<br />

Weltweit aktiv –<br />

weltweit erfolgreich<br />

KLARE WORTE<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser<br />

Es klang wie ein gut vertrauter Weckruf.<br />

„Wir Sparkassen dürfen die<br />

Umsetzung unserer Strategie nicht<br />

an Beteiligungscontroller oder Berater<br />

delegieren“, mahnte Sparkassen-<br />

Bundesobmann Helmut Schleweis<br />

auf der Vorständetagung „Märkte und<br />

Strategien“ in Berlin. „Wenn wir nicht<br />

unsere Hausaufgaben machen, werden<br />

andere das für uns tun.“ Bei vielen<br />

Verbundunternehmen der Sparkassen<br />

lägen noch erhebliche Synergiepotenziale<br />

brach, sagte Schleweis, der im<br />

Hauptberuf Chef der Sparkasse Heidelberg<br />

ist.<br />

Allein durch die Bündelung der<br />

öffentlichen Versicherer ließen sich<br />

deren „unterdurchschnittliche“ Marktanteile<br />

erhöhen und Sparpotenziale<br />

im dreistelligen<br />

Mio.-Euro-Bereich erzielen, so<br />

Schleweis. Bei den IT-Dienstleistern<br />

sei in Sachen „Bündelung“<br />

schon viel erreicht,<br />

Potenzial bestehe noch bei<br />

Landesbausparkassen oder<br />

Leasingunternehmen. Und<br />

die Verbände sollten „arbeitsteilig,<br />

kooperativ und<br />

redundanzfrei miteinander<br />

arbeiten“.<br />

Derlei Forderungen sind so<br />

neu nicht, sie waren aber im Zuge der<br />

Finanzkrise in den Hintergrund geraten.<br />

Wegen offener Fragen bei den Landesbanken<br />

sehen sich die Sparkassen<br />

vielfach in die Rolle der Getriebenen<br />

gedrängt. Die aktive Gestaltung der<br />

Beteiligungen wird auch dadurch erschwert,<br />

dass die Institute oft nicht<br />

alleinige Besitzer der Verbundunternehmen<br />

sind. „Die Sparkassen müssen<br />

bei Verbundunternehmen die Mehrheit<br />

haben, denn der Besitzer hat das<br />

Sagen“, schlussfolgerte Schleweis. Für<br />

ihn stehe daher auch außer Frage, dass<br />

die Sparkassen den Fondsdienstleister<br />

Deka komplett erwerben sollten.<br />

Bündelung mahnen Vertreter der<br />

Sparkassen-Finanzgruppe auch bei<br />

Oliver Fischer<br />

den etwa 60 aktiven Beteiligungsunternehmen<br />

an, die oft nicht über die<br />

notwendige Größe verfügten, um die<br />

regionalen Potenziale auszuschöpfen.<br />

„Ziel ist eine weitere Konsolidierung<br />

beziehungsweise Bündelung auf<br />

schlagkräftige Größen in den jeweiligen<br />

Regionen“, fordert DSGV-Expertin<br />

Christiane Bauer (ab Seite 36).<br />

Vertreter der Sparkassen begegnen<br />

derlei Einschätzungen teilweise mit<br />

Skepsis, da sie um den engen Draht<br />

zu den Firmenkunden fürchten und<br />

größere Risiken überregionaler Beteiligungen<br />

vermuten. Allerdings sieht der<br />

Gedanke der Bündelung grundsätzlich<br />

vor, dass die Nähe zu den regionalen<br />

Kunden eben nicht gefährdet, sondern<br />

im Gegenteil noch intensiviert<br />

werden soll, weil Prozesse<br />

im Hintergrund mit weniger<br />

Aufwand abgewickelt<br />

werden können (ab Seite 30).<br />

Eine klare Sprache ist alles,<br />

das hat sich nicht zuletzt in<br />

der Finanzkrise gezeigt. Wären<br />

riskante Produkte nicht<br />

mit hochtrabenden oder irreführenden<br />

Bezeichnungen<br />

wie „Asset Backed Securities“<br />

geadelt worden, hätte<br />

vielleicht manch ein Banker<br />

näher nachgefragt, was genau er sich<br />

dann da ins Portfolio holt. Lesen Sie<br />

im Interview mit dem Kommunikationswissenschaftler<br />

Frank Brettschneider,<br />

wie Sparkassen und ihre Manager<br />

durch eine verständliche Sprache ihren<br />

eigenen Ruf und das Image ihrer Institute<br />

pflegen können (ab Seite 10).<br />

Oliver Fischer,<br />

Chefredakteur SPARKASSE<br />

Managermagazin<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Sparkassen und Internationales –<br />

das passt in den Augen vieler Unterneh<br />

men nicht zusammen. Und auch<br />

Firmenkunden berater stellen immer<br />

wieder fest: Unsere Kunden sind zwar<br />

weltweit aktiv – aber nicht mit uns.<br />

Hier gilt es aktiv zu werden. Schließen<br />

Sie diese Lücke, denn das internationale<br />

Geschäft des deutschen Mittelstands<br />

rückt weiter in den Fokus von<br />

Großbanken aus dem In- und Ausland.<br />

Durch Ihre kompe tente Beratung<br />

unterstützen Sie Ihre internationalen<br />

Firmenkunden maßgeblich bei der<br />

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Weltweit aktiv bietet einen Überblick<br />

über das umfassende Leistungsangebot<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe im<br />

internationalen Geschäft. Zeigen Sie<br />

Ihren Kunden, dass Sie weltweit DER<br />

Partner sind.<br />

Schad, Jürgen<br />

Weltweit aktiv<br />

11. Auflage 2010<br />

32 Seiten, DIN A4, geheftet<br />

Artikel-Nr. 310 139 011<br />

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4<br />

KOMMENTAR<br />

I M P R E S S U M<br />

SPARKASSE er scheint monatlich.<br />

Bezugspreis: 145 Euro (inkl. Versand<br />

und MwSt.) für 12 Ausgaben<br />

im Jahresabonnement (Inland).<br />

135,51 Euro (inkl. Versand ohne<br />

MwSt.) für das Jahresabonnement<br />

(Ausland). Der Betrag wird jährlich<br />

im Lastschriftverfahren eingezogen,<br />

jeweils im 1. Quartal im Vor aus.<br />

Einzelverkaufspreis: 13,60 Euro<br />

(inkl. Versand und MwSt.).<br />

ISSN 0038-6561<br />

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Info: 07 11 7 82-12 52<br />

www.sparkassenzeitung.de/cgibin/formulare/form/fz_spk<br />

Herausgeber: Deutscher<br />

Sparkas sen- und Giroverband<br />

e. V., Berlin.<br />

Chefredakteur: Oliver Fischer<br />

Redakteur:<br />

Dr. Peter-Christoph Becker<br />

Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge geben die Meinung des<br />

Autors wieder, nicht unbedingt<br />

die der Redaktion oder des<br />

Herausgebers.<br />

Titelfoto:<br />

Martin Egbert<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Deutscher Sparkassen- und Giroverband<br />

e. V., Postfach 110180,<br />

10831 Berlin; Charlottenstr. 47,<br />

10117 Berlin,<br />

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Satz und Repro:<br />

Brandenburgische Universitätsdruckerei<br />

und Verlagsgesellschaft<br />

Potsdam mbH, Golm<br />

Druck und Weiterverarbeitung:<br />

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Verlag:<br />

Deutscher Sparkassen Verlag<br />

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70565 Stuttgart,<br />

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Objektleitung:<br />

Gerhard Baumgartl<br />

Herstellung: Deborah Forbrich<br />

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der Sparkassen-Finanzgruppe:<br />

Anneli Baumann,<br />

Telefon +49 711 782-1278,<br />

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Gültig ist die Anzeigenpreisliste<br />

Nr. 34 vom 01.01.2011.<br />

Bestellungen und Abbestellungen<br />

ausschließlich beim Deutschen<br />

Sparkassen Verlag. Kündigungsfrist<br />

4 Wochen zum Jahresende.<br />

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />

Beiträge, Tabellen und<br />

Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Jede Verwertung<br />

außerhalb der engen Grenzen<br />

des Urheberrechts gesetzes ist<br />

ohne Zustimmung des Verlags<br />

unzulässig. Dies gilt insbesondere<br />

für Vervielfältigungen, Übersetzungen,<br />

Mikroverfilmungen und<br />

die Einspeicherung und Verarbeitung<br />

in elektronischen Systemen.<br />

Mitglied der Fachgruppe<br />

Fachzeitschriften im<br />

VDZ. Artikelnummer:<br />

328 080 602<br />

KONJUNKTUR<br />

Die Lokomotive bleibt in Fahrt<br />

Mit einer Rate von 3,6 Prozent<br />

ist die deutsche Wirtschaft<br />

im vergangenen Jahr so<br />

stark gewachsen wie seit der<br />

Wiedervereinigung nicht mehr.<br />

Damit ist Deutschland zur Konjunkturlokomotive<br />

der Eurozone,<br />

aber auch der G-7-Länder geworden.<br />

Zwar war der Einbruch<br />

der Wirtschaftsleistung hierzulande<br />

im Rezessionsjahr 2009<br />

mit 4,7 Prozent auch besonders<br />

ausgeprägt, doch die wettbewerbsstarke<br />

deutsche Industrie<br />

profitiert zurzeit überdurchschnittlich<br />

vom Aufschwung in<br />

den Schwellenländern.<br />

Mittlerweile gehen allein rund<br />

elf Prozent der hiesigen Exporte<br />

in die dynamischen BRIC-<br />

Staaten. Das exportinduzierte<br />

Wachstum hat zu Impulsen bei<br />

der Binnennachfrage geführt.<br />

So sind die Investitionen angesprungen<br />

und entsprechend<br />

auch der Arbeitsmarkt.<br />

Superboom flaut ab<br />

Während in der Eurozone insgesamt<br />

die Arbeitslosigkeit deutlich<br />

anstieg und die höchste<br />

Quote seit 1998 erreichte, ist<br />

unser Arbeitsmarkt auf einen<br />

starken Erholungspfad eingeschwenkt.<br />

Mit einer saisonbereinigten<br />

Rate von 7,5 Prozent<br />

wurde die niedrigste Arbeitslosenquote<br />

seit 1992 erreicht<br />

– und nicht nur die Quote lässt<br />

Freude aufkommen. Noch viel<br />

besser ist das absolute Niveau<br />

der Beschäftigung. Fast 41 Mio.<br />

Beschäftigte gibt es in Deutschland,<br />

so viele wie noch nie.<br />

So überrascht es auch nicht,<br />

dass der in der Vergangenheit<br />

als Dauerpessimist bekannte<br />

deutsche Konsument mittlerweile<br />

ins Optimistenlager gewechselt<br />

ist. Seine Stimmung<br />

erreichte zuletzt den höchsten<br />

Wert seit 2007. Dies liegt auch<br />

an der bislang niedrigen Inflation,<br />

die mit einer Rate von<br />

1,1 Prozent im vergangenen<br />

Jahr dazu beitrug, dass das real<br />

verfügbare Einkommen um<br />

1,5 Prozent angestiegen ist.<br />

Auch die Aussichten für das<br />

laufende Jahr sind gut. So erreichten<br />

die vorlaufenden<br />

Stimmungsindikatoren der Unternehmen<br />

zum Jahreswechsel<br />

Höchststände. Viele Prognostiker<br />

leiten daraus bereits<br />

Gertrud R. Traud,<br />

Chefvolkswirtin und Leiterin<br />

Research,<br />

Landesbank Hessen-Thüringen<br />

Wachstumsraten für das Jahr<br />

2011 von bis zu 3,2 Prozent ab.<br />

Mit einer Rate von „nur“ etwa<br />

zwei Prozent zähle ich zu den<br />

angeblichen Pessimisten. Eine<br />

Rate von zwei Prozent ist aber<br />

alles andere als pessimistisch.<br />

Vielmehr sehe ich nach dem Superboom<br />

des Jahres 2011 eine<br />

Normalisierung.<br />

Dafür sind mehrere Faktoren<br />

verantwortlich: So fallen nicht<br />

„Wir sollten uns<br />

nicht davor fürchten,<br />

wenn sich die<br />

Wachstumsrate im<br />

Vergleich zum<br />

Vorjahr fast halbieren<br />

sollte. Das letzte,<br />

was wir jetzt gebrauchen<br />

können, ist<br />

eine neue Blase.“<br />

nur der Lagerzyklus und die<br />

Konjunkturprogramme weg.<br />

Auch zahlreiche der im Vorjahr<br />

antreibenden Faktoren verlieren<br />

an Dynamik. Insbesondere<br />

die abflachende Entwicklung<br />

bei unseren Abnehmerländern<br />

wird spürbar werden. In der<br />

Eurozone bremsen die notwendigen<br />

Konsolidierungsmaßnahmen<br />

in den hoch verschul-<br />

deten Staaten. In den derzeit<br />

noch boomenden Schwellenländern<br />

drohen Inflationsgefahren,<br />

so dass die dortige Geldund<br />

Fiskalpolitik restriktiver<br />

wird.<br />

Vieles hängt an China<br />

Wesentlich wird die Entwicklung<br />

in China sein. Mit einem<br />

Anteil von 5,5 Prozent gehört<br />

diese aufstrebende Nation mittlerweile<br />

zu unseren wichtigsten<br />

Exportdestinationen. Bei Maschinen<br />

sind die Chinesen sogar<br />

unsere wichtigsten Abnehmer.<br />

Sobald die restriktiven Maßnahmen<br />

in China greifen, wird<br />

dies unsere Exportdynamik entsprechend<br />

dämpfen. Das ist vor<br />

dem Hintergrund der bereits<br />

hoch ausgelasteten Kapazitäten<br />

allerdings keine Katastrophe.<br />

Sollte es nämlich nicht zu einer<br />

Abflachung der Nachfrage kommen,<br />

bestünde das Risiko von<br />

Überhitzungen auch bei uns.<br />

Eine deutlich höhere Inflation<br />

wäre dann unausweichlich. Es<br />

ist also zu begrüßen, dass das<br />

Wachstum in moderatere Bahnen<br />

übergeht.<br />

Zwei Prozent sind genug<br />

Eine Wachstumsrate des deutschen<br />

Bruttosozialprodukts<br />

von zwei Prozent wird aber<br />

hoch genug sein, um die Beschäftigungssituation<br />

weiter zu<br />

verbessern. Ich erwarte, dass<br />

die Zahl der Arbeitslosen im<br />

Verlauf des Jahres 2011 auf die<br />

Marke von 2,5 Mio. zurückgehen<br />

wird. Entscheidend für die weitere<br />

Verbesserung am Arbeitsmarkt<br />

ist die Tatsache, dass die<br />

Beschäftigungsschwelle mittlerweile<br />

bei einem Wachstum<br />

von nur noch knapp 1,5 Prozent<br />

liegt. Ein Anstieg der Wirtschaftsleistung<br />

in dieser Höhe<br />

reicht also aus, um weitere Beschäftigung<br />

zu generieren.<br />

Wir sollten uns also nicht davor<br />

fürchten, wenn sich die<br />

Wachstumsrate des BIP in diesem<br />

Jahr im Vergleich zum<br />

Vorjahr fast halbieren sollte.<br />

Das ist lediglich der Übergang<br />

von der rasanten Aufholjagd im<br />

Nachkrisenjahr hin zu einem<br />

auch mittelfristig durchhaltbaren<br />

Wachstumstempo. Denn das letzte,<br />

was wir jetzt gebrauchen können,<br />

ist eine neue Blase.<br />

<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


KOLUMNENTITEL INHALT 5<br />

Ausgabe 2<br />

Februar 2011<br />

Kommentar<br />

Konjunktur<br />

Die deutsche Lokomotive bleibt in<br />

Fahrt, schreibt Helaba-Chefvolkswirtin<br />

Gertrud R. Traud 4<br />

Impressum 4<br />

Nachrichten<br />

Informationstechnik<br />

Die Kreditwirtschaft begegnet den<br />

steigenden Risiken mit wachsenden<br />

Anstrengungen 6<br />

Kredite<br />

Die Kredithürde ist gesunken, die<br />

Unternehmen wachsen. Doch mit<br />

Risiken müssen die Kunden rechnen 6<br />

Kurs-Kompass 8<br />

Rechts-Tipps 9<br />

Management<br />

˘ Sprache der Banken – Titel<br />

Kommunikationswissenschaftler<br />

Frank Brettschneider erklärt, inwieweit<br />

die Sprache das Image von Kreditinstituten<br />

und Managern beeinflusst 10<br />

Plädiert für klare Worte: Sprachexperte<br />

Frank Brettschneider Seite 10<br />

Am runden Tisch (v.l.):<br />

Beteiligungsmanager Paslack,<br />

Unternehmer Goltermann und<br />

Wünderlich, Sparkassenvorstand<br />

Staroßom, Unternehmer<br />

Seidenstücker<br />

Beteiligungsgeschäft: Sparkassenmanager diskutieren mit Unternehmern<br />

Vertrieb<br />

Sparkassen versuchen, Tablet-PCs<br />

in den Vertrieb einzubinden.<br />

Doch die Integration in die IT der<br />

Sparkassen ist schwierig 16<br />

˘ Datenschutz<br />

Interne Informationen lassen sich<br />

heute mühelos verbreiten. Wie<br />

Sparkassen den Abfluss interner<br />

Daten verhindern 18<br />

Forum<br />

˘ Wikileaks: Sind Geschäftsdaten<br />

ausreichend gesichert?<br />

Es diskutieren Dirk Fox, Geschäftsführer<br />

Secorvo Security,<br />

Consulting und BFG-edv-<br />

Consultant Christoph Fischer 20<br />

˘ Jugendmarketing<br />

Es genügt nicht, junge Leute mit<br />

Partys zu „bespaßen“. Events<br />

müssen Teil eines umfassenden<br />

Marketingkonzepts sein 22<br />

Märkte & Kunden<br />

Existenzgründung<br />

Wie sich ein Unternehmer mit<br />

einem originellen Schlüsseldienst<br />

selbstständig macht 24<br />

Unternehmerporträt<br />

Ein Möbelfabrikant hat eine<br />

Ausstellung für Stühle eröffnet.<br />

Sein Konzept geht auf 25<br />

Chronik 27<br />

Australien<br />

Die Regierung will den bislang<br />

schwachen Wettbewerb im<br />

Finanzsektor befördern 28<br />

USA<br />

US-Banken stehen vor einer<br />

Konsolidierungswelle 29<br />

Finanzgruppe<br />

˘ Beteiligungsgeschäft I<br />

Im Roundtable-Gespräch<br />

diskutieren Manager der<br />

Sparkasse Bremen mit<br />

Unternehmern 30<br />

Beteiligungsgeschäft II<br />

Die Sparkassen haben viele<br />

Beteiligungsfirmen. Fachleute<br />

empfehlen eine Bündelung 36<br />

Perspektiven<br />

Recht – Interview<br />

Der Jurist Peter Mülbert erklärt,<br />

wieso einige Maßnahmen zur<br />

Kontrolle von Anlageberatern<br />

ins Leere zielen 38<br />

Forum<br />

Schutz vor Fehlberatung: Muss<br />

der Berater an die kurze<br />

Leine?<br />

Es diskutieren Peter Lische von<br />

der Verbraucherzentrale Berlin<br />

und DSGV-Vorstand Karl-Peter<br />

Schackmann-Fallis 40<br />

30<br />

FOTOS: MAGUNIA, EGBERT, JOPPEN<br />

Soziales Engagement<br />

Die Frankfurter Sparkasse will für<br />

das Thema Organspende<br />

sensibilisieren 42<br />

Mikrokredite<br />

Durch Mini-Ausleihungen sind<br />

viele Kreditnehmer in die<br />

Schuldenfalle geraten. Für<br />

Mikrokreditkunden der Sparkassen<br />

sind die Risiken gering 44<br />

Literatur<br />

Social Business<br />

Mikrokredit-Pionier Muhammad<br />

Yunus wirbt in einem Buch für<br />

sozial orientiertes Unternehmertum<br />

46<br />

Warnt vor übertriebener<br />

Regulierung der Bankberater:<br />

Jurist Peter Mülbert Seite 38<br />

˘ Titelthemen<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


6<br />

NAMEN & NACHRICHTEN<br />

Personalien<br />

INFORMATIONSTECHNIK<br />

Tücken der Technik<br />

Kaum ein Prozess in einer Sparkasse läuft mehr ohne Unterstützung durch die<br />

IT ab. Doch Magnetstreifen und andere Technologien zeigen, dass die Institute<br />

und deren Dienstleister weiter an der Sicherheit feilen müssen.<br />

Manfred Heckmeier (54,<br />

Foto o.) und Walter Kirchmann<br />

(46), amtierende Geschäftsführer<br />

der Finanz Informatik<br />

Technologie Service<br />

(FI-TS), werden künftig die<br />

Aufgaben von Anton Müller<br />

(65) übernehmen, der nach<br />

mehr als 35 Jahren in der<br />

Sparkassen-Finanzgruppe in<br />

den Ruhestand tritt.<br />

Michael Kröger (51), wird<br />

zum 1. Februar 2011 Bereichsleiter<br />

des internationalen<br />

Immobilienkreditgeschäfts<br />

der Helaba Landesbank<br />

Hessen-Thüringen,<br />

eine Aufgabe die Kröger bereits<br />

seit August 2010 kommissarisch<br />

betreut. Der Jurist<br />

hat das Immobilienfinanzierungsgeschäft<br />

der Helaba<br />

vor allem in den Märkten<br />

Zentral- und Nordeuropas<br />

erfolgreich positioniert.<br />

Peter Lucke (44) ist seit Jahresbeginn<br />

neues Vorstandsmitglied<br />

der Sparkasse Vest<br />

Recklinghausen. Er tritt die<br />

Nachfolge von Heinz-Josef<br />

Bzdega (65) an, der nach<br />

mehr als 45-jähriger Tätigkeit<br />

in dem Institut, davon<br />

20 Jahre als Vorstand, in den<br />

Ruhestand geht.<br />

Thomas Groß (45, Foto u.),<br />

Vorstandsmitglied der West­<br />

LB, wird zusätzlich Aufgaben<br />

als Finanzvorstand übernehmen.<br />

Der bisherige Finanzvorstand<br />

Hans-Jürgen Niehaus<br />

(53) scheidet aus.<br />

De rzeit stehen die<br />

Magnetstreifen auf<br />

EC- und Kreditkarten<br />

besonders im Fokus.<br />

Der Grund: Nach Angaben<br />

des BKA nehmen<br />

sogenannte Skimming-<br />

Fälle weiter massiv zu,<br />

bei denen sich Betrüger<br />

die Daten der Magnetstreifen<br />

beschaffen und<br />

damit Karten fälschen.<br />

Zwar ist längst bekannt,<br />

dass der Magnetstreifen<br />

das illegale<br />

Kopieren der Karten<br />

ermöglicht, die Sparkassen<br />

dämpfen aber<br />

Hoffnungen auf schnelle<br />

Abhilfe: „Keine Frage,<br />

wir setzen voll auf Chip-<br />

Technologie, bis wir allerdings<br />

Karten ganz<br />

ohne Magnetstreifen<br />

anbieten können, wird<br />

es noch länger dauern“,<br />

teilte der Deutsche Sparkassen-<br />

und Giroverband<br />

(DSGV) mit. Positiv<br />

stimmt jedoch, dass mit<br />

dem Chip auf der Karte<br />

eine Ersatztechnologie<br />

bereits verfügbar ist.<br />

„Chip only“ ist nicht<br />

kurzfristig durchführbar<br />

etwa wegen der Situation<br />

im Ausland.<br />

Ohnehin werden heute<br />

ausgegebene SparkassenCards<br />

aufgrund der<br />

Kartenlaufzeit von etwa<br />

fünf Jahren mittelfristig<br />

auf dem Markt bleiben.<br />

Mit einer Ausnahme: Die<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

gibt ab dem zweiten<br />

Halbjahr 2011 die ersten<br />

SparkassenCards mit<br />

Kontaktlos-Technologie<br />

aus.<br />

Chips brauchen Zeit<br />

Diese Karten müssen<br />

dann nicht mehr in ein<br />

Kartenterminal gesteckt<br />

werden. Der DSGV kündigte<br />

an, dass alle rund<br />

45 Mio. Sparkassen-<br />

Cards mit der innovativen<br />

Zahltechnologie<br />

ausgestattet werden. Die<br />

Sparkassen verfolgten<br />

das Ziel, „immer mehr<br />

Anwendungen auf den<br />

Chip zu bringen“.<br />

Doch auch in anderen<br />

Bereichen sind die Sparkassen<br />

in hohem Maß<br />

auf eine funktionstüchtige<br />

und sichere IT-Infrastruktur<br />

angewiesen. Sie<br />

müssen dafür sorgen,<br />

dass die Nutzung dieser<br />

Ressourcen durch Mitarbeiter<br />

und Kunden<br />

so wenige Gefahrenpotenziale<br />

wie möglich<br />

beinhaltet. So geht es<br />

neben der Sicherheit<br />

der IT vor allem um die<br />

Sicherheit der darüber<br />

ablaufenden Geschäftsprozesse.<br />

Bekannte Schwächen<br />

schutz oder zur Datensicherung<br />

– den genannten,<br />

ganzheitlichen Ansatz<br />

erfordert, gehört sie<br />

als zentraler Bestandteil<br />

in das Risikomanagement<br />

einer Bank. Hier<br />

sprechen schon die gesetzlichen<br />

Vorgaben<br />

eine klare Sprache.<br />

Ohnehin sind viele<br />

Schwachpunkte längst<br />

bekannt, wenn es um<br />

die IT-Infrastruktur<br />

und die darüber ablaufenden<br />

Prozesse geht.<br />

Betrugsfälle etwa treten<br />

BETRUGSVERSUCHE<br />

Misstrauen ist besser<br />

Technische Sicherheitsvorkehren sind das eine, den<br />

gesunden Menschenverstand ersetzen sie jedoch nicht.<br />

Vi ele Betrugsversuche<br />

lassen sich<br />

vermeiden, wenn die<br />

Mitarbeiter und Kunden<br />

der Sparkassen<br />

aufmerksam sind. Das<br />

sogenannte „Cash Trapping“<br />

beispielsweise ist<br />

eine eher simple Masche:<br />

Hierbei bringen<br />

Betrüger am Ausgabeschacht<br />

eines Geldautomaten<br />

Vorrichtungen<br />

an, die das Bargeld zurückhalten.<br />

Der Automat schaltet<br />

sich in solchen Fällen<br />

üblicherweise automatisch<br />

ab, und der Kunde<br />

verlässt die Bank, sofern<br />

er nicht über die<br />

Masche informiert ist.<br />

In Stuttgart allerdings<br />

zogen Bankkunden unverrichteter<br />

Dinge wieder<br />

von Geldautomaten<br />

Weil eine funktionierende<br />

IT-Sicherheit – wie<br />

etwa Maßnahmen zu<br />

Virenschutz, Zugriffsab<br />

– trotz geglückter Geheimzahleingabe<br />

und<br />

dem üblichen Rattern<br />

erschien kein Geld im<br />

vorgesehenen Schlitz.<br />

Als das Geld später trotzdem<br />

vom Konto abgebucht<br />

war, kam heraus,<br />

dass Betrüger den Automaten<br />

mit einer Auffangvorrichtung<br />

manipuliert<br />

hatten.<br />

Nachdem der Kunde<br />

das Gerät verlassen hatte,<br />

holten sich die Gauner<br />

das ausbezahlte<br />

Geld. Ein aufmerksamer<br />

Sparkassenkunde in der<br />

Pfalz dagegen bemerkte<br />

eine solche Manipulation<br />

frühzeitig und verständigte<br />

das Institut.<br />

Die österreichische<br />

Presse berichtet indes<br />

von einer 83-jährigen<br />

Dame, die gegen ihre<br />

G e w o h n h e i t e i n e n<br />

fünfstelligen Betrag<br />

abheben wollte für ihre<br />

Nichte. Die aufmerksame<br />

Beraterin stutzte<br />

und riet der Dame,<br />

nochmals eine Nacht<br />

darüber zu schlafen.<br />

Am nächsten Tag erschien<br />

die Frau aufgelöst<br />

in der Filiale und<br />

berichtete von ständigen<br />

Anrufen, die in<br />

der Drohung gipfelten,<br />

d a s s d i e ve r m e i n t-<br />

liche Nichte ohne die<br />

Geldspritze nicht zum<br />

Begräbnis der Dame<br />

kommen würde. Die<br />

Beraterin rief zusammen<br />

mit der Dame die<br />

Nichte an, und diese<br />

fiel aus allen Wolken.<br />

Eine Betrügerin hatte<br />

sich als Verwandte<br />

ausgegeben.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


NAMEN & NACHRICHTEN 7<br />

Onlinebanking: Gefahr durch Kriminalität<br />

Betrugsfälle treten immer wieder im Bereich der Schnittstellen zum Kunden auf,<br />

etwa beim Onlinebanking: Nicht einmal jeder zweite Kontoinhaber verwendet beim<br />

Onlinebanking eine Firewall, um sensible Daten zu sichern.<br />

GRAFIK: DPA<br />

immer wieder im Bereich<br />

der Schnittstellen<br />

zum Kunden auf, wie<br />

zum Beispiel beim Onlinebanking<br />

und bei SB-<br />

Technologien.<br />

Doch auch die internen<br />

Prozeduren unterliegen<br />

Bedrohungen, die sich<br />

teilweise noch verstärken<br />

dürften. So ist absehbar,<br />

dass immer weniger<br />

Rechenleistung<br />

auf den Arbeitsplatzrechnern<br />

der Mitarbeiter<br />

stattfinden wird und<br />

die meisten Arbeitsplätze<br />

in Zukunft Anwendungen<br />

und Daten von<br />

zentralen Strukturen<br />

beziehen werden. Diese<br />

Entwicklung ist mit der<br />

Einführung von „Smart<br />

Clients“ bereits im Gange<br />

und wird durch verschiedene<br />

Virtualisierungstechnologien<br />

noch<br />

weiter anhalten.<br />

Schwer kalkulierbar<br />

Angesichts der zunehmenden<br />

Vernetzung<br />

und des ungebrochenen<br />

Trends zur Nutzung internetbasierter<br />

Anwendungen<br />

bieten sich in<br />

diesem Bereich vermehrt<br />

An- und Zugriffsmöglichkeiten.<br />

Beispiele<br />

sind „Trojaner“, die unbemerkt<br />

auf die Rechner<br />

der Mitarbeiter gelangen<br />

und von dort aus weitere<br />

Anwendungen befallen.<br />

Hier geht es also darum,<br />

die Arbeitsplätze zu<br />

schützen. Doch auch die<br />

Infrastruktur als ganze<br />

ist gefordert. Bereits jetzt<br />

haben es Firmen und andere<br />

Institutionen immer<br />

wieder mit gezielten<br />

Angriffen auf die IT von<br />

außen zu tun. Hier spielen<br />

DoS-Attacken (Denial<br />

of Service) eine wichtige<br />

Rolle, absichtlich herbeigeführte<br />

Serverüberlastungen,<br />

die über das<br />

Internet zu den Onlinesystemen<br />

gelangen.<br />

Adressaten finden sich<br />

auch im Finanzbereich.<br />

Als Reaktion auf die<br />

Sperrung von Wikileaks-<br />

Konten etwa wurden im<br />

Dezember 2010 die Webseiten<br />

von MasterCard,<br />

Visa und PayPal lahmgelegt.<br />

Und anders als<br />

etwa im Fall manipulierter<br />

Kreditkarten ist<br />

das Katastrophenrisiko<br />

derartiger Angriffe hoch,<br />

da zentrale Prozesse betroffen<br />

sind und nicht<br />

„nur“ einzelne Kunden.<br />

Noch ein Problem:<br />

Solche Attacken lassen<br />

sich vorab nur schwer<br />

statistisch erfassen und<br />

damit kalkulieren und<br />

versichern. In der Regel<br />

handelt es sich um einmalige,<br />

sich nicht wiederholende<br />

Ereignisse.<br />

Zudem stehen bislang<br />

kaum wirksame Abwehrmethoden<br />

zur Verfügung.<br />

Einen guten Überblick<br />

über die derzeitige,<br />

technische Entwicklung<br />

dürfte die IT-Messe Cebit<br />

in Hannover (1. bis 5.<br />

März 2011) bieten, mit<br />

der schon bekannten<br />

Plattform „Banking & Finance“.<br />

Dort präsentieren<br />

sich neben diversen<br />

Dienstleistern aus dem<br />

Sparkassenverbund<br />

auch zahlreiche andere<br />

Unternehmen aus den<br />

Bereichen Hard- und<br />

Software.<br />

Cebit zeigt Neues<br />

Den bereits veröffentlichten<br />

Informationen<br />

zufolge werden Zugangsmanagementsysteme<br />

eine wichtige Rolle spielen<br />

– zum Teil in Verbindung<br />

mit dem neuen<br />

Personalausweis – zudem<br />

zeigen viele Aussteller<br />

Weiterentwicklungen<br />

bekannter Plattformen<br />

und Produkte.<br />

Umfangreich vertreten<br />

sind zudem Anbieter von<br />

Lösungen zum Cash Management.<br />

<br />

Martin Schwer<br />

Lesen Sie zum Thema „IT-<br />

Sicherheit“ auch ab Seite<br />

18.<br />

Pressespiegel<br />

Gemeinsame Richtung<br />

Wenn die Euro-Staaten ihre gemeinsame Währung beibehalten<br />

wollen, müssen sie die Währungsunion in Richtung<br />

einer politischen Union umbauen. Grundsätzlich muss das<br />

Ziel des Vorhabens sein, dass sich die Volkswirtschaften in<br />

eine gemeinsame Richtung entwickeln – mithilfe einer besseren<br />

Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dazu<br />

müssen neben Staatsdefiziten und Schuldenstand auch<br />

andere volkswirtschaftliche Kennziffern überwacht werden,<br />

etwa die Verschuldung von Privathaushalten und Unternehmen<br />

und die Leistungsbilanz.<br />

Financial Times Deutschland, 31. Januar 2011<br />

Spanischer Trendsetter<br />

Criteria verwandelt sich in CaixaBank und wird mit einem<br />

Schätzwert von mehr als 20 Mrd. Euro die zehntgrößte Bank<br />

des Euroraums stellen. Ohne die schwere Wirtschaftskrise<br />

wäre eine solche Umwandlung wohl kaum vorstellbar. Denn<br />

die Cajas, die sich historisch gesehen als Alternative zu Wucherern<br />

für kleine Leute verstanden, wollten ihre juristische<br />

Form nicht aufgeben. Doch diese scheint im Ringen um privates<br />

Kapital zur Stärkung der Solvenz nun endgültig ein<br />

Auslaufmodell. Im krisengezeichneten Sparkassenlager<br />

dürften jedoch nicht viele in der Lage sein, dem strahlenden<br />

Beispiel zu folgen.<br />

Börsenzeitung, 29. Januar 2011<br />

Griechischer Schuldenschnitt<br />

Das Land [Griechenland], so viel ist klar, wird seine Schulden<br />

nie zurückzahlen können, schon gar nicht aus eigener Kraft.<br />

[…] Athen würde seine Anleihen am Markt oder bei der Europäischen<br />

Zentralbank zurückkaufen. Da die Bonds heute<br />

deutlich unter dem Ausgabekurs gehandelt werden, sänke<br />

der Schuldenstand des Landes auf einen Schlag beträchtlich.<br />

[…] Nur tut das allen anderen Beteiligten weh: Einerseits<br />

müsste der europäische Hilfsfonds den Griechen unter die<br />

Arme greifen, damit sie das Geld für den Rückkauf überhaupt<br />

aufbringen können. Andererseits würden die Gläubiger Milliarden<br />

verlieren, die sie in Griechen-Bonds investiert haben.<br />

Nicht nur für Banken und Fonds wäre das bitter, sondern am<br />

Ende auch für viele Lebensversicherte und Sparer.<br />

Die Welt, 29. Januar 2011<br />

Geordneter Rückzug<br />

Für die WestLB läuft der Countdown. […] Für die Sparkassen<br />

und die anderen Landesbanken kann es nur noch um Schadensbegrenzung<br />

gehen. Wehtun wird es der Gruppe finanziell<br />

wie auch hinsichtlich ihrer Reputation so oder so. Das<br />

gälte auch für die theoretische Möglichkeit, die WestLB komplett<br />

an einen gruppenfremden Investor zu verkaufen. Eines<br />

steht fest: Einfach gegen die Wand fahren lassen kann und<br />

wird man die WestLB nicht. Das wäre für alle Beteiligten und<br />

obendrein für das ganze Finanzsystem die mit Abstand teuerste<br />

„Lösung“.<br />

Börsen-Zeitung, 25. Januar 2011<br />

Strategischer Coup<br />

Die Landesbanken überlassen den Sparkassen bei der Dekabank<br />

die alleinige Regie. […] Die Übernahme ist von immenser<br />

strategischer Bedeutung für die Sparkassen, denn<br />

sie liefert ihnen eine interessante Zukunftsperspektive. Bereits<br />

jetzt spielt die Dekabank eine wichtige Rolle für die<br />

Refinanzierung der Sparkassengruppe. […] Sollte es so kommen,<br />

wie in Sparkassenkreisen gemunkelt wird, könnte sie<br />

gemeinsam mit Teilen der WestLB das bieten, was die LBB,<br />

die im Verbund eher als große Sparkasse gesehen wird, nicht<br />

zu leisten imstande ist: Sie könnte neben dem Fondsgeschäft<br />

zu einer Zentralbank der Sparkassen ausgebaut werden und<br />

damit langfristig deren Unabhängigkeit von den Landesbanken<br />

herstellen. Eine gute Perspektive für Sparkassen.<br />

Frankfurter Rundschau, 8. Januar 2011<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


