tgw herbst 2013.qxd - Tagwerk
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Die Preise für Bio-Ware sind gesunken,<br />
die Lebenshaltungskosten steigen unaufhörlich,<br />
der Betrieb ist dabei aber<br />
nicht gewachsen. Toni und Regina<br />
Brandl bewirtschaften insgesamt 12<br />
Hektar Land und haben 12 Stück Milchvieh<br />
mit Hörnern, die im Sommer auf<br />
der Weide sind. Das Besondere daran:<br />
sie bewirtschaften den Betrieb im<br />
Haupterwerb. Auch wenn Regina seit<br />
einiger Zeit einem 400-Euro-Job nachgeht,<br />
“damit Toni sich bei seinen AbL-<br />
Veranstaltungen ein Bier leisten kann”,<br />
wie sie schmunzelnd sagt.<br />
Einer der vier<br />
Gründungs-Bauern<br />
Für große Investitionen reicht das Geld aber<br />
nicht, und es ist absehbar, dass dieser Betrieb<br />
in der nächsten Generation so nicht weitergeführt<br />
werden kann. Klar wäre es schön,<br />
wenn es mit dem Hof irgendwie weiterginge,<br />
Regina und Toni sind grundsätzlich für<br />
alles offen, wissen aber auch, dass sich die<br />
Kinder nicht in den Hof „reindrücken“ lassen.<br />
Immerhin: von ihren vier Kindern haben die<br />
drei älteren grüne Berufe gewählt: Sebastian<br />
(25) ist Landschaftsgärtner, Simon (23)<br />
steht kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung<br />
zum Wanderschäfer, Stefan (21) lernt<br />
den Gärtnerberuf in Höhenberg. Also allerhand<br />
junge Perspektive für den Hof. Wie sich<br />
die Jüngste, Maria (16), einmal orientieren<br />
wird, wird sich zeigen; sie fängt gerade an<br />
der Fachoberschule an.<br />
Die Brandls haben bewegte und interessante<br />
Zeiten erlebt. 1984 war Toni Brandl<br />
einer von den vier Bauern, die die TAGWERK-<br />
Genossenschaft mit aus der Taufe gehoben<br />
haben. Aber auch sonst war immer viel los<br />
auf dem TAGWERK-/Bioland-Betrieb in<br />
Burdberg. Es ist ein offenes Haus, viele Menschen<br />
gehen ein und aus: Praktikanten, Exkursionsteilnehmer,<br />
Zeltlagergruppen. In der<br />
Wohnküche wird so manche Veranstaltung<br />
für die AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche<br />
Landwirtschaft) ausgeheckt. Hinter dem Stall<br />
Die behornten Kühe der Brandls weiden mitten<br />
im Hügelland der Gatterberge<br />
sind noch eine ganze Reihe von jungen<br />
Pflaumenbäumen eingebuddelt, alles alte<br />
Sorten, in Sachsen-Anhalt vor der Rodung<br />
gerettet, auf der Suche nach Abnehmern.<br />
Auch waren die Brandls offen für manches,<br />
„des ma scho derpacka muaß“, wie Toni sich<br />
ausdrückt, als er vom Gatterberger Open Air<br />
spricht. Für dieses Event hat er ein paar Mal<br />
eine Wiese zur Verfügung gestellt. Bei<br />
schlechtem Wetter glich die Wiese danach<br />
einem Schlammbad, und den haufenweise<br />
zurückgelassenen Müll musste er auch noch<br />
entsorgen. Heute wachsen auf dieser Wiese<br />
Haselnuss-Sträucher, ein neues Standbein<br />
der Brandls. In seinem „Agroforst-System“<br />
erntet Toni nun von der Wiese nicht nur Gras,<br />
sondern auch Nüsse. In der Konkurrenz zum<br />
Gras wachsen die Sträucher langsamer und<br />
wurzeln tiefer, aber dafür tragen sie viele<br />
Nüsse und überstehen trockene Sommer<br />
deutlich besser als Haselnüsse in Monokulturen.<br />
Auch wenn es nie für große Sprünge<br />
reichte, so sind die Brandls zufrieden mit<br />
dem, was sie geschafft haben. Ihnen fehlt es<br />
im Grunde an nichts, ihre Kinder hatten eine<br />
schöne Zeit auf dem Hof und lernten gerade<br />
auch bei der Pflege der alten Großeltern die<br />
Würde des menschlichen Lebens kennen.<br />
„Eine kostbare Erfahrung”, meint Regina.<br />
Michael Rittershofer<br />
7| Portrait