die Bioküche Gutsküche - "Guter Geschmack ist ein Stück Heimat" (Vorschau)
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www.<strong>die</strong>-biokueche.de<br />
..<br />
17877<br />
<strong>die</strong><br />
<strong>Gutsküche</strong><br />
„<strong>Guter</strong> <strong>Geschmack</strong><br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>Stück</strong> Heimat“<br />
Fast Food mit Bio-Stempel<br />
Brotreste sinnvoll verwerten<br />
Kulinarische Reise in <strong>die</strong> Türkei
Moderne Ratgeber zu aktuellen Themen<br />
Angelika Diem<br />
Nicht schlank? Na und!<br />
Weg vom Diätfrust und<br />
<strong>ein</strong>fach gut leben<br />
m ISBN 978-3-941717-07-7<br />
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8 Ebook: ISBN 978-3-941717-14-5<br />
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Sylvia Görnert-Stuckmann<br />
Wohnen im Alter<br />
Mögliche und funktionierende Wohnkonzepte<br />
anhand konkreter Beispiele<br />
m ISBN 978-3-941717-01-5<br />
162 Seiten, gebunden,<br />
14,80 Euro<br />
8 Ebook: ISBN 978-3-941717-04-6<br />
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Susanne Ahrndt<br />
Gründen mit Erfolg<br />
Praxiserprobter Ratgeber für<br />
künftige Unternehmer<br />
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198 Seiten, gebunden<br />
19,80 Euro<br />
8 Ebook: ISBN 978-3-941717-13-8<br />
12,99 Euro<br />
Sylvia Görnert-Stuckmann<br />
Hilfen im Alter<br />
Zeigt alle Möglichkeiten heutiger<br />
Altenpflege für Betroffene und<br />
Angehörige<br />
m ISBN 978-3-941717-02-2<br />
102 Seiten, gebunden<br />
14,80 Euro<br />
8 Ebook: ISBN 978-3-941717-05-3<br />
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Maria Lohmann<br />
So wirken Schüßler-Salze<br />
Die besten Heilanwendungen<br />
Vermittelt <strong>die</strong> wichtigsten Informationen<br />
über das beliebte Heilverfahren<br />
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138 Seiten, gebunden<br />
14,80 Euro<br />
8 Ebook: ISBN 978-3-941717-17-6<br />
6,99 Euro<br />
Doro Kammerer<br />
Natürliche Hausapotheke<br />
Für alle, <strong>die</strong> auf natürliche Art und Weise<br />
gesund bleiben wollen<br />
m ISBN 978-3-941717-06-0<br />
212 Seiten, gebunden<br />
14,80 Euro<br />
8 Ebook: ISBN 978-3-941717-12-1<br />
6,99 Euro (epub)<br />
Hans-Dieter Schadt<br />
Ältere Fachkräfte<br />
beschäftigen<br />
Ein Ratgeber für Betriebe<br />
im demografischen Wandel<br />
m ISBN 978-3-941717-08-4<br />
186 Seiten, gebunden<br />
19,80 Euro<br />
Birgit Kaltenthaler/Susanne Oswald<br />
Optim<strong>ist</strong>en leben besser<br />
Neue Energie schöpfen aus der Seele<br />
m ISBN 978-3-941717-03-9<br />
124 Seiten, gebunden<br />
14,80 Euro<br />
8 Ebook: ISBN 978-3-941717-11-4<br />
4,99 Euro (epub)<br />
Heike Ulrich<br />
Zen Shiatsu<br />
50 Übungen für Anfänger und<br />
Fortgeschrittene in Wort und<br />
Bild beschrieben<br />
m ISBN 978-3-941717-09-1<br />
110 Seiten, gebunden<br />
Euro 12,95<br />
Maria Lohmann<br />
Natürliche Hausmittel<br />
Bewährte Erfolgsrezepte<br />
aus der Naturheilkunde<br />
m ISBN 978-3-941717-18-3<br />
132 Seiten, gebunden<br />
14,80 Euro<br />
BC Publications GmbH, Paul-Gerhardt-Allee 46, D-81245 München<br />
www.bc-publications.de
Editorial<br />
Versuch und Irrtum<br />
Vieles im Leben unterliegt dem Gesetz von „Versuch und Irrtum“.<br />
Bei <strong>die</strong>ser durchaus wissenschaftlichen Methode sollen Probleme<br />
gelöst werden. Es werden so lange zulässige Lösungsmöglichkeiten<br />
probiert, bis <strong>die</strong> gewünschte Lösung gefunden wird. Dabei<br />
wird oft bewusst auch <strong>die</strong> Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf genommen.<br />
In der Umgangssprache bezeichnet man <strong>die</strong>se Vorgehensweise<br />
als „Ausprobieren“ – so Wikipedia. Unsere Entscheidungen<br />
in Beruf und Alltag, unsere Partner- und Berufswahlen etc. – das<br />
alles sind im Grunde genommen Experimente mit ungewissem Ausgang.<br />
Am Anfang steht aber immer: Man lässt sich <strong>ein</strong> auf Neues,<br />
auf Ungewisses, auf noch nicht Erprobtes. Ob etwas gut geht oder<br />
nicht, hängt dann von vielen verschiedenen Faktoren ab.<br />
Die BIOküche wird – und das <strong>ist</strong> heute <strong>die</strong> schlechte Nachricht –<br />
mit <strong>die</strong>ser Ausgabe <strong>ein</strong>gestellt. Wir verbuchen das allerdings nicht<br />
als Misserfolg, sondern als guten Versuch, der letztendlich jedoch nicht in Einklang zu bringen war<br />
mit der künftigen Ausrichtung des Verlags.<br />
Die Einstellung erfolgt unter dem Gesichtspunkt, sich künftig auf unsere Kernkompetenzen zu konzentrieren.<br />
Damit fokussiert sich <strong>die</strong> Verlag Neuer Merkur GmbH nun verstärkt auf <strong>die</strong> Bereiche Dentaltechnik<br />
und Medizin sowie Hauswirtschaft und Bio-Handel. Das umfassende Print- und Online-Informationsangebot<br />
für <strong>die</strong> Zielgruppen der Verlag Neuer Merkur GmbH soll auf <strong>die</strong>se Weise konsoli<strong>die</strong>rt<br />
und weiter ausgebaut werden. Somit sollen weitere Aktivitäten in <strong>die</strong>sen Bereichen vorangetrieben<br />
und gestärkt werden.<br />
Ich möchte an <strong>die</strong>ser Stelle allen BIOküche-Verantwortlichen, Autoren und Kollegen danken. Alle,<br />
<strong>die</strong> an <strong>die</strong>sem Blatt mitgearbeitet haben, taten <strong>die</strong>s mit vollem Einsatz und hoher Motivation. Ganz<br />
besonders danken möchte ich in <strong>die</strong>sem Zusammenhang der scheidenden Chefredakteurin Chr<strong>ist</strong>iane<br />
Manow-LeRuyet. Sie hat es verstanden, aus dem Blatt <strong>ein</strong>e interessante, ideenreiche, inhaltlich wie<br />
optisch ansprechende Zeitschrift zu machen, <strong>die</strong> in der Branche auf Aufmerksamkeit stieß. Danken<br />
möchte ich auch den Kunden und Lesern der BIOküche, <strong>die</strong> uns so lange <strong>die</strong> Treue gehalten haben.<br />
Ein kl<strong>ein</strong>es Trostpflaster zum Schluss: Sie finden auch weiterhin Artikel und Rezepte auf unserer Webseite<br />
: www.<strong>die</strong>-biokueche.de<br />
Ihre<br />
Dr. Angelika Schaller<br />
Redaktionsdirektorin<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 3
Bestens<br />
vorbereitet für<br />
<strong>die</strong> Umsetzung<br />
der LMIV<br />
fotolia © alx 1406036 September 2014<br />
Allergeninformationspflicht<br />
Fortbildung für verantwortungs -<br />
bewusste Gastgeber<br />
Das Thema Allergenmanagement beherrscht derzeit <strong>die</strong> Küchenbranche.<br />
Denn ab dem Stichtag 13. Dezember 2014<br />
muss <strong>die</strong> Allergenkennzeichnung auf Speisekarten und -plänen<br />
endgültig in allen Betrieben, <strong>die</strong> Produkte zum sofortigen<br />
Verzehr anbieten, umgesetzt s<strong>ein</strong>.<br />
Als verantwortlicher Küchenprofi in der Gastronomie (ob Gem<strong>ein</strong>schaftsgastronomie,<br />
Restaurant, Großküche, Kantine,<br />
Imbiss oder Catering) führt für Sie nach Ablauf der Übergangsfr<strong>ist</strong><br />
k<strong>ein</strong> Weg an der LMIV (EU-Lebensmittel-Informationsverordnung)<br />
vorbei.<br />
Seien Sie <strong>ein</strong> guter Gastgeber für Allergiker!<br />
Allergen-Management für verantwortliche Gastronomen bedeutet<br />
nicht nur <strong>die</strong> Überprüfung aller Rezepturen auf Allergene,<br />
sondern am besten <strong>die</strong> Realisation innerhalb <strong>ein</strong>es<br />
HACCP-Konzeptes.<br />
Themen und Inhalte:<br />
Grundlagen zu Lebensmittel-Unverträglichkeiten und<br />
Lebensmittel-Allergien<br />
Professioneller Umgang mit den häufigsten<br />
Aller genen in Lebensmitteln<br />
Was fordert <strong>die</strong> LMIV?<br />
Kennzeichnung von verpackter Ware<br />
Deklaration von Allergenen auf der Speisekarte<br />
Umsetzung der Kennzeichnung<br />
Jetzt anmelden!<br />
Bereits über 400 Teilnehmer haben<br />
unsere Allergenseminare 2014 be -<br />
sucht. Profitieren Sie jetzt von drei speziellen<br />
Terminen für <strong>die</strong> Gastronomie!<br />
8. November 2014 in Stuttgart<br />
13. Dezember 2014 in Würzburg<br />
28. Februar 2015 in Düsseldorf<br />
20,- EUR Rabatt für <strong>Bioküche</strong>- und<br />
foodwelt-Abonnenten.<br />
Weitere Informationen und<br />
Onlineanmeldung unter:<br />
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Wir freuen uns auf Sie!<br />
Referentin:<br />
Carola R<strong>ein</strong>er,<br />
CCR Unternehmensberatung<br />
Ihre Ansprechpartnerin:<br />
Birgit Hemscheidt<br />
Telefon: (0 89) 31 89 05-15<br />
VNM<br />
AKADEMIE<br />
VNM Akademie – Ein Unternehmensbereich der Magical Media GmbH<br />
Telefon: 089/31 89 05-15 • Fax: 089/31 89 05-53<br />
akademie@vnmonline.de • www.vnm-akademie.de
Inhalt<br />
3<br />
5<br />
6<br />
10<br />
12<br />
14<br />
17<br />
20<br />
Editorial<br />
Inhalt<br />
Notizen<br />
Entdeckt<br />
Bio-Fleisch auf Knopfdruck<br />
Zurück in <strong>die</strong> Zukunft<br />
Im Blick<br />
Vorsicht! Heiß und fettig …<br />
Schwerpunkt<br />
Fast-Food mit Bio-Stempel<br />
Esskultur<br />
Per Klick auf <strong>ein</strong>e kulinarische Reise in <strong>die</strong> Türkei<br />
23<br />
26<br />
Regionales<br />
Die Vision liegt in der Natur<br />
Hinterm Korken: Die besten Seiten<br />
von echtem Charakterobst<br />
28<br />
30<br />
Resteküche<br />
Altbacken neu interpretiert<br />
Buchtipps<br />
31<br />
33<br />
34<br />
Genusswelt<br />
Hauptsache scharf<br />
Impressum, Bezugsquellen<br />
Zum Nachdenken<br />
Mütter und Studenten sind schuld<br />
Hintergrund: drubig-photo/fotolia.com<br />
:<br />
www.facebook.com/<strong>die</strong>biokueche<br />
www.twitter.com/<strong>die</strong>biokueche<br />
www.pinterest.com/<strong>die</strong>biokueche<br />
5
Notizen<br />
Rita <strong>ist</strong> mit’m Radl da<br />
Foto: R<strong>ein</strong>hard Gessl<br />
wir sind mit’m Radl da“, singt Rita in Wien – oder besser gesagt, <strong>ein</strong>er ihrer Mitarbeiter:<br />
„Rita bringt’s“ <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> Lieferservice, der frisch zubereitete vegetarische Mittagessen<br />
„Ja,<br />
per Fahrradkurier ins Büro oder nach Hause bringt. Wenn bis 16 Uhr am Vortag bestellt<br />
wurde, kommen <strong>die</strong> gewünschten Speisen zwischen 10 und 12 Uhr des nächsten Tages beim<br />
Kunden an. Die fleischlosen Gerichte werden am Tag der Auslieferung frisch aus biologischen,<br />
saisonalen Zutaten zubereitet, <strong>die</strong> vorwiegend aus der Region stammen, beispielsweise vom<br />
Adamah Biohof oder der Bäckerei Joseph. Auf der Speisekarte mit täglich wechselnden Hauptgerichten,<br />
etwa Zitronengras-Curry mit Melanzani und Apfel oder Spinatknödel mit Feta und<br />
Tomatensauce, stehen auch zwei Suppen sowie Salate zur Auswahl. Dazu werden Brot, Bio-<br />
Obstsäfte und Desserts wie der Dinkel-Vollkorn-Karotten-Muffin mit Heidelbeeren angeboten.<br />
Um den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten, setzen Unternehmer Gerald<br />
Költringer sowie Geschäftspartnerin und Namensgeberin Rita Huber neben den trainierten<br />
Wadeln ihrer Fahrradkuriere auf biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien. Momentan<br />
bringt „Rita“ <strong>die</strong> Mittagessen in <strong>die</strong> Wiener Bezirke 1 bis 9, weitere sollen dazukommen.ƒ<br />
: www.ritabringts.at<br />
Alice in der<br />
Badewanne<br />
Selbst Alice kann sich im Wunderland nicht verwunderter <strong>die</strong> Augen<br />
gerieben haben: Leute, <strong>die</strong> in <strong>ein</strong>er Badewanne sitzen und ihren<br />
Kaffee schlürfen? Muffin-mampfende Menschen im indischen Fischerboot?<br />
Zu sehen gibt es <strong>die</strong>s im „Nature cUP“, <strong>ein</strong>em neuen Upcycling-<br />
Café in der Kölner Innenstadt. Oder zumindest bald, wenn der Plan aufgeht,<br />
den Susanna Bollmann und Jan Maack für ihr Start-Up entworfen<br />
haben – <strong>ein</strong> Café, das fast ausschließlich aus wiederverwerteten Materialien<br />
besteht, welche in neuer Gestalt und Funktion <strong>ein</strong>gesetzt werden,<br />
wie Badewanne und Fischerboot. Noch sind <strong>die</strong> beiden auf der Suche<br />
nach passenden Räumlichkeiten. Mittels Crowdfunding wollen sie den<br />
letzten Teil der Finanzierung stemmen. Im „Nature cUP“ sollen auch ausgewählte<br />
Upcycling-Produkte verkauft werden. Neben biologischen und<br />
fair gehandelten Speisen und Getränken, <strong>die</strong> dann – Alice lässt grüßen<br />
– schon mal in der Badewanne sitzend genossen werden können. ƒ<br />
: www.naturecup.de<br />
Klimaneutrale<br />
Exotik<br />
Was haben costa-ricanischer Waldfeldbau und deutsche<br />
Streuobstwiesen gem<strong>ein</strong>sam? Beide liefern <strong>die</strong> biologischen<br />
Zutaten für GingerVerde, <strong>ein</strong>en fruchtigscharfen<br />
Saft aus Ingwer, Äpfeln, Orange und Maracuja, mit<br />
Sanddorn, Limette und Rohrzucker verf<strong>ein</strong>ert. Hinter GingerVerde<br />
steht <strong>ein</strong> sozial-ökologisches Projekt von PuroVerde, das sich zum<br />
Ziel gesetzt hat, neue Arbeitsplätze für <strong>die</strong> <strong>ein</strong>heimische Bevölkerung<br />
Costa Ricas zu schaffen, indem ehemalige Weideflächen<br />
mit Mischwald aufgeforstet werden. Erhältlich <strong>ist</strong> das Getränk in<br />
Bioläden, Reformhäusern und Apotheken (<strong>ein</strong>e Übersicht bietet<br />
www.gingerverde.com/verkaufsstellen ) sowie per Bestellung auf<br />
der Homepage.<br />
ƒ<br />
: www.gingerverde.com<br />
Fotos: Bio Mahlzeiten, Naturecup, Ritabringts, Querdenker GmbH, Belsazar<br />
6 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Notizen<br />
Einmal pro Woche<br />
<strong>ist</strong> Weihnachten<br />
Bittersweet Symphony<br />
Sich mit den Besten der Welt messen – k<strong>ein</strong> geringeres Ziel als das hat<br />
<strong>die</strong> junge Marke Belsazar Vermouth, um Wermut aus Deutschland international<br />
zu etablieren. Für das alkoholische Getränk aus W<strong>ein</strong>, Kräutern<br />
und Zucker mit der charakter<strong>ist</strong>ischen bittersüßen Note werden bei Belsazar<br />
ausschließlich regionale Zutaten verwendet. Der W<strong>ein</strong> stammt von Winzern<br />
am Kaiserstuhl und aus dem Markgräflerland; <strong>die</strong> Kräuter, angeführt vom Wermutkraut,<br />
fast alle aus heimischen Landen. Gesüßt wird der Vermouth mit regionalem<br />
Traubenmost, <strong>die</strong> Obstbrände des Schwarzwälder Familienunternehmens<br />
Schladerer runden ihn ab. Je nach Zusammensetzung der Zutaten<br />
gibt es den Belsazar Wermut in den Varianten Dry, Red, Rosé und White Vermouth.<br />
Die ausgewählten Bezugsquellen l<strong>ist</strong>et <strong>die</strong> Homepage des Unternehmens<br />
auf.<br />
ƒ<br />
: www.belsazar-vermouth.de<br />
Jeden Donnerstag<br />
<strong>ist</strong><br />
Weihnachten<br />