KREDITE<br />

Aufschwung<br />

Die sogenannte Kredithürde ist gesunken,<br />

deutsche Unternehmen wachsen kräftig. Doch<br />

mit Risiken müssen die Kunden leben.<br />

Das Gespenst der „Kreditklemme“<br />

scheint vorerst gebannt. Das Münchner<br />

Ifo-Institut, das monatlich für die<br />

gewerbliche Wirtschaft eine sogenannte<br />

Kredithürde ermittelt, signalisiert Entwarnung.<br />

Die Umfragen unter 4000 Unternehmen<br />

hätten ergeben, dass die Kredithürde<br />

seit Anfang 2010 kontinuierlich<br />

sinke, sagt Klaus Abberger, Koordinator<br />

der Befragungen, gegenüber SPARKASSE.<br />

Abberger spricht von einer „nachhaltigen<br />

Verbesserung beim Kreditzugang<br />

für Unternehmen im Jahr 2010“. Mittlerweile<br />

sei der Indikator zu den Durchschnittswerten<br />

wirtschaftlich normaler<br />

Zeiten zurückgekehrt.<br />

Dies bestätigt die Bundesbank, die konstatiert,<br />

dass im III. Quartal 2010 – erstmals<br />

seit dem Ausbruch der Finanzkrise<br />

– für Firmenkunden die Kreditrichtlinien<br />

gelockert worden seien, was „gegen eine<br />

bankseitige Behinderung des Aufschwungs<br />

in Deutschland“ spreche.<br />

Dass die Unternehmen in Deutschland<br />

durch die häufig beschworene Kreditklemme<br />

viel weniger behindert wurden,<br />

als von vielen Beobachtern erwartet worden<br />

war, geht indirekt auch aus der Studie<br />

„Diagnose Mittelstand 2011“ hervor,<br />

die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband<br />

(DSGV) vor Kurzem vorgelegt<br />

hat. Demzufolge sei es den Unternehmen<br />

auch im schlimmsten Krisenjahr 2009<br />

quer durch alle Größenklassen gelungen,<br />

ihre Kapitalbasis zu stärken, wie DSGV-<br />

Vorstandsmitglied Karl-Peter Schackmann-Fallis<br />

erklärte. Die Eigenkapitalquote<br />

der Unternehmen sei zwischen<br />

2008 und 2009 im Schnitt von 12,8 auf<br />

Am Aktienmarkt bleiben die Optimisten<br />

am Ball. Umfragen zeigen<br />

zwar, dass die Anleger nach dem starken<br />

Schlussquartal des letzten Jahres mehrheitlich<br />

ein längeres Durchschnaufen<br />

einkalkulieren. Mitunter wird auch von<br />

einer notwendigen Korrektur<br />

gesprochen. Man sorgt sich,<br />

dass die Wirtschaft abkühlt,<br />

weil Chinas Zinserhöhungen<br />

den Asienboom bremsen.<br />

Gleichzeitig werden die hohen<br />

Staatsschulden in Euroland<br />

und neuerdings auch in den<br />

USA als Risiko eingestuft.<br />

Dennoch sehen die Investoren<br />

zunächst für Aktien<br />

kein grundsätzliches Ausstiegssignal.<br />

Gelegentliche<br />

Rücksetzer werden daher<br />

schnell ausgebügelt. So brach<br />

der deutsche Leitindex DAX<br />

Anfang Februar 2011 über eine wichtige<br />

Widerstandsmarke nach oben aus und<br />

markierte bei Kursen oberhalb von 7210<br />

ein neues Jahreshoch. Damit stehen<br />

deutsche Aktien wieder auf dem Niveau<br />

von 2008. Solange die Unterstützungen<br />

KURS-KOMPASS<br />

Im Zweifel aufwärts<br />

Autor<br />

Hans Schmid,<br />

Sparkassenverband<br />

Bayern<br />

nach unten halten, testet man offenbar,<br />

wie weit sich der Aufwärtsimpuls nach<br />

oben ausdehnen lässt. Es zeigte sich erneut,<br />

dass Aktienmärkte häufig viel länger<br />

der übergeordneten Richtung folgen<br />

als man denkt. Hier gilt eben das Motto:<br />

Der Anleger kann zwar tun was<br />

er will, aber nicht wollen, was er<br />

möchte.<br />

Vermutlich stieg in den vergangenen<br />

Wochen auch die<br />

Risikobereitschaft. Von den<br />

niedrigen Zinsen und den<br />

gleichzeitig überall zu lesenden<br />

Jahresreports über die zurückliegenden<br />

Kursgewinne an den<br />

Aktienbörsen ließ sich das Publikum<br />

anlocken. Deshalb können<br />

noch weitere freie Gelder in<br />

die Märkte gelenkt werden, bis<br />

genug zittrige Hände investiert<br />

sind. Erst dann wäre markttechnisch<br />

ein ordentlicher Rücksetzer angezeigt.<br />

Dominierten im vergangenen Jahr<br />

noch die „Kurzfrist-Optimisten“, die nur<br />

kleinere Beträge vorübergehend in Aktien<br />

parkten, so überwiegen für 2011 die<br />

sogenannten „langfristig Überzeugten“,<br />

für die der Aktienkauf keine taktische,<br />

sondern eine strategische Angelegenheit<br />

ist.<br />

Das erste Quartal ist meist eine gute<br />

Zeit für Dividendenwerte. Bis zur Ausschüttung<br />

im späten Frühjahr wurden<br />

schon häufig die „dicken Fische“, die<br />

mehr als fünf Prozent auszahlen, favorisiert.<br />

Alles in Butter also? Nein.<br />

Der vorsichtige Optimismus wird von<br />

zwei wichtigen Gefahren begleitet: Die<br />

Investitionsquote ist schon verhältnismäßig<br />

hoch, so dass nun neue massive<br />

Umschichtungen zugunsten von Aktien<br />

kommen müssen, um weiter steigende<br />

Kurse zu unterfüttern. Bleiben diese frischen<br />

Gelder aus, droht ein Absacken.<br />

Steigende Zinsen bergen Gefahren<br />

Die noch größere Gefahr im neuen Jahr<br />

dürfte von möglicherweise steigenden<br />

Zinsen ausgehen. Eine leichte Erhöhung<br />

wäre dabei schon einkalkuliert<br />

und nicht überraschend. Steigt die Umlaufrendite<br />

aber schnell an, bekommen<br />

die Aktien wieder Konkurrenz. Aber so<br />

weit ist es noch nicht.<br />

<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


NAMEN & NACHRICHTEN 9<br />

Das Foto zeigt den Dresdener 400-Meter-<br />

Hürdenläufer Silvio Schirrmeister.<br />

<br />

FOTO: DPA<br />

15,6 Prozent gestiegen. Dass die „Kernschmelze<br />

der Kapitalbasis“ (Schackmann-Fallis)<br />

nicht stattgefunden habe,<br />

liege auch an den Unternehmen selbst.<br />

Diese hätten offenbar verstärkt auf private<br />

Reserven zurückgegriffen.<br />

Zu dieser Einschätzung passt eine Mitteilung<br />

der KfW-Bankengruppe, derzufolge<br />

die deutschen Banken im dritten<br />

Quartal 2010 neun Prozent weniger Darlehen<br />

ausgereicht haben als im entsprechenden<br />

Vorjahresquartal. Demnach<br />

sind viele Banken ihre Kredite nicht<br />

losgeworden, obwohl sich die deutsche<br />

Wirtschaft kräftig erholt hatte.<br />

Auch im vierten Quartal 2010 dürfte<br />

das Kreditgeschäft geschrumpft sein, wie<br />

Experten berichten. Den Grund für diese<br />

Entwicklung sieht die Bundesbank darin,<br />

dass sich die Innenfinanzierung der Unternehmen<br />

im Zuge der konjunkturellen<br />

Erholung verbessert habe. Zudem haben<br />

die Unternehmen ihre Investitionen laut<br />

Abberger kräftig zurückgefahren, während<br />

die deutsche Wirtschaft 2009 um<br />

fast fünf Prozent abstürzte. Es gab also<br />

kaum neuen Finanzierungsbedarf.<br />

Unternehmen helfen sich selbst<br />

Von diesem Nachfragerückgang der Kredite<br />

sind aber nicht alle Institutsgruppen<br />

betroffen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />

meldeten zuletzt erneut<br />

wachsende Kreditneugeschäfte. Ifo-<br />

Experte Abberger begründet das damit,<br />

dass die Geschäftsbeziehungen kleiner<br />

und mittlerer Unternehmen zu Sparkassen<br />

und Genossenschaftsbanken auch in<br />

der Krise sehr stabil geblieben seien.<br />

Und die Kreditversorgung durch die<br />

Sparkassen sei auch künftig nicht gefährdet,<br />

ergänzt DSGV-Vorstand Schackmann-Fallis,<br />

selbst wenn die Eigenkapitalanforderungen<br />

bedingt durch die<br />

Basel-III-Vorgaben steigen. Allerdings<br />

seien bei der Umsetzung von Basel III in<br />

europäisches Recht noch einige Dinge zu<br />

klären.<br />

Was die Auswirkungen von Basel III auf<br />

den Bankensektor insgesamt anbelangt,<br />

bleibt Ifo-Experte Abberger vorsichtig.<br />

Die strengeren Eigenkapitalvorschriften<br />

griffen tief in das Geschäftsgebaren<br />

der Banken ein. Viele Kreditinstitute<br />

müssten ihre Eigenkapitalbasis stärken,<br />

was teilweise schwierig werden dürfte.<br />

Ein kritischer Punkt sei erreicht, wenn<br />

sich das Staatsschuldenproblem auch<br />

auf größere Euroländer wie Spanien<br />

und Italien ausweiten sollte. Hier seien<br />

einige deutsche Banken als Geldgeber in<br />

beträchtlichem Maße engagiert, ebenso<br />

wie im schwächelnden Markt für US-Gewerbeimmobilien.<br />

„All diese Risiken sind<br />

noch nicht erledigt“, warnt Abberger. <br />

Dieter W. Heumann<br />

Banken und Sparkassen sind zunächst<br />

keine Primäradressaten<br />

der Prospekthaftung, soweit sie nicht<br />

aktiv gestaltend oder werbend auftreten.<br />

Trotzdem ergeben sich<br />

für Geldinstitute erhebliche<br />

Haftungsrisiken, wenn sie Anlegern<br />

zu Produkten raten, denen<br />

ein falscher oder unvollständiger<br />

Prospekt zugrunde<br />

liegt.<br />

Dieses Haftungsrisiko hat ein<br />

Urteil des Bundesgerichtshofs<br />

(BGH) vom 9. März 2010 noch<br />

einmal verschärft. Einer deutschen<br />

Anlegerin wurde dort<br />

gegen eine Brokerfirma mit<br />

Sitz in den USA ein Schadensersatzanspruch<br />

wegen Verlusten<br />

aus Optionsgeschäften<br />

an US-Börsen zugesprochen.<br />

Der Broker war von einem in<br />

Deutschland tätigen Vermittler<br />

selbst getäuscht worden,<br />

der seinerseits die Anlegerin<br />

zu von vornherein chancenlosen Börsentermingeschäften<br />

verleitet hatte.<br />

Für den BGH war entscheidend, dass<br />

der Broker das Geschäftsmodell des<br />

Vermittlers nicht vorab geprüft hatte.<br />

Um die Bedeutung dieses Urteils zu<br />

verstehen, hilft ein Blick auf die Prospekthaftung.<br />

Jeder Prospekt, der für<br />

eine Anlageentscheidung von Bedeutung<br />

ist, muss richtig und vollständig informieren.<br />

Ist dies nicht der Fall, haften<br />

RECHTS-TIPPS<br />

Verschärfte Prospekthaftung<br />

Ein BGH-Urteil erhöht das Haftungsrisiko von Sparkassen bei<br />

falschen oder unvollständigen Verkaufsprospekten.<br />

Bei einer Massenklage von Telekom-Aktionären<br />

fielen die Prozessakten 2008 gleich<br />

körbeweise an. Damals ging es darum, ob<br />

der Verkaufsprospekt des Ex-Monopolisten<br />

alle relevanten Fakten enthalten hatte.<br />

Ähnliche Anlegerprozesse sind nach dem<br />

jüngsten BGH-Urteil eher noch wahrscheinlicher<br />

geworden.<br />

FOTOS: DPA, SVB, ÖRAG<br />

Autor Prof. Guido<br />

Holzhauser,<br />

Anwalt aus dem<br />

Netzwerk<br />

der Örag-<br />

Rechtsschutzversicherung<br />

alle Verantwortlichen und Personen,<br />

die entscheidenden Einfluss ausgeübt<br />

haben oder im Prospekt als Garanten<br />

erscheinen, dem Geschädigten auf<br />

Schadensersatz.<br />

Die Haftungsgrundlagen<br />

ergeben sich bei Aktienemissionen<br />

aus dem Börsengesetz<br />

und für den grauen Kapitalmarkt<br />

zusätzlich aus dem Verkaufsprospektgesetz.<br />

Damit<br />

ist die Prospekthaftung weitestgehend<br />

spezialgesetzlich<br />

geregelt. Hiernach muss der<br />

Anleger im Streitfall beweisen,<br />

dass der Prospekt falsch<br />

oder unvollständig ist. Der in<br />

Anspruch Genommene muss<br />

hingegen nachweisen, dass<br />

ihm dieser Mangel nicht bekannt<br />

war. Oder er beweist,<br />

dass der Anleger die Wertpapiere<br />

nicht aufgrund des Prospekts<br />

erworben hat.<br />

Als weitere Haftungsgrundlage<br />

kommt generell die Haftung aus<br />

Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht,<br />

wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch<br />

geregelt ist. Dies gilt, wenn etwa<br />

ein Berater oder Vermittler besonderes<br />

Vertrauen für sich in Anspruch genommen<br />

hat, um den Anleger zum Kauf einer<br />

Anlage zu motivieren.<br />

Beweislast bleibt beim Anleger<br />

Laut BGH soll diese Haftung vor allem<br />

bewirken, dass der Wille des potenziellen<br />

Anlegers nicht durch unlautere<br />

und irreführende Prospektpublizität<br />

beeinträchtigt wird. Deshalb greift sie<br />

auch nur, wenn ein ursächlicher Zusammenhang<br />

zwischen dem fehlerhaften<br />

Prospekt und dem Erwerb eines<br />

Anlageprodukts besteht. Dies muss der<br />

Anleger darlegen und beweisen. Lediglich<br />

in Ausnahmefällen einer durch<br />

Publikationen erzeugten „Anlagestimmung“<br />

kann eine Umkehr der Beweislast<br />

eintreten.<br />

Diese Überlegungen lassen sich auf<br />

Fälle übertragen, in denen Anleger<br />

durch Prospektangaben in die Irre geführt<br />

werden. Mit Blick auf das BGH-Urteil<br />

werden Banken und Sparkassen in<br />

Haftungsfällen noch stärker als bisher<br />

darlegen und nachweisen müssen, dass<br />

sie eigenverantwortlich Anlagemodelle<br />

vorab überprüft haben.<br />

<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


10<br />

MANAGEMENT<br />

SPRACHE DER BANKEN – TITELINTERVIEW<br />

Klare Sprache, guter Ruf<br />

Medienexperte Frank Brettschneider hat die Sprache deutscher Finanzinstitute analysiert.<br />

Im Gespräch erklärt der Wissenschaftler, wie Banken verständlicher kommunizieren können,<br />

inwieweit die Sprache das Image von Kreditinstituten und ihrer Manager beeinflusst –<br />

und welche Chancen soziale Medien bieten.<br />

Neben dem Schreibtisch von Frank<br />

Brettschneider stapeln sich Zeitungen<br />

aus dem vorvergangenen Jahr.<br />

„Die muss ich noch auswerten“, sagt er<br />

etwas verlegen. Von seinem Bürofenster<br />

aus sieht der Wissenschaftler auf das<br />

Schlossgebäude, in dem mit der Universität<br />

Hohenheim die älteste Hochschule<br />

Stuttgarts residiert. Brettschneider hat<br />

dort den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft<br />

inne. Wahlforschung, Themenmanagement<br />

und Medientheorie<br />

gehören zu seinen Themen.<br />

Ende vergangenen Jahres sorgte der<br />

Wissenschaftler mit einer Studie zur<br />

Verständlichkeit der Bankensprache<br />

für Aufsehen (SPARKASSE Ausgabe<br />

10/2010). 400 Dokumente von 39 großen<br />

Finanzinstituten wertete sein Team<br />

aus, darunter Pressemitteilungen, Datenschutzerklärungen<br />

und allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen (AGBs). Das Ergebnis:<br />

Die Sparkassen schnitten zwar generell<br />

gut ab, aber zahlreiche Dokumente<br />

waren unverständlich. Lange Sätze, Passivformulierungen<br />

sowie Fremdwörter<br />

und Anglizismen erschweren oftmals<br />

den Zugang zu den Texten – und dadurch<br />

eine effektive Kommunikation mit den<br />

Zielgruppen.<br />

Herr Brettschneider, welche Erkenntnis aus<br />

Ihrer Studie hat Sie am meisten überrascht?<br />

Prof. Frank Brettschneider: Erstaunlich<br />

ist, dass die Banken so wenig aus der Finanzkrise<br />

gelernt haben. Diese Krise ist<br />

auch eine Vertrauenskrise: Es müsste<br />

eigentlich oberste Priorität haben, den<br />

Menschen das Vertrauen in ihre Banken<br />

zurückzugeben. Die Verständlichkeit von<br />

Dokumenten spielt dabei eine wichtige<br />

Rolle und lässt sich einfach beeinflussen.<br />

Aber statt dort anzusetzen, macht man<br />

weiter wie zuvor.<br />

Vielleicht ist es den Instituten gar nicht bewusst,<br />

dass ihre Texte schwer verständlich<br />

sind? Gerade bei AGBs oder Datenschutzerklärungen<br />

wird wohl in erster Linie auf<br />

Rechtssicherheit geachtet.<br />

Brettschneider: Natürlich müssen die<br />

Formulierungen rechtssicher sein. Aber<br />

einigen gelingt es dennoch, diese Texte<br />

verständlich zu gestalten. Die Banken<br />

täten gut daran, sich an der besten Variante<br />

zu orientieren. Anderenfalls ist es<br />

nicht verwunderlich, wenn Kunden sich<br />

fragen, ob man sie absichtlich im Unklaren<br />

lässt oder etwas zu vertuschen hat.<br />

Ihre Studie untersucht verschiedene Parameter<br />

wie Anglizismen, Fremdwörter und<br />

Passivsätze. Die Banken schnitten in den Kategorien<br />

teilweise sehr unterschiedlich ab:<br />

So verwendet etwa die Mercedes Benz Bank<br />

in ihren Dokumenten sehr viele Anglizismen,<br />

jedoch nur wenige Fremdwörter.<br />

Brettschneider: Es gibt tatsächlich kein<br />

Geldinstitut, von dem man sagen kann:<br />

Die machen alles richtig oder alles falsch.<br />

Gerade bei den Anglizismen spielt verin<br />

Teamarbeit verfasst werden. Denn es<br />

kommt einerseits auf die fachliche Richtigkeit<br />

an, für die etwa bei den AGBs die<br />

Juristen zuständig sind. Aber der Text<br />

muss auch verständlich formuliert sein.<br />

Das können Menschen mit einer journalistischen<br />

Ausbildung meist besser. Um<br />

zusammenzuarbeiten, müssen sich die<br />

Fachleute in ihrer jeweiligen Expertise<br />

akzeptieren. Doch aus vielen Unternehmen<br />

weiß ich, dass es dabei Probleme<br />

gibt: Oft beharren die Experten auf ihren<br />

Formulierungen und können sich<br />

nur schwer darauf einstellen, mit Laien<br />

zu kommunizieren. Die Kommunikationsabteilung<br />

muss hier eine Art Dolmetscherfunktion<br />

übernehmen.<br />

„Oft beharren Experten auf ihren Formulierungen<br />

und können sich nur schwer darauf<br />

einstellen, mit Laien zu kommunizieren.“<br />

Prof. Frank Brettschneider<br />

mutlich die Zielgruppe der jeweiligen<br />

Bank eine Rolle. Institute wie etwa die<br />

Sparkassen, die sich an ein sehr breites<br />

Publikum richten, verzichten eher auf<br />

Anglizismen. Das ist auch richtig so:<br />

Umfragen zeigen, dass Anglizismen bei<br />

40 Prozent der Bevölkerung nicht gern<br />

gesehen werden, gerade von den älteren<br />

Zielgruppen oder bei niedrigem<br />

Bildungsniveau. Eine Bank dagegen, die<br />

sich vor allem an Geschäftskunden richtet,<br />

kann auch Anglizismen verwenden.<br />

Verschiedene Texte einzelner Finanzinstitute<br />

wurden ganz unterschiedlich bewertet. Liegt<br />

das auch daran, dass die Texte von jeweils<br />

anderen Abteilungen der Häuser erstellt werden?<br />

Und wenn ja – wer sollte die Dokumente<br />

Ihrer Meinung nach verfassen?<br />

Brettschneider: Tatsächlich variiert das<br />

je nach Institut – mal sind es PR-Leute,<br />

mal Journalisten oder Juristen. Wir haben<br />

nicht konkret abgefragt, wer welche<br />

Texte formuliert hat. Meiner Meinung<br />

nach sollten Dokumente grundsätzlich<br />

Die von ihnen untersuchten Pressemitteilungen<br />

werden von professionellen PR-Fachkräften<br />

verfasst. Sie schnitten auch am besten<br />

von allen Dokumenten ab. Dennoch gab es<br />

selbst hier bei einigen Instituten deutliche<br />

Schwächen. Wie lassen sich diese ausräumen?<br />

Brettschneider: Eine Möglichkeit wäre,<br />

sich externe Hilfe zu leisten und die Texte<br />

einer Verständlichkeitsprüfung zu unterziehen.<br />

Es gibt mittlerweile Software, die<br />

dazu in der Lage ist. In Deutschland ist<br />

vor allem die Wiener Sachtextformel recht<br />

verbreitet, die wir auch für unsere Untersuchungen<br />

verwenden. Sie gibt die Verständlichkeit<br />

in absolvierten Schuljahrgängen<br />

an und ist leicht zu interpretieren. In den<br />

USA sind diese Prüfungen bereits gang und<br />

gäbe. Dort gibt es Vorschriften für Ministerien,<br />

dass nur Texte veröffentlicht werden<br />

dürfen, die einen bestimmten Schwellenwert<br />

an Verständlichkeit erreichen.<br />

Könnten auch deutsche Finanzinstitute gesetzlich<br />

dazu verpflichtet werden, ihre Texte<br />

verständlich zu formulieren?<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FOTOS: MARTIN EGBERT (5), DPA


12<br />

MANAGEMENT<br />

Brettschneider: Wenn die Banken die<br />

formalisierte Verständlichkeitsprüfung<br />

nicht selbst einführen, wird sie vorgeschrieben<br />

werden, davon bin ich überzeugt.<br />

In der Pharmaindustrie gibt es<br />

schon seit einigen Jahren eine entsprechende<br />

EU-Richtlinie: Bei Neuzulassung<br />

eines Medikaments muss nachgewiesen<br />

werden, dass die Packungsbeilagen verständlich<br />

sind. Wir haben klare Hinweise,<br />

dass so eine Regelung auch für die<br />

Finanzbranche kommt. Das Verbraucherschutzministerium<br />

hat Ende 2010<br />

eine Ausschreibung in dieser Richtung<br />

vorgenommen.<br />

Würde es sich für eine Organisation wie die<br />

Sparkassen-Finanzgruppe anbieten, eine<br />

Richtlinie zur Verständlichkeit herauszugeben,<br />

an der sich die Institute orientieren?<br />

Brettschneider: Die Sparkassen haben<br />

bereits Schritte in diese Richtung unternommen,<br />

indem sie etwa ihre AGBs zentral<br />

erstellen lassen. So muss nicht jedes Institut<br />

für sich an dem Dokument arbeiten,<br />

sondern es wird durchdacht, geprüft und<br />

als Muster für alle zur Verfügung gestellt.<br />

Das ist ein sehr guter Weg, Verständlichkeit<br />

herzustellen. Sicherlich wäre es auch<br />

wünschenswert, interne Sprachleitlinien<br />

zu definieren. Es gibt etliche Unternehmen,<br />

die mit einem „Corporate Wording“<br />

festlegen, welche Begriffe verwendet<br />

werden dürfen und welche nicht. Man<br />

könnte sich etwa nach dem Standard der<br />

Deutschen Presse-Agentur richten, die mit<br />

einer Satzlänge von nicht mehr als zwölf<br />

Wörtern arbeiten. Außerdem orientiert<br />

man sich dort an Häufigkeitslisten der<br />

meist verwendeten Begriffe. Hintergrund<br />

ist, dass Menschen nicht Buchstabe für<br />

Buchstabe lesen, sondern das Wort als<br />

Ganzes erfassen. Die gebräuchlichen Wörter<br />

kann der Leser schnell aufnehmen.<br />

Besser kurz und aktiv – Tipps für verständliches Formulieren<br />

Bei einer Konstruktion wie „Innovations-<br />

Inves titions-Entscheidung“ funktioniert<br />

das dagegen nicht so gut.<br />

Vielleicht braucht es manchmal schwierige<br />

Fachbegriffe, weil Banken sehr komplexe<br />

Inhalte vermitteln müssen?<br />

Brettschneider: Keineswegs. Ich gebe<br />

Ihnen ein Beispiel aus der Politik: die<br />

Schlichtung von Heiner Geißler in der Sache<br />

Stuttgart 21. Da wurden Begriffe wie<br />

‚Dolinen‘ oder ‚Überwerfungsbauwerk‘<br />

verwendet, die niemand kannte. Geißler<br />

hat immer wieder insistiert, die Diskussion<br />

für die Zuschauer verständlich zu<br />

machen. In den ersten drei Sitzungen<br />

hat das gar nicht funktioniert, aber dann<br />

hatten sich die Teilnehmer darauf eingestellt.<br />

Plötzlich konnte der Geologe erklären,<br />

wie die Untersuchungen ablaufen,<br />

wie Wasser von der einen Schicht in die<br />

andere kommt. Aus dem ‚Überwerfungsbauwerk’<br />

der Experten wurde die für<br />

Laien verständliche ‚Brücke’ – und über<br />

eine Million Menschen haben die Diskussion<br />

im Fernsehen verfolgt.<br />

Lange Sätze in kürzere Sätze aufteilen, sonst<br />

benötigt der Leser mehrere Leseansätze,<br />

um den Sinn zu verstehen. Ab einer Satzlänge<br />

von zwanzig Wörtern wird es schwer,<br />

den Gesamtkontext zu überblicken. Im<br />

Idealfall sollte jeder Satz nur eine Information<br />

bieten.<br />

Vor allem bei Handlungsanweisungen sollte<br />

der Leser direkt angesprochen werden<br />

(„Bitte informieren Sie uns über Änderungen<br />

aller Daten so zeitnah wie möglich.“), das<br />

klingt höflicher als indirekte Formulierungen<br />

(„Änderungen sind der Sparkasse unverzüglich<br />

mitzuteilen.“).<br />

Schachtelsätze vermeiden, da sie den Lesefluss<br />

unterbrechen und schwerer zu verstehen<br />

sind als einfache Haupt- und Nebensätze.<br />

Passivkonstruktionen machen den Satz<br />

unnötig kompliziert („Dabei wird Ihnen von<br />

uns der Zweck angegeben, zu dem die Daten<br />

im Falle Ihrer Einwilligung erhoben werden“).<br />

Besser aktiv formulieren („Wir erläutern Ihnen<br />

den Zweck, weshalb wir Ihre Daten erheben“).<br />

Fremdwörter wie „Zahlungsdiensterahmenvertrag“<br />

oder „prospektiv“ vermeiden – oder,<br />

falls unvermeidbar, erläutern.<br />

(aus der Studie „An den Kunden vorbei. Die<br />

Sprache der Banken.“)<br />

Ihrer Meinung nach hat verständliche Kommunikation<br />

sogar noch einen attraktiven<br />

Nebeneffekt: Sie kann Kaufentscheidungen<br />

positiv beeinflussen.<br />

Brettschneider: Mit dieser Meinung stehe<br />

ich nicht alleine da. Nicht umsonst<br />

werben ING-Diba und die Ergo-Versicherung<br />

mit ihrem Bemühen um Verständlichkeit.<br />

Es gibt Ergebnisse aus der<br />

Marktforschung, die auf den Stellenwert<br />

von Verständlichkeit und Transparenz<br />

gerade nach der Finanzkrise hinweisen.<br />

Das ersetzt natürlich nicht die Notwendigkeit,<br />

gute Produkte zu haben.<br />

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband<br />

(DSGV) hat eine Reihe von Prospekten ent-<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


MANAGEMENT 13<br />

„Wenn die Banken die formalisierte<br />

Verständlichkeitsprüfung nicht selbst einführen,<br />

wird sie vorgeschrieben<br />

werden, davon bin ich überzeugt.“<br />

wickelt, die Berater bei ihren Kundengesprächen<br />

unterstützen sollen. Sie erklären<br />

komplizierte Produkte wie etwa die Riester-<br />

Rente anhand von Schaubildern. Können solche<br />

Visualisierungen helfen?<br />

Brettschneider: Alles was der Veranschaulichung<br />

dient, halte ich für eine gute<br />

Idee. Eyetracking-Studien haben gezeigt,<br />

dass Leser zuerst auf Infografiken gucken<br />

und dann erst auf den Text. Schaubilder<br />

sind also ein wichtiger Zugang. Leider<br />

zeichnen sich Finanzbroschüren oft eher<br />

durch ihre staubtrockene Sprache und<br />

Gestaltung aus. Natürlich gehört Seriosität<br />

zur Branche, die Visualisierung sollte<br />

also nicht zum Comic werden. Ideal wäre<br />

eine Verbindung von Seriosität und leichtem<br />

Erschließen von Inhalten.<br />

Nicht immer lösen Bemühungen, Produkte<br />

möglichst einfach zu erklären, ein positives<br />

Echo aus. Als die Sparkassen Infozettel mit<br />

Produktbeschreibungen erstellt haben,<br />

wurden diese von Verbraucherschützern<br />

als verkapptes Marketing gebrandmarkt.<br />

Wie lassen sich solche Angriffe vermeiden?<br />

Brettschneider: Indem man sich frühzeitig<br />

mit relevanten Stakeholdern wie<br />

etwa Verbraucherschützern an einen<br />

Tisch setzt, seine Ideen präsentiert und<br />

Verbesserungsvorschläge diskutiert. Das<br />

erfordert ein Umdenken, aber es ist notwendig<br />

für die Banken, um eine Reputation<br />

aufzubauen und das Vertrauen relevanter<br />

Teilöffentlichkeiten zu gewinnen.<br />

Ein Unternehmen, das einen guten Ruf<br />

genießt, wird auch in Krisenzeiten wohlwollender<br />

behandelt. Verbraucherschützer,<br />

mit denen man über ein Jahr hinweg<br />

einen guten Kontakt hatte, werden einen<br />

nicht so schnell in der Öffentlichkeit angreifen.<br />

Das ist eine Frage des gegenseitigen<br />

Respekts.<br />

In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass<br />

viele Banker zu Finanzprodukten mit unverständlichen<br />

Bezeichnungen wie „Asset<br />

Backed Securities“ gegriffen hatten, deren<br />

Wirkungsweisen und Risiken ihnen offenbar<br />

nicht bekannt waren. Würden Sie sagen,<br />

dass die Finanzkrise eine Kommunikationskrise<br />

war?<br />

Brettschneider: Ich würde es nicht darauf<br />

reduzieren wollen, da es sich vor<br />

allem um eine substanzielle Krise handelt;<br />

wenngleich es sicher auch kommunikative<br />

Krisenursachen gab: So ist es<br />

denkbar, dass die Konstrukteure beson-<br />

ders riskanter Finanzprodukte bewusst<br />

unverständliche Begriffe gewählt hatten,<br />

um sich und ihre Produkte vor allzu kritischen<br />

Nachfragen zu schützen. Wenn<br />

ein Produkt mit einem Fachbegriff geadelt<br />

wird, macht sich derjenige, der allzu<br />

ausführlich nachfragt, schließlich der<br />

Unwissenheit und Naivität verdächtig.<br />

Aber gerade auch beim Umgang mit der<br />

Finanzkrise gab und gibt es kommunikative<br />

Mängel. Statt Vertrauen wieder aufzubauen,<br />

sind viele Fehler gemacht worden,<br />

weil Probleme anfangs heruntergespielt<br />

und verschleiert wurden. Ähnlich war<br />

das zuvor schon in der Energiebranche<br />

abgelaufen. Denken Sie an die Störfälle in<br />

den Atomkraftwerken Brunsbüttel und<br />

Krümmel: Die Bevölkerung verlangte<br />

Aufklärung, aber der Stromkonzern Vattenfall<br />

gab nur scheibchenweise Informationen<br />

heraus und vermittelte damit<br />

das Gefühl: Die verbergen etwas. Auch<br />

im Zuge der Finanzkrise kommen immer<br />

wieder Zweifel am Verhalten der Banken<br />

auf. Und sie werden mit jeder neuen Negativ-Meldung<br />

aktualisiert, selbst wenn<br />

die Ursachen schon weit zurückliegen.<br />

Haben Sie auch ein Positiv-Beispiel?<br />

Brettschneider: Hier lässt sich die Chemieindustrie<br />

anführen: Sie war in den<br />

Am Kunden vorbei – Studie zur Bankensprache<br />

Wie kommunizieren Banken unter dem Einfluss<br />

der Finanzkrise mit ihren Kunden? Gibt es hinsichtlich<br />

der Verständlichkeit von Dokumenten<br />

signifikante Unterschiede zwischen den<br />

Banken? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt<br />

der Studie, an der die Universität Hohenheim<br />

gemeinsam mit der H&H Communication Lab<br />

GmbH sowie dem Finanz-Sprachdienstleister<br />

CLS Communications gearbeitet hat.<br />

„An den Kunden vorbei. Die Sprache der<br />

Banken“ lautet der Titel, der das Ergebnis<br />

der Studie schon vorwegnimmt: Noch immer<br />

verschenken viele Banken großes Potenzial<br />

bei der Kommunikation mit ihren Endkunden<br />

und anderen Gruppen. Bei vielen Dokumenten<br />

fanden sich hohe Barrieren gegen Verständlichkeit:<br />

Sätze mit mehr als 80 Wörtern,<br />

jeder zweite Satz im Passiv und Fremdwörter<br />

sowie Anglizismen, die nicht erklärt werden.<br />

Unter den Instituten mit den schlechten oder<br />

unverständlichen Informationen fanden sich<br />

viele private Banken wie die Postbank, Cortal<br />

80er-Jahren die am stärksten kritisierte<br />

Branche. Heute steht sie in Bezug auf ihre<br />

Reputation gar nicht schlecht da – weit<br />

vor den Banken jedenfalls. Die Chemie-<br />

Unternehmen haben die Kritik in Bezug<br />

auf Umweltschutz, Nachhaltigkeit und<br />

Ressourcen ernst genommen. Nach und<br />

nach wurde mit Umweltschutzmaßnahmen<br />

und klarer Nutzen-Kommunikation<br />

am Image gearbeitet. So hat es die chemische<br />

Industrie geschafft, dass Menschen<br />

heute bei Chemie an etwas Hilfreiches<br />

denken, etwa an Medikamente<br />

oder an Fasern in ihren Kleidern. Es hat<br />

allerdings mehr als zehn Jahre gedauert,<br />

diesen Imagewandel hinzubekommen.<br />

Ist davon auszugehen, dass auch das Bankwesen<br />

zehn Jahre brauchen wird, um die<br />

Imageschäden aus der Finanzkrise wieder<br />

auszugleichen?<br />

Brettschneider: Vielleicht sogar länger.<br />

Das hängt davon ab, ob man aus der Krise<br />

lernt und sich auf Transparenz besinnt.<br />

Die ersten Beobachtungen sind wenig ermutigend.<br />

Früher zählten Verschwiegenheit und Diskretion<br />

zu den wichtigsten Eigenschaften einer<br />

Bank. Heute werden Kommunikationsfähigkeit<br />

und Transparenz eingefordert. Liegt da<br />

ein Paradigmenwechsel vor?<br />

Brettschneider: Diese Veränderung ist<br />

vor allem auf den Wandel der Kunden zurückzuführen.<br />

Die Menschen haben durch<br />

die modernen Medien einen höheren Informationsgrad<br />

und stärkere Vergleichsmöglichkeiten.<br />

Mündigere Kun den stellen<br />

höhere Anforderungen an Unternehmen.<br />

Zudem ist die Bindung an ein Institut nicht<br />

mehr so stark, da wird schnell mal ein anderes<br />

Online-Konto bei der Konkurrenz eröffnet.<br />

Das Einzige, was da hilft, sind gute<br />

Consors, Targo Bank oder SEB. In den „Top<br />

Ten“ dagegen acht Institute der Sparkassen-<br />

Finanzgruppe. Zu den am besten bewerteten<br />

Instituten gehörten die Sparkassen München,<br />

Esslingen-Nürtingen und KölnBonn. Auch der<br />

Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV)<br />

konnte sich mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen,<br />

die zentral zur Verfügung gestellt<br />

werden, einen Spitzenplatz sichern. „Einige<br />

der Banken im Test können als sehr positive<br />

Beispiele angesehen werden“, heißt es in<br />

der Studie. Sie erzielten beim „Hohenheimer<br />

Verständlichkeitsindex“, der von 0 (völlig<br />

unverständlich) bis 20 (sehr gut verständlich)<br />

reicht, mit ihren Texten die höchsten Werte.<br />

Andere Dokumente entlarvte die Studie als so<br />

unverständlich, dass sie dem Schwierigkeitsgrad<br />

einer Doktorarbeit entsprächen.<br />

SPARKASSE hat die Studie im Dezember 2010<br />

vorgestellt. Interessenten erhalten den Artikel<br />

per PDF gratis bei sparkasse@dsgv.de<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


