07.09.2014 Aufrufe

Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 24 Nr. 4 ...

Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 24 Nr. 4 ...

Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 24 Nr. 4 ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FMH-Quiz<br />

<strong>Vol</strong>. <strong>24</strong> <strong>Nr</strong>. 4 2013<br />

FMH Quiz 55<br />

Fallvorstellung<br />

Ein 10-jähriger afro-amerikanischer Junge<br />

kommt zu Ihnen in die Praxis mit einer Geschichte<br />

von Magenschmerzen, Übelkeit, Blähungen<br />

und Durchfällen, die seit einem Jahr<br />

bestehen und etwa 45 bis 60 Minuten nach<br />

Genuss von Milchprodukten auftreten. Er<br />

sagt, dass diese Symptome erst auftreten,<br />

wenn er «zu viel» gegessen hat. Er zeigt kein<br />

Erbrechen, keinen Pruritus und hat nie Blut<br />

erbrochen o<strong>der</strong> ausgehustet. Die klinische<br />

Untersuchung zeigt einen Jungen in gutem<br />

Allgemeinzustand mit normalen Vitalparametern.<br />

Der Bauch ist weich mit normalen Darmgeräuschen,<br />

die Suche nach okkultem Blut im<br />

Stuhl ist negativ.<br />

Frage<br />

Welches ist die wahrscheinlichste Ursache für<br />

die beschriebene Symptomatik?<br />

Antworten<br />

A. Allergische eosinophile Gastro-Enteritis<br />

B. Laktoseintoleranz<br />

C. Kuhmilchproteinallergie<br />

D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis<br />

E. Orales Allergiesyndrom<br />

Kommentar<br />

1. Welches ist die wahrscheinlichste<br />

Diagnose?<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Anamnese kann eine rasch<br />

(aber nicht unmittelbar) nach Einnahme milchhaltiger<br />

Produkte eintretende Diagnose vermutet<br />

werden. Die beschriebene klinische<br />

Präsentation mit<br />

• Schmerzen, Blähungen und Durchfall, jedoch<br />

• ohne Erbrechen, Hämatemesis, Blutabgang<br />

ab ano, chronische Diarrhö o<strong>der</strong> Fettstühle<br />

lässt vermuten, dass es sich we<strong>der</strong> um Protein<br />

noch Fett, son<strong>der</strong>n um Laktose als Auslöser<br />

handelt.<br />

Aufgrund des Alters (> 5 Jahre), <strong>der</strong> Herkunft,<br />

<strong>der</strong> sonst guten Gesundheit und <strong>der</strong> unauffälligen<br />

körperlichen Untersuchungsbefunde kann<br />

mit genügen<strong>der</strong> Sicherheit die klinische Diagnose<br />

einer Laktoseintoleranz gestellt werden.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Differentialdiagnose <strong>der</strong> Laktoseintoleranz<br />

kann ein kongenitaler Laktasemangel,<br />

<strong>der</strong> ohne Behandlung innerhalb weniger<br />

Tage tödlich verliefe, selbstverständlich<br />

ausgeschlossen werden. In <strong>der</strong> Gruppe sekundärer<br />

Laktoseintoleranz können eine Cystische<br />

Fibrose, ein Morbus Crohn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,<br />

