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Sprachliche Konstruktion von Geschlechtlichkeit in der ... - LSF Graz

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<strong>Sprachliche</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

am Beispiel <strong>der</strong> Landesnervenkl<strong>in</strong>ik Sigmund Freud <strong>Graz</strong><br />

Paul Sprenger<br />

Studiengang Sozialarbeit/Sozialmanagement<br />

FH JOANNEUM<br />

<strong>Graz</strong> 2009<br />

Gutachter:<br />

DSA He<strong>in</strong>z Baumann<br />

Mag. Dr. Klaus Posch


Danksagung<br />

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken die mich bei <strong>der</strong> Erstellung dieser<br />

Diplomarbeit unterstütz haben. Allen voran me<strong>in</strong>er Mutter die <strong>in</strong> stundenlanger Arbeit<br />

me<strong>in</strong>e Rechtschreibschwächen durch Korrekturlesungen aufwog und me<strong>in</strong>em Vater <strong>der</strong><br />

mir durch se<strong>in</strong>e pragmatischen Ratschläge immer half me<strong>in</strong>e Arbeit zu schreiben und<br />

nicht die Gedanken an<strong>der</strong>er umzusetzen.<br />

Me<strong>in</strong>em fachlichen Betreuer DSA He<strong>in</strong>z Baumann, <strong>der</strong> mir durch se<strong>in</strong>e professionelle<br />

Betreuung genug Anleitung und genug Freiraum bot um me<strong>in</strong>e eigene E<strong>in</strong>stellung zum<br />

Thema <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit zu überdenken, und e<strong>in</strong>en eigenen Zugang zur<br />

Erforschung dieser Thematik zu f<strong>in</strong>den.<br />

Me<strong>in</strong>em wissenschaftlichen Betreuer Mag. Dr. Klaus Posch für se<strong>in</strong>e sachlichen Inputs<br />

und die Betreuung im DiplomandInnensem<strong>in</strong>ar.<br />

Großer Dank gebührt auch dem Sozialdienst <strong>der</strong> Landesnervenkl<strong>in</strong>ik Sigmund Freud<br />

die mich mit Literatur und Zeit (<strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Interviews und e<strong>in</strong>igen Besprechungen)<br />

unterstützen.<br />

Und natürlich allen InterviewpartnerInnen die hier aus Anonymitätsgründen nicht<br />

namentlich erwähnt werden können, ohne die diese Arbeit aber nie zustande gekommen<br />

wäre.<br />

Vielen Dank…<br />

2


Abstract<br />

Sex, gen<strong>der</strong> and gen<strong>der</strong> identity play a decisive role <strong>in</strong> cl<strong>in</strong>ical social work. Until<br />

recently, gen<strong>der</strong> studies <strong>in</strong> the area of healthcare have been focused ma<strong>in</strong>ly on nurs<strong>in</strong>g<br />

staff <strong>in</strong> cl<strong>in</strong>ics. Those studies showed that ma<strong>in</strong>ly ”female descriptions“ are used when<br />

referr<strong>in</strong>g to this field of work. Therefore the follow<strong>in</strong>g questions arise: How is cl<strong>in</strong>ical<br />

social work, <strong>in</strong> matters of gen<strong>der</strong>, described by other professions? How do male social<br />

workers deal with these descriptions and how do these same male social workers<br />

construct and express their mascul<strong>in</strong>ity? F<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g an answer to those questions is the<br />

ma<strong>in</strong> focus of this study.<br />

Descriptions of cl<strong>in</strong>ical social work, given by members of the different professions<br />

found <strong>in</strong> the cl<strong>in</strong>ical area of work dur<strong>in</strong>g various <strong>in</strong>terview sessions, were analysed on<br />

the basis of gen<strong>der</strong> aspects. In a second step the results of this analysis were discussed<br />

with the male social workers employed at the psychiatric cl<strong>in</strong>ic <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

(Landesnervenkl<strong>in</strong>ik Sigmund Freud) to uncover different ways <strong>in</strong> which mascul<strong>in</strong>ity is<br />

constructed.<br />

In the first part of this study it becomes clear that descriptions of cl<strong>in</strong>ical social work<br />

dist<strong>in</strong>guish ma<strong>in</strong>ly between ”male-structural work“ and ”female-practical work“. The<br />

second part sees itself as a contribution to research<strong>in</strong>g the construction processes of<br />

mascul<strong>in</strong>ity <strong>in</strong> cl<strong>in</strong>ical social work.<br />

3


Kurzfassung<br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> und eigene Geschlechtsidentität spielen <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialarbeiterischen<br />

Betreuung im Kl<strong>in</strong>ikbetrieb e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle. Bisher konzentrierte sich die<br />

Geschlechterforschung im Gesundheitsbereich allerd<strong>in</strong>gs hauptsächlich auf den<br />

Pflegebereich. Diese Untersuchungen ergaben, dass für dieses Arbeitsgebiet<br />

hauptsächlich „weibliche Zuschreibungen“ existieren. Daher drängt sich die Frage auf,<br />

wie die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit im H<strong>in</strong>blick auf <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>von</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen beschrieben wird, wie männliche Sozialarbeiter mit diesen<br />

Beschreibungen umgehen und wie sie ihre Männlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit konstruieren und<br />

ausdrücken. Das ist Grundthema dieser Arbeit.<br />

Anhand <strong>von</strong> Interviews wurden Beschreibungen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit <strong>von</strong><br />

verschiedenen Berufsgruppen des Kl<strong>in</strong>ikbereichs e<strong>in</strong>geholt und e<strong>in</strong>er Gen<strong>der</strong>-Analyse<br />

unterzogen, um diese Ergebnisse <strong>in</strong> weiterer Folge mit den männlichen Sozialarbeitern<br />

zu besprechen und die <strong>Konstruktion</strong>sprozesse sichtbar zu machen.<br />

Im ersten Teil <strong>der</strong> Untersuchung wird deutlich, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

vor allem zwischen „männlich-struktureller“ und „weiblichpraktischer“<br />

Arbeit unterschieden wird. Der zweite Teil <strong>der</strong> Arbeit versteht sich als<br />

Beitrag zur Erforschung <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong>sprozesse <strong>von</strong> Männlichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

4


Inhaltsverzeichnis<br />

ABSTRACT ................................................................................................................................................3<br />

KURZFASSUNG........................................................................................................................................4<br />

INHALTSVERZEICHNIS ........................................................................................................................5<br />

EINLEITUNG ............................................................................................................................................7<br />

AUFBAU DER ARBEIT ...............................................................................................................................9<br />

GESCHLECHTERGERECHTER SPRACHGEBRAUCH ......................................................................................9<br />

BEGRIFFSKLÄRUNGEN ......................................................................................................................11<br />

SEX UND GENDER...................................................................................................................................11<br />

KLINISCHE SOZIALARBEIT UND KLINIKSOZIALARBEIT...........................................................................12<br />

FRAUENBERUFE/MÄNNERBERUFE UND FRAUENDOMINIERTE/MÄNNERDOMINIERTE BERUFE.................14<br />

KONSTRUKTION VON GESCHLECHTLICHKEIT ........................................................................15<br />

KONSTRUKTIVISMUS ..............................................................................................................................15<br />

ZUSAMMENHANG VON SEX UND GENDER ..............................................................................................16<br />

Die Mantelstän<strong>der</strong>-Theorie...............................................................................................................18<br />

Biological foundationism..................................................................................................................19<br />

Butlers radikaler Konstruktivismus ..................................................................................................20<br />

Geschlecht als Kont<strong>in</strong>uum ................................................................................................................21<br />

Zur Verwendung <strong>der</strong> Begriffe Sex und Gen<strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit .......................................................24<br />

METHODISCHE BESCHREIBUNG ....................................................................................................26<br />

INTERVIEWFORMEN................................................................................................................................26<br />

Problemzentrierte Interviews............................................................................................................27<br />

Gruppendiskussion............................................................................................................................29<br />

INTERVIEWPARTNERINNEN ....................................................................................................................31<br />

AUSWERTUNG DER INTERVIEWS.............................................................................................................32<br />

Auswertung <strong>der</strong> Problemzentrierten Interviews................................................................................32<br />

Auswertung Gruppendiskussion........................................................................................................33<br />

AUSWERTUNGSKRITERIEN......................................................................................................................33<br />

Strukturelle und praktische Arbeit ....................................................................................................34<br />

Zugang zu Ressourcen ......................................................................................................................37<br />

Leitbil<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen Arbeit .......................................................................................................39<br />

Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache / Fachterm<strong>in</strong>i.....................................................................................45<br />

Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen.....................................................................48<br />

Arbeitszuschreibungen......................................................................................................................50<br />

5


‘Do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ und ‘do<strong>in</strong>g work’ .....................................................................................................51<br />

BESCHREIBUNGEN DER KLINIKSOZIALARBEIT.......................................................................54<br />

WISSEN UND AHNUNG IN DER KLINIKSOZIALARBEIT (INT_W1) .............................................................54<br />

AKADEMISCHE MENSCHENLIEBE? (INT_W2)..........................................................................................56<br />

DIE GRENZEN DER KLINIKSOZIALARBEIT (INT_M1)...............................................................................60<br />

KLINIKSOZIALARBEIT IN BILDERN (INT_M2)..........................................................................................62<br />

GESCHICHTE DER KLINIKSOZIALARBEIT AN DER <strong>LSF</strong> (INT_M3).............................................................64<br />

KLINIKSOZIALARBEIT ALS BEZIEHUNGSARBEIT (INT_W3) .....................................................................66<br />

EMPATHIE ALS METHODE (INT_M4).......................................................................................................67<br />

INTERPRETATION DER ERGEBNISSE ........................................................................................................70<br />

Strukturelle und praktische Arbeit ....................................................................................................70<br />

Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen / Facharbeit und ungelernte Arbeit ............71<br />

Leitbil<strong>der</strong>...........................................................................................................................................73<br />

Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache / Fachterm<strong>in</strong>i.....................................................................................74<br />

Zugang zu Ressourcen ......................................................................................................................75<br />

Gefährlich / ungefährlich..................................................................................................................76<br />

ZUSAMMENFASSUNG..............................................................................................................................77<br />

KONSTRUKTION VON MÄNNLICHKEIT IN DER KLINIKSOZIALARBEIT...........................79<br />

GESPRÄCHSEINLEITUNG .........................................................................................................................79<br />

BESCHREIBUNG DER AUFGABENGEBIETE ...............................................................................................80<br />

EIGENSCHAFTEN DER SOZIALARBEITERINNEN .......................................................................................81<br />

KOMPETENZEN DER SOZIALARBEITERINNEN..........................................................................................84<br />

PSYCHOHYGIENE....................................................................................................................................85<br />

MÄNNER UND DIE KLINIKSOZIALARBEIT AN DER <strong>LSF</strong>............................................................................87<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Begründungen ................................................................................................................87<br />

Persönliche E<strong>in</strong>stellungen ................................................................................................................88<br />

MÜTTERLICHKEIT IN DER KLINIKSOZIALARBEIT ....................................................................................93<br />

Weiblich-mütterliche Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit ...........................................................................................93<br />

Männlich-väterliche Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit ............................................................................................93<br />

BEWUSSTES ‚DOING GENDER’.................................................................................................................94<br />

ZUSAMMENFASSUNG..............................................................................................................................96<br />

FORSCHUNGSAUSBLICK ...................................................................................................................98<br />

LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................99<br />

QUELLENVERZEICHNIS...................................................................................................................102<br />

TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................................................102<br />

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG .................................................................................................103<br />

6


E<strong>in</strong>leitung<br />

Seit <strong>der</strong> Aufnahme <strong>von</strong> Gen<strong>der</strong> Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g als politischen Grundsatz <strong>der</strong><br />

Europäischen Union im Jahr 1998, wird die Relevanz des Themas <strong>Geschlechtlichkeit</strong><br />

immer sichtbarer. Das betrifft vor allem den Bereich <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit, denn gerade<br />

<strong>in</strong> und über die eigene Arbeit geschieht e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong> geschlechtlichen<br />

Identitätsbildung beziehungsweise geschlechtlichen Identitätskonstruktion. Genau diese<br />

<strong>Konstruktion</strong>en <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> spielen vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit geschlechterhomogenen<br />

Gruppen e<strong>in</strong>e große Rolle. Die Krankenhausstruktur <strong>in</strong> Österreich sieht e<strong>in</strong>e<br />

strikte Trennung <strong>der</strong> Geschlechter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung vor. So s<strong>in</strong>d Krankenhäuser<br />

meistens <strong>in</strong> Frauen- und Männerstationen unterteilt, was gerade im Fall <strong>von</strong><br />

Langzeitstationen dazu führt, dass Menschen sehr lange Zeit <strong>in</strong> fast<br />

geschlechterhomogenen Gruppen leben. Die e<strong>in</strong>zigen „gegengeschlechtlichen<br />

Ausnahmen“ bilden die im kl<strong>in</strong>ischen Bereich Beschäftigten, was die bedeutende Rolle<br />

<strong>der</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Arbeit erklärt.<br />

Die <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> geschieht immer <strong>in</strong> Interaktion mit an<strong>der</strong>en<br />

und hat zwei Entstehungsfaktoren. E<strong>in</strong>erseits wird die Geschlechtskonstruktion <strong>von</strong><br />

Erwartungen und Phantasien an<strong>der</strong>er bee<strong>in</strong>flusst, durch e<strong>in</strong>e Außensicht, an<strong>der</strong>erseits<br />

durch Handlungen und Ausdrucksweisen <strong>der</strong> Handelnden selbst, durch die<br />

Interpretation <strong>der</strong> Außensicht und den eigenen Umgang mit eben dieser. Der Sprache,<br />

als e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptmedien <strong>der</strong> zwischenmenschlichen Kommunikation, kommt e<strong>in</strong>e<br />

Schlüsselposition <strong>in</strong> den <strong>Konstruktion</strong>sprozessen zu. Erwartungen und Phantasien<br />

werden über Sprache ausgedrückt und weitergegeben, wodurch die Sprache selbst zu<br />

e<strong>in</strong>em <strong>Konstruktion</strong>s<strong>in</strong>strument wird.<br />

Das Bild, das <strong>von</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit besteht und das sprachlich ausgedrückt wird,<br />

prägt demnach auch die Verhaltensweisen <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen des Sozialdienstes.<br />

Durch die Erforschung dieser zwei Faktoren – <strong>der</strong> Außensicht und <strong>der</strong>en Interpretation<br />

– wird versucht, e<strong>in</strong>en Beitrag zum Verständnis <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Männlichkeit <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em spezifischen sozialarbeiterischen Berufsfeld, <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, zu leisten.<br />

Die Grundidee dieser Arbeit basiert auf dem Zusammenhang <strong>von</strong> Sprache, Arbeitsfeld<br />

und <strong>Geschlechtlichkeit</strong>: Sprache wirkt <strong>in</strong> Bezug auf Gen<strong>der</strong> nicht nur beschreibend,<br />

7


son<strong>der</strong>n prägt auch die soziale Wahrnehmung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit entscheidend. So<br />

werden aus (geschlechtlich) funktionsteiligen Arbeitsstrukturen durch Sprache und<br />

Beschreibung selbst Personen und Personengruppen bewertet und gesellschaftlich<br />

e<strong>in</strong>geteilt. Holzkamp (1978) spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang <strong>von</strong> „dispositionalen<br />

Person[en]bedeutungen“. Aus ursprünglichen Beschreibungen <strong>von</strong> Tätigkeiten wird<br />

aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass bestimmte Aufgaben <strong>von</strong> speziellen Personen(gruppen)<br />

erfüllt werden, e<strong>in</strong>e Bewertung eben dieser Personen(gruppen) abgeleitet. Auf diese<br />

Weise kann es zu e<strong>in</strong>er Umkehr kommen, die bewirkt, dass nicht mehr bestimmte<br />

Personen spezielle Aufgaben erledigen, son<strong>der</strong>n dass bestimmte Tätigkeiten nur mehr<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>zelnen Personengruppen durchgeführt werden können o<strong>der</strong> dürfen. Deutlich<br />

wird diese Umkehr <strong>in</strong> Beispielen, wo Kompetenzen zur Erfüllung <strong>von</strong> Aufgaben<br />

e<strong>in</strong>zelnen Personengruppen als natürlich gegeben zugeschrieben werden. Als Beispiel<br />

sei hier die Debatte über „Geschlechtscharaktere“ genannt, die im Vorfeld <strong>der</strong><br />

Französischen Revolution stattfand. Zu dieser Zeit versuchte man weibliche sowie<br />

männliche Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften zu f<strong>in</strong>den. Das<br />

Ergebnis dieses Diskurses - damals ausschließlich <strong>von</strong> Männern geführt - war, dass dem<br />

weiblichen Sozialcharakter hauptsächlich Merkmale <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung zugeschrieben<br />

wurden und dem männlichen Attribute <strong>der</strong> Berufsarbeit (Albrecht 2008 S. 141).<br />

Neben <strong>der</strong> sprachlichen Analyse <strong>von</strong> Gen<strong>der</strong>zuschreibungen - wie bisher besprochen -<br />

wird als zweites Modell zur Gen<strong>der</strong>analyse <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit das des ‚do<strong>in</strong>g<br />

gen<strong>der</strong>’ bzw. ‚do<strong>in</strong>g work’ (vgl. Wetterer 2002, S. 130) herangezogen. Der<br />

Zusammenhang zwischen diesen beiden <strong>Konstruktion</strong>sansätzen liegt dar<strong>in</strong>, dass laut<br />

Wetterer ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ im ‚do<strong>in</strong>g work’ immer vertreten ist. „Erst <strong>in</strong>dem Männer und<br />

Frauen tatsächlich Unterschiedliches tun o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest Vergleichbares <strong>in</strong><br />

unterschiedlicher Weise tun, werden sie zu Verschiedenen, werden sie zu Frauen und<br />

Männern (und wird die Arbeit, die sie tun, zu Frauenarbeit und<br />

Männerarbeit).“ (Wetterer 2002, S. 130). Frauen und Männer konstruieren sich also <strong>in</strong><br />

ihrer Arbeit unterschiedlich, womit gleichzeitig die Arbeit an sich e<strong>in</strong>e<br />

Gen<strong>der</strong>zuschreibung bekommen kann. Das führt dazu, dass bestimmte Merkmale<br />

antizipiert werden und somit <strong>von</strong> Männern und Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit erfüllt werden<br />

wollen bzw. müssen, um im Berufsleben zu bestehen. Auf <strong>der</strong> Grundlage dieser<br />

Überlegungen und Entwicklungen werden die Kriterien, die unter Punkt<br />

8


„Auswertungskriterien“ näher beschrieben werden, zur Analyse <strong>der</strong> Interviews<br />

herangezogen.<br />

Gen<strong>der</strong>relevante Erwartungen und Phantasien über das Berufsfeld <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit,<br />

beziehungsweise <strong>der</strong> sprachliche Ausdruck <strong>der</strong>selben, werden anhand <strong>von</strong> sieben<br />