14<br />

MANAGEMENT<br />

„Wenn Sparkassen in sozialen Medien<br />

plötzlich von ‚coolen Gewinnspielen‘ reden,<br />

kommt das nicht authentisch rüber.“<br />

Argumente und die Unterscheidbarkeit<br />

von anderen Instituten – etwa durch bessere<br />

Verständlichkeit.<br />

In Sachen Transparenz setzen viele Unternehmen<br />

auf soziale Medien wie Facebook<br />

oder Twitter. Wie sollte die Finanzwirtschaft<br />

mit diesen Netzwerken umgehen?<br />

Brettschneider: Banken können soziale<br />

Medien als Kanal und Seismograf<br />

nutzen. Sie zeigen die Stimmung in den<br />

relevanten Zielgruppen und was den<br />

Kunden wichtig ist. Zudem kann man<br />

in sozialen Netzwerken viel zielgenauer<br />

kommunizieren als in anderen Medien.<br />

Die GLS Bank hat es geschafft, durch Social<br />

Media zum Krisengewinnler zu werden:<br />

Sie nutzt das mangelnde Vertrauen<br />

der Kunden zu den Banken und verbindet<br />

es mit nachhaltigen Anlageformen.<br />

Damit hat sie enormen Erfolg. Auch für<br />

die Sparkassen bieten sich hier Chancen.<br />

Während sie früher als eher langweilig<br />

und unsexy galten, sind sie in der Krise<br />

auf einmal wieder interessant.<br />

man bedienen müssen, weil die jüngeren<br />

Kunden sich sonst andere Banken suchen.<br />

Durch Onlinebanking hat die Bindung<br />

an die Filiale nachgelassen – gerade<br />

bei den Jungen. Sie sind es gar nicht mehr<br />

gewohnt, zur Bank zu gehen, selbst wenn<br />

sie mal einen Berater brauchen. Deswegen<br />

muss online ein Ansprechpartner<br />

da sein, den man als Kunde schnell findet.<br />

Da ist es doch vernünftig, in sozialen<br />

Netzwerken präsent zu sein.<br />

Wenn man in diesen Medien mit jungen Menschen<br />

kommuniziert, muss man sich den dort<br />

vorherrschenden Sprachcodes anpassen?<br />

Brettschneider: Anbiedern sollte man<br />

sich auf keinen Fall, das kann schnell<br />

peinlich werden. Wenn Sparkassen plötzlich<br />

von „coolen Gewinnspielen“ reden,<br />

kommt das nicht authentisch rüber.<br />

Diese Sprache passt vielleicht zu Sportartikelherstellern,<br />

aber nicht zu Rentenzertifikaten.<br />

Bei Banken ist es das Verlässliche,<br />

Solide und vielleicht auch das<br />

Nachhaltige, das überzeugt.<br />

Zur Person<br />

Prof. Frank Brettschneider (45) ist seit April<br />

2006 Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft<br />

der Universität Hohenheim.<br />

Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen<br />

das Communication Performance Management,<br />

die Medienwirkungsforschung, die<br />

Wahl- und Einstellungsforschung sowie das<br />

Themenmanagement in Wirtschaft und Politik.<br />

Nach dem Studium der Politikwissenschaft,<br />

Publizistik und Jura an der Universität Mainz<br />

wurde Brettschneider in Stuttgart zum Thema<br />

„Öffentliche Meinung und Politik“ promoviert.<br />

2002 folgte die Habilitation zum Thema<br />

„Spitzenkandidaten und Wahlerfolg“. Vor<br />

seiner Berufung an die Uni Hohenheim war<br />

Brettschneider Professor für Kommunikationswissenschaft<br />

an der Universität Augsburg.<br />

Bislang sind die Sparkassen in den sozialen<br />

Medien noch zurückhaltend. Wie groß ist der<br />

Druck, dort präsent zu sein?<br />

Brettschneider: Die neuen Kanäle wird<br />

Welche Themen sind geeignet, um sie auf<br />

Facebook zu besprechen?<br />

Brettschneider: Geeignet sind Themen,<br />

die zum guten Ruf des Unternehmens<br />

Taktisches Verschleiern – wie verständlich sind Politiker?<br />

Frank Brettschneider beschäftigt sich seit<br />

Langem mit politischer Kommunikation.<br />

„Wenn es um ihre Erfolge geht, drücken sich<br />

Politiker gern verständlich aus, auch damit sie<br />

in der Tagesschau zitiert werden“, weiß der<br />

Wissenschaftler. Ex-Kanzler Gerhard Schröder<br />

beherrsche die Kunst der verständlichen Rede<br />

in einfachen Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen.<br />

Bei ihm könne man sich einiges abschauen,<br />

wenn es um Verständlichkeit geht.<br />

Aber auch im Vernebeln unpopulärer<br />

Entscheidungen sei Schröder ein Meister:<br />

Die Agenda 2010 etwa habe er mit komplizierten<br />

Schachtelsätzen und Fachbegriffen<br />

abgehandelt. „Taktisches Verschleiern“ nennt<br />

Brettschneider das. Geldinstituten rät er von<br />

einem solchen Vorgehen ab, selbst wenn es<br />

um unangenehme Themen gehe. „Man sollte<br />

die Menschen lieber direkt ansprechen, statt<br />

abstrakt zu bleiben“, sagt er. Zustimmung<br />

hänge auch von Verständlichkeit ab. Das beste<br />

Beispiel dafür sei der heutige Verteidigungsminister<br />

Karl-Theodor zu Guttenberg. Selbst<br />

bei unpopulären Maßnahmen wie der Opel-<br />

Sanierung habe er jeden Schritt genau erklärt<br />

Hohe Sympathiewerte<br />

dank klarer<br />

Sprache: CSU-Politiker<br />

Karl-Theodor zu<br />

Guttenberg.<br />

und sich damit hohe<br />

Sympathiewerte verdient.<br />

Die Bevölkerung<br />

fordere diese Art der<br />

Rechenschaft immer<br />

mehr ein, sowohl von<br />

Politikern als auch von<br />

Wirtschaftsmanagern.<br />

„Mit dem steigenden<br />

Bildungsniveau geht<br />

auch ein höheres<br />

Selbstbewusstsein<br />

einher. Die Menschen<br />

fühlen sich in der Lage,<br />

mitzureden“, so Brettschneider.<br />

Besonders<br />

eindringlich wirke die Verwendung von bildhafter<br />

Sprache. Diese sei das Steckenpferd des<br />

ehemaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering.<br />

„Man denke nur an die ‚Heuschrecken‘: Er<br />

hätte ‚Finanzinvestoren‘ sagen können, aber<br />

das wäre nicht hängen geblieben. Die Heuschrecke<br />

ist gefräßig, sie fällt in Schwärmen<br />

über etwas her und zieht dann weiter – ein sehr<br />

starkes Bild“, lobt Brettschneider.<br />

beitragen. Das können Aktivitäten sein,<br />

in denen das soziale Engagement zum<br />

Ausdruck kommt, beispielsweise die Unterstützung<br />

eines Kindergartens durch<br />

eine Sparkasse. Aber auch für das Management<br />

ist Facebook ein wichtiges<br />

Reputationsinstrument. Es ist durchaus<br />

denkbar, die Frage der künftigen Unternehmensstrategie<br />

online zu diskutieren:<br />

Was sind die Anforderungen an ein Geldinstitut<br />

in der Zukunft? Für so etwas eignet<br />

sich Facebook wunderbar.<br />

Inwieweit sollte ein Vorstandssprecher dort<br />

in Erscheinung treten?<br />

Brettschneider: Die Personalisierung in<br />

den Medien schreitet weiter voran. CEOs<br />

und andere Vorstandsmitglieder spielen<br />

eine immer größere Rolle bei der Selbstdarstellung<br />

von Unternehmen. Das wird<br />

auch im Internet spürbar werden. Man<br />

kann sich natürlich dagegen stemmen<br />

und nicht mitmachen – dann tritt man<br />

aber in den Medien weniger in Erscheinung.<br />

Die Wirtschaftsberichterstattung<br />

besteht nicht mehr nur aus nackten Zahlen<br />

und Fakten, sondern sie erzählt Geschichten.<br />

Als Unternehmen muss man<br />

damit umgehen und entscheiden, ob ein<br />

Vorstand oder mehrere das „Storytelling“<br />

in den Medien übernehmen. Mit der Ein-<br />

Personen-Strategie macht sich das Unternehmen<br />

natürlich sehr abhängig. Das<br />

kann gut gehen – aber eben auch nicht.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


MANAGEMENT 15<br />

Man denke nur an die Telekom und Ron<br />

Sommer: Sein Stern sank gemeinsam mit<br />

dem Aktienkurs.<br />

Woran liegt es, dass Manager wie Josef<br />

Ackermann fast noch schärfer beäugt werden<br />

als deren Unternehmen?<br />

Brettschneider: Das hängt mit dem<br />

Negativismus in der Berichterstattung<br />

zusammen. Medien wollen über Kritik<br />

ihre Distanz symbolisieren. Wenn sie<br />

einen Unternehmenschef kritisieren,<br />

dann gilt das als Zeichen für ihre Glaubwürdigkeit.<br />

Wenn sie über seine Erfolge<br />

schreiben, wird schnell gefragt, ob es da<br />

eine geschäftliche Verbindung gibt. Das<br />

andere ist: Je mehr ein Unternehmen<br />

in der Öffentlichkeit steht, desto mehr<br />

muss es sich für sein Verhalten rechtfertigen.<br />

Wenn man ein Renditeziel von<br />

zwanzig Prozent ausgibt, wird das von<br />

Journalisten schnell in den politischen<br />

Zusammenhang gerückt: Auf der einen<br />

Seite Sozialkürzungen, auf der anderen<br />

Seite exorbitante Gewinnerwartungen,<br />

wie passt das zusammen? Wirtschaft<br />

hat den Sprung in den Politikteil der Zeitungen<br />

und in die Talkshows geschafft.<br />

Das erhöht aber auch den Druck auf die<br />

Handelnden.<br />

Das heißt, dass das Image eines Managers<br />

auch davon abhängt, dass er die richtigen<br />

Worte findet.<br />

Brettschneider: Ja, mitunter kann ein<br />

einziger verbaler Fehlgriff eine unerwartet<br />

starke Wirkung entfalten. Erinnern<br />

Sie sich an den Begriff „Peanuts“, mit<br />

dem der einstige Deutschbanker Hilmar<br />

Kopper Rechnungen in Höhe von 50 Mio.<br />

D-Mark bezeichnete, die ein Kunde nicht<br />

zahlen konnte. Dieses Wort hing dem Manager<br />

noch jahrelang nach. Oder denken<br />

Sie an das Victory-Zeichen von Herrn<br />

Ackermann. Unbedacht gewählte Worte<br />

und Gesten wandeln sich schnell zu Symbolen,<br />

die gegen die Manager verwendet<br />

werden.<br />

Wenn sich Manager in den Medien äußern,<br />

sprechen sie aber gern von „sozialer Verantwortung“<br />

und „Nachhaltigkeit“, bezeichnen<br />

sich selbst als „Teamplayer“ und bevorzugen<br />

„flache Hierarchien“. Sind solche – positiv<br />

gemeinten – Äußerungen nicht längst zur<br />

Floskel geworden?<br />

Brettschneider: Das Problem ist die<br />

mangelnde Unterscheidbarkeit, weil alle<br />

die gleichen hohlen Phrasen von sich<br />

geben. Wenn man glaubwürdig kommunizieren<br />

will, muss man Beispiele geben:<br />

Wo wird Nachhaltigkeit im Unternehmen<br />

manifest? Wie zeigen sich flache Hierarchien<br />

im konkreten Arbeitsablauf? Da<br />

sind wir wieder beim Geschichten erzählen<br />

– und bei der Verständlichkeit. <br />

n<br />

Das Gespräch führten Ulrike Schäfer und<br />

Oliver Fischer.<br />

SOZIALE MEDIEN<br />

Weder gestelzt<br />

noch gewollt<br />

Social Networks haben ihre eigene Sprache und Regeln. Wie<br />

Sparkassen ihre Strategie finden und den richtigen Ton treffen.<br />

Zuhören und verstehen<br />

Versuchen Sie, zunächst durch Zuhören und<br />

Beobachten einen Zugang zum Nutzer zu<br />

finden. Mithilfe eigener Recherchen, aber auch<br />

einem gezielten Monitoring können Sie herausfinden,<br />

wie die Nutzer über die Sparkasse<br />

und ihre Themen denken und „Anfängerfehler“<br />

vermeiden. Die regelmäßige und umfassende<br />

Beobachtung von sparkassenrelevanten<br />

Themen im Internet gehört auch später zu<br />

den „Hausaufgaben“, um Krisen frühzeitig zu<br />

erkennen oder die Wirkung der eigenen Aktivitäten<br />

einschätzen zu können.<br />

Klare Ziele festlegen<br />

Eine Strategie mit Zielen, Zielgruppen und<br />

daraus abgeleiteten Kanälen und Maßnahmen<br />

muss Grundlage der Social-Media-Aktivitäten<br />

sein. Sie beantwortet die Frage, welche Unternehmens-<br />

und Kommunikationsziele mit<br />

Sozialen Netzwerken erreicht werden können.<br />

Für Sparkassen kommen etwa Kundendialog,<br />

-einbindung in das gesellschaftliche<br />

Engagement oder Personalrekrutierung<br />

infrage. Grundsätzlich gilt: Xing eignet sich für<br />

geschäftliche Kontakte, Privatkunden erreichen<br />

Sie über Facebook. Twitter dient der Verbreitung<br />

von Unternehmensnachrichten und der<br />

Beantwortung von Kundenanfragen.<br />

Ressourcen einplanen und Strukturen<br />

schaffen<br />

Gutes Social-Media-Management kostet Zeit<br />

und Geld. Die Moderation der Kommunikation<br />

und die Reaktion auf Nutzerbeiträge erfordert<br />

ständige Aktivität und Reaktionsfähigkeit. Dies<br />

setzt klare Verantwortlichkeiten und Vertretungsregeln<br />

voraus. Ein fester Social-Media-<br />

Beauftragter steuert alle Vorhaben, sorgt<br />

für Qualität und Vernetzung der beteiligten<br />

Bereiche. Für die Anfangszeit bietet sich ein<br />

abteilungsübergreifendes Projektteam von<br />

Verantwortlichen aus Marketing, medialem<br />

Vertrieb, Unternehmenskommunikation, Qualitätsmanagement<br />

und Personal an.<br />

Mitarbeiter einbeziehen<br />

Jeder Mitarbeiter ist privat ein wertvoller<br />

Botschafter und Informationslieferant der<br />

Sparkasse, gerade wenn Sie eigene Angebote<br />

in sozialen Medien schaffen wollen. Binden Sie<br />

deshalb von Anfang an alle Mitarbeiter in die<br />

Planungen ein und definieren Sie gemeinsam<br />

den Rahmen der privaten und der beruflichen<br />

Kommunikation in Form von Mitarbeiterrichtlinien.<br />

Diese schaffen Sicherheit für offizielle<br />

Aktivitäten autorisierter Mitarbeiter sowie für<br />

private, aber sparkassenrelevante Aktivitäten<br />

aller Mitarbeiter. Sie dienen der Orientierung<br />

und Sensibilisierung für das Verhalten in<br />

sozialen Netzwerken, haben aber auch eine<br />

Motivationsfunktion.<br />

Mehrwert bieten<br />

Finanzdienstleistungen sind Low-Involvement-<br />

Produkte. Sie benötigen eine besonders starke<br />

Geschichte und für den Nutzer relevante und<br />

aktuelle Themen. Bieten Sie Ihren Kunden<br />

interessante Informationen und Interaktionsmöglichkeiten.<br />

Für das reine „Verkünden“ von<br />

Unternehmensnachrichten braucht es keine<br />

sozialen Medien. Hilfreich sind Themen- und<br />

Kampagnenpläne, die alle infrage kommenden<br />

Inhalte und Aktionen über das Jahr verteilen.<br />

Authentisch auftreten<br />

Ehrlichkeit, aber auch Unehrlichkeit wird in<br />

sozialen Netzwerken schnell erkannt – oder<br />

entlarvt. Identifizieren Sie sich daher immer<br />

eindeutig. Authentizität bedeutet auch,<br />

den Nutzer ernst zu nehmen, sich für seine<br />

Meinung zu interessieren und auf kritische<br />

Fragen einzugehen. Dazu gehört eine einheitliche<br />

Anspracheform – je nach Zielgruppe<br />

wird geduzt oder gesiezt. Begegnen Sie dem<br />

Nutzer auf Augenhöhe und vermeiden Sie eine<br />

sprachliche „Anbiederung“. Es empfiehlt sich<br />

darüber hinaus die Festlegung einheitlicher<br />

Schreibweisen und Begriffe für die sprachliche<br />

Corporate Identity als Grundlage für alle Redakteure<br />

und Mitarbeiter.<br />

Messen Sie Ihren Erfolg<br />

Legen Sie quantifizierbare Zielvorgaben bereits<br />

zu Beginn Ihrer Aktivitäten fest. Bei Marketingaktionen<br />

auf Facebook kann dies beispielsweise<br />

die Gewinnung einer bestimmten Anzahl<br />

von Fans im eigenen Geschäftsgebiet sein.<br />

Wichtig ist auch der Aktivitätengrad und die<br />

Qualität der Beiträge der Nutzer. Überprüfen<br />

Sie immer wieder, ob Sie die anfangs gesetzten<br />

Ziele erreichen und optimieren Sie wenn nötig<br />

Ihre Maßnahmen.<br />

Verena Freyer, DSGV<br />

Eine Checkliste für Social-Media-Aktivitäten der<br />

Sparkassen sowie Muster-Mitarbeiterrichtlinien<br />

erhalten Sie unter Verena.Freyer@dsgv.de.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


16<br />

MANAGEMENT<br />

VERTRIEB<br />

Kundenbindung 2.0<br />

Apples iPad hat den Tablet-PCs zum Durchbruch verholfen. Sparkassen überlegen, wie sie das<br />

digitale Gerät anwenden können. Doch seine Herkunft steht einem Einsatz entgegen: Da es sich<br />

um einen Apple-Rechner handelt, ist eine Einbindung in die Sparkassen-IT noch schwierig.<br />

n VON ANJA KÜHNER<br />

R<br />

und 450.000 Tablet-Computer gingen<br />

nach Berechnungen des Branchenverbands<br />

Bitkom im Jahr 2010 über den<br />

Ladentisch. 2009 waren gerade einmal<br />

20.000 Stück der Geräte verkauft worden,<br />

der Absatz wächst also derzeit um<br />

den Faktor 25. Dieses Wachstum ist nur<br />

einem Gerät zu verdanken: dem iPad.<br />

Der Technologiesprung von Apple erhöht<br />

für die gesamte Produktklasse der<br />

digitalen Flundern dauerhaft die Absatzprognosen:<br />

Laut einer Umfrage von Bitkom/Forsa<br />

erwägen drei Mio. Deutsche,<br />

sich in nächster Zeit einen Tablet-PC zu<br />

kaufen. Geräte mit anderen Betriebssystemen<br />

wie Windows 7 von Microsoft<br />

oder das Blackberry Playbook von RIM<br />

werden vermutlich dem iPad Marktanteile<br />

abspenstig machen.<br />

„Bei Tablet-PCs handeln die Anbieter<br />

derzeit nach dem Motto: ,Alle wollen ins<br />

Wohnzimmer des Kunden‘“, sagt Gudrun<br />

Hesch, Produktmanagerin E-Banking<br />

und Portale der Fiducia IT. Mit iPads hoffen<br />

die Anbieter, die breite Masse<br />

der Verbraucher zu erreichen. Aber auch<br />

Beratungsgespräche vor Ort beim Kunden<br />

könnten durch Applikationen (Apps)<br />

unterstützt werden.<br />

Ein Blick in andere Branchen zeigt, wie<br />

es gehen könnte. Beim Softwareunternehmen<br />

SAP etwa sind weltweit rund<br />

2500 iPads im Einsatz, die meisten in der<br />

Entwicklung. Auch der Vertrieb nutzt die<br />

flachen Geräte. „Der Sales-Mitarbeiter hat<br />

ein handlicheres Gerät zur Verfügung als<br />

wenn er jedes Mal ein Notebook aufklappen<br />

müsste“, sagt SAP-Sprecher Hilmar<br />

Schepp. Ein iPad sei schneller zur Hand<br />

als andere Geräte, denn es starte schneller<br />

als ein Notebook oder ein Netbook.<br />

„Keine Klappe, schneller Start“<br />

Das sei vor allem darauf zurückzuführen,<br />

dass man nicht erst ein umfangreiches<br />

Betriebssystem hochfahren muss, denn<br />

das iPad basiere auf einem schnellen<br />

Handy-Betriebssystem. Man könne dem<br />

Kunden mit dem iPad sofort die Apps, die<br />

man für das Gerät entwickelt hat, direkt<br />

im Einsatz zeigen. „Auch das haptische<br />

Erlebnis ist dabei nicht zu<br />

unterschätzen“, sagt Schepp. In der Finanzbranche<br />

war besonders die Deutsche<br />

Vermögensberatung DVAG schnell<br />

am Start. Bereits zum deutschen Verkaufsstart<br />

orderte man für den Vertrieb<br />

1000 Geräte, so dass bereits Mitte Juni<br />

2010 die ersten iPads an die Vermögensberater<br />

ausgehändigt werden konnten.<br />

Die Geräte können die Kontakt-, E-Mail<br />

und Termindaten der Vermögensberater<br />

aus dem betriebseigenen Online-System<br />

synchronisieren. Zur Unterstützung der<br />

Vermögensberater hat die DVAG spezielle<br />

Apps entwickelt, wie ein Präsentationstool,<br />

eine App zur Ermittlung des Rentenbedarfs<br />

und der Zugriff zur Mediathek<br />

des Unternehmens.<br />

Auch die Deutsche Bank setzt das iPad<br />

seit Herbst 2010 in rund 300 ihrer bundesweit<br />

mehr als 770 Filialen in der Vorsorgeberatung<br />

für Kunden ein. Die Berater<br />

der Deutschen Bank haben mit dem<br />

Vorsorgeprogramm zwischenzeitlich in<br />

mehreren tausend Beratungsgesprächen<br />

sehr gute Erfahrungen gesammelt.<br />

„Die Kunden loben vor allem die anschauliche<br />

Visualisierung auf dem Ta-<br />

Noch Fragen zur<br />

Lebenssituation? Bei<br />

Vertriebsgesprächen<br />

kann das iPad ein<br />

wirkungsvolles<br />

Präsentationsinstrument<br />

sein.


MANAGEMENT 17<br />

Auch für die eigene Kontoführung eignen<br />

sich die digitalen Geräte – die Sparkassen<br />

sind mit passenden Apps ganz vorn dabei.<br />

<br />

FOTOS: DETTBARN, DSV<br />

blet-Computer, die ihr Interesse an einer<br />

fundierten Beschäftigung mit dem Thema<br />

Vorsorge weckt“, berichtet Matthias<br />

Battefeld, der in der Zentrale der Deutschen<br />

Bank als Leiter Privatkunden tätig<br />

ist. Andere Geldinstitute sind noch in der<br />

Beobachtungshaltung: Die Private-Banking-Einheit<br />

der Commerzbank arbeitet<br />

mit Testgeräten. Doch einen offiziellen<br />

Einsatz von iPads in der Beratung gebe es<br />

nicht, heißt es aus der Bank.<br />

Auch die Sparkassen halten sich derzeit<br />

noch zurück: „Ein großflächiger Einsatz<br />

in der Beratung ist bei den Sparkassen<br />

derzeit nicht geplant“, erklärt Stefan<br />

Brinkmann, IT-Stratege beim Deutschen<br />

Sparkassen- und Giroverband (DSGV)<br />

und Senior-Berater beim SIZ Informatikzentrum<br />

der Sparkassenorganisation.<br />

„Das Apple-Betriebssystem stellt die<br />

größte Hürde dar, denn es ist proprietär<br />

und kann daher nicht ins Windows-basierte<br />

Back-End eingebunden werden.“<br />

Daher müsse man immer noch an den<br />

stationären Rechner, um die Kundendaten<br />

einzugeben, was im Alltag nicht<br />

praktikabel sei. Brinkmann bestätigt<br />

jedoch, dass man sich intensiv mit dem<br />

Thema beschäftige: „Im Moment wird getestet,<br />

wie etwa die Internetfiliale 5.0 mit<br />

der neuen Browsersprache HTML5 auf<br />

das iPad gebracht werden könnte.“ Zudem<br />

sei der Aufmerksamkeitsfaktor des<br />

Geräts nicht zu unterschätzen.<br />

Bei den meisten Banken ist der<br />

Leistungsumfang der Mobile-Banking-<br />

Apps für iPhone und iPad noch identisch,<br />

die Branche hat sich hauptsächlich auf<br />

die Entwicklung von Applikationen für<br />

ihr Online Banking kapriziert. Hier sind<br />

die Sparkassen vorne dabei: Seit September<br />

gibt es die für das iPad optimierte<br />

Version der iPhone-App „S-Banking“.<br />

Auch bei der Comdirect hat man derzeit<br />

eine iPad-fähige Version der Banking-<br />

App. „Der Leistungsumfang der Apps für<br />

iPhone und iPad ist noch identisch, das<br />

muss jedoch nicht so bleiben“, sagt Helge<br />

Fobbe, Leiter des Web-Managements der<br />

Comdirect-Bank.<br />

Neue Chancen für Banking-Apps<br />

Es sei zu erwarten, dass sich die Apps<br />

den neuen Möglichkeiten des iPads anpassen,<br />

hier sind sich die Marktexperten<br />

einig. „Durch das große, hochauflösende<br />

Display werden andere Nutzungsszenarien<br />

denkbar,“ sagt Joerg Schwitalla,<br />

Abteilungsleiter Marketing und<br />

Unternehmenskommunikation<br />

von Star-Finanz-Software.<br />

Fiducia-IT-Produktmanagerin<br />

Hesch weist in die gleiche Richtung:<br />

Die Möglichkeiten der<br />

Gestaltung der grafischen Bedienoberfläche<br />

seien durch das<br />

größere Display wesentlich vielfältiger.<br />

„Bei unserer ‚vr.de HD‘<br />

genannten App fürs iPad haben<br />

wir Split-Screens umgesetzt“,<br />

sagt Hesch. Bei Apps für Tablet-<br />

PCs ließen sich auch gut Bilder<br />

und Banner integrieren.<br />

Sind die Gestaltungsmöglichkeiten<br />

durch das größere Display<br />

klar, besteht derzeit jedoch<br />

noch keine Sicherheit, wie die<br />

Kunden Tablet-PCs tatsächlich<br />

nutzen werden. Vielleicht ist<br />

dies ein Grund, warum wirklich innovative<br />

Software für das iPad derzeit laut<br />

Marktexperte Tobias Haustein, Vorstand<br />

von Aixigo, noch Mangelware ist. Ein<br />

weiterer Grund: „Die Softwareentwickler<br />

brauchen Zeit, um sich an das neue Format<br />

zu gewöhnen.“<br />

„Die Möglichkeiten des iPads werden<br />

in der Regel nicht genutzt“, bestätigt<br />

Boris Janek von VR Networld, der mit<br />

seinem Weblog „Electrouncle“ einer der<br />

Vordenker des Web 2.0 im deutschen Finanzwesen<br />

ist. „In Sachen iPad fehlt bisher<br />

eine App, die absolut eigenständig<br />

ist und nicht nur eine Erweiterung oder<br />

Anpassung vorhandener Möglichkeiten,<br />

also etwa des Onlinebankings oder eine<br />

weitere Geldautomatensuche.“ Seiner<br />

Meinung nach bieten sich iPad und Co.<br />

geradezu an für Beratung: „Interessant<br />

wären Apps, die den Nutzer auch klüger<br />

machen, etwa in Form von Tutorials.“<br />

Einen Schritt in diese Richtung ist die<br />

Deutsche Bank gegangen. Mit der „VorsorgeApp“<br />

wurde eine Beratungsanwendung<br />

weiterentwickelt, die der Konzern<br />

zunächst in der „Zukunftsfiliale Q 110“<br />

in Berlin erfolgreich getestet hat. Mit ihr<br />

können die Kunden ihren Vorsorgebedarf<br />

auf dem iPad schnell berechnen. Die<br />

Darstellung zeigt Vorsorgelücken und<br />

bietet einen Einstieg in eine Beratung.<br />

„Ein großflächiger<br />

Einsatz in der<br />

Beratung ist bei<br />

den Sparkassen<br />

derzeit nicht<br />

geplant.“<br />

Stefan Brinkmann,<br />

IT-Stratege<br />

beim DSGV<br />

„Vorsorge gehört leider nicht zu den<br />

Themen, mit denen sich Verbraucher<br />

gerne beschäftigen“, sagt Deutschbanker<br />

Battefeld. „Die Visualisierung mit<br />

spielerischen Elementen auf dem iPad<br />

gibt Kunden den Anlass, sich konkret mit<br />

ihrer finanziellen Zukunft zu befassen“,<br />

so der Privatkunden-Leiter. Ein Beispiel<br />

für einen spielerischen Einstieg in ein<br />

durchaus komplexes Thema sei, dass<br />

der Kunde für den möglichen Effekt der<br />

Inflation auf seine Altersvorsorge mit<br />

einem Schätz-Spiel sensibilisiert wird: Zu<br />

Beginn des Gesprächs kann der Kunde<br />

auf dem iPad den Preis einer Kugel Eis in<br />

30 Jahren schätzen.<br />

Quasi auf halbem Wege dorthin ist die<br />

Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen,<br />

die seit Anfang 2009<br />

das sogenannte PenPad einsetzt.<br />

Insgesamt sind rund 300<br />

dieser Geräte im Einsatz, die in<br />

ähnlicher Form vor allem von<br />

Paketdiensten bekannt sind.<br />

„An jedem Beraterplatz steht<br />

eines“, sagt Thomas Hölle, Leiter<br />

Betriebsorganisation der<br />

Esslinger Sparkasse. „Die häufigste<br />

Einsatz-Situation ist eine<br />

Kontoeröffnung“, beschreibt er.<br />

Der Berater lege das neue Konto<br />

direkt in OSPlus an, der Kunde<br />

unterschreibe den Vertrag<br />

elektronisch. Es werde nur noch<br />

eine Version ausgedruckt, die<br />

für den Kunden. Ohne weiteren<br />

manuellen Eingriff des Bankmitarbeiters<br />

wandert die Bank-<br />

Version direkt ins elektronische Archiv.<br />

„Kein Papier intern mehr zu haben, verschlankt<br />

den Prozess erheblich“, so Hölle.<br />

Auch der Wegfall von Einscannen und<br />

Dokumententransport sei eine erhebliche<br />

Erleichterung. Das PenPad zeichnet<br />

nicht nur die Unterschrift auf. Es misst<br />

auch die Druckstärke und die Schreib-Geschwindigkeit<br />

und berechnet daraus einen<br />

Algorithmus, der für die Fälschungssicherheit<br />

der Unterschrift bürgt. „Wir<br />

sind große Fans vom PenPad“, sagt Hölle.<br />

Formulare lassen sich sparen<br />

Auch der DSGV denkt über einen internen<br />

Einsatz des iPads nach. „Es entsteht<br />

momentan eine erste Konzeption, und<br />

wir bauen an einer Lösung. Die erste<br />

Version haben wir gerade auf dem SIZ-<br />

Kongress in Bonn präsentiert“, bestätigt<br />

DSGV-Experte Brinkmann. „Interner Einsatz“<br />

heißt für ihn, dass etwa bei der Vorbereitung<br />

einer Gremiensitzung auf ausgedruckte<br />

Dokumente verzichtet wird.<br />

Diese könne man dann während der Sitzung<br />

von einem gesicherten Server aufs<br />

iPad abrufen.<br />

Auch Präsentieren über Beamer sei dabei<br />

mit dem iPad und sogar mit dem iPhone<br />

möglich – ein praktischer Nebeneffekt,<br />

der laut Brinkmann beim Programmieren<br />

der App entstanden sei. <br />

<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


18<br />

MANAGEMENT<br />

DATENSCHUTZ<br />

Die Feinde lauern<br />

häufig innen<br />

Nicht erst die Veröffentlichungen brisanter Dokumente durch die Enthüllungsplattform Wikileaks<br />

zeigen: Oft lassen sich als geheim eingestufte Daten über informelle Plattformen problemlos<br />

verbreiten. Daher stehen gerade Kreditinstitute vor der besonderen Verantwortung, Strukturen<br />

bestmöglich abzusichern und alle Beteiligten zu sensibilisieren.<br />

n VON MARTIN SCHWER<br />

Technische Unzulänglichkeiten, frustrierte<br />

Mitarbeiter oder überraschte<br />

Reinigungskräfte – zahllose Quellen für<br />

interne Dokumente aus Banken gab es<br />

bereits in der Vergangenheit. Mit der zunehmenden<br />

Vernetzung der Systeme<br />

und der problemlosen Speicherbarkeit<br />

großer Datenmengen auf kleinstem<br />

Raum vergrößert sich gleichzeitig das potenzielle<br />

Ausmaß von Datenlecks.<br />

Und dabei geht es längst nicht nur<br />

um Kundendaten. Auch strategische<br />

Entscheidungen einer Sparkasse oder<br />

bestimmte Investment-Engagements<br />

könnten bei einem etwaigen Bekanntwerden<br />

zu erheblichen Irritationen bei<br />

Kunden und Öffentlichkeit führen.<br />

Dabei stehen den potenziellen „Informanten“<br />

mittlerweile deutlich mehr Veröffentlichungsoptionen<br />

zur Verfügung<br />

als bislang, und aufgrund ausgefeilter<br />

Anonymisierungstechniken dürfte die<br />

Hemmschwelle deutlich tiefer liegen, als<br />

diese etwa beim Gang zu einem Nachrichtenmagazin<br />

läge.<br />

Wie einfach und mit welcher Resonanz<br />

sich Vertrauliches veröffentlichen lässt,<br />

hat Wikileaks kürzlich mit der Veröffentlichung<br />

diplomatischer Berichte aus US-<br />

Botschaften vorgeführt. Die „geleakten“<br />

TollCollect-Verträge zeigen, dass auch<br />

deutsche Daten nicht fehlen. Im Bankensektor<br />

liegt der Enthüllungsplattform<br />

nach Medienberichten umfangreiches<br />

Material der Bank of America vor. Auch<br />

beim Bankhaus Julius Bär dürfte derzeit<br />

Nervosität herrschen, nachdem ein<br />

früherer Geschäftsleiter Daten an Wikileaks<br />

übergeben hat (s. Foto).<br />

Technik ist nur die eine Seite<br />

Doch sollte kein Verantwortlicher die<br />

Enthüllungsplattform überbewerten,<br />

CDs mit Kundendaten gelangten auch<br />

zuvor schon an die Steuerbehörden, und<br />

der deutsche Staat bezahlt sogar dafür.<br />

Die aktuelle Diskussion zeigt jedoch ganz<br />

Gau für die Bank: Der Schweizer Ex-Banker Rudolf Elmer übergibt Mitte Januar an den<br />

Wikileaks-Gründer Julian Assange CDs zur Auswertung und Veröffentlichung. Auf den<br />

Datenträgern sollen Daten von rund 2000 mutmaßlichen Steuerbetrügern gespeichert sein,<br />

die der frühere Julius-Bär-Geschäftsleiter Elmer gesammelt haben will. <br />

FOTO: DPA<br />

deutlich, dass auch die Sparkassen ihre<br />

Kontrollmechanismen laufend überprüfen<br />

und sich dabei fragen müssen, wie es<br />

mit der Datensicherheit bestellt ist – und<br />

zwar auf allen Ebenen und zu jeder Zeit.<br />

Keye Moser, Leiter Sicherheitstechnologie<br />

beim SIZ Informatikzentrum der<br />

Sparkassenorganisation, beschreibt die<br />

Anforderungen mit einem Bild: „Es bringt<br />

wenig, bestimmte Bereiche als Fort Knox<br />

auszubauen und den Hintereingang unbewacht<br />

zu lassen.“<br />

Ganz besonders wichtig sei es, alle Mitarbeiter<br />

auf ein hohes Datenschutzniveau<br />

einzuschwören. Dabei mahnt der<br />

Sicherheitsexperte sowohl technische als<br />

auch organisatorische Maßnahmen an,<br />

um den erforderlichen Sicherheitsstandard<br />

zu gewährleisten und Mitarbeitern<br />

keine unnötigen Lücken zu bieten. „Im<br />

Fall von Abteilungswechseln dürfen sich<br />

beispielsweise keine Rechte der verschiedenen<br />

Posten kumulieren.“ Generell<br />

fordert Moser, Daten ausschließlich aufgrund<br />

geschäftlicher Veranlassungen zu<br />

sammeln. „Zu Vertriebszwecken aufbereitete<br />

Kundendaten sollten zum Beispiel<br />

im Fall einer Weitergabe verschlüsselt<br />

sein, sodass Missbrauch auch bei Verlust<br />

unmöglich ist.“<br />

Zugriff nur auf notwendige Daten<br />

Der SIZ-Experte setzt in diesem Zusammenhang<br />

auf ein funktionierendes<br />

Berechtigungsmanagement, wie es ja<br />

bereits in der MaRisk vorgegeben ist.<br />

„Deshalb sollte jeder interne oder externe<br />

Angreifer nur auf solche Daten zugreifen<br />

können, die er für seine unmittelbare<br />

Arbeit benötigt.“ Unerwünschte Verlockungen<br />

entstehen damit erst gar nicht.<br />

Trotzdem wird sich der Zugriff auf<br />

Sensibles in einer Bank nie verhindern<br />

lassen. Daher gilt es, allen Beteiligten<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


MANAGEMENT 19<br />

Dienstleisterverträge gehören unter die Lupe<br />

Die einschlägigen Sicherheits- und Datenschutzgrundsätze<br />

gelten auch, wenn eine<br />

Sparkasse externe Dienstleister mit der Verarbeitung<br />

personenbezogener Daten beauftragt<br />

– im Fall der sogenannten Auftragsdatenverarbeitung.<br />

Das Bundesdatenschutzgesetz<br />

(BDSG) nennt etwa die Datenübermittlung zu<br />

Scoringzwecken sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnung<br />

durch Dritte. Auch für externe<br />

Auftragnehmer gelten Mitarbeiterdatenschutz<br />

und eine Informationspflicht bei unrechtmäßiger<br />

Kenntniserlangung. Wichtig: Datenschutz<br />

ist laut Gesetz nicht delegierbar, der Auftraggeber<br />

ist also für seine Einhaltung verantwortlich.<br />

Anwendung findet das BDSG nur bei personenbezogenen<br />

Daten.<br />

Das BDSG fordert eine schriftliche Auftragserteilung.<br />

Hierbei gelten zehn Mindestanforderungen<br />

an den Inhalt des Vertragsabschlusses<br />

(„10 Punkte des Datenschutzes“). So müssen<br />

beispielsweise Gegenstand und Dauer des<br />

Auftrags konkret vereinbart werden, ebenso<br />

Umfang, Art und Zweck der vorgesehenen<br />

Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von<br />

Daten, wie bei Berichtigung, Löschung und<br />

Sperrung von Daten vorzugehen ist oder<br />

wie die Umsetzung der Kontrollpflichten des<br />

Auftragnehmers erfolgen soll. Zudem wird der<br />

Auftraggeber verpflichtet, sich vor Beginn der<br />

Datenverarbeitung und sodann regelmäßig<br />

von den getroffenen technischen und organisatorischen<br />

Maßnahmen beim Dienstleister zu<br />

überzeugen.<br />

Altverträge bergen Gefahren<br />

Die neuen Anforderungen des BDSG gelten<br />

für alle Neuverträge seit dem 1. September<br />

2009. Experten stehen allerdings auf dem<br />

Standpunkt, dass auch Altverträge, die davor<br />

geschlossen wurden, nach den genannten<br />

Mindestanforderungen zu überprüfen sind<br />

und dass diese zur Not anzupassen sind. Die<br />

Rechtslage ist hier zwar nicht eindeutig, doch<br />

steht außer Frage, dass bei Nichterfüllung<br />

der Auftraggeber haftet und bei lückenhaften<br />

Altverträgen gegebenenfalls keine Möglichkeit<br />

des Rückgriffs auf den Dienstleister besteht.<br />

Etwaige Verstöße gehen bei Nichteinhaltung<br />

der Mindestanforderungen also zulasten der<br />

auftraggebenden Sparkasse. Dazu kommen<br />

Bußgelder gegen den Auftraggeber bei<br />

falschen, unvollständigen oder nicht abgeschlossenen<br />

Verträgen von bis zu 50.000 Euro<br />

je Vertrag, das Gleiche gilt bei Verstößen gegen<br />

die Kontrollpflichten.<br />

Es ist also wichtig, Maßnahmen zur Risikominimierung<br />

zu treffen und bei allen laufenden<br />

und kommenden Verträgen zu überprüfen,<br />

ob die fachlichen und datenschutzrechtlichen<br />

Anforderungen erfüllt werden. Ist dies nicht der<br />

Fall, sind Nachbesserungen fällig, denn Datenschutzpannen<br />

und die daraus resultierenden<br />

Imagerisiken kann sich kein Unternehmen<br />

leisten. Fehlende Datenschutzregeln können<br />

dabei sogar fachliche Punkte beeinflussen<br />

und aufwändigere und damit teurere Abläufe<br />

erfordern.<br />

Brisanz und Folgen möglicher Datenschutzverstöße<br />

deutlich vor Augen zu<br />

führen. Sensibilisierung – neudeutsch<br />

Awareness – sehen die meisten Experten<br />

daher als vordringliche Aufgabe.<br />

Die Sparkasse Witten beispielsweise hat<br />

sich nach Angaben des dortigen Datenschutzbeauftragten<br />

Andreas Kirsch für<br />

ein abgestuftes Schulungsmodell entschieden.<br />

„Wir haben die Mitarbeiter in<br />

vier Zielgruppen eingeteilt und<br />

„Alle Dienstleister<br />

müssen<br />

die Standards<br />

zu<br />

jeder Zeit<br />

nachprüfbar<br />

einhalten.“<br />

Keye Moser, Leiter<br />

Sicherheitstechnologie<br />

beim SIZ<br />

für diese jeweils maßgeschneiderte<br />

Schulungskonzepte entwickelt.“<br />

Vorstände und Abteilungsleiter<br />

sensibilisiert Kirsch aus<br />

Zeitgründen im Rahmen ohnehin<br />

stattfindender Termine. In<br />

zwei weitere Zielgruppen hat<br />

Kirsch mittlere Führungskräfte<br />

und die Mitarbeiter eingeteilt.<br />

Diese werden jeweils in eigenen<br />

Veranstaltungen geschult.<br />

„Ganz wichtig in unserem Konzept:<br />

Neue Kollegen und Auszubildende<br />

bilden eine eigene,<br />

vierte Zielgruppe, die wir mit<br />

separaten Schulungen sensibilisieren.“<br />

So wollen die Wittener jeden<br />

der etwa 450 Mitarbeiter schulen. „Uns<br />

war es wichtig, wirklich alle Mitarbeiter<br />

zu erreichen.“<br />

Diese Verpflichtung sieht auch Manfred<br />

Hartl, der den Unternehmensbereich<br />

Compliance bei der Stadtsparkasse München<br />

leitet und zudem als Datenschutzbeauftragter<br />

fungiert. „Neben Fachhandbüchern<br />

und aktuellen Informationen<br />

setzen wir ein webbasiertes Weiterbildungsprogramm<br />

ein, das alle Mitarbeiter<br />

einmal jährlich absolvieren müssen. So<br />

erreichen wir, dass auch jene Mitarbeiter,<br />

die nicht tagtäglich mit Kundendaten<br />

arbeiten, die Datenschutzgrundsätze<br />

kennen und beachten.“ Hartl lässt seinen<br />

Kollegen gegenüber zudem keinen<br />

Zweifel, dass die Münchener Verstöße<br />

nicht dulden. „Wir nehmen Hinweise<br />

oder Beschwerden über eine mögliche<br />

Verletzung des Bankgeheimnisses sehr<br />

ernst. Sollten sich die Vorwürfe als berechtigt<br />

erweisen, müsste der Mitarbeiter<br />

mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen<br />

rechnen.“ In Witten<br />

weist Kirsch zudem immer wieder<br />

darauf hin, dass der Datenschutz<br />

der eigenen Sicherheit<br />

der Mitarbeiter dient. „So können<br />

wir die Kollegen mit ins<br />

Boot holen.“<br />

Dabei gilt es darüber hinaus,<br />

für die unterschiedlichsten Fälle<br />

gerüstet zu sein. SIZ-Experte<br />

Moser führt die Notfallplanung<br />

an: „Auch im Brandfall müssen<br />

wir die Datensicherheit gewährleisten.<br />

Wenn die Mitarbeiter<br />

das Gebäude verlassen, dürfen<br />

Unbefugte keine sensiblen Daten<br />

vorfinden.“ Maßgeschneiderte<br />

Regelungen fordert Moser auch im<br />

Fall von Auslagerungen. „Alle Dienstleister<br />

müssen die nötigen Standards zu jeder<br />

Zeit nachprüfbar einhalten.“<br />

Alle Kollegen müssen mit ins Boot<br />

Die Umsetzung ist Angelegenheit jedes<br />

einzelnen Instituts, Dienstleister wie<br />

SIZ oder Finanz Informatik können hier<br />

nur unterstützen. Der Münchner Datenschutzbeauftragte<br />

Hartl unterzieht seine<br />

Abläufe daher regelmäßigen Überprüfungen:<br />

„Zusätzlich hat uns das SIZ zertifiziert,<br />

dass unser IT-Sicherheitsprozess<br />

funktioniert.“ Doch klar ist, dass die besten<br />

Vorkehrungen mit dem Engagement<br />

der Mitarbeiter leben und sterben.<br />

Moser mahnt daher das nötige Bewusstsein<br />

an: „Sensibilität braucht es auf allen<br />

Ebenen, angefangen mit dem Vorstand<br />

bis zum unteren Ende der Hierarchie.<br />

Sicherheit ist ganz eindeutig Teamaufgabe.“<br />

n<br />

Lesen Sie zum Thema auch die nachfolgenden<br />

Seiten.<br />

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S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1<br />