eine Parasitose (Lamblien) sowie die übermässige<br />

Verabreichung von Antibiotika o<strong>der</strong><br />

Protonenpumpenhemmer ausgeschlossen<br />

werden. Eine Zöliakie muss (je nach Resultat<br />

einer probatorischen Therapie – siehe unten)<br />

in einer Population mit erhöhter Prävalenz<br />

(zum Beispiel Italien mit 1:200 Kin<strong>der</strong>) vermutet<br />

werden, erscheint dagegen bei einem Kind<br />

afrikanischer Herkunft wenig wahrscheinlich.<br />

Zudem wäre die beschriebene Manifestation<br />

sehr atypisch, trotz <strong>der</strong> bekanntermassen mannigfaltigen<br />

Manifestationen einer Zöliakie.<br />

Klinisch handelt es sich somit um eine primäre<br />

Laktoseintoleranz, die im englischen<br />

Sprachgebrauch auch als «ethnisch bedingt»<br />

bezeichnet wird – <strong>der</strong> Begriff weist auf die<br />

erhöhte Prävalenz in bestimmten Bevölkerungen<br />

hin: Afrika 65–75% und gewisse asiatische<br />

Regionen sowie amerikanische Ureinwohner<br />

> 90%.<br />

2. Weitere vorgeschlagene<br />

Differentialdiagnosen:<br />

E. Orales Allergiesyndrom, auch als gekreuzte<br />

Allergie bezeichnet. Es wird davon<br />

ausgegangen, dass es sich um eine Kontaktallergie<br />

bei Patienten mit allergischer Rhinitis<br />

handelt. Die Symptome sind auf den Oropharynx<br />

beschränkt; dazu gehören das praktisch<br />

unmittelbare Auftreten von Juckreiz, Irritation<br />

und Schwellung <strong>der</strong> Lippen, Zunge, Gaumen<br />

und Rachen nach Einnahme von Früchten<br />

o<strong>der</strong> frischem, beziehungsweise ungekochtem<br />

Gemüse. Die klinische Beschreibung bei<br />

diesem Patienten stimmt damit nicht überein.<br />

C. Kuhmilchproteinallergie<br />

D. Kuhmilchproteinbedingte Enterokolitis<br />

Eine Kuhmilproteinallergie manifestiert sich<br />

meist bereits während <strong>der</strong> ersten Lebensmonate,<br />

wobei IgE-vermittelte und nicht-IgEvermittelte<br />

Formen vorkommen:<br />

IgE-vermittelte Reaktionen treten in <strong>der</strong><br />

Regel innerhalb von wenigen Minuten bis 2<br />

Stunden nach Einnahme auf. Zu den Symptomen<br />

gehören Hautmanifestationen (Juckreiz,<br />

Urtikaria), Beschwerden im Oropharynx (Juckreiz,<br />

Schwellung <strong>der</strong> Lippen),Stridor, respiratorische<br />

(Husten, Asthmaanfall) und kardiovaskuläre<br />

(bis zum anaphylaktischen Schock)<br />

Symptome sowie gastro-intestinale Beschwerden,<br />

zumeist mit Erbrechen.<br />

Die durch Nahrungsmittel, beziehungsweise<br />

spezifisch durch Kuhmilchproteine bedingte,<br />

Enterokolitis (food protein-induced enterocolitis<br />

syndrome, FPIES) kann sich auf zwei<br />

verschiedene Arten manifestieren: Typischerweise<br />

2–4 Stunden nach dem ersten Kontakt,<br />

o<strong>der</strong> nach einer (unbeabsichtigten) Re-Exposition<br />

treten Erbrechen und massive Durchfälle<br />

auf, welche zu Dehydratation und Lethargie<br />

sowie bis zum Schock führen können.<br />

Die chronische Exposition mit dem verantwortlichen<br />

Agens führt zu Erbrechen, Durchfällen,<br />

Gedeihstörung und bisweilen zu einer<br />

Hypalbuminämie.<br />

Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen treten in<br />

<strong>der</strong> Regel nach einer längeren Latenzzeit (> 2<br />

Stunden) auf.<br />

Die Symptomatik beim beschriebenen Patienten<br />

ist we<strong>der</strong> mit einer IgE-vermittelten noch<br />

mit einer nicht-IgE-vermittelten Reaktion vereinbar.<br />

A. allergische eosinophile<br />

Gastro-Enteritis<br />

Die allergische eosinophile Gastro-Enteritis<br />

kann in jedem Alter auftreten. Sie manifestiert<br />

sich durch Übelkeit, Abdominalschmerzen,<br />

Durchfall, Malabsorption und Gewichtsverlust,<br />

wobei die Symptome abhängig von<br />

<strong>der</strong> Ausdehnung <strong>der</strong> betroffenen Darmabschnitte<br />

sind. Rund die Hälfte <strong>der</strong> Betroffenen<br />

haben zusätzlich eine atopische Diathese;<br />

Nahrungsmittelallergien, Asthma, Ekzeme<br />

und Rhinitis.<br />

Im Gegensatz zur eosinophilen Oesophagitis<br />

bewirkt das Vermeiden von Nahrungsmittelallergenen<br />

jedoch keine o<strong>der</strong> keine wesentliche<br />

klinische Besserung bei den betroffenen Patienten.<br />

Teilweise vermag die beim Patienten beschriebene<br />

akute Symptomatik mit dieser Diagnose<br />

übereinzustimmen; die fehlende Angabe einer<br />

Atopie und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> sehr gute Allgemeinzustand<br />

ein Jahr nach Beginn <strong>der</strong> Symptomatik<br />

sprechen jedoch dagegen.<br />

50

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!