24.10.2014 Aufrufe

Schultheiss, O. (1996). Imagination, Motivation und Verhalten

Schultheiss, O. (1996). Imagination, Motivation und Verhalten

Schultheiss, O. (1996). Imagination, Motivation und Verhalten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

arbeitung im Gehirn. Dadurch wird die Voraussetzung geschaffen, daß<br />

<strong>Imagination</strong> <strong>und</strong> Wahrnehmung auch vergleichbare Funktionen erfüllen<br />

können. Um welche Funktionen handelt es sich dabei? Die gr<strong>und</strong>legende<br />

Aufgabe der Sinnessyteme aller Lebewesen ist die Aufnahme, Verarbeitung<br />

<strong>und</strong> Extraktion bedeutsamer Informationen, um das <strong>Verhalten</strong> des Organismus<br />

an die Umwelt anzupassen (Allport, 1987; Norman & Shallice, 1986).<br />

Demnach wäre die Vermutung naheliegend, daß auch <strong>Imagination</strong>en eine<br />

Rolle bei der Informationsbeschaffung spielen. Da das Rohmaterial von<br />

<strong>Imagination</strong>en, die eigentlichen Sinneseindrücke, aber bereits aufgenommen,<br />

verarbeitet <strong>und</strong> im Gedächtnis abgelegt wurden, kann die funktionelle Parallele<br />

zwischen Wahrnehmung <strong>und</strong> <strong>Imagination</strong> jedoch nur auf Ebene der<br />

weitergehenden Verarbeitung <strong>und</strong> Extraktion von Information angesiedelt<br />

sein. Auf diese Ebene bezieht sich Finke (1989) mit der Formulierung des<br />

zweiten wichtigen Prinzips, des Prinzips der impliziten Enkodierung:<br />

Mental imagery is instrumental in retrieving information about the physical<br />

properties of objects, or about physical relationships among objects, that<br />

was not explicitly encoded at any previous time. (S. 7)<br />

Diesem Prinzip zufolge kann eine Person aus dem Bild eines ihr bekannten<br />

Objekts oder Ereignisses, das sie vor ihrem geistigen Auge entstehen läßt,<br />

Eigenschaften des Objekts oder Ereignisses erkennen, die in dem vorgestellten<br />

Bild enthalten sind, bisher aber nicht separat <strong>und</strong> explizit abgespeichert<br />

wurden. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Fragt man eine Person, wieviele<br />

Fenster ihre Wohnung hat, so wird sie zunächst nicht antworten können, da<br />

sich die Frage auf eine Information bezieht, die für die Person bislang keine<br />

Relevanz hatte. Sie kann die Frage jedoch beantworten, nachdem sie im<br />

Geiste durch die Zimmer ihrer Wohnung gegangen ist <strong>und</strong> dabei die Fenster<br />

ausgezählt hat. Wird dieselbe Person jedoch nach ihrer Hausnummer gefragt,<br />

so kann sie diese mit großer Wahrscheinlichkeit angeben, ohne daß sie auf<br />

eine bildhafte Vorstellung des Hauseingangs mit der Hausnummer angewiesen<br />

wäre. Natürlich kann sie die Hausnummer imaginieren; hier bringt die <strong>Imagination</strong><br />

aber keine zusätzliche Information. Die Hausnummer ist bereits explizit<br />

enkodiert <strong>und</strong> muß nicht als implizite Information aus dem vorgestellten Bild<br />

ausgelesen werden.<br />

Dieses Beispiel zeigt gleichzeitig, daß es unterschiedliche Formate für die<br />

Speicherung von Informationen gibt. Demnach gibt es eine Form von<br />

Wissensrepräsentation, die unabhängig von den konkreten Sinneswahrnehmungen<br />

ist, durch die die Information aufgenommen wurde (Beispiel der<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!