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20<br />

FORUM<br />

Wikileaks: Sind Geschäftsdaten<br />

Auch Banken geraten ins Visier der Enthüllungsplattform. Wie steht es um die Informationssicherheit<br />

1. Grundsätzlich bin ich davon<br />

überzeugt, dass der technische<br />

Schutz bei Finanzdienstleistern<br />

ausreichend<br />

ist. Allerdings gilt auch für<br />

Finanzdienstleister, dass es<br />

häufig an der sauberen Umsetzung<br />

hapert. Wikileaks<br />

hat gezeigt, dass Dokumente<br />

relativ problemlos aus Behörden<br />

und Unternehmen<br />

herausgeschmuggelt werden<br />

können, weil zu viele<br />

Personen regulären Zugriff<br />

auf sie haben. Das Need-toknow-Prinzip<br />

und die restriktive<br />

Vergabe und der<br />

Entzug der Zugriffsrechte<br />

werden nicht immer konsequent<br />

umgesetzt. Auf die<br />

in Wikileaks kürzlich veröffentlichten<br />

Diplomaten-Depeschen<br />

hatten offenbar Millionen<br />

Menschen regulären<br />

Zugriff.<br />

2. Die Skandale um Wikileaks<br />

haben den Finger auf<br />

eine sensible Wunde gelegt.<br />

An dieser Stelle sind nicht<br />

Berater gefragt, sondern<br />

die Unternehmensleitung:<br />

Sie muss konsequent dafür<br />

sorgen, dass der Zugriff auf<br />

Daten beschränkt bleibt und<br />

nur derjenige Zugriff hat,<br />

der ihn qua Aufgabenstellung<br />

haben muss. Wenn dem<br />

nicht so ist, wäre das eine<br />

Sorgfaltspflichtverletzung<br />

des Managements. Zwar<br />

ist gerade in Finanzinstituten<br />

das Problembewusstsein<br />

vorhanden, dennoch<br />

herrscht auch in dieser Branche<br />

eine gewisse Nachlässigkeit.<br />

Führungskräfte verlassen<br />

sich zu oft auf ihre IT und<br />

kontrollieren nicht hinreichend selbst.<br />

Und weil Führungskräfte in Finanzunternehmen<br />

in der Regel keine Techniker<br />

sind, wissen sie nicht immer, was zu prüfen<br />

ist und welche Fragen sie ihrem IT-<br />

Leiter stellen müssten. Das IT-Problem ist<br />

also kein rein technisches, sondern immer<br />

auch ein organisatorisches.<br />

3. Wer ein sicheres Unternehmen haben<br />

will, braucht die Sensibilität auf der obersten<br />

Führungsebene – als Vorbild und<br />

Forderung. Es geht um die Sorgfalt bei<br />

der Umsetzung von Schutzmechanismen<br />

PRO<br />

„Grundsätzlich<br />

bin ich davon<br />

überzeugt,<br />

dass der<br />

technische<br />

Schutz bei<br />

Finanzdienstleistern<br />

ausreichend<br />

ist.“<br />

Dirk Fox,<br />

Geschäftsführer<br />

Secorvo Security<br />

Consulting<br />

und bei der Organisation<br />

von Sicherheit im Unternehmen<br />

nach grundsätzlichen<br />

Prinzipien wie dem Need-toknow-Prinzip,<br />

um klare Verantwortungszuweisungen<br />

und um gegenseitige Kontrolle.<br />

Wird das konsequent<br />

umgesetzt, entstehen die<br />

meisten Probleme gar nicht.<br />

Dazu muss man keine einzige<br />

neue Technik einführen<br />

und keine zusätzlichen<br />

Überwachungssysteme<br />

installieren, weil einer Vielzahl<br />

von Bedrohungen die<br />

Grundlage entzogen wird.<br />

Natürlich ist es nicht auszuschließen,<br />

dass eine Person<br />

sich mit böser Absicht oder<br />

unter Überschreitung ihrer<br />

Befugnisse widerrechtlich<br />

Dokumente verschaffen will.<br />

Dieses Risiko bleibt – es lässt<br />

sich aber durch die Überwachungssysteme,<br />

die derzeit<br />

diskutiert werden, nicht<br />

wirksam reduzieren.<br />

4. Bei Verstößen gegen die<br />

Verschwiegenheitspflicht<br />

versuchen Unternehmen<br />

üblicherweise, den Informationsabfluss<br />

unter Nutzung<br />

technischer Logfiles zu belegen.<br />

Dabei muss extrem<br />

vorsichtig vorgegangen werden,<br />

um dem Ganzen nicht<br />

den Beweiswert zu nehmen.<br />

Unabdingbar ist dabei, dass<br />

die Vorgehensweise sauber<br />

dokumentiert wird. In<br />

jedem Einzelfall ist vorher<br />

zu prüfen, ob die Aufklärer<br />

auf bestimmte Dokumente<br />

überhaupt zugreifen dürfen,<br />

vor allem dann, wenn in<br />

Unternehmen die Privatnutzung<br />

von Telekommunikations- oder IT-<br />

Systemen erlaubt ist. Viele Unternehmen<br />

neigen dazu, – oft ein Auswuchs der Technikbegeisterung<br />

mancher Führungskräfte<br />

– sich auf technische Beweismittel zu<br />

fokussieren und das Einfachste unter den<br />

Tisch fallen zu lassen: das persönliche<br />

Gespräch. Welche Konsequenzen ein Unternehmen<br />

arbeitsrechtlich daraus zieht,<br />

hängt letztlich vom Einzelfall ab.<br />

5. Wenn sensible Daten zum Schaden des<br />

Unternehmens nach draußen gelangen,<br />

gehören immer zwei dazu: der Datendieb<br />

Fragen an die Kontrahenten<br />

1. Sind Daten, Hard- und Software,<br />

von Finanzdienstleistern ausreichend<br />

abgesichert?<br />

2. Sind die Reaktionen auf Wikileaks<br />

hysterisch und andere Sicherheitsprobleme<br />

viel entscheidender?<br />

3. Sollte der Schwerpunkt auf Achtsamkeit<br />

gelegt werden – oder auf<br />

Hard- und Software?<br />

Herausforderung für Datensicherheit und Kultur des<br />

agieren im Namen der Wahrheit und können mit viel<br />

und die Unternehmenskultur. Mitarbeiter,<br />

die stolz auf ihr Unternehmen sind,<br />

wollen diesem nicht schaden. Wenn, wie<br />

im Fall Wikileaks, Daten nach außen gegeben<br />

wurden, schien das den Handelnden<br />

offenbar der einzig gangbare Weg,<br />

um auf Missstände hinzuweisen. Eine<br />

Vertrauenskultur, die Kritik zulässt, hohe<br />

Loyalität und Identifikation mit dem<br />

Unternehmen sind ein extrem starker<br />

Schutzschild gegen Verrat. Deshalb waren<br />

die Security-Awareness-Kampagnen,<br />

die wir auch in vielen Unternehmen der<br />

Finanzbranche durchführten, im Kern<br />

Loyalitätskampagnen.<br />

6. Es sind die einfachen Dinge und eine<br />

positive Sicherheitskultur, mit denen<br />

man vorbeugen kann. Die meisten unerwünschten<br />

Informationsabflüsse basieren<br />

nicht auf aufwendiger Spionagetechnik,<br />

sondern jemand greift häufig ganz<br />

regulär auf Dokumente zu, die er im Rahmen<br />

seiner Arbeit nicht benötigt. Zwar<br />

schafft auch die beste Unternehmenskultur<br />

keine perfekte Sicherheit, aber sie ist<br />

ein starker Schutzschild. <br />

n<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FORUM 21<br />

ausreichend gesichert?<br />

deutscher Finanzdienstleister? Reicht der aktuelle Schutz vor Hackern, Whistleblowern & Co.?<br />

4. Müssen stärkere Sicherheits- und<br />

Überwachungsmaßnahmen künftig<br />

auch für Mitarbeiter gelten?<br />

5. Ist Schutz überhaupt technisch zu<br />

gewährleisten – oder muss sich die<br />

Unternehmenskultur ändern?<br />

6. Der Geist scheint aus der Flasche.<br />

Lässt er sich mit neuen technischen<br />

Mitteln wieder einfangen?<br />

Unternehmens: Maskierte Wikileaks-Aktivisten<br />

Interesse der Medien rechnen.<br />

FOTO: DPA<br />

1. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit,<br />

nirgends. Ob beim Feuerschutz<br />

oder bei Soft- und Hardware-technischen<br />

Lösungen – es bleibt immer ein Restrisiko.<br />

Gerade bei komplexen Systemen wie<br />

einer Banksoftware, die sich aus Kerntechniken,<br />

Marketing-, Controlling- und<br />

Überwachungsinstrumenten zusammensetzt,<br />

finden Angreifer immer wieder<br />

Lücken. Die meisten Betrachter fokussieren<br />

bei einer Banksoftware nur das<br />

Frontend: Geldautomaten, Schaltertische<br />

oder Webpage. Aber die kritischen Zonen<br />

sind an anderer Stelle. Von den Arbeitsräumen<br />

des Unternehmens aus gelangen<br />

die Mitarbeiter ins Internet und können<br />

sich dort mit allem Möglichen infizieren.<br />

Nicht von der Banking-Anwendung, vom<br />

08/15-PC des Mitarbeiters geht die Gefahr<br />

aus. Dabei sind wir in Deutschland besser<br />

geschützt als in anderen Ländern.<br />

2. Geheimnisverrat hat es immer schon<br />

gegeben. Wikileaks ist wegen der Brisanz<br />

und der Menge der „ge-leakten“ Daten<br />

präsent. Eine solche Plattform gab es zuvor<br />

noch nicht. Vor diesem Phänomen<br />

haben Politik und Unternehmen<br />

eine Riesenangst,<br />

beide wollen, dass Informationen<br />

über sie geheim<br />

bleiben. Problematischer als<br />

Wikileaks ist allerdings der<br />

Identitätsdiebstahl, dazu<br />

gehören etwa Phishing und<br />

Trojaner. Dieser Bereich hat<br />

sich zu einer Underground-<br />

Economy entwickelt. Malware,<br />

„bösartige Software“,<br />

und die dazugehörigen Kommunikationsmechanismen<br />

programmieren und hosten<br />

rund 100 junge Russen oder<br />

Ukrainer und ihrer Helfershelfer<br />

dort, wo die Polizei<br />

dieser Welt wenig Zugriff<br />

hat. Bei dieser Industrie<br />

kann man 100.000 infizierte<br />

Rechner in Deutschland buchen,<br />

um beispielsweise ein<br />

Finanz institut anzugreifen.<br />

3. Awareness, die Aufmerksamkeit<br />

für mögliche Gefahren,<br />

und der Einsatz von<br />

Hard- und Software lassen<br />

sich nicht gegeneinander<br />

ausspielen. Hardware allein<br />

löst das Problem nicht.<br />

Man denke an die Token,<br />

Hardwarekomponenten zur<br />

Identifizierung und Authentifizierung<br />

von Benutzern,<br />

die mathematisch gelungen<br />

sind. Auf Seiten des Nutzers<br />

aber gibt es ein Problem:<br />

Wen ihn ein „Trojaner“ auf<br />

eine Internetseite führt und<br />

behauptet, sein Token sei<br />

nicht mehr synchronisiert,<br />

er möge seine Daten noch<br />

einmal eingeben, macht<br />

der User unter Umständen<br />

genau das. In diesen Fällen<br />

schützt kein Sicherheitsmechanismus.<br />

Genau hier verläuft eine<br />

Grenze: Banken arbeiten für die ganze<br />

Bevölkerung. Um jeden zu bedienen,<br />

darf man keine Technik einsetzen, die<br />

ein Großteil der Kunden nicht verstünde.<br />

Das schränkt die Möglichkeiten ein.<br />

4. Wir brauchen einen offenen Umgang<br />

mit dem Thema und strategisches Investment.<br />

Alles läuft auf ein klassisches<br />

Drei-Säulen-Konzept wie beim Militär<br />

hinaus: Protect, Detect und React. Schützen,<br />

soweit es geht, Minimieren des Restrisikos<br />

und bei einem Vorfall schnelle<br />

CONTRA<br />

„Es gibt<br />

keinen vollständigen<br />

technischen<br />

Schutz. Zudem<br />

werden die<br />

Sicherheitsabteilungen<br />

häufig nur als<br />

Kostenfaktor<br />

gesehen.“<br />

Christoph Fischer,<br />

Geschäftsführer<br />

BFK edvconsulting<br />

Reaktion und konsequentes<br />

Law-Enforcement, Strafverfolgung<br />

der Täter. Überträgt<br />

man dies auf das Online-<br />

Banking, erfordert das zum<br />

einen Aufklärung des Kunden.<br />

Auch die Mitarbeiter<br />

müssen intensiv geschult<br />

werden und Sicherheitsmechanismen<br />

an die Hand bekommen.<br />

Mitarbeiter lassen<br />

sich nicht überwachen, das<br />

ist in Deutschland durch Datenschutz<br />

und Fernmeldegeheimnis<br />

stark limitiert.<br />

5. Es gibt keinen vollständigen<br />

technischen Schutz.<br />

Zudem werden die Sicherheitsabteilungen<br />

häufig nur<br />

als Kostenfaktor gesehen<br />

und finden oft nicht das nötige<br />

Gehör. Man muss prinzipiell<br />

eine Unternehmenskultur<br />

forcieren, in der solche<br />

Lecks nicht auftauchen können.<br />

Eine gewisse Geschäftsethik<br />

gehört ebenfalls dazu.<br />

Dennoch kann es immer<br />

einen unzufriedenen Mitarbeiter<br />

geben, der mit einem<br />

USB-Stick oder Wissen im<br />

Kopf das Unternehmen verlässt<br />

und Daten weiter trägt.<br />

6. Der Krieg wird weitergehen.<br />

Die Täter sind enorm<br />

kreativ, sie reagieren auf<br />

jede Änderung. Das ist ein<br />

Rüstungswettlauf, bei dem<br />

beide Seiten ständig neue<br />

Mittel einsetzen. Das kostet<br />

Geld. Auf der anderen Seite<br />

summieren sich die einzelnen<br />

kleinen Schadensfälle<br />

mittlerweile zu Milliardensummen.<br />

Clevere Techniken,<br />

die Zusammenarbeit<br />

von Banken, Industrie und Staat sind<br />

ebenso gefragt, wie eine bessere internationale<br />

Zusammenarbeit beim Law-<br />

Enforcement. Dabei kommt es auch auf<br />

Schnelligkeit an. In Deutschland sind die<br />

Gerichte mit der richtigen Einschätzung<br />

dieser Themen und Fälle oft überfordert.<br />

Hier sind Lücken zu schließen. Wenn die<br />

Beteiligten nicht aufpassen, könnten die<br />

Menschen das Vertrauen ins Internet, ins<br />

Onlinebanking oder das E-Government<br />

verlieren. <br />

n<br />

Die Fragen stellte Thomas Schindler.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


22<br />

MANAGEMENT<br />

JUGENDMARKETING<br />

Vom Konzert zum Konto<br />

Viele Sparkassen versuchen junge Leuten mit Konzerten, Partys und anderen Veranstaltungen<br />

anzusprechen. Es genügt allerdings nicht, die Jugendlichen zu „bespaßen“, wie Experten warnen.<br />

Eventmarketing sollte Teil eines umfassenden Marketingkonzepts sein.<br />

n VON STEFAN BOTTLER<br />

Mit sportlichen Großereignissen kann<br />

das Stadion Nattenberg in Lüdenscheid<br />

nur noch selten dienen. Doch einmal<br />

im Jahr tobt hier der Bär – die Sparkasse<br />

lädt zur Knax-Party. „Jedes Jahr<br />

kommen 4000 bis 4500 Kinder zwischen<br />

sechs und zwölf“, sagt Kai Pritschow,<br />

Marketing-Mitarbeiter der Sparkasse<br />

Lüdenscheid. „In 16 Jahren hat sich die<br />

Knax-Party zum größten Kids-Event in<br />

Lüdenscheid gemausert.“<br />

Zum Erfolg haben außer den günstigen<br />

Veranstaltungszeitpunkten jeweils<br />

am Ende der Sommerferien auch<br />

die abwechslungsreichen Programme<br />

beigetragen. Das Finanzinstitut der<br />

80.000-Einwohner-Stadt arbeitet mit<br />

Jugendfeuerwehr, Kinderschutzbund,<br />

örtlichen Museen, Schulen und weiteren<br />

Kooperationspartnern zusammen.<br />

2010 luden wenige Wochen nach der<br />

Fußball-WM in Südafrika Spielstationen,<br />

Clownauftritte und Musikkonzerte mit<br />

Motiven vom „schwarzen Kontinent“<br />

zum Mitmachen ein.<br />

Auf weitere Events für Nachwuchskunden<br />

verzichtet die Sparkasse weitgehend.<br />

Allenfalls für 14- bis 18-Jährige gibt es<br />

eine jährliche „Cash-Box“-Fahrt etwa<br />

zum Indoor-Alpin-Center in Bottrop oder<br />

zum Schalke-Stadion in Gelsenkirchen.<br />

„Wir sehen Events als reine Kundenbindungsmaßnahme“,<br />

sagt Pritschow.<br />

Tatsächlich haben 80 bis 90 Prozent der<br />

Teilnehmer bereits ein Sparkassenkonto.<br />

Auf Produktpräsentationen und Promotion-Aktionen<br />

kann das südwestfälische<br />

Institut verzichten. Während des Events<br />

haben die Jugendlichen ohnehin anderes<br />

im Kopf.<br />

Kundenbindung hat Vorrang<br />

Im Jugendmarketing gelten eigene Gesetze.<br />

Sparkassen, die mit Partys, Konzerten<br />

oder Ausflügen Kunden binden<br />

und Neukunden gewinnen wollen, müssen<br />

ihre Angebote in ein umfassendes<br />

Vertriebskonzept integrieren. Häufig<br />

kommen jugendliche Nicht-Kunden vor<br />

allem deshalb, weil Freunde und Bekannte<br />

mit Sparkassen-Karte teilnehmen.<br />

Ein mehrstufiges Preiskonzept kann für<br />

manchen schnellen Erfolg sorgen: Wenn<br />

die Freunde niedrigere oder gar keine<br />

Eintrittspreise zahlen, mag das für manchen<br />

Jugendlichen ein zusätzlicher Anstoß<br />

zur Kontoeröffnung oder zum Clubeintritt<br />

sein.<br />

Das Marktpotenzial wird so allerdings<br />

kaum ausgeschöpft, wie einschlägige<br />

Studien zeigen. Für zwei von drei Kindern<br />

sind Werbebotschaften ein selbstverständlicher<br />

Bestandteil des Alltags,<br />

ermittelte unlängst die Verbraucheranalyse<br />

(VA) 2010 über den sechs- bis 13-jährigen<br />

Nachwuchs. Bei älteren Zielgruppen<br />

dürfte dieser Prozentsatz noch höher<br />

sein. „Vor allem im Non-Food-Bereich<br />

fallen auch jüngere Kinder mit einem<br />

Jugendparty der Sparkasse<br />

Zollernalb in einer<br />

Balinger Disco (o.),<br />

Knax-Party der Sparkasse<br />

Lüdenscheid im Sportstadion<br />

am Nattenberg: Die<br />

Sparkassen haben gute<br />

Chancen, mit Events bei<br />

jungen Leuten zu punkten.<br />

Experten raten aber dazu,<br />

auf Veranstaltungen auch<br />

Informationen zu<br />

vermitteln.<br />

FOTOS: FOTOS: SPARKASSE<br />

ZOLLERNALB, SPARKASSE<br />

LÜDENSCHEID<br />

ausgeprägten Markenbewusstsein auf“,<br />

so fasst Ingo Höhn, Geschäftsleiter des<br />

Egmont Ehapa Verlags (Micky Maus Magazin)<br />

und Auftraggeber der Kids VA, die<br />

Marktforschungsergebnisse zusammen.<br />

Weil aber nur wenige Marken einen vergleichbar<br />

hohen Bekanntheitsgrad haben<br />

wie die Sparkassen mit ihrem HKS-<br />

13-Rot, ist die Ausgangsposition für alle<br />

436 Institute zwischen Flensburg und<br />

Füssen außerordentlich gut.<br />

Nur „bespaßen“ ist zu wenig<br />

Allerdings müssen sie ein ganzheitliches<br />

Marketingkonzept entwickeln und dür-<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


MANAGEMENT 23<br />

fen sich nicht ausschließlich auf Events<br />

verlassen, rät Kathrin Wirz. „Die Jugendlichen<br />

sollen nicht nur bespaßt werden“,<br />

sagt die Marketingreferentin des Deutschen<br />

Sparkassen- und Giroverbands<br />

(DSGV). „Die immer wieder zitierte Meinung,<br />

dass die Kommunikation von vermeintlich<br />

trockenen Finanzthemen bei<br />

jungen Leuten nicht gut ankommt, ist ein<br />

handfestes Vorurteil.“<br />

Mit einer umfassenden Konzeption,<br />

die junge Zielgruppen von der Geburt<br />

bis zum Erwachsenendasein begleitet,<br />

hat die Sparkasse Zollernalb im württembergischen<br />

Balingen seit rund sieben<br />

Jahren Erfolg. „Wir bauen auf der Philosophie<br />

eines ‚Kontos fürs Leben‘ auf“,<br />

sagt Birgit Schön, verantwortlich für das<br />

Jugendmarketing. Die Schwaben setzen<br />

bei den Eltern an, die unmittelbar nach<br />

der Geburt Babyalben mit eingefügten<br />

Gutscheinen der Sparkasse und des örtlichen<br />

Einzelhandels erhalten. Der Nachwuchs<br />

ab sechs Jahren spart im Knax-<br />

Club Punkte an, die am Weltspartag in<br />

Geschenke umgetauscht werden.<br />

Eltern müssen überzeugt werden<br />

Jugendliche ab zwölf Jahren werden im<br />

S-Club ebenfalls mit Preisen für den Umgang<br />

mit Geld sensibilisiert. Bei jedem<br />

Filialbesuch mit Beratergespräch, Geldeinzahlung<br />

oder Produkterwerb gibt es<br />

ein Los: Der Empfänger nimmt an einem<br />

Wettbewerb mit hochwertigen Gewinnen<br />

wie iPods, Fotohandys oder Mountainbikes<br />

teil.<br />

Von vornherein waren Events fester Bestandteil<br />

des Konzepts. Zur Institution ist<br />

die „Party Night“ geworden. Jedes Jahr<br />

heizt unmittelbar nach dem Weltspartag<br />

in der Großraumdiskothek „Top Ten“ in<br />

Balingen eine bekannte Pop-Größe bis zu<br />

1600 Jugendlichen ein. 2010 engagierte<br />

die Sparkasse die Girlie-Band Monrose.<br />

Zuvor werden auf dem rauch- und alkoholfreien<br />

Event die Wettbewerbspreise<br />

verteilt. Mit dem gleichen Ablauf locken<br />

Kinonachmittage rund 600 Besucher an.<br />

Für Zehn- bis 13-Jährige, die zu jung für<br />

die Party Night sind, wird ein Film gezeigt.<br />

Im vergangenen Jahr war es „Karate<br />

Kid“.<br />

„Die Jugendlichen sind in<br />

den vergangenen Jahren anspruchvoller<br />

geworden“, sagt<br />

Marketingmanagerin Schön.<br />

„Die Party Night muss mit einer<br />

Vorlaufzeit von nur sechs bis<br />

acht Wochen geplant werden.“<br />

Die Gefahr eines Fehlgriffs sei<br />

angesichts der schnelllebigen<br />

und ständig wechselnden<br />

Trends groß.<br />

Bei der Auswahl der Popstars<br />

folgt die Sparkasse deshalb<br />

den Empfehlungen der Diskothekenmanagements,<br />

bei<br />

den Kinofilmen befragt sie<br />

die Jugendlichen nach Präferenzen.<br />

„Wir sehen die Events<br />

„Wir sehen<br />

die Events als<br />

öffentlichkeitswirksame<br />

Belohnung<br />

für<br />

aktive<br />

Kunden.“<br />

Birgit Schön,<br />

Jugendmarketing,<br />

Sparkasse Zollernalb<br />

als öffentlichkeitswirksame<br />

Belohnung für aktive Kunden an und signalisieren<br />

den Jugendlichen, dass sich<br />

der Kontakt zur Sparkasse lohnt“, sagt<br />

Schön. Jedes Jahr schickt die Sparkasse<br />

7000 bis 8000 persönliche Einladungen<br />

heraus. „Auch die Eltern von Heranwachsenden<br />

müssen von den Veranstaltungen<br />

überzeugt sein“, erläutert die Managerin.<br />

In den Einladungen werden deshalb ausführlich<br />

die Sicherheitsvorkehrungen<br />

geschildert.<br />

Wer mit Jugendlichen erfolgreich kommunizieren<br />

will, muss diese an ihren<br />

regelmäßigen Aufenthaltsorten erreichen<br />

– also auch in Schulen und Jugendclubs.<br />

Das jedenfalls ist die Erfahrung der<br />

Kreissparkasse Aue-Schwarzenberg, die<br />

in sieben größeren Geschäftsstellen Jugendmarktbetreuer<br />

beschäftigt. An allen<br />

Schulen im Einzugsgebiet halten die se<br />

regelmäßig Referate zu Zahlungsverkehr,<br />

Wertpapiergeschäften und anderen<br />

Wirtschaftsthemen.<br />

Von einem „unaufdringlichen<br />

Zugang“ zur Zielgruppe zeigt<br />

sich Volkmar Viehweg überzeugt.<br />

„Wir können außerdem<br />

beim ersten Kundenkontakt<br />

wichtiges Basiswissen voraussetzen“,<br />

sagt der Marketingleiter.<br />

Wohl auch dank dieser Vernetzung<br />

sind bislang mehr als<br />

20.000 Jugendliche dem Club<br />

„S-Peck“ beigetreten, den die<br />

Sparkasse für die Zielgruppe<br />

ab 13 Jahre aufgemacht hat.<br />

Im Schwarzenberger Musikclub<br />

„Night Fly“, der jedes Wochenende<br />

bis zu 1000 Gäste<br />

zählt, hat S-Peck laut Viehweg<br />

eine „Lounge“ eröffnet. Hier<br />

finden vom Planspiel Börse bis<br />

zur Präsentation der Prepaid-<br />

Kreditkarte alle möglichen Promotions<br />

statt. Außerdem werden hier regelmäßig<br />

Geburtstagspartys für 16- und 18-jährige<br />

„S-Peck“-Mitglieder sowie Wettbewerbe<br />

für Bands aus der Region inszeniert. Und<br />

alle paar Jahre lädt die Sparkasse auch<br />

zum ganz großen Musikevent mit einem<br />

bundesweit bekannten Star ein.<br />

Die Synergieeffekte, die aus einer solchen<br />

Partnerschaft entstehen können,<br />

sind offenbar enorm: In der Zielgruppe<br />

der über 16-jährigen Jugendlichen melden<br />

die Sachsen eine Marktabschöpfung<br />

von 92 Prozent – mehr geht kaum.<br />

<br />

Planung und Controlling von Jugendevents – Sparkasse Schaumburg setzt Maßstäbe<br />

Wer Kunden binden will, muss Events anbieten.<br />

Wohl nahezu jeder Marketingexperte<br />

unterschreibt diese Aussage. Instrumente, die<br />

den Erfolg solcher Veranstaltungen überprüfen,<br />

sind jedoch Mangelware. Die Sparkasse<br />

Schaumburg im niedersächsischen Rinteln<br />

geht deshalb Schritt für Schritt vor. Für Jörg<br />

Nitsche, verantwortlich für Jugendmarketing<br />

des Finanzinstituts, beginnt das Controlling<br />

bereits bei der Festlegung von Terminen<br />

und Budgets für das kommende Jahr. „Wir<br />

definieren anhand der Projektplanung die<br />

Zielgruppen und kalkulieren anhand von<br />

Erfahrungswerten die voraussichtlichen Teilnehmerzahlen“,<br />

sagt Nitsche. Hierbei muss die<br />

Sparkasse berücksichtigen, wie viele Jugendliche<br />

bereits ein Konto haben und Mitglied des<br />

Knax-Clubs (sechs bis zwölf Jahre) oder S-Clubs<br />

(ab zwölf Jahren) sind. Alle übrigen Teilnehmer<br />

zahlen höhere Beiträge.<br />

Das Spektrum von Jugend-Events reicht von<br />

Partys über Städtereisen nach Amsterdam,<br />

London oder Paris bis zu Ausflugsfahrten in den<br />

regionalen Saurierpark. „Bei jeder Veranstaltung<br />

wird kalkuliert, ob sie im Rahmen des Gesamtbudgets<br />

bleibt oder ob zusätzliche Gelder eingeplant<br />

werden müssen“, sagt Nitsche. Wenn das<br />

Event abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse<br />

anhand der geplanten Ziele analysiert. Außer<br />

den Teilnehmerzahlen selbst werden auch die<br />

Organisation und die Presseresonanz analysiert.<br />

„Wir ermitteln den genauen Betrag, den die<br />

Veranstaltung pro Teilnehmer gekostet hat.“<br />

Eine Partyveranstaltung für 10.000 Euro, die<br />

von 5000 Jugendlichen aufgesucht wird, kann<br />

demnach kosteneffizienter sein als eine Reise<br />

für 1000 Euro, an der 50 teilnehmen. Auch der<br />

Imagegewinn wird analysiert. Jeder Teilnehmer<br />

erhält einen Beurteilungsbogen, auf dem er<br />

Programm, Organisation und andere Details<br />

anonym mit Schulnoten bewerten soll. Die Sparkasse<br />

entscheidet dann anhand eines Ampelsystems,<br />

ob das Event wiederholt wird (grün),<br />

auf dem Prüfstand gehört (gelb) oder abzusetzen<br />

ist (rot). „Auch Kleinigkeiten können den<br />

Imagegewinn schmälern“, sagt Nitsche. So<br />

bemängelten Jugendliche unlängst bei einem<br />

Musikevent, das in einem alten Gebäude stattgefunden<br />

hatte, die unzureichende Beheizung.<br />

Trotz guter Noten für das Programm stellten<br />

die Sparkassen-Marketer die Ampel auf Gelb –<br />

die Wiederholung ist also ungewiss. „Bei einer<br />

Neuauflage werden sich die Zielgruppen sofort<br />

an die kalte Nacht vom Vorjahr erinnern“, sagt<br />

Nitsche. Das ist jedoch eine Ausnahme. Bei<br />

80 bis 85 Prozent der Veranstaltungen wird die<br />

Ampel auf Grün gestellt. Und weil Kontobesitzer<br />

immer Vergünstigungen erhalten, können<br />

die Niedersachsen relativ genau ermitteln, wie<br />

viel Neuanmeldungen ein Event auslöst. Am<br />

größten ist die Nachfrage demnach bei Sprachreisen<br />

für knapp 1300 Euro, die mit<br />

150 Euro rabattiert werden.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


24<br />

MÄRKTE & KUNDEN<br />

EXISTENZGRÜNDUNG<br />

Der Aufbewahrer<br />

Mit einer originellen Idee machte sich ein Unternehmer bei München selbstständig: Bei seiner<br />

Firma „Keystorage“ können Kunden ihre Haustürschlüssel einlagern lassen. Das erspart ihnen im<br />

Notfall den teuren Schlüsseldienst. Unterstützt wird das Unternehmen von einer Sparkasse.<br />

n VON CLAUDIA FRICKEL<br />

Der Postbote klingelt, man öffnet die<br />

Tür, geht in den Hausflur – und die<br />

Tür fällt ins Schloss. Wenn niemand sonst<br />

zu Hause ist, bleibt oft nur der Anruf<br />

beim Schlüsseldienst. Doch viele Firmen<br />

lassen sich ihre Dienstleistung viel Geld<br />

kosten: Im schlimmsten Fall mehrere<br />

Hundert Euro verlangen manche Firmen<br />

für den Ausbau des alten und den Einbau<br />

eines neuen Schließzylinders.<br />

Das brachte Jürgen Steinhäuser schon<br />

vor fünf Jahren auf eine Idee: Warum<br />

nicht die Schlüssel für Kunden sicher einlagern?<br />

Der 45-Jährige aus Altomünster<br />

bei München ist in der Beratung, Planung<br />

und dem Vertrieb von sicherheitstechnischen<br />

Anlagen tätig. „Immer wieder<br />

hörte ich von Kunden ihre Sorgen und<br />

ihren Ärger über teure Schlüsseldienste,<br />

von denen sie sich abgezockt fühlen.“<br />

Ursprünglich dachte Steinhäuser an<br />

eine technische Lösung – die Eingabe<br />

eines Codes oder Fingerabdrucks sollte<br />

eine verschlossene Tür wieder öffnen<br />

können. Doch die Installation eines<br />

entsprechenden Apparats wäre für Bewohner<br />

eines Mietshauses schwierig<br />

geworden. Einfacher umzusetzen ist<br />

das Prinzip von Keystorage: Ein Kunde<br />

schließt einen Jahresvertrag mit der<br />

Firma ab und bekommt anschließend<br />

seine Unterlagen inklusive eines Lagerumschlags<br />

sowie eines Siegels per Post<br />

zugeschickt. In diesen Umschlag packt<br />

er seinen Ersatzschlüssel, versiegelt ihn<br />

und schickt ihn per Einschreiben los. Allerdings<br />

nicht an Keystorage, sondern an<br />

eine Partnerfirma am eigenen Wohnort.<br />

Partner sitzen an 80 Orten<br />

Das junge Unternehmen arbeitet bundesweit<br />

an 80 Standorten mit der Sicherheitsfrma<br />

Securitas zusammen. Der Umschlag<br />

wird dort nur gelagert, nicht<br />

geöffnet. Ausgesperrte Kunden rufen eine<br />

Hotline an, beantworten eine Sicherheitsfrage<br />

und bekommen den Umschlag<br />

samt Schlüssel innerhalb von 30 bis<br />

60 Minuten vorbeigebracht, zu jeder Tagesund<br />

Nachzeit, wie Keystorage verspricht.<br />

Für den Service zahlt der Kunde pro<br />

Jahr 48 Euro plus 12,50 Euro Ersteinlagerungsgebühr.<br />

„Schließzylinder und<br />

Tür bleiben intakt“, wirbt Steinhäuser.<br />

Eingelagert werden könne jeder Schlüssel,<br />

ob für Haustür-, Tresor-, oder Waffenschrank.<br />

Um Missbrauch zu verhindern, hat<br />

Keystorage mehrere Sicherheitsstufen<br />

eingebaut. Schlüssel und Kundendaten<br />

werden getrennt voneinander in verschiedenen<br />

Städten aufbewahrt, so dass<br />

sie nicht miteinander in Verbindung<br />

gebracht werden können. Der Firmeninhaber<br />

erklärt: „Die Adresse liegt in der<br />

Sicherheitszentrale in Ostfriesland, der<br />

Schlüssel versiegelt und anonym beim<br />

örtlichen Sicherheitsdienst.“ Kunden<br />

müssen sich bei einem Anruf bei der Hotline<br />

mit einem Passwort identifizieren.<br />

Keystorage startete im kleinen Rahmen<br />

bereits 2009, im April 2010 gründete<br />

Steinhäuser gemeinsam mit einem Partner<br />

eine UG, also eine kleine GmbH. Der<br />

gelernte Energieanlagen- und Flugzeugelektroniker<br />

gründete bereits 1992 eine<br />

eigene Handelsvertretung für Sicherheitstechnik<br />

und führte ab 1995 eine eigene<br />

Firma. Seit 2008 ist Steinhäuser im<br />

Verkauf, dem Vertrieb und der Beratung<br />

von sicherheitstechnischen Anlagen tätig.<br />

Bundesweit 3000 Kunden hat die Firma<br />

inzwischen, von denen sie 1700 Schlüssel<br />

eingelagert hat. Allerdings haben nicht<br />

Prinzip Schlüsseldepot – Jürgen Steinhäusers Geschäftsidee<br />

Das Keystorage-Prinzip von Firmengründer Jürgen Steinhäuser (o.): Der Kunde schickt<br />

seinen Schlüssel zum Deponieren, im Notfall bringt ihn ein Securitas-Mitarbeiter.<br />