– zumindest<br />
als Kunde von<br />
Bio-Mahlzeiten.de.<br />
Der Lieferservice<br />
verschickt<br />
jede<br />
Woche Pakete:<br />
mit Zutaten<br />
für drei vegetarische oder vegane, stets saisonale Gerichte,<br />
<strong>die</strong> alle zwei Wochen wechseln. Zum Wochenanfang flattert<br />
zunächst <strong>ein</strong> E-Mail-Einkaufszettel ins Haus, um daran zu erinnern,<br />
welche zu kühlenden und welche Basis-Zutaten für<br />
<strong>die</strong> Gerichte benötigt werden. Sobald <strong>die</strong> restlichen Zutaten<br />
<strong>ein</strong>treffen, sind alle passenden Rezepte für <strong>die</strong> bestellten Bio-<br />
Gerichte per Mail <strong>ein</strong>gegangen. Jetzt muss nur noch gekocht<br />
werden.<br />
ƒ<br />
: www.bio-mahlzeiten.de
Notizen<br />
Mit Johnny Depp auf der Couch<br />
Auch wenn es k<strong>ein</strong>en Johnny Depp dazu gibt: Wie Juliette Binoche im Film „Chocolat“ lässt sich <strong>die</strong> eigene Schokolade herstellen.<br />
ChocQlate bietet dazu <strong>ein</strong> Set aus fünf Zutaten an: Kakaobutter, handgemahlene, nicht geröstete Kakaobohnen, -pulver, Agavendicksaft<br />
und Vanille. Nach Schmelzen der Butter werden sie mit <strong>ein</strong>er Prise Salz glatt gerührt, in Formen gegossen und je nach<br />
Belieben noch mit eigenen Zugaben, wie etwa Beeren, verf<strong>ein</strong>ert. Wenn <strong>die</strong> Schokolade erkaltet <strong>ist</strong>, können <strong>die</strong> <strong>Stück</strong>e aus der Form<br />
gelöst werden, <strong>die</strong> handgemachte Schokolade mit 75% Kakaoanteil <strong>ist</strong> fertig. Das Set für 600g Schokolade kostet 19,90 Euro. ƒ<br />
: www.chocqlate.com<br />
Steirische<br />
Gold-Importe<br />
Mit Herz gefertigt<br />
Wer <strong>ein</strong>e Reise tut…, der bringt so manchen Schatz mit in <strong>die</strong><br />
Heimat. Bei Thomas Syring war es das „grüne Gold“ aus<br />
der Steiermark, der Steirische Ölkürbis. Als erster Brandenburger<br />
Landwirt begann er 2003, <strong>die</strong> Ölkürbisse in Beelitz anzubauen,<br />
um daraus Kürbiskernöl zu gewinnen. Heute betreibt er auf rund 100 ha<br />
s<strong>ein</strong>en Öko-Landbau, der neben dem Steirischen Ölkürbis Speisekürbisse,<br />
Getreide und diverse andere Kulturen umfasst. Das DLG-Gold-prämierte<br />
Beelitzer Kürbiskernöl sowie <strong>ein</strong>e Reihe weiterer Spezialitäten rund um<br />
den Kürbis, wie Kürbisprosecco oder Kürbis-Holunder-Fruchtaufstrich, werden<br />
von Syring-F<strong>ein</strong>kost vor Ort im Café „Syring’s Genuss Eck“ und im<br />
Onlineshop vertrieben. Übrigens: Im Webshop werden auch <strong>ein</strong>ige Produkte<br />
der Offenen Höfe (siehe separate Meldung) angeboten, zu denen<br />
Syrings Hof gehört.<br />
ƒ<br />
: www.beelitzerkuerbis.de<br />
Backbrett, Schwimmkerzen, Schaukelpferd – <strong>die</strong> Werkstätten<br />
Stuttgart haben <strong>ein</strong> vielfältiges Portfolio. Und das verdanken<br />
sie ihren Handwerkern: allesamt Menschen, <strong>die</strong> aufgrund<br />
ge<strong>ist</strong>iger Be<strong>ein</strong>trächtigungen Unterstützung benötigen. In den<br />
Werkstätten stellen sie zusammen mit Fachkräften hochwertige<br />
Gegenstände und Lebensmittel her. Dabei kommen vor allem traditionelle<br />
Maschinen zum Einsatz, deren Funktionsweise klar nachzuvollziehen<br />
<strong>ist</strong>: So können <strong>die</strong> Mitarbeiter beispielsweise von<br />
Anfang an verfolgen, wie aus Wasser und Grieß Nudeln entstehen.<br />
14 verschiedene Sorten stellen sie in ihrer Manufaktur her,<br />
darunter Basilikum-Wellenband und Knoblauch-Rigatoni. Die handgefertigten<br />
Artikel lassen sich bei der Lebenshilfe Stuttgart zum<br />
Versand ordern, mit Ausnahme von Saucen, Fruchtaufstrichen und<br />
Backwaren. Diese können in den Lebenshilfe-B<strong>ist</strong>ros in Stuttgart<br />
und Vaihingen verkostet und mitgenommen werden. ƒ<br />
: www.lebenshilfe-stuttgart.de<br />
Fotos: 4Qtrade, JusComte, Biervana, Lebenshilfe Stuttgart, Acht Grad, Syring F<strong>ein</strong>kost<br />
8 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Notizen<br />
Tanzflächentaugliches<br />
Geprickel<br />
Von der eigenen WG-Party auf <strong>die</strong> Tanzflächen der Republik – <strong>die</strong>sen<br />
Weg nahm Acht Grad, <strong>die</strong> Bio-W<strong>ein</strong>schorle der beiden ehemaligen<br />
Studenten der W<strong>ein</strong>betriebswirtschaft, Patrick Braun und Volker Netzhammer.<br />
Sie <strong>ist</strong> <strong>die</strong> erste W<strong>ein</strong>schorle in Bioqualität, <strong>die</strong> es fertig abgemischt<br />
in der Flasche gibt, und damit <strong>ein</strong> entscheidendes Kriterium der Acht Grad-<br />
Gründer erfüllt: Der Drink <strong>ist</strong> vor Verschütten geschützt, egal, wie voll das<br />
eigene Wohnzimmer oder <strong>die</strong> Tanzfläche <strong>ist</strong>. Für das Erfrischungsgetränk<br />
werden aktuelle Jahrgänge ausgewählter Biow<strong>ein</strong>e mit Quellwasser aus<br />
der Schwäbischen Alb kombiniert. Bei Acht Grad Weiß kommt <strong>ein</strong> Chardonnay<br />
mit Zitrusnoten in <strong>die</strong> Flasche, <strong>die</strong> Rosé-Schorle erinnert an Erdbeer<br />
und Cassis. Über den Webshop www.achtgradplus.de lassen sich <strong>die</strong><br />
W<strong>ein</strong>schorlen pünktlich zur nächsten Party nach Hause bestellen. ƒ<br />
: www.8-grad.net<br />
Sterne-Glanz<br />
zum Mitnehmen<br />
Das Geheimnis <strong>ein</strong>er Sterne-Küche liegt, so heißt es, in den kunstvollen Saucen. Für den<br />
Glanz in der eigenen Küche bietet <strong>die</strong> F<strong>ein</strong>kost-Manufaktur JusComte ungebundene<br />
Kalbs- und Wildjus an – erstmals nicht nur online oder in bekannten Delikatessen-Geschäften,<br />
sondern im eigenen Laden in der Münchner Nordendstraße. Die JusComte-Boutique<br />
hat dabei neben ihren Jus-Varianten ausgewählte Produkte im Sortiment, wie etwa W<strong>ein</strong> von<br />
Franz Keller, Caffé von Nannini oder Fleisch von Otto Gourmet. Einige Waren, beispielsweise<br />
Hello Mellow Marshmallows oder Professor Cornelius Ampleforth Gin, sind dabei in München<br />
nun ausschließlich in der JusComte Boutique erhältlich. Geöffnet <strong>ist</strong> Dienstag bis Freitag, 15<br />
bis 19 Uhr, sowie Samstag, 10 bis 14 Uhr.<br />
ƒ<br />
: www.juscomte.de<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 9
Entdeckt<br />
Bio-Fleisch auf<br />
Knopfdruck<br />
Lust auf Grillen, aber k<strong>ein</strong> Fleisch zu<br />
Hause? Die Metzgereien haben bereits<br />
geschlossen und es <strong>ist</strong> ausgerechnet<br />
auch noch Samstagabend. Für Münchner<br />
<strong>ist</strong> das k<strong>ein</strong> Grund mehr, zu verzweifeln,<br />
denn seit Neuestem verkauft Bio-<br />
Metzger Pichler Fleischwaren aus dem<br />
Automaten.<br />
Wer während der Woche an dem Ladengeschä der<br />
Metzgerei Pichler vorbeigeht, kommt nicht auf <strong>die</strong><br />
Idee, dass am Wochenende hier auch Verkaufsbetrieb<br />
herrscht. Zwar reichen dem Kunden nicht <strong>die</strong> freundlichen<br />
Verkäufer das Grillfleisch über <strong>die</strong> eke, aber es kann aus <strong>ein</strong>em<br />
Automaten „gezogen“ werden, der zwischen den Eingangstüren<br />
<strong>die</strong>bstahlsicher <strong>ein</strong>geklemmt <strong>ist</strong>.<br />
Die Idee dazu, Bio-Fleisch aus dem Automaten zu verkaufen,<br />
hatte Josef Pichler, geschäsführender Gesellschaer der gleichnamigen<br />
Vertriebs GmbH, schon vor Längerem, als er <strong>ein</strong>en<br />
Fleischautomaten irgendwo auf dem Land sah. Kurz darauf<br />
machte er sich auf <strong>die</strong> Suche nach <strong>ein</strong>em passenden Gerät, das<br />
<strong>die</strong> empfindliche tierische Ware ausreichend kühlt. Schließlich<br />
wurde er in Bad Reichenhall fündig. Ein Unternehmer, der mit<br />
dem Automaten Telefon- und Internet-Karten verkaue, wollte<br />
das Gerät loswerden, da das Geschä mit den PC-Karten nicht<br />
mehr lief.<br />
Pichler musste nicht lange<br />
überlegen, erstand den Automaten<br />
für knapp 3.000<br />
Euro und ließ ihn durchchecken.<br />
Wichtig war vor allem,<br />
dass das Gerät gleichmäßig<br />
kühlt und über ausreichend<br />
Sicherheitsfunktionen verfügt:<br />
Sollte <strong>die</strong> Temperatur<br />
im Inneren <strong>ein</strong>mal ansteigen,<br />
so dass <strong>die</strong> vorgesehen<br />
Kühltemperatur für<br />
Fleisch (zwischen 2 °C<br />
und 8 °C) überschritten<br />
würde, dürfe sich <strong>die</strong><br />
Praktisch: Am Wochenende nach Ladenschluss können<br />
Kunden bei Biometzgerei Pichler Fleischwaren<br />
aus dem Automaten „ziehen“<br />
Ausgabeklappe am Automaten nicht mehr öffnen. Eine Maßnahme,<br />
damit Kunden nur frische und optimal gekühlte Waren<br />
aus dem Automaten beziehen können.<br />
Der Pichler-Bio-Fleischautomat steht nun von Samstag nach<br />
Geschässchluss bis zur Ladenöffnung am Montagmorgen in<br />
der Weißenburger Straße 39 im Stadtteil Haidhausen, unweit<br />
des Ostbahnhofs.<br />
„Die Gegend hier <strong>ist</strong> genial, hier gibt es viel Lauundscha“,<br />
freut sich Josef Pichler. Das Bio-Fleisch, das im Automaten angeboten<br />
wird, reicht von marinierten Schw<strong>ein</strong>esteaks über Schinken,<br />
Putenfleisch, Wiener, Schw<strong>ein</strong>swürstel bis hin zu Leberkäse;<br />
außerdem gibt es Bio-Milch. „Gerade <strong>die</strong> kl<strong>ein</strong>en Milch-Packungen<br />
laufen besonders gut“, erklärt Pichler. „Offensichtlich vergessen<br />
viele Leute, Milch fürs Wochenende <strong>ein</strong>zukaufen“, ergänzt<br />
er schmunzelnd.<br />
Josef Pichler, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Bio-<br />
Metzgerei, freut sich, dass der Fleischautomat von den Kunden gut angenommen<br />
wird<br />
Fotos: Verlag Neuer Merkur<br />
10 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Entdeckt<br />
Das Angebot im Bio-Fleisch-<br />
Automaten <strong>ist</strong> vielfältig –<br />
vom Putensteak über marinierte<br />
Rinderlende bis hin<br />
zu Würsten, Leberkäse und<br />
Bio-Milch<br />
Damit er mit dem Automaten auch<br />
<strong>die</strong> strengen Auflagen des Gesundheitsamts<br />
erfüllen kann, werden künftig<br />
alle Haltbarkeitsdaten der Fleischwaren<br />
gut sichtbar an den Automaten geklebt.<br />
In <strong>ein</strong>er frei zugänglichen Broschüre, <strong>die</strong> am<br />
Gerät befestigt <strong>ist</strong>, können Kunden auch<br />
<strong>die</strong> Zutatenl<strong>ist</strong>e der verschiedenen<br />
Fleischprodukte <strong>ein</strong>sehen – <strong>die</strong>se Punkte<br />
hatten <strong>die</strong> Lebensmittelkontrolleure<br />
bei der Abnahme des Bio-Fleisch-Automaten<br />
bemängelt.<br />
Bis jetzt <strong>ist</strong> Pichler mit der Nachfrage<br />
nach Fleischwaren in vakuumierter<br />
Verpackung „sehr zufrieden“. Und<br />
manchmal kleben montags sogar Notizzettel<br />
an dem Gerät. Auf <strong>die</strong>se Weise äußern<br />
Kunden ihre Wünsche, welche Produkte<br />
sie im Automaten noch vermissen. „Er wird häufig<br />
für das Sonntagsfrühstück genutzt“, sagt Pichler.<br />
Wer sich lieber an der eke der Bio-Metzgerei vom fachkundigen<br />
Personal beraten lassen möchte, kann das von Montag bis Samstag<br />
tun. Die Metzgerei Pichler bietet dort auch selbstgemachte Bratwürste<br />
und Gerichte für den Mittagstisch an.<br />
ƒ<br />
Chr<strong>ist</strong>iane Manow-Le Ruyet<br />
Jeden Mittag gibt es im Ladengeschäft im Münchner<br />
Stadtviertel Haidhausen wechselnde Mittagsgerichte<br />
wie etwa hausgemachte Bio-Schw<strong>ein</strong>swürstel<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 11
Entdeckt<br />
Zurück in <strong>die</strong> Zukunft<br />
Unabhängigkeit, Transparenz und Sicherheit:<br />
Das verspricht das Konzept der Solidarischen<br />
Landwirtschaft – Landwirte und Verbraucher<br />
schließen sich zu <strong>ein</strong>er autarken Wirtschaftsgem<strong>ein</strong>schaft<br />
zusammen, um gleichermaßen<br />
zu profitieren. Ein Modell für <strong>die</strong> Zukunft?<br />
Eine Grundregel wirtschaftlichen Handelns lautet: Der Markt<br />
diktiert <strong>die</strong> Gesetze, sowohl für Verbraucher als auch für Landwirte.<br />
Die bäuerliche Landwirtschaft gerät dadurch unter Druck,<br />
sich im Wetteifern um Subventionen und Marktpreise gegenüber<br />
Agrarriesen zu behaupten.<br />
Wer mithalten will, kann wenig Rücksicht nehmen, weder auf Boden,<br />
Tiere und auch nicht auf sich selbst. Eine Abwärtsspirale.<br />
Eine Möglichkeit, aus dem gängelnden Korsett auszubrechen,<br />
bietet das System der solidarischen, gem<strong>ein</strong>schaftsgetragenen<br />
Landwirtschaft, kurz CSA (Community Supported Agriculture) genannt.<br />
Ein fester Kreis von Verbrauchern, me<strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Gruppe privater<br />
Haushalte, verpflichtet sich, jährlich im Voraus <strong>ein</strong>en ver<strong>ein</strong>barten<br />
Betrag dem landwirtschaftlichen Betrieb zu zahlen. Mit <strong>die</strong>sen Gebühren<br />
können <strong>die</strong> Betriebskosten des Hofes abgedeckt werden.<br />
Somit kann sich der Agrarwirt – unabhängig von Marktzwängen<br />
–nachhaltigem Ackerbau oder entsprechender Tierhaltung widmen.<br />
Im Gegenzug erhalten <strong>die</strong> Mitglieder <strong>ein</strong>er CSA jede Woche auf<br />
dem Hof erzeugte Lebensmittel.<br />
Neues, altes Konzept<br />
Die Strategie, <strong>ein</strong>en unabhängigen, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf<br />
zu schaffen, <strong>ist</strong> nicht neu. In den 1960er Jahren schlossen<br />
sich in Japan <strong>ein</strong>ige Frauen zusammen, um frische Milch zu kaufen.<br />
Das war praktisch <strong>die</strong> Geburtsstunde von CSA. Inzwischen profitieren<br />
Millionen japanische Haushalte von Teikei, <strong>die</strong>ser Zusammenarbeit.<br />
Pioniere wie der Deutsche Trauger Groh, ehemals Landwirt auf<br />
dem Buschberghof, und der Schweizer Jan Vander Tuin brachten<br />
Mitte der 1980er <strong>die</strong> von Rudolf St<strong>ein</strong>ers biodynamischer Landwirtschaft<br />
inspirierte Idee der CSA in <strong>die</strong> USA. Während dort 2007<br />
bereits über 13.000 CSA-Farmen reg<strong>ist</strong>riert waren, verzeichnet<br />
das Netzwerk www.solidarische-landwirtschaft.org in Deutschland<br />
gerade mal 66 Höfe. Obwohl CSA eigentlich nicht auf <strong>ein</strong>e bestimmte<br />
Art von Tierhaltung und Ackerbau festgelegt <strong>ist</strong>, fühlen sich<br />
fast alle Initiativen dem ökologischen Landbau verpflichtet. Denn<br />
durch ihn können <strong>die</strong> Landwirte auch Aspekte wie Tier- und Umweltschutz,<br />
<strong>die</strong> Erhaltung der Artenvielfalt und der menschlichen<br />
Gesundheit berücksichtigen. Das Motto lautet: Qualität statt Quantität.<br />