Interviews mit Vertretern verschiedener Berufsgruppen im kl<strong>in</strong>ischen Betrieb erforscht.<br />

Die Frage, wie die männlichen Sozialarbeiter ihre Männlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit<br />

konstruieren, beziehungsweise wie sie mit den Vorstellungen an<strong>der</strong>er Berufsgruppen<br />

umgehen und wie sie ihre Männlichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit leben, wird anhand e<strong>in</strong>es<br />

Gruppengesprächs erarbeitet.<br />

Aufbau <strong>der</strong> Arbeit<br />

Die Arbeit ist <strong>in</strong> vier Abschnitte unterteilt. Nach e<strong>in</strong>igen Def<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong><br />

grundlegenden Begriffe, wird zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong> kurzer Abriss über verschiedene<br />

konstruktivistische Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>forschung gegeben, um den <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

verwendeten Ansatz zu erläutern und verständlich zu machen.<br />

Im zweiten Abschnitt wird e<strong>in</strong>erseits die Forschungsmethodik wie<strong>der</strong>gegeben,<br />

an<strong>der</strong>erseits werden die Kriterien anhand <strong>der</strong>er die Interviews ausgewertet wurden,<br />

detailliert erläutert.<br />

Der dritte Teil <strong>der</strong> Arbeit behandelt die Außensicht auf die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

Interviews mit Vertretern <strong>der</strong> verschiedenen Berufsgruppen aus dem kl<strong>in</strong>ischen Betrieb<br />

werden anhand <strong>der</strong> bereits erwähnten Auswertungskriterien analysiert. Weiters werden<br />

Grenzen def<strong>in</strong>iert anhand <strong>der</strong>er, auf e<strong>in</strong>er sprachlichen Ebene, zwischen<br />

„weiblichen“ und „männlichen“ Teilen <strong>der</strong> Arbeit unterschieden wird.<br />

Der vierte und letzte Abschnitt <strong>der</strong> Arbeit befasst sich mit <strong>der</strong> Art und Weise, wie die<br />

männlichen Sozialarbeiter an <strong>der</strong> Landesnervenkl<strong>in</strong>ik Sigmund Freud Männlichkeiten<br />

def<strong>in</strong>ieren. Dieser Teil be<strong>in</strong>haltet die Auswertung des Gruppengesprächs, die <strong>in</strong> Bezug<br />

zu den Ergebnissen <strong>der</strong> Außensicht auf die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gesetzt wird.<br />

Geschlechtergerechter Sprachgebrauch<br />

Gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arbeit über <strong>Geschlechtlichkeit</strong> ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher und durchgängiger<br />

geschlechtergerechter Sprachgebrauch essentiell. Da <strong>in</strong> dieser Arbeit an verschiedenen<br />

9


Stellen sowohl explizit nur weibliche, nur männliche o<strong>der</strong> weibliche und männliche<br />

Personengruppen angesprochen werden, werden folgende Anreden verwendet:<br />

• Nur weibliche Personen werden angesprochen: die weibliche Form wird<br />

verwendet (z.B.: Patient<strong>in</strong>, Sozialarbeiter<strong>in</strong>)<br />

• Nur männliche Personen werden angesprochen: die männliche Form mit dem<br />

Zusatz „männliche“ wird verwendet (z.B.: männliche Patienten, männliche<br />

Sozialarbeiter)<br />

• Männliche und weibliche Personen werden angesprochen: <strong>in</strong> diesem Fall werden<br />

die Personengruppen als PatientInnen o<strong>der</strong> SozialarbeiterInnen angesprochen.<br />

Durch diese Regeln soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit klargestellt werden, <strong>von</strong> wem, geschlechtlich<br />

gesehen, die Rede ist.<br />

10


Begriffsklärungen<br />

Sex und Gen<strong>der</strong><br />

Im Gegensatz zur englischen Sprache existiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Sprache nur e<strong>in</strong> Begriff<br />

– <strong>der</strong> des Geschlechts – um sowohl das biologische als auch das soziale Geschlecht zu<br />

beschreiben. Im Englischen benennt Sex das biologische Geschlecht, während Gen<strong>der</strong><br />

zur Beschreibung des sozialen Geschlechts dient. Die World Health Organisation<br />

(WHO) def<strong>in</strong>iert die beiden Begriffe folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

"Sex” refers to the biological and physiological characteristics that def<strong>in</strong>e<br />

men and women.<br />

“Gen<strong>der</strong>” refers to the socially constructed roles, behaviors, activities, and<br />

attributes that a given society consi<strong>der</strong>s appropriate for men and women.<br />

To put it another way:<br />

“Male” and “female” are sex categories, while “mascul<strong>in</strong>e” and<br />

“fem<strong>in</strong><strong>in</strong>e” are gen<strong>der</strong> categories.<br />

Aspects of sex will not vary substantially between different human societies,<br />

while aspects of gen<strong>der</strong> may vary greatly.<br />

Während unser biologisches Geschlecht also durch unterschiedliche Merkmale–<br />

beispielsweise durch Geschlechtsorgane und Chromosomen – determ<strong>in</strong>iert ist, verhält<br />

es sich beim sozialen Geschlecht an<strong>der</strong>s. Dieses beschreibt ke<strong>in</strong>e Polarität (Mann und<br />

Frau) son<strong>der</strong>n Geschlechterrollen - also alles was <strong>in</strong> unserem Kulturkreis als männlich<br />

o<strong>der</strong> weiblich angesehen wird. Unser soziales Geschlecht beschreibt die<br />

psychologischen, sozialen und kulturellen Dimensionen <strong>der</strong> Geschlechtszugehörigkeit:<br />

soziale Rollen und Beziehungen, persönliche Eigenschaften, Haltungen und Verhalten,<br />

Werte, Macht, E<strong>in</strong>fluss etc., die auf <strong>der</strong> Basis <strong>von</strong> Geschlechtszugehörigkeit<br />

(unterschiedlich) zugeschrieben werden. Gen<strong>der</strong> be<strong>in</strong>haltet damit die psychologischen<br />

und sozialen Konzeptionen, die darüber Auskunft geben, was es heißt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>e Frau o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Mann zu se<strong>in</strong> (vgl. Valian 1999 zitiert nach Bundesamt<br />

für Gesundheit 2004).<br />

Die Begriffe (typisch) männlich und weiblich haben <strong>in</strong> dieser Arbeit e<strong>in</strong>en Gen<strong>der</strong>-<br />

Bezug und beschreiben somit die gesellschaftliche Zuschreibung e<strong>in</strong>er Verhaltensweise<br />

11


zu e<strong>in</strong>em Geschlecht. Auf ke<strong>in</strong>en Fall soll durch diese Arbeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck vermittelt<br />

werden, dass bestimmte Verhaltensweisen, Eigenschaften o<strong>der</strong> Kompetenzen<br />

ausschließlich Männern o<strong>der</strong> Frauen zuzuordnen s<strong>in</strong>d.<br />

In dieser Arbeit werden die Begriffe Geschlecht und Sex für das biologische Geschlecht<br />

verwendet während <strong>der</strong> englische Begriff Gen<strong>der</strong> als Synonym für das soziale<br />

Geschlecht verwendet wird.<br />

Kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit und Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

In e<strong>in</strong>er Arbeit über <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

bedarf es e<strong>in</strong>er Def<strong>in</strong>ition des Arbeitsgebietes <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, um sie im Feld <strong>der</strong><br />

sozialen Arbeit richtig verorten zu können. Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit versteht sich als<br />

Teilgebiet <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Sozialarbeit, welche hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt def<strong>in</strong>iert wird.<br />

In Deutschland ist die kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit e<strong>in</strong>e Fachdiszipl<strong>in</strong> im Gesundheits- und<br />

Sozialwesen mit <strong>der</strong> Aufgabenstellung psychosozialer Beratung, Sozialtherapie und<br />

Krisen<strong>in</strong>tervention (vgl. Geißler-Piltz & Mühlum & Pauls 2005). In Österreich wurde<br />

<strong>der</strong> Stand e<strong>in</strong>er eigenen Fachdiszipl<strong>in</strong> noch nicht erreicht, jedoch erfährt dieses<br />

Berufsfeld auch <strong>in</strong> Österreich e<strong>in</strong>en Aufschwung. So startet beispielsweise im Herbst<br />

2009 <strong>der</strong> erste Ausbildungszyklus „Sozialraumorientierte und Kl<strong>in</strong>ische Soziale<br />

Arbeit“ an <strong>der</strong> FH Campus Wien. Während <strong>in</strong> Deutschland die Kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit<br />

schon seit längerem als Schwerpunkt <strong>in</strong> Sozialarbeits-Ausbildungen E<strong>in</strong>zug gehalten hat,<br />

steht diese Entwicklung <strong>in</strong> Österreich erst am Beg<strong>in</strong>n.<br />

Die deutsche Zentralstelle für Kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit beschreibt die Leistungen <strong>der</strong><br />

kl<strong>in</strong>ischen Sozialarbeit folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„In das Leistungsspektrum Kl<strong>in</strong>ischer Sozialarbeit gehört u.a.: Psychosozial<br />

beratende und soziotherapeutisch behandelnde Tätigkeit <strong>in</strong> Beratungsstellen<br />

aller Art, <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>-, Jugend- und Familienhilfe, <strong>in</strong> Kernfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Psychiatrie (psychiatrische Kl<strong>in</strong>iken, Tageskl<strong>in</strong>iken, Wohnheime) und<br />

Sozialpsychiatrie, <strong>in</strong> Krankenhäusern und Fachkl<strong>in</strong>iken (Krankenhaussozialarbeit),<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtberatung und den verschiedensten Bereichen <strong>der</strong><br />

Rehabilitation.“ (Pauls, 2009)<br />

12


Es wird die sozialarbeiterische Arbeit mit gesundheitlich gefährdeten, erkrankten und<br />

(vorübergehend o<strong>der</strong> dauerhaft) beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen beschrieben, die <strong>in</strong> den<br />

verschiedensten E<strong>in</strong>richtungen des Gesundheits- und Sozialwesens durchgeführt wird.<br />

Ortmann und Schaub def<strong>in</strong>ierten zwei Kernaspekte <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Sozialarbeit:<br />

• Es geht um <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres gesundheitsbezogenes Handeln <strong>in</strong> sozialen<br />

Situationen für und mit Menschen, die <strong>von</strong> gesundheitlichen Problemen<br />

bedroht, >auffällig< o<strong>der</strong> erkrankt s<strong>in</strong>d.<br />

• Dieses Handeln erfolgt auf <strong>der</strong> Basis eigener Verstehensmodelle <strong>von</strong><br />

Gesundheit und Krankheit und nutzt Handlungskonzepte und<br />

–strategien (Ortmann & Schaub 2003 zitiert nach Schaub 2008)<br />

Durch die Nennung eigener Verstehensmodelle wird e<strong>in</strong>e Grenze zu an<strong>der</strong>en<br />

Professionen im Gesundheitsbereich – vor allem zur Mediz<strong>in</strong> und Psychologie –<br />

gezogen. Gerade im Bereich <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ischen Sozialarbeit spielt die Abgrenzung zu<br />

diesen beiden Berufsständen e<strong>in</strong>e große Rolle, nämlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

Während die Kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit sowohl den <strong>in</strong>tra- wie auch extramuralen Bereich<br />

des Gesundheitswesens beschreibt, beschreibt die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit nur die Sozialarbeit<br />

<strong>in</strong> Krankenhäusern, also den <strong>in</strong>tramuralen Bereich. Mit eben diesem Teil <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />

Sozialarbeit – <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit – beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.<br />

Das „American Board of Exam<strong>in</strong>ers“ liefert e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ischen Sozialarbeit,<br />

die die Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gut beschreibt:<br />

Cl<strong>in</strong>ical Social work is a practice speciality of the social work profession.<br />

[…] Its purposes are to: Diagnose and treat bio-psycho-social dysfunction,<br />

achieve optimal prevention of bio-psycho-social dysfunctions, support and<br />

enhance bio-psycho-social strength and function<strong>in</strong>g. Cl<strong>in</strong>ical social work<br />

practice applies specific knowledge, theories, and methods to assessement<br />

and diagnosis, treatment plann<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>tervention, and outcome evaluation”<br />

(Geißler-Piltz & Mühlum & Pauls 2005, S. 12)<br />

Zum Verstehen <strong>von</strong> Krankheit wird hier das Bio-Psycho-Soziale Modell angesprochen.<br />

Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit arbeitet anhand dieses mehrdimensionalen und diszipl<strong>in</strong>enübergreifenden<br />

Verständnisses <strong>von</strong> Gesundheit und Krankheit und kann somit als dritte<br />

Säule im Genesungsprozess, zwischen Mediz<strong>in</strong> und Psychologie, gesehen werden.<br />

13


Frauenberufe/Männerberufe und<br />

frauendom<strong>in</strong>ierte/männerdom<strong>in</strong>ierte Berufe<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit werden die beiden Begriffspaare „Frauenberuf und<br />

Männerberuf“ sowie „frauendom<strong>in</strong>ierter Beruf und männerdom<strong>in</strong>ierter Beruf“ des<br />

öfteren verwendet. Diese Begriffspaare transportieren unterschiedliche Inhalte, die hier<br />

kurz def<strong>in</strong>iert werden.<br />

Die Begriffe Frauenberuf und Männerberuf werden hauptsächlich <strong>in</strong> den Auswertungen<br />

<strong>der</strong> Interviews verwendet, da sie <strong>von</strong> den GesprächspartnerInnen selbst gewählt wurden.<br />

Zu verstehen s<strong>in</strong>d sie so, dass dadurch e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e Gen<strong>der</strong>konstruktion hergestellt<br />

wird – man sagt aus, dass dieser Beruf doch etwas „näher an <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Frauen<br />

liegt“ o<strong>der</strong> dass man als „Mann schon dazu geboren se<strong>in</strong> muss“ (Int_m2 Z. 63-73) –<br />

an<strong>der</strong>erseits wird damit aber <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Interviews geme<strong>in</strong>t, dass diese Arbeit nur<br />

<strong>von</strong> Frauen getan werden sollte o<strong>der</strong> nur <strong>von</strong> Frauen gemacht wird. Auch wenn es<br />

e<strong>in</strong>deutig mehr Frauen als Männer im Sozialdienst <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> gibt, so wird mit den<br />

Begriffen Frauenberuf und Männerberuf fast ausschließlich auf Tätigkeiten und<br />

Aufgaben, sowie <strong>der</strong>en Geschlechterzuschreibung Bezug genommen.<br />

Die Begriffe frauendom<strong>in</strong>ierter und männerdom<strong>in</strong>ierter Beruf h<strong>in</strong>gegen zielen direkt auf<br />

die Verteilung <strong>der</strong> Geschlechter ab. So wird anhand dieser Begriffe die Über- bzw.<br />

Unterrepräsentanz e<strong>in</strong>es Geschlechts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Berufsfeld def<strong>in</strong>iert.<br />

14


<strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong><br />

Um e<strong>in</strong>e Arbeit über <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Arbeitsbereich zu schreiben, ist es unerlässlich, vorab e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition dessen zu liefern,<br />

was o<strong>der</strong> welche Teile <strong>der</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> e<strong>in</strong> soziales Konstrukt s<strong>in</strong>d. Unter dem<br />

Punkt Begriffsklärung wurden Sex und Gen<strong>der</strong> bereits def<strong>in</strong>iert; dieser Abschnitt <strong>der</strong><br />

Arbeit dreht sich um die Frage, ob Sex und/o<strong>der</strong> Gen<strong>der</strong> konstruiert werden. Treffen<strong>der</strong><br />

gesagt, ob diese beiden Begriffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit als soziale Konstrukte<br />

betrachtet werden, und <strong>in</strong> welchem Zusammenhang Sex und Gen<strong>der</strong> stehen.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Antwort auf die Frage, ob Sex und/o<strong>der</strong> Gen<strong>der</strong> sozial<br />

konstruiert s<strong>in</strong>d, es existieren verschiedene Ansätze und Verb<strong>in</strong>dungsmodelle zwischen<br />

beiden. Drei <strong>der</strong> erwähnten Ansätze, die Mantelstän<strong>der</strong>theorie, <strong>der</strong> Biological<br />

Foundatism und Butlers radikaler Konstruktivismus, werden, nach e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en<br />

Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Konstruktivismus, kurz erläutert, um daraus die Verwendung <strong>der</strong><br />

Begriffe <strong>in</strong> dieser Arbeit abzuleiten.<br />

Um die gegebene Fragestellung zu erläutern ist es zielführend, erst e<strong>in</strong>en Überblick über<br />

den Konstruktivismus, bzw. die konstruktivistische Sicht auf <strong>Geschlechtlichkeit</strong> zu<br />

geben.<br />

Konstruktivismus<br />

Konstruktivismus ist e<strong>in</strong> „Sammelbegriff für erkenntnistheoretische, philosophische und<br />

psychologische Positionen, die da<strong>von</strong> ausgehen, dass das subjektive Erleben und<br />

Erkennen <strong>der</strong> Wirklichkeit ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Wi<strong>der</strong>spiegelung <strong>der</strong> äußeren Realität im<br />

Bewusstse<strong>in</strong> ist. Vielmehr ist es e<strong>in</strong>e durch subjektive Sichtweisen, Handlungen und<br />

Begriffe hergestellte <strong>Konstruktion</strong>“ (Brockhaus 2009). Der Konstruktivismus kann also<br />

als Erklärungsmodell gesehen werden, das <strong>in</strong> den unterschiedlichsten<br />

wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en zu f<strong>in</strong>den ist.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Zeit bildeten sich viele verschiedene konstruktivistische Richtungen<br />

heraus, wie zum Beispiel <strong>der</strong> Sozialkonstruktivismus, <strong>der</strong> kommunikationstheoretisch<br />

ausgerichtete Konstruktivismus o<strong>der</strong> <strong>der</strong> radikale Konstruktivismus. Diese drei<br />

Ausrichtungen s<strong>in</strong>d zugleich die für diese Arbeit wegweisenden konstruktivistischen<br />

15


Ansätze, auf <strong>der</strong>en Grundlage erläutert wird, wie die <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> zu verstehen ist.<br />

Der sozialkonstruktivistische Ansatz geht da<strong>von</strong> aus, dass <strong>der</strong> Mensch die Wirklichkeit<br />

durch soziale Interaktion – <strong>in</strong> Gesprächen, Texten und Handlungen – herstellt. Um die<br />

Wirklichkeit ihrer Umwelt zu begreifen, werden Menschen als <strong>von</strong> Sprache, Kultur und<br />