Kundenadresse und Schlüssel werden an unterschiedlichen Orten gelagert.FOTOS: KEYSTORAGE<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


MÄRKTE & KUNDEN 25<br />

alle von ihnen den vollen Preis gezahlt,<br />

Keystorage hat Immobilienkunden oder<br />

Autohäuser zum Start mit Vorzugspreisen<br />

geködert.<br />

Das Unternehmen trägt sich noch nicht<br />

selbst, trotzdem hat die Geschäftsidee<br />

schon eine Auszeichnung bekommen:<br />

Die Leser der Online-Ausgabe der „Financial<br />

Times Deutschland“ kürten Keystorage<br />

2009 zum „Gründer des Monats“.<br />

Noch keine schwarzen Zahlen<br />

Einen Kredit wollte Steinhäuser für seine<br />

Firma nicht aufnehmen. „Wir finanzieren<br />

uns aus unserem operativen Geschäft“,<br />

sagt er. Die Wahl des Finanzpartners war<br />

für ihn aber klar: „Das bekannteste Kreditinstitut<br />

bei uns in Altomünster ist die<br />

Sparkasse.“ Die 7500-Einwohner-Kommune<br />

gehört zur Region der Sparkasse<br />

Dachau. Ursprünglich hoffte Steinhäuser<br />

auf eine Unterstützung durch ein Beteiligungsmodell,<br />

mit der kleine und mittelständische<br />

Firmen gefördert werden<br />

sollen. Es werde viel für dieses Modell geworben,<br />

sagt Steinhäuser. „Doch sowohl<br />

in Dachau als auch in München sagten<br />

mir die Sparkassen, dass sie das Beteiligungsmodell<br />

nicht anbieten.“ Dennoch<br />

fühle er sich gut aufgehoben bei der Sparkasse<br />

Dachau. „Sie begleiten auch junge<br />

Unternehmen und Produkte gut, und ich<br />

fühle mich durch meine Bank gut unterstützt.“<br />

Die Sparkasse Dachau unterstützt und<br />

berät Existenzgründer in allen Finanzierungsfragen,<br />

inklusive Fördermittel,<br />

Zahlungsverkehr oder Absicherungen<br />

Im Vorfeld einer Gründung sind viele<br />

Entscheidungen zu treffen. Das Institut<br />

gibt darum Tipps und Anregungen. „In<br />

diesem Fall beschränkte sich die Beratung<br />

auf die Möglichkeiten der Sicherungen<br />

im Onlinebanking und die Absicherungen<br />

betrieblicher Risiken, da<br />

eine Finanzierung nicht gebraucht wurde“,<br />

sagt Michael Stich, stellvertretender<br />

Gebietsdirektor der Sparkasse Dachau in<br />

Altomünster.<br />

Steinhäuser zeigt sich sicher, dass sich<br />

seine Geschäftsidee bald selbst tragen<br />

wird. Das Kundenpotenzial sei groß: Pro<br />

Jahr sollen sich in Deutschland zwei Mio.<br />

Menschen aussperren, hat Steinhäuser<br />

ermittelt. Auch wenn sich nach seinen<br />

Angaben rund zwei Drittel selbst helfen<br />

können, weil sie Schlüssel bei Nachbarn<br />

oder Freunden deponiert haben, bleiben<br />

immer noch mehr als 650.000 potenzielle<br />

Kunden für Keystorage übrig – in<br />

Deutschland.<br />

Steinhäuser könne sich aber eine Expansion<br />

ins europäische Ausland gut vorstellen:<br />

Das sei „im deutschen Erfolgsfall<br />

denkbar und aufgrund der Zusammenarbeit<br />

mit Securitas und deren flächendeckender<br />

Präsenz jederzeit möglich“.<br />

Das Keystorage-Konzept sei so aufgebaut,<br />

dass es „schnell, überall und jederzeit beliebig<br />

multiplizierbar ist“.<br />

<br />

UNTERNEHMERPORTRÄT<br />

Der Aufmöbler<br />

Ein Hersteller von Bürositzmöbeln aus Franken besitzt eine<br />

Privatsammlung originaler Stühle vom Biedermeier bis zur Gegenwart.<br />

Diese inspirierten auch das Design eigener Produkte.<br />

n VON HORST PETER WICKEL<br />

An den Erwerb des ersten Designerstücks,<br />

„Theodora“ von Ettore<br />

Sottsass, kann sich Werner Löffler noch<br />

genau erinnern. 1987 kaufte Löffler, der<br />

sich als „Sitzmöbeltraditionalisten“ bezeichnet,<br />

das Kunstwerk, das sich auch<br />

zum Sitzen eignet.<br />

Sottsass gilt bis heute als Ikone des Designs,<br />

und sein Stück „Theodora“ war<br />

für Löffler der Start in ein anhaltendes<br />

Sammlerabenteuer. Schon damals<br />

wusste Löffler, welche besondere Bedeutung<br />

Stühle für jeden Designer haben.<br />

Die Sitzmöbel gelten als Visitenkarte, sie<br />

besitzen eine höhere visuelle Attraktivität<br />

als Tische, Schränke, Sofas oder<br />

Küchenmöbel.<br />

Einen Stuhl zu entwerfen, gehört zu den<br />

großen Herausforderungen für Designer.<br />

Diese Aufgabe schien im Sinne der Moderne<br />

vollendet gelöst, als Michael Thonet<br />

seine Stühle in der seinerzeit revolutionären<br />

Bugholz-Technik herausbrachte.<br />

Heute, 150 Jahre später, gibt es unzählige<br />

neue Stuhlmodelle, die den künstlerischen,<br />

technischen und gesellschaftlichen<br />

Wandel vor Augen führen. Wie<br />

kein anderer Gegenstand ermöglicht das<br />

Thema Stuhl eine Auseinandersetzung<br />

mit widerstreitenden Positionen des Designs.<br />

Auch in der Sammlung Löffler gibt<br />

es sehr unterschiedliche Sitzmöbel von<br />

Marcel Breuer, Tom Dixon, den Gebrüdern<br />

Thonet und vielen anderen. Unter<br />

den Ideen finden sich auf der einen Seite<br />

die vernunftorientierte, zweckdienliche<br />

Form, auf der anderen Seite das freie<br />

Spiel der Fantasie und die künstlerisch<br />

autonome Formgebung.<br />

Sparkasse lobt die Perspektiven<br />

Ob Stühle oder Hocker, Armlehnstühle,<br />

Schaukelstühle oder Liegen – die Liebe<br />

zur angewandten Kunst hat Löffler nicht<br />

losgelassen. So umfasst seine Sammlung<br />

heute die kulturgeschichtliche Entwicklung<br />

von Biedermeier über Jugendstil,<br />

Art Deco, Nachkriegsmoderne bis zur<br />

Postmoderne. Alle Exponate, egal ob aus<br />

Holz, Stahlrohr oder Fiberglas, sind im<br />

ursprünglichen Zustand, also unrestauriert<br />

und zeitgeschichtlich authentisch.<br />

„Die Sammlung ist ein Panoptikum des<br />

Sitzens und der Handwerkskunst der<br />

vergangenen zwei Jahrhunderte“, sagt<br />

Löffler, der seine ersten selbst gebauten<br />

Stühle in der heimischen Garage zusammensetzte.<br />

Nachdem der ausgebildete<br />

Industriekaufmann zehn Jahre lang<br />

weltweit in der Möbelbranche tätig gewesen<br />

war, gründete er 1992 seine eigene<br />

Fabrik für Bürositzmöbel – und sammelte<br />

fleißig weiter.<br />

Seit 1994 ist das Unternehmen Kunde<br />

der Sparkasse Nürnberg, und die bewertet<br />

die Situation und Perspektiven<br />

des Unternehmens positiv: „Eine gute<br />

Unternehmer und Sammler: Werner Löffler<br />

inmitten einiger seiner Schätze. FOTOS: LÖFFLER Lesen Sie bitte weiter auf der folgenden Seite.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


26<br />

MÄRKTE & KUNDEN<br />

Exponate der Sammlung Löffler: Die Stuhlmodelle sind nach Themen wie „Sitzlösungen der 68er“, „Wien“ oder „Stahlrohr“ geordnet.<br />

Eigenkapitalausstattung, eine gute Liquiditätssituation,<br />

eine positive Umsatzund<br />

Ertragsentwicklung sowie eine zu<br />

erwartende Umsatzsteigerung<br />

2010 sind Indikatoren dafür“,<br />

sagt Günther Brunner, Firmenkundenbetreuer<br />

der Sparkasse<br />

Nürnberg. Mit einem erwarteten<br />

Umsatzwachstum von<br />

mehr als 30 Prozent für 2010<br />

hebe sich das Unternehmen<br />

deutlich vom Branchentrend<br />

ab (siehe Kasten).<br />

Bei der Planung neuer Räumlichkeiten<br />

für das Unternehmen<br />

dachte Löffler nicht nur an<br />

mehr Platz für Mitarbeiter und<br />

aktuelle Kollektion, sondern<br />

auch an eine Ausstellungshalle<br />

für seine Sammlerstücke. Für<br />

die Präsentation der Sitzmöbel<br />

haben sich der Unternehmer<br />

und Heidemarie Leitner, wissenschaftliche<br />

Kuratorin der<br />

Sammlung, etwas Besonderes<br />

ausgedacht: Auf einer Aktionsfläche<br />

werden wechselnde Themen<br />

gezeigt, daneben wurden verschiedene<br />

Depots eingerichtet. Diese Depots<br />

sind nach Funktion, Zeit-, Länder- und<br />

Materialzugehörigkeit angeordnet.<br />

Patent auf „bewegtes Sitzen“<br />

So gibt es etwa Depots zu den Themen<br />

Stahlrohr, 68er-Generation oder Klapplösungen,<br />

zu Wien, Skandinaven oder<br />

Italien. Sämtliche Exponate sind mit<br />

zahlreichen Informationen und teilweise<br />

auch mit Hintergrundgeschichten<br />

ausgewiesen. Den Besuchern der Sammlung<br />

wird die Geschichte des Sitzens als<br />

„Herr Löffler<br />

will ‚Löffler‘<br />

als Marke<br />

unverwechselbar<br />

machen.<br />

Und wir<br />

gehen davon<br />

aus, dass ihm<br />

das auch<br />

gelingen<br />

wird.“<br />

Günther Brunner,<br />

Firmenkundenbetreuer<br />

der Sparkasse<br />

Nürnberg<br />

Entwicklungsgeschichte der Menschheit<br />

demonstriert. Löffler erklärt: „Wir haben<br />

heute das Sitzen früh, systematisch und<br />

über eine lange Zeit erlernt.“<br />

Die meisten Menschen, die<br />

zu Hause sitzen, sich ins Auto<br />

setzen und ihre Arbeit im Sitzen<br />

verbringen, klagen allerdings<br />

früher oder später über<br />

die Folgen. Denn eigentlich<br />

sind Menschen aufgrund ihrer<br />

körperlichen Gegebenheiten<br />

auf Bewegung eingestellt.<br />

Während Bewegung den Stoffwechsel<br />

fördert und damit die<br />

Ernährung der Körperzellen<br />

in den Bandscheiben und der<br />

Muskulatur anregt, führen Stehen,<br />

Liegen oder Sitzen letztlich<br />

zu einer Stagnation der<br />

Stoffwechselaktivitäten.<br />

Die Folgen sind bekannt:<br />

In deutschen Unternehmen<br />

machen Erkrankungen des<br />

Muskel- und Skelettsystems,<br />

überwiegend bedingt durch<br />

Rückenbeschwerden, rund ein<br />

Drittel aller Krankentage aus.<br />

Deshalb kam es Löffler darauf an, sitzenden<br />

Menschen die Bewegung zurückzugeben.<br />

So wurde die Sammlung zur<br />

Inspiration für die laufende Produktion.<br />

„Die Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichte<br />

des Sitzens hat mich bewogen,<br />

das patentierte Ergo-Top-System<br />

zu entwickeln, das bewegtes Sitzen durch<br />

eine rundum bewegliche Sitzfläche ermöglicht“,<br />

sagt Löffler.<br />

Firmenkundenbetreuer Brunner von<br />

der Sparkasse Nürnberg traut dem Sitzmöbelfabrikanten<br />

noch einiges zu: „Unter<br />

Einbeziehung moderner Elemente<br />

mit Erschließung hochwertiger Einrichtungssegmente<br />

hat Herr Löffler das Ziel,<br />

‚Löffler‘ als Marke unverwechselbar zu<br />

machen. Und wir gehen davon aus, dass<br />

ihm das auch gelingen wird.“<br />

Ein Platz in der Bestenliste des spannenden<br />

Stuhl-Designs, da sind sich Experten<br />

einig, ist den Modellen auf jeden<br />

Fall schon heute sicher.<br />

<br />

Blüht der Betrieb, freut<br />

sich die Sparkasse<br />

Seit 1994 ist das Unternehmen Löffler<br />

Bürositzmöbel in Reichenschwand Kunde der<br />

Sparkasse Nürnberg, die als Hausbank vom<br />

Zahlungsverkehr über Versicherungen bis zur<br />

Finanzierung von gewerblichen Investitionen<br />

inklusive öffentlicher Finanzierungsmittel<br />

beinahe alle Finanzgeschäfte abwickelt. Aus<br />

dem vor 18 Jahren gegründeten Möbelunternehmen<br />

ist inzwischen eine wachsende Firma<br />

mit rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

geworden. Mehr als zehn Mio. Euro Umsatz<br />

verzeichnete Löffler im Jahr 2009, für das<br />

Jahr 2010 rechnet der Unternehmer mit<br />

einem Wachstum von mehr als 30 Prozent.<br />

Die Sparkasse Nürnberg beurteilt die aktuelle<br />

Lage des Unternehmens positiv. Indikatoren<br />

dafür seien eine gute Eigenkapitalausstattung<br />

und Liquiditätssituation, positive Umsatz- und<br />

Ertragsentwicklung und die zu erwartende<br />

Umsatzsteigerung 2010, heißt es bei der<br />

Sparkasse Nürnberg. Obwohl in der Möbelbranche<br />

nur bescheidene Zuwachsraten zu<br />

erwarten seien, setze sich Löffler deutlich vom<br />

Branchentrend ab.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


Chronik<br />

27<br />

31. Januar<br />

Laut Angaben des<br />

Statistikamts Eurostat in<br />

Luxemburg ist die<br />

Inflationsrate im Januar<br />

mit 2,4 Prozent auf den<br />

höchsten Stand seit mehr<br />

als zwei Jahren im<br />

Euroraum gestiegen.<br />

30. Januar<br />

Die Bundesanstalt für<br />

Finanzmarktstabilisierung<br />

zieht nach zwei Jahren<br />

Bankenrettung Zwischenbilanz.<br />

Demnach nutzten<br />

Ende 2010 neun Banken<br />

Garantien des Sonderfonds<br />

Finanzmarktstabilisierung<br />

(Soffin) in einer<br />

Gesamthöhe von 64 Mrd.<br />

Euro, vier Banken werden<br />

mit 29 Mrd. Euro<br />

Eigenkapital unterstützt.<br />

Der Fonds wurde nicht<br />

einmal bis zur Hälfte<br />

ausgeschöpft. Seit Ende<br />

2010 nimmt der Soffin<br />

keine neuen Rettungsanträge<br />

mehr an.<br />

28. Januar<br />

In Spaniens Sparkassensektor<br />

beginnt ein neues<br />

Zeitalter: La Caixa, die<br />

größte Sparkasse des<br />

Landes, wird in eine<br />

gelistete Bank mit einem<br />

geschätzten Wert von 20<br />

Mrd. Euro umgewandelt.<br />

La Caixa wird in die<br />

börsennotierte Finanzholding<br />

Criteria eingegliedert.<br />

Die Investoren reagierten<br />

euphorisch.<br />

27. Januar<br />

Laut „Diagnose Mittelstand“<br />

des DSGV hat sich<br />

die Eigenkapitalsituation<br />

der mittelständischen<br />

Unternehmen in<br />

Deutschland weiter<br />

verbessert. Demnach stieg<br />

die Eigenkapitalquote der<br />

Unternehmen trotz der<br />

Krise zwischen den Jahren<br />

2008 und 2009 von<br />

durchschnittlich 12,8 auf<br />

15,6 Prozent.<br />

Bergauf: die Leistung der deutschen Wirtschaft<br />

13. Januar<br />

Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden meldet, legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) im vergangenen Jahr preisbereinigt um 3,6 Prozent zu, das ist das<br />

stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Ein wichtiger Impuls kam von den<br />

Investitionen und insbesondere den Exporten. Der Einfluss des Konsums war<br />

hingegen weniger bedeutsam. Im laufenden Jahr erwarten der Deutsche Sparkassenund<br />

Giroverband und der Bundesverband der Deutschen Industrie einen BIP-Zuwachs<br />

von 2,3 Prozent. <br />

GRAFIK: DPA , FOTO: DSGV<br />

17. Januar<br />

Nach Zahlen der<br />

Europäischen Zentralbank<br />

setzt sich die<br />

Konsolidierung in<br />

Europas Bankensektor<br />

fort. 2010 sank die Zahl<br />

der Finanzinstitute im<br />

Euroraum um 211<br />

Banken auf 7865. Das<br />

entspricht einem<br />

Rückgang von 2,6<br />

Prozent.<br />

13. Januar<br />

Die neue European<br />

Banking Authority (EBA)<br />

wählt einen Chairman:<br />

Andrea Enria, derzeit<br />

Leiter der Aufsichtsabteilung<br />

der italienischen<br />

Notenbank, soll die<br />

nächste Stresstest-Runde<br />

für das europäische<br />

Bankensystem beaufsichtigen.<br />

Die Kompetenzen<br />

der EBA wurden im<br />

Vergleich zu ihrer<br />

Vorgängerorganisation<br />

CEBS erweitert, um<br />

Finanzkrisen künftig<br />

wirksamer zu verhindern.<br />

12. Januar<br />

DSGV-Präsident Heinrich<br />

Haasis und Uwe Fröhlich<br />

(Foto), Präsident der<br />

Deutschen Volks- und<br />

Raiffeisenbanken,<br />

widersprechen „dezidiert“<br />

dem Eindruck, es seien bei<br />

den Instituten schwerwiegende<br />

Verfehlungen<br />

aufzudecken. Vorangegangen<br />

war eine Ankündigung<br />

von Bundesverbraucherministerin<br />

Ilse Aigner<br />

(CSU), künftig „verdeckte<br />

Ermittler“ einzusetzen, um<br />

die Beratung in den<br />

Banken zu testen. Auch<br />

die geplante BaFin-Registrierung<br />

der rund 300.000<br />

Kundenberater lehnen<br />

beide Verbände ab.<br />

10. Januar<br />

Chinas Vize-Ministerpräsident<br />

Li Keqiang sichert<br />

in Madrid zu, spanische<br />

Staatsanleihen im Wert<br />

von sechs Mrd. Euro zu<br />

kaufen, um den Euro zu<br />

unterstützen. Zuvor hatte<br />

China bereits den Kauf<br />

portugiesischer und<br />

griechischer Papiere mit<br />

politischen Forderungen<br />

verknüpft. Der Ökonom<br />

Peter Bofinger sieht<br />

Chinas Finanzspritzen<br />

daher kritisch. Es sei<br />

bedenklich, wenn ein<br />

nicht-demokratisches<br />

Land Einfluss auf<br />

EU-Mitgliedsländer<br />

erhalte.<br />

7. Januar<br />

Nach einer Studie der<br />

Fondsgesellschaft Allianz<br />

Global Investors (AGI)<br />

haben die privaten<br />

Haushalte in Deutschland<br />

ihr Geldvermögen 2010<br />

um 220 Mrd. Euro oder<br />

4,7 Prozent auf 4,88<br />

Billionen Euro gesteigert.<br />

Im Schnitt verfüge jeder<br />

Bundesbürger nun über<br />

59.000 Euro, das sind fast<br />

3000 Euro mehr als Ende<br />

2009. Den Vermögensaufbau<br />

führt AGI auf die<br />

hohe Sparquote und das<br />

per saldo gute Börsenjahr<br />

zurück.<br />

6. Januar<br />

Die Verhandlungen über<br />

die Frankfurter DekaBank<br />

führen zu einer Einigung:<br />

Die Sparkassen können<br />

den zentralen Fondsdienstleister<br />

komplett<br />

übernehmen, die bisher<br />

hälftig an der Deka<br />

beteiligten Landesbanken<br />

steigen aus.<br />

Stimmen die Regionalverbände<br />

der Sparkassen<br />

zu, fließen den Landesbanken<br />

2,35 Mrd. Euro zu.<br />

Basis dieser Summe ist<br />

eine Deka-Bewertung<br />

von 4,7 Mrd. Euro.<br />

5. Januar<br />

Seit Jahresbeginn<br />

werden die Geldautomaten<br />

in allen 32<br />

europäischen Ländern<br />

auf die sogenannte<br />

EMV-Chip-Technologie<br />

umgestellt, die den<br />

Magnetstreifen auf den<br />

Debitkarten abschaffen<br />

soll. Die Banken erhoffen<br />

sich davon einen<br />

Rückgang des „Skimming“<br />

genannten<br />

Datenklaus an Geldautomaten,<br />

bei dem Betrüger<br />

Kartendaten ausspähen.<br />

3. Januar<br />

Die deutschen Bürgschaftsbanken<br />

lehnen es<br />

ab, von der Bankenabgabe<br />

ausgenommen zu<br />

werden. Die Patronatserklärung<br />

der Bundesländer<br />

vertrage sich nicht<br />

mit dem Selbstverständnis<br />

der Institute als<br />

private Selbsthilfeeinrichtung,<br />

sagt Waltraud<br />

Wolf, Vorsitzende des<br />

Verbands Deutscher<br />

Bürgschaftsbanken.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


28<br />

MÄRKTE & KUNDEN<br />

AUSTRALIEN<br />

Mehr Markt<br />

Derzeit dominieren nur vier Institute die Kreditwirtschaft Australiens. Das soll sich jetzt ändern.<br />

Mit politischen Mitteln will die Regierung für mehr Unternehmensvielfalt, Konkurrenzfähigkeit<br />

und wettbewerbsfördernde Rahmenbedingungen sorgen.<br />

Australiens Finanzminister Wayne<br />

Swan glaubt, die passende Therapie<br />

für sein Land zu kennen. „Ein lebhafter<br />

Wettbewerb ist der beste Weg, die Zinsen<br />

für die Kreditnehmer auf lange Sicht<br />

niedriger zu halten und ein System zu<br />

schaffen, das echte Alternativen bietet.“<br />

Das sagte Swan bei der Präsentation der<br />

jüngsten Pläne seiner Regierung zur Reform<br />

des Bankensektors.<br />

Tatsächlich besteht erheblicher wettbewerbspolitischer<br />

Handlungsbedarf.<br />

Zwar ist der Kreditwirtschaft Australiens<br />

als Erfolg anzurechnen, dass die globale<br />

Finanzkrise kaum Schrammen in den<br />

Bilanzen der Aussi-Banken hinterlassen<br />

hat. Von Nachteil ist aber die starke Unternehmenskonzentration<br />

der Branche.<br />

Letztlich dominieren nur vier Großinstitute<br />

die Banking Community – die Commonwealth<br />

Bank of Australia, die National<br />

Australia Bank, die Australia and<br />

New Zealand Banking Group sowie die<br />

Westpac.<br />

Diese „Großen Vier“ decken zusammen<br />

87 Prozent der Kreditausleihungen ab.<br />

Bei Hypothekarkrediten liegt ihr Marktanteil<br />

sogar bei 91 Prozent. Vor Ausbruch<br />

der globalen Finanzkrise waren das lediglich<br />

60 Prozent gewesen. 1984 hatten<br />

kleine Spezialinstitute – etwa Baufinanzierer<br />

und Kreditgesellschaften – noch<br />

36 Prozent aller Hypothekar-Darlehen<br />

und 25 Prozent aller Einlagen im australischen<br />

Bankensystem abgedeckt. In der<br />

Zwischenzeit sind diese Marktanteile<br />

indessen auf jeweils vier Prozent abgerutscht.<br />

Zinsanhebungen sorgen für Ärger<br />

Ein unerwünschter zinspolitischer<br />

Neben effekt dieser Konzentrationsprozesse:<br />

Die marktbeherrschenden „Big<br />

Four“ der Branche erhöhten in jüngerer<br />

Zeit ihre Zinssätze für Hypothekarkredite<br />

deutlich zügiger als die Notenbank<br />

ihre Leitzinsen. Das ist zum Politikum<br />

geworden. Schließlich leben zwei Drittel<br />

aller Australier in Wohneigentum. Und<br />

da 90 Prozent der australischen Hypothekardarlehen<br />

mit variablen Zinssätzen<br />

vereinbart werden, spüren die Eigenheimer<br />

jede Zinsanhebung unmittelbar<br />

im Portemonnaie. Das aber betrachtet<br />

die Regierung derzeit als bedrohlichen<br />

Bankenviertel von Sidney – den vier „Säulen“<br />

will die Regierung eine fünfte Finanzgruppe<br />

zur Seite stellen. <br />

FOTOS: DPA<br />

Hemmschuh für den konjunkturellen<br />

Aufschwung und reagiert entsprechend<br />

verärgert: Finanzminister Swan verurteilte<br />

die flotten Zinsanhebungen der<br />

vier Großbanken als „absolut<br />

nicht zu rechtfertigen“.<br />

Über mehr Wettbewerb fördernde<br />

Rahmenbedingungen<br />

soll solche „Preispolitik“ nun<br />

gestoppt werden. Regierung<br />

und Zentralnotenbank wollen<br />

im Finanzsektor dadurch<br />

für mehr Konkurrenz sorgen,<br />

dass der bislang den Markt<br />

bestimmenden „Vier-Säulen-<br />

Strategie“, die im Wesentlichen<br />

nur die genannten vier Großbanken<br />

zulässt, eine große<br />

fünfte Finanzgruppe zur Seite<br />

gestellt werden soll.<br />

Dazu werden die bestehenden<br />

kleinen Kredit institute<br />

gefördert. So sollen Kreditgenossenschaften,<br />

allgemeine Kreditfinanzierungs-<br />

und spezielle Baufinanzierungsgesellschaften<br />

ausgebaut werden<br />

– alles in der Absicht, vor allem Bauinteressenten<br />

eine Alternative zu den Hypothekardarlehen<br />

der Großbanken zu<br />

„Ein lebhafter<br />

Wettbewerb<br />

ist<br />

der beste Weg<br />

zu einem<br />

System, das<br />

echte Alternativen<br />

bietet.“<br />

Wayne Swan,<br />

Australiens<br />

Finanzminister<br />

bieten. Die Kreditinstitute der „Fünften<br />

Säule“ werden dadurch gestärk, dass sie<br />

Zugang zum Pfandbriefmarkt erhalten.<br />

Zudem sollen die nationalen Pensionsfonds<br />

künftig auch diese Ins titutsgruppe<br />

als Anlageobjekt wählen dürfen. Die Regierung<br />

will durch eigene Finanzhilfen<br />

im Volumen von umgerechnet rund drei<br />

Mrd. Euro finanziell unmittelbar Schützenhilfe<br />

leisten.<br />

Genossenschaften sollen profitieren<br />

Mehr als 20 Spezialkredit- und Baufinanzierungsgesellschaften<br />

werden<br />

eine allgemeine Banklizenz erhalten, um<br />

sich stärker als Konkurrent im Finanzsektor<br />

profilieren zu können. Von Trainingsund<br />

Schulungsmaßnahmen erhofft man<br />

sich mehr Leistungsfähigkeit dieser Institute<br />

im Finanzsektor.<br />

Für mehr Bankenwettbewerb wird<br />

auch ein Verbot von Ausstiegsgebühren<br />

sorgen, wenn Hypo-Darlehensnehmer<br />

den Anbieter wechseln wollen. Überdies<br />

achtet die Wettbewerbsbehörde ACCC<br />

künftig stärker auf etwaige zinspolitische<br />

Absprachen der Banken. Anzeichen für<br />

entsprechende Vereinbarungen in der<br />

Vergangenheit gibt es offenbar. Und<br />

deshalb soll auch das Kartellamt seine<br />

Aufsicht über die Banken<br />

ausdehnen dürfen. So wollen<br />

Regierung und Notenbank die<br />

Abhängigkeit der Kreditnehmer<br />

von den Großbanken verringern.<br />

Manager dieser Banken<br />

wie Ralph Norris, Chef der<br />

Commonwealth Bank, warnen<br />

naturgemäß vor staatlichen<br />

Eingriffen: „Unsere Einwände<br />

gehen davon aus, dass der Finanzsektor<br />

grundsätzlich solide<br />

und konkurrenzkräftig ist<br />

und dass beim Einsatz zusätzlicher<br />

regulatorischer Maßnahmen<br />

Vorsicht walten sollte.“<br />

Finanzminister Swan sieht<br />

aber eben noch Defizite: Er,<br />

Swan, glaube zwar an die<br />

grundlegende Bedeutung der Marktwirtschaft.<br />

„Aber in einer Marktwirtschaft<br />

müssen Unternehmen und private Haushalte<br />

faire Chancen vom Bankensektor<br />

erhalten.“<br />

<br />

Klaus Hauptfleisch<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


MÄRKTE & KUNDEN 29<br />

USA<br />

Weniger<br />

Teilnehmer<br />

US-Banken stehen nach einem schwierigen Jahr jetzt vor einer<br />

Konsolidierungswelle. Vor allem kleinere Häuser sind in Gefahr.<br />

Das Jahr 2010 hat den US-Banken wieder<br />

Gewinne beschert, unter dem<br />

Strich. Doch die konzentrieren sich auf<br />

wenige große Institute. Im Innern der<br />

Bankenlandschaft Amerikas sieht es weniger<br />

verheißungsvoll aus. Hohe Arbeitslosigkeit,<br />

schwaches Wachstum und die<br />

ausbleibende Erholung am angeschlagenen<br />

Immobilienmarkt ließen die Zahl<br />

der Bankenpleiten im vergangenen Jahr<br />

auf 157 ansteigen, von 140 im Jahr 2009.<br />

Drei Jahre vorher war gar keine Bank aus<br />

dem Markt ausgeschieden.<br />

Mehr noch. Zum Jahresende 2010 standen<br />

932 Geldhäuser auf der langen Liste<br />

der „Problembanken“, mehr als acht Prozent<br />

mehr als Ende September. Historisch<br />

droht jeder fünften Bank auf dieser Liste<br />

eine Pleite. Als Wackelkandidaten gelten<br />

gemeinhin Banken, die eine Kernkapitalquote<br />

(Tier 1) von weniger als sechs<br />

Prozent aufweisen. Das sind derzeit rund<br />

zwölf Prozent der Geldhäuser.<br />

100 gelten als Wackelkandidaten<br />

„Ab jetzt werden wir weniger Pleiten sehen“,<br />

verspricht der Sprecher der US-Einlagensicherung<br />

FDIC, Greg Hernandez.<br />

Doch das ist nur für die größeren Institute<br />

ein Trost. Denn mit fortschreitender<br />

Zeit seit Ausbruch der Finanzkrise 2008<br />

sind die Opfer der Bankenkrise immer<br />

kleiner geworden. Der Beleg: Trotz steigender<br />

Zahl von Pleiten im vergangenen<br />

Jahr ging das betroffene Eigenkapital um<br />

46 Prozent zurück. Die gute Nachricht für<br />

die US-Kunden ist dabei: Selbst die nicht<br />

versicherten Einlagen wurden<br />

bei den Pleiten zu 90 Prozent<br />

gerettet.<br />

Doch was bringt die nähere<br />

Zukunft den US-Banken? „Die<br />

begonnene Finanzmarktreform<br />

wird die Gewinne im<br />

traditionellen Geschäft limitieren“,<br />

erläutert der Branchenanalyst<br />

Jefferson Haralson<br />

beim Broker Keefe, Bruyette &<br />

Woods in New York. Daher sei<br />

mit einer wachsenden Konsolidierungswelle<br />

zu rechnen. Der<br />

Dezember war bereits der aktivste<br />

Monat bei Fusionen und<br />

Übernahmen in der US-Bankenlandschaft<br />

in mehr als zwei<br />

Jahren. Die auffälligsten und größten der<br />

zuletzt angekündigten Deals waren die<br />

Übernahme von Chrysler Financial für<br />

6,3 Mrd. Dollar durch Kanadas TD Bank<br />

und der Erwerb der Marshall & Ilsley<br />

Bank durch die Bank of Montreal.<br />

Mögliche Ziele für Übernahmen gibt es<br />

in den USA zuhauf. Fast 100 Banken, die<br />

im Rahmen des Troubled Asset Relief<br />

„Wir sehen,<br />

dass einige<br />

der kleineren<br />

Banken in<br />

einer Stresssituation<br />

sind.“<br />

David Miller, Experte<br />

für Finanzstabilität,<br />

US-Finanzministerium<br />

Konsolidierung ist für die US-Bankenbranche<br />

nichts Neues. Zuletzt mussten nach der<br />

Großen Depression viele Institute schließen,<br />

wie diese Kleinbank auf einem Foto von<br />

1936. FOTO: DPA<br />

Program (TARP) Hilfe vom US-Finanzministerium<br />

erhalten hatten, gelten derzeit<br />

als Wackelkandidaten. Sieben Banken,<br />

die im Hilfsprogramm während der Krise<br />

waren, sind bereits bankrott. „Wir sehen,<br />

dass einige der kleineren Banken in einer<br />

Stresssituation sind“, sagt David Miller<br />

im Büro für Finanzstabilität, das im Finanzministerium<br />

das TARP-Programm<br />

abwickelt. Viele dieser Banken gelten als<br />

„gelähmt“, wie es Arthur Wilmarth, ein<br />

Bankenexperte an der George-Washington-Universität<br />

ausdrückt. Im Klartext:<br />

Sie sitzen meist auf wackligen Gewerbekrediten<br />

– oft für Shoppingmalls – und<br />

haben nur begrenzte Refinanzierungsmöglichkeiten.<br />

Bankenzahl steht vor Halbierung<br />

Konsolidierung ist für die Bankenlandschaft<br />

in den USA nichts Neues. Die Zahl<br />

der Institute hat sich in den vergangenen<br />

20 Jahren auf jetzt 7760 halbiert. Sie<br />

könnte sich in weniger als dieser Zeit<br />

noch einmal halbieren, sagt Barclays<br />

Capital-Analyst Jason Goldberg. Derzeit<br />

kontrollieren die 20 führenden Banken<br />

in den USA 57 Prozent der Einlagen. Im<br />

Jahr 2003 waren es noch 46 Prozent gewesen,<br />

1998 nur 38 Prozent.<br />

Der Druck auf die Branche bleibt auch<br />

weiterhin gewaltig. Noch gelten 10,8 Mio.<br />

Wohnhäuser als „unter Wasser“, der<br />

Verkaufswert reicht nicht, um die Hypothek<br />

zu decken. Satte 22,5 Prozent aller<br />

Häuser, die mit Hypotheken finanziert<br />

wurden, werden vom Immobilien-Spezialisten<br />

CoreLogic so eingestuft.<br />

Die Situation könnte<br />

sich im laufenden Jahr wieder<br />

verschlimmern. In der ersten<br />

Januarwoche entschieden die<br />

Richter am Obersten Gericht<br />

von Massachusetts, dass Banken,<br />

die den Titel auf ein Haus<br />

nicht präsentieren können<br />

(weil er im Verbriefungsprozess<br />

verloren ging), kein Recht<br />

zu einer Zwangsversteigerung<br />

haben.<br />

Das wird in Tausenden von<br />

Fällen zu einer Situation führen,<br />

in der Hypothekenkunden<br />

zwar nicht mehr tilgen können,<br />

die Bank aber trotzdem nicht<br />

zwangsversteigern kann. Das würde die<br />

Bilanzen der Kreditinstitute zusätzlich<br />

belasten. Experten rechnen damit, dass<br />

sich andere US-Staaten im Verlauf des<br />

Jahres dem Urteil des Supreme Court von<br />

Massachusetts anschließen werden. Das<br />

hätte für die US-Banken bislang unabsehbare<br />

Folgen.<br />

<br />

Markus Gärtner<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


BETEILIGUNGSGESCHÄFT – ROUND-TABLE<br />

Partner auf Zeit<br />

Ob es um die Wachstumsfinanzierung oder eine Nachfolgeregelung geht – die Bremer Sparkasse<br />

hat sich über die nwk Nordwest an mittelständischen Firmen beteiligt und versorgt diese mit<br />

Eigenkapital. Die Unternehmer Stephan Goltermann, Christian Seidenstücker und Jens Wünderlich<br />

diskutieren mit Sparkassenvorstand Heiko Staroßom und nwk-Manager Ralf Paslack über ihre<br />

Erfahrungen im Beteiligungsgeschäft.<br />

SPARKASSE: Herr Seidenstücker, die Joke<br />

Event AG ist eine große Event-Agentur, die<br />

Sie und Ihr Partner Peter Melms gegründet<br />

haben. Die nwk nordwest Kapitalbeteiligungsgesellschaft<br />

der Bremer Sparkasse<br />

ist seit 2002 an Ihrer Gesellschaft beteiligt.<br />

Wie kam es dazu?<br />

Christian Seidenstücker: Im Event-<br />

Geschäft spielt Größe eine wichtige Rolle.<br />

Wir hatten deshalb 2002 den Plan,<br />

eine größere, schlagkräftigere Einheit<br />

zu bilden. Dafür sollten mehrere Gesellschaften<br />

zu einer großen Einzelgesellschaft<br />

verschmolzen werden. Damals<br />

wollten aber drei von insgesamt sieben<br />

Gesellschaftern nicht mitziehen und<br />

aussteigen. Sie mussten wir abfinden.<br />

Wir haben deshalb bei verschiedenen<br />

Banken eine kleine Road-Show unternommen,<br />

um uns das notwendige Kapital<br />

zu besorgen. Dabei sind wir auch auf<br />

die Sparkasse Bremen zugekommen, zu<br />

der wir damals noch keine Geschäftsbeziehungen<br />

besaßen. Sie hat uns zunächst<br />

ein Darlehen angeboten, um die Alt-Gesellschafter<br />

abzufinden.<br />

Und wie kam es dazu, dass die nwk dann<br />

eingestiegen ist?<br />

Seidenstücker: Ein Mitarbeiter der Kreditabteilung<br />

hat uns auf den damals<br />

noch recht jungen Ableger der Sparkasse<br />

Bremen hingewiesen – die nwk nordwest<br />

Kapitalbeteiligungsgesellschaft. Sie beteiligt<br />

sich an Firmen, um ihr Wachstum<br />

zu finanzieren. Wir wurden hellhörig und<br />

haben uns das genauer angeschaut. Kurze<br />

Zeit später bekamen wir einen Termin<br />

bei Jürgen Oltmann, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden<br />

der Sparkasse Bremen.<br />

Wir haben ihm unsere Firmenidee<br />

vorgestellt, und er war schnell Feuer und<br />

Flamme und hat uns eine Beteiligung<br />

angeboten. Auch von unseren anderen<br />

Mitgesellschafter hatten wir hierfür das<br />

Plazet. Sie waren davon begeistert, einen<br />

kapitalkräftigen Partner wie der Sparkasse<br />

Bremen an ihrer Seite zu haben.<br />

Wie groß ist die Beteiligung der nwk nordwest?<br />

Seidenstücker: Die Sparkasse Bremen<br />

hat sich zunächst mit rund 18 Prozent an<br />

der Event-Agentur beteiligt. In einem weiteren<br />

Schritt stockte sie ihren Anteil auf<br />

24,95 Prozent auf. Dies kam daher, weil<br />

zwei weitere Gesellschafter ausgestiegen<br />

sind. Jetzt gibt es bei der Joke Event AG<br />

drei Aktionäre. Die nwk nordwest sowie<br />

mich und meinen Partner, Peter Melms.<br />

Hilft Ihnen nwk nordwest, wenn Sie bei großen<br />

Events in Vorkasse gehen müssen?<br />

Seidenstücker: Nein, dies macht die<br />

Sparkasse Bremen. Sie greift uns bei der<br />

Finanzierung solcher Großereignisse<br />

unter die Arme, indem sie uns die notwendigen<br />

Kontokurrentlinien zur Verfügung<br />

stellt. Größere Geldbeträge werden<br />

kurzfristig finanziert. Das geht meist auf<br />

dem kurzen Dienstweg. Ich glaube, damit<br />

genießen wir einen wichtigen Wettbewerbsvorteil.<br />

Wir haben hierdurch<br />

am deutschen Event-Markt die Chance,<br />

schnell und flexibel größere Vorhaben<br />

umzusetzen. Dies hat uns sicherlich auch<br />

bei der Expansion sehr geholfen. Mittlerweile<br />

ist die Joke Event AG bundesweit<br />

aktiv. Auch im Ausland wickeln wir Projekte<br />

ab.<br />

Hilft Ihnen die nwk in Managementfragen?<br />

Seidenstücker: Nein, mittlerweile nicht<br />

mehr so stark wie früher. In der Anfangsphase<br />

war die nwk nordwest jedoch ein<br />

wichtiger Partner. Sie hat mir sehr dabei<br />

geholfen, Businesspläne aufzustellen,<br />

um den weiteren Wachstumspfad der<br />

Gesellschaft zu bestimmen. Zudem war<br />

ich damals im Aktienrecht kein Experte.<br />

Wie arbeitet bei der AG das betriebliche<br />

Berichtswesen? Bei welchen Geschäften<br />

muss ich als Vorstand den Aufsichtsrat<br />

um eine Genehmigung bitten? All das<br />

waren Fragen, wo mir die nwk nordwest<br />

mit Rat und Tat zur Seite stand. Ohne ihre<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FINANZGRUPPE 31<br />