Und <strong>die</strong> können <strong>die</strong> teilnehmenden Verbraucher entscheidend<br />
mitbestimmen, denn zwischen dem Hof und den „Passiv-Bauern“<br />
wird <strong>ein</strong> Kooperationsvertrag abgeschlossen. Eine Richtlinie stellen<br />
dabei <strong>die</strong> EU-Rechtsvorschriften für ökologischen Landbau und <strong>die</strong><br />
Vorgaben der Bio-Anbauverbände dar. Die Zusammenarbeit gilt<br />
me<strong>ist</strong> für <strong>ein</strong>en kompletten Zyklus, d.h. von der Aussaat bis zur<br />
Ernte begleiten <strong>die</strong> Mitglieder „ihren“ Hof.<br />
Mitglieder gestalten mit, Landwirte<br />
experimentieren<br />
In <strong>ein</strong>er Versammlung vor Zyklusbeginn wird entschieden, wie <strong>die</strong><br />
Produktion im nächsten Jahr ausgerichtet werden soll. Landwirt und<br />
Verbraucher legen dabei <strong>die</strong> Höhe der zu entrichtenden Beiträge<br />
fest, wodurch sie me<strong>ist</strong> auch soziale Aspekte wie <strong>die</strong> familiäre und<br />
finanzielle Lage <strong>ein</strong>zelner Mitglieder berücksichtigen. Vorteil: Durch<br />
<strong>die</strong> aktive Mitbestimmung wissen zum <strong>ein</strong>en <strong>die</strong> Mitglieder <strong>ein</strong>er<br />
Solawi (Solidarische Landwirtschaft) genau, wo und wie ihre Nahrungsmittel<br />
angebaut werden. Zum anderen kann der Bauer dadurch<br />
auch ungewöhnliche Vorhaben realisieren, wie etwa <strong>die</strong> Felder mit<br />
Pferdegespannen zu beackern oder seltene Gemüsesorten anzu-<br />
12 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Entdeckt<br />
bauen. Zudem kann der Hof Fruchtfolgen <strong>ein</strong>halten, sich auf biologischen<br />
Pflanzenschutz beschränken und auf gentechnisch veränderte<br />
Saaten verzichten – alles Maßnahmen, <strong>die</strong> im Wettbewerb<br />
auf dem weltweiten Lebensmittelmarkt für <strong>die</strong> bäuerliche Landwirtschaft<br />
nicht zu realisieren sind. Die Vorteile <strong>ein</strong>er Community Supported<br />
Agriculture für <strong>die</strong> Umwelt liegen auf der Hand: Wenn <strong>die</strong><br />
Menge der angebauten Lebensmittel genau auf <strong>die</strong> Mitglieder abgestimmt<br />
wird, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Gefahr der Überproduktion gebannt. Es werden<br />
weniger Lebensmittel verschwendet, da auch <strong>die</strong> knubbelige<br />
Kartoffel, <strong>die</strong> herzförmige Tomate oder <strong>die</strong> verdrehte Gurke verwertet<br />
werden. Im Handel würden Früchte, <strong>die</strong> nicht den Normen entsprechen,<br />
im Müll landen. Zudem sind <strong>die</strong> Transportwege kurz und auf<br />
aufwändige Verpackungen kann verzichtet werden.<br />
Ein Modell ohne Schattenseiten?<br />
Solawi steht für <strong>ein</strong> Konzept, in dem Rücksicht auf Mensch, Tier<br />
und Umwelt genommen wird – <strong>ein</strong> zukunftsträchtiges Modell ohne<br />
Schattenseiten also? Nicht ganz: Wird falsch kalkuliert oder werden<br />
<strong>die</strong> Finanzen nicht offengelegt, kann es Probleme geben. Auch<br />
Ernteausfälle und mangelnde Kommunikation zwischen Landwirt<br />
und Konsumenten können <strong>die</strong> Wirtschaftsgem<strong>ein</strong>schaft belasten.<br />
Zudem darf <strong>die</strong> Übergangsphase, in der auf dem Hof neben der<br />
herkömmlichen Vermarktung der Lebensmittel auch <strong>die</strong> CSA-Initiative<br />
aufgebaut wird, nicht zu lange dauern. Sonst droht das Projekt<br />
aufgrund der Doppelbelastung des Landwirts zu scheitern.<br />
Soll <strong>ein</strong>e solidarische Landwirtschaft funktionieren, sind <strong>ein</strong>e gute<br />
Struktur und <strong>ein</strong>e genaue Planung unabdingbar, auf beiden Seiten:<br />
Verbraucher, <strong>die</strong> Lebensmittel von <strong>ein</strong>em Hof beziehen wollen,<br />
müssen sich zu <strong>ein</strong>er Kerngruppe zusammenschließen, festlegen,<br />
welche Produkte sie erhalten wollen und wie sie selbst <strong>die</strong> Landwirte<br />
unterstützen können. Erst dann lohnt es sich, auf <strong>ein</strong>en Betrieb zuzugehen.<br />
Umgekehrt müssen Landwirte, <strong>die</strong> vorhaben, ihren Hof nach CSA<br />
umzustrukturieren, herausfinden, ob überhaupt Interesse und Bedarf<br />
bestehen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass <strong>ein</strong>e Solawi erfolgreich<br />
<strong>ist</strong>, wenn <strong>die</strong> Kerngruppe stark <strong>ist</strong> und sich verlässlich engagiert.<br />
Zudem muss <strong>die</strong> Aufgabenverteilung im Bündnis klar geregelt werden,<br />
etwa, dass der Landwirt <strong>die</strong> Beiträge kalkuliert, aber <strong>ein</strong>es<br />
der Mitglieder als Kassenwart fungiert. Um <strong>ein</strong>en regen Austausch<br />
zwischen CSA und Öffentlichkeit zu gewährle<strong>ist</strong>en, sollten sich konkrete<br />
Ansprechpartner aus der Gruppe um Interessenten und neue<br />
Mitglieder kümmern und der Hof zu <strong>die</strong>sem Zweck Kennenlern-Angebote<br />
wie Lebensmittel auf Probe und Info-Rundgänge anbieten.<br />
Zahlreiche Infos sowie Hilfestellung, um CSA umzusetzen, bieten<br />
<strong>die</strong> Plattformen www.solidarische-landwirtschaft.org, www.ernteteilen.org<br />
und www.makecsa.org. CSA kann also nur mit intensiver<br />
Planung und viel persönlichem Engagement gelingen, dann aber<br />
verspricht es, <strong>ein</strong> Alternativ-Modell für <strong>die</strong> Landwirtschaft der Zukunft<br />
zu s<strong>ein</strong>.<br />
ƒ<br />
Martina Kliem hat entdeckt, dass es sogar<br />
in ihrem Heimatort im Westen Münchens<br />
<strong>ein</strong>e Solawi gibt und sich fest vorgenommen,<br />
beim nächsten Ausflug „aufs Land“<br />
dort vorbeizuschauen.<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 13
Im Blick<br />
Vorsicht!<br />
Heiß und fettig...<br />
Der Klassiker unter<br />
den Frittierten<br />
Ob Pommes, Fish ’n’ Chips oder Krapfen: Frittiertes<br />
<strong>ist</strong> immer angesagt. Aber das schlechte<br />
Gewissen isst stets mit, denn Fettgebackenes<br />
<strong>ist</strong> angeblich nicht gesund. Zu viele Kalorien<br />
und gefährliche Fettsäuren. Allen Gesundheitsaposteln<br />
zum Trotz gilt: Richtig frittiert <strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong>fach nur lecker!<br />
Frittieren, das Eintauchen von Lebensmitteln in heißes Fett, <strong>ist</strong><br />
seit jeher <strong>ein</strong>e Garmethode sowohl in der deutschen als auch<br />
in der internationalen Küche: etwa für traditionelle Rezepte<br />
wie Mutzenmandeln, Hamburger Schmalzkuchen, Apfelringe in<br />
Bierteig, panierte Fleisch- und Fischspezialitäten oder Pommes<br />
frites – <strong>ein</strong>e Erfindung der Belgier. Dort steht übrigens auf fast<br />
jedem Platz <strong>ein</strong>e „Friture“, <strong>ein</strong>e mobile Frittenbude. Für <strong>die</strong> Gallier<br />
sind <strong>die</strong> frittierten Kartoffelstäbchen schon seit 1781 das Nationalgericht.<br />
Auch andere, in Fett ausgebackene internationale Spezialitäten<br />
wie Frühlingsrollen, Falafel, Börek oder Fried Chicken sind dank<br />
des multikulturellen Fastfood-Angebots bei uns beliebt. Wer für<br />
deren Genuss nicht in den Imbiss gehen möchte, frittiert selbst.<br />
Mehr als nur Pommes<br />
Wegen des herrlich guten <strong>Geschmack</strong>s und weil Frittiertes auch<br />
schnell zubereitet <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> <strong>die</strong>se Garmethode zeitlos aktuell. Frittieren<br />
lassen sich eigentlich alle Lebensmittel mit zarter Struktur: Gemüse,<br />
Fisch, Fleisch, Obst und sogar Petersilie. Als Schutzhülle und zur<br />
<strong>Geschmack</strong>soptimierung können <strong>die</strong> Zutaten vorab noch mit <strong>ein</strong>er<br />
Panade oder <strong>ein</strong>em Teigmantel versehen werden, bevor sie ins<br />
heiße Fett abtauchen.<br />
Liebhaber süßer Speisen werden beispielsweise Berliner Pfannkuchen,<br />
Krapfen oder Quarkbällchen lieben.<br />
Frittieren, aber richtig<br />
Für das klassische Frittieren wird Fett auf Temperaturen zwischen<br />
150°C und 180°C erhitzt. Dafür eignet sich grundsätzlich nur<br />
wasserfreies Fett, also weder Butter noch Margarine. Empfehlens-<br />
Fotos: Phillips, Moulinex, Tefal<br />
14 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Im Blick<br />
[1] [2] [3]<br />
[1] Tefal ActiFry Express XL Ambiente [2] Actifry Plus Mydays: Das Familiengerät mit Mehrfachfunktion<br />
[3] Moulinex Super Uno<br />
wert sind vor allem pflanzliche Fette wie Palmöl, Kokosöl, aber<br />
auch Olivenöl. Darüber hinaus kann auch Schw<strong>ein</strong>eschmalz verwendet<br />
werden.<br />
Bei den Fetten kommt es auf den sogenannten Rauchpunkt an.<br />
Das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> niedrigste Temperatur, bei der über <strong>ein</strong>em erhitzten<br />
Speisefett oder -öl <strong>ein</strong>e deutlich sichtbare Rauchentwicklung beginnt.<br />
Je höher der Gehalt an <strong>ein</strong>fach ungesättigten Fettsäuren,<br />
me<strong>ist</strong> Ölsäure, desto höher liegt der Rauchpunkt und desto besser<br />
eignet sich das Fett zum Frittieren. Den von Natur aus höchsten<br />
Ölsäuregehalt hat Olivenöl. Jedoch nur ohne den Zusatz „nativ“<br />
oder „vergine“.<br />
Rapsöl mit etwa 60 Prozent Ölsäure kann auch noch zum Frittieren<br />
verwendet werden, entwickelt beim Erhitzen aber oft <strong>ein</strong>en saatartigen<br />
Beigeschmack. Von Sonnenblumen- und D<strong>ist</strong>elöl sind nur<br />
„High Oleic“-Sorten verwendbar, etwa „Heiße Küche“ von Vitaquell.<br />
Dank moderner Züchtung enthalten <strong>die</strong>se mehr Ölsäure als<br />
<strong>die</strong> ursprünglichen Arten.<br />
Wird das Frittierfett nach Gebrauch gefiltert, kann es durchaus<br />
mehrfach benutzt werden. Wichtig <strong>ist</strong> nur, <strong>die</strong> Schwebeteilchen<br />
zu entfernen, da sie das Fett schnell ranzig werden lassen. Anschließend<br />
sollte es gut verschlossen kühl und dunkel aufbewahrt<br />
werden.<br />
WER AUF KALORIEN ACHTEN<br />
MÖCHTE:<br />
Kalorien von ca. 100 g Pommes frites:<br />
Kartoffeln pur: 75 kcal<br />
Heißluft-Pommes: 100 kcal<br />
Backofen-Pommes: 250 kcal<br />
Pommes, frittiert: 270 kcal
Im Blick<br />
Welches Gerät?<br />
Beim Kauf <strong>ein</strong>er Fritteuse <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />
Investition in <strong>ein</strong> Markengerät<br />
empfehlenswert. Wichtige Kriterien<br />
bei der Bewertung für <strong>die</strong><br />
Sicherheit sind Standfestigkeit,<br />
Wärmeisolierung und Be<strong>die</strong>nkomfort.<br />
Um Gerüche zu vermeiden,<br />
sind <strong>die</strong> Geräte mit Aktiv-<br />
oder Permanentfilter ausgestattet.<br />
Auch auf das Fassungsvermögen<br />
kommt es beim Kauf<br />
<strong>ein</strong>er Fritteuse an: Für Singles<br />
reicht <strong>ein</strong> Korbvolumen von 1<br />
bis 1,5 Liter, Familien benötigen<br />
eher 2,5 bis 3 Liter. Im Gastronomiebereich<br />
fängt es bei 8 Litern<br />
an.<br />
„Moulinex Super Uno“ <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e<br />
klassische Fritteuse mit 2,2 l Fettfüllmenge<br />
und 1,5 l Fassungsvermögen.<br />
De’Longhi setzt mit<br />
VarioCooking Center Multificiency:<br />
Das Multifunktionstool<br />
für Profis hat auch <strong>ein</strong>e<br />
Fritteuse<br />
dem Gerät Roto Fry (F28311 EX:1) ebenfalls auf <strong>die</strong> klassische<br />
Frittiermethode, braucht bei <strong>ein</strong>em Kilogramm Fassungsvermögen<br />
mit <strong>ein</strong>em Liter Öl aber nur <strong>die</strong> Hälfte der üblichen Menge, weil<br />
der Frittierkorb im Öl rotiert. So wird das Frittiergut innen gleichmäßig<br />
gar und außen von allen Seiten schön knusprig. Praktisch<br />
<strong>ist</strong> auch das patentierte System des Ölauslasses. Über <strong>ein</strong>e Art<br />
Schlauch, der in das Gerät integriert <strong>ist</strong>, kann das Öl nach Gebrauch<br />
direkt in <strong>ein</strong> Gefäß zur Aufbewahrung oder Entsorgung<br />
abgelassen werden.<br />
Weniger geht immer<br />
Bei Tefal wird mit heißer Luft frittiert. Das neue Modell „Actifry Plus<br />
Mydays“ hat <strong>ein</strong> Fassungsvermögen von 1,2 kg und arbeitet mit<br />
Heißluftzirkulation. Da Fett aber <strong>ein</strong> <strong>Geschmack</strong>sgeber <strong>ist</strong>, wird<br />
das benötigte Öl – <strong>ein</strong> Messlöffel voll (16ml) – durch <strong>ein</strong>en rotierenden<br />
Arm gleichmäßig verteilt; zugleich verhindert es das Anbrennen.<br />
Prima zu beobachten durch den transparenten Deckel<br />
der Fritteuse. Dank antihaftbeschichtetem Garbehälter kann in<br />
dem Gerät auch gebraten und gekocht werden.<br />
„Airfryer“ von Phillips wird sogar von Sternekoch Dominic Jeske<br />
empfohlen. Spaß an dem Gerät hat der Profi, weil es vielseitig<br />
<strong>ist</strong> (Backen, Grillen, Frittieren) und sich sowohl im Privathaushalt,<br />
als auch für kl<strong>ein</strong>e Mengen (je nach Gerät 800 bis 1.200<br />
Gramm) in der à la carte-Küche <strong>ein</strong>setzen lässt. Die Zutaten sind<br />
ohne Vorheizen in kürzester Zeit zubereitet. Der Aifryer funktioniert<br />
mit zirkulierender Heißluft (plus <strong>ein</strong>em halben Teelöffel Öl) und <strong>ein</strong>em<br />
Grillelement. Dadurch <strong>ist</strong> das Frittieren weniger geruchsintensiv<br />
als mit <strong>ein</strong>er herkömmlichen Fritteuse. Praktisch: Alle Teile können<br />
in der Spülmaschine ger<strong>ein</strong>igt werden.<br />
Frittiertes vom Profi<br />
Für den Profikoch sind <strong>die</strong> Entscheidungskriterien bei der Gerätewahl<br />
ungefähr identisch. Allerdings spielt hier auch <strong>die</strong> Art der<br />
Energiezufuhr (Strom/Gas) und <strong>die</strong> Integration des Gerätes in <strong>die</strong><br />
Küchentechnik (Tisch- oder Standgerät) <strong>ein</strong>e Rolle. Ein in den GV-<br />
Küchen häufig anzutreffendes Multifunktionstool <strong>ist</strong> das „VarioCooking<br />
Center Multificiency“ von Frima. Mit ihm können alle Garprozesse<br />
höchst effizient durchgeführt werden. Frittiert wird entweder<br />
in der großen oder kl<strong>ein</strong>en Wanne. In der Siemens-Kantine<br />
in Stuttgart werden mit dem VarioCooking Center täglich 2.500<br />
Portionen (auch Pommes frites) gestemmt.<br />
Ganz neu <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Tischgerät-Version; maximale Möglichkeiten auf<br />
kl<strong>ein</strong>ster Aufstellfläche.<br />
Der italienische Markenhersteller Mareno bietet für s<strong>ein</strong>e Gerätelinie<br />
„Nuova Protagon<strong>ist</strong>a 70“ seit Kurzem <strong>ein</strong>e elektronisch gesteuerte,<br />
kompakte 10-Liter-Fritteuse an. Damit lässt sich <strong>die</strong> Küchentechnik<br />
problemlos um <strong>ein</strong>e weitere Garmethode erweitern.<br />