Gesellschaft abhängig gesehen. Im kommunikationstheoretisch ausgerichteten<br />

Konstruktivismus <strong>von</strong> Paul Watzlawick wird Wirklichkeit über Kommunikation<br />

hergestellt. Das, worauf wir uns <strong>in</strong> unserer Kommunikation oft als Realität beziehen, ist<br />

also etwas, das wir erst durch eben diese Kommunikation selber erzeugen,<br />

beziehungsweise schreiben wir D<strong>in</strong>gen Bedeutungen durch Kommunikation zu.<br />

Watzlawick unterscheidet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Ansatz zwischen Wirklichkeit erster und zweiter<br />

Ordnung. Mit Wirklichkeit erster Ordnung bezieht sich Watzlawick auf physikalische<br />

Eigenschaften <strong>von</strong> D<strong>in</strong>gen, mit Wirklichkeit zweiter Ordnung auf die Zuschreibung <strong>von</strong><br />

S<strong>in</strong>n, Bedeutung und Werten. Umgelegt auf die <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong><br />

kann das wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mantelstän<strong>der</strong>-Theorie <strong>von</strong> Nicholson verstanden werden, nämlich<br />

dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirklichkeit erster Ordnung das biologische Geschlecht (Sex) beschrieben<br />

wird, woh<strong>in</strong>gegen sich die Wirklichkeit zweiter Ordnung auf das soziale Geschlecht<br />

(Gen<strong>der</strong>) bezieht. Mehr dazu im nächsten Abschnitt. Der radikale Konstruktivismus<br />

stellt schließlich die „extremste“ Form <strong>der</strong> konstruktivistischen Ansätze dar. Dieser<br />

Ansatz geht da<strong>von</strong> aus, dass jedes Lebewesen die Wirklichkeit selbst def<strong>in</strong>iert; nach<br />

Humberto R. Maturana lebt je<strong>der</strong> Organismus unabhängig <strong>von</strong> äußeren Reizen. Das<br />

heißt, dass es überhaupt ke<strong>in</strong>e „äußere Wirklichkeit“ gibt. In <strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>-Debatte wird<br />

dieser Ansatz <strong>von</strong> Judith Butler vertreten, die <strong>in</strong> „Das Unbehagen <strong>der</strong><br />

Geschlechter“ Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre die These aufstellte, dass auch das biologische<br />

Geschlecht o<strong>der</strong> <strong>der</strong> geschlechtliche Körper sozial konstruiert seien (vgl. Vasterl<strong>in</strong>g<br />

2001). „Interessant ist aus radikalkonstruktivistischer Perspektive demnach nicht, was<br />

das Geschlecht wirklich ist, son<strong>der</strong>n wie Geschlechterwirklichkeiten entstehen und<br />

durch welche Differenzierungsprozesse sie aufrechterhalten werden.“ (Moser 2003).<br />

Zusammenhang <strong>von</strong> Sex und Gen<strong>der</strong><br />

Im e<strong>in</strong>leitenden Kapitel wurden die beiden Begriffe Sex und Gen<strong>der</strong> def<strong>in</strong>iert. Auch<br />

wenn es E<strong>in</strong>igkeit darüber gibt, dass Sex das biologische, und Gen<strong>der</strong> das soziale<br />

16


Geschlecht beschreibt, so gibt es doch unterschiedliche Auffassungen darüber, wie diese<br />

beiden Begriffe <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stehen und welche Abhängigkeiten zwischen<br />

ihnen bestehen.<br />

Um diese Verb<strong>in</strong>dungen und Abhängigkeiten zu erläutern, muss e<strong>in</strong> kurzer Abriss <strong>der</strong><br />

Geschichte des Begriffs Gen<strong>der</strong> gegeben werden. Der Begriff wurde e<strong>in</strong>geführt, als <strong>der</strong><br />

Fem<strong>in</strong>ismus <strong>in</strong> den 1960er Jahren vor folgendem Problem stand: es herrschte die<br />

Me<strong>in</strong>ung vor, dass Unterschiede zwischen den Geschlechtern hauptsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Biologie verankert seien, durch biologische Unterscheidungen erklärt wurden, und<br />

somit unverän<strong>der</strong>bar waren (vgl. Nicholson 1995). Als Ausweg aus dem Dilemma<br />

wurde <strong>der</strong> Begriff Gen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführt, um die Begrifflichkeit Sex zu komplettieren und<br />

den verän<strong>der</strong>lichen Teil <strong>von</strong> Geschlecht zu beschreiben.<br />

Den eigentlichen Grundste<strong>in</strong> für die Sichtweise <strong>von</strong> Geschlecht als soziale <strong>Konstruktion</strong><br />

hatte Simone de Beauvoir aber bereits 1949 gelegt, als sie sagte: „Man kommt nicht als<br />

Frau zur Welt, man wird e<strong>in</strong>e. Ke<strong>in</strong>e biologische, psychische o<strong>der</strong> ökonomische<br />

Bestimmung legt die Gestalt fest, die <strong>der</strong> weibliche Mensch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

annimmt“ (de Beauvoir 1997, S. 334 zitiert nach Frey & D<strong>in</strong>gler 2001). Als Simone de<br />

Beauvoir im Jahr 1949 ihr Buch „Das an<strong>der</strong>e Geschlecht“ veröffentlichte, wurde<br />

zwischen Sex und Gen<strong>der</strong> noch nicht auf die heute übliche Weise unterschieden. Erst<br />

Ende <strong>der</strong> 1960er Jahre wurden diese beiden Begriffe, wie bereits beschrieben, def<strong>in</strong>iert<br />

und <strong>von</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> getrennt.<br />

Anfang <strong>der</strong> 1970er Jahre setzte Ann Oakley die beiden Begriffe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

gesellschaftspolitischen Kontext und schrieb „Sex ist e<strong>in</strong> Wort, das sich auf die<br />

biologischen Unterschiede zwischen männlich und weiblich bezieht […], dagegen ist<br />

Gen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Sache <strong>der</strong> Kultur: es bezieht sich auf die soziale Klassifizierung <strong>in</strong><br />

„maskul<strong>in</strong>“ und „fem<strong>in</strong><strong>in</strong>“.“ (Oakley 1972, S. 16 zitiert nach Frey & D<strong>in</strong>gler 2001).<br />

Seit e<strong>in</strong>e konstruktivistische Sicht auf Geschlecht(er) besteht, steht also die Frage im<br />

Raum, was <strong>von</strong> Geschlecht und <strong>Geschlechtlichkeit</strong> sozial konstruiert ist und was<br />

biologisch determ<strong>in</strong>iert ist.<br />

Diese Frage ist, wie e<strong>in</strong>gangs schon erwähnt, nicht klar zu beantworten. Mögliche<br />

Lösungsansätze können immer nur Hand-<strong>in</strong>-Hand mit Verb<strong>in</strong>dung und Abhängigkeit<br />

<strong>der</strong> beiden Begrifflichkeiten Sex und Gen<strong>der</strong> angeboten werden. Im Folgenden werden<br />

die drei e<strong>in</strong>leitend erwähnten Ansätze erläutert:<br />

17


Die Mantelstän<strong>der</strong>-Theorie<br />

In diesem ersten Ansatz wird Gen<strong>der</strong> als verän<strong>der</strong>barer Gegenpart zum<br />

unverän<strong>der</strong>lichen Faktum des biologischen Geschlechts gesehen. „’Gen<strong>der</strong>’ was<br />

developed and is still often used as a contrast term to ‘sex’, to depict that which is<br />

socially constructed as opposed to what is biologically given. Gen<strong>der</strong> is typically<br />

thought to refer to personality traits and behaviour <strong>in</strong> dist<strong>in</strong>ction from the body. Here,<br />

gen<strong>der</strong> and sex are un<strong>der</strong>stood as dist<strong>in</strong>ct” (Nicholson 1995, S. 39). Die Grenze<br />

zwischen Bee<strong>in</strong>flussbarkeit bzw. Verän<strong>der</strong>barkeit und dem naturgegebenen<br />

Unverän<strong>der</strong>lichen liegt bei diesem Ansatz also genau zwischen den beiden Begriffen<br />

Sex und Gen<strong>der</strong>. „Gen<strong>der</strong>“ – bezogen auf Verhalten und Persönlichkeitszüge – gilt als<br />

konstruiert, woh<strong>in</strong>gegen „Sex“ e<strong>in</strong>e unverän<strong>der</strong>liche Position zugesprochen wird. Der<br />

kurze Abriss <strong>der</strong> Geschichte des Wortes Gen<strong>der</strong> spiegelt die Position des Fem<strong>in</strong>ismus <strong>in</strong><br />

den 1960er Jahren wi<strong>der</strong>, die, um <strong>der</strong> biologischen Determ<strong>in</strong>iertheit <strong>der</strong> Unterschiede<br />

zwischen männlich und weiblich zu entkommen, e<strong>in</strong>e teilweise konstruierte Sicht auf<br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>t.<br />

Der Begriff Gen<strong>der</strong> wurde nicht entwickelt, um Sex zu ersetzen, son<strong>der</strong>n vielmehr als<br />

Vervollständigung des Begriffs. Da aber zur Zeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung dieses Begriffes die<br />

Me<strong>in</strong>ung vorherrschte, dass <strong>der</strong> Unterschied zwischen Mann und Frau biologisch<br />

begründet sei, basierten auch die Gen<strong>der</strong>-<strong>Konstruktion</strong>en auf diesem biologischen<br />

Unterschied. 1975 beschreibt Gayle Rub<strong>in</strong> ihr „gen<strong>der</strong>/sex system“ das genau den<br />

Zusammenhang zwischen diesen beiden Begriffen erklärt: „[the sex/gen<strong>der</strong> system is]<br />

the set of arrangements upon which a society transforms biological sexuality <strong>in</strong>to<br />

products of human activity, and <strong>in</strong> which these transformed sexual needs are satisfied.”<br />

(Rub<strong>in</strong> 1975, S. 159 zitiert nach Nicholson 1995, S. 40-41).<br />

Nicholson beschreibt diese Verb<strong>in</strong>dung später als „Mantelstän<strong>der</strong>-Theorie“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> das<br />

biologische Geschlecht als Areal gesehen wird, auf dem soziale und kulturelle<br />

<strong>Konstruktion</strong>en stattf<strong>in</strong>den. Dieser Ansatz birgt die Chance, dass sowohl<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten als auch Unterschiede zwischen Frauen und Frauengruppen, bzw.<br />

zwischen Männern und Männergruppen, erforscht werden konnten.<br />

18


Biological foundationism<br />

Dieser Ansatz unterscheidet sich <strong>von</strong> <strong>der</strong> Mantelstän<strong>der</strong>-Theorie <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht.<br />

Erstens unterstützen die VertreterInnen dieses Ansatzes die These, dass auch Sex sozial<br />

konstruiert ist und zweitens werden die <strong>Konstruktion</strong>en <strong>von</strong> Sex und Gen<strong>der</strong><br />

unabhängig <strong>von</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gesehen. Jedoch werden die <strong>Konstruktion</strong>en, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />

<strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Sex, <strong>von</strong> AnhängerInnen dieses Ansatzes als <strong>in</strong>terkulturelles<br />

Phänomen gesehen. Gerade diese Interkulturalität wi<strong>der</strong>spricht jedoch <strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> These <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Sex. Die Frage die sich stellt ist also, woher die<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>in</strong> den <strong>Konstruktion</strong>en <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Kulturen stammen.<br />

„…they [persons endors<strong>in</strong>g this theoretical approach] th<strong>in</strong>k of it as the<br />

cross-cultural similar response to some “deeper” level of biological<br />

commonality, represented <strong>in</strong> the material “givens” of the body, i.e., that<br />

women have vag<strong>in</strong>as and men have penises. […] L<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g this position and<br />

one that th<strong>in</strong>ks of sex as <strong>in</strong>dependent of gen<strong>der</strong> is the idea that dist<strong>in</strong>ctions<br />

of nature, at some basic level, ground or manifest themselves <strong>in</strong> human<br />

identity.” (Nicholson 1995, S. 42)<br />

Auch wenn Sex und Gen<strong>der</strong> beide als sozial konstruiert gesehen werden und<br />

<strong>von</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> als unabhängig wahrgenommen werden, kommt <strong>der</strong> Biologie des<br />

Menschen, und damit dem biologischen Geschlecht - o<strong>der</strong> besser gesagt den<br />

biologischen Ausprägungen des Menschen, also den Geschlechtsorganen – e<strong>in</strong>e<br />

identitätsstiftende Rolle zu. Anhand dieser Rolle, o<strong>der</strong> wie Nicholson es ausdrückt dem<br />

„cross-cultural common set of criteria for dist<strong>in</strong>guish<strong>in</strong>g women and men“ kann<br />

zwischen Männern und Frauen <strong>in</strong>nerhalb und zwischen e<strong>in</strong>zelnen Kulturen<br />

unterschieden werden. Die Biologie prägt <strong>in</strong> diesem Ansatz unsere Identität.<br />

Beide bisher besprochenen Ansätze, sowohl die Mantelstän<strong>der</strong>-Theorie als auch <strong>der</strong><br />

Biological foundationism, verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n Unterschiede zwischen Frauen und Unterschiede<br />

zwischen Männern wirklich zu verstehen, sowie auch wirklich zu verstehen wer als Frau<br />

o<strong>der</strong> Mann wahrgenommen wird. Durch den Gedanken <strong>von</strong> <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Phänomenen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschlechterkonstruktion wurden und werden oft Charakteristika<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen westlichen Kultur o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelner Gruppen <strong>in</strong>nerhalb des westlichen<br />

19


Kulturkreises falsch generalisiert, da die Unterscheidung zwischen biologischer Ursache<br />

und sozialer <strong>Konstruktion</strong> schwer fällt.<br />

Butlers radikaler Konstruktivismus<br />

In den beiden vorangegangenen Ansätzen wurde da<strong>von</strong> ausgegangen, dass weibliche<br />

wie männliche Identität sozial und kulturell konstruiert s<strong>in</strong>d, und somit variabel und vor<br />

allem verän<strong>der</strong>bar s<strong>in</strong>d. Gerade dieser Verän<strong>der</strong>barkeit wird jedoch durch das Faktum<br />

<strong>der</strong> Biologie e<strong>in</strong>e Grenze gesetzt. Der geschlechtliche Körper ist mit <strong>der</strong><br />

Geschlechterkonstruktion direkt verbunden. Judith Butler g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den 1990er Jahren<br />

noch e<strong>in</strong>en Schritt weiter und verteidigt <strong>in</strong> ihrem Buch „Das Unbehagen <strong>der</strong><br />

Geschlechter“ die These, dass nicht nur Gen<strong>der</strong> sozial konstruiert sei, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

geschlechtliche Körper, beziehungsweise das biologische Geschlecht. Um die<br />

„Radikalität“ des Ansatzes <strong>von</strong> Butler zu verstehen bedarf es e<strong>in</strong>er kurzen Erläuterung<br />

ihres Verständnisses <strong>von</strong> <strong>Konstruktion</strong>. So schreibt Butler: „construction is neither a<br />

subject nor its act, but a process of reiteration by which both ‘subjects’ and ‘acts’ come<br />

to appear at all […] Performativity 1 must be un<strong>der</strong>stood not as a s<strong>in</strong>gular or deliberate<br />

‘act’, but, rather, as the reiterative and citational practice by which discourse produces<br />

the effects that it names.” (vgl. Butler 1993, S. 2-9 zitiert nach Moser 2003).<br />

<strong>Konstruktion</strong> wird also nicht als “Sache an sich” verstanden, son<strong>der</strong>n als Wie<strong>der</strong>holung<br />

e<strong>in</strong>zelner Handlungen und Prozesse gesehen, <strong>in</strong> denen sowohl die handelnden<br />

Menschen wie auch die Handlungen an sich sichtbar werden.<br />

„In Gen<strong>der</strong> Trouble entwickelt Butler den Performativitätsbegriff mit Blick<br />

auf die sex-gen<strong>der</strong>-Unterscheidung weiter. Der sche<strong>in</strong>bare Grund <strong>der</strong><br />

Geschlechtsidentität, das biologische Geschlecht und <strong>der</strong> Körper als<br />

Oberfläche kultureller E<strong>in</strong>schreibungen, ist nach Butler <strong>der</strong> performative<br />

Effekt e<strong>in</strong>er diskursiven Praxis. Performativität wird hier folglich nicht als<br />

1 Der Ausdruck "performativ" ist e<strong>in</strong>e Wortprägung des Oxfor<strong>der</strong> Sprachphilosophen John L. Aust<strong>in</strong>.<br />

Während konstative Äußerungen e<strong>in</strong>en bestehenden Sachverhalt beschreiben o<strong>der</strong> Tatsachen behaupten<br />

und folglich wahr o<strong>der</strong> falsch s<strong>in</strong>d, vollziehen performative Äußerungen e<strong>in</strong>e Handlung, die sie benennen.<br />

Mit performativen Sprechakten werden Handlungen vollzogen, Tatsachen geschaffen und Identitäten<br />

gesetzt. In diesem S<strong>in</strong>ne können sie zwar nicht wahr o<strong>der</strong> falsch se<strong>in</strong>, jedoch gel<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> fehlschlagen.<br />

(Posselt 2003)<br />

20


die Möglichkeit e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tentionalen Subjekts verstanden, mit sprachlichen<br />

Äußerungen Handlungen zu vollziehen, son<strong>der</strong>n die soziale<br />

Geschlechtsidentität (gen<strong>der</strong>) ist gerade <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne performativ, <strong>in</strong>dem<br />

sie das Subjekt, das diese nur auszudrücken sche<strong>in</strong>t, als se<strong>in</strong>en Effekt<br />

konstituiert. Folglich gibt es ke<strong>in</strong>e Geschlechtsidentität 'h<strong>in</strong>ter' den<br />

Äußerungen und Ausdrucksformen <strong>von</strong> Geschlecht; diese Identität wird<br />

durch eben diese Äußerungen performativ hervorgebracht. Dabei ist<br />

Performativität nicht als e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Akt aufzufassen, son<strong>der</strong>n vielmehr als<br />

e<strong>in</strong>e reiterative Praxis <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es regulativen Systems, das die<br />

Identitäten, die es bezeichnet, ebenso re-produziert wie es das Risiko ihrer<br />

Fehlbenennung und Des<strong>in</strong>tegration mit sich br<strong>in</strong>gt.“ (Posselt 2003)<br />

„Die natürliche Grundlage des Geschlechts („Sex“) ersche<strong>in</strong>t aus dieser Perspektive als<br />

e<strong>in</strong>e Folge signifizieren<strong>der</strong> gesellschaftlicher Praktiken („Gen<strong>der</strong>“)“ (Moser 2003, S. 5).<br />

Judith Butler dreht also den Zusammenhang zwischen Gen<strong>der</strong> und Sex um. Im Ansatz<br />

des radikalen Konstruktivismus wird Sex also erst mit und durch Gen<strong>der</strong> konstruiert.<br />

