LEUCHTTURM 112
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<strong>LEUCHTTURM</strong><br />
22<br />
Beitrag zur Stolperstein-Verlegung zum Gedenken an<br />
Friederike und Moritz Lachmann<br />
im Namen der<br />
GEW-Aurich<br />
Franz Kampers,<br />
8.11.2011<br />
An diesem Ort verlegen wir<br />
Stolpersteine zum Gedenken<br />
an Friederike und Moritz<br />
Lachmann. Beide haben hier<br />
von November 1938 bis März<br />
1939 gewohnt; in der<br />
Pogromnacht waren sie wie die<br />
anderen Auricher Juden, nachdem<br />
die Nazis die Synagoge<br />
niedergebrannt hatten, wie Vieh<br />
durch durch die Stadt getrieben<br />
worden, bezeichnenderweise zur<br />
Bullenhalle. Die Familie des<br />
Bruders von Friederike Lachmann,<br />
Joseph Hess, besaß das<br />
Haus hier am Markt 15 und<br />
nahm danach Friederike und<br />
Moritz bei sich auf.<br />
An dieser Stelle wollte ich meiner<br />
Freude Ausdruck verleihen, dass der<br />
Enkel des Ehepaares Hess, Roberto<br />
Lichtenstein, aus Buenos Aires<br />
angereist sei, heute bei der Stolperstein-Verlegung<br />
für seine Großtante<br />
und seinen Großonkel dabei sein<br />
könne und ein paar Worte an uns<br />
richten würde. Leider musste er<br />
vorgestern Hals über Kopf wieder<br />
aus Aurich abreisen. Elfriede oder<br />
Günther Lübbers werden aber gleich<br />
noch etwas dazu ausführen.<br />
Dank der hervorragenden<br />
Vorarbeit durch das Auricher<br />
Staatsarchiv konnten wir einige<br />
Informationen zusammentragen,<br />
insbesondere natürlich zum<br />
Leben des Lehrers Moritz<br />
Lachmann, leider weniger zu<br />
seiner Frau Friederike; denn<br />
auch Anfang des letzten Jahrhunderts<br />
schon wurden die<br />
Ereignisse rund um öffentliche<br />
Institutionen, wie z. B. Schulen<br />
und Religionsgemeinschaften,<br />
relativ umfangreich dokumentiert.<br />
Moritz Lachmann kam als 21<br />
Jähriger im Jahre 1895 als<br />
Junglehrer zur Ausbildung an<br />
die Jüdische Schule nach Bunde.<br />
Hier lernte er auch Friederike<br />
Hess kennen, die in Papenburg<br />
aufgewachsen war. Nach zwei<br />
Jahren übernahm Moritz Lachmann<br />
die Tätigkeit als Kultusbeamter<br />
und Religionslehrer an<br />
der Jüdischen Schule in Wittmund.<br />
1898 bestand er seine II.<br />
Prüfung am israelitischen Lehrerseminar<br />
in Cassel.<br />
Friederike und Moritz heirateten<br />
im Jahre 1900 in Wittmund.<br />
Sie wohnten - wie es damals<br />
üblich war - in der Lehrerwohnung<br />
über der Jüdischen Schule.<br />
Ihre drei Söhne wurden in<br />
Wittmund geboren und gingen<br />
wohl auch beim Vater in die<br />
Schule.<br />
Da ich selbst Lehrer bin, hat<br />
mich besonders interessiert, was<br />
im Staatsarchiv zum Unterricht<br />
und Schulleben der Jüdischen<br />
Schule dokumentiert ist. Hier<br />
nur ein paar Schlaglichter dazu:<br />
Die Schule war eine einzügige<br />
Volksschule, die einen allgemeinbildenden<br />
sowie religionskundlichen<br />
Auftrag hatte; täglich<br />
gab es 3 Vormittags- und 2<br />
Nachmittags-Stunden, aber nicht<br />
am Sabbath, - und an Sonnund<br />
Feiertagen nur vormittags.<br />
Moritz Lachmann erhielt ein<br />
Bargehalt durch die Synagogengemeinde,<br />
sowie freie Wohnung<br />
und Feuerung. Der Unterricht<br />
stand unter der Aufsicht und<br />
Inspektion des Landesrabbiners.<br />
Neben Unterricht und Schulorganisation<br />
hatte Moritz Lachmann<br />
noch Aufgaben als<br />
Vorbeter und Schächter in den<br />
Synagogengemeinden Wittmund<br />
sowie Carolinensiel. Außerdem<br />
war er viele Jahre<br />
Schriftführer des Männergesangsvereins<br />
und Mitbegründer<br />
der freiwilligen Sanitätskolonne,<br />
einer Vorläuferin des heutigen<br />
DRK.<br />
Im Jahre 1911 bezog die<br />
Jüdische Schule einen Neubau,<br />
sie hatte zu diesem Zeitpunkt 18<br />
Schülerinnen und Schüler.<br />
Schon13 Jahre später musste die<br />
Schule aus Kosten-gründen<br />
geschlossen werden, da nur noch<br />
wenige Kinder diese besuchten.<br />
Moritz Lachmann wurde gekündigt<br />
und in den vorläufigen<br />
Ruhestand versetzt.<br />
Deshalb zog die Familie im<br />
Jahre 1926 nach Aurich, wo er<br />
eine Anstellung als so genannter<br />
„Zweiter Lehrer“ und Kultusbeamter<br />
an der Jüdischen Schule<br />
fand. Die Familie bezog eine<br />
Wohnung im Obergeschoss der<br />
Schule, Kirchstraße 13, direkt<br />
neben der Synagoge.