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Berichterstattung in der Presse - Stiftung Denkmal für die ...

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Leichen für <strong>die</strong> Anatomie<br />

Auch gegen Anton Brand, <strong>der</strong> bis zuletzt verzweifelt auf Gnade gehofft hatte. „Ich weiß, dass<br />

ich e<strong>in</strong>en großen Fehltritt begangen habe“, schreibt er zwei Tage nach dem Todesurteil. „Und<br />

bereue es auch schwer.“ Deshalb wollte er „<strong>die</strong>sen me<strong>in</strong>er größten Fehler durch E<strong>in</strong>satz me<strong>in</strong>es<br />

Lebens“ wie<strong>der</strong> gutmachen. Durch Frontbewährung. Schließlich gehe es auch „um <strong>die</strong><br />

Ehre me<strong>in</strong>er Eltern und me<strong>in</strong>es Vaterlandes“. Doch das Gesuch wurde abgelehnt, Anton Brand<br />

am 30. Januar 1945 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kiesgrube „Drei L<strong>in</strong>den“ <strong>in</strong> Ockershausen h<strong>in</strong>gerichtet. Der Anatomie<br />

<strong>der</strong> Philipps-Universität übergeben, <strong>die</strong>nte se<strong>in</strong> Leichnam anschließend zu Lehr- und Forschungszwecken.<br />

Die Eltern <strong>in</strong>des erfuhren nichts vom Schicksal ihres Sohnes. Erst im Februar<br />

1952 wurde <strong>der</strong> Mutter - auf Nachfragen - mitgeteilt, dass Anton Brand wegen Fahnenflucht<br />

zum Tode verurteilt worden war. Der junge Soldat, <strong>der</strong> zuvor schon häufiger durch unerlaubtes<br />

Entfernen und Diszipl<strong>in</strong>ierungen aufgefallen war, hatte nach e<strong>in</strong>em Fronturlaub im Oktober<br />

1944 nochmals se<strong>in</strong>e Mutter besucht, <strong>die</strong> Marschkompanie verpasst und war nach <strong>der</strong> Festnahme<br />

gleich zweimal geflüchtet.<br />

Die Geschichte von Anton Brand f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufsatzsammlung neben weiteren Fallbeispielen<br />

aus Mittelhessen, und natürlich wird auch <strong>die</strong> historische Aufarbeitung <strong>der</strong> NS-<br />

Militärjustiz und <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> Opfer um Rehabilitierung dargestellt. Zum<strong>in</strong>dest symbolisch<br />

erfolgte <strong>die</strong>se für Wehrmachtsdeserteure, Kriegs<strong>die</strong>nstverweigerer und „Wehrkraftzersetzer“<br />

erst am 15. Juli 1997. E<strong>in</strong><br />

Bundestagsbeschluss nämlich stellte unmissverständlich klar, dass <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg e<strong>in</strong><br />

„Angriffs- und Vernichtungskrieg“ war, „e<strong>in</strong> vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes<br />

Verbrechen“. Zuvor hatte bereits 1995 <strong>der</strong> Bundesgerichtshof (BGH) entschieden,<br />

dass es sich bei den <strong>in</strong> <strong>der</strong> NS-Zeit gefällten Todesurteilen <strong>der</strong> Kriegsrichter um Rechtsbeugung<br />

gehandelt habe, um e<strong>in</strong>e „Terrorjustiz“, ausgeübt von „Blutrichtern“, heißt es <strong>in</strong> dem<br />

Ausstellungskatalog. Wie<strong>der</strong>um erst im Mai 2002 - <strong>in</strong>zwischen waren zahlreiche Opfer <strong>der</strong><br />

Wehrmachtsjustiz längst verstorben - hob <strong>der</strong> Bundestag Urteile <strong>der</strong> NS-Militärgerichte pauschal<br />

auf. Bis auf <strong>die</strong> wegen „Kriegsverrats“. Diese konnten nur durch E<strong>in</strong>zelfallprüfungen<br />

getilgt werden. Wegen <strong>der</strong> „nicht ausschließbaren Lebensgefährdung“ von deutschen Soldaten.<br />

Dabei ist Ludwig Baumann überzeugt, dass „Millionen Zivilisten und KZ-Insassen nicht<br />

mehr hätten sterben brauchen, wenn es mehr Kriegsverrat gegeben hätte.“ Am 8. September<br />

2009 aber beschloss <strong>der</strong> Bundestag, dass auch <strong>die</strong> Urteile gegen verme<strong>in</strong>tliche Kriegsverräter<br />

pauschal aufgehoben werden. Denn <strong>in</strong>zwischen haben renommierte Historiker erforscht, dass<br />

bei den - noch überprüfbaren - Todesurteilen Handlungen „zum Nachteil<br />

Dritter“ nicht nachgewiesen werden können.<br />

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Station Gießen, GIEßENER ANZEIGER, 15. Dezember 2011<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Denkmal</strong> für <strong>die</strong> ermordeten Juden Europas – <strong>Presse</strong>dokumentation<br />

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