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Berichterstattung in der Presse - Stiftung Denkmal für die ...

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Flut an Todesurteilen<br />

Während des Zweiten Weltkrieges <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> Kriegsgerichtsbarkeit als Terror<strong>in</strong>strument <strong>der</strong><br />

militärischen und politischen Führung. Denn nach Hitlers Machtübernahme erhielten <strong>die</strong> Militärjuristen<br />

praktisch unbegrenzte Möglichkeiten, gegen „<strong>in</strong>nere und äußere Fe<strong>in</strong>de“ vorzugehen.<br />

Und mit zunehmen<strong>der</strong> Kriegsdauer wurden denn auch „immer härtere Strafen, sowohl<br />

gegen Soldaten, als auch gegen Zivilisten aus den von <strong>der</strong> Wehrmacht besetzten Län<strong>der</strong>n verhängt“,<br />

erläutert <strong>der</strong> Kurator Dr. Ulrich Baumann beim Rundgang durch <strong>die</strong> Ausstellung. Geradezu<br />

e<strong>in</strong>e Flut von Todesurteilen wurde noch <strong>in</strong> den letzten Kriegswochen ausgesprochen.<br />

Darunter zahllose willkürliche Entscheidungen <strong>der</strong> Wehrmachtsgerichte, mit Begründungen<br />

wie „biologisch m<strong>in</strong><strong>der</strong>wertig“, „Typ des Volksschädl<strong>in</strong>gs“ o<strong>der</strong> „um <strong>die</strong> Manneszucht aufrecht<br />

zu erhalten“. Mundraub galt ebenso als todeswürdiges Verbrechen wie „Fahnenflucht“<br />

o<strong>der</strong> das diffuse Delikt des „Kriegsverrats“. Dazu zählte das Hören ausländischer Radiosen<strong>der</strong>,<br />

geäußerte Skepsis gegenüber dem „Endsieg“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „unerlaubte Umgang mit Kriegsgefangenen“.<br />

Mör<strong>der</strong>ische Übergriffe deutscher Soldaten gegen Zivilisten und Militärangehörige<br />

<strong>in</strong> Polen, Russland o<strong>der</strong> Serbien h<strong>in</strong>gegen wurden von <strong>der</strong> Wehrmachtsjustiz - wenn überhaupt<br />

- nur im Ansatz geahndet.<br />

Die von <strong>der</strong> „<strong>Stiftung</strong> <strong>Denkmal</strong> für <strong>die</strong> ermordeten Juden Europas“ konzipierte Wan<strong>der</strong>ausstellung<br />

gibt zunächst e<strong>in</strong>en profunden Überblick über <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> Militärjustiz - von <strong>der</strong><br />

Vorgeschichte über den organisatorischen Aufbau bis h<strong>in</strong> zur E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das nationalsozialistische<br />

Regime. Zudem wird ausführlich <strong>die</strong> Wehrmachtsgerichtsbarkeit von 1939 bis 1945<br />

beleuchtet. Im Zentrum aber stehen - farblich rot abgesetzt – <strong>die</strong> Lebenswege von Opfern <strong>der</strong><br />

Unrechtsjustiz. Ihre häufig nur bruchstückhaft überlieferten Biographien werden nachgezeichnet,<br />

ihr Handeln veranschaulicht und ganz verschiedene Formen von Unangepasstheit,<br />

Abweichung und Wi<strong>der</strong>stand vorgestellt. Etwa <strong>die</strong> - bislang unbekannte - Geschichte von<br />

Erich Batschauer, <strong>der</strong> aus Angst vor Diszipl<strong>in</strong>arstrafen <strong>in</strong> Brest heimlich se<strong>in</strong>e Truppe verließ.<br />

Ohneh<strong>in</strong> verdeutlicht <strong>die</strong> Ausstellung, dass nicht jede „Fahnenflucht“ e<strong>in</strong>e Wi<strong>der</strong>standshaltung<br />

war, dass ganz unterschiedliche Motive - etwa Sorge um <strong>die</strong> Familie – und spontane Entschlüsse<br />

zum Untertauchen führten. Beson<strong>der</strong>s perfide ist dabei <strong>die</strong> Begründung für das Todesurteil<br />

gegen Erich Batschauer. Weitaus bedeuten<strong>der</strong> als das unerlaubte Verlassen des<br />

Standorts waren für <strong>die</strong> Militärrichter nämlich se<strong>in</strong>e Herkunft, <strong>die</strong> schwachen Leistungen <strong>in</strong><br />

Schule und Beruf, Vorstrafen und se<strong>in</strong> Privatleben. Denn mit <strong>der</strong> zynischen Argumentation,<br />

„se<strong>in</strong> Leben, das bisher ke<strong>in</strong>en Wert hatte, wird dann vielleicht nicht nutzlos gewesen se<strong>in</strong>,<br />

wenn er jetzt durch se<strong>in</strong>en Tod an<strong>der</strong>en Kameraden e<strong>in</strong> abschreckendes Beispiel gibt“, wird<br />

se<strong>in</strong> Gesuch um Begnadigung Ende 1941 zurückgewiesen.<br />

___________________________________________________________________<br />

Station Gießen, GIEßENER ANZEIGER, 15. Dezember 2011<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Denkmal</strong> für <strong>die</strong> ermordeten Juden Europas – <strong>Presse</strong>dokumentation<br />

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