Am runden Tisch (v.l.):<br />

n Ralf Paslack, Geschäftsführer der nwk<br />

nordwest Kapitalbeteiligungsgesellschaft<br />

der Sparkasse Bremen<br />

n Stephan Goltermann, Geschäftsführer des<br />

Bremer Anlagenbauers Georg Schünemann<br />

GmbH<br />

n Jens Wünderlich, geschäftsführender<br />

Gesellschafter des IT-Dienstleisters<br />

Engram<br />

n Heiko Staroßom, Mitglied des Vorstands<br />

der Sparkasse Bremen<br />

n Christian Seidenstücker, Vorstand der<br />

Eventagentur Joke Event AG<br />

<br />

FOTOS: ROLAND MAGUNIA<br />

Unterstützung hätte ich diesen teilweise<br />

steinigen Weg nicht geschafft<br />

Herr Staroßom, was sind die Hauptgründe<br />

dafür, dass sich die Bremer Sparkasse an<br />

Mittelständlern beteiligt?<br />

Heiko Staroßom: Die Sparkasse Bremen<br />

ist ein wichtiger Partner für den<br />

gesamten Mittelstand. Sie gewährt den<br />

Unternehmen nicht nur Darlehen und<br />

unterstützt Betriebe bei der Gründungsfinanzierung.<br />

Sie ist auch im Zins- und<br />

Währungsmanagement, im Auslandsgeschäft<br />

und in der Vermögensverwaltung<br />

aktiv. Wir bieten unseren Kunden also<br />

eine ganze Bandbreite an Dienstleistungen.<br />

Es wäre ein Fehler, wenn wir im<br />

Beteiligungsgeschäft nicht dabei wären.<br />

Es ist ein wichtiger Pfeiler, um unseren<br />

die vorhandene Geschäftsführung von<br />

den Altgesellschaftern die Anteile. In diesem<br />

Fall wissen wir genau, worauf wir uns<br />

einlassen. Dies ist bei einer Nachfolgeregelung<br />

anders. Hier will vielleicht ein<br />

Universitätsabsolvent mit 23 Jahren in<br />

die Fußstapfen seines Vaters treten und<br />

soll die Geschäftsführung des elterlichen<br />

Betriebs übernehmen. In diesem Fall wissen<br />

wir nicht immer, ob das neue Management<br />

unseren Anforderungen genügt, um<br />

eine Beteiligung zu rechtfertigen.<br />

Die nwk besteht seit 1996. Warum betreibt<br />

die Bremer Sparkasse erst seitdem dieses<br />

Geschäft?<br />

Staroßom: Ich bin seit 2001 Mitglied<br />

des Vorstands der Bremer Sparkasse<br />

und für den Bereich verantwortlich. Dies<br />

„Das Beteiligungsgeschäft ist ein wichtiger<br />

Pfeiler, um unseren Firmenkunden neue<br />

Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen.“<br />

Heiko Staroßom, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Bremen<br />

Firmenkunden neue Wachstumsmöglichkeiten<br />

zu eröffnen.<br />

Stehen bei den Beteiligungen der nwk mehr<br />

Wachstumsfinanzierungen oder Nachfolgelösungen<br />

im Vordergrund?<br />

Staroßom: Ob für eine Wachstumsfinanzierung<br />

oder eine Nachfolgeregelung – die<br />

Motive für einen Einstieg der nwk nordwest<br />

sind sehr verschieden. Wir schauen<br />

uns jeden Einzelfall genau an. Passt die<br />

Beteiligung zu uns, machen wir das Geschäft.<br />

Wir achten insbesondere darauf,<br />

dass das Unternehmen, an dem wir uns<br />

beteiligen, über ein funktionierendes und<br />

eingespieltes Management verfügt. Wir<br />

sind deshalb gern bei einem Management<br />

Buy-out, MBO, Partner. Hier übernimmt<br />

war zu einer Zeit, als das Beteiligungsgeschäft<br />

nicht ganz leicht war. Die Internetblase<br />

platzte, viele Firmen waren auf<br />

dem Markt. Doch die Verkäufer hatten<br />

immer noch übertriebene Kaufpreisvorstellungen.<br />

Diese mussten wir erst einmal<br />

auf ein realistisches Maß herunterschrauben.<br />

Denn es nützt nichts, teuer<br />

einzukaufen. Wir haben uns deshalb genau<br />

umgeschaut. Dabei sind wir auf zwei<br />

Unternehmen gestoßen, an denen wir<br />

uns beteiligt haben. Die Beteiligungen<br />

entpuppten sich im Nachhinein als<br />

Glücksgriff. Sie haben sich ausgezeichnet<br />

entwickelt.<br />

Welche Firmen waren das?<br />

Staroßom: Es handelt sich dabei um<br />

einen führenden Fotovoltaik-Anbieter<br />

sowie einen Finanzierer von Windparks.<br />

Vor allem die Beteiligung an dem Fotovoltaik-Anbieter<br />

war sehr erfolgreich.<br />

Dies gelang nicht nur durch den Gang<br />

der Gesellschaft an die Frankfurter Börse,<br />

sondern durch den späteren Verkauf der<br />

Firma an einen industriellen Investor.<br />

Der hatte die Gesellschaft mehrheitlich<br />

übernommen und später von der Börse<br />

genommen.<br />

Begleitet die nwk also auch Börsengänge?<br />

Ralf Paslack: Ja, ursprünglich haben<br />

wir unser Corporate-Finance-Geschäft<br />

mit Börsengängen gestartet. Wir haben<br />

festgestellt, dass unsere Kunden hieran<br />

einen großen Bedarf haben. Bei Aktienplatzierungen<br />

waren wir jedoch nicht<br />

der Konsortialführer. Dennoch saßen<br />

wir als Co-Manager mit am Tisch. Damit<br />

besaßen unsere Kunden die Chancen,<br />

Aktien mitzuzeichnen, und wir konnten<br />

als Vertrauter die Börsenneulinge weiter<br />

beraten.<br />

Haben Sie jetzt einen Börsenkandidaten in<br />

ihrem Beteiligungsportfolio?<br />

Staroßom: Ich will nicht ausschließen,<br />

dass eine unserer Beteiligungsfirmen an<br />

die Börse geht. Aktuell steht aber nichts<br />

an. Es muss das Börsenklima stimmen,<br />

und der Kandidat muss passen.<br />

Warum wurde das Beteiligungsgeschäft<br />

nicht direkt an das Mutterhaus angebunden,<br />

sondern in eine eigene Gesellschaft<br />

eingebracht?<br />

Staroßom: Dies hat mehrere Gründe.<br />

Organisatorisch steuert die Bremer Sparkasse<br />

viele ihrer Sparten in eigenen Tochtergesellschaften.<br />

So haben wir unser<br />

Auslandsgeschäft unter dem Dach der<br />

Nordwest International, nwi, gebündelt.<br />

Selbst Catering und Services haben wir<br />

in eine eigenständige Gesellschaft eingebracht.<br />

Es ist deshalb nur konsequent,<br />

dass wir unser Kapitalbeteiligungsgeschäft<br />

in einer eigenständigen Tochter<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


32<br />

FINANZGRUPPE<br />

führen. Zudem schreibt uns dies das Unternehmensbeteiligungsgesetz<br />

vor.<br />

Macht die nwk Ihren Beteiligungsfirmen Renditevorgaben?<br />

Staroßom: Nein, da unterscheiden wir<br />

uns von vielen anderen Beteiligungsgesellschaften.<br />

Wir betrachten das Geschäft<br />

langfristig. Wir haben nicht bei einem<br />

Einstieg schon den Ausstieg im Auge,<br />

um schnell Gewinne zu erzielen, sondern<br />

setzen auf ein nachhaltiges Beteiligungsgeschäft.<br />

Wir wollen die Gesellschaften<br />

über einen längeren Zeitraum begleiten,<br />

um sie zu entwickeln und auszubauen.<br />

Ich glaube, diese Strategie passt genau<br />

zum Mittelstandsgeschäft einer Sparkasse.<br />

Denn wir betreuen größtenteils familiengeführte<br />

Betriebe, die eine andere<br />

Sichtweise haben. Sie denken in Generationen<br />

und nicht in Quartalsberichten.<br />

Die nwk ist ein Partner, der ein erfolgreiches<br />

Beteiligungsgeschäft betreiben<br />

will. Er bietet den Mittelständlern aber<br />

auch Halt und Stabilität – und das langfristig.<br />

Wie lange hält die Gesellschaft ihre Beteiligungen?<br />

Staroßom: Wie schon gesagt, wir sind<br />

ein langfristiger Partner. Wir sind nicht<br />

diejenigen, die einen Ausstieg anschieben.<br />

Es gibt bei uns deshalb keine zeitlichen<br />

Vorgaben. Häufig hätten wir uns<br />

bei dem einen oder anderen Unternehmen<br />

länger engagiert. Ein Beispiel hierfür<br />

ist eine Gesellschaft, die während<br />

der Sparkassenbeteiligung zu einem der<br />

größten deutschen Engineering-Dienstleister<br />

des Flugzeugkonzerns Airbus aufstieg.<br />

Hier sind wir 2003 eingestiegen. Als<br />

wir uns damals beteiligten, setzte der Betrieb<br />

gerade mal 3,5 Millionen Euro um.<br />

Als wir unsere Anteile veräußerten, waren<br />

es 55 Millionen.<br />

Herr Goltermann, die von Ihnen geleitete<br />

Schünemann-Gruppe ist unter anderem ein<br />

Anbieter von Filteranlagen für Schwimmbäder<br />

und produziert komplexe Ventilsysteme<br />

für U-Boote, Fregatten und Korvetten. Die<br />

„Im Mittelstand wird viel aus dem Bauch<br />

entschieden. Wir begleiten Unternehmer,<br />

wenn es um größere Investitionen geht.“<br />

Ralf Paslack, Geschäftsführer nwk nordwest<br />

nwk ist seit 2003 bei der Georg Schünemann<br />

GmbH an Bord. Wie kam es dazu?<br />

Stephan Goltermann: Hier kamen<br />

verschiedene Umstände zusammen.<br />

Schünemann hatte sich im Jahr 2000<br />

an einer kleinen Gesellschaft in Süddeutschland<br />

beteiligt. Doch der Betrieb<br />

war ein Sanierungsfall. Die Muttergesellschaft<br />

musste stets Geld nachschießen,<br />

um Verluste auszugleichen. Wir hatten<br />

zwar mit 45 Prozent eine gute Eigenkapitalausstattung.<br />

Dennoch nagte die<br />

Tochter an unserem finanziellen Polster.<br />

Wir machten uns deshalb als gute hanseatische<br />

Unternehmer Gedanken, wie<br />

wir unsere Eigenkapitalbasis verbreitern<br />

konnten. Da spielte plötzlich der Zufall<br />

Pate.<br />

Wie das?<br />

Goltermann: Wir hatten von der nwk<br />

nordwest noch nie etwas gehört, doch bei<br />

einem Gespräch mit dem Vorstand der<br />

Sparkasse Bremen fiel der Name. Als wir<br />

nachfragten, wurden wir über das Konzept<br />

der Beteiligungsgesellschaft aufgeklärt.<br />

Wir passten zwar zunächst scheinbar<br />

nicht in ihr Portfolio, da sie sich in der<br />

Anfangsphase auf Firmen aus der New<br />

Economy und Start-ups konzentriert hatte.<br />

Doch für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden<br />

der Bremer Sparkasse, Jürgen<br />

Oltmann, war das kein Problem. Er<br />

fand es gut, einen alt eingesessenen Maschinenbauer<br />

aus Bremen mit an Bord<br />

der nwk nordwest zu haben. Wir seien ein<br />

gutes Gegengewicht zu den Jungunternehmen,<br />

bei denen sich die Gesellschaft<br />

engagierte. Und auch unsere Gesellschafter<br />

waren von dem Plan begeistert,<br />

dass indirekt die Sparkasse Bremen bei<br />

unserem Traditionsunternehmen Gesellschafter<br />

würde.<br />

Vertrauen gegen Vertrauen: Jens Wünderlich (l.) vom IT-Dienstleister Engram profitiert davon,<br />

dass seine Kunden der Bremer Sparkasse als Gesellschafter vertrauen. Sparkassenmanager<br />

Heiko Staroßom (r.) vertraut Engram so sehr, dass sein Institut indirekt die Mehrheit hält.<br />

Staroßom ist für SPARKASSE-Leser übrigens kein Unbekannter: Er hatte bereits an einem<br />

Round-Table-Gespräch zu Frauen im Management teilgenommen, siehe SPARKASSE 10/2010.<br />

Weil Sie damit einen finanzkräftigen Partner<br />

mit an Bord haben …<br />

Goltermann: Ja, aber nicht nur das. Unsere<br />

Altgesellschafter sind seit Jahren an<br />

einer Verbreiterung der Unternehmensbasis<br />

interessiert. Die nwk sollte das Feld<br />

für strategische Allianzen bereiten und<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FINANZGRUPPE 33<br />

Aufeinander eingespielt: nwk-Manager Ralf<br />

Paslack (l.) und Stephan Goltermann vom<br />

Anlagenbauer Schünemann, unten auf dieser<br />

Seite: Joke-Event-Manager Christian<br />

Seidenstücker<br />

den langfristigen Generationswechsel<br />

begleiten.<br />

Ist die Beteiligungsgesellschaft fündig geworden?<br />

Goltermann: Noch nicht. Es kann aber<br />

sein, dass wir in naher Zukunft einen<br />

geeigneten Partner aufnehmen, entsprechende<br />

Gespräche laufen. Und der Generationswechsel<br />

in der Geschäftsleitung<br />

wurde bereits eingeleitet.<br />

Haben sich die nwk oder die Sparkasse Bremen<br />

je bei Ihnen ins Tagesgeschäft eingemischt?<br />

Goltermann: Nein, die nwk hat sich<br />

aus dem Tagesgeschäft herausgehalten.<br />

Aber wir finden im Tagesgeschäft gute<br />

Unterstützung bei einem anderen Tochterunternehmen<br />

der Sparkasse Bremen,<br />

der Zoba Zollberatung und -abwicklung<br />

GmbH. Sie hilft uns bei schwierigen Fragen<br />

der Zollabwicklung, da wir auch im<br />

Exportgeschäft sehr aktiv sind.<br />

Einige Risikokapitalgesellschaften haben<br />

Managementteams, die den Geschäftsführern<br />

ihrer Beteiligungsfirmen helfen. Gibt<br />

es so etwas bei der nwk?<br />

Seidenstücker: Es sind nicht nur solche<br />

konkreten Anlässe. Ich sehe Herrn<br />

Paslack als eine Art Sparringspartner für<br />

die Unternehmer. Er verfügt zwar über<br />

keine detaillierten Marktkenntnisse,<br />

dennoch hilft er mit seinem gesunden<br />

Menschenverstand. Das ist wichtig, wenn<br />

ein Unternehmer neue Märkte oder Geschäftsfelder<br />

erobern will und sich dabei<br />

möglicherweise verrannt hat. Er bringt<br />

dann die kritischen Themen auf den<br />

Tisch und hilft dem Unternehmer, den<br />

richtigen Weg einzuschlagen.<br />

Paslack: Im Mittelstand wird viel aus<br />

dem Bauch heraus entschieden. Wir begleiten<br />

deshalb die Unternehmer, wenn<br />

es um größere Investitionen geht, die<br />

zustimmungspflichtig sind. So schauen<br />

wir, ob sich das Investment wirtschaftlich<br />

lohnt. Das ist wichtig, um auch die<br />

weitere Zukunft der Gesellschaft abzusichern.<br />

Kontrolliert die nwk regelmäßig die Geschäftspläne?<br />

Paslack: Ja, wir haben ein Quartalsreporting<br />

und haben am Ende eines Jahres<br />

eine Art Budgetplanungssitzung. Dort<br />

ziehen wir ein Resümee, ob die Pläne des<br />

vergangenen Jahres eingehalten wurden.<br />

Zudem vereinbaren wir die Ziele für<br />

das folgende Geschäftsjahr.<br />

Herr Wünderlich, Sie sind geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Engram GmbH, die<br />

vor allem Unternehmen und Finanzdienstleistern<br />

IT-Lösungen anbietet. Die nwk ist<br />

Ist die nwk als Gesellschafter im Rücken hilfreich<br />

für den Kundenfang?<br />

Wünderlich: Das kann man durchaus<br />

bejahen. Für einige unserer großen Kunden<br />

spielt die finanzielle Basis unseres<br />

Unternehmens bestimmt eine Rolle. Die<br />

nwk nordwest als Gesellschafter und dahinter<br />

die Sparkasse Bremen sorgen für<br />

Vertrauen.<br />

Die nwk ist ihr Mehrheitsgesellschafter. Dürfen<br />

Sie dennoch Finanzhäuser wie die Deutsche<br />

Bank oder Commerzbank ansprechen,<br />

um sie als Kunden zu gewinnen?<br />

Wünderlich: Bei der Wahl unserer<br />

Kunden haben wir völlig freie Hand. Die<br />

Deutsche Bank gehört ebenso zu unseren<br />

Kunden wie die Sparkassen-Finanzgruppe.<br />

Wir sind ein Dienstleister für die gesamte<br />

Finanzbranche. Letztlich geht es<br />

für die Engram darum, sich am Markt<br />

erfolgreich zu behaupten, sich positiv<br />

zu entwickeln und im Sinne aller Gesellschafter<br />

Gewinne zu erwirtschaften.<br />

Hilft Ihnen die Sparkasse Bremen bei der<br />

Finanzierung von Großprojekten?<br />

Wünderlich: Das ist schon vorgekommen.<br />

Wir haben einige große Projekte<br />

für Rechenzentren entwickelt, die vorfinanziert<br />

werden mussten. So zum<br />

Beispiel die Entwicklung eines Redaktionssystems<br />

für Selbstbedienungsgeräte,<br />

das wir für ein Rechenzentrum der<br />

Volksbanken im Süden realisiert haben.<br />

Gegen die Entwicklungskosten standen<br />

vertraglich vereinbarte Lizenzerlöse, die<br />

erst nach Fertigstellung generiert werden<br />

„Herr Paslack verfügt zwar über keine<br />

detaillierten Marktkenntnisse, aber er hilft<br />

mit seinem gesunden Menschenverstand.“<br />

Christian Seidenstücker, Vorstand Joke Event AG<br />

Paslack: Nein, dennoch unterstützen<br />

wir die Geschäftsführungen, wo wir nur<br />

können. So stellen wir ihnen unser gesamtes<br />

Research-Material zur Verfügung,<br />

wenn sie in einen neuen Markt oder in ein<br />

neues Geschäftsfeld vorstoßen wollen.<br />

Auch bei unternehmenspolitischen Fragen<br />

stehen wir Pate. Beispielsweise unterstützen<br />

wir die Geschäftsführer, wenn<br />

sie neue Arbeitszeit- oder Vergütungsregelung<br />

einführen wollen. Da bringen wir<br />

unsere Erfahrungen ein, die wir bei anderen<br />

Gesellschaften gesammelt haben.<br />

seit 2002 bei Ihnen engagiert. Was waren<br />

die Gründe für dieses Engagement?<br />

Jens Wünderlich: Wir sind ein auf digitale<br />

Kommunikation für Finanzdienstleister<br />

spezialisiertes Softwarehaus. Unsere<br />

Produkte werden für die Optimierung<br />

des Online- und auch stationären Vertriebs<br />

unserer Kunden eingesetzt. Auch<br />

wenn unsere Ausrichtung damals gar<br />

nicht so internetlastig war, sind wir 2001<br />

von der Folgen der Dotcom-Blase nicht<br />

verschont geblieben und mussten uns<br />

neu aufstellen. Dafür suchten wir einen<br />

finanzkräftigen Partner. Damals arbeiteten<br />

wir bereits für die Sparkassen und<br />

Volksbanken. Dadurch kam der Kontakt<br />

zur nwk nordwest zustande. Wir haben<br />

uns dann entschieden, die nwk als Gesellschafter<br />

an Bord zu holen.<br />

konnten. Bei der Vorfinanzierung hat uns<br />

die Sparkasse Bremen unterstützt. Das<br />

ließ sich schnell und unkompliziert realisieren,<br />

da man uns als Beteiligungsunternehmen<br />

natürlich sehr gut beurteilen<br />

konnte.<br />

Hat die Beteiligungsgesellschaft bei der Engram<br />

ein großes Mitspracherecht?<br />

Wünderlich: Herr Paslack sitzt im Aufsichtsrat<br />

unserer Gesellschaft. Die strategische<br />

Ausrichtung des Unternehmens<br />

stimmen wir natürlich gemeinsam mit<br />

unseren Aufsichtsräten ab. Das operative<br />

Geschäft wird aber nicht beeinflusst und<br />

ist Sache der Geschäftsführung.<br />

Herr Staroßom: Die nwk hält fast alle Anteile<br />

an der Engram. Gehen Sie gerne Mehrheitsbeteiligungen<br />

ein?<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


34<br />

FINANZGRUPPE<br />

Stephan Goltermann – Anlagenbauer Schünemann<br />

Er hat fast sein ganzes Berufsleben bei der<br />

Georg Schünemann GmbH verbracht: Stephan<br />

Goltermann. Der heute 64-Jährige ist seit<br />

1984 Geschäftsführer beim Bremer Anlagenbauer.<br />

Das 1937 gegründete Unternehmen<br />

mit dem Markenzeichen SAB steht auf mehreren<br />

Beinen. Kernstück des Geschäfts ist der<br />

Bau von Filtrationsanlagen, um das Wasser<br />

von Schwimmbädern zu säubern. Ein weiteres<br />

Geschäftsfeld ist die Herstellung von Spezialventilen<br />

und Regelsystemen für deutsche<br />

U-Boote, Fregatten sowie Korvetten. Auch<br />

selbstreinigende Filter hat SAB im Angebot.<br />

Abnehmer hierfür sind Großunternehmen wie<br />

BASF, Bayer, Klöckner und andere Kraftwerksbetreiber.<br />

Die Gesellschaft hat 2009 das beste<br />

Jahr ihrer Geschichte erzielt. Der Umsatz mit<br />

rund 60 Mitarbeitern bewegte sich bei neun Mio.<br />

Euro. Der direkte Auslandsanteil wird mit<br />

25 Prozent angegeben. Die Eigenkapitalquote<br />

liegt bei 50 Prozent. Die Bremer Sparkasse<br />

ist seit 2003 über die nwk nordwest mit rund<br />

25 Prozent an der Betriebsgesellschaft Georg<br />

Schünemann GmbH beteiligt. An der Georg-<br />

Schünemann-Gruppe halten die Familien Wuppermann<br />

und Homann die Mehrheit. Die Familie<br />

Homann ist durch die Herstellung von Feinkostsalaten<br />

bundesweit bekannt. Goltermann hat<br />

jüngst die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft<br />

an die beiden neuen Geschäftsführer<br />

Wolfgang Lister und Felix Krüger abgegeben.<br />

Staroßom: Die Engram GmbH ist ein<br />

Einzelfall. Dennoch scheuen wir uns<br />

nicht, auch Mehrheiten einzugehen. Wir<br />

haben hier keine festen Regeln. Für uns<br />

gilt nur: Die Firma muss zu uns passen.<br />

Auch wenn Sie dadurch das volle unternehmerische<br />

Risiko tragen?<br />

Staroßom: Wer in diesem Geschäft antritt,<br />

nur um Risiken zu vermeiden, ist<br />

Fehl am Platz. Wer keine Risiken eingeht,<br />

kann auch nicht von Chancen profitieren.<br />

Sind Beteiligungsfirmen in die Insolvenz<br />

gegangen?<br />

Paslack: Ja, wir haben auch Unternehmen<br />

während der Fahrt verloren. Ich<br />

kenne keine Beteiligungsgesellschaft mit<br />

Christian Seidenstücker – Eventagentur Joke Event AG<br />

Christian Seidenstücker (41) hat 1992 mit<br />

Peter Melms die Joke Event AG gegründet.<br />

Das Unternehmen ist heute eine der führenden<br />

Eventagenturen im norddeutschen<br />

Raum und begleitet Großereignisse bei der<br />

Live-Kommunikation. Die Agentur ist bundesweit<br />

aufgestellt und hat Niederlassungen<br />

in Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Berlin und<br />

Düsseldorf. Die Bremer Gesellschaft ist auch<br />

international aktiv. Sie betreute Projekte in<br />

Afrika, USA, Mexiko sowie im koreanischen<br />

Raum. Zu ihren Kunden gehören Konzerne wie<br />

die Autohersteller Mercedes Benz, Hyundai,<br />

Kia und der Spieleproduzent Nintendo sowie<br />

die Bremer Sparkasse. Die Joke Event AG<br />

beschäftigt 62 Mitarbeiter und erzielte zuletzt<br />

einen Nettoumsatz von 15,2 Mio. Euro. An<br />

dem Event-Dienstleister ist die nwk Kapitalbeteiligungsgesellschaft<br />

seit 2002 beteiligt. Sie<br />

stieg zunächst mit 18 Prozent ein und baute<br />

die Beteiligung weiter auf 24,9 Prozent aus.<br />

Die restlichen Anteile teilen sich die Vorstände<br />

Seidenstücker und Melms zu gleichen Teilen.<br />

Ursprünglich sollte die nwk bereits nach eini­<br />

vergleichbarem Geschäft in Deutschland,<br />

die dieses Schicksal nicht mit uns teilt.<br />

Das gehört zum Geschäft, auch wenn es<br />

wehtut.<br />

Herr Wünderlich, Sie sind mit mehr als zehn<br />

Prozent an der Engram beteiligt. Ist die nwk<br />

ein Partner auf Zeit?<br />

Wünderlich: Es ist nicht ausgeschlossen,<br />

dass es irgendwann einen Wechsel<br />

im Gesellschafterkreis gibt und die nwk<br />

ausscheidet oder ihre Anteile reduziert.<br />

Das gehört zum Geschäft dazu.<br />

Die nwk verfügt über viele Gesellschaften,<br />

die unter anderem in den Branchen IT, Anlagenbau,<br />

Kunststofftechnik und Handel aktiv<br />

sind. Wäre es nicht besser, wenn Sie sich auf<br />

gen Jahren aussteigen. Inzwischen ist sie eine<br />

feste Größe im Aktionärskreis. Seidenstücker<br />

hat an der Universität in Siegen Betriebswirtschaft<br />

studiert. Der gebürtige Göttinger hatte<br />

bereits während des Studiums eine eigene<br />

Marketingfirma.<br />

wenige Branchen konzentrieren, um mehr<br />

Kompetenz aufzubauen?<br />

Staroßom: Wir beteiligen uns vor allem<br />

an Firmen im Nordwesten Deutschlands.<br />

Wir würden uns beschränken, wenn wir<br />

uns auf bestimmte Branchen fokussieren.<br />

Das haben wir nicht vor.<br />

Die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse<br />

Bremen ist vor allem in Bremen und Umgebung<br />

aktiv. Dennoch ist unter ihren Gesellschaften<br />

auch der IT-Dienstleister Netvico<br />

mit Sitz in Stuttgart. Ein Einzelfall?<br />

Paslack: Wir suchen nicht aktiv im bayerischen<br />

Wald Beteiligungen. Dies würde<br />

unser Management stark belasten.<br />

Dennoch beteiligen wir uns auch an<br />

Firmen außerhalb der Bremer Grenzen.<br />

So sitzt der Fotovoltaik-Anbieter Ersol in<br />

Erfurt. In Stuttgart haben wir uns ferner<br />

vor einigen Jahren an einem Immobilienentwickler<br />

beteiligt. Die Anteile haben<br />

wir 2010 verkauft.<br />

Kommen andere Sparkassen auf Sie zu, um<br />

Ihren Firmenkunden eine Beteiligungsmöglichkeit<br />

zu ermöglichen?<br />

Staroßom: Ja, wir arbeiten sehr eng mit<br />

der Sparkasse Bremerhaven zusammen.<br />

Wir entwickeln derzeit mit unserem<br />

Nachbarn das Geschäft, weil beide Sparkassen<br />

von einer verbesserten Eigenkapitalausstattung<br />

der Firmen profitieren.<br />

Leider ist dies aber die Ausnahme. Es<br />

wäre schön, wenn sich weitere Sparkassen<br />

unserem Beteiligungsgeschäft anschließen<br />

würden.<br />

Warum gibt es in der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

nicht mehr solcher Kooperationen?<br />

Staroßom: Viele Sparkassen betrachten<br />

das Firmengeschäft immer noch als<br />

reines Kreditgeschäft. Sie haben erst in<br />

den vergangenen Jahren erkannt, dass<br />

auch das Beteiligungsgeschäft dazu<br />

zählt. Denn der Wettbewerb wird für den<br />

Mittelstand härter. Die Unternehmen<br />

brauchen mehr denn je das notwendige<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FINANZGRUPPE 35<br />

Eigenkapital, um weiter zu wachsen. Die<br />

Sparkasse kann ihnen hier als Partner<br />

zur Seite stehen.<br />

In Deutschland gibt es eine Vielzahl großer<br />

Beteiligungsgesellschaften. Wäre es nicht<br />

sinnvoll, wenn alle Sparkassen ihr Beteiligungsgeschäft<br />

in einer gemeinsamen Gesellschaft<br />

bündeln würden, um sich gegen<br />

Konkurrenten durchzusetzen?<br />

Staroßom: Ich kann mir eine solche Gesellschaft<br />

auf dem Papier vorstellen. Sie<br />

brächte für unser Mittelstandsgeschäft<br />

eher Nachteile. Der Wettbewerbsvorteil<br />

der Sparkassen liegt darin, dass wir in<br />

den Regionen einen engen Draht zu unseren<br />

Firmenkunden haben. Er würde<br />

verloren gehen, wenn wir Konzernstrukturen<br />

aufbauen. Zudem birgt ein überregionales<br />

Beteiligungsgeschäft höhere<br />

Risiken und verursacht mehr Kosten.<br />

Wünderlich: Da kann ich nur zustimmen.<br />

Mittelständlern ist es wichtig,<br />

dass unternehmenspolitische Entscheidungen<br />

schnell und unkompliziert<br />

getroffen werden. Dies ist bei der nwk<br />

nordwest der Fall. Die wichtigen Ansprechpartner<br />

sitzen vor Ort. Wir können<br />

uns schnell austauschen, wenn es<br />

notwendig ist. Größere Einheiten bergen<br />

hingegen größere Risiken. Ich kann mir<br />

deshalb nicht vorstellen, dass eine bundesweite<br />

Beteiligungsgesellschaft der<br />

Sparkassen-Finanzgruppe schnell und<br />

flexibel reagiert, wenn es bei einer Beteiligungsgesellschaft<br />

mal brennt.<br />

Jens Wünderlich – IT-Dienstleister Engram<br />

Jens Wünderlich hat schon immer die Welt<br />

von Bits und Bytes fasziniert. Bei seinem<br />

Studium der Wirtschaftswissenschaften an<br />

der Bremer Uni legte er seine Schwerpunkte<br />

auf EDV, Organisation und Marketing. Seine<br />

Diplom arbeit schreibt er über elektronische<br />

Prospekte. Heute ist der 46-Jährige geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Engram GmbH, an<br />

der er mit mehr als zehn Prozent beteiligt ist.<br />

Der Bremer IT-Dienstleister entwickelt seit 20<br />

Jahren Software-Lösungen, um die Geschäftsprozesse<br />

großer Unternehmen zu erleichtern.<br />

Zu den Kunden gehören Sparkassen und Volksbanken,<br />

aber auch Industriekunden wie BASF,<br />

T-Systems und die Wintershall AG. Vor allem<br />

die Sparkassen sind ein wichtiger Kunde. Ihnen<br />

half Wünderlich, das Internetbanking attraktiver<br />

zu machen. Zudem betreibt die Engram<br />

GmbH seit mehreren Jahren für die DekaBank<br />

die Lernplattform „training.deka.de“. Das Portal<br />

unterstützt Kundenberater der Sparkassen<br />

bei ihrer Arbeit. Sie können sich hier unter anderem<br />

über die neuesten Vertriebsstrategien<br />

Ralf Paslack – Beteiligungsgesellschaft nwk nordwest<br />

Ralf Paslack ist Geschäftsführer der nwk<br />

nordwest Kapitalbeteiligungsgesellschaft der<br />

Bremer Sparkasse mbH. Er leitet ein insgesamt<br />

sechsköpfiges Team, das sich derzeit um 14<br />

Beteiligungen kümmert. Ob Wachstumsfinanzierung<br />

oder Regelung der Unternehmensnachfolge<br />

– die nwk nordwest beteiligt sich<br />

vor allem an Firmen in Bremen und Umgebung.<br />

Die se müssen nachweislich über ein<br />

tragfähiges Geschäftsmodell verfügen. Die<br />

Beteiligungen können in offener und stiller<br />

Form erfolgen. Die Firma investiert zwischen<br />

0,5 und drei Mio. Euro. Kernabsicht der nwk<br />

ist, das Eigenkapital von mittelständisch geprägten<br />

Gesellschaften zu stärken. Dabei stellt<br />

sie auch Mezzanine-Kapital zur Verfügung.<br />

Die nwk verfügt über Firmenbeteiligungen<br />

aus verschiedenen Branchen: Im Anlagenbau<br />

ist sie bei der Antares Datensysteme GmbH<br />

engagiert, die Messausrüstungen zur Erdölexploration<br />

herstellt. In der Kunststofftechnik ist<br />

es die Multiplex GmbH, die Verbundwerkstoffe<br />

für maritime, militärische und industrielle<br />

Zwecke herstellt. In der Sparte IT hält die nwk<br />

Beteiligungen an den Firmen Netvico und der<br />

Neuland Bremen GmbH. Weitere Anteile besitzt<br />

sie unter anderem am Pflegedienstleister Ambulanter<br />

Hauspflegeverbund Achim GmbH &<br />

Co. KG, der Mediaclipping GmbH, der BWK Chemiefaser<br />

GmbH, dem Nahrungsmittelhersteller<br />

Veracus sowie an der Fun Factory, Europas<br />

größtem Hersteller für Erotikspielzeuge.<br />

informieren. An der Engram GmbH hält nwk<br />

nordwest seit 2002 mehr als 80 Prozent.<br />

Seidenstücker: Das sehe ich ähnlich. Ich<br />

glaube, dass ich keine Beteiligungsgesellschaft<br />

als Partner in meiner Firma zugelassen<br />

hätte, die über einen riesigen Verwaltungsapparat<br />

verfügt. Ich will nicht<br />

mit einem Banker XY in Frankfurt oder<br />

London telefonieren, um nach Wochen<br />

das Okay für eine Investition zu bekommen.<br />

Ich will, dass mein Gesellschafter<br />

in meiner Nähe sitzt, um mich mit ihm –<br />

auch mal Auge in Auge – auszutauschen.<br />

Bei einer großen Beteiligungsgesellschaft<br />

hätte ich das Gefühl, eine Nummer<br />

unter vielen zu sein.<br />

Sie wollen einen Ansprechpartner vor Ort?<br />

Seidenstücker: Ja. Denn ich glaube<br />

nicht, dass der Portfolio-Manager eines<br />

Londoner Beteiligungsfonds wirklich<br />

versteht, wie mein Geschäft funktioniert.<br />

Als 2008 die Wirtschaftskrise einsetzte,<br />

hätte er wahrscheinlich reagiert, wie<br />

viele andere Manager auch. Er hätte die<br />

Budgets gestrichen und Personal entlassen,<br />

um kurzfristig den Gewinn zu steigern.<br />

Damit hätte er unserem sensiblen<br />

Geschäft mit Live-Kommunikation mehr<br />

geschadet als geholfen. Die nwk nordwest<br />

hingegen hat uns behutsam durch<br />

die Krise gesteuert und weiter auf Wachstumskurs<br />

gehalten.<br />

Wünderlich: Ja, ich glaube, das ist ein<br />

wesentlicher Vorteil der Beteiligungsgesellschaft<br />

der Bremer Sparkasse. Wie ich<br />

es auch von Geschäftsführern anderer<br />

Beteiligungsgesellschaften gehört habe,<br />

schneidet sie nicht gleich die Beziehungen<br />

ab, wenn es mal schlechter läuft.<br />

Im Gegenteil: Sie prüft sorgfältig, wo die<br />

Gründe für eine Fehlentwicklung liegen<br />

und man entwickelt gemeinsame Gegenmaßnahmen,<br />

um das Unternehmen wieder<br />

fit für die Zukunft zu machen. Meist<br />

geht die Rechnung auf. <br />

n<br />

Das Gespräch moderierte Gregory Lipinski.<br />

Lesen Sie zum Thema auch die nachfolgenden<br />

Seiten.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


36<br />

FINANZGRUPPE<br />

BETEILIGUNGSGESCHÄFT II<br />

Mut zur Größe<br />

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist an einem Geflecht von mittelständischen Unternehmen beteiligt.<br />

Sie steuert das Geschäft über 60 aktive Gesellschaften. Diese sind aber nach Einschätzung von<br />

Fachleuten oftmals zu klein, um sich allein am Markt erfolgreich zu behaupten.<br />

n VON GREGORY LIPINSKI<br />

Rund 150 Mio. Euro haben die Beteiligungsgesellschaften<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

