01.11.2012 Aufrufe

Mitteilungen - DAV Ulm

Mitteilungen - DAV Ulm

Mitteilungen - DAV Ulm

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

allgäuer alpen – neu entdeckt!<br />

Der Titel dieses in Insiderkreisen wohlbekannten<br />

Buches von Günther Laudahn war mein Motto<br />

im vergangenen Bergsommer. Seit Anfang 2010<br />

hinderte mich eine hartnäckige Entzündung im<br />

Ellbogen – im Volksmund „Tennisarm“ genannt<br />

– am Klettern in meinen gewohnten Schwierigkeitsgraden.<br />

Die Lektüre des Buches, das ich<br />

an einem verregneten Sonntag mal wieder hervorholte,<br />

brachte mich auf die Idee, mich heuer<br />

auf Allgäuer Gipfel zu konzentrieren, deren Besteigung<br />

a bisserl abenteuerlich ist. Das heißt,<br />

auf diese Gipfel führen keine angelegten Steige,<br />

und die letzten 150 bis 200 Höhenmeter sind<br />

oft Kletterpassagen im 2. Grad.<br />

Wo anfangen? In den Allgäuer Alpen gibt es<br />

201 Berge, die mindestens 2.000 Meter hoch<br />

sind (die Zahl variiert, je nach verwendetem<br />

Quellmaterial). Ein Blick auf meine Liste – die<br />

ist nach Höhe geordnet – zeigte: von den 10<br />

höchsten Allgäuer Gipfeln hatte ich bereits 6 in<br />

früheren Jahren bestiegen. Damit ist klar: die<br />

TOP TEN zu vollenden, wird eines meiner ersten<br />

Vorhaben.<br />

Sonntag, 18. Juli: Ich bin bei bedecktem Himmel<br />

und in aller Frühe unterwegs von Einödsbach<br />

zum Waltenberger Haus. Der Wetterbericht<br />

sagt ab Mittag Aufhellung voraus und ich<br />

hoffe, dann den Bockkarkopf (2.609 m), den<br />

Steinschartenkopf (2.615 m) und das Hohe<br />

Licht (2.651 m) besteigen zu können. Das sind<br />

zwar keine „Abenteuerberge“, fehlen mir aber<br />

noch zu den TOP TEN. Auf dem Waltenberger<br />

Haus warte ich bis zum Mittag, dass es endlich<br />

Welcher Berg ist das?<br />

Auflösung im Text.<br />

aufhellt. Dann macht mich Gerd Böllmann, das<br />

Hüttenwirt-Urgestein, darauf aufmerksam, dass<br />

ich es bis zum Abendessen nicht schaffe, wenn<br />

ich jetzt nicht losgehe. Das ist ein Argument!<br />

Ich laufe los in der Hoffnung, dass es ab der<br />

Bockkarscharte aufreißt. Und tatsächlich, die<br />

Wolkendecke weist jetzt die eine oder andere<br />

Lücke auf, so dass ich meine Tour wie geplant<br />

durchziehe. Auf dem Rückweg nehme ich<br />

noch den „Wilden Mann“ mit (2.577 m), einen<br />

unscheinbaren Gipfel der TOP 20.<br />

Der nächste Tag bringt gutes Wetter und<br />

eine der grandiosesten Touren im Allgäu: die<br />

Überschreitung von Hochfrottspitze (2.648<br />

m) und Mädelegabel (2.645 m). Zuerst über<br />

den SSW-Grat der Hochfrottspitze rauf (eine<br />

brüchige II+), dann Abstieg über den NO-Grat<br />

(II) zur Scharte zwischen den beiden Gipfeln.<br />

Dabei wunderschöne Aussicht auf den einzigen<br />

Gletscher der Allgäuer Alpen, den Schwarzmilzferner,<br />

wo zahlreiche Bergwanderer auf dem<br />

Heilbronner Weg unterwegs sind, während ich<br />

bei meiner Tour ganz alleine bin. Anschließend<br />

über den Südwestgrat der Mädelegabel (II) auf<br />

ihren Gipfel – eine schöne Kletterei in für Allgäuer<br />

Verhältnisse geradezu bombenfestem Fels.<br />

Den Abstieg über den Normalweg kenne ich von<br />

einer früheren Besteigung, danach geht es über<br />

den Schwarzmilzferner und die Bockkarscharte<br />

zurück zum Waltenberger Haus. Nach einer<br />

kurzen Rast steige ich ab nach Einödsbach.<br />

Von der Mädelegabel sieht man genau auf die<br />

Trettachspitze (2.595 m). Der 11.-höchste<br />

Gipfel der Allgäuer Alpen bildet zusammen mit<br />

der Hochfrottspitze und der Mädelegabel das<br />

„Allgäuer Dreigestirn“, eine der markantesten<br />

Berggruppen der Ostalpen. Außerdem hat die<br />

Trettachspitze eine geographische Besonderheit<br />

– Auflösung am Schluss des Artikels. Dieser<br />

Allgäuer Gipfel ist ein beliebter Kletterberg und<br />

steht seit vielen Jahren auf meiner Wunschliste.<br />

Der Aufstieg erfolgt meistens über den NO-Grat<br />

