Berichterstattung in der Presse - Stiftung Denkmal für die ...
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KULTUR<br />
„Blutrichter“ machten trotz „Terrorjustiz“ Karriere<br />
15.12.2011<br />
Von Heidrun Helwig<br />
Bee<strong>in</strong>druckende Ausstellung „Was damals Recht war...“ im Alten Schloss befasst sich mit<br />
NS-Militärjusti<br />
Militärjustiz Aufsatzsammlung zieht „Zwischenbilanz“<br />
E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich: Die Biographien von Opfern und Tätern s<strong>in</strong>d farblich unterschiedlich gestaltet.<br />
GIESSEN. E<strong>in</strong>e Krankenschwester brachte <strong>die</strong> Ermittlungen <strong>in</strong>s Rollen. Denn Alfred Oertel hatte<br />
bereits mehr als e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong> Militärkrankenhäusern verbracht. Wegen anhalten<strong>der</strong> Verdauungsprobleme.<br />
Die hatten nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>berufung des Musikerziehers zur Wehrmacht begonnen.<br />
Und seitdem waren alle Therapieversuche gescheitert. Das wie<strong>der</strong>um machte <strong>die</strong> Ärzte<br />
stutzig. E<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong> des Reservelazaretts <strong>in</strong> Gießen schließlich meldete den Verdacht.<br />
Es folgte <strong>die</strong> Festnahme des 41-Jährigen wegen „Zersetzung <strong>der</strong> Wehrkraft“. Dem Grena<strong>die</strong>r<br />
wurde nämlich vorgeworfen, Abführmittel e<strong>in</strong>genommen zu haben, um sich dem Fronte<strong>in</strong>satz<br />
zu entziehen. Das Marburger Feldkriegsgericht verurteilte ihn im August 1944 deshalb auch zu<br />
sechs Jahren Gefängnis. Die „zu milde“ Entscheidung aber hatte ke<strong>in</strong>en Bestand und wurde<br />
aufgehoben. Nur e<strong>in</strong>en Monat später verhängte dann e<strong>in</strong> Wehrmachtsgericht <strong>die</strong> Todesstrafe<br />
gegen das NSDAP-Mitglied. Damit verkündeten <strong>die</strong> Richter e<strong>in</strong>es von rund 30 000 Todesurteilen<br />
<strong>der</strong> NS-Militärjustiz, mit <strong>der</strong> sich <strong>die</strong> bee<strong>in</strong>druckende Ausstellung „,Was damals Recht<br />
war…‘ - Soldaten und Zivilisten vor Gerichten <strong>der</strong> Wehrmacht“ im Alten Schloss und auch <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong>formative Sammelband „Deserteure, Wehrkraftzersetzer und ihre Richter. Marburger Zwischenbilanz<br />
zur NS-Militärjustiz vor und nach 1945“ beschäftigen.<br />
Alfred Oertel hatte Glück. Der Gerichtsherr - <strong>der</strong> alles beherrschende Führer des militärischen<br />
Strafverfahrens – hob auch <strong>die</strong>ses Urteil auf. Und wandelte <strong>die</strong> Todesstrafe wegen „Selbstverstümmelung“<br />
<strong>in</strong> 15 Jahre Zuchthaus um. Zudem ordnete er <strong>die</strong> E<strong>in</strong>weisung des 41-Jährigen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Konzentrationslager an. Dort überlebte <strong>der</strong> Musikerzieher <strong>die</strong> Verfolgung durch das NS-<br />
Regime. Zwei Drittel <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Militärjustiz verhängten Todesurteile aber wurden vollstreckt.<br />
Etwa 15 000 gegen Deserteure und etliche auch gegen Wehrmachtssoldaten, <strong>die</strong> sich selbst<br />
Verletzungen zufügten, um dem Tod auf dem Schlachtfeld zu entkommen.<br />
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Station Gießen, GIEßENER ANZEIGER, 15. Dezember 2011<br />
<strong>Stiftung</strong> <strong>Denkmal</strong> für <strong>die</strong> ermordeten Juden Europas – <strong>Presse</strong>dokumentation<br />
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