ƒ Michela Dulz<br />
Der rotierende Korb sorgt für gleichmäßiges Frittieren<br />
mit nur halb so viel Fett<br />
Michela Dulz <strong>ist</strong> Diplom-Ökotrophologin<br />
und schreibt als freie Journal<strong>ist</strong>in für verschiedene<br />
Zeitschriften über aktuelle Food-Themen. Seit<br />
1996 arbeitet sie außerdem als selbstständige<br />
PR-Beraterin für nationale und internationale Unternehmen<br />
der Lebensmittelbranche.<br />
Fotos: Frima, De’Longhi<br />
16 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Schwerpunkt<br />
Fast Food<br />
mit Bio-Stempel<br />
Witty’s Bio-Imbiss in Berlin<br />
– hier stimmt <strong>die</strong> Qualiät<br />
Foto: Witty’s Bio-Imbiss<br />
Bio-Imbiss-Kultur <strong>ist</strong> angesagt – das zeigt sich deutlich<br />
in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München.<br />
Hier gibt es zahlreiche Schnellrestaurants, <strong>die</strong> dem traditionellen<br />
Fast Food mit gesundem Genuss <strong>die</strong> Stirn<br />
bieten. Ob Bio-, Öko- oder Organic Food, was zählt, sind<br />
frische Produkte, schonende Verarbeitung, guter <strong>Geschmack</strong><br />
und Nachhaltigkeit.<br />
Es sind vor allem <strong>die</strong> kl<strong>ein</strong>en B<strong>ist</strong>ros<br />
oder Imbisse, <strong>die</strong> unabhängig und<br />
kreativ dem Kunden, me<strong>ist</strong> Lohas<br />
(Lifestyles of Health and Sustainability),<br />
Frisches auf dem Teller servieren wollen<br />
und <strong>die</strong> Szene prägen. Die me<strong>ist</strong>en setzen<br />
dabei auf Burger oder Asia-Food. Es gibt<br />
aber auch viele Autodidakten, <strong>die</strong> entweder<br />
auf Reisen inspiriert wurden, in <strong>die</strong> Gastronomie<br />
<strong>ein</strong>zusteigen oder <strong>die</strong> <strong>ein</strong>fach<br />
„frei nach Schnauze“ kochen.<br />
Dahinter steckt wie beim Hamburger „Big<br />
Dito“ aber immer <strong>die</strong> Liebe zu gesunder<br />
Ernährung, wie Inhaberin Dagmar Taubert<br />
und ihr Kompagnon Mario Menzelrolf bestätigen.<br />
Beide kommen ursprünglich aus<br />
der IT-Branche und waren, gastronomisch<br />
gesehen, Anfänger.<br />
Das Ecklokal, das sie im März 2009 eröffneten,<br />
liegt weder zentral noch in <strong>ein</strong>er guten<br />
Lage. Dennoch bietet das Umfeld, ehemalige<br />
Fabrikhallen, <strong>die</strong> zu Kreativhöfen<br />
umgebaut wurden, <strong>ein</strong> kaufwilliges Publikum.<br />
All<strong>ein</strong> mit dem Verkauf mittags erreichen<br />
<strong>die</strong> Macher <strong>ein</strong>e Auslastung von<br />
60 Prozent. Die Gründe dafür: „Wir bieten<br />
100 Prozent Bio, jeden Tag vier Gerichte,<br />
davon <strong>ein</strong>e Suppe, <strong>ein</strong> vegetarisches, <strong>ein</strong><br />
veganes und <strong>ein</strong> Fleisch-Gericht und sind<br />
preislich absolut vergleichbar mit <strong>ein</strong>em<br />
normalen Mittagstisch“, sagt Mario.<br />
Durchschnittlich verzehrt <strong>ein</strong> Gast für etwa<br />
sieben bis neun Euro. Jeden Tag gehen ungefähr<br />
40 Essen, <strong>die</strong> nach selbst entwickelten<br />
Rezepten zubereitet werden, über den<br />
Tresen; zudem Salate und belegte Brötchen.<br />
Die besten Brötchen „ever“ kommen nach<br />
Marios Aussage übrigens von Schedel und<br />
sind conveniente TK-Produkte. Bei Obst,<br />
Gemüse, Milch und Fleisch setzen <strong>die</strong> Betreiber<br />
auf frische Produkte aus der Region,<br />
<strong>die</strong> vom Bio-Großhandel dreimal pro Wo-<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 17
Schwerpunkt<br />
Schon all<strong>ein</strong> der Verkaufsstand von Goldburger <strong>ist</strong> der Renner<br />
auf Hamburgs Wochenmärkten<br />
Janine kellnert im Big Dito, Hamburg<br />
che angeliefert werden. Reste werden entweder<br />
<strong>ein</strong>gefroren oder am kommenden<br />
Tag im neuen Gewand serviert. Übriggebliebene<br />
Tomaten etwa werden püriert, mit<br />
Öl vermischt, gewürzt und zu <strong>ein</strong>em Dip<br />
verarbeitet, der dann noch fast fünf Tage<br />
haltbar <strong>ist</strong>.<br />
In Dresden können Gäste seit 2007 fernöstliche,<br />
ayurvedische Bio-Gerichte genießen.<br />
Dafür werden ausschließlich frische,<br />
regionale Produkte der Saison verarbeitet.<br />
Neben dem wöchentlich wechselnden<br />
Speiseangebot gibt es immer <strong>ein</strong>e indische<br />
rote Linsensuppe, auch Dal genannt, Eintopf,<br />
verschiedene Currys und Pasta, dazu<br />
Salate und Desserts.<br />
Wer in München zu 100 Prozent bayerische<br />
Ökokost essen will, geht am besten in<br />
den Englischen Garten zum Milchhäusl.<br />
Im vor mehr als zehn Jahren gegründeten<br />
ersten Bio-Imbiss der Stadt versorgt Wirt<br />
Pitt Grunitz an 365 Tagen im Jahr <strong>die</strong> Parkbesucher<br />
mit ökologischen, fairen und<br />
handgemachten Speisen. Und obendr<strong>ein</strong><br />
gibt es gewärmte Hipp-Gläschen für <strong>die</strong><br />
Kl<strong>ein</strong>en und Feuerzeuge zur Zigarette für<br />
<strong>die</strong> Großen.<br />
Buden-Klassiker<br />
Ortswechsel auf den Wochenmarkt. Hier<br />
gehen Bio-Imbisswagen in Konkurrenz zu<br />
konventionellen Würstchenbuden. Lea<br />
Trampenau kontert mit Bio-Burgern, <strong>die</strong><br />
sie unter dem Namen „Goldburger“ regelmäßig<br />
auf Hamburgs Märkten verkau.<br />
Ihr Bio-Imbiss <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> liebevoll restaurierter<br />
Oldtimer-Verkaufswagen – <strong>ein</strong> echter Hingucker.<br />
„Für den Erfolg <strong>ist</strong> es wichtig, dass<br />
man zuverlässig regelmäßig an den Markttagen<br />
kommt“, weiß <strong>die</strong> Geschäsfrau. Und<br />
das zahlt sich aus: Zwischen 100 und 130<br />
Portionen verkau sie pro Tag. Für Vegetarier<br />
gibt es natürlich auch <strong>ein</strong>en Burger<br />
auf Seitan-Basis. Die Rezepte für das<br />
Fleisch-Patty und <strong>die</strong> Ketchupsoße hat sie<br />
selbst entwickelt. Auch <strong>die</strong> Buns, <strong>die</strong> Sobrothälen,<br />
werden gemäß ihren Vorstellungen<br />
von <strong>ein</strong>em Bio-Bäcker gebacken.<br />
„Das A und O bei <strong>ein</strong>em guten Burger <strong>ist</strong><br />
das Fleisch“, sagt Lea Trampenau. Deswegen<br />
stammt das Fleisch für <strong>die</strong> Burger von<br />
Rindern, <strong>die</strong> das ganze Jahr im Freien leben<br />
und stressfrei im Herdenverband auf der<br />
Weide per Kugelschuss betäubt und getötet<br />
werden. Diese Methode der Tötung wirkt<br />
sich vorteilha auf den Fleischgeschmack<br />
aus. Nur wenige Landwirte in Deutschland,<br />
wie ihr Lieferant aus dem Wendland, haben<br />
<strong>die</strong> Genehmigung, Tiere abzuschießen.<br />
Damit <strong>die</strong> Kunden wissen, was zwischen<br />
<strong>die</strong> Burger kommt, hat Trampenau darüber<br />
ausführliche Informationen an den Verkaufswagen<br />
angebracht.<br />
Eine Imbiss-Bude mit festem Standort dagegen<br />
<strong>ist</strong> „Witty’s Bioland Imbiss“ in Berlin.<br />
Seit 2003 produziert und verkau das Familienunternehmen<br />
<strong>die</strong> eigenen Bio-Produkte.<br />
Am Wittenbergplatz gegenüber dem<br />
KaDeWe gibt es zum Beispiel den Berliner<br />
Klassiker Currywurst in zwei Varianten:<br />
als milde Brühwurst und als herzhae, geräucherte<br />
Wurst. Aber nicht nur <strong>die</strong> Wurstwaren<br />
werden nach eigener Rezeptur hergestellt,<br />
auch <strong>die</strong> Bouletten, Pommes und<br />
Saucen.<br />
Die Pendants zu Bio-Imbiss-Buden sind<br />
Bio-B<strong>ist</strong>ros, me<strong>ist</strong>ens an Supermärkte wie<br />
Basic oder <strong>die</strong> des Vollsortimenters Denree<br />
angeschlossen. 2002 wurde das erste<br />
Blick auf <strong>die</strong> Frische-Theke im Markt-B<strong>ist</strong>ro Vierjahreszeiten<br />
Fotos: Big Dito, Goldburger, Landwege B<strong>ist</strong>ro, Godehus, Vierjahrszeiten<br />
18 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Schwerpunkt<br />
Birkenstämme zieren den Gastraum<br />
und bringen <strong>die</strong> Natur ins<br />
Landwege-B<strong>ist</strong>ro<br />
Gastroline<br />
„denn’s b<strong>ist</strong>ro“ eröffnet, um, wie PR-Frau Antje<br />
Müller sagt: „unseren Kunden frisch zubereitete<br />
Snacks oder <strong>ein</strong>en Mittagstisch anbieten<br />
und mit den angegliedertem Sitzbereich <strong>ein</strong>en<br />
Ort der Entspannung ermöglichen zu können.<br />
Für <strong>die</strong> frische Zubereitung von Salaten kommen<br />
<strong>die</strong> Produkte direkt aus dem Markt. In<br />
den me<strong>ist</strong>en Märkten bieten wir außerdem <strong>die</strong><br />
Bio-Menüs von Schauflinger an.“<br />
Kaum Ökos mehr<br />
Resteverwertung war für <strong>die</strong> Lübecker Erzeugergem<strong>ein</strong>scha<br />
Landwege der Grund, <strong>ein</strong><br />
professionelles, gastronomisches Konzept umzusetzen.<br />
Seit Anfang <strong>die</strong>ses Jahres hat der<br />
Flagship-Store in der Lübecker Ziegelstraße<br />
<strong>ein</strong>e eigene Küche, in der drei Profiköche mit<br />
Landwege-Produkten jeden Tag frisch kochen.<br />
Bisher umfasst der Speiseplan in allen fünf B<strong>ist</strong>ros<br />
nur vegetarische Suppen, an zwei Tagen<br />
der Woche zusätzlich <strong>ein</strong>e mit Fleisch<strong>ein</strong>lage.<br />
Jeden Tag verlassen etwa 150 Portionen <strong>die</strong><br />
Küche. Zusätzlich stehen frische Salate, Frikadellen<br />
(mit und ohne Fleisch), Teigtaschen,<br />
Quiche und Pizza zur Stärkung bereit. Es wird<br />
bereits daran gearbeitet, künig auch Pasta<br />
und Currys anzubieten. „Das Schöne <strong>ist</strong>“, sagt<br />
Tina Andres, geschäsführender Vorstand der<br />
Landwege EVG, „dass sich Regionalität hier<br />
so gut kommunizieren lässt, weil <strong>die</strong> Kunden<br />
viele der Lieferanten kennen und genau wissen,<br />
was sie wollen“. Während früher nur <strong>die</strong> „echten“<br />
Ökos kamen, sind <strong>die</strong> heutigen Landwege-Kunden<br />
Menschen aus allen Schichten und<br />
Altersklassen.<br />
Diese Entwicklung bestätigt auch Karin Behrend<br />
vom Godehus in Lüneburg. Hier hat alles<br />
mit Brotbacken angefangen. Zunächst wurde<br />
1989 <strong>ein</strong>e eigene Bio-Bäckerei gegründet, dann<br />
<strong>ein</strong> Bio-Laden eröffnet und heute betreibt Godehus<br />
zwei Bio-Märkte und <strong>ein</strong>e Bäckerei mit<br />
Bio-Café und B<strong>ist</strong>ro, zu der auch <strong>ein</strong> Laden<br />
gehört. Dass hier in der eigenen Küche gerade<br />
mal 25 Essen pro Tag gekocht werden, <strong>ist</strong> echter<br />
Luxus. Denn dadurch trägt sich das B<strong>ist</strong>ro<br />
eigentlich nicht. Jedoch werden somit Lebensmittelreste<br />
sinnvoll verwertet.<br />
Resteküche<br />
2003 eröffneten Monika Reske und ihr Mann<br />
Michael Stammnitz in St. Augustin unter dem<br />
Namen „Vierjahreszeiten“, <strong>ein</strong>en der ersten<br />
Bio-Supermärkte Deutschlands. Drei Jahre<br />
später erweiterten sie ihn um <strong>ein</strong> B<strong>ist</strong>ro mit<br />
eigener Küche, wobei der Umgang mit übriggebliebenen<br />
Lebensmitteln schon immer <strong>ein</strong>e<br />
große Rolle gespielt hat. „Wir arbeiten seit zehn<br />
Jahren in <strong>die</strong>sem Segment und konnten viele<br />
Erfahrungen sammeln. Heute schaffen wir es,<br />
dass unsere Frischware maximal <strong>ein</strong>en Tag im<br />
Verkauf <strong>ist</strong>. Am zweiten Tag landet alles (Ausnahme<br />
Zwiebel, Kartoffeln – hier gibt es das<br />
Problem nicht) in der Verarbeitung.<br />
Unser Kreislauf funktioniert, weil wir täglich<br />
mit Obst und Gemüse beliefert werden, k<strong>ein</strong><br />
Lager haben und alle Mitarbeiter darauf fixiert<br />
sind, ausschließlich frische Ware zu verkaufen<br />
beziehungsweise zu verarbeiten. Sollten Überhänge<br />
entstehen, gibt es <strong>die</strong> direkte Kommunikation<br />
zwischen Einkauf und Verarbeitung,<br />
so dass der Speiseplan ohne Probleme sofort<br />
umgestellt werden kann. Unseres Erachtens<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> größte Hürde bei der Resteverwertung<br />
das fehlende Bewussts<strong>ein</strong> aller Beteiligten für<br />
<strong>ein</strong>en sinnvollen Umgang mit den Lebensmitteln.<br />
Dazu bedarf es bereits in der Ausbildung<br />
der Köche <strong>ein</strong>er stärkeren ematisierung.“<br />
Fazit: Bio-B<strong>ist</strong>ros schaffen es nicht nur durch<br />
frisch zubereitete Bio-Speisen, den Fast-Food-<br />
Markt aufzumischen, sondern auch durch clevere<br />
Resteverwertungskonzepte.<br />
ƒ Michela Dulz<br />
ECHT KÖSTLIcH!<br />
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<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 19
Esskultur<br />
Per Klick auf <strong>ein</strong>e kulinar<br />
Die Düsseldorfer Familie Tançgil betreibt<br />
sehr erfolgreich den Video-Blog „Kochdichtürkisch“.<br />
Es geht um türkisches Essen,<br />
um türkische Kultur, gute türkische Lebensmittel<br />
– und manchmal um Teig so<br />
weich wie Ohrläppchen.<br />
Eins <strong>ist</strong> sicher: mit knurrendem Magen sollte man sich nicht durch<br />
den Blog „Koch dich türkisch“ klicken. Denn <strong>die</strong> Gerichte, <strong>die</strong><br />
Orhan Tançgil und s<strong>ein</strong> Team im Internet vorstellen, lassen<br />
<strong>ein</strong>em auf jeden Fall das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und<br />
machen Lust, sich <strong>ein</strong>mal intensiver mit der türkischen Küche aus<strong>ein</strong>anderzusetzen.<br />
Denn ganz ehrlich: wer denkt dabei nicht zu allererst<br />
an Döner, Pide oder Lahmacun? Dabei hat <strong>die</strong> türkische<br />
Küche so viel mehr zu bieten. „Sie <strong>ist</strong> auf jeden Fall nicht so fleischlastig,<br />
wie sie hier präsentiert wird“, erzählt Orhan Tançgil. Fleisch<br />
<strong>ist</strong> in der Türkei sehr teuer, weil es nur wenig Viehzucht gibt. Orhan<br />
Tançgil schätzt, dass etwa 70 Prozent der Gerichte vegetarisch<br />
sind, etwa 25 Prozent sogar vegan. Warum sich das in den deutschen<br />
Dönerbuden kaum widerspiegelt? „Die haben sich <strong>ein</strong>fach<br />
daran angepasst, dass in Deutschland viel Fleisch gegessen wurde“,<br />
sagt der Düsseldorfer.<br />
Auch er <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>st mit der Auswahl in den türkischen Imbissen nicht<br />
glücklich geworden. Und damit hat eigentlich alles angefangen.<br />
Orhan Tançgil war zum Stu<strong>die</strong>ren nach Stuttgart gegangen und<br />
vermisste dort <strong>die</strong> Küche s<strong>ein</strong>er Mutter in Düsseldorf. „Ich hab zwar<br />
versucht, <strong>die</strong> Gerichte nachzukochen, aber hatte k<strong>ein</strong>e Rezepte.<br />
Und in der Dönerbude habe ich auch nicht das<br />
bekommen, was es bei<br />
Mama gab“, erzählt der<br />