Man sieht also, dass die Frage nach dem Zusammenhang <strong>von</strong> Sex und Gen<strong>der</strong> nicht<br />

e<strong>in</strong>deutig beantwortet werden kann. Die Lösungsansätze s<strong>in</strong>d verschieden, was aber<br />

allen drei hier beschriebenen Versuchen, diese Frage zu klären, geme<strong>in</strong> ist, ist das<br />

Faktum, dass sie sich auf e<strong>in</strong>e Zweigeschlechtlichkeit unserer Gesellschaft stützen. Die<br />

Grundvoraussetzung für die bisher beschriebenen Ansätze, Sex und Gen<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Zusammenhang zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen liegt <strong>in</strong>d er Unterteilung unserer Welt <strong>in</strong> Frauen<br />

und Männer. Die Frage, ob unsere Gesellschaft wirklich „nur“ <strong>in</strong> Männer und Frauen zu<br />

unterteilen ist, drängt sich förmlich auf. Im folgenden Abschnitt soll diese<br />

angenommene und konstruierte Zweigeschlechtlichkeit kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden.<br />

Geschlecht als Kont<strong>in</strong>uum<br />

Um den Dualismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschlechterwahrnehmung unserer Gesellschaft kritisch zu<br />

beleuchten, werden Sex und Gen<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> getrennt <strong>von</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> behandelt. Der<br />

Gen<strong>der</strong>aspekt wird <strong>in</strong> allen bisher angeführten Ansätzen als sozial konstruiert gesehen.<br />

Durch diese <strong>Konstruktion</strong>en entsteht nicht nur e<strong>in</strong>e Männlichkeit, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e<br />

„Mannigfaltigkeit <strong>von</strong> Männlichkeitsformen“ (Connell 2006), wie Robert W. Connell<br />

21


schreibt. Analog dazu existiert auch nicht nur e<strong>in</strong>e Weiblichkeit, son<strong>der</strong>n ebenfalls<br />

mehrere Weiblichkeiten. Connell führt verschiedene (hierarchische) Zusammenhänge<br />

zwischen Männlichkeiten an, wobei durch die <strong>von</strong> ihm beschrieben vier Beziehungen<br />

Hegemonie, Unterordnung, Komplizenschaft und Marg<strong>in</strong>alisierung, Abstufungen<br />

entstehen, die den Dualismus <strong>der</strong> Geschlechter aufheben. Somit gibt es nicht mehr nur<br />

Mann und Frau, son<strong>der</strong>n viele verschiedene Ausprägungen <strong>von</strong> Mann-Se<strong>in</strong> und Frau-<br />

Se<strong>in</strong>. Aufgrund <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> kann auf Gen<strong>der</strong>-Ebene <strong>der</strong><br />

strikten E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> Mann und Frau entkommen werden, da unterschiedliche<br />

Abstufungen <strong>von</strong> Männlichkeit und Weiblichkeit entworfen werden.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Aspekt <strong>der</strong> zur Annahme führt, dass Männer und Frauen nicht als zwei<br />

entgegengesetzte Pole betrachtet werden können, wird <strong>von</strong> Carol Hagemann-White<br />

angesprochen, die sagt, dass es „kaum Verhalten [gibt], das ausschließlich bei e<strong>in</strong>em<br />

Geschlecht vorkommt. Die Variationen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Geschlechts s<strong>in</strong>d größer als die<br />

Differenz zwischen den Mittelwerten für jedes Geschlecht“ (Hagemann-White 1984, S.<br />

12 zitiert nach Gen<strong>der</strong>werkstätte 2007 S. 5). Auf Verhaltensebene können also ke<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>deutigen und ausschließlichen Zuordnungen zu Frauen und Männern gemacht<br />

werden. So werden auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit, Tätigkeiten und Aufgaben, die<br />

sprachlich als männlich o<strong>der</strong> weiblich ausgedrückt und def<strong>in</strong>iert werden, sowohl <strong>von</strong><br />

Sozialarbeitern als auch <strong>von</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen durchgeführt.<br />

Schwerer fällt es uns, die strikten Kategorien „Mann“ und „Frau“ auf biologischer<br />

Ebene zu verlassen. So sollte die Frage nach dem Geschlecht e<strong>in</strong>es Menschen gerade <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Biologie klar und e<strong>in</strong>deutig beantwortbar se<strong>in</strong>. Aber selbst hier kann die Frage nach<br />

dem Geschlecht e<strong>in</strong>er Person nur bed<strong>in</strong>gt beantwortet werden. In <strong>der</strong> Biologie werden<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en vier Variablen <strong>der</strong> biologischen Geschlechterdifferenzierung<br />

unterschieden, und auf je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Ebene werden Menschen als männlich o<strong>der</strong><br />

weiblich e<strong>in</strong>gestuft. In weiterer Folge wird gezeigt, dass sich diese Variablen<br />

überkreuzen können und somit e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige biologische E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> die<br />

Kategorien „Mann“ und „Frau“ nicht immer möglich ist.<br />

22


Die folgende Aufstellung wurde dem Artikel „Biologische Grundlagen <strong>der</strong><br />

Geschlechterdifferenz <strong>von</strong> Kerr<strong>in</strong> Christiansen (2001) entnommen:<br />

Mann<br />

Frau<br />

Chromosales Geschlecht XY-Chromosomen XX-Chromosomen<br />

Gonadales Geschlecht Hoden Eierstöcke<br />

Homonales Geschlecht mehr Androgene, z.B.:<br />

Testosteron; Östradiol<br />

durch periphäre<br />

Konversion <strong>von</strong><br />

Östrogene und Androgene;<br />

Östradiol hat e<strong>in</strong>en höheren<br />

Serumspiegel als<br />

Testosteron<br />

Testosteron<br />

Morphologisches<br />

Geschlecht<br />

Penis und sekundäre<br />

Geschlechtsmerkmale wie<br />

Bart, tiefe Stimme,<br />

Muskelverteilung<br />

Vag<strong>in</strong>a, Klitoris, Brüste<br />

und sekundäre<br />

Geschlechtsmerkmale im<br />

Körperbau<br />

Tabelle 1: Biologische Grundlagen <strong>der</strong> Geschlechterdifferenz<br />

Betrachet man diese vier Unterscheidungskriterien e<strong>in</strong>zeln, so kommt man zu dem<br />

Ergebnis, dass ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Kriterien für sich alle<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e für alle Menschen gültige,<br />

e<strong>in</strong>deutige Klassifizierung ermöglicht. So können Personen mit XY-Chromosomen<br />

durch Störungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> embryonalen Entwicklung äußerlich weiblich se<strong>in</strong>. Bei diesen<br />

Männern - o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d es Frauen? - s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Embryonalentwicklung noch Hoden<br />

entstanden, wobei diese jedoch nur bis <strong>in</strong> den Leistenkanal absteigen und so äußerlich<br />

nicht sichtbar s<strong>in</strong>d. Eierstöcke und Uterus fehlen, aber da das Testosteron nicht wirksam<br />

werden kann, entwickeln diese Menschen e<strong>in</strong>en normalen weiblichen Phänotyp. An<br />

dieser Kreuzung <strong>der</strong> Variablen „Chromosales Geschlecht“ und „Morphologisches<br />

Geschlecht“ wird schon klar, dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Zuordnung nicht <strong>in</strong> allen Fällen<br />

gegeben ist.<br />

In <strong>der</strong> Variable „Homonelles Geschlecht“ kann e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Zuordnung alle<strong>in</strong><br />

deshalb schon nicht immer getroffen werden, weil lediglich Grenzwerte <strong>von</strong><br />

Hormonaufkommen bei Männern und Frauen angegeben werden können und diese sich<br />

teilweise überschneiden. Als Beispiel seien hier die Werte des weiblichen Hormons<br />

Östradiol genannt; die Normwerte bei Männern liegen im Bereich <strong>der</strong> weiblichen<br />

23


Östradiolkonzentration. Durch zyklusbed<strong>in</strong>gte Schwankungen bei Frauen haben diese<br />

zu gewissen Zeiten sogar niedrigere Östradiolwerte als Männer.<br />

Die vierte Variable, das morphologische Geschlecht, leitet sich <strong>von</strong> den sekundären<br />

Geschlechtsmerkmalen ab und ist das e<strong>in</strong>zige „augensche<strong>in</strong>liche“ Kriterium, bzw. das<br />

Kriterium, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Interaktion mit an<strong>der</strong>en Menschen sichtbar wird und uns zu dem<br />

Urteil „es ist e<strong>in</strong> Mann“ , „es ist e<strong>in</strong>e Frau“ o<strong>der</strong> auch zu e<strong>in</strong>er Unsicherheit <strong>in</strong> dieser<br />

Unterscheidung führt. Bei diesem Kriterium basiert die Unterscheidung auf<br />

Mittelwerten. So ist <strong>der</strong> Bartwuchs bei Männern im Durchschnitt stärker ausgeprägt als<br />

bei Frauen: bei den fast bartlosen San o<strong>der</strong> Buschmännern aus dem südlichen Afrika,<br />

kann dieses Merkmal jedoch nicht mehr zur Unterscheidung zwischen Mann und Frau<br />

herangezogen werden. Auch <strong>in</strong> diesem Zusammenhang treffen wir unsere<br />

Unterscheidung nicht aufgrund strikter Merkmale, son<strong>der</strong>n je nach Überwiegen <strong>von</strong><br />

männlichen o<strong>der</strong> weiblichen morphologischen Kriterien. (vgl. Christiansen 2001).<br />

Man merkt also, dass auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Biologie e<strong>in</strong>e duale Sicht auf Geschlechter, nämlich<br />

dass es „nur“ Männer und Frauen gibt, nicht wirklich haltbar ist. Wie auf <strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>-<br />

Ebene, gibt es auch im biologischen Geschlecht verschiedenste Abstufungen. So zeigt<br />

uns „gerade die Biologie mit <strong>der</strong> exakten, naturwissenschaftlichen Methodik, […] wie<br />

vielfältig die Ersche<strong>in</strong>ungsformen weiblicher und männlicher Individuen und wie<br />

fließend Übergänge <strong>von</strong> Frau zu Mann s<strong>in</strong>d. […] Die Geschlechter s<strong>in</strong>d somit ke<strong>in</strong>e klar<br />

geschiedene Alternative, son<strong>der</strong>n stellen e<strong>in</strong>e Variationsreihe mit fließendem Übergang<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> mehr männlichen zur mehr weiblichen Seite dar.“ (Christiansen 2001).<br />

Zur Verwendung <strong>der</strong> Begriffe Sex und Gen<strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

Dieser Arbeit liegt e<strong>in</strong> duales Verständnis <strong>von</strong> Sex und Gen<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Mantelstän<strong>der</strong>-<br />

Theorie zugrunde. Die Entscheidung für dieses Verständnis ergab sich aus <strong>der</strong><br />

organisatorischen Struktur <strong>der</strong> <strong>LSF</strong>. E<strong>in</strong>erseits kann aufgrund <strong>der</strong> Aufteilung <strong>in</strong> Frauenund<br />

Männerstationen an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass, was die Sicht auf<br />

PatientInnen angeht, das biologische Geschlecht als determ<strong>in</strong>ierend angesehen wird.<br />

Die Zuteilung zu den e<strong>in</strong>zelnen Stationen erfolgt nach dem gonadalen, bzw.<br />

morphologischen Geschlecht, und hier aufgrund <strong>der</strong> sekundären Geschlechtsorgane.<br />

Was die SozialarbeiterInnen angeht, so fällt auf, dass e<strong>in</strong> Thema, das sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Außenbeschreibung, wie auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Innenbeschreibung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

24


angesprochen und lange diskutiert wurde, das <strong>der</strong> gegengeschlechtlichen o<strong>der</strong><br />

gleichgeschlechtlichen Betreuung <strong>von</strong> PatientInnen ist. Auch <strong>in</strong> diesem Fall wurde<br />

durch die beiden Wörter Gegen- und Gleichgeschlechtlichkeit nur die Biologie<br />

angesprochen.<br />

Aus diesen Gründen wurde e<strong>in</strong>e Untersuchungsform gewählt, die - durch die Auswahl<br />

<strong>der</strong> InterviewpartnerInnen - das biologische Geschlecht als Basis <strong>der</strong> Geschlechterkonstruktion<br />

sieht. Die Umsetzung hier<strong>von</strong> ist unter <strong>der</strong> methodischen Beschreibung im<br />

Kapitel „Methodik“ genau erläutert.<br />

25


Methodische Beschreibung<br />

Zur Erforschung <strong>der</strong> dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragen, nämlich:<br />

1. welche Erwartungen an und welche Phantasien über die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit bei<br />

den an<strong>der</strong>en Berufsgruppen im Kl<strong>in</strong>ikbetrieb bestehen und<br />

2. wie die männlichen Sozialarbeiter an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> Männlichkeit <strong>in</strong> ihrer Arbeit und<br />

über ihre Arbeit konstruieren und leben,<br />

wurde e<strong>in</strong> zweistufiges Verfahren angewendet. In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurden<br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews mit Beschäftigten unterschiedlicher Berufsgruppen durchgeführt. Nach<br />

<strong>der</strong> qualitativen Inhaltsanalyse wurden die Ergebnisse aus diesen E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews<br />

verwendet, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gruppengespräch mit allen männlichen Sozialarbeitern <strong>der</strong><br />

<strong>LSF</strong>, eben diese Ergebnisse zu besprechen und <strong>Konstruktion</strong>smechanismen <strong>von</strong><br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en und <strong>von</strong> Männlichkeit im Speziellen zu erforschen.<br />

Es wurde <strong>der</strong> Weg e<strong>in</strong>er qualitativen Analyse <strong>der</strong> Befragungen gewählt, da das Ziel <strong>der</strong><br />

Arbeit sich vor allem <strong>in</strong> zwei <strong>der</strong> <strong>von</strong> Mayr<strong>in</strong>g (2008, S. 20) def<strong>in</strong>ierten, Aufgaben<br />

qualitativer Analysen wie<strong>der</strong> f<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Hypothesenf<strong>in</strong>dung und<br />

Theoriebildung“ und an<strong>der</strong>erseits <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Vertiefung“ <strong>von</strong> bereits vorhandenen<br />

Forschungsergebnissen.<br />

Der Bereich <strong>der</strong> Hypothesenf<strong>in</strong>dung zeigt sich bei <strong>der</strong> Forschungsfrage, wie<br />

Männlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> konstruiert wird. Für dieses<br />

Berufsfeld gibt es noch ke<strong>in</strong>e, mir bekannten, Forschungsergebnisse.<br />

Im Gegensatz dazu existiert e<strong>in</strong>e Fülle <strong>von</strong> Ergebnissen aus <strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>forschung, was<br />

die Sicht auf den Pflegebereich betrifft. Es ist bekannt, dass es viele weibliche<br />

Zuschreibungen zu diesem Berufsfeld gibt. Interessant ist die Frage, ob diese<br />

Ergebnisse auch auf den Bereich <strong>der</strong> Sozialarbeit zutreffen. In <strong>der</strong> Forschungsfrage,<br />

welche Erwartungen und Phantasien es an und über die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gibt, kommt<br />

also die Aufgabe <strong>der</strong> Vertiefung zum Tragen.<br />

Interviewformen<br />

In den zwei Stufen <strong>der</strong> Untersuchung wurden verschiedene Interviewformen verwendet,<br />

um, angepasst an die Fragestellung, e<strong>in</strong> Maximum an Inhalten für die Auswertung zu<br />

erfahren. So wurde die Außensicht anhand <strong>von</strong> sieben problemzentrierten Interviews<br />

26


erhoben, die Frage nach <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Männlichkeit wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gruppendiskussion mit den männlichen Sozialarbeitern an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> behandelt. In dieser<br />

Gruppendiskussion wurden die Ergebnisse <strong>der</strong> problemzentrieren E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews<br />

verwendet, wodurch die Zweistufigkeit <strong>der</strong> Untersuchung entstand.<br />

Problemzentrierte Interviews<br />

Da im Vorfeld <strong>der</strong> Interviews durch Literaturstudium bereits das Grundgerüst <strong>der</strong><br />

Auswertungskriterien bekannt war, wurde zur Datenerhebung <strong>der</strong> Ansatz des<br />

„Problemzentrierten Interviews“ nach Lamnek (2005, S. 363) gewählt. E<strong>in</strong> re<strong>in</strong><br />

narrativer Zugang wäre <strong>in</strong> diesem Fall aus zwei Gründen nicht zielführend gewesen:<br />

1. Es wäre nicht sichergestellt, dass die Auswertungskriterien, anhand <strong>der</strong>er die<br />

Interviews analysiert wurden, auch wirklich angesprochen werden.<br />

2. Gerade beim Thema „<strong>Geschlechtlichkeit</strong>“ könnte das Wissen um die Thematik<br />

des Interviews dazu führen, dass die InterviewpartnerInnen versuchen, politisch<br />

korrekt zu antworten, was zu e<strong>in</strong>er Verzerrung <strong>der</strong> Ergebnisse geführt hätte.<br />

Aus diesem Grund wurden neben e<strong>in</strong>igen Leitfragen, um die Interviews grob zu<br />

strukturieren, aus den Auswertungskriterien e<strong>in</strong>zelne, sehr offene, Fragen konstruiert<br />

anhand <strong>der</strong>er die Interviewpersonen durch das Gespräch geführt wurden. Innerhalb <strong>der</strong><br />

Kriterien konnten die InterviewparterInnen, angelehnt an narrative Interviews, frei<br />

entscheiden, wie und vor allem wie viel sie jeweils auf die Fragen e<strong>in</strong>gehen wollen.<br />

Sichergestellt wurde durch diese Herangehensweise lediglich, dass alle relevanten<br />

Auswertungskriterien auf irgende<strong>in</strong>e Art und Weise angesprochen wurden. An dieser<br />

Stelle sei erwähnt, dass die meisten Auswertungskriterien <strong>von</strong> den <strong>in</strong>terviewten<br />

Personen selbst angesprochen wurden, nur selten mussten Punkte vom Interviewer<br />

direkt abgefragt werden.<br />

Dem Problem <strong>der</strong> Verzerrung <strong>der</strong> Ergebnisse durch das Wissen um den eigentlichen<br />

Forschungsgegenstand - <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> - wurde<br />

entgegengewirkt, <strong>in</strong>dem die Interviewpersonen bei <strong>der</strong> Kontaktaufnahme gebeten<br />

wurden, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview e<strong>in</strong>e „Beschreibung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit und des<br />

Sozialdienstes an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong>“ zu geben. Im letzten Teil des Interviews wurden die<br />

InterviewpartnerInnen aufgeklärt, dass die Beschreibungen e<strong>in</strong>er Gen<strong>der</strong>-Analyse<br />

unterzogen werden.<br />

27


Interviewleitfaden - Problemzentrierte Interviews<br />

Es wurden Leitfragen def<strong>in</strong>iert, die <strong>in</strong> drei Dimensionen e<strong>in</strong>geteilt werden können. Die<br />

