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Schultheiss, O. (1996). Imagination, Motivation und Verhalten

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Buchstaben vor (z.B. E) <strong>und</strong> sollten anschließend angeben, wieviele rechte<br />

Winkel in diesem Buchstaben enthalten sind. In der kritischen Bedingung<br />

sollte wiederum die Zahl der in einem Buchstaben enthaltenen Winkel angegeben,<br />

aber zusätzlich imaginiert werden, wie sich um diesen Buchstaben eine<br />

Schlange windet. Phobiker <strong>und</strong> Probanden der Kontrollgruppe erbrachten in<br />

der neutralen Bedingung vergleichbare Leistungen. In der kritischen<br />

Bedingung jedoch wiesen die Phobiker deutliche Leistungseinbußen im<br />

Vergleich zur Kontrollgruppe auf. Offenbar beeinträchtigte ihre Furcht vor<br />

Schlangen ihre Fähigkeit, sich den Stimulus vorzustellen <strong>und</strong> die darin enthaltene<br />

Information über die Winkelzahl auszulesen. Im Fall der generalisierten<br />

Angststörung geht Vermeidungsverhalten sogar so weit, daß die betroffene<br />

Person jede Form affektiv gefärbter <strong>Imagination</strong>en aus ihrem Denken verbannt<br />

(Borkovec & Inz, 1990). Bei einem anderen Krankheitsbild, Alexithymie<br />

genannt, gehen Unfähigkeit zur <strong>Imagination</strong> <strong>und</strong> zum Erleben von Emotionen<br />

Hand in Hand (Lesser, 1981; Sifneos, 1975). Eine Untersuchung von<br />

Kawai (1985) hat beispielsweise ergeben, daß Personen mit psychosomatischen<br />

Beschwerden, deren Ursprung in alexithymen Störungen vermutet wird,<br />

in einem Wortassoziationsexperiment deutlich seltener bildhafte Begriffe auf<br />

ein Stichwort nennen als Probanden der Kontrollgruppe bzw. Probanden mit<br />

neurotischen Störungen. Dieser kurze Ausflug in die klinische Psychologie<br />

erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber er<br />

illustriert, welch weitreichende Folgen das Prinzip der Äquivalenz zwischen<br />

<strong>Imagination</strong> <strong>und</strong> Wirklichkeitserleben für das emotionale Wohlbefinden haben<br />

kann.<br />

Die Bedeutung von <strong>Imagination</strong>en für Stimmung <strong>und</strong> Emotion läßt sich<br />

folgendermaßen zusammenfassen: <strong>Imagination</strong> <strong>und</strong> Wahrnehmung weisen in<br />

ihrer Wirkung auf Emotionen viele Parallelen <strong>und</strong> Ähnlichkeiten auf. Emotionale<br />

Reaktionen auf <strong>Imagination</strong>en sind physiologisch <strong>und</strong> im Selbstreport<br />

meßbar <strong>und</strong> lassen sich hinsichtlich ihrer Intensität <strong>und</strong> Qualität differenzieren.<br />

Die Prinzipien der Wahrnehmungsäquivalenz <strong>und</strong> der impliziten Kodierung<br />

sind, was die emotionale Wirkung von <strong>Imagination</strong>en angeht, eng<br />

miteinander verschränkt. Begreift man Emotionen als Zustände, die den<br />

Organismus auf die Ausführung spezifischer Handlungen vorbereiten (z.B.<br />

Frijda, Kuipers & ter Schure, 1989), so steigern <strong>Imagination</strong>en auf emotionalem<br />

Weg die Bereitschaft zum Handeln. Auf dieser gr<strong>und</strong>sätzlichen Ebene<br />

gilt das Prinzip der Wahrnehmungsäquivalenz. Anders jedoch als bei der<br />

tatsächlichen Wahrnehmung einer emotionsauslösenden Situation ist bei der<br />

<strong>Imagination</strong> der gleichen Situation keine unmittelbare Notwendigkeit zum<br />

Handeln gegeben, da die Situation, in der gehandelt werden soll, noch nicht<br />

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