heute 41-Jährige. Also fing<br />
er an, s<strong>ein</strong>e Mutter um Rezepte<br />
zu bitten.<br />
Rezepte von<br />
Muttern<br />
Ein kochender junger Türke?<br />
Dieser Gedanke war Nilüfer<br />
Tançgil zunächst nicht ganz geheuer.<br />
Aber dann weihte sie ihren<br />
Sohn doch in ihre Küchengeheimnisse<br />
<strong>ein</strong>. Und weil es<br />
s<strong>ein</strong>en Freunden nicht anders erging<br />
als ihm und er Me<strong>die</strong>npublishing<br />
stu<strong>die</strong>rte, beschloss er<br />
kl<strong>ein</strong>e Videos für <strong>ein</strong>en eigenen<br />
Podcast zu produzieren. Das war<br />
vor fast zehn Jahren. „Damals<br />
ging es mit Blogs gerade los.<br />
Aber ich wollte eigentlich nicht viel schreiben, sondern vor allem<br />
Videos aufnehmen“, erzählt Tançgil. Die Zugriffe waren auch ohne<br />
Werbung, durch r<strong>ein</strong>e Mund-zu-Mund-Propaganda, mehr als ordentlich.<br />
Mal machte Tançgil <strong>ein</strong> halbes Jahr nichts, dann setzte er<br />
mal wieder <strong>ein</strong> neues Rezept hin<strong>ein</strong>. Mit dem Eintritt ins Berufsleben<br />
als Me<strong>die</strong>nberater fehlte dann schließlich <strong>die</strong> Zeit, sich weiterhin<br />
aktiv um den Videoblog zu kümmern. Die Rezeptsammlung fiel in<br />
<strong>ein</strong>en Dornröschenschlaf.<br />
Vor etwa zwei Jahren dann stellte sich Orhan Tançgil <strong>die</strong> Frage:<br />
Will ich wirklich in m<strong>ein</strong>em Job bleiben, will ich <strong>die</strong>sen Beruf <strong>die</strong><br />
nächsten 20 Jahre ausüben? „In m<strong>ein</strong>em Herzen<br />
war <strong>die</strong> Erfüllung nicht da“, erzählt er. Also<br />
beschloss er zusammen mit s<strong>ein</strong>er Frau Orkide<br />
den Schritt zu wagen, und sich nur noch um<br />
s<strong>ein</strong>en Blog „Koch dich türkisch“ zu kümmern<br />
sowie in <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Ladenlokal ausgesuchte<br />
türkische Lebensmittel von hoher Qualität<br />
zu verkaufen. „Wir wollen nicht der typische<br />
türkische Supermarkt um <strong>die</strong> Ecke s<strong>ein</strong>, in<br />
dem es Discountware gibt, sondern wir wollen<br />
nachhaltig produzierte und biologisch<br />
angebaute Produkte anbieten“, erzählt<br />
Tançgil, der etwa Olivenöl, autochthone<br />
W<strong>ein</strong>e, F<strong>ein</strong>kost oder Gewürze verkauft.<br />
Geeignetes zu finden, war teilweise gar<br />
nicht so <strong>ein</strong>fach. Gescheitert <strong>ist</strong> er bisher<br />
an der Suche nach Bio-W<strong>ein</strong>blättern. „Letz-<br />
Seit Anfang des Jahres <strong>ist</strong> Orhan<br />
Tançgil regelmäßig als<br />
Fernsehkoch bei der WDR-Sendung<br />
„daheim und unterwegs“<br />
zu sehen.<br />
Hintergrund: © orangeberry - Fotolia.com<br />
20 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Esskultur<br />
werden. „Wir wollen aber türkisch kochen auf deutsche Art vermitteln“,<br />
erzählt Orkide Tançgil. „In türkischen Rezepten heißt es oft<br />
nur: <strong>ein</strong> Becher Zucker, <strong>ein</strong> Becher Mehl und dann kneten, bis der<br />
Teig <strong>die</strong> richtige Kons<strong>ist</strong>enz hat“, sagt <strong>die</strong> zweifache Mutter. In den<br />
Rezepten von kochdichtürkisch.de werden dagegen Mengen genau<br />
benannt oder Handgriffe nachvollziehbar erklärt. Bei den Etli Biber<br />
Domasi wird etwa erläutert, wie sich <strong>die</strong> Farbe der Paprika beim<br />
Kochen ändern sollte und wann <strong>die</strong>se fertig sind – nämlich wenn<br />
das grün ins gelbliche geht. „Manchmal wird uns etwas gezeigt<br />
und wir versuchen dann den jeweiligen Handgriff oder Kniff für<br />
das Rezept genau zu beschreiben – etwa, dass <strong>ein</strong> Teig so weich<br />
s<strong>ein</strong> muss wie <strong>ein</strong> Ohrläppchen. Da wissen alle genau, wie <strong>die</strong><br />
Kons<strong>ist</strong>enz s<strong>ein</strong> soll“, sagt Orkide Tançgil.<br />
Bei den Videos werden stets <strong>die</strong> Hände der Kochenden gezeigt,<br />
im Hintergrund läuft passende Musik, es werden alle Arbeitsschritte<br />
erläutert. Angeklickt werden <strong>die</strong> Rezepte überall in Deutschland,<br />
und vor allem von Frauen zwischen 25 und 40 Jahren. „Ich denke,<br />
wenn man selbst <strong>ein</strong>e Familie gründet, will man me<strong>ist</strong>ens selbst<br />
mehr kochen. Und Deutsche sind grundsätzlich sehr multikulturell inische<br />
Reise in <strong>die</strong> Türkei<br />
tens habe ich in fünf oder sechs Läden nach W<strong>ein</strong>blättern geschaut<br />
und nur Schrottzeug bekommen. Das nervt uns dann <strong>ein</strong>fach selbst.“<br />
Erfolg hatte er dagegen beim Granatapfelsirup. „Das <strong>ist</strong> so etwas<br />
wie der Balsamico der Türkei“ erzählt er. Allerdings sei der Granatapfelsirup<br />
mittlerweile me<strong>ist</strong>ens Industrieware: <strong>ein</strong> mit Aromen<br />
versetzter Zuckersirup. „Doch inzwischen habe ich <strong>ein</strong>en hundertprozentigen<br />
Sirup gefunden, ohne Zusatzstoffe und dafür mit guter<br />
Qualität und super <strong>Geschmack</strong>.“<br />
Warum ihm <strong>die</strong>s wichtig <strong>ist</strong>? „Wir leben es selbst im Alltag, wir<br />
beschäftigen uns viel mit Lebensmitteln und haben <strong>ein</strong>fach große<br />
qualitative Unterschiede festgestellt. Deswegen haben wir umgestellt“,<br />
sagt Tançgil. 70 Prozent s<strong>ein</strong>er Kunden sind übrigens Deutsche.<br />
In der Türkei dagegen sei das Bewussts<strong>ein</strong> noch nicht so ausgeprägt:<br />
„Auf den Märkten findet man inzwischen auch Gen-Mais<br />
oder -Tomaten, <strong>die</strong> <strong>ein</strong>fach nicht schmecken.“ Wobei es natürlich<br />
auch in der Türkei Vorreiter für nachhaltiges Kochen gibt: „Wir<br />
waren im Urlaub in <strong>ein</strong>em Lokal in Istanbul. Der Gastronom belebt<br />
alte Bräuche, rekultiviert alte Tomatensorten oder Kräuter. Es hat fantastisch<br />
geschmeckt – und war rappelvoll.“<br />
Kindheitserinnerungen<br />
In gewisser Weise will auch das Team von kochdichtürkisch.de alte<br />
Bräuche wiederbeleben. „Wir recherchieren <strong>die</strong> Gerichte, <strong>die</strong> wir<br />
in der Kindheit gerne gegessen haben.“ Dreh- und Angelpunkt des<br />
Blogs sind weiterhin <strong>die</strong> Rezepte von Mutter Nilüfer Tançgil – und<br />
<strong>die</strong> Rezepte anderer Mütter von Freunden. Dadurch kommen ganz<br />
verschiedene Traditionen der Türkei zum Zug. „Der Vorteil <strong>ist</strong>, dass<br />
wir aus allen Ecken kommen, und hier in Deutschland nicht regional<br />
gebunden sind.“ Aus den Anfangszeiten <strong>ist</strong> geblieben, dass zu jedem<br />
Rezept <strong>ein</strong> Video gedreht wird. Das sieht zum Beispiel bei Etli<br />
Biber Domasi (Mit Hackfleisch gefüllter Paprika) so aus, dass zunächst<br />
auf deutsch und türkisch erklärt wird, welche Zutaten benötigt<br />
Anregungen für s<strong>ein</strong>en Blog holt sich Orhan Tançgil<br />
auch, wenn er im Urlaub über türkische Märkte<br />
schlendert.<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 21
Esskultur<br />
Köfte Ekmek<br />
Köfte Ekmek wird gerne von Nachtschwärmern<br />
und Festgesellschaften<br />
auf dem Nachhausweg gegessen,<br />
bis tief in <strong>die</strong> Nacht werden <strong>die</strong> gegrillten<br />
Hackfleisch-Taler mit rohen<br />
Zwiebeln im knusprigen Ekmek-Brot<br />
serviert, der späte Snack soll <strong>die</strong> Folgeersch<strong>ein</strong>ungen<br />
<strong>ein</strong>er allzu fröhlichen<br />
Feier mildern. Köfte Ekmek schmeckt<br />
aber auch tagsüber sehr gut!<br />
Für 4 Köfte Ekmek:<br />
Zutaten:<br />
1 Ekmek Brot<br />
(türkisches Weißbrot in Spitzform,<br />
wahlweise 4 Minifladenbrote)<br />
1 kl<strong>ein</strong>e rote Zwiebel<br />
1 Prise Sumach*<br />
Salz<br />
1 großes Bund Petersilie<br />
1 Gemüsezwiebel<br />
1 Knoblauchzehe<br />
500 g gemischtes Hackfleisch (Rind und Lamm)<br />
1 Ei (M)<br />
1 TL Olivenöl<br />
1 TL frisch gemahlener Kreuzkümmel<br />
1 Prise Chiliflocken (Pul Biber)<br />
1 Prise frisch gemahlener Pfeffer<br />
4 EL Sonnenblumenöl<br />
4 milde, grüne Langpfefferschoten<br />
Zubereitungszeit: 35 Minuten<br />
Zubereitung:<br />
Das Brot vierteln, <strong>die</strong> innere weiche Brotkrume teilweise entfernen und<br />
beiseite legen. Die rote Zwiebel in f<strong>ein</strong>e Streifen schneiden und mit Sumach<br />
und Salz würzen. Petersilie hacken und zwei Finger davon mit den roten<br />
Zwiebeln vermischen. Die Gemüsezwiebel f<strong>ein</strong> würfeln, den Knoblauch<br />
hacken und beides mit der übrigen Petersilie, dem Hackfleisch, dem Ei,<br />
Olivenöl und etwa der Hälfte der Ekmek-Brotkrumen in <strong>ein</strong>e Schüssel geben.<br />
Mit Kreuzkümmel, Chiliflocken, Salz und Pfeffer würzen.<br />
Aus der Hackmasse mit befeuchteten Händen ca. 12 Kugeln formen und<br />
leicht flach drücken. In der Pfanne im heißen Öl von jeder Seite 5 Minuten<br />
braten. Zum Grillen <strong>die</strong> Köfte dünn mit etwas zusätzlichem Olivenöl bestreichen<br />
und auf <strong>ein</strong>em Gitter über 8-10 Minuten über der Glut grillen<br />
(Orhan spießt <strong>die</strong> gegrillten Köfte gegen Ende auf lange Stahlspieße, um<br />
auch <strong>die</strong> Kanten knusprig grillen zu können).<br />
Die grünen Pfefferschoten mitbraten oder grillen, mit Salz würzen. Die<br />
Brotstücke im 80 Grad heißen Ofen oder auf dem Grill erwärmen. Dann<br />
<strong>die</strong> Pfefferschoten und <strong>die</strong> Köfte mit den roten Zwiebeln in <strong>die</strong> Brote verteilen.<br />
Afiyet olsun!<br />
Tipp: wenn Sie <strong>die</strong> Köfte vor dem Braten oder Grillen <strong>ein</strong>e halbe Stunde<br />
lang im Tiefkühler anfrieren, behalten <strong>die</strong> Fleischlaibchen ihre Form besser<br />
und gehen nicht auf.<br />
teressiert.“ Das Team von kochdichtürkisch.de hat es<br />
sich zum Ziel gesetzt, mindest <strong>ein</strong>mal im Monat <strong>ein</strong><br />
neues Video zu produzieren. „Aber manchmal holt<br />
uns der Alltag <strong>ein</strong>“, sagt Orhan Tançgil. Immerhin<br />
kocht er seit Anfang des Jahres <strong>ein</strong>mal im Monat<br />
in der WDR-Sendung „daheim und unterwegs“.<br />
Dazu kommen noch andere Aktivitäten: „Da wir<br />
nur von kochdichtürkisch.de leben, müssen wir<br />
schon nach Einnahmen schauen. Deswegen bieten<br />
wir auch Verkostungsaktionen oder Kochkurse<br />
an. Und dann muss das nächste Video eben warten.“<br />
Mit anderen Bloggern werden auch gem<strong>ein</strong>same<br />
kulinarische Erlebnisabende veranstaltet.<br />
Zudem steckt das Team gerade auch noch<br />
im Endspurt für das zweite Kochbuch. Im ersten<br />
Kochbuch wurden 80 Rezepte für sieben typisch<br />
türkische Tafeln veröffentlicht. Im zweiten Buch<br />
soll es um Meze gehen, jene Häppchen, <strong>die</strong><br />
oft als Vorspeisen gereicht werden, aber auch <strong>ein</strong>en ganzen<br />
Abend begleiten können. Beide Bücher werden über Crowdfunding<br />
finanziert, das zweite Buch soll im Oktober ersch<strong>ein</strong>en.<br />
Viele Ideen<br />
Langweilig wird es der Familie Tançgil also erst <strong>ein</strong>mal nicht.<br />
Zumal es schon viele neue Ideen gibt. „Mir schwebt vor, kulinarische<br />
Reisen in <strong>die</strong> Türkei zu organisieren, auf denen wir in<br />
kl<strong>ein</strong>e Hotels oder Pensionen gehen, selbst kochen, Märkte besuchen,<br />
Olivenhaine anschauen, W<strong>ein</strong>händler treffen“, sagt<br />
Orhan Tançgil. Denn im Grunde geht es beim Blog „Kochdichtürkisch“<br />
um viel mehr als das r<strong>ein</strong>e Essen. „Wir wollen <strong>die</strong> türkische<br />
Kultur näher bringen. Die Integration geht oft durch den<br />
Magen – das hat man bei den Italienern gesehen. Durch das<br />
Essen hat Italien <strong>ein</strong>en ganz anderen Wert bekommen“, sagt<br />
Orkide Tançgil. Der ganzheitliche Ansatz liegt ihr am Herzen.<br />
„Denn so <strong>ist</strong> auch <strong>die</strong> türkische Küche. Es wird auch nichts weggeworfen,<br />
alle Reste werden wiederverwendet. Der Reis vom<br />
Vortag kommt in <strong>die</strong> Frauenschenkel-Köfte, wenn mit Spinat gekocht<br />
wird, wird der Strunk für <strong>ein</strong> anderes Gericht aufbewahrt.<br />
Da <strong>ist</strong> ganz viel Respekt da“, sagt sie. Politisches wird man auf<br />
dem Blog kochdichtürkisch nicht finden, aber viele Geschichten<br />
um das Essen herum, zu den verschiedenen Traditionen. Rezepte<br />
zum Fastenbrechen nach dem Ramadan dürfen genauso wenig<br />
fehlen wie zur beliebtesten Sommeraktivität vieler Türken, dem<br />
Grillen.<br />
S<strong>ein</strong>en Schritt in <strong>die</strong> Selbstständigkeit hat Orhan Tançgil übrigens<br />
nie bereut. Im Gegenteil: „Von der Seele und vom Kopf her erlebe<br />
ich gerade <strong>die</strong> beste Zeit m<strong>ein</strong>es Lebens. So kann es <strong>die</strong><br />
nächsten 20 Jahre weitergehen.“ ƒ Isabelle Butschek<br />
Isabelle Butschek<br />
Mit knurrendem Magen sollte der Video-<br />
Blog „Kochdichtürkisch“ nicht angeschaut<br />
werden, mit knurrendem Magen sollte<br />
aber auch nicht über ihn geschrieben<br />
werden, wie unsere Autorin leidvoll feststellen<br />
musste.<br />
22 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Regionales<br />
Die Vision liegt<br />
in der Natur<br />
„<strong>Guter</strong> <strong>Geschmack</strong> <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>Stück</strong> Heimat“, davon<br />
<strong>ist</strong> Matthias Gfrörer überzeugt. Nach Wanderjahren<br />
durch verschiedene Sterne-Küchen<br />
im In- und Ausland <strong>ist</strong> der Koch vor fünf Jahren<br />
in s<strong>ein</strong>e Heimat zurückgekehrt. Gem<strong>ein</strong>sam<br />
mit s<strong>ein</strong>er Frau Rebecca hat er das Restaurant<br />
„<strong>Gutsküche</strong>“ auf dem Biolandgut<br />
Wulksfelde vor den Toren Hamburgs eröffnet<br />
– nur drei Kilometer von s<strong>ein</strong>em Geburtsort<br />
entfernt.<br />
Matthias Gfrörer weiß, was <strong>ein</strong>e<br />
gute Landküche ausmacht: frische,<br />
saisonale Zutaten in Bio-Qualität<br />
Wulksfelde <strong>ist</strong> vielen Hamburgern<br />
<strong>ein</strong> Begriff. Das liegt jedoch<br />
nicht an der landschalichen<br />
Schönheit <strong>die</strong>ses Fleckchen Erde<br />
im reizvoll gelegenen oberen Alstertal,<br />
sondern am dort ansässigen Biolandgut,<br />
das seit 1989 höchst erfolgreich <strong>ein</strong>e vielseitige,<br />
konsequent ökologische Landwirtscha<br />
betreibt. Aus <strong>ein</strong>em stark heruntergewirtschaetem<br />
Landgut mit verfallenen<br />
Stallungen, das <strong>die</strong> Stadt Hamburg<br />
damals unter der Auflage <strong>ein</strong>er organischbiologischen<br />
Bewirtschaung verpachtete,<br />
