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Abendprogramm (PDF) - Philharmonie Luxembourg

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Worte des Textes offenbaren – «Requiem aeternam dona eis,<br />

Domine: et lux perpetua luceat eis». Die diesen Bitten zugrunde<br />

liegenden eschatologischen Horrorvisionen wurden von den protestantischen<br />

Konfessionen jedoch entschieden abgelehnt. «Demnach<br />

haben wir in unsern Kirchen die päpstlichen Greuel, als Vigilien,<br />

Seelenmessen, Begängnis, Fegefeuer und alles andere Gaukelwerk,<br />

für die Toten getrieben, abgetan und rein ausgefegt. […]<br />

Singen auch kein Trauerlied noch Leidgesang bei unsern Toten<br />

und Gräbern, sondern tröstliche Lieder […] damit unser Glaube<br />

gestärkt und die Leute zu rechter Andacht gereizt werden», stellte<br />

Martin Luther einer Sammlung von Begräbnisliedern voran.<br />

Protestantische Trauermusik entwickelte sich als Alternative zum<br />

lateinischen Requiem und ist eindrücklich in Heinrich Schütz’<br />

Musicalischen Exequien oder Johann Sebastian Bachs Trauerkantaten<br />

überliefert. An dieser protestantischen Tradition orientierte<br />

sich Johannes Brahms. Das Libretto stellte er sich selbst mit dem<br />

Ziel der Tröstung der Lebenden aus verschiedenen Bibelstellen<br />

zusammen. Der Brahms’ Requiem zugrunde liegende Trostgedanke<br />

bezieht sich nicht auf die Heilsgewissheit einer transzendentalen<br />

Gegenwelt, sondern richtet sich auf das Hier und Jetzt. Ein expliziter<br />

Christus-Bezug fehlt ganz – undenkbar in einem katholischen<br />

Requiem, in und mit dem das eucharistische Opfer speziell<br />

für den Verstorbenen dargebracht wird. Dieser Mangel wurde<br />

in der Uraufführung kompensiert, indem dem bis dahin sechsteiligen<br />

Werk eine Arie aus Georg Friedrich Händels Messias eingeschoben<br />

wurde. Vor allem war diese Konzession wohl dem<br />

Aufführungsdatum, Karfreitag, geschuldet. Denn grundsätzlich<br />

traf Brahms auch mit der Textwahl den Nerv seiner Zeit: Der persönliche<br />

Glauben war längst individualisiert und brauchte auf<br />

Konventionen wie die Eucharistie keine Rücksicht zu nehmen.<br />

Ein religiöses Defizit bei Brahms zu vermuten, wäre denn auch<br />

falsch. Lesespuren in seiner Bibel wie in anderen theologischen<br />

Schriften bilden einen selbstverständlichen, aber eben privaten<br />

und recht pragmatischen Glauben ab. Der starke Gott, der schwache<br />

Mensch und ‹das rechte Leben› sind Felder, die Brahms’ religiöse<br />

Reflexion vor allem bestimmten. Nach diesen Kriterien stellte<br />

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