(III), der Abstieg über den NW-Grat (II+); hier gibt<br />

es auch Abseilhaken.<br />

Mitte August ist es soweit, nach einer weiteren<br />

Übernachtung auf dem Waltenberger Haus und<br />

dem anstrengenden Zustieg von dort stehe ich<br />

am Einstieg. Zunächst klettere ich 50 Meter am<br />

linken Rand der Nordwand hoch und gelange<br />

dann erst auf den eigentlichen Grat. Der anschließende<br />

Tanz über die herrlich ausgesetzte<br />

und relativ feste Felspassage ist der ultimative<br />

Test für die Frage: „Wie schwindelfrei bin ich<br />

wirklich?“ Vor allem, wenn man ohne Seil unterwegs<br />

ist.<br />

Überhaupt der Fels: wer auf die „Abenteuergipfel“<br />

der Allgäuer Alpen hoch will, lernt ihn früher<br />

oder später intensiv kennen: den berühmtberüchtigten<br />

„Allgäuer Bruch“. (die Trettachspitze<br />

und einige wenige andere Berge sind<br />

bezüglich der Felsqualität eher die Ausnahme).<br />

Ich unterscheide beim Allgäuer Bruch zwei<br />

Unterkategorien:<br />

Bruch an sich: man hält sich an einem Griff fest<br />

und hat ihn in der Hand. Oder stellt den Fuß auf<br />

einen Tritt, und der verabschiedet sich polternd<br />

in die Tiefe. Bei solcher Felskonsistenz ist vor<br />

allem die strikte Einhaltung der 3-Punkt-Regel<br />

gefragt.<br />

Schutt und Geröll: kleine bis mittelgroße Steine<br />

(0,5 bis 15 cm), eher kantig (Schutt) oder eher<br />

rund (Geröll). Dünne Geröllschichten auf felsigem<br />

Untergrund machen jede Bergtour interessant,<br />

vor allem Kletterpassagen im Abstieg:<br />

während man sich mit den Händen an möglicherweise<br />

brüchigem Fels hält (siehe 1.),<br />

suchen die Füße Halt auf abschüssigen, mit<br />

Geröll bedeckten Tritten. Neben der Befolgung<br />

Unterwegs<br />

der 3-Punkt-Regel sind hier eine solide Fußtechnik<br />

und gute Nerven von Vorteil.<br />

Schutt und Geröll in dickeren Schichten –<br />

zum Beispiel in Schuttrinnen oder ausgedehnten<br />

Geröllfeldern – sind beim Aufstieg eher<br />

anstrengend als gefährlich, der Abstieg kann<br />

je nach Gegebenheit sogar Spaß machen<br />

(„Abfahren“ im Geröllfeld), ist aber ganz<br />

schlecht für die Schuhe (davon später mehr).<br />

Die abenteuerlichsten Allgäuer Berge befinden<br />

sich in der Hornbachkette. Dieser Seitenast<br />

des Allgäuer Hauptkamms zweigt an der Öfnerspitze<br />

von diesem ab und zieht sich 16 Kilometer<br />

in Richtung Osten, wo er mit dem „Wächter<br />

des Hornbachtals“, der Klimmspitze (2.464<br />

m), endet (oder anfängt, je nach Sichtweise).<br />

Die wenigsten Allgäu-Freunde wissen von den<br />

Superlativen dieses längsten Seitenastes des<br />

Allgäuer Hauptkamms:<br />

Die durchschnittliche Gipfelhöhe beträgt über<br />

2.500 m, dort steht der höchste Allgäuer Gipfel,<br />

der Große Krottenkopf (2.656 m), und dort sind<br />

die Berge „am wildesten, am unnahbarsten und<br />

werden am seltensten bestiegen.“ (Zitat aus<br />

dem Allgäu-Führer).<br />

Aber nicht nur die Ansicht der teilweise wild<br />

gezackten Grate von Bergen wie Sattelkarspitze,<br />

Noppenspitze oder Kreuzkarspitze ist<br />

eindrucksvoll. Von vielen Gipfeln der Hornbachkette<br />

ziehen riesige felsige Rippen nach Süden<br />

oder Südosten und schaffen eine lange Folge<br />

geradezu schulmäßig ausgebildeter Hochkare,<br />

die bei der Besteigung dieser Gipfel zu durchschreiten<br />

sind.<br />

Eine der großartigsten Touren in der Hornbachkette<br />

ist die Besteigung der Noppenspitze<br />

(2.594 m).<br />

An einem Samstag im September starte ich in<br />

aller Frühe vom Parkplatz oberhalb der Kirche in<br />

Häselgehr. Ich steige das wunderschöne Haglertal<br />

empor, überschreite den Luxnacher Sattel,<br />

folge noch ein Stück dem Enzensperger Weg<br />

und zweige dann ab ins Noppenkar. Anfangs<br />

über recht festen, mit Grasschrofen durchsetzen<br />

Fels, zum Schluss anstrengend ein Geröllfeld<br />

aufwärts inklusive einer ersten Klettereinlage,<br />

76 77

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!