<strong>ist</strong> <strong>ein</strong> 380 Hektar großer Biolandbetrieb<br />
mit großzügigem Hofladen, Lieferservice<br />
mit Packhalle, eigener Tierzucht, Bäckerei<br />
und Gärtnerei sowie 150 Mitarbeitern geworden.<br />
Ein noch relativ neuer Baust<strong>ein</strong> des Erfolgsmodells<br />
Wulksfelde <strong>ist</strong> <strong>die</strong> „<strong>Gutsküche</strong>“,<br />
<strong>ein</strong> Bio-Restaurant mit modern interpretierter<br />
Landhausküche. „Die Messlatte<br />
war hoch, schließlich hat das Landgut<br />
seit über 25 Jahren <strong>ein</strong> sehr gutes und<br />
skandalfreies Bio-Renommee“, erzählt<br />
Matthias Gfrörer, der das Restaurant vor<br />
fünf Jahren mit s<strong>ein</strong>er Frau gepachtet,<br />
konzeptioniert und umgebaut hat.<br />
Als der Hofladen, der im heutigen Gebäude<br />
der <strong>Gutsküche</strong> untergebracht war, aus<br />
allen Nähten platzte und umzog, war Platz<br />
für <strong>ein</strong>en Gastro-Betrieb. Und Matthias<br />
und Rebecca Gfrörer, <strong>die</strong> beide erst im<br />
Hotel „Vier Jahreszeiten“ in<br />
Hamburg gelernt hatten<br />
und dann zusammen von<br />
Sterne-Restaurant zu Sterne-Restaurant<br />
in New<br />
York, Monte Carlo und<br />
Dubai gezogen sind, griffen<br />
zu. „Wir wollten uns<br />
bewusst selbstständig machen<br />
und Wulksfelde suchte<br />
Pächter, <strong>die</strong> sich hier handwerklich und<br />
gastronomisch engagieren“, erzählt Gfrörer.<br />
Dass das Restaurant biozertifiziert s<strong>ein</strong><br />
sollte, versteht sich bei dem Standort von<br />
selbst – und passte perfekt zu den Vorstellungen<br />
der neuen Pächter: „Wir wollen<br />
so naturnah und nachhaltig wie möglich<br />
arbeiten. In <strong>die</strong>ser Hinsicht <strong>ist</strong> Deutschland<br />
wirklich <strong>ein</strong> Entwicklungsland auf<br />
höchstem Niveau.“<br />
Über <strong>die</strong> Bio-Zertifizierung der „<strong>Gutsküche</strong>“<br />
will der Küchenchef nicht diskutieren,<br />
denn <strong>die</strong> sieht er als Grundlage s<strong>ein</strong>er<br />
Arbeit. Man findet dazu auch nur wenig<br />
Werbung in der Speisekarte: „Für uns <strong>ist</strong><br />
es Understatement…“ Lediglich Wild und<br />
Meeresfrüchte sind von Natur aus nicht<br />
zertifiziert.<br />
Wider dem dekadenten<br />
Versorgungswahnsinn<br />
„Omas Küche <strong>ist</strong> 700 Jahre gut gelaufen<br />
mit <strong>ein</strong>er bodenständigen und konsequent<br />
saisonalen Küche. Doch wir haben<br />
uns heute an <strong>ein</strong>en dekadenten Versorgungswahnsinn<br />
gewöhnt, bei dem immer<br />
alles jederzeit zur Verfügung stehen soll.“<br />
Nur wer saisonal koche, könne nachhaltig<br />
arbeiten, daher bestimmt das Angebot an<br />
frischen Waren täglich den Speiseplan.<br />
Klar, dass der Koch nichts von Convenience-Produkten<br />
aus der Dose oder Tüte<br />
hält und auch <strong>Geschmack</strong>sverstärker in<br />
s<strong>ein</strong>er Küche tabu sind, ebenso wie Friteuse<br />
und Mikrowelle – <strong>die</strong>s alles habe in<br />
<strong>ein</strong>er handwerklich arbeitenden Küche<br />
nichts zu suchen.<br />
Was <strong>die</strong> Lebensmittel angeht, kann Gfrörer<br />
durch <strong>die</strong> Nähe zum Landgut aus dem<br />
Vollen schöpfen. Die Wege für Fleisch,<br />
Eier, Brot oder Gemüse und Salat aus der<br />
Hofgut-Gärtnerei könnten nicht kürzer<br />
s<strong>ein</strong>. Wild wird aus den naheliegenden<br />
Regionen wie dem Duvenstedter Brook<br />
oder dem Sachsenwald bezogen und Fisch<br />
stammt von der „Deutschen See“, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 23
Regionales<br />
Den Köchen darf in der Gutküche<br />
gerne auf <strong>die</strong> Finger geschaut<br />
werden. Transparenz erwünscht<br />
– <strong>die</strong>se Message steht auch auf<br />
der Schiefertafel<br />
Gfrörer für den konsequenten Arten- und<br />
Fangschutz lobt.<br />
Im Winter wird, so lange es geht, mit Kellerware<br />
oder selbst <strong>ein</strong>geweckten Produkten<br />
gearbeitet. „Man kann natürlich nicht<br />
immer nur Grünkohl anbieten. Aber es<br />
gibt sensationelle ökologische Produkte<br />
aus Übersee wie Avocado, Passionsfrucht<br />
oder Kokosnuss, <strong>die</strong> ich gerne verwende“,<br />
sagt der Küchenchef.<br />
DIE KÜCHE VOM GUT<br />
Die „<strong>Gutsküche</strong>“ auf dem Gelände des Biolandgutes<br />
Wulksfelde in Tangstedt vor den<br />
Toren Hamburgs <strong>ist</strong> Dienstag bis Freitag mittags<br />
von 12 bis 15 Uhr geöffnet sowie<br />
abends von 18 bis 22 Uhr. Von Juni bis Ende<br />
September wird sonntags <strong>ein</strong> Sommer-Buffet<br />
von 12 bis 16 Uhr angeboten. Regelmäßig<br />
gibt es in der <strong>Gutsküche</strong> Kochkurse zum Thema<br />
„Vom Hof in <strong>die</strong> Küche“. Am 1./2. November<br />
<strong>ist</strong> anlässlich des Schleswig-Holst<strong>ein</strong>-<br />
Gourmetfestivals der befreundete Sterne-Koch<br />
Michael Kempf zu Gast. Und am 22. Februar<br />
2015 findet zum fünften Mal der Jubiläumsevent<br />
„Kochen mit Freu(n)den“ statt, <strong>ein</strong>e Flur-<br />
Geburtstagsparty mit befreundeten Köchen,<br />
Künstlern und Produzenten aus der ganzen<br />
Welt. Weitere Veranstaltungen und Infos zum<br />
Konzept „Bewusst genießen“ unter<br />
: www.gutskueche.de.<br />
„Ich setze mich sehr intensiv mit den Produkten<br />
aus<strong>ein</strong>ander. Das <strong>ist</strong> auch das, was<br />
ich in den Jahren zuvor in den Sterne-Restaurants<br />
gemacht habe: Man sucht immer<br />
den besten Bauern, das beste Produkt.“<br />
Das führe dann dazu, dass <strong>die</strong> Gäste der<br />
<strong>Gutsküche</strong> in <strong>die</strong>sem Frühjahr auf Spargelgerichte<br />
länger warten mussten, denn<br />
den frühen Spargel hat Gfrörer nicht gekau,<br />
weil der <strong>ein</strong>fach noch nicht<br />
schmeckte. Und auch <strong>die</strong> frühe spanische<br />
Bio-Erdbeere kam bei ihm nicht auf den<br />
Tisch, weil er eben weiß, wie anders sonnengereie<br />
Erdbeeren aus dem hofeigenen<br />
Anbau schmecken.<br />
Manchmal <strong>ist</strong> es laut Gfrörer auch bei Bio-<br />
Lieferanten schwierig, nachzufragen, woher<br />
<strong>die</strong> Produkte genau kommen. Diese<br />
Entwicklung sieht der Koch sehr kritisch:<br />
„Wir steuern im Bio-Bereich heute auf<br />
<strong>die</strong>selben Skandale zu wie im konventionellen<br />
Bereich.“ Heute werde Bio o nicht<br />
mehr gelebt, sondern es würden sich nur<br />
<strong>die</strong> Rosinen herausgepickt, daran müsse<br />
gearbeitet werden.<br />
Live dabei in der offenen<br />
Showküche<br />
Transparenz <strong>ist</strong> für ihn <strong>ein</strong> wichtiges<br />
Stichwort. Das spiegelt sich schon im Restaurantkonzept<br />
wider. Dominant im Gastraum<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> offene Showküche: „Wir wollen<br />
den Gästen zeigen, was wir machen<br />
und uns nicht verstecken.“ Die offene Küche<br />
sei im Ausland gängiger als in<br />
Deutschland, gehöre dort zum Lifestyle<br />
vieler Hotel -und Gastronomiekonzepte.<br />
Die Gäste sind also live dabei, wenn der<br />
Küchenchef und s<strong>ein</strong> Team Kreationen<br />
zaubern wie zum Beispiel im Sommer<br />
Carpaccio von jungen Sommer-Beeten<br />
mit f<strong>ein</strong>em Ziegenkäse und Johannisbeer-<br />
Vinaigrette, gefolgt von Adlerfischfilet mit<br />
Sauce Piperade, Fenchel, Gnocchi und<br />
Kalamata-Oliven oder auch Wulksfelder<br />
Hof-Ferkel in brasilianischer Begleitung<br />
mit Erdnuss, Brokkoli & Süßkartoffeln.<br />
Die Speisekarte mit 15 Gerichten wechselt<br />
monatlich. Täglich neu komponiert wird<br />
das sogenannte Chef-Menü, hier können<br />
Gäste zwischen drei Gängen (38 Euro),<br />
vier Gängen (48 Euro) und fünf Gängen<br />
(58 Euro) wählen.<br />
Auf der Anrichte zur offenen Küche wird<br />
ausgelegt, was <strong>die</strong> jeweilige Jahreszeit an<br />
frischen Köstlichkeiten zu bieten hat, damit<br />
<strong>die</strong> Gäste <strong>die</strong> Zutaten im Original se-<br />
Seit fünf Jahren führen Matthias<br />
Gfrörer und s<strong>ein</strong> Team <strong>die</strong> <strong>Gutsküche</strong><br />
in Wulksfelde<br />
24 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Regionales<br />
Ehefrau Rebecca Gfrörer<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> W<strong>ein</strong>kennerin<br />
der <strong>Gutsküche</strong><br />
hen können. Darüber hängt <strong>ein</strong>e große Schiefertafel<br />
als Speisekarte. Offen <strong>ein</strong>sehbar <strong>ist</strong> auch<br />
<strong>die</strong> gläserne Kühlkammer, in der unter anderem<br />
<strong>ein</strong> ganzes Schw<strong>ein</strong> und <strong>ein</strong> halbes Gut’s Angus-Rind<br />
hängen. „Wir legen viel Wert auf <strong>ein</strong>e<br />
natürliche Reifung des Fleisches“, erklärt Matthias<br />
Gfrörer.<br />
Rebecca Gfrörer <strong>ist</strong> <strong>die</strong> W<strong>ein</strong>kennerin im Haus<br />
und ihre Domäne <strong>ist</strong> – neben dem kompetententspannten<br />
Service – das ebenfalls offen <strong>ein</strong>sehbare<br />
großzügige W<strong>ein</strong>lager. Angeboten werden<br />
W<strong>ein</strong>e von Familienbetrieben in Deutschland<br />
und Frankreich, <strong>die</strong> ihre W<strong>ein</strong>e so naturnah<br />
wie möglich anbauen. „Wir arbeiten daran,<br />
dass alle W<strong>ein</strong>e und Spirituosen biozertifiziert<br />
sind oder sich in der Umstellung befinden.“<br />
K<strong>ein</strong> steifer Gourmet-Tempel<br />
Nicht nur <strong>die</strong> Produktion <strong>ist</strong> offen. Offen will<br />
<strong>die</strong> <strong>Gutsküche</strong> auch für Gäste aller Couleur s<strong>ein</strong>.<br />
Der Küchenchef bringt <strong>die</strong>s auf <strong>die</strong> folgende<br />
Formel: „Zu uns sollen alle kommen können,<br />
gern auch mit Hund, Kind und Kegel.“ Deshalb<br />
<strong>ist</strong> das Restaurant, in dem 85 Gäste Platz finden,<br />
mit s<strong>ein</strong>en antiken Balken sowie Holzstühlen<br />
und -tischen ohne Tischdecken auch eher ungezwungen-gemütlich<br />
und sieht so gar nicht<br />
nach steifem Gourmet-Tempel aus.<br />
Das Konzept kommt an. Zwischen 60 und 80<br />
Gäste am Mittag und 40 bis 60 am Abend lassen<br />
sich <strong>die</strong> Gerichte der Landhausküche schmecken,<br />
darunter viele Stammgäste, <strong>die</strong> <strong>ein</strong>- bis<br />
zweimal <strong>die</strong> Woche kommen. „Wir haben fünf<br />
Jahre investiert, damit uns <strong>die</strong> Leute vertrauen<br />
und Appetit auf unsere frische Landküche haben.<br />
Heute nehmen viele <strong>ein</strong>fach das Chef-<br />
Menü als saisonalen Höhepunkt und lassen sich<br />
verwöhnen.“<br />
Matthias Gfrörer steht jeden Tag selbst in der<br />
Küche und versucht auch den Service mit zu<br />
unterstützen. „Wir haben <strong>die</strong> ästhetisch-moralische<br />
Trennung zwischen Kellner und Koch<br />
aufgehoben. Auch <strong>die</strong> Servicekräe<br />
müssen wissen,<br />
was in der Produktion läu<br />
und für den Koch <strong>ist</strong> der<br />
Kontakt zum Gast wichtig.<br />
Das heißt, er geht auch mal<br />
mit raus und erklärt unsere<br />
Gerichte.“<br />
15 Mitarbeiter umfasst das<br />
Team in der <strong>Gutsküche</strong><br />
derzeit, darunter drei<br />
Koch-Azubis. Gern würde<br />
Gfrörer auch im Restaurantbereich ausbilden,<br />
doch hier sei es ganz schwierig, jemanden zu<br />
finden. Das gelte generell auch für Auszubildende<br />
für <strong>die</strong> Küche, doch durch das produktnahe<br />
Kochen und <strong>die</strong> schöne Küche habe man<br />
hier mehr Glück gehabt. Als Ausbilder der neuen<br />
Generation <strong>ist</strong> es dem Küchenchef und der<br />
Restaurantchefin wichtig, ihre Liebe für gute<br />
Produkte, das ema Nachhaltigkeit und gefühlte<br />
echte Gastfreundscha weiterzugeben.<br />
Apropos Nachhaltigkeit: Dazu findet Matthias<br />
Gfrörer klare Worte in Richtung Politik. „In<br />
Österreich sind nachhaltige und regionale Produkte<br />
günstiger, denn sie werden vom Staat subventioniert.<br />
In <strong>ein</strong>e nachhaltige Wirtschasführung<br />
zu investieren, wäre bei uns auch zeitgemäß,<br />
also zum Beispiel Bauernhöfe zu unterstützen,<br />
<strong>die</strong> noch handwerklich arbeiten.“<br />
Ob Koch, Bäcker oder Metzger: Jeder sollte sich<br />
in s<strong>ein</strong>em Fachbereich für Nachhaltigkeit stark<br />
machen, schließlich haben <strong>die</strong>se Berufe ihre<br />
Wurzeln in der Tradition und Natur.<br />
„Die Vision liegt in der Natur“, lautet generell<br />
das Credo von Matthias Gfrörer und neu sei<br />
<strong>die</strong>ser Ansatz beileibe nicht: „Eigentlich haben<br />
<strong>die</strong> Menschen schon immer so gelebt. Wir haben<br />
Großeltern, <strong>die</strong> es gar nicht anders gekannt<br />
haben, nur haben wir uns heute ziemlich weit<br />
von der Natur entfernt.“<br />
ƒAlexandra Höß<br />
Alexandra Höß<br />
Die Bege<strong>ist</strong>erung von<br />
Matthias und Rebecca<br />
Gfrörer für naturbelassene<br />
Produkte hat auch unsere<br />
Autorin überzeugt –<br />
inzwischen gehört sie in<br />
Wulksfelde zu den<br />
Stammgästen.<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 25<br />
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6er-K<strong>ist</strong>e
Regionales<br />
Hinterm Korken: Die besten<br />
Seiten von echtem Charakterobst<br />
Die Manufaktur Jörg Geiger produziert hochwertige Schaumw<strong>ein</strong>e,<br />
Destillate und alkoholfreie Getränke aus oft längst<br />
vergessenen Apfel- und Birnensorten. Mittlerweile bekommt<br />
das schwäbische Unternehmen s<strong>ein</strong> Obst von 400 Landwirten<br />
und Gartenbesitzern. Damit wird auch <strong>die</strong> Kulturlandschaft<br />
der Streuobstwiesen langfr<strong>ist</strong>ig gesichert werden.<br />
Die Manufaktur bietet Schaumw<strong>ein</strong> aus immer nur etwa fünf Apfelund<br />
fünf Birnensorten an<br />
Den Wildling von Einsiedel zu ernten,<br />
<strong>ist</strong> alles andere als <strong>ein</strong> Vergnügen –<br />
<strong>die</strong> Birne <strong>ist</strong> selbst im Oktober oft<br />
noch so kl<strong>ein</strong> wie <strong>ein</strong>e Olive. Unangenehm<br />
kann auch <strong>die</strong> grüne Jagdbirne werden,<br />
zumindest wenn man herzhaft in das Obst<br />
hin<strong>ein</strong>beißt. Die große Menge an Gerbstoffen<br />
bewirkt, dass sich <strong>die</strong> Flüssigkeit im<br />
Mund auf <strong>ein</strong>en Schlag verflüchtigt. Weswegen<br />
früher übrigens auch empfohlen wurde,<br />
<strong>die</strong>se Sorte an den Wegesrand zu<br />
pflanzen – als wirkungsvollen Schutz gegen<br />
Mundraub.<br />
Es sind sperrige, eigensinnige alte Birnenund<br />
Apfelsorten, mit denen es Jörg Geiger<br />