2009 investiert. Darin<br />

sind stille Beteiligungen nicht enthalten,<br />

die die Sparkassen gemeinsam mit den<br />

mittelständischen Beteiligungsgesellschaften<br />

der Länder eingegangen sind.<br />

Experten erwarten, dass die Beteiligungsgesellschaften<br />

2010 mehr Geld für Anteilskäufe<br />

ausgegeben haben als noch<br />

ein Jahr zuvor. Per Ende Oktober vergangenen<br />

Jahres wurden rund die „Hälfte<br />

der für 2010 bei den Gesellschaften zur<br />

Verfügung stehenden Mittel von 550 Millionen<br />

Euro in Beteiligungen investiert“,<br />

sagt Christiane Bauer, Abteilungsdirektorin<br />

Marktstrategie und Produktmanagement<br />

beim Deutschen Sparkassen- und<br />

Giroverband (DSGV).<br />

Anders sah es in der Wirtschaftskrise<br />

aus. Hier hatten die Beteiligungsgesellschaften<br />

weniger investiert, obwohl sie<br />

ausreichend Kapital besaßen. Der Grund:<br />

Die Sparkassen hatten weniger Firmen<br />

gefunden, die sich für ein Investment eigneten.<br />

Expertin Bauer hält es gerade jetzt<br />

für sinnvoll, das Beteiligungsgeschäft<br />

zu intensivieren. Die Firmenkundenbetreuer<br />

aller Sparkassen sollten das Beteiligungsgeschäft<br />

„hoffähig“ machen – um<br />

den Kunden nicht nur Kredite anbieten<br />

zu können, sondern auch Eigenkapital,<br />

wenn dies benötigt werde. Bauer: „Eigenkapital<br />

ist kein Konkurrenzprodukt zum<br />

klassischen Kredit, sondern eine sinnvolle<br />

Komponente bei der Strukturierung<br />

der Passivseite eines Unternehmens und<br />

dazu noch eine ertragreiche.“ Die Sparkassen<br />

sollten deshalb dieses Geschäftsfeld<br />

nicht ausblenden, wenn sie der<br />

führende Unternehmensfinanzierer in<br />

Deutschland sein wollen.<br />

Technologiebetriebe oft im Fokus<br />

Zu den großen Beteiligungsgesellschaften<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

gehören die Kreissparkasse Köln, die<br />

SUBG Aachen, S-Refit AG in Regensburg,<br />

an der 21 Sparkassen der Region beteiligt<br />

sind, sowie die SIB Innovations- & Beteiligungsgesellschaft<br />

in Dresden. Die SIB<br />

wurde im Oktober 1999 gemeinsam von<br />

der Ostsächsischen Sparkasse Dresden<br />

und der Technologie-Zentrum Dresden<br />

gegründet und hat sich derzeit an mehr<br />

als 30 Firmen aus unterschiedlichen<br />

Bereichen beteiligt. Dazu gehören viele<br />

Technologiebetriebe. So entwickelt die<br />

Hess AG beispielsweise organische Solarzellen,<br />

der Pharmaziehersteller Urotec<br />

produziert Produkte, die Harnleiterverengungen<br />

beheben sollen. Die SIB beteiligt<br />

sich mit Beträgen zwischen 250.000<br />

bis 2,5 Mio. Euro an Unternehmen maximal<br />

mit einem Anteil von 49<br />

Prozent.<br />

Bei den Landesbanken zählt<br />

die NordHolding zu einer der<br />

größeren Beteiligungsgesellschaften.<br />

Hinter ihr stehen als<br />

Gesellschafter unter anderem<br />

die Nord/LB, der Versicherungskonzern<br />

VGH sowie die Sparkassen<br />

Hannover, Hildesheim<br />

und Celle. Die 1969 gegründete<br />

Gesellschaft ist derzeit an<br />

50 Unternehmen mit einem<br />

Kapital von insgesamt 260 Mio.<br />

Euro engagiert. Sie verfügt noch<br />

über freie Investitionsmittel von<br />

165 Mio. Euro.<br />

In Stuttgart gehört die Süd Beteiligungen<br />

GmbH zu einer der<br />

führenden Gesellschaften in<br />

diesem Bereich. Sie hat sich an 45 Firmen<br />

mit einem direkten Inves titionsvolumen<br />

von rund einer halben Mrd. Euro beteiligt.<br />

Süd Beteiligungen entstand im Frühjahr<br />

2009 aus diversen Tochtergesellschaften<br />

der Landesbank Baden-Württemberg.<br />

Haspa steckt 50 Mio. in neuen Fonds<br />

„Eigenkapital ist<br />

kein Konkurrenzprodukt<br />

zum<br />

klassischen<br />

Kredit.“<br />

Christiane Bauer,<br />

Produktmanagerin,<br />

DSGV<br />

In Norddeutschland zählt die Haspa Beteiligungsgesellschaft<br />

für den Mittelstand<br />

(Haspa BGM) zu einer der größeren Beteiligungsfirmen<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe.<br />

Sie investiert jährlich zwischen sechs<br />

und zehn Mio. Euro, um Anteile an mittelständischen<br />

Firmen zu erwerben. Da<br />

die Wirtschaft im vergangenen Jahr um<br />

3,7 Prozent gewachsen ist, hat auch die<br />

Haspa BGM mehr investiert als noch ein<br />

Jahr zuvor. Als weiteren Grund für die<br />

stärkere Investitionstätigkeit nennt Anja<br />

Lucas, Vertreterin der Haspa BGM, auch<br />

die „wieder planbarere Geschäftstätigkeit“<br />

der Mittelständler. Die Haspa BGM<br />

steigt bei Unternehmen mit maximal<br />

49 Prozent ein. In der Regel sind es inhabergeführte<br />

Betriebe, die über ein profitables<br />

und zukunftsfähiges Geschäftsmodell<br />

verfügen. Eine weitere Voraussetzung:<br />

Die Firmen sollten sich bereits seit einigen<br />

Jahren am Markt bewährt haben.<br />

Die Haspa BGM hat sich breit aufgestellt<br />

und verfolgt keinen Branchenfokus.<br />

Mal hält sie Anteile an Modeanbietern<br />

wie Brands Fashion (siehe Kasten), mal<br />

an einem Hersteller von Förderanlagen<br />

für die Mineralölindustrie wie die M+F<br />

Mess- und Fördertechnik. Diese<br />

hatte 2008 für Schlagzeilen gesorgt,<br />

weil sie einen millionenschweren<br />

Großauftrag für den<br />

Moskauer Flughafen erhielt, um<br />

ein neues Hydrantensystem für<br />

die Betankung von Großjets zu<br />

errichten.<br />

Jüngst hatten Haspa und Haspa<br />

BGM einen neuen Eigenkapitalfonds<br />

über 50 Mio. Euro<br />

aufgelegt. Das Geld wird in<br />

Tranchen von 500.000 bis fünf<br />

Mio. Euro und einer Laufzeit<br />

von sieben bis acht Jahren investiert.<br />

Der Eigenkapitalfonds ist<br />

Teil der bundesweiten Initiative<br />

der Sparkassen-Finanzgruppe,<br />

die 2010 rund 550 Mio. Euro<br />

für den deutschen Mittelstand<br />

bereitstellte. Der Fonds beteiligt sich in<br />

Form von Genussrechten. Dies werde in<br />

der Handelsbilanz als echtes Eigenkapital<br />

ausgewiesen und nehme sogar an<br />

Verlusten teil, heißt es. Die Haspa BGM<br />

betrachtet sich als Partner auf Zeit. Sie<br />

bleibt maximal sieben bis zehn Jahre an<br />

einer Gesellschaft beteiligt.<br />

Anders ist dies etwa bei der BSV-Beteiligungsgesellschaft<br />

der Sparkasse<br />

Vogtland im sächsischen Oelsnitz, die<br />

maximal acht Jahre Anteilseigner bleibt.<br />

„Danach sollten grundsätzlich Anteilsveräußerungen<br />

erfolgt sein beziehungsweise<br />

sind gewährte typisch stille Einlagen<br />

zurückzuzahlen“, sagt die Sparkasse.<br />

Die BSV betrachtet sich auch als ein Institut,<br />

das Existenzgründer unterstützt, um<br />

Arbeitsplätze in der Region zu schaffen.<br />

Rege im Beteiligungsgeschäft tummeln<br />

sich auch viele kleinere Sparkasseninstitute,<br />

die hierdurch regionale Wirtschaftsförderung<br />

betreiben. Dazu zählt<br />

die Kreissparkasse Biberach, die ihr Beteiligungsgeschäft<br />

über den Chancenkapitalfonds<br />

sowie die Chancenkapital<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FINANZGRUPPE 37<br />

Beteiligungs-GmbH steuert. Sie ist eine<br />

Art Frühphasen-Investor, der sich bereits<br />

kurz nach der Firmengründung beteiligt.<br />

Ein Beispiel hierfür ist das Passauer Unternehmen<br />

Crealytics, das Firmen dabei<br />

hilft, ihr Marketing bei Suchmaschinen<br />

zu verbessern.<br />

Frühphasen-Investor in Biberach<br />

Im Beteiligungsgeschäft verfügt die<br />

Kreissparkasse Biberach über ein genehmigtes<br />

Fondsvolumen von 25 Mio. Euro,<br />

davon wurden inzwischen 16 Mio. Euro<br />

beansprucht. „Offene Beteiligungen werden<br />

selten eingegangen, häufiger sind<br />

typisch stille Beteiligungen“, sagt Ursel<br />

Straub-Neumann, Sprecherin der Kreissparkasse<br />

Biberach. Unterstützt werden<br />

die jungen und mittelständischen<br />

Betriebe nicht nur mit Geld. Die Beteiligungsgesellschaft<br />

greift den Inhabern<br />

auch bei „betriebswirtschaftlichen und<br />

planerischen Belangen“ unter die Arme.<br />

Der Branchenfokus ist breit gestreut. Er<br />

reicht von Elektrotechnik, Maschinenbau<br />

bis zur Energie- und Wasserversorgung.<br />

Dabei ist die Gesellschaft auch im risikoreichen<br />

Wirtschaftszweig der Gen- und<br />

Biotechnologie aktiv. So hat Chancenkapital<br />

auch Hersteller von biopharmazeutischen<br />

Produkten wie Cellca in Oberschwaben<br />

im Portfolio.<br />

Sparkassen, die nicht im Beteiligungsgeschäft<br />

aktiv sind, etwa die Berliner<br />

Sparkasse oder die Nassauische Sparkasse,<br />

begründen dies damit, dass derlei<br />

Aktivitäten nicht zum Kerngeschäft<br />

gehörten. Die Frankfurter Sparkasse hat<br />

sich aus dem Geschäftsfeld verabschiedet,<br />

nachdem sie ursprünglich an der<br />

Beteiligungsgesellschaft der Freien Sparkassen<br />

beteiligt war. „Seitdem wir keine<br />

Freie Sparkasse mehr sind, mussten wir<br />

den Verband und daran gebunden auch<br />

die Beteiligungsgesellschaft verlassen.<br />

Dadurch endete unser Engagement in<br />

diesem Bereich“, sagt Sven Matthiesen,<br />

Sprecher der Frankfurter Sparkasse.<br />

Auch in Schleswig-Holstein verfügen<br />

diverse Sparkassen über keine eigene Beteiligungsgesellschaft.<br />

Dies liegt daran,<br />

dass sie eng mit der MBG Mittelständische<br />

Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein<br />

kooperieren. Die 1994 auf Initiative<br />

der Kieler Landesregierung gegründete<br />

Gesellschaft und die Sparkassen beteiligen<br />

sich an Mittelständlern in der Region<br />

zwischen Flensburg und Hamburg, um<br />

ihnen das notwendige Eigenkapital zur<br />

Verfügung zu stellen. Damit vermindert<br />

die MBG gleichzeitig das Beteiligungsrisiko<br />

der Sparkasse, die meist die Hausbank<br />

des kapitalsuchenden Betriebs ist.<br />

Experten plädieren für Bündelung<br />

Gesellschafter der MBG sind unter anderem<br />

der Sparkassen- und Giroverband<br />

Schleswig-Holstein, die HSH Nordbank,<br />

die Investitionsbank Schleswig-Holstein<br />

sowie die Commerzbank als auch die<br />

Deutsche Bank. Die Zahl der Beteiligungsfirmen<br />

ist in den vergangenen<br />

Jahren gesunken. Derzeit verfügt die<br />

Sparkassen-Finanzgruppe über 78 Beteiligungsgesellschaften,<br />

davon gelten lediglich<br />

60 als aktiv.<br />

Fachleute begrüßen die zahlenmäßige<br />

Verringerung. „Ziel ist eine weitere Konsolidierung<br />

beziehungsweise Bündelung<br />

auf schlagkräftige Größen in den jeweiligen<br />

Regionen“, sagt DSGV-Expertin<br />

Bauer. Viele Beteiligungsfirmen besäßen<br />

nicht die richtige Betriebsgröße. Sie seien<br />

„organisatorisch nicht optimal aufgestellt,<br />

um erfolgreiches Beteiligungsgeschäft zu<br />

betreiben“, erklärt die Expertin.<br />

n<br />

Wachsen mit Einheitsmode: BGM ist in vielen Märkten aktiv<br />

Die Haspa BGM beteiligt sich still und offen<br />

an Unternehmen mit einem Umsatz zwischen<br />

zehn und 250 Mio. Euro. Die Firmen kommen<br />

aus ganz unterschiedlichen Branchen. Im<br />

Oktober 2010 ist die Hamburger Beteiligungsgesellschaft<br />

beispielsweise über den von ihr<br />

gemanagten „Mittelstandsfonds Hamburg“ bei<br />

der Brands Fashion GmbH eingetreten. Das<br />

in Buchholz bei Hamburg ansässige Unternehmen<br />

produziert modische Berufskleidung<br />

und deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette<br />

ab. Zum Kundenstamm zählen etwa<br />

die Radeberger-Gruppe, Airbus, Shell und die<br />

beiden Hamburger Erstligaclubs FC St. Pauli und<br />

HSV. Ein weiteres Standbein hat sich Brands<br />

Fashion vor einiger Zeit im Bereich der Schulbekleidung<br />

aufgebaut. Mit der Devise „Kleider<br />

machen Schule“ stieg das Unternehmen in den<br />

Models<br />

zeigen<br />

einheitliche<br />

Schulkleidung:<br />

In<br />

diesem<br />

Geschäftsfeld<br />

will die Firma<br />

Brands<br />

Fashion<br />

wachsen –<br />

mithilfe einer<br />

Haspa-Beteiligung.<br />

FOTO: DPA<br />

stark wachsenden Markt ein und will sich auch<br />

hier in den nächsten Jahren als Marktführer<br />

etablieren. Zu einem der aktuellen Großprojekte<br />

von Brands Fashion zählt die Ausstattung<br />

der Filialen eines großen Lebensmittelhändlers<br />

mit CI-konformer Berufskleidung für die<br />

Angestellten. Das Investitionsvolumen liegt im<br />

zweistelligen Millionenbereich, sagt Sven Bode,<br />

Prokurist der Haspa BGM.<br />

Mit der Minderheitsbeteiligung der Haspa BGM<br />

und der damit gestärkten Eigenkapitalbasis<br />

will Brands Fashion in den Kerngeschäftsbereichen<br />

weiter expandieren. Ein Börsengang<br />

des Mittelständlers sei jedoch vorerst nicht geplant,<br />

sagt Bode. Generell betrachtet sich die<br />

Haspa-Tochter BGM als längerfristiger Partner<br />

der Beteiligungsfirmen, der ohne Laufzeitbeschränkung<br />

agieren kann.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


38<br />

PERSPEKTIVEN<br />

RECHT – INTERVIEW<br />

Berater unter Druck<br />

Anlageberater stehen unter Dauerbeschuss und haben in der öffentlichen Diskussion einen<br />

schweren Stand. Der Mainzer Jurist Peter Mülbert erläutert im Gespräch, inwiefern die aktuellen<br />

Gesetzesvorhaben für mehr Bürokratie und nicht immer für mehr Verbraucherschutz sorgen.<br />

SPARKASSE; Herr Mülbert, der Druck auf die<br />

Anlageberater in Geldinstituten kommt von<br />

allen Seiten: vom Vertrieb, vom Kunden und<br />

vom Gesetz. Ist das gerecht?<br />

Prof. Peter Mülbert: Es erscheint zumindest<br />

verständlich. Einerseits stehen die<br />

Anlageberater in Banken unter besonderer<br />

öffentlicher Kritik. Zum anderen ist<br />

die gesunkene Reputation der Berater<br />

aber auch eine Frage des Zyklus auf den<br />

Finanzmärkten. Anlageberater bekommen<br />

eben mehr als andere das Auf und<br />

Ab an den Märkten zu spüren.<br />

Wie beurteilen Sie die politische Begründung<br />

der Registrierungspflicht für alle Berater?<br />

Mülbert: Im Regierungsentwurf ist zumindest<br />

ein bewusster Wille feststellbar,<br />

den Berater in den Fokus zu nehmen.<br />

Zum einen, weil damit mittelbar auch<br />

die Unternehmensleitungen stärker diszipliniert<br />

werden sollen, zum anderen,<br />

um den Berater zu disziplinieren und<br />

um sein Interesse am Kunden wirksam<br />

zu unterstützen. Ich sehe hier vor allem<br />

ein enormes quantitatives Problem. Es<br />

ist die Rede von etwa 300.000 Beratern,<br />

die registriert werden müssten. Veränderungen<br />

müssten ständig nachgehalten<br />

und eingepflegt werden.<br />

Drohen nicht rechtliche Konflikte, wenn die<br />

Daten eines ganzen Berufsstands gespeichert<br />

werden?<br />

Mülbert: Es liegt in der Hand des Gesetzgebers,<br />

datenschutzrechtliche Schwierigkeiten<br />

zu überwinden. Allerdings<br />

reflektieren die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

letztlich rechtliche<br />

Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht<br />

in einem Urteil zur Volkszählung<br />

unter dem Stichwort informationelle<br />

Selbstbestimmung des Einzelnen entwickelt<br />

und ausdifferenziert hat. Über diese<br />

verfassungsrechtlichen Grenzen für<br />

die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener<br />

Daten kann sich auch der<br />

Gesetzgeber nicht hinwegsetzen.<br />

Könnte sich ein Berater gegen die Erfassung<br />

seiner Daten zur Wehr setzen?<br />

Mülbert: Letztlich ja, und zwar durch<br />

eine Verfassungsbeschwerde.<br />

Sind Registrierungspflicht und die Androhung<br />

berufsrechtlicher Sanktionen tat-<br />

sächlich der richtige Weg, um das Geschäftsgebaren<br />

von Banken zu verändern?<br />

Mülbert: Man müsste Beratern schon<br />

fast heroische Eigenschaften unterstellen,<br />

würden sie sich etwaigem organisationsstrukturellen<br />

Druck in einem Institut<br />

auf der Basis dieses Gesetzes tatsächlich<br />

widersetzen. Andererseits sind in der<br />

Vergangenheit Haftungsfälle bei der Beratung<br />

auch deswegen aufgetreten, weil<br />

eine individuelle Beratung gescheitert<br />

ist, im Ergebnis also ungeeignete Produkte<br />

verkauft wurden. Gerade bei langjährigen<br />

Berater-Kunde-Beziehungen<br />

kann schon mal einiges schieflaufen,<br />

was aus Sicht des Instituts unbedingt<br />

verhindert werden muss. Zurzeit sind<br />

etwa 500.000 strukturierte Produkte am<br />

Markt, die ein Berater sich unmöglich individuell<br />

erschließen kann. Daher sind<br />

Vorgaben von Institutsseite sinnvoll oder<br />

sogar unabdingbar, um die Qualität des<br />

Beratungsprozesses und des Beratungsergebnisses<br />

zu sichern.<br />

Sorgt das „Beipackzettel“ genannte Produktinformationsblatt<br />

hier aus Ihrer Sicht<br />

für qualitative Verbesserungen bei der Beratung?<br />

Mülbert: Ich persönlich habe Sympathie<br />

für den Beipackzettel. Er ist eine Informationsgrundlage,<br />

aus der die wesentlichen<br />

Komponenten eines Produkts ersichtlich<br />

sind. Eines der rechtlichen Probleme in<br />

diesem Zusammenhang ist allerdings,<br />

Zur Person<br />

Prof. Peter O. Mülbert (52) ist seit 1999 Inhaber<br />

eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht,<br />

Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Bankrecht<br />

an der Johannes Gutenberg-Universität<br />

Mainz und Direktor des Instituts für deutsches<br />

und internationales Recht des Giro-, Spar- und<br />

Kreditwesens. 2010 wurde Mülbert in das Gutenberg<br />

Forschungskolleg aufgenommen, was<br />

mit einer fünfjährigen Forschungsfreistellung<br />

verbunden ist. Weitere Stationen in Mülberts<br />

akademischer Laufbahn waren die Universitäten<br />

Heidelberg und Trier. Zudem ist Mülbert<br />

als Sachverständiger in vielen Organisationen<br />

tätig, unter anderem im Finanzausschuss des<br />

Deutschen Bundestags und in der BaFin.<br />

dass der Beipackzettel Grundlage für<br />

massenhafte Haftungsansprüche von<br />

Anlegern werden könnte, etwa mit dem<br />

Argument, die Produktinformationen<br />

seien unzureichend oder unvollständig<br />

gewesen.<br />

Wie wahrscheinlich ist so ein Fall?<br />

Mülbert: Hier droht einem Geldinstitut<br />

relativ geringe Gefahr. Falls irgendwann<br />

ein Risiko auftaucht – das Thema haben<br />

wir bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung<br />

auch schon immer –, dann wird<br />

nachgeprüft, ob dieses Risiko in den Informationen<br />

enthalten war oder nicht.<br />

Was sieht die Prospekthaftung hier vor?<br />

Mülbert: Der große Börsenprospekt<br />

muss eine Zusammenfassung der wesentlichen<br />

Elemente eines Wertpapiers<br />

und den damit verbundenen Risiken<br />

enthalten. Und da sieht das deutsche<br />

Recht ausdrücklich vor, dass allein wegen<br />

Fehlern in diesem Teil nicht gehaftet<br />

wird. Nach dieser Logik dürfte auch für<br />

einen falschen Beipackzettel nicht gehaftet<br />

werden. Die Regierungsbegründung<br />

sieht dies jedoch ausdrücklich anders.<br />

Der Kunde könnte Schadenersatzanspruch<br />

erheben. Es kommt hinzu, dass<br />

das Informationsblatt nur ein Teil der gesamten<br />

Beratung ist. Daneben muss der<br />

Beratungszettel durch individuell auf<br />

den Kunden zugeschnittene Hinweise ergänzt<br />

werden.<br />

Als verpflichtende Ergänzung kommt auch<br />

das Beratungsprotokoll hinzu. Sollte der<br />

Kunde aus Ihrer Sicht das Recht haben, auf<br />

ein umständliches Beratungsprotokoll zu<br />

verzichten?<br />

Mülbert: Als Kunde könnte man die Dokumentation<br />

im Streitfall auch einmal<br />

benötigen. Allerdings gehöre auch ich<br />

eher zu denjenigen, die das Protokoll als<br />

Belästigung empfinden. Als ich das erste<br />

Mal diese Übung mitgemacht habe,<br />

brauchte der Berater allein 25 Minuten<br />

für das korrekte Ausfüllen.<br />

BaFin, Finanz- und Verbraucherschutzministerien<br />

wollen sogenannte verdeckte Ermittler<br />

in die Banken schicken, um die Qualität<br />

von Bankberatung zu prüfen. Seit wann ist<br />

Verbraucherschutz eine Aufgabe der Finanzaufsicht?<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


PERSPEKTIVEN 39<br />

FOTOS: MARTIN JOPPEN<br />

Mülbert: In der Tat ist Verbraucherschutz<br />

bislang keine Aufgabe der Bankaufsicht.<br />

Die Bankaufsicht agiert nicht im<br />

Interesse der Kunden, sondern sie dient<br />

der Sicherheit der Einlagen, der Sicherheit<br />

der Institute und der Finanzmarktstabilität.<br />

Im Verbraucherschutzministerium<br />

ist allerdings schon seit Längerem<br />

die Tendenz vorhanden, der BaFin auch<br />

den Verbraucherschutz als Aufgabe zu<br />

übertragen.<br />

Das Verbraucherschutzministerium fühlt<br />

sich zuständig, doch die verdeckten Ermittler<br />

soll die BaFin entsenden. Sind Konflikte<br />

hier nicht unvermeidbar?<br />

Mülbert: Um das in einen etwas weiteren<br />

Kontext zu stellen: Der Ausdruck<br />

„verdeckte Ermittler“ hat der Diskussion<br />

hierzulande eine gewisse Schlagseite<br />

verpasst, zu der es mit dem in angelsächsischen<br />

Ländern üblichen Ausdruck<br />

„Mystery Shopping“ nicht gekommen<br />

wäre. Ob es sinnvoll ist, so etwas zu machen<br />

und gegebenenfalls die Tests sogar<br />

zu veröffentlichen, darüber lässt sich<br />

streiten. Es wurden ja schon in der Vergangenheit<br />

einzelne Tests durchgeführt,<br />

wobei einzelne Institute sehr schlecht<br />

weggekommen sind. Einige Institute geben<br />

allerdings zu bedenken, auch deswegen<br />

schlecht bewertet worden zu sein,<br />

weil sie aus Sicht der Tester zu konservativ<br />

beraten hätten.<br />

„Vermittler können weitgehend unreguliert<br />

agieren, die Anforderungen an die Berater in<br />

Banken werden dramatisch verschärft.“<br />

Prof. Peter Mülbert<br />

Wie könnten die Tests aussagefähiger werden?<br />

Mülbert: Das ist die große Frage. Ein Problem<br />

besteht etwa darin, dass ein Berater<br />

entweder Geldwäsche oder eine Testberatung<br />

vermuten wird, wenn ein ihm völlig<br />

unbekannter Kunde auftaucht und einen<br />

größeren Betrag anlegen will. Die nachvollziehbare<br />

Reaktion wird sein, dass er<br />

eher übervorsichtig berät. Ich habe meine<br />

Zweifel, dass die Tests so angelegt werden<br />

können, dass sie tatsächlich aussagefähige<br />

Ergebnisse vermitteln.<br />

Wer befasst sich mit der Ausgestaltung der<br />

Tests?<br />

Mülbert: Wer Tests in Auftrag gibt, kann<br />

auch über die Art der Ausgestaltung bestimmen.<br />

Die BaFin wird wahrscheinlich<br />

keine eigenen Leute schicken, sondern<br />

kommerzielle Dienstleister in Anspruch<br />

nehmen.<br />

Das Gesetz unterscheidet zwischen stark<br />

regulierten Anlageberatern und sogenannten<br />

Anlagevermittlern, die kaum reguliert<br />

werden. Ist das nicht unsinnig?<br />

Mülbert: Es ist wenig sinnvoll, hier so<br />

stark zu differenzieren. Bei Banken gibt<br />

es fast nur Anlageberatung, auch deswegen,<br />

weil der Bundesgerichtshof festgeschrieben<br />

hat, dass immer dann, wenn<br />

ein Kunde zur Bank kommt und mit ihr<br />

mögliche Investitionen am Anlage- und<br />

Kapitalmarkt bespricht, ein stillschweigender<br />

Beratungsvertrag zustande<br />

kommt. Außerhalb von Banken positionieren<br />

sich dagegen Anlagevermittler,<br />

obwohl selbst Mitglieder des Bundesgerichtshofes<br />

der Auffassung sind, dass<br />

hier bei genauem Zusehen vielfach ebenfalls<br />

Beratung stattfindet.<br />

Dennoch werden beide Gruppen sehr ungleich<br />

behandelt, Berater werden von der<br />

BaFin geprüft, Vermittler von der Gewerbeaufsicht.<br />

Warum?<br />

Mülbert: Eine Vermutung geht dahin,<br />

dass sich die BaFin mit dem Bereich des<br />

grauen Markts schlicht nicht belasten<br />

wollte. De facto können Vermittler weitgehend<br />

unreguliert agieren. Die Anforderungen<br />

an die Berater in Banken werden<br />

dramatisch verschärft, vor allem der Kontrolldruck<br />

wird deutlich ausgeweitet. Und<br />

es steht zu erwarten, dass die BaFin diese<br />

neue Aufgabe mit einigem Engagement<br />

wahrnehmen wird, voraussichtlich in<br />

markantem Gegensatz zum Verhalten der<br />

Gewerbeaufsicht, was kein Vorwurf sein<br />

soll. Schon aus Gründen der Sachkunde<br />

und Kapazität werden die Gewerbeaufsichtsämter<br />

damit überfordert sein, diesen<br />

Markt sachgerecht zu überwachen.<br />

Während der Krise gab es auch Tendenzen,<br />

die Honorarberatung auf Kosten der Provisionsberatung<br />

zu favorisieren.<br />

Mülbert: Honorarberatung wird in<br />

Deutsch land von der breiten Masse der<br />

Bevölkerung nicht nachgefragt, das zeigt<br />

der relative Misserfolg der Wettbewerber,<br />

die auf dieses Geschäftsmodell setzen. In<br />

„Geiz-ist-geil“-Zeiten ist es wohl auch illusorisch,<br />

das anzunehmen. Die Politik hätte<br />

die Marktstrukturen komplett umgestalten<br />

müssen, und das wäre letztlich nur durch<br />

massive ordnungsrechtliche Eingriffe in<br />

die etablierten Marktstrukturen, etwa durch<br />

Provisionsverbote, möglich gewesen. Von<br />

alleine funktioniert das aber nicht. <br />

<br />

Das Interview führte Christoph Becker.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


40<br />

FORUM<br />

Schutz vor Fehlberatung: Muss<br />

Ob Beratungsprotokoll oder Registrierungspflicht – Verbraucherschützer wollen Berater mit allerlei<br />

1. Stiftung Warentest und<br />

unser Bundesverband VZBZ<br />

haben Protokolle überprüft,<br />

und auch die Verbraucherzentralen<br />

haben im Rahmen<br />

des Projekts „Wirtschaftlicher<br />

Verbraucherschutz“<br />

bisher rund 100 Beratungsprotokolle<br />

ausgewertet. Dazu<br />

haben sich unsere Mitarbeiter<br />

und Praktikanten in Banken<br />

und Sparkassen beraten<br />

lassen, weitere Protokolle<br />

stellten uns die Institute zur<br />

Verfügung. Unser ers tes Fazit<br />

ist durchwachsen: Zwar<br />

nutzen die Institute das Protokoll<br />

zur Dokumentation,<br />

häufiger aber, um die eigenen<br />

Haftungsrisiken zu minimieren.<br />

Man kann nicht<br />

generell sagen, dass Banken<br />

oder Sparkassen und Genossen<br />

besser oder schlechter<br />

wären, entscheidend ist der<br />

jeweilige Berater.<br />

Aus dieser Erkenntnis eine<br />

vollständig normierte Beratung<br />

abzuleiten, wäre falsch.<br />

Ziel muss es sein, mithilfe<br />

der Protokolle individuelle,<br />

auf den jeweiligen Verbraucher<br />

zugeschnittene Angebote<br />

zu machen. Aus den<br />

vorhandenen Angeboten<br />

muss das Beste ausgewählt<br />

werden – passend zum Verbraucher,<br />

nicht zur Bank. Aktuell<br />

sind diese Instrumente<br />

noch zu undifferenziert. Zusammenfassend<br />

lässt sich<br />

sagen, dass immer noch zu<br />

provisions- und eigeneinnahmenorientiert<br />

verkauft<br />

wird, außerdem sind Defizite<br />

in der Beraterschulung feststellbar.<br />

Viele Berater gehen<br />

noch nicht differenziert genug auf die<br />

Lebenssituation ihres Gegenübers ein.<br />

2. Auch uns fragen die Verbraucher:<br />

Müssen die Banken uns jedes Mal das<br />

ganze Beratungsprotokoll wieder vorlegen?<br />

Hier sollte man entsprechend der<br />

jeweiligen Kundensituation einen Modus<br />

vivendi finden. Wird innerhalb weniger<br />

Monate mehrfach beraten, genügte<br />

unserer Meinung nach ein verkürztes<br />

Protokoll, aus dem sich eine klare Risikodarstellung<br />

ergibt. Nur wenn sich etwas<br />

verändert, sollte das gesamte Protokoll<br />

erstellt werden, anderenfalls reichte<br />

PRO<br />

„Geldinstitute<br />

orientieren<br />

den Verkauf<br />

noch immer zu<br />

sehr an Provisionen<br />

und<br />

Eigeneinnahmen.“<br />

Peter Lischke,<br />

Geschäftsführer,<br />

Verbraucherzentrale<br />

Berlin<br />

im Wiederholungsfall eine<br />

Kurzfassung.<br />

3. Für diese These gibt es keine<br />

Daten. Festzuhalten bleibt,<br />

dass Protokollberatungspflichten<br />

sinnvoll und nützlich<br />

sind. Unser Eindruck ist:<br />

Wer sein Geld online anlegt,<br />

kann in der Regel das Risiko<br />

recht gut einschätzen<br />

und hat sich vor seiner Entscheidung<br />

intensiv mit dem<br />

jeweiligen Produkt beschäftigt.<br />

4. Der zweigeteilte Finanzmarkt<br />

– regulierter Teil mit<br />

Kreditinstituten und Versicherungen<br />

auf der einen,<br />

grauer Markt auf der anderen<br />

Seite – ist fragwürdig.<br />

Dabei geht es nicht gegen<br />

seriöse, alteingesessene Vertriebsorganisationen<br />

und<br />

freie Vermittler, sondern<br />

gegen die vielen unseriösen<br />

Anbieter. Viele Verbraucher<br />

haben keine Lust dazu, sich<br />

von ihrer Bank ausfragen<br />

zu lassen. Das nutzen diese<br />

Vertriebe aus. Hier scheint<br />

mir das große Problem zu<br />

liegen, nicht bei den Online-<br />

Banken. Die Finanzvertriebe<br />

werden auch durch<br />

ein neues Anlegerschutzverbesserungsgesetz<br />

nicht ausreichend<br />

kontrolliert. Dass<br />

freie Finanzvermittler nur<br />

der Gewerbeaufsicht unterliegen,<br />

Banken und Sparkassen<br />

aber der Aufsicht durch<br />

die BaFin, ist ärgerlich. Die<br />

Behauptung, das müsse so<br />

sein, weil anderenfalls ein<br />

mittelständischer Markt kaputtgemacht<br />

wird, halten wir nicht für<br />

tragfähig. Hier misst der Gesetzgeber mit<br />

zweierlei Elle.<br />

5. Verbraucherschutz ist notwendig,<br />

auch wenn er Zeit und Geld kostet. Beratung<br />

muss gesetzlich geregelt sein.<br />

Dennoch rufen wir Verbraucherschützer<br />

nicht nach immer neuen Gesetzen: Nicht<br />

alles lässt sich bis ins Kleinste durchregeln.<br />

Verbraucherschutz hat nicht das<br />

Ziel, Märkte zu hemmen und Produktentwicklungen<br />

zu verhindern. Trotzdem<br />

müssen ein paar starke Pflöcke eingesetzt<br />

werden, und jeder sollte wissen, dass die<br />

Fragen an die Kontrahenten<br />

1. Dient das Beratungsprotokoll<br />

dem Kunden, oder schreckt es<br />

ihn eher ab?<br />

2. Muss die Protokollierungspflicht<br />

der Beratung allen Kunden vorgeschrieben<br />

werden?<br />

3. Treibt die Gesetzeslage nicht<br />

Kunden vermehrt zu Anbietern<br />

ohne Beratungspflicht, etwa Onlinebanken?<br />

dabei anfallenden Kosten letztlich auf<br />

den Verbraucher umgelegt werden. Dies<br />

ist im Sinne des Anlegerschutzes notwendig.<br />

6. Generell geht es uns um zweierlei:<br />

Vernünftige Produkte müssen vernünftig<br />

unter das Volk gebracht werden, und<br />

unseriösen Anbietern muss das Handwerk<br />

gelegt werden. Uns Verbraucherschützern<br />

reichte es, wenn das, was jetzt<br />

geregelt worden ist, konsequent umund<br />

durchgesetzt würde. Zusätzlich fordern<br />

wir, dass die BaFin eine wesentlich<br />

stärkere, den Verbraucher schützende<br />

Komponente als verbraucherorientierte<br />

Finanzaufsicht bekäme und auf Kundenanfragen<br />

reagieren könnte. Hier fehlen<br />

bisher Regelungen, die es in anderen<br />

EU-Staaten bereits gibt. Großbritannien,<br />

dieses Musterbeispiel freier Marktwirtschaft,<br />

könnte hier als Vorbild dienen. n<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