Dimensionen <strong>der</strong> Leitfragen s<strong>in</strong>d Beschreibung <strong>der</strong> Arbeit, Beschreibung <strong>der</strong> „Person“ -<br />

wobei hier nicht die Person e<strong>in</strong>es konkreten Sozialarbeiters o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er konkreten<br />

Sozialarbeiter<strong>in</strong> im Vor<strong>der</strong>grund stand, son<strong>der</strong>n Eigenschaften und Kompetenzen<br />

abgefragt wurden, die SozialarbeiterInnen zugedacht werden - und Männer und Frauen<br />

im Sozialdienst.<br />

Die Leitfragen <strong>der</strong> ersten Interviewreihe s<strong>in</strong>d:<br />

Beschreibung Arbeit Beschreibung Person Männer und Frauen im<br />

Sozialdienst<br />

Beschreiben Sie bitte die<br />

Arbeit des Sozialdienstes<br />

<strong>der</strong> <strong>LSF</strong>.<br />

Was s<strong>in</strong>d Aufgaben und<br />

Tätigkeitsbereiche des<br />

Sozialdienstes?<br />

Welche Eigenschaften Was glauben Sie s<strong>in</strong>d die<br />

müssen Menschen im Gründe, weshalb so wenige<br />

Sozialdienst haben, um Männer im Sozialdienst<br />

ihre Arbeit gut zu machen? beschäftigt s<strong>in</strong>d?<br />

Welche Kompetenzen<br />

müssen Menschen im<br />

Sozialdienst haben, um<br />

ihre Arbeit gut zu machen?<br />

Tabelle 2: Leitfragen – Problemzentrierte Interviews<br />

Um die bereits weiter oben angesprochene Verzerrung durch das Wissen um die<br />

eigentliche Thematik des Interviews so ger<strong>in</strong>g wie möglich zu halten, wurden bei den<br />

Fragestellungen zur Beschreibung <strong>von</strong> Arbeit und Person entwe<strong>der</strong> immer beide<br />

Geschlechter genannt, o<strong>der</strong> aber es wurde über „Menschen im Sozialdienst“ befragt.<br />

Erst im letzten Teil des Interviews wurden die InterviewpartnerInnen darüber aufgeklärt,<br />

dass die Interviews e<strong>in</strong>er Gen<strong>der</strong>-Analyse unterzogen werden. Zu diesem Zeitpunkt<br />

hatten jedoch die meisten InterviewpartnerInnen schon <strong>von</strong> selbst die Gen<strong>der</strong>-Thematik<br />

angesprochen.<br />

Neben diesen Leitfragen wurden zu zwei Auswertungskriterien, wie bereits erwähnt,<br />

Fragen konstruiert, um sicherzustellen, dass alle Auswertungskriterien angesprochen<br />

werden. Außer den beiden Auswertungskriterien „Zugang zu Ressourcen“ und<br />

„Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen“ wurden durch die<br />

28


Grobstrukturierung <strong>der</strong> drei Dimensionen alle Kriterien abgedeckt. Die Fragen, die<br />

gestellt wurden, waren:<br />

• Zugang zu Ressourcen: „Wissen Sie, wie es um die Ressourcen des<br />

Sozialdienstes steht? Gibt es e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziellen Topf, <strong>der</strong> vom Sozialdienst<br />

verwaltet wird?“<br />

• Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen: „Glauben Sie, dass man<br />

zum Sozialarbeiter o<strong>der</strong> zur Sozialarbeiter<strong>in</strong> ,geboren ist‘? O<strong>der</strong> kann man die<br />

nötigen Kompetenzen auch erlernen?“<br />

Lamnek beschreibt den Nutzen <strong>von</strong> Interviewleitfäden bei problemzentrierten<br />

Interviews folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„E<strong>in</strong> weiteres Hilfsmittel ist <strong>der</strong> Leitfaden. [...] An<strong>der</strong>erseits dient <strong>der</strong> Leitfaden eben<br />

auch dazu, nicht behandelte Gegenstände auszuson<strong>der</strong>n und nachzufragen. Der<br />

Leitfaden ist also <strong>in</strong>sgesamt als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>en Sondierung zu sehen.“ (Lamnek 2005, S. 367)<br />

In genau diesem S<strong>in</strong>n ist <strong>der</strong> Leitfaden für die <strong>in</strong> dieser Untersuchung durchgeführten<br />

problemzentrierten Interviews zu verstehen.<br />

Gruppendiskussion<br />

Lamnek (2005, S. 408) def<strong>in</strong>iert die Gruppendiskussion folgen<strong>der</strong>maßen: „Die<br />

Gruppendiskussion ist e<strong>in</strong> Gespräch mehrerer Teilnehmer zu e<strong>in</strong>em Thema, das <strong>der</strong><br />

Diskussionsleiter benennt, und dient dazu, Informationen zu sammeln.“ Die<br />

Datenerhebung <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Stufe <strong>der</strong> Untersuchung wurde gleichzeitig mit allen drei<br />

männlichen Sozialarbeitern <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> durchgeführt, um <strong>Konstruktion</strong>sprozesse diskursiv<br />

zu erfassen. Unter <strong>der</strong> Prämisse dass ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ immer <strong>in</strong> Interaktion mit an<strong>der</strong>en<br />

stattf<strong>in</strong>det, wurde somit e<strong>in</strong> Raum geboten, über <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit nicht nur auf e<strong>in</strong>er Metabene zu kommunizieren, son<strong>der</strong>n diese<br />

Prozesse auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> männlichen Sozialarbeiter zu „leben“. Die Ergebnisse<br />

aus dieser Gruppendiskussion dürfen also nicht gleichgesetzt werden mit <strong>der</strong> Summe<br />

<strong>der</strong> Ergebnisse, die <strong>in</strong> drei E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews erzielt worden wären. Gerade die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den Themen <strong>Geschlechtlichkeit</strong> und <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong>, zusammen mit an<strong>der</strong>en, führte zu ganz spezifischen Ergebnissen.<br />

29


Leitfaden - Gruppendiskussion<br />

Im Gegensatz zu den InterviewpartnerInnen <strong>der</strong> problemzentrieren Interviews, wussten<br />

die Teilnehmer <strong>der</strong> Gruppendiskussion <strong>von</strong> Anfang an Bescheid über das grundlegende<br />

Thema des Gesprächs, nämlich <strong>Geschlechtlichkeit</strong> und <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> eben dieser.<br />

Im Vorfeld wurde wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Leitfaden ausgearbeitet, um wichtige Aspekte des Themas<br />

abzufragen.<br />

Der erste Teil <strong>der</strong> Gruppendiskussion orientierte sich stark an den problemzentrierten<br />

Interviews aus <strong>der</strong> ersten Stufe <strong>der</strong> Untersuchung. Jedoch wurden die Dimensionen<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Arbeit, Beschreibung <strong>der</strong> „Person“ sowie Männer und Frauen im<br />

Sozialdienst aufgeteilt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e und e<strong>in</strong>e persönliche Ebene. Diese Aufteilung<br />

<strong>in</strong> zwei Ebenen ermöglichte e<strong>in</strong>e Auswertung <strong>in</strong> Beziehung zu den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews.<br />

Folgende Fragestellungen bzw. Gesprächsimpulse wurden verwendet, um die<br />

Gruppendiskussion am Laufen zu halten:<br />

allgeme<strong>in</strong>e Ebene persönliche Ebene<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Arbeit<br />

Was s<strong>in</strong>d Aufgaben und<br />

Tätigkeitsbereiche des<br />

Was s<strong>in</strong>d Eure<br />

Liebl<strong>in</strong>gsaufgaben und -<br />

Sozialdienstes?<br />

tätigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit?<br />

Welche Eigenschaften<br />

müssen Menschen im<br />

Sozialdienst haben, um<br />

Über welche persönlichen<br />

Eigenschaften verfügt ihr,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit nützlich<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Person<br />

ihre Arbeit gut zu machen? s<strong>in</strong>d?<br />

Welche Kompetenzen Über welche persönlichen<br />

müssen Menschen im<br />

Sozialdienst haben, um<br />

ihre Arbeit gut zu machen?<br />

Kompetenzen verfügt ihr,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit nützlich<br />

s<strong>in</strong>d?<br />

Männer und Frauen im<br />

Sozialdienst<br />

Was glauben Sie s<strong>in</strong>d die<br />

Gründe, weshalb so wenige<br />

Männer im Sozialdienst<br />

Wie geht es euch damit,<br />

dass ihr „nur“ drei Männer<br />

im Sozialdienst seid?<br />

beschäftigt s<strong>in</strong>d?<br />

Tabelle 3: Leitfragen – Gruppendiskussion<br />

30


Nach diesen Fragestellungen die auch <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews verwendet wurden, kam<br />

es zu e<strong>in</strong>er Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews.<br />

InterviewpartnerInnen<br />

Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> InterviewpartnerInnen <strong>der</strong> problemzentrierten E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews<br />

wurde e<strong>in</strong>erseits Wert darauf gelegt, alle Berufssparten des Kl<strong>in</strong>ikbetriebes <strong>in</strong> die<br />

Untersuchung e<strong>in</strong>zubeziehen, an<strong>der</strong>erseits wurde versucht, Beschäftigte aus<br />

unterschiedlichen Stationen <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> zu <strong>in</strong>terviewen; dadurch sollte vermieden werden,<br />

dass alle InterviewparterInnen die gleiche Sozialarbeiter<strong>in</strong> o<strong>der</strong> den gleichen<br />

Sozialarbeiter „beschreiben“.<br />

Interviewt wurden:<br />

männlich<br />

weiblich<br />

Arzt<br />

Ärzt<strong>in</strong><br />

Psychologe<br />

Psycholog<strong>in</strong><br />

Diplomkrankenschwester<br />

Fahrer<br />

Musiktherapeut<br />

Tabelle 4: InterviewpartnerInnen<br />

Es wurden vier Männer und drei Frauen <strong>in</strong>terviewt, die <strong>in</strong>sgesamt an vier verschiedenen<br />

Stationen <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> tätig s<strong>in</strong>d. Der Musiktherapeut und <strong>der</strong> Fahrer des Fahrdienstes s<strong>in</strong>d<br />

nicht direkt e<strong>in</strong>er Station zugeordnet, son<strong>der</strong>n arbeiten für mehrere, bzw. alle Stationen<br />

<strong>der</strong> <strong>LSF</strong>.<br />

Ursprünglich waren neun Interviews geplant. Aus Gründen <strong>der</strong> Geschlechterverteilung<br />

waren noch Interviews mit e<strong>in</strong>em Krankenpfleger sowie e<strong>in</strong>er Beschäftigten aus dem<br />

TherapeutInnenteam vorgesehen. Allerd<strong>in</strong>gs wurden diese Interviews kurzfristig<br />

krankheitsbed<strong>in</strong>gt abgesagt. Da die Zeit zu knapp war, um ErsatzpartnerInnen für die<br />

Interviews zu organisieren, wurde die Untersuchung letztendlich auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>von</strong><br />

sieben Interviews durchgeführt.<br />

Zur Gruppendiskussion wurden alle männlichen Sozialarbeiter des Sozialdienstes <strong>der</strong><br />

<strong>LSF</strong> e<strong>in</strong>geladen. Die Beschränkung auf die männlichen Sozialarbeiter kam aufgrund des<br />

Fokus auf die <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Männlichkeit zustande. In e<strong>in</strong>em nächsten<br />

31


Untersuchungsschritt wäre es sicherlich wichtig, die Ergebnisse <strong>der</strong> problemzentrierten<br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews auch mit den Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> zu besprechen und zu<br />

erforschen, welche Prozesse zur <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Weiblichkeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> wirksam<br />

und sichtbar werden.<br />

Auswertung <strong>der</strong> Interviews<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> problemzentrierten E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews wie auch <strong>der</strong><br />

Gruppendiskussion erfolgte unter Zuhilfenahme des Programms MaxQDA, e<strong>in</strong>er<br />

Software zur Textanalyse. Durch Anwendung dieser Software wurden die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interviews nach Absätzen nummeriert, was bei <strong>der</strong> Angabe <strong>der</strong> Interviewstellen <strong>in</strong><br />

dieser Arbeit zu Tragen kommt.<br />

Auswertung <strong>der</strong> Problemzentrierten Interviews<br />

Die Analyse <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews wurde nach den drei Auswertungsstufen <strong>von</strong><br />

problemzentrierten Interviews nach Lamnek (2005, S. 367) durchgeführt:<br />

1. Methodologische Kommentierung<br />

2. Kontrollierte Interpretation<br />

3. Vergleichende Systematisierung<br />

In e<strong>in</strong>em ersten Schritt, <strong>der</strong> methodologischen Kommentierung, wurde untersucht, ob<br />

die Interviews zur Auswertung geeignet waren. Ausschließungskriterien waren hierbei<br />

entwe<strong>der</strong> e<strong>in</strong> fehlen<strong>der</strong> Themenbezug o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e zu große Verzerrung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

durch „sozial erwünschtes“ o<strong>der</strong> „politisch korrektes“ Verhalten. Das letzte Kriterium<br />

wurde während des Interviews festgestellt. Ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> sieben Interviews wurde <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Analyse ausgeschlossen. E<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong> Bezug zur Geschlechterthematik war <strong>in</strong><br />

allen Interviews gegeben.<br />

Anschließend kam es zur Auswertung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interviews. Im Gegensatz zur<br />

Beschreibung <strong>der</strong> kontrollierten Interpretation Lamneks wurden die Interviews jedoch<br />

nur <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Person ausgewertet und <strong>in</strong>terpretiert. In dieser Phase <strong>der</strong> Interpretation<br />

wurde e<strong>in</strong> Raster <strong>der</strong> Auswertungskriterien über die Interviews gelegt, sodass diese<br />

anhand <strong>der</strong> zuvor ausgearbeiteten Kriterien analysiert wurden. Die Auswertungskriterien<br />

wurden, wie <strong>von</strong> Mayr<strong>in</strong>g (2005, S. 74) beschrieben, deduktiv, also<br />

32


theoriegeleitet erarbeitet. Die Ergebnisse dieses Analyseschrittes f<strong>in</strong>den sich im Kapitel<br />

„Beschreibungen Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit“.<br />

Im dritten und letzten Schritt, <strong>der</strong> vergleichenden Systematisierung, wurden die<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> kontrollierten Interpretationen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interviews<br />

zusammengeführt und dabei wurden Muster <strong>in</strong> den Ergebnissen herausgearbeitet. Die<br />

Ergebnisse dieser vergleichenden Systematisierung f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zusammenfassung des Kapitels „Beschreibungen Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit“.<br />

Auswertung Gruppendiskussion<br />

Die Analyse <strong>der</strong> Gruppendiskussion erfolgte <strong>in</strong> zwei Schritten. Der erste Analyseschritt<br />

war, analog zur kontrollierten Interpretation <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews, die Auswertung <strong>der</strong><br />

Ergebnisse anhand <strong>der</strong> def<strong>in</strong>ierten Auswertungskriterien.<br />

Im folgenden zweiten Schritt wurde die Gruppendiskussion unter dem Aspekt des<br />

‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ untersucht. Es wurden anhand dieses Modells verschiedene<br />

<strong>Konstruktion</strong>sprozesse <strong>von</strong> Männlichkeit beschrieben. Die bereits zusammengefügten<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> beiden Analyseschritte f<strong>in</strong>den sich im Kapitel „<strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong><br />

Männlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit“.<br />

Auswertungskriterien<br />

Wie bereits erwähnt, wurden die e<strong>in</strong>zelnen Auswertungskriterien deduktiv erarbeitet,<br />

das heißt anhand bisheriger Forschungsergebnisse. Die ersten sechs Kriterien:<br />

Strukturelle und praktische Arbeit, Zugang zu Ressourcen, Leitbil<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen<br />

Arbeit, Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache / Fachterm<strong>in</strong>i, Angeborene Eigenschaften und<br />

erlernte Kompetenzen und Arbeitszuschreibungen wurden durch Literaturarbeit und –<br />

recherche def<strong>in</strong>iert und, verknüpft mit <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Sozialarbeit, an das Feld <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit angepasst.<br />

Das siebente und letzte, im folgenden Abschnitt beschriebene, Auswertungskriterium<br />

‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ nimmt e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>position e<strong>in</strong>. Dieses Kriterium dient nur zur<br />

Auswertung <strong>der</strong> Gruppendiskussion, nicht zur Auswertung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews.<br />

33


Strukturelle und praktische Arbeit<br />

Um e<strong>in</strong>en gen<strong>der</strong>spezifischen Unterschied zwischen struktureller und praktischer Arbeit<br />

auf sozialarbeiterischer Ebene festzumachen, muss die Entstehungsgeschichte <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit herangezogen werden. Die soziale Arbeit ist schon seit Beg<strong>in</strong>n ihrer<br />

mo<strong>der</strong>nen Ausformung <strong>von</strong> männlichen wie weiblichen E<strong>in</strong>flüssen geprägt. Als<br />

Beispiele dafür, wie diese Prägungen ausgesehen haben, werden hier das Elberfel<strong>der</strong>-<br />

System (1853), die Charity Organisation Society (1877) und die Arbeit <strong>von</strong> Alice<br />

Salomon, <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Sozialen Frauenschule <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (1908), zugrunde<br />

gelegt.<br />

Zum besseren Verständnis <strong>der</strong> Ausgangslage <strong>der</strong> Sozialarbeit muss noch erläutert<br />

werden, dass Frauen <strong>in</strong> Österreich erst ab dem späten 19. Jahrhun<strong>der</strong>t Zugang zu<br />

Studien 2 hatten und am 16. Februar 1919 erstmals zur Wahl <strong>der</strong> Nationalversammlung<br />

mit aktivem und passivem Wahlrecht zugelassen waren. In Deutschland war die<br />

Situation <strong>der</strong> Frauen, was die Zulassung zu Studien und das Wahlrecht betraf, ähnlich.<br />

"Der Zugang zu öffentlichen Ämtern war Frauen ebenso verschlossen wie die<br />

Ausübung <strong>von</strong> Berufen (z.B.: als Ärzt<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Jurist<strong>in</strong>) <strong>in</strong> öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen.<br />

Entsprechend war auch <strong>der</strong> Bereich staatlich o<strong>der</strong> kommunal organisierter sozialer<br />

Tätigkeit grundsätzlich den durch das öffentliche Recht sanktionierten Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong><br />

Segregation <strong>der</strong> Geschlechter unterworfen - und das hieß: Ausgrenzung <strong>von</strong> Frauen."<br />

(Her<strong>in</strong>g 2006)<br />

E<strong>in</strong>e Grenze zwischen männlicher und weiblicher Prägung kann also zwischen dem<br />