zu tun hat. Aber er versteht es wie k<strong>ein</strong><br />
zweiter, mit s<strong>ein</strong>en Produkten das Beste aus<br />
<strong>die</strong>sem Charakter-Obst herauszuholen. In<br />
der gehobenen Gastronomie werden s<strong>ein</strong>e<br />
alkoholfreien Begleiter zu f<strong>ein</strong>em Essen geschätzt.<br />
Etwas Besonderes sind auch s<strong>ein</strong>e<br />
Schaumw<strong>ein</strong>e, etwa aus der alten Obstsorte<br />
Champagner Bratbirne. Bereits 1760<br />
wurde <strong>die</strong> Herstellung des Schaumw<strong>ein</strong>s<br />
aus <strong>die</strong>ser Birnensorte beschrieben – Jörg<br />
Geiger hat das Getränk wiederentdeckt.<br />
Anregungen holt er sich aus der Fachliteratur<br />
vorheriger Jahrhunderte. Und aus der<br />
Natur.<br />
Wie der Chef der gleichnamigen Manufaktur<br />
denkt und arbeitet, das lässt sich bei<br />
<strong>ein</strong>er Rundfahrt durch s<strong>ein</strong>e Streuobstwiesen<br />
entdecken. Von <strong>die</strong>sen gibt es – auch dank<br />
s<strong>ein</strong>em Engagement – um das kl<strong>ein</strong>e Örtchen<br />
Schlat am Rande der Schwäbischen<br />
Alb noch <strong>ein</strong>e Menge. In vielen anderen<br />
Teilen des Landes <strong>ist</strong> <strong>die</strong>se besondere Kulturlandschaft,<br />
Heimat unzähliger Insekten<br />
und Vögel, bedroht. Das Interesse, <strong>die</strong> alten<br />
Obstbäume zu pflegen, hat stark nachgelassen.<br />
Zumal es für <strong>die</strong> mühsam aufgesammelten<br />
Äpfel und Birnen oft nur <strong>ein</strong>e sehr<br />
geringe Entlohnung gibt. So war es auch<br />
in Schlat, als Jörg Geiger Mitte der 90er<br />
Jahre anfing, sich für das Stuttgarter Gaishirtle<br />
zu interessieren. Die alte Birnensorte<br />
wuchs im Garten der Tante, <strong>ein</strong>e Brennerei<br />
war vorhanden, also stellte der gelernte<br />
Koch s<strong>ein</strong>en ersten sortenr<strong>ein</strong>en Brand her.<br />
„Das Gaishirtle <strong>ist</strong> für viele <strong>ein</strong>e Kindheitserinnerung.<br />
Der Duft findet sich <strong>ein</strong>deutig<br />
im Destillat wieder“, erzählt Geiger. Weil<br />
<strong>die</strong> Rarität sehr gefragt war, ging er dazu<br />
über, <strong>die</strong> alte Birnensorte auf <strong>ein</strong>er schwach<br />
wachsenden Unterlage anzubauen, so wie<br />
es beim Tafelobst üblich <strong>ist</strong>. Diese Bäume<br />
bleiben kl<strong>ein</strong> und versprechen in Folge frühe<br />
Erträge. Das Experiment ging schief: „Die<br />
sensorische Qualität wurde nicht erreicht“,<br />
sagt Geiger. Die Früchte der hochstämmigen<br />
Mutterbäume hatten <strong>ein</strong>fach mehr Aroma.<br />
Damit begann s<strong>ein</strong>e Rückbesinnung<br />
auf <strong>die</strong> alten Sorten.<br />
Als nächstes mit jener berühmten Champagner<br />
Bratbirne. Diese wächst vor allem in<br />
den Gem<strong>ein</strong>den am Albtrauf, <strong>ist</strong> reich an<br />
Gerbstoffen und war in Württemberg <strong>ein</strong>e<br />
beliebte Mostbirne. Mit dem französischen<br />
Champagner hat sie übrigens nichts zu tun<br />
– allerdings hat Jörg Geiger wegen des Begriffs<br />
Champagner <strong>ein</strong>en langen Rechtsstreit<br />
ausfechten müssen. Immerhin sorgte <strong>die</strong>s<br />
dafür, dass sich <strong>ein</strong> Förderkreis für <strong>die</strong><br />
Champagner Bratbirne gründete, der<br />
2007 von Slow Food als erstes deutsches<br />
Presidio anerkannt wurde. Bis zu 150 Jahre<br />
alt sind <strong>ein</strong>ige Bäume <strong>die</strong>ser Sorte auf s<strong>ein</strong>en<br />
Streuobstwiesen. Knorrige alte Bäume,<br />
<strong>die</strong> immer noch <strong>ein</strong>e hervorragende Qualität<br />
liefern. Wer in der weiteren oder näheren<br />
Umgebung <strong>ein</strong>en solchen Baum in<br />
s<strong>ein</strong>em Garten hat, bringt <strong>die</strong> Früchte zu<br />
Jörg Geiger.<br />
Fotos: Manufaktur Jörg Geiger<br />
26 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Regionales<br />
Der Chef der Manufaktur freut sich über s<strong>ein</strong>en<br />
Schaumw<strong>ein</strong> aus Charakterobst<br />
Er hat dafür gesorgt,<br />
dass sich das Aufsammeln des Streuobstes<br />
wieder lohnt: Zwischen 15 und 70 Euro<br />
zahlt er pro hundert Kilo. Dafür verlangt er<br />
allerdings, dass <strong>die</strong> Früchte <strong>ein</strong>e gute Qualität<br />
haben, wirklich reif sind und sortenr<strong>ein</strong><br />
abgegeben werden. Angefangen hat er<br />
mit fünf Lieferanten, inzwischen kommen<br />
400 <strong>Stück</strong>lesbesitzer und Landwirte aus <strong>ein</strong>em<br />
Umkreis von 60 Kilometer nach Schlat.<br />
Sie tragen dazu bei, alte Obstsorten und<br />
<strong>die</strong> Kulturlandschaft der Streuobstwiesen zu<br />
bewahren.<br />
Mittlerweile hat Geiger natürlich nicht nur<br />
Schaumw<strong>ein</strong> von der Champagner Bratbirne<br />
im Angebot. „Eigentlich wollte ich bei<br />
<strong>ein</strong>er Sorte bleiben, aber ich habe gleich<br />
im zweiten Jahr gemerkt, dass das nicht<br />
funktioniert. Wenn man auf alte Sorten setzt,<br />
muss man mit der Natur leben und reagieren<br />
können.“ Denn sonst bleiben <strong>die</strong> Fässer<br />
in schlechten Jahren leer. Im Verkauf hat Jörg<br />
Geiger immer nur etwa fünf Apfel- und fünf<br />
Birnensorten, im Keller lagern <strong>ein</strong>e Vielzahl<br />
mehr. Manchmal<br />
muss <strong>die</strong> Manufaktur <strong>ein</strong> paar Jahrgänge<br />
sammeln, bis <strong>ein</strong>e ordentliche Menge<br />
beisammen <strong>ist</strong>.<br />
Bei der Fahrt durch <strong>die</strong> Streuobstwiesen<br />
geht es auf <strong>ein</strong>e Anlage, auf der vor fünf<br />
Jahren 20 verschiedene Sorten an alten<br />
Mostbirnen angepflanzt worden sind. „Wir<br />
nutzen stark wachsende Unterlagen aus<br />
den USA, <strong>die</strong> res<strong>ist</strong>enter sind. Denn alte<br />
Sorten sind schon sehr krankheitsanfällig“,<br />
erläutert er. Mit <strong>ein</strong>er modernen Tafelobstanlage<br />
hat <strong>die</strong>se Anpflanzung nichts gem<strong>ein</strong>:<br />
Zwischen den Bäumen steht hohes<br />
Gras, zehn Prozent der Fläche bleibt der<br />
Natur als Rückzugsraum. Dort und in Totholz<br />
wohnen Insekten und Vögel, <strong>die</strong> sich um<br />
Schädlinge kümmern sollen. Insektizide benutzt<br />
Geiger k<strong>ein</strong>e. Er nimmt dagegen teil<br />
am Life+-Projekt, das sich zum Ziel setzt,<br />
Lebensräume gefährdeter Vogelarten langfr<strong>ist</strong>ig<br />
zu sichern.<br />
Die Anlage <strong>ist</strong> nicht nur deswegen <strong>ein</strong>e<br />
echte Investition in <strong>die</strong> Zukunft: „Es dauert<br />
etwa 20 Jahre, bis <strong>die</strong> Bäume ordentlich<br />
Ertrag bringen“, sagt Jörg Geiger.<br />
Dafür haben <strong>die</strong> Früchte <strong>die</strong> Qualität,<br />
<strong>die</strong> er haben möchte – und <strong>die</strong><br />
auch s<strong>ein</strong>e Kunden schätzen. „Sie honorieren<br />
natürlich den Naturschutz,<br />
den wir betreiben. Aber wenn <strong>die</strong><br />
sensorische Qualität nicht stimmt, werden<br />
sie unsere Produkte nur <strong>ein</strong>mal<br />
kaufen.“ S<strong>ein</strong>e Angebotspalette hat<br />
Geiger übrigens nach und nach erweitert<br />
– weil er experimentierfreudig <strong>ist</strong>. „Und weil<br />
es viele Brennereien gibt, und es immer gut<br />
<strong>ist</strong>, sich abzuheben.“ Mit Abstand den me<strong>ist</strong>en<br />
Umsatz macht er mittlerweile mit s<strong>ein</strong>en<br />
alkoholfreien „Priseccos“. Die Grundlage<br />
bilden verschiedene Säfte, hinzu kommen<br />
Kräuter und manchmal recht exotische Zutaten,<br />
wie etwa Eichenrinde. An <strong>die</strong>sem<br />
Vormittag erntet <strong>ein</strong>er s<strong>ein</strong>er Mitarbeiter gerade<br />
Mädesüß, das am Wegesrand<br />
wächst. Jörg Geiger nimmt <strong>die</strong> Pflanze und<br />
schnuppert an den Blüten: „Ich weiß noch<br />
nicht genau, was ich damit mache. Aber<br />
ich finde den Duft sehr interessant.“ Deswegen<br />
wird das Mädesüß vakuumisiert und<br />
<strong>ein</strong>gefroren, bis es zum Einsatz kommt.<br />
Eines s<strong>ein</strong>er neuesten Produkte <strong>ist</strong> übrigens<br />
<strong>ein</strong> ganz besonderer Portw<strong>ein</strong> – nämlich<br />
aus Kirschen. „Damit möchte ich den Kirschen<br />
mehr Wertigkeit geben. Denn es <strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong>fach <strong>ein</strong> Haufen Aufwand, bis hundert<br />
Kilo Kirschen geerntet sind.“ Und ganz nebenbei<br />
hat Jörg Geiger wieder <strong>ein</strong>mal etwas<br />
gefunden, das k<strong>ein</strong>er macht. Man darf<br />
gespannt s<strong>ein</strong>, was der Schwabe in Zukunft<br />
getreu s<strong>ein</strong>em Motto „Perfektion und Leidenschaft<br />
– Tradition und Innovation“ noch<br />
austüftelt. ƒ Isabelle Butschek<br />
Manufaktur Jörg Geiger im Netz:<br />
: www.manufaktur-joerg-geiger.de<br />
Mittlerweile liefern 400 Landwirte und Gartenbesitzer ihr Streuobst<br />
in dem schwäbischen Unternehmen ab<br />
Isabelle Butschek staunte gleich<br />
doppelt: zum <strong>ein</strong>en<br />
darüber, wie mühsam<br />
<strong>die</strong> Ernte von alten<br />
Obstsorten s<strong>ein</strong> kann,<br />
und zum anderen darüber,<br />
zu welchen<br />
Ideen das eigensinnige<br />
Obst anregt.<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 27
Resteküche<br />
Altbacken neu interpretiert<br />
Brotreste gibt es in jeder Küche. Wegwerfen<br />
oder etwas <strong>Geschmack</strong>volles daraus<br />
zubereiten? Diese Frage stellen sich Bioköche<br />
erst gar nicht!<br />
Schnell frisches Brot kaufen und das alte landet im Mülleimer?<br />
Leichtfertig werfen wir heute weg, was früher wertvolle<br />
Nahrung war. Wie k<strong>ein</strong> anderes Lebensmittel hat Brot<br />
s<strong>ein</strong>en Status verloren. Vom Kulturgut Grundnahrungsmittel,<br />
von der Handwerkskunst zur industriellen Massenware und zum<br />
Wegwerfartikel. Auf jedem Fall <strong>ist</strong> Brot weit mehr als <strong>die</strong> Summe<br />
s<strong>ein</strong>er Zutaten: Mehl, Wasser, Salz und Lockerungsmittel. Weltweit<br />
in verschiedenen Formen und <strong>Geschmack</strong>srichtungen gebacken,<br />
erzählt es <strong>die</strong> Geschichte jedes Landes, aber auch jedes<br />
Menschen.<br />
Unsere schnelllebige Zeit hat das Kulturgut Brot verändert. Aufbackstationen<br />
und Teiglinge in den Supermärkten sorgen dafür,<br />
dass Brot nur kurze Zeit frisch s<strong>ein</strong> muss. Schließlich kann jederzeit<br />
wieder Neues gebacken werden. Auf der gleichen, jedoch<br />
anderen Seite steht das Bäckerhandwerk mit <strong>ein</strong>er langen Tradition.<br />
Hier geht nichts schnell, Brot braucht Zeit. Wenn Bäcker<br />
erzählen, fallen Worte wie Langzeitteigführung, Handwerk, Holzofen...<br />
Sie reden von Krusten, <strong>die</strong> aurechen, also „fenstern“,<br />
vom Du und der unvergleichlichen Magie, <strong>die</strong> in den Backstuben<br />
herrschen.<br />
Früher war alles anders…<br />
...da wurde nichts weggeworfen, wertvolles Brot schon gar nicht.<br />
Wer <strong>ein</strong>fache Rezepte mit altbackenem Brot sucht, fragt am besten<br />
bei kreativen Bioköchen oder bei Großmüttern nach: Brotreste<br />
müssen zuerst kl<strong>ein</strong>, würfelig geschnitten oder getrocknet<br />
zu Bröseln verarbeitet werden. So auereitet gibt<br />
es unzählige Verwendungsmöglichkeiten<br />
für <strong>ein</strong>fache,<br />
schnelle und köstliche Gerichte.<br />
Grundsätzlich wird zwischen<br />
Weiß- und Schwarzbrot unterschieden.<br />
Während helle Brotsorten<br />
geschmacksneutral sind<br />
und schneller weich werden,<br />
schmecken dunkle Sorten unnachahmlich<br />
würzig und sind<br />
von fester Kons<strong>ist</strong>enz. „Schwarzbrot“<br />
bezeichnet in Deutschland<br />
in erster Linie Roggenvollkornbrote.<br />
Es gehören aber auch vollkornhaltige<br />
Brotsorten dazu. In<br />
Süddeutschland, wo Brot lieber<br />
heller gebacken verzehrt wird, fällt<br />
unter den Begriff Schwarzbrot auch das Roggenmischbrot, obwohl<br />
es Weizenmehl enthält.<br />
Unser Tag beginnt me<strong>ist</strong>ens mit <strong>ein</strong>er Scheibe Brot zum Frühstück,<br />
vielleicht noch <strong>ein</strong> <strong>Stück</strong>chen zwischendurch oder <strong>ein</strong>er<br />
Brotmahlzeit zum Abend. Brot, vor allem altbackenes, <strong>ist</strong> aber<br />
auch <strong>ein</strong>e wunderbare Kochzutat.<br />
Schwarzbrot, Zwiebel, Schw<strong>ein</strong>eschmalz, Majoran, Kümmel und<br />
Knoblauch – daraus wurde bei uns zu<br />
Hause immer <strong>ein</strong>e Brotsuppe gekocht.<br />
Heute verwende ich anstelle von<br />
Schw<strong>ein</strong>eschmalz Öl oder Butter, ansonsten<br />
verändert sich der <strong>Geschmack</strong><br />
nur durch <strong>die</strong> verwendeten<br />
Brotreste. Der Klassiker aus Weißbrotresten<br />
sind Knödel in allen Varianten:<br />
Semmelknödel oder bestückt<br />
mit Apfel und Maroni zu<br />
dunklem Fleisch oder Wild, Tiroler<br />
Knödel mit Speck, Spinatknödel,<br />
Böhmische Knödel luig mit Hefe.<br />
Aus Brezenknödeln, Pilzen und<br />
Rucola zaubert beispielsweise Michael<br />
Niedermayer im Biohotel<br />
und in der Tafernwirtscha Hörger<br />
in Hochenpercha <strong>ein</strong> köstliches<br />
Carpaccio.<br />
28 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Resteküche<br />
Salat und Chips<br />
Panzanella <strong>ist</strong> der typisch mediterrane Brotsalat aus altbackener<br />
Ciabatta, Tomaten, Oliven, Kapern, Paprika und natürlich Olivenöl,<br />
Salz und Knoblauch. Eine winterliche Variante des Brotsalates<br />
kreiert Biokoch Karsten Bessai mit Lauch, roten Rüben,<br />
Apfel, Bergkäse und je nach <strong>Geschmack</strong> auch Pinienkernen.<br />
Wichtig dabei <strong>ist</strong>, nur <strong>die</strong> Häle der Weißbrotwürfel mit allen<br />
Zutaten gut zu vermengen und zumindest <strong>ein</strong>e Stunde gut durchziehen<br />
zu lassen. Die andere Häle der Brotwürfel in <strong>ein</strong>er Pfanne<br />
mit reichlich Olivenöl knusprig braten, zum Salat geben und<br />
servieren.<br />
Als Knabberei zu <strong>ein</strong>em Glas W<strong>ein</strong> empfiehlt der Koch anstelle<br />
der üblichen Kartoffelchips hauchdünne Crostinis mit Käse.<br />
Hierzu kann jede Brotsorte verwendet werden: in Scheiben<br />
schneiden, Käse darüber reiben und ab in den Ofen.<br />
Süße Überraschung<br />
Am schönsten finde ich jedoch <strong>die</strong> süßen Gaumenfreuden aus<br />
Brotresten. Einfach und schnell zu machen <strong>ist</strong> der Scheiterhaufen:<br />
Weißbrot in Scheiben oder Würfel geschnitten, in <strong>ein</strong>er Milch-,<br />
Ei-, Zucker-Mischung getränkt, mit säuerlichen Apfelscheiben<br />