FORUM 41<br />

der Berater an die kurze Leine?<br />

Maßnahmen überwachen. Führen diese aber tatsächlich zum erklärten Ziel?<br />

4. Ist es angemessen, dass freie Finanzvermittler<br />

weitgehend unreguliert<br />

auf dem Markt agieren?<br />

5. Verteuert Verbraucherschutz Produkte<br />

und Dienstleistungen auf<br />

Kosten des Verbrauchers?<br />

6. Brauchen Kunden weitere Rechte<br />

gegenüber Finanzinstituten?<br />

Die Fragen stellte Thomas Schindler.<br />

Umfassende Beratung in einer Sparkasse:<br />

Der Gesetzgeber will die Berater stärker<br />

überwachen, doch Experten betrachten viele<br />

Maßnahmen als kontraproduktiv.<br />

FOTO: DPA<br />

1. Die Sparkassen haben das gesetzlich<br />

vorgegebene Beratungsprotokoll innerhalb<br />

kurzer Zeit und mit großem Aufwand<br />

eingeführt. Bei jeder Wertpapierberatung<br />

wird seit Januar 2010 nun ein<br />

schriftliches Protokoll angefertigt und<br />

dem Kunden ausgehändigt. Das dauert<br />

im Schnitt je nach Beratungsgespräch<br />

etwa 15 Minuten. Wenn man das hochrechnet,<br />

sind jeden Tag 5000 Sparkassenberater<br />

allein damit beschäftigt, Protokolle<br />

anzufertigen. Das ist Zeit, die der<br />

eigentlichen Kundenberatung nicht zur<br />

Verfügung steht. Das Beratungsprotokoll<br />

dient damit in erster Linie der Bürokratie,<br />

nicht der Kundenberatung.<br />

2. Wir denken, dass Kunden kein Protokoll<br />

aufgezwungen werden sollte. Grundsätzlich<br />

muss ein Beratungsprotokoll<br />

bei jeder Wertpapierberatung angefertigt<br />

werden. Aber der Kunde sollte auch<br />

die Möglichkeit haben, die<br />

Erstellung eines Protokolls<br />

ausdrücklich abzulehnen.<br />

Wir befürchten, dass sich<br />

sonst manche Kunden aus<br />

der Beratung verabschieden.<br />

Das wäre nicht im Sinne des<br />

Gesetzgebers, der ja gerade<br />

auf eine bessere Beratungsqualität<br />

abzielte. Hier muss<br />

der Gesetzgeber Augenmaß<br />

walten lassen.<br />

3. Das Ziel sollte es sein, ein<br />

einheitliches Anlegerschutzniveau<br />

zu erreichen. Am aktuellen<br />

Gesetzentwurf sehen<br />

wir daher Nachbesserungsbedarf.<br />

Mit zusätzlichen Anforderungen<br />

werden nur<br />

diejenigen Kreditinstitute<br />

belastet, die Beratung anbieten.<br />

Die zusätzlichen wirtschaftlichen<br />

und bürokratischen<br />

Belastungen dürfen<br />

nicht dazu führen, dass Kunden<br />

auf Beratung verzichten<br />

und sich in reinen Online-<br />

Angeboten selbst bedienen.<br />

Die Regelung erreicht deshalb<br />

vor allem, dass diejenigen<br />

Vertriebswege für<br />

Institute und für Kunden<br />

aus Kostengründen attraktiver<br />

werden, bei denen keine<br />

Beratung erfolgt. Es ist<br />

unlogisch und widersinnig,<br />

bessere Beratung zu fordern<br />

und im Ergebnis diejenigen<br />

zu bevorzugen, die keine Beratung<br />

anbieten. Diese Wettbewerbsverzerrung<br />

sollte<br />

beseitigt werden.<br />

4. Aktuell lässt man freie<br />

Finanzvermittler nahezu<br />

ungeregelt auf dem Markt<br />

agieren und unterwirft sie<br />

lediglich einer Gewerbeaufsicht.<br />

Die Schrauben und<br />

damit der Aufwand werden<br />

so dort angezogen, wo heute<br />

nach allen Erfahrungen ein höheres<br />

Qualitätsniveau unterstellt werden kann.<br />

Nicht belastet werden die Bereiche, wo<br />

eher Zweifel angebracht sind. Gute Beratung<br />

wird durch staatliche Auflagen immer<br />

teurer gemacht. Eigentlich müsste es<br />

umgekehrt sein: Es müssten diejenigen<br />

entlastet werden, die gute Beratung anbieten.<br />

Und Regulierungen müssten dort<br />

ansetzen, wo ohne Beratung oder ohne<br />

CONTRA<br />

„Regulierungen<br />

müssten dort<br />

ansetzen, wo<br />

ohne Beratung<br />

oder ohne<br />

ausreichende<br />

Qualität verkauft<br />

wird.“<br />

Karl-Peter<br />

Schackmann-<br />

Fallis,<br />

Geschäftsführendes<br />

Vorstandsmitglied,<br />

Deutscher<br />

Sparkassen- und<br />

Giroverband<br />

ausreichende Qualität einfach<br />

verkauft wird.<br />

5. Allein für das Anlegerschutzverbesserungsgesetz<br />

veranschlagt die Bundesregierung<br />

rund 24 Mio. Euro<br />

pro Jahr sowie einmalig drei<br />

Mio. Euro. Die Kosten für diese<br />

überschießenden gesetzgeberischen<br />

Maßnahmen<br />

muss letztlich der Anleger<br />

tragen. Wir halten es daher<br />

auch aus diesem Grund<br />

nicht für gerechtfertigt,<br />

wenn jeder Sparkassenberater<br />

bei der BaFin gemeldet<br />

werden soll, während Vermittler<br />

am grauen Kapitalmarkt<br />

nur der Gewerbeaufsicht<br />

unterliegen und reine<br />

Vermittler von Investmentfonds<br />

die Beratung nicht einmal<br />

protokollieren müssen.<br />

Für ein Kreditinstitut und<br />

seine Beratungsqualität ist<br />

der Vorstand verantwortlich,<br />

er ist bereits heute bei der<br />

BaFin registriert. Eine Registrierungspflicht<br />

für alle Berater<br />

ist teuer und aufwändig<br />

– und bringt in der Sache<br />

keine Verbesserung.<br />

6. Insgesamt sehen wir es<br />

positiv, dass die Bundesregierung<br />

die Anlageberatung<br />

weiter verbessern will.<br />

Die vorgeschlagenen Regelungen<br />

decken sich zum<br />

Teil mit Maßnahmen, die<br />

die Kreditwirtschaft bereits<br />

praktiziert. So setzen die<br />

Institute bereits heute standardisierte<br />

Produktinformationsblätter<br />

erfolgreich<br />

in der Anlageberatung ein.<br />

Bei der Verbesserung der<br />

Beratungsqualität warten<br />

wir nicht auf die Vorgaben<br />

des Gesetzgebers. Für uns ist<br />

das eine Daueraufgabe, die<br />

wir mit Hochdruck verfolgen. Ganzheitliche<br />

und persönliche Beratung für alle<br />

Einkommensstufen, Altersklassen und<br />

Lebensphasen gehört für die Sparkassen<br />

zur Geschäftsphilosophie dazu. Wir wollen<br />

aber auch, dass unsere Kunden die<br />

angebotenen Lösungen verstehen. Unser<br />

Ziel ist es, Marktführer im verständlichen<br />

Erklären von Finanzprodukten zu werden.<br />

n<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


42<br />

PERSPEKTIVEN<br />

SOZIALES ENGAGEMENT<br />

Trommeln für Spender<br />

Drei Menschen sterben statistisch gesehen jeden Tag in Deutschland, weil ein Spenderorgan fehlt.<br />

Die Frankfurter Sparkasse will für das Thema sensibilisieren – und andere Institute inspirieren.<br />

n VON CLAUDIA FRICKEL<br />

Herz, Niere, Leber oder Lunge: 12.000<br />

Menschen warten jedes Jahr in<br />

Deutschland dringend auf eine Organspende.<br />

Rund 4000 von ihnen kann geholfen<br />

werden, doch drei Menschen sterben<br />

jeden Tag, weil kein passendes Organ<br />

zur Verfügung stand.<br />

Dagegen will die Frankfurter Sparkasse<br />

etwas tun – indem sie hilft, ein Bewusstsein<br />

für das Thema zu schaffen. „Wir<br />

wollen Mitarbeiter und Kunden sensibilisieren“,<br />

sagt Christian Schudnagies, Vertriebsdirektor<br />

für Unternehmenskunden<br />

bei der Fraspa. Er hat einen persönlichen<br />

Bezug zum Thema: „Ich habe Ärzte in der<br />

Familie, die in ihrer beruflichen Praxis<br />

Transplantierte betreuen. Zudem hatte<br />

ich früher einen Mitarbeiter, der nach<br />

einem tragischen Unfall mit 28 Jahren<br />

selbst zum Organspender geworden ist.“<br />

Schudnagies setzt sich aus persönlicher<br />

Überzeugung zusammen mit seinem<br />

Kollegen Heinz Wissenbach für mehrere<br />

Aktionen der Fraspa zum Thema Organspende<br />

ein. Die Bank arbeitet dabei mit<br />

der Deutschen Stiftung Organspende<br />

(DSO) zusammen. Die DSO besteht bereits<br />

seit 25 Jahren und ist seit Mitte 2000 die<br />

zentrale Koordinierungsstelle für Organspende<br />

in Deutschland (s. Kasten).<br />

Einen Bezug zur Fraspa gibt es schon<br />

lange: Das Institut betreut die Organisation<br />

seit ihrer Gründung. Schudnagies<br />

suchte einen Weg, um die DSO auch über<br />

das Geschäftliche hinaus zu unterstützen.<br />

Die DSO ist bundesweit für die Koordinierung<br />

der Organspenden verantwortlich.<br />

Spanier spenden häufiger<br />

„Viel zu viele Menschen haben sich noch<br />

nicht mit dem Thema auseinandergesetzt“,<br />

sagt Prof. Günter Kirste, Medizinischer<br />

Vorstand der DSO: „Dies soll sich<br />

ändern.“ Laut einer Umfrage der Bundeszentrale<br />

für gesundheitliche Aufklärung<br />

würden zwar drei Viertel der Deutschen<br />

nach dem Tod ihre Organe spenden, aber<br />

nur 25 Prozent der Befragten besäßen einen<br />

Organspendeausweis.<br />

Im Jahr 2009 haben laut DSO bundesweit<br />

1217 Menschen nach ihrem Tod ihre<br />

INTERVIEW<br />

„Wir brauchen viel mehr Botschafter“<br />

Thomas Beck von der Deutschen Stiftung Organtransplantation sucht weitere Partner<br />

SPARKASSE: Herr Beck, laut einer<br />

Umfrage der Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche Aufklärung sind<br />

zwar zwei Drittel der Deutschen<br />

bereit, nach ihrem Tod Organe zu<br />

spenden. Aber nur jeder vierte<br />

Deutsche besitzt einen Organspendeausweis.<br />

Wie das?<br />

Thomas Beck: Grundsätzlich<br />

wären die meisten Menschen<br />

bereit zu helfen. Aber<br />

viele haben sich noch nicht<br />

intensiv genug mit der Frage<br />

zur Organspende auseinandergesetzt<br />

und schieben die<br />

Entscheidung vor sich her. Solange<br />

man selbst oder sein Umfeld<br />

nicht direkt betroffen ist,<br />

hat das Thema für viele keine<br />

Lebensrelevanz. Es ist jedoch<br />

wichtig, sich frühzeitig mit diesem<br />

Thema auseinanderzusetzen<br />

und eine Entscheidung zu treffen.<br />

Schon deshalb, weil andernfalls die Angehörigen<br />

in einer Situation der Trauer<br />

und Verzweiflung vor diese schwierige<br />

Entscheidung gestellt werden. Davor<br />

„Wir müssen die<br />

Strukturen in den<br />

Krankenhäusern<br />

verbessern.“<br />

Thomas Beck,<br />

kaufm. Vorstand<br />

der Deutschen<br />

Stiftung Organtransplantation<br />

(DSO)<br />

sollte man seine Familie bewahren,<br />

einen Organspendeausweis<br />

ausfüllen und vor allem<br />

mit seinen Angehörigen darüber<br />

sprechen.<br />

Wie wichtig sind gemeinsame Aktionen<br />

wie die mit der Frankfurter<br />

Sparkasse für die DSO?<br />

Beck: Sehr wichtig, weil damit<br />

viele Menschen persönlich und<br />

ganz direkt erreicht werden.<br />

Wir brauchen viel mehr Botschafter,<br />

die sich für das Thema<br />

Organspende einsetzen und<br />

ihm die Selbstverständlichkeit<br />

und Wertigkeit geben, die ihm<br />

zukommt. Jeder von uns kann<br />

in die Situation geraten, auf<br />

eine Organspende angewiesen<br />

zu sein, um zu überleben.<br />

Was ist für die DSO die größte Herausforderung<br />

und die wichtigste Aufgabe der<br />

Zukunft?<br />

Beck: Zum einen müssen wir unermüdlich<br />

in unserer Aufklärungsarbeit fort-<br />

fahren. Zu diesem Zweck haben wir die<br />

Stiftung „Fürs Leben“ gegründet und<br />

geben den Zahlen und Fakten hinter<br />

der Organspende und Transplantation<br />

mit den authentischen Patienten- und<br />

Angehörigengeschichten ein Gesicht.<br />

Auf diese Weise versuchen wir, die Menschen<br />

emotional zu erreichen und zu<br />

motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen.<br />

Zum andern müssen wir aber auch<br />

gemeinsam mit unseren Partnern im<br />

Gesundheitssystem die Strukturen in<br />

den Krankenhäusern verbessern, damit<br />

hier die Organspende ebenfalls<br />

stärker als bisher wahrgenommen und<br />

gefördert wird. Leider kommen viele<br />

Krankenhäuser ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag<br />

zur Organspende nur<br />

unzureichend nach. Spender werden<br />

nicht erkannt, oder wir als Koordinierungsstelle<br />

werden nicht darüber informiert.<br />

Andere Länder, wie etwa Spanien,<br />

können uns hier ein Vorbild sein,<br />

insgesamt mehr Verbindlichkeit und<br />

Selbstverständlichkeit ins System zu<br />

bringen.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


PERSPEKTIVEN 43<br />

Organe gespendet – 19 Spender mehr als<br />

im Vorjahr. Die Zahl der Organspender<br />

pro eine Million Einwohner hat sich mit<br />

14,9 gegenüber dem Vorjahr (14,6) kaum<br />

bewegt. Zum Vergleich: In Spanien gibt es<br />

34 Spender pro eine Million Einwohner.<br />

Dabei gehe das Thema alle an, wie die<br />

DSO eindringlich ermahnt. Jeder könne<br />

plötzlich durch eine schwere Krankheit<br />

oder einen Unfall in die Situation geraten,<br />

auf ein neues Organ angewiesen zu sein.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, selbst irgendwann<br />

auf eine Organspende angewiesen<br />

zu sein, sei viel höher, als tatsächlich als<br />

Organspender infrage zu kommen. DSO-<br />

Vorstand Kirste erläutert: „Für unsere<br />

Aufklärungsarbeit brauchen wir starke<br />

Partner und Sponsoren, Unternehmen<br />

und Institutionen, die helfen, das Thema<br />

als gemeinsame gesellschaftliche<br />

Aufgabe in die Öffentlichkeit zu tragen<br />

und insbesondere auch finanziell durch<br />

Spenden zu unterstützen.“<br />

Hier setzte die Frankfurter Sparkasse<br />

an. Schudnagies und Wissenbach organisierten<br />

zunächst 2009 einen Gesundheitstag<br />

zur Organspende bei der Fraspa.<br />

Die DSO informierte mit einem Stand<br />

die Mitarbeiter, auch die Empfängerin<br />

eines Spenderorgans war anwesend.<br />

Wer wollte, konnte direkt einen Organspendeausweis<br />

ausfüllen. Schudnagies<br />

ist begeistert über die Resonanz bei den<br />

Fraspa-Angestellten: „Sie waren sehr aufgeschlossen,<br />

etliche hatten auch bereits<br />

einen Organspendeausweis.“<br />

Sparkasse motiviert Kunden<br />

Danach weiteten Schudnagies und Wissenbach<br />

ihr Engagement aus. „Wir sprachen<br />

die Fraport AG als unseren größten<br />

Kunden an und fragten, ob sie nicht auch<br />

bei einer Aktion mit der DSO mitmachen<br />

wolle.“ Die Fraport AG als Betreibergesellschaft<br />

des Frankfurter Flughafens erklärte<br />

sich sofort bereit: In vier Kantinen des<br />

Unternehmens informierte die DSO eine<br />

Woche lang über Organspende.<br />

Als nächstes regten Schudnagies und<br />

Wissenbach eine Kooperation mit dem<br />

Radiosender Radio Tele FFH an. Außerdem<br />

wird die Frankfurter Sparkasse<br />

beim Tag der Organspende am 4. Juni als<br />

Bankpartner der DSO auftreten. „Die Aktion<br />

fing im Kleinen an und hat jetzt ganz<br />

schöne Wellen geschlagen“, sagt der Vertriebsdirektor.<br />

Jetzt möchte Schudnagies andere Sparkassen<br />

motivieren, dem Beispiel seines<br />

Hauses zu folgen. „Ich möchte dafür<br />

innerhalb der Sparkassenorganisation<br />

werben. Jeder kann versuchen, die eigenen<br />

Mitarbeiter und Kunden für das Thema<br />

zu sensibilisieren. Wenn nur jedes<br />

50. Institut die DSO unterstützt, ist das<br />

schon eine sehr gute Sache.“ Vorsorglich<br />

nehmen er und Wissenbach die Sorge vor<br />

etwaigem Mehraufwand: „Die DSO ist gut<br />

ausgestattet und arbeitet sehr professionell,<br />

sie unterstützt und hilft.“<br />

<br />

Organspende in Deutschland: Daten und Fakten<br />

In Deutschland werden mehr Organe benötigt<br />

als gespendet. Im Jahr 2009 wurden laut Deutscher<br />

Stiftung Organspende (DSO) 2172 Nieren<br />

verpflanzt – 2772 inklusive Lebendspenden.<br />

Auf der Warteliste für eine Nierentransplantation<br />

standen hingegen über 8000 Patienten.<br />

Der Bedarf an Spendernieren ist am größten.<br />

Es folgen Leber, Herz und Lunge. Lediglich bei<br />

der Bauchspeicheldrüse und beim Dünndarm<br />

kann der Bedarf nahezu gedeckt werden. Fast<br />

100.000 Organe wurden seit 1963 allein in<br />

Deutschland transplantiert. Fünf Jahre nach<br />

der Transplantation sind noch etwa 70 Prozent<br />

der Empfänger am Leben. Im Durchschnitt<br />

schenkt ein Organspender drei schwerkranken<br />

Menschen eine Überlebenschance. Die<br />

Vergabe von Spendeorganen erfolgt nach<br />

festgelegten Kriterien wie Dringlichkeit, Gewebeübereinstimmung<br />

und Erfolgsaussicht. Die<br />

Chancengleichheit in der Organvergabe wird<br />

durch eine einheitliche Warteliste gesichert.<br />

Es ist auch möglich, nur bestimmte Organe zu<br />

spenden, das kann man im Organspendeausweis<br />

festhalten, den es zum Download oder<br />

zum Bestellen beim Infotelefon Organspende,<br />

der DSO oder der Bundeszentrale für gesundheitliche<br />

Aufklärung gibt. Auch Krankenkassen,<br />

Pro und contra Organspende<br />

viele Ärzte und Apotheken stellen sie zur<br />

Verfügung. Die DSO unterstützt etwa 1400<br />

Krankenhäuser mit Intensivstationen und<br />

50 Transplantationszentren im komplexen und<br />

viel Professionalität erfordernden Organspendeprozess.<br />

Mit „Fürs Leben. Für Organspende“<br />

hat die DSO die bisher größte bundesweite<br />

Initiative zu diesem Thema ins Leben gerufen.<br />

Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel.<br />

www.dso.de<br />

www.fuers-leben.de<br />

www.organspende-info.de<br />

Möchten auch andere Sparkassen für das<br />

Thema sensibilisieren: Christian Schudnagies<br />

und Heinz Wissenbach von der Fraspa.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


44<br />

PERSPEKTIVEN<br />

MIKROKREDITE<br />

Hier muss die schwarze<br />

Null genügen<br />

Mikrokredite standen zuletzt in der Kritik. Vor allem Kreditnehmer in Asien gerieten in die<br />

Schuldenfalle, weil die Finanzierer die Kredite leichtfertig vergäben, monieren Marktbeobachter.<br />

Für die Mikrokredit-Kunden deutscher Sparkassen sind solche Risiken gering. Die Institute<br />

schätzen ihre monetären Ertragsaussichten allerdings auch sehr realistisch ein.<br />

n VON SUSANNE SCHNEIDER<br />

Während Mikrokredite bis vor Kurzem<br />

noch als Allheilmittel gegen Armut<br />

gefeiert wurden, sorgten sie zuletzt auch<br />

für Negativschlagzeilen. Einigen Mikrofinanzierern<br />

– vor allem in Asien – wird<br />

vorgeworfen, mit Wucherzinsen und zügelloser<br />

Kreditvergabe Menschen in die<br />

Schuldenfalle zu treiben. In Indien kam<br />

es kürzlich gar zu einer Selbstmordwelle<br />

hochverschuldeter Mikrokreditnehmer.<br />

Natürlich sind die Bedingungen hierzulande<br />

anders als in Indien. Dennoch liegt<br />

die Frage nahe, ob Mikrofinanzierung<br />

auch in Deutschland zur Überschuldung<br />

statt zu Mehreinkommen führen kann.<br />

Immerhin sei der Leitgedanke der Mikrofinanzierung<br />

hierzulande derselbe wie<br />

in Asien oder Osteuropa, wie Hans-Jürgen<br />

Mulski, Vorstandsvorsitzender der<br />

Herner Sparkasse, betont. „Oftmals wird<br />

der Existenzaufbau aus einer schwierigen<br />

wirtschaftlichen und sozialen<br />

Ausgangslage heraus gewagt“, sagt Mulski,<br />

dessen Sparkasse seit 2008 mit dem<br />

StarterCenter NRW der Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />

Herne bei der Mikrofinanzierung<br />

kooperiert.<br />

Anträge scheitern oft im Vorfeld<br />

Die Gefahr, dass Kredite auch – oder gerade<br />

– an Menschen vergeben werden, die<br />

sie gar nicht zurückzahlen können, sei<br />

dennoch gering. In Deutschland werden<br />

Mikrokredite nicht so lax vergeben wie in<br />

Teilen Asiens und Osteuropas. Dort gibt<br />

es in bestimmten Regionen inzwischen<br />

deutlich zu viele Mikrofinanzierer, von<br />

denen manche börsennotiert sind und<br />

hohe Renditeerwartungen ihrer Anleger<br />

erfüllen müssen.<br />

Zwar versuchten Mikrofinanzier auch<br />

in Europa durchaus, den Kreditprozess<br />

zu verschlanken, indem sie beispielsweise<br />

auf einen schriftlichen Business-Plan<br />

verzichteten, sagt Bertram Reddig, Leiter<br />

Fördergeschäft und Mikrokredit-Experte<br />

beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband<br />

(DSGV). Bei den Sparkassen<br />

seien kleine Kredite für Gründer und<br />

Kleinstunternehmer jedoch „normales<br />

Kreditgeschäft“, es müssten also sämtliche<br />

Vorgaben einer Kreditvergabe eingehalten<br />

werden.<br />

Das heißt auch, dass sehr<br />

genau geprüft wird, wie Sparkassenvorstand<br />

Mulski betont.<br />

„Voraussetzung für die Bewilligung<br />

einer Mikrofinanzierung<br />

ist eine dauerhafte Markt- und<br />

Tragfähigkeit der unternehmerischen<br />

Idee und die Bereitschaft,<br />

das Unternehmen<br />

nachhaltig auszubauen.“ Die<br />

Kriterien für eine Kreditvergabe<br />

berücksichtigen auch die<br />

Persönlichkeit, das Engagement<br />

und die Motivation des<br />

Gründers oder Unternehmers.<br />

Die damit verbundene Rückzahlungswahrscheinlichkeit<br />

der ausgereichten Mittel, ein<br />

überzeugendes schriftliches<br />

Unternehmenskonzept und<br />

eine einwandfreie Schufa-Auskunft<br />

bildeten weitere Voraussetzungen<br />

für die Kreditbewilligung, ergänzt<br />

Mulski.<br />

Einige Kreditgeber gehen noch weiter.<br />

So begleitet die Sparkasse Leipzig, die seit<br />

Mai 2010 mit der Stadt Leipzig an einem<br />

Mikrodarlehensfonds beteiligt ist, Mikrokreditnehmer<br />

noch bis zu fünf Jahre. In<br />

dieser Zeit finden regelmäßige Plan-Ist-<br />

Abgleiche mit den jungen Unternehmen<br />

statt, um möglichen Fehlentwicklungen<br />

vorzubeugen und um bei Anlaufschwierigkeiten<br />

rechtzeitig gegensteuern zu<br />

können.<br />

Die hohen Anforderungen sind denn<br />

auch der Hauptgrund dafür, dass viele<br />

Finanzierungen in diesem Geschäftsbereich<br />

erst gar nicht zustande kommen.<br />

So berichtet Manfred Bernjus, Leiter Vorstandsstab<br />

der Sparkasse Offenbach, die<br />

im Bereich Mikrokredite in Kooperation<br />

mit dem regionalen Gründungscenter<br />

„Bei den etwa<br />

30 von uns<br />

begleiteten<br />

Finanzierungen<br />

gab<br />

es bislang<br />

lediglich<br />

einen Ausfall.“<br />

Manfred Bernius,<br />

Leiter Vorstandsstab,<br />

Sparkasse<br />

Offenbach<br />

KIZ und weiteren Akteuren 2007 den „Ostpolkredit“<br />

ins Leben gerufen hat, dass<br />

seit 2007 von etwa 100 Finanzierungsanfragen<br />

nur etwa ein Drittel realisiert worden<br />

sei. Die Gründe waren laut Bernjus<br />

zum einen nicht durchdachte Geschäftskonzepte,<br />

zum anderen häufig<br />

auch irrtümliche Erwartungen<br />

der Kreditnehmer, dass es sich<br />

dabei um nicht-rückzahlbare<br />

Zuschüsse handele. Vor diesem<br />

Hintergrund mussten bisher<br />

allerdings auch nur wenige<br />

Ausfälle verzeichnet werden.<br />

„Bei den etwa 30 von uns begleiteten<br />

Finanzierungen gibt<br />

es bislang lediglich einen Ausfall“,<br />

sagt Bernjus.<br />

Experten zufolge kann Mikrofinanzierung<br />

vor allem dann<br />

in die Überschuldung führen,<br />

wenn Banken oder andere<br />

Mikrofinanzierer ein starkes<br />

Eigeninteresse an diesem Geschäft<br />

entwickeln – wie das Beispiel<br />

Indien zeigt. Doch damit<br />

sei hierzulande nicht zu rechnen.<br />

Die meist intensive Betreuung<br />

der Kreditnehmer macht dieses<br />

Geschäft, das zudem, wie die Sparkassen<br />

berichten, eher mit kleinen Stückzahlen<br />

verbunden ist, in der Regel so aufwändig,<br />

dass es betriebswirtschaftlich sogar<br />

defizitär sein kann – zumal zweistellige<br />

Zinssätze, wie teilweise in Asien von<br />

den Mikrokreditnehmern gefordert, in<br />

Deutschland nicht durchsetzbar wären.<br />

Eine Frage des öffentlichen Auftrags<br />

Vor diesem Hintergrund habe man mit<br />

diesem Geschäftszweig auch keine hohen<br />

betriebswirtschaftlichen Erwartungen<br />

verbunden, sagt der Leiter Vorstandsstab<br />

der Sparkasse Offenbach. Allerdings fielen<br />

durch eine extrem schlanke Abwicklung<br />

in dem Institut auch keine nennenswerten<br />

Kosten an. Der Geschäftszweig sei<br />

auch deshalb sinnvoll, weil bei der Finanzierung<br />

kein Kreditrisiko bestehe, sagt<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


PERSPEKTIVEN 45<br />

Sparkassenmanager Bernjus. Als Motive<br />

der Sparkasse, solche Finanzierungen zu<br />

übernehmen, nennt Bernjus zum einen<br />

die Erfüllung eines öffentlichen Auftrags,<br />

zum anderen gehe es um die Förderung<br />

von Kleinstunternehmen. „Wir wollen<br />

für schlüssige Geschäftsideen die Chance<br />

auf Umsetzung bieten und damit verbunden<br />

eine Bankfähigkeit für solche Unternehmen<br />

erreichen.“<br />

DSGV-Experte Reddig glaubt nicht, dass<br />

die aufwändigen Mikrokredit-Prozesse es<br />

in jedem Falle notwendig machen, dass<br />

die Sparkasse zuzahlt. „Ich gehe davon<br />

aus, dass das Geschäft kostendeckend<br />

machbar ist, etwa wenn Sparkassen bei<br />

der kostenintensiven Betreuung der<br />

Kleinkreditnehmer mit geeigneten Partnern<br />

vor Ort zusammenarbeiten, wie es<br />

auch der DSGV-Leitfaden zur Existenzgründungsbetreuung<br />

anregt.“ Zudem<br />

sollte hier grundsätzlich auf die Hereinnahme<br />

von Sicherheiten verzichtet werden,<br />

deren Verwaltung und eventuelle<br />

spätere Verwertung mehr Kosten als<br />

Nutzen bringen könne. Allerdings, so<br />

schränkt Reddig ein, seien kleine Kredite<br />

naturgemäß kein Produkt, das eine Sparkasse<br />

oder ein anderes Geldinstitut aus<br />

rein betriebswirtschaftlichen Gründen in<br />

den Fokus seiner Aktivitäten stelle.<br />

Unter dem Strich überwiegen Vorteile<br />

Freilich können Banken und Sparkassen<br />

auch hierzulande nicht jeden Mikrokreditnehmer<br />

vor Überschuldung schützen.<br />

So ist ein Geldinstitut kaum in der Lage zu<br />

verhindern, dass sich ein Kreditnehmer<br />

bei verschiedenen Häusern gleichzeitig<br />

oder nacheinander Kredite beschafft.<br />

Selbst das Einholen von Schufa-Auskünften<br />

hilft hier nicht weiter. So ist nicht gesagt,<br />

dass alle kreditgebenden Institute<br />

der Schufa angeschlossen sind. Zudem<br />

ist es möglich, dass vergebene Kredite<br />

nicht an die Schufa gemeldet werden.<br />

„Letztlich können wir als Sparkasse nicht<br />

verhindern, dass sich jemand bei weiteren<br />

Kreditinstituten Mittel beschafft,<br />

nachdem er von uns eine Finanzierung<br />

erhalten hat“, sagt der Offenbacher Sparkassenmanager<br />

Bernjus. In der Praxis<br />

habe er aber ein solches Geschäftsgebaren<br />

bei Mikrofinanzierungen noch nicht<br />

festgestellt.<br />

Unter dem Strich überwiegen in<br />

Deutschland die Vorteile der Mikrofinanzierungen<br />

gegenüber potenziellen<br />

Nachteilen. „Viele Mikrofinanzvorhaben<br />

entfalten entwicklungsförderliche<br />

Wirkungen, schaffen Einkommen und<br />

Beschäftigung“, sagt der Herner Sparkassenchef<br />

Mulski. Die kleinvolumigen<br />

Finanzierungen ermöglichten oft erst<br />

Gründung, Existenzfestigung und Wachstum<br />

eines Kleinstunternehmens. <br />

<br />

Lesen Sie zum Thema auch die nachfolgende<br />

Seite.<br />

Mikrokredite in der Kritik – Wucherzinsen und laxe Vergabepraxis ruinieren Empfänger<br />

Straßenszene im indischen Hyderabad:<br />

In Indien und anderen asiatischen Ländern<br />

sorgten Mikrofinanzierungen zuletzt für<br />

Negativschlagzeilen. Einigen Mikrofinanzierern<br />

wird vorgeworfen, die Kreditnehmer mit zu<br />

hohen Zinsen und ungezügelter Kreditvergabepraxis<br />

in die Schuldenfalle zu treiben. Durch<br />

das rasante Wachstum der Mikrokreditgeber,<br />

deren Geschäft mittlerweile vor allem über<br />

Masse funktioniert, werde vielen Bedürftigen<br />

das Geld regelrecht aufgedrängt, teilweise<br />

ohne Rücksicht darauf, wie viele Schulden der<br />

Kreditnehmer bereits bei Konkurrenten hat. Für<br />

viele Schuldner ist es vielerorts auch problemlos<br />

möglich, von einem Mikrokreditanbieter Geld<br />

zu leihen, um die ausstehenden Raten beim<br />

nächsten zu begleichen. Dies führt häufig in<br />

eine Schuldenspirale, aus der sich einige nur<br />

durch Freitod zu befreien wüssten. Im indischen<br />

Bundesstaat Andhra-Pradesh gab es sogar eine<br />

Reihe von Selbstmorden unter Mikrokreditnehmerinnen.<br />

Mindestens 30 Frauen nahmen<br />

sich Medienberichten zufolge innerhalb von 45<br />

Tagen das Leben, weil sie ihre Kleinstkredite<br />

von durchschnittlich 300 Rupien pro Woche<br />

(umgerechnet 5 Euro) nicht zurückzahlen<br />

konnten. Nach Berichten von Rating-Agenturen<br />

zahlen derzeit nur noch 20 bis 30 Prozent der<br />

Mikrokreditkunden in Andhra Pradesh ihre<br />

Kredite ab. Der Bundesstaat ist das Zentrum<br />

des Mikrokreditwesens. Mit 26,5 Mio. Kreditnehmern<br />

ist Indien der mit Abstand größte<br />

Mikrokreditmarkt der Welt.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


46<br />

LITERATUR<br />

SOCIAL BUSINESS<br />

Mit Konzernen<br />

gegen Armut<br />

Nobelpreisträger Muhammad Yunus versucht,<br />

Unternehmen zur Gründung sozial orientierter<br />

Unternehmen zu gewinnen.<br />

n VON MIRKO HEINEMANN<br />

Ar mut ist ein Fehler im<br />

gesellschaftlichen System,<br />

so die Ausgangsthese<br />

von Muhammad Yunus. Der<br />

Ökononom und Friedensnobelpreisträger,<br />

der mit seiner<br />

Grameen-Bank das Prinzip<br />

der Mikrokredite konsequent<br />

umsetzte, dreht das Rad weiter:<br />

„Social Business“ heißt<br />

sein Aufruf an Unternehmer<br />

und Konzerne, den Aufbau<br />

von Firmen zu betreiben, die,<br />

statt Gewinne für Shareholder<br />

zu erwirtschaften, diese lieber<br />

in eine „soziale Rendite“<br />

umwandeln sollten. „Soziale<br />

Unternehmen“ sind für Yunus<br />

die Vorreiter im Kampf gegen<br />

die Armut.<br />

Social Business<br />

Von der Vision zur Tat.<br />

Muhammad Yunus,<br />

Hanser Verlag, 2010,<br />

269 Seiten, 19, 90 Euro<br />

„Wir können uns Social<br />

Business als selbstloses Unternehmen<br />

vorstellen, dessen<br />

Ziel die Lösung eines sozialen<br />

Problems ist“, schreibt Yunus.<br />

Die Gewinne der Firma sollten<br />

sozialen Zwecken zugeführt<br />

werden. Erste Firmen dieser<br />

Art hat Yunus bereits ins Leben<br />

gerufen, in Kooperation<br />

mit großen Konzernen. Dem<br />

Nahrungsmittelhersteller<br />

Danone etwa, dem Chiphersteller<br />

Intel, dem Chemieunternehmen<br />

BASF oder dem<br />

Versandhändler Otto (siehe<br />

Interview). Die Firmen tragen<br />

den Beinamen „Grameen“<br />

und verpflichten sich zur Gewinnmaximierung<br />

im Sinne<br />

der Armutsbekämpfung.<br />

Ein lobenswertes Ziel, die<br />

Gefahr dabei ist nur: Das La-<br />

bel „Grameen“ könnte zum<br />

PR-Vehikel für multinationale<br />

Konzerne werden, die sich<br />

damit zu Helden im Kampf<br />

gegen die Armut stilisieren,<br />

während sie andernorts Gewinne<br />

aufgrund des globalen<br />

sozialen oder ökologischen<br />

Gefälles erwirtschaften.<br />

„Grameen“ als PR-Vehikel?<br />

Dennoch ist die Idee bestechend.<br />

Yunus’ Verdienst war<br />

es, die Macht der vormodernen<br />

Geldverleiher in den<br />

Slums von Bangladesch zu<br />

brechen. Statt wegen kleinster<br />

Kreditsummen in ein System<br />

faktischer Sklaverei zu geraten,<br />

weil der Geldverleiher<br />

auch die Abnahme bestimmte<br />

und als Zwischenhändler fungierte,<br />

vergab seine Grameen-<br />

Bank erstmals auch Kredite<br />

ohne weitergehende Konditionen<br />

an die Ärmsten der Armen,<br />

und das zu einem günstigeren<br />

Zinssatz.<br />

Die Kredite brachen das<br />

tradierte System der Armut<br />

auf und eröffneten damit<br />

erstmals Aufstiegsschancen.<br />

Gleichzeitig wurde ein bis<br />

dato brachliegender ökonomischer<br />

Sektor erschlossen.<br />

Heute beträgt das Kapital der<br />

Grameen-Bank mehr als eine<br />

halbe Mrd. US-Dollar.<br />

Mit dem Social Business ist<br />

es ähnlich wie mit der Grameen-Bank:<br />

Neu ist die Idee<br />

nicht, aber Yunus treibt sie<br />

engagiert voran. Er erweist<br />

sich damit als unermüdlicher<br />

Kämpfer für eine Reformierung<br />

des Kapitalismus selbst.<br />

Yunus fordert ein Umdenken:<br />

Gewinne sind moralisch<br />

dann, wenn sie für moralische<br />

Zwecke verwendet werden.<br />

Sie sollten nicht einige wenige<br />

reich machen, sondern<br />

der Bekämpfung der Armut<br />

dienen. Und damit der Gesellschaft.<br />

<br />

Grameen-Bank-Gründer Muhammad Yunus (r.) mit Otto-Group-Aufsichtsratschef<br />

Michael Otto. Der Versandhändler hat mit der Bank<br />

Grameen die Otto Grameen Textile Company gegründet.<br />

<br />

FOTOS: DPA, OTTO GROUP<br />

„Erst einmal geht es um die Sache“ –<br />

Fragen an den Yunus-Partner Michael Otto<br />

S PA R K A S S E : H e r r O t t o ,<br />

S i e s e t z e n M u h a m m a d<br />

Yunus’ Vision eines „Social<br />

Business“gemeinsam mit<br />

ihm in die Praxis um. Worauf<br />

kommt es dabei an?<br />

Michael Otto: Der erwirtschaftete<br />

Profit wird nicht<br />

als Dividende an Investoren<br />

ausgezahlt, sondern<br />

kommt in vollem Umfang<br />

den Mitarbeitern zugute.<br />

Er soll ausschließlich der<br />

Verbesserung der Lebensumstände<br />

der Angestellten,<br />

ihrer Familien und der<br />

umliegenden Gemeinden<br />

dienen. Die Otto Grameen<br />

Textile Company, ein Joint<br />

Venture zwischen der Otto<br />

Group und Grameen, ist ein<br />

solches „Social Business“.<br />

Eine Fabrik der Zukunft mit<br />

Leuchtturmcharakter. Hier<br />

wird unter sozial und ökologisch<br />

nachhaltigen Bedingungen<br />

Bekleidung für den<br />

Export produziert.<br />

Warum sollte man ein Unternehmen<br />

starten, das keinen<br />

Gewinn abwirft?<br />

Otto: Die Otto Grameen<br />

Textile Company soll natürlich<br />

Gewinne abwerfen. Wir<br />

sprechen hier aber nicht<br />

von einer Kapital- sondern<br />

von einer Sozialrendite. Wir<br />

geben den Menschen keine<br />

Almosen, sondern eine konkrete<br />

Perspektive, sich selbst<br />

aus der Armut zu befreien.<br />

„Hilfe zur Selbsthilfe“ anzubieten,<br />

scheint mir der Weg<br />

zu sein, der nachhaltig Erfolg<br />

verspricht. Nur so lässt<br />

sich die große Kluft zwischen<br />

Arm und Reich schließen.<br />

Ökonomischer Erfolg<br />

und gesellschaftspolitisch<br />

verantwortungsbewusstes<br />

Handeln dürfen sich nicht<br />

ausschließen. Sie sollen sich<br />

gegenseitig befruchten.<br />

Welche Rolle spielt die PR bei<br />

einem solchen Projekt?<br />

Otto: Wir wollen mit diesem<br />

Projekt Gutes tun und<br />

nicht nur ein gutes Gefühl<br />

verbreiten. Deshalb bleibt<br />

Kommunikation wichtig,<br />

steht aber im ersten Schritt<br />

nicht im Vordergrund. Erst<br />

einmal geht es um die Sache.<br />

Wir wollen innovative<br />

Lösungen für globale gesellschaftliche<br />

Herausforderungen<br />

finden. Es geht<br />

darum, die Menschen in den<br />

Entwicklungsländern zu<br />

Partnern zu machen, damit<br />

sie sich selber aus ihren teilweise<br />

noch ganz und gar unzulänglichen<br />

sozialen und<br />

ökologischen Verhältnissen<br />

befreien können. Zu diesem<br />

Denken wollen wir auch andere<br />

animieren.<br />

<br />

Will Gutes tun und Vorbild sein:<br />

Yunus-Partner Michael Otto.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1


International<br />

besser ankommen<br />

Das Internationale Firmenkundengeschäft bleibt weiterhin<br />

ein wichtiges Vertriebs- und Kommunikationsthema.<br />

Aus diesem Grund unterstützt Sie auf breiter Basis wieder<br />

die Werbekampagne im ersten GSW-Tertial 2011.<br />

Mit den Medien des Deutschen Sparkassenverlages<br />

demonstrieren Sie die Kompetenz Ihrer Sparkasse im<br />

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