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Berichterstattung in der Presse - Stiftung Denkmal für die ...

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Die „Blutrichter“ und Wehrmachtsjuristen h<strong>in</strong>gegen mussten nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

kaum um ihre Positionen kämpfen. Nahtlos konnten sie - zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Westdeutschland - oft<br />

ihre Karrieren fortsetzen. Und <strong>die</strong> Legende <strong>der</strong> „sauberen“ und „unabhängigen“ Wehrmachtsjustiz<br />

aufrechterhalten. Deshalb vermag es auch nicht zu überraschen, dass <strong>die</strong> späte<br />

Grundsatzentscheidung des BGH vom November 1995 nur von e<strong>in</strong>er jungen unbelasteten Generation<br />

von Richtern gefällt werden konnte, <strong>die</strong> damit <strong>der</strong> früheren Rechtsprechung des<br />

Karlsruher Gerichts wi<strong>der</strong>sprachen.<br />

Reue und Unrechtsbewusstse<strong>in</strong> war vielen NS-Juristen völlig fremd. Auch Hans Filb<strong>in</strong>ger, <strong>der</strong><br />

1978 als M<strong>in</strong>isterpräsident von Baden-Württemberg zurücktrat. Im Zweiten Weltkrieg hatte er<br />

als Mar<strong>in</strong>erichter an Todesurteilen gegen Wehrmachtssoldaten mitgewirkt. Doch mit den<br />

Worten „Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht se<strong>in</strong>“ verteidigte er weiterh<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e Position. Und auf <strong>die</strong>ses Zitat geht <strong>der</strong> Titel <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ausstellung zurück. Zur Universitätsstadt<br />

Marburg gibt es unterdessen weitere bemerkenswerte Bezüge: Zum e<strong>in</strong>en haben<br />

sich <strong>die</strong> früheren NS-Kriegsrichter dort mehrfach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verb<strong>in</strong>dungshaus dem „frohen Erlebnis<br />

des Wie<strong>der</strong>sehens gewidmet“. Zum an<strong>der</strong>en hat mit dem Rechtswissenschaftler Erich<br />

Schw<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong> Experte für Militärstrafrecht im Nationalsozialismus und gnadenloser Wehrmachtsrichter<br />

nach dem Krieg an <strong>der</strong> Philipps-Universität gelehrt, war als Dekan sowie 1954<br />

gar als Rektor <strong>der</strong> Hochschule aktiv. Zunächst hatte sich Schw<strong>in</strong>ge im „Dritten Reich“ als<br />

Kommentator des Militärstrafgesetzbuches e<strong>in</strong>en Namen gemacht und war vehement für e<strong>in</strong>e<br />

Verschärfung <strong>der</strong> Rechtsprechung e<strong>in</strong>getreten. Jede Abweichung sei auf das Härteste zu bestrafen,<br />

<strong>die</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong> „Manneszucht“ das oberste Pr<strong>in</strong>zip. Ab 1941 dann war<br />

Schw<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Wien selbst als Militärrichter und Ankläger tätig. Dort setzte er <strong>in</strong> mehreren Fällen<br />

<strong>die</strong> H<strong>in</strong>richtung von Wehrmachtssoldaten durch. Auch <strong>der</strong> 17-jährige Anton Reschny wurde<br />

dabei zum Tode verurteilt. Wegen des Diebstahls e<strong>in</strong>er leeren Geldbörse und zweier Uhren.<br />

Aber <strong>die</strong>se Strafe<br />

schien selbst SS-Führer He<strong>in</strong>rich Himmler, <strong>der</strong> ab 1944 Befehlshaber des Ersatzheeres war, zu<br />

hart. Als Gerichtsherr - <strong>die</strong>sem oblag <strong>die</strong> Bestätigung <strong>der</strong> Urteile - wandelte er das<br />

Todesurteil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zuchthausstrafe um.<br />

Denunziation <strong>in</strong> Gießen<br />

Bereits 1946 setzte Schw<strong>in</strong>ge se<strong>in</strong>e Laufbahn an <strong>der</strong> Uni Marburg fort. Dort unterrichtete er<br />

jahrelang Jurastudenten und verteidigte Wehrmachtsgeneräle, <strong>die</strong> im Ausland wegen Verbrechen<br />

gegen <strong>die</strong> Menschlichkeit angeklagt waren. Erst <strong>in</strong> den 1960er Jahren kam es schließlich<br />

zu Protesten und kritischen Berichten über se<strong>in</strong>e NS-Vergangenheit. E<strong>in</strong>e Zeitschrift, <strong>die</strong> im<br />

April 1964 <strong>die</strong> Amtsenthebung Schw<strong>in</strong>ges for<strong>der</strong>te, verklagte <strong>der</strong> Juraprofessor wegen Ehrverletzung.<br />

Tatsächlich erhielt er e<strong>in</strong>e Entschädigung von 30 000 Mark - <strong>die</strong> höchste Summe, <strong>die</strong><br />

bis dah<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em presserechtlichen Verfahren e<strong>in</strong>em Kläger zugesprochen worden war.<br />

Schw<strong>in</strong>ge blieb im Hochschul<strong>die</strong>nst und verfasste gar e<strong>in</strong> Gutachten gegen <strong>die</strong> Rehabilitierung<br />

von verurteilten Kriegs<strong>die</strong>nstverweigerern, Deserteuren und „Wehrkraftzersetzern“.<br />

___________________________________________________________________<br />

Station Gießen, GIEßENER ANZEIGER, 15. Dezember 2011<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Denkmal</strong> für <strong>die</strong> ermordeten Juden Europas – <strong>Presse</strong>dokumentation<br />

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