und Zimt geschichtet, um schließlich, mit <strong>ein</strong>er süßen Schneehaube<br />
gekrönt, gebacken zu werden.<br />
Für den Tessiner Brotkuchen wird altbackenes Weißbrot kl<strong>ein</strong><br />
geschnitten und mit heißer Milch übergossen. Nach <strong>ein</strong> paar<br />
Stunden wird <strong>die</strong>se Masse aufgemixt und mit Zucker, Ei, Kakao<br />
Rosinen, Zedratzitronen oder Äpfeln sowie Grappa vermengt.<br />
Zum Schluss Pinienkerne darüberstreuen und backen. Diese<br />
Torta di pane muss dann noch zwei Tage ruhen, am besten in<br />
Folie <strong>ein</strong>geschlagen. Erst dann schmeckt sie richtig gut!<br />
Eine ähnliche Brotkuchenvariante aus Schwarzbrot mit Kaffee,<br />
Zucker, Walnüssen, Butter, Mascarpone und Sahne <strong>ist</strong> so üppig<br />
und gut, dass Genießer das Brot gerne extra nur dafür <strong>ein</strong>kaufen.<br />
Aus altem Schwarzbrot, Sauerkirschen, Quark und Sahne wird<br />
im Biohotel Gutshaus Stellshagen „Mecklenburger Götterspeise“<br />
gemacht. Altes Brot wird mit den richtigen Zutaten zu köstlichen<br />
Desserts. Denn, so das Credo der Bioköche: „Man kann aus<br />
allem noch was machen!“ ƒ Andrea Knura<br />
Andrea Knura lässt k<strong>ein</strong> altes Brot verkommen<br />
und macht daraus noch leckere<br />
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beiden Autorinnen aus dem Fre<strong>ist</strong>aat geizen nicht mit mundartlichen Ausdrücken, um Einheimischen wie „Zuagroasten“<br />
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Die Augen offen halten, so lautet das Plädoyer von Carolyn Caldicott: aufmerksam s<strong>ein</strong> für <strong>die</strong> Brennnesseln<br />
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Gerichte zaubern. Wie man an <strong>die</strong> wilden Kräuter und Früchte herankommt, erläutern kl<strong>ein</strong>e Einführungen,<br />
mit Tipps zur Verarbeitung. Wem das Sammeln nicht reicht, findet Hinweise, wie Sauerampfer, Mangold und<br />
Topinambur im eigenen Garten gedeihen. Die britische Autorin zeigt außerdem, wie aus Erdbeeren Eton-<br />
Mess, <strong>ein</strong> Kult-Dessert aus England, wird, oder wozu besondere Früchte wie Quitten passen. Auch wenn es<br />
zu den <strong>ein</strong>zelnen Früchten jeweils nur wenige ausgewählte Rezepte gibt, <strong>die</strong> bunten Seiten mit den ansprechenden<br />
Fotos laden zum Blättern <strong>ein</strong> und bieten <strong>die</strong> <strong>ein</strong>e oder andere Anregung, was sich mit Wild Food<br />
anstellen lässt.<br />
Wild Food. Saisonale Köstlichkeiten<br />
Carolyn & Chris Caldicott, Freies Ge<strong>ist</strong>esleben, 19,90 Euro (D)<br />
GESCHMACK LIEGT AUF DER ZUNGE DES BETRACHTERS<br />
Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Das gilt wohl auch für <strong>Geschmack</strong>, denn <strong>die</strong> Zusammenstellung<br />
der 25 besten Sterne-Köche aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol <strong>ist</strong> r<strong>ein</strong> subjektiv: Klaus D.<br />
Leciejewski, der unter anderem Restaurant-Kritiken schreibt, hat <strong>die</strong> Auswahl getroffen. Die Auszeichnung der<br />
Köche mit Michelin-Sternen war Bedingung für <strong>die</strong> Aufnahme. In Essays beschreibt er Köche wie Juan Amador,<br />
Chr<strong>ist</strong>ian Bau, Tim Raue und Harald Wohlfahrt weniger auf Grund ihres Werdegangs, sondern vielmehr nach<br />
ihrem Charakter, ihrem Stil in der Küche und ihren Kreationen. Zu den 25 Besten zählt der Autor k<strong>ein</strong>e Frau;<br />
zwei – Tanja Grandits und Douce St<strong>ein</strong>er – haben dennoch als „Solitäre“ am Ende des Buches Erwähnung<br />
gefunden. Den Charakter <strong>ein</strong>er persönlichen Best-of-L<strong>ist</strong>e unterstreichen auch <strong>die</strong> selbst aufgenommenen Fotos,<br />
für <strong>ein</strong>e derartige Publikation eigentlich nicht hochwertig genug.<br />
Die 25 Besten. Deutschland, Österreich, Schweiz, Südtirol. Die Spitze der deutschsprachigen<br />
Kochkünstler<br />
KDL-Consulting GmbH, Klaus D. Leciejewski, 20,00 Euro (D)<br />
Fotos: Umschau Verlag, Gräfe und Unzer, KDL-Consulting GmbH, Freies Ge<strong>ist</strong>esleben<br />
30 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Genusswelt<br />
Hauptsache scharf<br />
Dass <strong>die</strong>se Chilis scharf sind, lässt sich schon erahnen,<br />
wenn sie aus der Dose geschüttet werden<br />
Manchmal bringt jemanden <strong>die</strong> Liebe zu <strong>ein</strong>em Produkt<br />
dazu, es auch zu verkaufen. Bei Josefina Petrus,<br />
Inhaberin von „The Love of Chilies“, war es so. Inzwischen<br />
bietet sie scharfe Chili-Schoten aus ökologischem<br />
Anbau an.<br />
Fotos : The Love of Chilies<br />
Josefina Petrus <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e neugierige Frau,<br />
so neugierig, dass sie nachforschte, wo<br />
sie qualitativ hochwertige Chilis kaufen<br />
kann. Denn das <strong>ist</strong> ihre große Leidenschaft.<br />
Petrus und ihr Mann lieben Schärfe im Essen,<br />
fanden das Angebot an Chilischoten<br />
in Deutschland aber frustrierend. Die Qualität<br />
stimmte ihrer M<strong>ein</strong>ung nach nicht: „Es<br />
gab <strong>ein</strong>fach k<strong>ein</strong>e Schoten im Bio-Qualität“,<br />
bemängelt <strong>die</strong> ehemalige Mitarbeiterin<br />
<strong>ein</strong>er Filmproduktions-Firma.<br />
Aber selbst, wenn es Bio-Schoten gegeben<br />
hätte, lautete <strong>die</strong> große Herausforderung:<br />
Wie <strong>die</strong> Schärfe konservieren? Nur frische<br />
Schoten sind scharf genug, damit sie Petrus’<br />
Ansprüchen genügen. Je länger sie liegen,<br />
ob im Kühlschrank oder auf der Fensterbank,<br />
der feurige <strong>Geschmack</strong> nimmt ab.<br />
Die Schärfe aber sollte Petrus zufolge am<br />
besten bewahrt werden. Sie fing an, sich<br />
mit Konservierungsmethoden aus<strong>ein</strong>anderzusetzen,<br />
wurde aber nicht wirklich fündig.<br />
Schnell stand fest, es musste <strong>ein</strong> Lebensmittelchemiker<br />
her, der untersuchen konnte,<br />
wie sich Schärfe am besten erhalten ließe.<br />
Petrus recherchierte weiter und fand schließlich<br />
an der TU Berlin <strong>ein</strong>en Lebensmittelchemiker,<br />
der bereit war, im Versuchslabor<br />
Josefina Petrus liebt scharfe<br />
Chilischoten im Essen, war mit<br />
dem Angebot in Deutschland<br />
aber nicht zufrieden und hat<br />
„The Love of Chilies“ gegründet<br />
<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 31
Esskultur<br />
Auf Lanzarote wachsen Chilis in Bio-Qualität, <strong>die</strong><br />
scharf genug sind, um Josefina Petrus Qualitätsansprüchen<br />
zu genügen<br />
2<br />
1<br />
3<br />
1 Ein Bewässerungssystem versorgt <strong>die</strong> Chilipflanzen<br />
mit ausreichend Wasser 2 Auf den Lavafeldern<br />
der Finca la Sarantontona wird Obst und Gemüse<br />
in Bio-Qualität angebaut 3 Die Chilischoten, <strong>die</strong> Landwirt José Maria Guerra kultiviert, werden in Deutschland<br />
kl<strong>ein</strong> geschnitten, gefriergetrocknet und unter dem Brand „The Love of Chilies“ online vertrieben<br />
zu testen, welche Konservierungsmethode<br />
für Chilischoten am besten geeignet war.<br />
Fast drei Monate dauerte <strong>die</strong> Testreihe, übrigens<br />
kostenlos, bis schließlich feststand:<br />
Gefriertrocknung <strong>ist</strong> ideal.<br />
Blieb trotzdem das Problem, passende Chilis<br />
zu finden, <strong>die</strong> den hohen Qualitätsstandards<br />
von Petrus gerecht werden. Und<br />
auch <strong>die</strong>se Hürde für den Markt-Start von<br />
„The Love of Chilies“ wurde bald geme<strong>ist</strong>ert.<br />
Nämlich an <strong>ein</strong>em Ort, an dem es Petrus<br />
und ihr Mann am wenigsten erwartet<br />
hätten – im Urlaub auf Lanzarote. Neben<br />
ihrer Leidenschaft für <strong>die</strong> roten Früchtchen<br />
sind <strong>die</strong> Eheleute passionierte Surfer. Lanzarote<br />
bietet ideale Voraussetzungen dafür.<br />
Bei der Recherche nach passenden Anbaugebieten<br />
für scharfe Chilis auf der Insel<br />
sind sie auf Klaus Guttenberger, Leiter des<br />
Dachverbandes der Bio-Bauern auf Lanzarote,<br />
gestoßen. Er war es auch, der sie mit<br />
José Maria Guerra und Dominika Martin<br />
bekannt gemacht hat, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Finca la Sarantontona<br />
bewirtschaften. Dort werden<br />
Obst und Gemüse und unter anderem<br />
auch Chilis anbaut – in Bio-Qualität. Eigentlich<br />
wurden <strong>die</strong> scharfen Schoten nur<br />
für den Eigenbedarf kultiviert, aber Petrus<br />
konnte <strong>die</strong> Inhaber davon überzeugen,<br />
künftig auch nach Deutschland zu liefern.<br />
32 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
Bezugsquellen<br />
Inzwischen bezieht sie vier Mal pro Jahr je<br />
zehn Kilogramm Chili-Schoten aus Lanzarote.<br />
„Ja, <strong>die</strong>se Menge <strong>ist</strong> wenig“, sagt Petrus.<br />
Nicht genug, um sie von <strong>ein</strong>em professionellen<br />
Unternehmen in Ringe schneiden zu<br />
lassen. Das macht sie selbst unter den geforderten<br />
hygienischen Bedingungen bei der<br />
Firma Para<strong>die</strong>sfrucht, Spezial<strong>ist</strong> im Bereich<br />
gefriergetrocknete Früchte. Um größere Mengen<br />
verarbeiten zu können, <strong>ist</strong> Petrus auf der<br />
Suche nach <strong>ein</strong>er passenden Maschine, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Schoten in Ringe schneidet. Finanziert<br />
werden soll <strong>die</strong>ses Investment über <strong>ein</strong>e<br />
Crowd-Funding-Plattform. Erfahrung damit<br />
hat sie bereits, da sie <strong>die</strong> Anfangsphase ihres<br />
Start-ups mit Geldern der Online-Spenden-<br />
Plattform „betterplace.org“ bestritt.<br />
Petrus weiß, dass sie mit „The Love of Chilies“<br />
nur <strong>ein</strong>en Nischenmarkt be<strong>die</strong>nen kann.<br />
Der Vertrieb findet deshalb über <strong>die</strong> Website<br />
des Unternehmens statt.<br />
ƒ Chr<strong>ist</strong>iane Manow-Le Ruyet<br />
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<strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong> 4//2014 33
zum Nachdenken<br />
Mütter und<br />
Studenten<br />
sind schuld<br />
Ich bin <strong>ein</strong> Fan von Graustufen, Nuancen, Schattierungen, ich<br />
stehe auf <strong>die</strong> f<strong>ein</strong>en Unterschiede. Was ich gar nicht abkann,<br />
sind <strong>die</strong> ewigen Schwarz-Weiß-Maler. Die, <strong>die</strong> mit Vorliebe<br />
Klischees verbreiten, vor allem, wenn es um das Thema Ernährung<br />
geht.<br />
„Die Deutschen können nicht mehr kochen!“ hieß es erst kürzlich<br />
bei Spiegel-Online.<br />
Und klar, wie kann es auch anders s<strong>ein</strong>, war da <strong>die</strong> Rede von<br />
Studenten, <strong>die</strong> nicht mehr wissen, wie <strong>ein</strong> Kochlöffel aussieht,<br />
von überforderten Müttern, <strong>die</strong> neben den quengelnden Kindern<br />
ihre Männer kulinarisch verkümmern lassen – nichts als Verallgem<strong>ein</strong>erungen<br />
und eben <strong>die</strong> typischen Klischees. Bähh.<br />
Dass <strong>ein</strong>e Ernährung, <strong>die</strong> aus zu viel fett- und zuckerhaltigen Fertigprodukten<br />
besteht, <strong>ein</strong> Gesundheitsrisiko s<strong>ein</strong> kann, <strong>ist</strong> logisch.<br />
Der UN-Report 2013 packt <strong>die</strong>se Erkenntnis in drastische Zahlen:<br />
1,4 Billionen Menschen sind übergewichtig, davon 500 Millionen<br />
sogar adipös. Die Kosten, <strong>die</strong> in erster Linie durch <strong>die</strong> Behandlung<br />
von Übergewichtigen und Fettleibigen bis zum Jahr<br />
2010 entstanden sind, schätzen UN-Experten auf 1,4 Trillionen<br />
US-Dollar. Ist aber das der Beweis dafür, dass wir nicht mehr kochen<br />
können? Und gar Studenten und Mütter an <strong>die</strong>ser Misere<br />
Schuld sind?<br />
In Mexiko beispielsweise wurden im vergangenen Jahr <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en<br />
Dicken gezählt, obwohl dort <strong>ein</strong> Fast-Food-Essen wesentlich<br />
mehr Geld kostet als <strong>ein</strong> Arbeiter an <strong>ein</strong>em Tag ver<strong>die</strong>nt. Heißt<br />
also, in Mexiko wird selbst gekocht, fett sind <strong>die</strong> Leute trotzdem.<br />
Warum? Weil in Mexiko Fast-Food <strong>ein</strong> Statussymbol <strong>ist</strong>. Der<br />
Gang ins Schnellrestaurant <strong>ist</strong> also Luxus und vergleichbar mit<br />
dem Speisen im Drei-Sterne-Restaurant hierzulande.<br />
Die Zusammenhänge, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Einstellung zum Essen prägen, sind<br />
komplex und sehr individuell. Da bringen auch Klischees und<br />
Dauerbeschuldigungen nichts. „Die jungen Leute kochen sowieso<br />
nicht mehr“ und „Mütter greifen nur zu Fertigessen“ heißt es da<br />
gerne. Extreme gibt es und wird es immer geben: Während <strong>ein</strong>e<br />
m<strong>ein</strong>er Freundinnen schon mit 11 Jahren wusste, was <strong>ein</strong> Zestenreißer<br />
<strong>ist</strong> und heute mal schnell am Nachmittag Macarons<br />
backt, besteht für <strong>ein</strong>e andere das Mittagessen darin, Würstchen<br />
in den Topf zu werfen.<br />
Trotzdem stehen alle oft und gerne in der Küche: Während Berufsanfänger<br />
und Studenten mit gem<strong>ein</strong>samen Kochsessions den<br />
Geldbeutel schon, bekochen sich Familien des geselligen Zusammens<strong>ein</strong>s<br />
wegen. Hinzu kommt, dass viele Menschen aufgrund<br />
von Lebensmittelunverträglichkeiten das Essen in Restaurants<br />
scheuen. Das soziale Umfeld aber stellt sich darauf <strong>ein</strong> und verlagert<br />
Treffen mit Gluten- und Fruktose- oder Sorbit-Intoleranten<br />
nach Hause an den Herd. Da werden dann Menüs gezaubert<br />
wie Spinat- Lachsröllchen mit Minus-L-Frischkäse, Reiskuchen mit<br />
Rucola und Zucchini und als Nachspeise Buchweizencrèpes mit<br />
Reissirup, dazu selbstgemachter E<strong>ist</strong>ee. Von Nicht-Kochen-Können<br />
kann also k<strong>ein</strong>e Rede s<strong>ein</strong>. Ganz im Gegenteil: Gefühlt entdecken<br />
immer mehr Menschen Kochen als Entspannung, um nach <strong>ein</strong>em<br />
stressigen Alltag mit Freunden oder Familie gem<strong>ein</strong>sam Speisen<br />
zuzubereiten und <strong>ein</strong>e gute Zeit zu verleben. Warum also wieder<br />
alles schlechtreden und Sündenböcke finden, wenn es schon<br />
wirklich ganz anderes <strong>ist</strong>?<br />
ƒ Martina Kliem<br />
Foto: © Rynio Productions - Fotolia.com<br />
34 4//2014 <strong>die</strong> <strong>Bioküche</strong>
»Morgens beim Rasieren sieht Leo Petermann<br />
in das liebenswürdig lächelnde Gesicht <strong>ein</strong>es<br />
Mörders…«<br />
Herrn Petermanns<br />
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