öffentlichen und dem privaten Sektor <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen Arbeit gesetzt werden. Als<br />

Beispiel für den öffentlichen Sektor kann das 1853 <strong>in</strong> Elberfeld - e<strong>in</strong>em heutigen<br />

Stadtteil <strong>von</strong> Wuppertal - e<strong>in</strong>geführte Elberfel<strong>der</strong> System genannt werden. Dieses<br />

System, das sich aufgrund <strong>von</strong> E<strong>in</strong>sparungseffekten schnell verbreitete, basierte auf<br />

Ehrenamtlichkeit, Individualisierung, Dezentralisierung und <strong>der</strong> Vermeidung <strong>von</strong><br />

Dauerleistungen. So wurden jedem Armenpfleger, <strong>der</strong> ehrenamtlich arbeitete, maximal<br />

2<br />

Ab 1897 wurden Frauen zu Studien an philosophischen Fakultäten zugelassen, 1900<br />

wurden die mediz<strong>in</strong>ischen Fakultäten für Frauen geöffnet, und erst 1919 erhielten<br />

Frauen Zutritt zu fast allen Fakultäten.<br />

34


vier Familien zur Betreuung zugesprochen. Die Stadt war aufgeteilt <strong>in</strong> Bezirke, denen<br />

jeweils e<strong>in</strong> ehrenamtlicher Vorsteher zugewiesen war; wobei die Bezirke <strong>in</strong> Quartiere<br />

mit je e<strong>in</strong>em Armenpfleger unterteilt waren. Diese Armenpfleger hatten sich e<strong>in</strong> Bild<br />

<strong>von</strong> den Lebensumständen <strong>der</strong> Hilfsbedürftigen zu machen und <strong>in</strong> 14-tägigen<br />

Bezirksversammlungen wurde über Art und Umfang <strong>von</strong> Hilfeleistungen abgestimmt.<br />

Die ehrenamtliche Funktion des Armenpflegers war aufgrund <strong>der</strong> Öffentlichkeit dieses<br />

Amtes Männern vorenthalten. Die gesamte Durchführung und Verteilung <strong>von</strong><br />

Hilfsgütern und f<strong>in</strong>anziellen Mitteln lag also <strong>in</strong> männlicher Hand.<br />

Im Gegensatz dazu entwickelten sich ab 1877 Systeme am privaten Sektor.<br />

Charakteristisch für diese Systeme war, dass <strong>der</strong> Fokus nicht mehr re<strong>in</strong> auf <strong>der</strong><br />

Verteilung materieller o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzieller Hilfsgüter lag, son<strong>der</strong>n das Augenmerk mehr<br />

auf die direkte Betreuung <strong>der</strong> hilfsbedürftigen Personen gelegt wurde. Die erste Charity<br />

Organisation Society (COS) wurde 1877 <strong>in</strong> Buffalo gegründet.<br />

„Sie war nicht als e<strong>in</strong>e zusätzliche Wohlfahrtsagentur zur wahllosen<br />

Verteilung mil<strong>der</strong> Gaben an unverschuldet <strong>in</strong> wirtschaftliche Not geratene<br />

Bürger gedacht, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>e Clear<strong>in</strong>gstelle, um e<strong>in</strong>erseits die<br />

Hilfesuchenden zu registrieren und ihre <strong>in</strong>dividuellen Lebensverhältnisse zu<br />

untersuchen und um an<strong>der</strong>erseits die privaten und kommunalen<br />

Hilfemöglichkeiten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de aufzulisten und die Hilfesuchenden nach<br />

Feststellung ihrer wirklichen Hilfsbedürftigkeit an die passenden Wohltäter<br />

zu vermitteln. Oberstes Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> „COS“ als kommunaler Clear<strong>in</strong>gstelle<br />

war es also, zu ermitteln und zu vermitteln, aber selbst ke<strong>in</strong>e Almosen zu<br />

verteilen“ (Müller 1988, S. 110 zitiert nach Puch 2005, S. 10).<br />

Der Übergang <strong>von</strong> struktureller zu eher praktischer Arbeit ist durch die Struktur <strong>der</strong><br />

COS klar zu erkennen. Die Belegschaft bestand e<strong>in</strong>erseits aus friendly visitors - <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel Frauen, die ehrenamtlich hilfsbedürftige Familien betreuten. Ihre Aufgabe<br />

bestand dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e persönliche Vertrauensbeziehung aufzubauen und "Ratschläge zur<br />

persönlichen Haushaltsführung, <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung, dem Eheleben und vieles mehr zu<br />

geben" (Puch 2005, S. 11). An<strong>der</strong>erseits wurden <strong>von</strong> <strong>der</strong> COS hauptberufliche<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen beschäftigt, die die Aufgabe hatten, mit <strong>der</strong> kommunalen Verwaltung<br />

und an<strong>der</strong>en privaten Wohlfahrtsorganisationen zusammen zu arbeiten.<br />

35


Im System <strong>der</strong> COS wurde ke<strong>in</strong>e direkte Entscheidung über f<strong>in</strong>anzielle o<strong>der</strong> materielle<br />

Hilfsgüter getroffen. Es g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>erseits um <strong>in</strong>tensivere persönliche Betreuung und<br />

an<strong>der</strong>erseits um Weitervermittlung an Stellen <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung, die zu jener<br />

Zeit immer noch männlich besetzt waren und welche dann die f<strong>in</strong>anziellen<br />

Entscheidungen trafen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund, weshalb die praktische Arbeit - o<strong>der</strong> direkte Klientenarbeit - mit<br />

weiblicher Sorge <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht wird, kann im E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Frauenbewegung,<br />

vor allem zwischen 1860 und 1920, gesehen werden. Zu dieser Zeit gab es zum e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong> immer größer werdendes Bedürfnis <strong>der</strong> Frauen zu arbeiten, zum an<strong>der</strong>en wuchs<br />

auch die gesellschaftliche Notwendigkeit für Ausbildung und Berufstätigkeit <strong>der</strong> Frauen.<br />

"Diese ‚Frauenbewegung’ war überzeugt, dass sich Frauen qua Geschlecht beson<strong>der</strong>s<br />

für diese Aufgaben eignen. Die grundlegende Befähigung zur Sorge br<strong>in</strong>gen Frauen laut<br />

dieser Setzung durch die ihnen zugeschriebene Mütterlichkeit und den guten Willen, zu<br />

helfen, mit." (Feldhoff 2006, S33). Dieser E<strong>in</strong>stellung liegt das arbeitssoziologische<br />

Konzept des weiblichen Arbeitsvermögens zu Grunde, das im Kapitel „Weibliche<br />

Leitbil<strong>der</strong>“ näher erläutert wird. Basierend auf dieser Grundannahme gründete Alice<br />

Salomon 1908 die "Erste Soziale Frauenschule" <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, wodurch sie die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Sozialarbeit - vor allem im deutschsprachigen Raum - entscheidend mitprägte und<br />

dazu beitrug, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge weitere Frauenschulen entstanden. Im Jahre 1933 gab es<br />

39 soziale Frauenschulen, <strong>der</strong>en Schüler<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>en Abschluss als Wohlfahrtspfleger<strong>in</strong>nen<br />

erhielten. Zur gleichen Zeit gab es neun Ausbildungsstätten speziell für<br />

Männer, <strong>der</strong>en Absolventen als "Wohlfahrtspfleger und Sozialbeamte" abschlossen.<br />

Auch <strong>in</strong> diesen Berufsbezeichnungen spiegelt sich die Teilung <strong>in</strong> strukturelle Arbeit<br />

(durch den Zusatzbegriff des Beamten) und praktische Arbeit (durch den alle<strong>in</strong>igen<br />

Arbeitsbegriff <strong>der</strong> Pfleger<strong>in</strong>) wi<strong>der</strong>.<br />

Dieser gen<strong>der</strong>spezifische Unterschied wird auch heute noch teilweise <strong>in</strong><br />

Stellenanfor<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Ausschreibungen sichtbar. So werden Aufgaben- und<br />

Tätigkeitsbereiche e<strong>in</strong>zelner Arbeitsstellen oft so def<strong>in</strong>iert, dass sie auf e<strong>in</strong> Geschlecht<br />

determ<strong>in</strong>ieren. Zum Beispiel "s<strong>in</strong>d viele typische Frauenarbeitsplätze so zugeschnitten,<br />

dass entwe<strong>der</strong> die Art <strong>der</strong> notwendigen Kooperation mit an<strong>der</strong>en Arbeitsplätzen<br />

und/o<strong>der</strong> die Art <strong>der</strong> Kundenbeziehungen extrafunktionale Qualifikationen erfor<strong>der</strong>lich<br />

macht, die ausschließlich o<strong>der</strong> überwiegend <strong>von</strong> Frauen erwartet werden" (We<strong>in</strong>bach<br />

36


2004). Diese Aufgabe <strong>der</strong> KundInnen- beziehungsweise KlientInnenbeziehungen s<strong>in</strong>d<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit gegeben.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die For<strong>der</strong>ung Kerst<strong>in</strong> Feldhoffs, dass "die<br />

geschlechtstypisch konstruierten Gegensätze <strong>von</strong> "weiblicher Sorge" und "männlichem<br />

Management“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen Arbeit [...] endlich aufgelöst werden [müssen]" (Feldhoff<br />

2006) nicht nur dah<strong>in</strong>gehend verstanden werden sollte, dass es e<strong>in</strong> Gen<strong>der</strong>-<br />

Ungleichgewicht zwischen Leitungspositionen und hierarchisch niedrigeren Funktionen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit gibt, son<strong>der</strong>n dass dieser konstruierte Gegensatz überhaupt erst e<strong>in</strong>er<br />

<strong>der</strong> Gründe dafür ist, dass die Sozialarbeit, und <strong>in</strong> Folge auch die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit,<br />

heute immer noch e<strong>in</strong> stark frauendom<strong>in</strong>iertes Berufsfeld ist.<br />

Zugang zu Ressourcen<br />

Der Zugang zu Ressourcen ist am Arbeitsmarkt nicht egalitär auf die Geschlechter<br />

aufgeteilt. Dies zeigt sich auf zwei unterschiedliche Arten. Zum e<strong>in</strong>en besteht e<strong>in</strong><br />

Ungleichgewicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bezahlung <strong>von</strong> Frauen und Männern und zum an<strong>der</strong>en gelangen<br />

Frauen nur sehr schwer durch die gläserne Decke <strong>in</strong> Positionen, die hierarchisch über<br />

dem mittleren Management angesiedelt s<strong>in</strong>d. Dadurch ist <strong>der</strong> Zugang zu f<strong>in</strong>anziellen<br />

Mitteln, und vor allem <strong>der</strong>en Verwaltung, auch heute noch e<strong>in</strong> Indiz für<br />

männerdom<strong>in</strong>ierte Berufe.<br />

Österreich liegt, was den Gen<strong>der</strong> Pay Gap 3 anbelangt, im Europäischen Mittelfeld. Im<br />

EU-25 Durchschnitt wird e<strong>in</strong> Lohnunterschied <strong>von</strong> 15% errechnet. In Österreich stieg<br />

<strong>der</strong> Gen<strong>der</strong> Pay Gap zwischen den Jahren 2003 und 2005 <strong>von</strong> 17% auf 18% an (Statistik<br />

Austria 2007, S. 42). Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer und dieser<br />

Unterschied ist über die Jahre konstant geblieben. Neben dem ger<strong>in</strong>geren Verdienst <strong>von</strong><br />

Frauen geht auch die Verteilung <strong>der</strong> unbezahlten Haus- bzw. Reproduktionsarbeit (vgl.<br />

Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache / Fachterm<strong>in</strong>i) zu Lasten <strong>der</strong> Frauen.<br />

Komplementär zur ungleichen Verteilung <strong>der</strong> Erwerbsarbeit zwischen<br />

Vätern und Müttern gestaltet sich die Verteilung <strong>der</strong> unbezahlten Arbeit <strong>in</strong><br />

3 Durch den, <strong>von</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union festgelegten Struktur<strong>in</strong>dikator, „Gen<strong>der</strong> Pay Gap“<br />

werden E<strong>in</strong>kommensunterschiede zwischen Frauen und Männern auf Basis <strong>von</strong> Brutto-<br />

Stundenlöhnen dargestellt. Der Indikator ist def<strong>in</strong>iert als Prozentsatz, um den Frauen pro<br />

Arbeitsstunde brutto weniger verdienen als Männer.<br />

37


Haushalt und K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung. Zwar hat sich zwischen den Geschlechtern<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren e<strong>in</strong>e sukzessive Annäherung beim Umfang <strong>der</strong><br />

unbezahlten Arbeit vollzogen. Aber noch immer erbr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Frauen das Gros <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> Haushalt, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung/-betreuung sowie<br />

Pflege <strong>von</strong> Angehörigen, und Putzen, Bügeln, Wäsche waschen o<strong>der</strong> auch<br />

Kochen verbleiben vorrangig ihre Aufgaben. (Rohle<strong>der</strong> 2006)<br />

Der Zugang zu f<strong>in</strong>anziellen Mitteln gestaltet sich für Frauen demnach schwieriger als<br />

für Männer. Als Erklärungsmöglichkeit hierfür kann das Ernährermodell <strong>von</strong> Jane<br />

Lewis und Ilona Ostner herangezogen werden. Dieses Modell beschreibt die Struktur<br />

<strong>von</strong> Wohlfahrtsstaaten, die durch e<strong>in</strong>e Verteilung <strong>der</strong> Erwerbs- und Reproduktionsarbeit<br />

gekennzeichnet ist und darauf beruht, dass die f<strong>in</strong>anzielle und soziale Absicherung <strong>der</strong><br />

Frau vorwiegend über ihren erwerbstätigen männlichen Partner organisiert wird.<br />

Österreich fällt <strong>in</strong> die Kategorie des „starken Ernährermodells“ wodurch erkennbar wird,<br />

warum im traditionellen Familien- und Frauenbild unserer Gesellschaft Frauen nicht<br />

primär mit Erwerbsarbeit <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden, son<strong>der</strong>n als erstes mit<br />

(unbezahlter) Haus- und Erziehungsarbeit.<br />

Neben den Gehaltsunterschieden zwischen Frauen und Männern kann auch noch e<strong>in</strong><br />

Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bezahlung <strong>von</strong> frauendom<strong>in</strong>ierten und männerdom<strong>in</strong>ierten Berufen<br />

festgestellt werden. Dieser Unterschied ist begründet <strong>in</strong> <strong>der</strong> diskrim<strong>in</strong>ierenden<br />

Arbeitsbewertung. Der ger<strong>in</strong>ge soziale Status <strong>von</strong> frauendom<strong>in</strong>ierten Berufen spiegelt<br />

sich so <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsbewertung und <strong>in</strong> weiterer Folge <strong>in</strong> ausgehandelten Tarifverträgen<br />

wi<strong>der</strong>. „Als typisch weiblich geltende Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>es Berufs wie z.B. soziale<br />

Kompetenz werden nicht bzw. ger<strong>in</strong>ger bewertet als Voraussetzungen wie z.B.<br />

Verantwortung, die eher Männern zugeschrieben werden.“ (Feldhoff 2009)<br />

Der Zugang zur Verwaltung <strong>von</strong> f<strong>in</strong>anziellen Mitteln wird Frauen durch die Existenz<br />

<strong>der</strong> gläsernen Decke erschwert. Der Begriff <strong>der</strong> gläsernen Decke wurde <strong>in</strong> den 1980er<br />

Jahren <strong>in</strong> den USA geprägt und beschreibt das Phänomen, dass Frauen - obwohl gleich<br />

qualifiziert wie ihre männlichen Berufskollegen - oft nicht über das mittlere<br />

Management <strong>in</strong> Firmen h<strong>in</strong>auskommen. 2006 wurde die Existenz dieses Phänomens<br />

erneut, o<strong>der</strong> besser noch immer, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternationalen Studie bewiesen. An <strong>der</strong> Studie<br />

„The Anatomy of the Glass Ceil<strong>in</strong>g - Barriers to Women‘s Professional<br />

Advancement“ nahmen auch Österreichische Unternehmen teil. Die österreichischen<br />

38


Ergebnisse dieser Studie lieferten e<strong>in</strong> ernüchterndes Ergebnis. Unter allen<br />

teilnehmenden Staaten war die gläserne Decke <strong>in</strong> österreichischen Unternehmungen am<br />

stärksten sichtbar und spürbar.<br />

„Female executives <strong>in</strong> Austria feel discrim<strong>in</strong>ated aga<strong>in</strong>st <strong>in</strong> their overall<br />

career paths. [...] Even women who have demonstrated professional<br />

management of crisis situations have not achieved the same career<br />

progression as male executives, despite the fact that women are called on<br />

more often to firefight critical situations. [...] With<strong>in</strong> the society dimension,<br />

female executives do not feel that they have equal career opportunities and<br />

believe they have less <strong>in</strong>fluence on decision-mak<strong>in</strong>g processes then men.“<br />

(Accenture 2006)<br />

Laut dieser Studie s<strong>in</strong>d 13% <strong>der</strong> Führungskräfte <strong>der</strong> teilnehmenden österreichischen<br />

Unternehmen weiblich. Dieser Trend ist auch im Bereich <strong>der</strong> sozialen Arbeit zu sehen,<br />

auch hier gibt es e<strong>in</strong>e erhebliche Unterrepräsentanz <strong>von</strong> Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen<br />

(Feldhoff 2006, S. 51). Die Verwaltung f<strong>in</strong>anzieller Mittel, welche hauptsächlich <strong>in</strong> den<br />

Führungsebenen <strong>von</strong> Unternehmungen gebunden ist, liegt also großteils <strong>in</strong> männlicher<br />

Hand.<br />

Die Gen<strong>der</strong>relevanz des Kriteriums „Zugang zu Ressourcen“ beruht auf zwei Punkten,<br />

die <strong>in</strong> den Interviews angesprochen wurden.<br />

(1) Durch Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen bed<strong>in</strong>gen sich auch<br />

Gehaltsunterschiede zwischen frauendom<strong>in</strong>ierten und männerdom<strong>in</strong>ierten<br />

Berufen. Das Thema Gehalt wurde <strong>in</strong> den durchgeführten Interviews <strong>von</strong> den<br />

befragten Personen <strong>von</strong> selbst angesprochen.<br />

(2) Die Verwaltung <strong>von</strong> f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen spricht für e<strong>in</strong>e männerdom<strong>in</strong>ierte<br />

Berufssparte, beziehungsweise e<strong>in</strong>e männerdom<strong>in</strong>ierte hierarchische Position.<br />

Die diesbezügliche Fragestellung bei den Interviews lautete, ob die befragten<br />

Personen glauben, dass es e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziellen Topf gäbe, den <strong>der</strong> Sozialdienst <strong>der</strong><br />

