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Schultheiss, O. (1996). Imagination, Motivation und Verhalten

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KAPITEL 2<br />

IMAGINATION ALS ZWEITE REALITÄT<br />

Eine bildhafte Vorstellung (imagery) ist eine wahrnehmungsanaloge Erfahrung<br />

in Abwesenheit sensorischer Reize (Finke, 1989). Anders als etwa sprachlich<br />

enkodierte Wissensrepräsentationen besteht zwischen der bildhaften Vorstellung<br />

<strong>und</strong> dem, was sie abbildet, eine unmittelbare Beziehung (Kosslyn,<br />

1981). Im Kopf des Betrachters hat beispielsweise die visuelle Wahrnehmung<br />

einer Kuh direkte Ähnlichkeit mit der bildhaften Repräsentation einer Kuh,<br />

nicht aber mit dem Wort "Kuh", das nur aus einer mehr oder weniger<br />

willkürlichen Folge abstrakter Zeichen besteht. Bildhafte Vorstellungen<br />

können innerhalb aller Sinnesmodalitäten auftreten, <strong>und</strong> zwar einzeln oder<br />

auch in beliebigen Kombinationen als vorgestellte Geräusche, Gerüche,<br />

Geschmacks- <strong>und</strong> Bewegungsempfindungen, usw. Entsprechend wird in der<br />

englischen Fachliteratur von visual imagery, auditory imagery, haptic imagery<br />

etc. gesprochen. In der deutschen Sprache existiert leider kein vergleichbares<br />

Wort, das die Konnotationen des englischen imagery angemessen reproduzieren<br />

würde. Der Begriff Vorstellung hat im Deutschen einen Bedeutungsüberschuß,<br />

der neben wahrnehmungsanalogen mentalen Phänomenen auch abstraktere<br />

Ideen <strong>und</strong> Konzeptionen umfaßt. Daher soll im folgenden von<br />

<strong>Imagination</strong> gesprochen werden, wo es um wahrnehmungsähnliche Eindrücke<br />

in einem Sinneskanal oder mehreren Sinneskanälen bei gleichzeitiger Abwesenheit<br />

externer Stimulation geht.<br />

Eine Voraussetzung für die Entstehung <strong>und</strong> Erfahrung von <strong>Imagination</strong>en<br />

ist Abwendung der Aufmerksamkeit von der externen Umwelt <strong>und</strong> die Hinwendung<br />

zu Zuständen, Empfindungen <strong>und</strong> Prozessen im Inneren der Person.<br />

Diese Aufmerksamkeitsverlagerung ist charakteristisch für <strong>Imagination</strong>en,<br />

aber auch für Träume, Tagträume, Fantasien, Selbstgespräche <strong>und</strong> generell<br />

für die Wahrnehmung des C wie William James es nannte C Gedankenstroms.<br />

Mit Träumen haben <strong>Imagination</strong>en den wahrnehmungsähnlichen<br />

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