<strong>LSF</strong> verwaltet.<br />

Leitbil<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen Arbeit<br />

Wenn man über bestimmte Personengruppen – im vorliegenden Fall über<br />

Berufsgruppen – spricht, so wird oft mit Stereotypen o<strong>der</strong> Leitbil<strong>der</strong>n gearbeitet. Es<br />

39


haben sich seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> sozialen Arbeit e<strong>in</strong>ige männliche wie auch weibliche<br />

Leitbil<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit herauskristallisiert, die hier kurz umrissen werden, um bei<br />

<strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Interviews e<strong>in</strong>e klare Zuordnung zu ermöglichen.<br />

Weibliche Leitbil<strong>der</strong><br />

Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur beschriebenen weiblichen Leitbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit folgen<br />

allesamt dem arbeitssoziologischen Konzept des „weiblichen Arbeitsvermögens“ das <strong>in</strong><br />

den 1980er Jahren <strong>von</strong> Elisabeth Beck-Gernsheim entwickelt wurde. Sie g<strong>in</strong>g da<strong>von</strong> aus,<br />

dass Mädchen und Frauen durch Sozialisationsprozesse e<strong>in</strong>e „spezifisch weibliche<br />

Kultur“ erlernen und sich dabei <strong>in</strong> hohem Maße soziale Kompetenzen, Fürsorge für<br />

an<strong>der</strong>e und Zuständigkeit für familiäre Arbeit aneignen. „Dieses [weibliche<br />

Arbeitsvermögen] bestimme die Berufswahl, <strong>in</strong> <strong>der</strong> hausarbeitsnahe, soziale<br />

erzieherische und pflegerische Berufe dom<strong>in</strong>ieren. Außerdem präge es die Inhalte des<br />

gewählten Berufes und die berufliche Praxis, z.B. e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />

Aufstiegsorientierung.“ (Feldhoff 2006, S. 39). Heute ist dieses Modell sehr umstritten,<br />

weil sich die Erwerbsarbeit <strong>von</strong> Frauen nicht auf das „weibliche<br />

Arbeitsvermögen“ beschränken lässt; dies gilt für damals genauso wie für heute.<br />

Dennoch hat diese weit verbreitete E<strong>in</strong>stellung die Prägung <strong>der</strong> weiblichen Leitbil<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozialarbeit bee<strong>in</strong>flusst und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e familiäre Richtung gesteuert. So verorten sich<br />

die Leitbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mutter, <strong>der</strong> Schwester, <strong>der</strong> Geistigen Mutter, <strong>der</strong> Neuen Schwester<br />

und <strong>der</strong> Hausfrau alle im familiären bzw. häuslichen Umfeld.<br />

Leitbild <strong>der</strong> Mutter<br />

Wie schon öfters erwähnt, wird die Sozialarbeit mit e<strong>in</strong>er den Frauen als naturgegeben,<br />

konstatierten Mütterlichkeit <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht. Lothar Böhnisch und Heide Funk<br />

beschreiben die Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Sozialarbeit und Mütterlichkeit folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Mütterlichkeit ist e<strong>in</strong>e zentrale Figur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Pädagogik und<br />

Sozialarbeit. Sie gilt als Grundkategorie erzieherischen und fürsorglichen<br />

Handelns, und es wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Pädagogik und Sozialarbeit<br />

immer wie<strong>der</strong> versucht, dieses Konstrukt, das aus <strong>der</strong> Intimsphäre <strong>der</strong><br />

Familie stammt, gesellschaftlich und öffentlich zu transformieren.“<br />

(Böhnisch, Funk 2002, S. 55)<br />

40


Durch das Bild <strong>der</strong> Mutter wird auch die Form <strong>der</strong> Beziehung zu den KlientInnen<br />

beschrieben, es wird e<strong>in</strong>e Mutter-K<strong>in</strong>d-Beziehung festgelegt, die durch (Für-)Sorge und<br />

Mutterliebe bestimmt ist. Die auf diese Weise beschriebene Beziehung zwischen<br />

SozialarbeiterIn und KlientIn basiert auf e<strong>in</strong>er emotionalen Ebene, welche die Frauen<br />

„naturgegeben“ ist.<br />

Leitbild <strong>der</strong> Geistigen Mutter<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Geistigen Mutter wurde 1860 <strong>von</strong> Henriette Schrade-Breymann geprägt.<br />

Zu dieser Zeit kam es zu e<strong>in</strong>er vermehrten Loslösung erzieherischer und fürsorglicher<br />

Tätigkeiten heraus aus <strong>der</strong> familiären <strong>in</strong> die öffentliche Sphäre. Dadurch war <strong>der</strong> Begriff<br />

<strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Mütterlichkeit o<strong>der</strong> Mutter nicht mehr passend. Die Transformation<br />

mütterlicher Tätigkeiten <strong>in</strong> öffentliche Aufgaben wurde sprachlich mit dem Zusatz <strong>der</strong><br />

Geistigkeit vollzogen.<br />

In weiterer Folge verwendete Alice Salomon diesen Begriff auch als sie 1908 die Erste<br />

Soziale Frauenschule <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gründete. Der Unterschied zum Leitbild <strong>der</strong> Mutter liegt<br />

<strong>in</strong> Arbeits- und Lebensumständen <strong>der</strong> Frauen begründet. Die mit dem Leitbild <strong>der</strong><br />

Mutter verbundenen Eigenschaften bleiben zwar erhalten, jedoch sollte die beruflich<br />

arbeitende Erzieher<strong>in</strong>, im Gegensatz zur „ehrenamtlichen Mutter“ e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

haben und <strong>in</strong>stitutionell gebunden se<strong>in</strong>.<br />

Leitbild <strong>der</strong> Schwester<br />

Das Leitbild <strong>der</strong> Schwester zeichnet sich durch e<strong>in</strong>e strenge E<strong>in</strong>gebundenheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Hierarchie aus. Die Schwester arbeitet – teilweise mit Ausbildung – aber immer unter<br />

Anleitung und ist somit <strong>in</strong>stitutionell gebunden. Meistens arbeitet sie <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen,<br />

<strong>der</strong>en fachliche Führung Ärzten o<strong>der</strong> Geistlichen unterliegt.<br />

Leitbild <strong>der</strong> Neuen Schwester<br />

In den 1970er und 1980er Jahren wurde das Leitbild <strong>der</strong> Schwester durch die<br />

Frauenbewegung <strong>in</strong> abgewandelter Form wie<strong>der</strong> populär. Die Neue Schwester<br />

entstammt dem „Wir-Gefühl“ <strong>der</strong> neuen Frauenbewegung: „’sisterhood is good!’ die<br />

jungen Frauen, die <strong>in</strong> den 1970er Jahren damit begonnen haben, Frauenhäuser,<br />

Notrufgruppen und Beratungsstellen zu gründen, wollten ke<strong>in</strong>esfalls dem<br />

Mütterlichkeitsmythos vorausgegangener Generationen verfallen. […] Der Begriff <strong>der</strong><br />

41


Schwesterlichkeit steht bei ihnen für die Nähe zwischen <strong>der</strong> Helfer<strong>in</strong> und den <strong>in</strong> Not<br />

geratenen Frauen, [und] für die Solidarität, die zwischen ihnen hergestellt<br />

wird…“ (Her<strong>in</strong>g 2006)<br />

Leitbild <strong>der</strong> Hausfrau<br />

Das Leitbild <strong>der</strong> Hausfrau wurde nie als positive Selbstidentifikation genutzt. Gerade im<br />

Bereich <strong>der</strong> sozialen Arbeit werden aber, durch sozialarbeiterische Tätigkeiten und<br />

Aufgabengebiete, oft Parallelen zwischen Hausarbeit und „professioneller<br />

Hausarbeit“ gezogen – also wenn Hausarbeitstätigkeiten für o<strong>der</strong> mit KlientInnen<br />

erledigt werden. „Hausarbeit umfasst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptsache die physische und psychische<br />

Wie<strong>der</strong>herstellung und Sozialisation <strong>der</strong> Arbeitskraft, das heißt die leibliche Versorgung<br />

<strong>von</strong> Mann und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (materielle Hausarbeit) und die Befriedigung ihrer emotionalen<br />

Bedürfnisse (Gefühlsarbeit). Wenn soziale Arbeit subsidiär Arbeitsaufgaben <strong>der</strong> Familie<br />

erfüllen soll, muss sie notwendigerweise Elemente <strong>der</strong> Hausarbeit enthalten (Riemann<br />

1985, S. 5).<br />

Männliche Leitbil<strong>der</strong><br />

Im Gegensatz zu den weiblichen Leitbil<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit, gibt es <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

männlichen Pendants sehr wenig wissenschaftliche Arbeiten. Es wurden e<strong>in</strong>ige<br />

Versuche unternommen, um Männer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit zu beschreiben und zu<br />

def<strong>in</strong>ieren, allerd<strong>in</strong>gs setzte sich ke<strong>in</strong>er dieser Begriffe so stark durch wie beispielsweise<br />

das Bild <strong>der</strong> Mutter, mit dem Sozialarbeit so oft komb<strong>in</strong>iert wird. Im folgenden werden<br />

die Bil<strong>der</strong>, beziehungsweise Begriffe, des Ritters, des Anwalts, des Feuerwehrmannes<br />

und des (großen) Bru<strong>der</strong>s beschrieben, die <strong>in</strong> den durchgeführten Interviews<br />

angesprochen wurden.<br />

Leitbild des Ritters<br />

Das Leitbild des Ritters - o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Ritterlichkeit - wurde <strong>von</strong> Herman Nohl<br />

geprägt, <strong>der</strong> diesen Begriff <strong>der</strong> Geistigen Mütterlichkeit gegenüberstellen wollte.<br />

„Wie die geistige Mütterlichkeit, vermag auch diese Ritterlichkeit <strong>in</strong> jedes<br />

Lebensverhältnis mite<strong>in</strong>zugehen und den ganzen Kampf des Lebens zu<br />

durchwirken, im großen wie im kle<strong>in</strong>sten. Solche Ritterlichkeit enthält e<strong>in</strong>e<br />

Fülle <strong>von</strong> Momenten: das aktive E<strong>in</strong>setzen <strong>der</strong> Person für das Ganze, die<br />

42


Bereitschaft zur Führung und vor allem e<strong>in</strong>e ganz bestimmte<br />

charakterisierte helfende und sorgende Haltung gegenüber dem Schwachen,<br />

die <strong>in</strong> ihm immer den selbständigen Menschen respektiert und sich auch <strong>in</strong><br />

Ehrerbietung vor dem Gegner und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schonung noch des Besiegten<br />

äußert.“ (Nohl 1949 zitiert nach Dudek 1988, S. 65)<br />

Im Vergleich zur Mütterlichkeit wird hier e<strong>in</strong>e gänzlich an<strong>der</strong>e Beziehungskonstellation<br />

zwischen HelferIn und KlientIn dargestellt. Diese basiert nicht auf (mütterlicher) Liebe,<br />

son<strong>der</strong>n darauf, dass KlientInnen immer als „selbständige Menschen“ gesehen und mit<br />

„Ehrerbietung“ behandelt werden. Die Frauen <strong>von</strong> Natur aus zugesprochene Liebe und<br />

Fürsorge wird im männlichen Pendant als e<strong>in</strong>e helfende Haltung gegenüber den<br />

Schwachen übersetzt, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit KlientInnen zeigt. Die Ähnlichkeit zur<br />

Mütterlichkeit zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allzuständigkeit des Ritters und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sorge um die<br />

Schwachen, die se<strong>in</strong>er Obhut überlassen s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Beziehung aus <strong>der</strong><br />

Struktur <strong>der</strong> Familie gelöst und zu e<strong>in</strong>er professionellen Beziehung geworden.<br />

Leitbild des Anwalts<br />

Das Leitbild des Anwalts entstand aus <strong>der</strong> Arbeit mit Jugendlichen. Der pädagogische<br />

Ansatz <strong>der</strong> 1970er Jahren fußte vor allem darauf, Jugendgruppen und Jugendkulturen<br />

Möglichkeiten zur Mitsprache und Mitbestimmung ihrer eigenen Lebensumwelt zu<br />

geben. Diese Anwaltstätigkeit formulierte Helmut Hartwig folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

Jugendkultur und Jugendästhetik brauchen Räume, Orte, Unterstützungen,<br />

Szenen, Milieus, Atmosphären und auch symbolisches Material für eigene<br />

selbstmotivierte und selbstdef<strong>in</strong>ierte kulturell-ästhetische Praxis. Es geht um<br />

die Chancen [...] die allerd<strong>in</strong>gs nicht im <strong>in</strong>dividuell-privaten verbleibt,<br />

son<strong>der</strong>n zum<strong>in</strong>dest auf <strong>der</strong> kommunalen Ebene Anteil, Teilhabe am und<br />

E<strong>in</strong>mischchance <strong>in</strong> das jeweilige kulturelle Leben und urbane Gesamtmilieu<br />

ermöglicht. Dies ist auch <strong>in</strong>stitutionell rahmensichernd Auftrag und<br />

Aufgabe e<strong>in</strong>er Kulturpädagogik <strong>in</strong> Interesse und als Anwalt eigenständiger<br />

Jugendkulturen...“<br />

Der Anwalt spiegelt also e<strong>in</strong>e Art <strong>der</strong> Sozialarbeit wi<strong>der</strong>, die stellvertretend für an<strong>der</strong>e<br />

um Rechte kämpft, sich um Chancen <strong>der</strong> Teilhabe an e<strong>in</strong>em „normalen“ Leben<br />

43


kümmert und nicht mehr auf re<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividueller Ebene an Beziehung arbeitet, son<strong>der</strong>n<br />

die Arbeit auf kommunale Ebene ausweitet.<br />

Leitbild des Feuerwehrmannes<br />

Das Leitbild des Feuerwehrmannes entstand aus dem auch heute noch üblichen<br />

Vergleich zwischen Sozialarbeit und Feuerwehr. Angespielt wird durch diesen<br />

Vergleich auf den Teilbereich <strong>der</strong> Soforthilfe <strong>der</strong> Sozialarbeit. Wenn Sozialarbeit <strong>in</strong><br />

Situationen tätig wird <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Krise bereits akut ist, wird dieser Vergleich<br />

gezogen. So ist auch heute noch <strong>der</strong> Begriff des „Sozialen-Brennpunktes“ gebräuchlich<br />

- „E<strong>in</strong> Sprachgebrauch, den man <strong>in</strong>zwischen vermeidet, weil er e<strong>in</strong> Bild hervorruft, es<br />

handle sich um punktuelle Probleme, die man rasch mit <strong>der</strong> Feuerwehr löschen<br />

könnte“ (Kessl & Otto 2004, S. 253). In diesem Leitbild wird die Beziehung zwischen<br />

HelferIn und KlientIn nicht angesprochen, allerd<strong>in</strong>gs wird e<strong>in</strong>e Arbeitsweise dargestellt,<br />

die <strong>von</strong> Schnelligkeit geprägt ist und hauptsächlich <strong>in</strong> Krisensituationen zum E<strong>in</strong>satz<br />

kommt.<br />

Leitbild des Vaters<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Väterlichkeit wurde <strong>von</strong> Paul Frank propagiert, um <strong>der</strong> Mütterlichkeit<br />

e<strong>in</strong> männliches Gegenstück <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit zu liefern, das auf <strong>der</strong> gleichen Ebene arbeitet.<br />

Im Gegensatz zur Ritterlichkeit Nohls spricht Frank <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er „vorsorgend-führenden<br />

Väterlichkeit“ (vgl. Böhnisch & Schröer & Thiersch 2005, S. 50). Die<br />

Beziehungsstruktur zwischen HelferIn und KlientIn wird <strong>in</strong> diesem Bild also durch e<strong>in</strong>e<br />

Vater-K<strong>in</strong>d Beziehung def<strong>in</strong>iert. Die E<strong>in</strong>bettung <strong>der</strong> Beziehung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e familiäre<br />

Struktur folgt dem Beispiel <strong>der</strong> Mütterlichkeit, <strong>der</strong> Beziehungsfokus liegt aber nicht auf<br />

mütterlicher Liebe, son<strong>der</strong>n väterlicher Führung.<br />

Zusammenfassung<br />

Schon durch die Nomenklatur <strong>der</strong> weiblichen und männlichen Leitbil<strong>der</strong> lässt sich<br />

erneut <strong>der</strong> gen<strong>der</strong>spezifische Unterschied zwischen Erwerbs- und Reproduktionsarbeit<br />

festmachen. So f<strong>in</strong>det man unter den weiblichen Leitbil<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong>es, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur<br />

beschrieben und - aus dem Namen ersichtlich - e<strong>in</strong>em Beruf zugeordnet wäre;<br />

woh<strong>in</strong>gegen man unter den männlichen Leitbil<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Anwalt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Feuerwehrmann f<strong>in</strong>det. Alle weiblichen Leitbil<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d entwe<strong>der</strong> direkt <strong>der</strong><br />

44


Familienstruktur entnommen, o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d mit Hausarbeit verbunden. Auf männlicher<br />

Seite f<strong>in</strong>den sich nur zwei Leitbil<strong>der</strong> „aus <strong>der</strong> Familie“.<br />

Trotz dieser so unterschiedlichen Beschreibungen s<strong>in</strong>d emotionale HelferInnen-<br />

KlientInnen-Beziehungsbeschreibungen sowohl auf weiblicher wie auf männlicher Seite<br />

anzutreffen. Sab<strong>in</strong>e Her<strong>in</strong>g schreibt dazu, „dass es [...] signifikante Unterschiede gibt,<br />

dass sich aber ganz grundsätzlich <strong>in</strong> den weiblichen wie den männlichen Leitbil<strong>der</strong>n<br />

eher die Vielfalt und die Diffusität des Berufsfeldes wi<strong>der</strong>spiegeln, als e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />

geschlechtsspezifische Segregation.“ (Her<strong>in</strong>g 2006, S. 26)<br />

Auch wenn sich die geschlechtsspezifische Teilung <strong>von</strong> Tätigkeitsfel<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit nicht strikt nach diesen Leitbil<strong>der</strong>n richtet, so dient die Verwendung dieser<br />

Bil<strong>der</strong> und Begrifflichkeiten dennoch als gen<strong>der</strong>relevantes Kriterium <strong>von</strong><br />

Berufsbeschreibungen im Allgeme<strong>in</strong>en, da männliche wie weibliche Stereotype<br />

transportiert werden.<br />

Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache / Fachterm<strong>in</strong>i<br />

Die sprachliche Differenziertheit mit <strong>der</strong> Berufe beschrieben werden kann als Indiz für<br />

Männer- o<strong>der</strong> Frauendom<strong>in</strong>iertheit gewertet werden. Isolde Albrecht stellt <strong>in</strong> ihrem<br />

Buch „Sprache, Arbeit und geschlechtliche Identität“ folgende These auf: "Me<strong>in</strong>e These<br />

dazu lautet, dass die mo<strong>der</strong>ne Kultursprache für weiblich tradierte <strong>in</strong>terpersonale Arbeit<br />

nicht nur an<strong>der</strong>e, son<strong>der</strong>n auch unpräzisere Begriffe vorhält als für technisch<strong>in</strong>strumentelles<br />

Produzieren" (Albrecht 2008, S. 15). Wie die Unterteilung <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>terpersonale Arbeit und technisch-<strong>in</strong>strumentelles Produzieren entstanden ist und sich<br />

dies gen<strong>der</strong>relevant auf die sprachliche Beschreibung <strong>von</strong> Berufsgruppen auswirkt, wird<br />

hier <strong>in</strong> kurzen Zügen erläutert.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n sollte jedoch die geschichtliche Unterscheidung zwischen Arbeit und Beruf<br />

getroffen werden. In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Arbeit entstand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Renaissance e<strong>in</strong> Trend,<br />

<strong>der</strong> den Begriff <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> Erwerbsarbeit und Reproduktionsarbeit teilt, wobei aus <strong>der</strong><br />

Begrifflichkeit abgeleitet werden kann, dass Erwerbsarbeit mit dem heutigen<br />

Verständnis <strong>von</strong> Beruf gleich zu setzen ist. "Mit dem Bedeutungszuwachs<br />

handwerklicher Arbeit und <strong>der</strong> Ausweitung des Handels hat sich seit dem Aufkommen<br />

<strong>der</strong> neuzeitlichen Naturwissenschaften und Techniken e<strong>in</strong> Arbeits- und<br />

Rechtsverständnis herausgebildet, das produkterzeugende Arbeit als Ursache <strong>von</strong><br />

45


nationalem Reichtum, Eigentum und Recht ansieht" (vgl. Albrecht 2008, S. 27). Aus<br />

dieser E<strong>in</strong>stellung heraus entwickelte sich <strong>der</strong> "rationale, hervorbr<strong>in</strong>gende<br />

Subjektbegriff" (Albrecht 2008, S. 27) <strong>der</strong> Arbeit zur männlichen Kategorie.<br />

Letztendlich wurde dieser Subjektbegriff zu e<strong>in</strong>em männlichen Berufskonzept, das<br />

ausgezeichnet war durch Fähigkeiten, welche durch Ausbildung erworben wurden,<br />

sachliche Vernunft wie auch e<strong>in</strong>e systematisierte Methode (vgl. Mayer 1996 zitiert nach<br />

Albrecht 2008, S. 28). "Die Kehrseite dieser Entwicklung war die wissenschaftliche und<br />

literarische Generalisierung fürsorglicher sozialer Handlungsqualitäten als "natürliche"<br />

weibliche Fähigkeiten, die die sprachliche Referenz "typischer" Frauenarbeit bis heute<br />

dom<strong>in</strong>iert" (Albrecht 2008, S. 28).<br />

Es entstand also sehr früh e<strong>in</strong>e Differenzierung <strong>in</strong> zwei unterschiedliche Arbeitstypen,<br />

die e<strong>in</strong>erseits geschlechtlich belegt waren - männliche Erwerbsarbeit im Gegensatz zu<br />

weiblicher Reproduktionsarbeit - und an<strong>der</strong>erseits unterschiedliche<br />

Kompetenzanfor<strong>der</strong>ungen stellten. So waren für die Erwerbsarbeit Ausbildungen nötig<br />

und es fanden schon früh Professionalisierungsschritte statt, die zu e<strong>in</strong>em<br />

beschreibbaren methodischen Handeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit führten. In <strong>der</strong> Reproduktionsarbeit<br />

fand dieser Prozess nicht statt, da den Personen die die Reproduktionsarbeit<br />

durchführten - vornehmlich Frauen - die notwendigen Kompetenzen als naturgegeben<br />

zugeschrieben wurden. Diese Entwicklung mündete <strong>in</strong> die Unterscheidung <strong>von</strong><br />

"Männerberufen" und "Frauenberufen" auf folgen<strong>der</strong> Ebene: "Hervorgegangen aus e<strong>in</strong>er<br />

[...] Tradition handwerklicher und akademischer Institutionen, zeichnen sich die<br />

überwiegend handwerklichen o<strong>der</strong> naturwissenschaftlich-technischen Männerberufe<br />

durch vergleichsweise enge arbeitsteilige Schneidungen fachlicher Fähigkeiten sowie<br />

systematisierte Ausbildung und Methodenvermittlung aus.“ (Daheim & Schönbauer<br />

1993 zitiert nach Albrecht 2008 S. 14). "Personennahe Berufe h<strong>in</strong>gegen, darunter<br />

Sozial- und Erziehungsberufe, [...] die zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jhs. als Frauenberufe aus dem<br />

familialen Bereich auf den Arbeitsmarkt transferiert wurden, weisen ungleich ger<strong>in</strong>gere<br />

Spezialisierungen auf, s<strong>in</strong>d eher durch diffuse Ganzheitlichkeit charakterisiert" (vgl.<br />

Albrecht 2008, S. 14).<br />

Hier stoßen wir auf e<strong>in</strong>e weitere Unterscheidung <strong>von</strong> Arbeitstypen, welche sich auf die<br />

sprachliche Beschreibung nie<strong>der</strong>schlägt. Die Rede ist e<strong>in</strong>erseits <strong>von</strong> Arbeitsverfahren<br />

aus <strong>der</strong> tätigen Perspektive, an<strong>der</strong>erseits <strong>von</strong> <strong>in</strong>tersubjektiven Tätigkeiten. Zu beiden<br />

46


Arten gibt Isolde Albert typische Beispiele <strong>von</strong> beschreibenden Worten, die <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang verwendet werden. So wird die tätige Perspektive, bzw. <strong>der</strong><br />

hervorbr<strong>in</strong>gende Subjektbegriff mit Worten wie "exakt", "konstruieren",<br />

experimentieren" o<strong>der</strong> "operieren" beschrieben, während zur Beschreibung<br />

<strong>in</strong>tersubjektiver Tätigkeiten Worte wie "kümmern", "sorgen" o<strong>der</strong> "nähren" verwendet<br />

werden. Es ist zu erkennen, dass Begriffe, die <strong>der</strong> tätigen Perspektive zugeordnet<br />

werden, sich mit d<strong>in</strong>glichen Objekten beschäftigen und so nicht direkt auf<br />

<strong>in</strong>tersubjektive Tätigkeiten übertragen werden können. Zieht man hier e<strong>in</strong>e Parallele zur<br />

Sozialarbeit, so ist wenig so verpönt wie "die KlientInnen wie Objekte zu behandeln".<br />

Gerade durch die Beschäftigung mit an<strong>der</strong>en Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit wird viel Wert<br />

darauf gelegt, sprachlich eben ke<strong>in</strong>e objektivierenden Worte zu verwenden, was mit e<strong>in</strong><br />

Grund se<strong>in</strong> kann für e<strong>in</strong>e eher undifferenzierte Sprache <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschreibung <strong>von</strong><br />

Sozialarbeit im Allgeme<strong>in</strong>en und Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit im Speziellen.<br />

Da die Kompetenzen, die für die Reproduktionsarbeit notwendig s<strong>in</strong>d, vor allem Frauen<br />

als natürlich gegeben zugeschrieben werden, ist e<strong>in</strong>e systematische Methodik <strong>in</strong> diesen<br />

Arbeiten oftmals nicht erkennbar. In <strong>der</strong> Folge kann man die Beschreibung e<strong>in</strong>er<br />

"<strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiven Sozialarbeit", wie beispielsweise <strong>in</strong> folgendem Gesprächsausschnitt: "Und<br />

dann denk‘ ich, dass die sich die Krankengeschichte anschauen und mit den Patienten<br />

reden und dann e<strong>in</strong> G'spür dafür haben, wo <strong>der</strong> h<strong>in</strong>passen könnte..." (Int_w1, Z. 14)<br />

auch dah<strong>in</strong>gehend <strong>in</strong>terpretieren, dass e<strong>in</strong>e "Begriffs- und Gedankenlosigkeit" (Albrecht<br />

2008, S. 303) unterstellt wird. Hier wird e<strong>in</strong> Bild gezeichnet, <strong>in</strong> dem nicht mehr klar ist,<br />

<strong>von</strong> wem die professionelle Entscheidung für bestimmte Nachsorgee<strong>in</strong>richtungen<br />

getroffen wird. Durch die Sozialarbeit o<strong>der</strong> durch die KlientInnen die das Gefühl, das<br />

die SozialarbeiterInnen spüren, produzieren. Streng genommen wird hier semantisch<br />

ke<strong>in</strong>e professionelle Entscheidung beschrieben, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e willkürliche<br />

"Entscheidung aus dem Bauch heraus", was auf lange Sicht die Sozialarbeit als nicht<br />

seriös arbeitend darstellen würde.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass die Methoden, <strong>der</strong>er sich die Sozialarbeit bedient, zu<br />

e<strong>in</strong>em großen Teil als Kulturtechniken angesehen werden, wird die systematische<br />

Anwendung eben dieser Werkzeuge nicht erkannt und deshalb sprachlich auch nicht<br />

umgesetzt. Als Beispiel für verschiedene Begriffsbildungen aufgrund <strong>der</strong> Bekanntheit<br />

systematischen Handelns, möchte ich hier e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Unterschiede zwischen Therapie<br />

47


und Sozialarbeit anbr<strong>in</strong>gen. Das Hauptwerkzeug <strong>in</strong> therapeutischen Sitzungen ist, wie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozialarbeit, das Gespräch, dennoch werden oftmals unterschiedliche Begriffe zur<br />

Beschreibung verwendet. Für die therapeutische Arbeit gibt es mehrere Begriffe, die zur<br />

Beschreibung herangezogen werden können. So geht man beispielsweise zu e<strong>in</strong>er<br />

therapeutischen Sitzung, zu e<strong>in</strong>em Therapiegespräch o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> Therapie. Zur<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Gesprächsführung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit wurden <strong>in</strong> den Interviews<br />

Begriffe wie "normale Gespräche" (Int-m2, Z. 17; Int_w2, Z. 80) o<strong>der</strong> Umschreibungen<br />

wie "mit Patienten reden" (Int_w1, Z. 14) verwendet. Auch hier ist e<strong>in</strong> klarer<br />

Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wortwahl zur Beschreibung e<strong>in</strong>er Berufsgruppe mit e<strong>in</strong>er langen und<br />

bekannten Ausbildungstradition wie <strong>der</strong> Psychotherapie und <strong>der</strong> Berufsgruppe <strong>der</strong><br />

SozialarbeiterInnen zu erkennen.<br />

Zusammenfassend können folgende Erklärungsmöglichkeiten für die Relevanz <strong>der</strong><br />

Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache <strong>in</strong> Bezug auf den Gen<strong>der</strong>aspekt <strong>von</strong> Beschreibungen <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit angeboten werden:<br />

(1) Durch den späten Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Professionalisierung hat sich bis heute noch ke<strong>in</strong>e<br />

differenzierte Fachsprache, bzw. ke<strong>in</strong>e sprachlich beschreibbare Methodik <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit herausgebildet.<br />

(2) Durch die Zuschreibung <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit notwendigen Kompetenzen als<br />

naturgegeben wird e<strong>in</strong>e vorhandene Methodik nicht erkannt und kann somit<br />

sprachlich nicht differenziert wie<strong>der</strong>gegeben werden.<br />

(3) Aufgrund <strong>der</strong> Intersubjektivität <strong>der</strong> Sozialarbeit wird auf e<strong>in</strong>e Beschreibung auf<br />

<strong>der</strong> Ebene e<strong>in</strong>er Subjekt-Objekt-Beziehung verzichtet um das Klientel nicht zu<br />

"verd<strong>in</strong>glichen"<br />

Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen<br />

Dieses Kriterium, das ebenfalls zur Analyse <strong>der</strong> durchgeführten Interviews<br />

herangezogen wurde, zeigte sich <strong>in</strong> den Interviews <strong>in</strong> zwei Dimensionen. E<strong>in</strong>erseits<br />

wird bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> für die Sozialarbeit notwendigen Kompetenzen zwischen<br />

angeborenen Eigenschaften und erlernten Kompetenzen unterschieden. An<strong>der</strong>erseits<br />

stellt sich die Frage, ob die betreffenden Kompetenzen überhaupt <strong>in</strong> Ausbildungen<br />

48


erlernt werden können o<strong>der</strong> nur durch persönliche Erfahrungen – o<strong>der</strong> Lebenserfahrung<br />

– erworben werden können. Sprachlich gesehen s<strong>in</strong>d beide Dimensionen gen<strong>der</strong>relevant.<br />

Mit <strong>der</strong> historisch gewachsenen Zuschreibung <strong>von</strong> <strong>in</strong> Ausbildungen Erlerntem zu<br />

männerdom<strong>in</strong>ierten Berufsfel<strong>der</strong>n, im Gegensatz zur Beschreibung <strong>der</strong> nötigen<br />

Kompetenzen <strong>von</strong> frauendom<strong>in</strong>ierten Berufsfel<strong>der</strong>n als angeboren o<strong>der</strong> durch (Lebens-)<br />

Erfahrung erworben, geht das Phänomen <strong>der</strong> Qualifizierung beziehungsweise<br />

Dequalifizierung <strong>von</strong> Berufsfel<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>her.<br />

Diese Phänomene lassen sich gut anhand zweier Berufsfel<strong>der</strong> zeigen, die ihr<br />

„Geschlecht gewechselt haben“. So war <strong>der</strong> Beruf des Sekretärs ursprünglich e<strong>in</strong><br />

angesehenes Berufsfeld, <strong>in</strong> dem vornehmlich Männer arbeiteten. Durch technologische<br />

Entwicklungen und die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Schreibmasch<strong>in</strong>e wurde aus <strong>der</strong> „professionellen<br />

Schreibarbeit“ <strong>der</strong> Männer e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Schreibarbeit, die <strong>von</strong> da an hauptsächlich <strong>von</strong><br />

Frauen ausgeführt wurde (vgl. We<strong>in</strong>bach 2004). Es kam also durch e<strong>in</strong>e technische<br />

Entwicklung zur Dequalifizierung e<strong>in</strong>er „Männerarbeit“ und aus dem Sekretär wurde zu<br />

Beg<strong>in</strong>n des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts die Sekretär<strong>in</strong>. „So haben sich viele <strong>der</strong> typisch<br />

weiblichen Assistenzberufe als Folge e<strong>in</strong>es Rationalisierungs- und<br />

Ausdifferenzierungsprozesses professioneller Arbeit entwickelt; sie s<strong>in</strong>d dequalifizierte<br />

Männerarbeit“ (We<strong>in</strong>bach 2004, S. 140).<br />

Als Beispiel für das gegensätzliche Phänomen <strong>der</strong> Qualifizierung sei <strong>der</strong><br />

Programmierberuf angeführt. Aufgrund des Männermangels <strong>in</strong> den 40er und 50er<br />

Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts an amerikanischen Universitäten, waren <strong>in</strong> den<br />

Anfängen <strong>der</strong> Computerzeit Mathematiker<strong>in</strong>nen mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>von</strong> Computer-<br />

Software betraut. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit, als die Bedeutung <strong>von</strong> Computer-Software stieg,<br />

wurde die Arbeit des Programmierens durch weitere technische Entwicklungen und<br />

Ausdifferenzierungen zu e<strong>in</strong>er Männerdomäne und e<strong>in</strong>em prestigeträchtigen Berufsfeld.<br />

„Die Ersche<strong>in</strong>ung dieser großen Zahl <strong>von</strong> Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Programmierung ist e<strong>in</strong><br />

Indikator für e<strong>in</strong>e rapide Rout<strong>in</strong>isierung und Dequalifizierung des Programmierens<br />

<strong>in</strong>sgesamt“ schrieb dazu e<strong>in</strong> Technikforscher (We<strong>in</strong>bach 2004, S. 140).<br />

Durch diese Beispiele wird auch verständlich, warum die Anzahl <strong>von</strong> Männern und<br />

Frauen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Berufsfeld als Indikator für die „Qualität“ o<strong>der</strong> den „Wert“ <strong>der</strong><br />

geleisteten Arbeit gilt. Steigt <strong>der</strong> Männeranteil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Berufsfeld, so steigt<br />

gleichzeitig auch das Sozialprestige. Im Gegenzug dazu s<strong>in</strong>kt das Sozialprestige e<strong>in</strong>es<br />

49


Berufsfeldes mit steigen<strong>der</strong> Anzahl <strong>von</strong> Frauen die diesen Beruf ergreifen. Es werden<br />

Professionalität und Männlichkeit mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft, während Weiblichkeit mit<br />

Unprofessionalität verbunden wird. Ann Game und Rosemary Pr<strong>in</strong>gle schreiben:<br />

“The def<strong>in</strong>ition of skill is gen<strong>der</strong> biased. The process by which some jobs<br />

are def<strong>in</strong>ed as skilled and others as unskilled is complex, but by and large<br />

women’s “skills” are not recognised as such <strong>in</strong> the def<strong>in</strong>itions of their jobs.<br />

Skilled work is men’s work.” (Game, Pr<strong>in</strong>gle 1983, S. 18)<br />

Durch diese Zuschreibungen zu „Frauenberufen“ und „Männerberufen“ kann die Art<br />

und Weise, wie Kompetenzerwerbung und Kompetenzen an sich, beschrieben werden,<br />

nämlich ob ausbildungs- o<strong>der</strong> erlebens- bzw. erfahrungsbasiert, als gen<strong>der</strong>relevantes<br />

sprachliches Kriterium gewertet werden. In <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Interviews wurde<br />

dieses Kriterium, um e<strong>in</strong>e leichtere Auswertung zu ermöglichen, <strong>in</strong> die anfangs<br />

beschriebenen Dimensionen geteilt.<br />

Arbeitszuschreibungen<br />

Ann Game und Rosemary Pr<strong>in</strong>gle fanden bei e<strong>in</strong>er Untersuchung, die sie <strong>in</strong> den frühen<br />

1980er Jahren <strong>in</strong> Australien anstellten, verschiedene Kriterien anhand <strong>der</strong>er sich die<br />

geschlechtsspezifische Segregation <strong>von</strong> Arbeit zeigte. Die Kriterien waren<br />

skilled/unskilled, heavy/light, dangerous/less dangerous, dirty/clean, <strong>in</strong>terest<strong>in</strong>g/bor<strong>in</strong>g<br />

und mobile/immobile - das erste Wort des Begriffpaars bezeichnet jeweils die<br />

„männliche Ausprägung“, das zweite die „weibliche Ausprägung“. Die Untersuchung<br />

wurde <strong>in</strong> unterschiedlichen Arbeitsbereichen durchgeführt; <strong>in</strong> <strong>der</strong> Industrie<br />

(Fließbandarbeit), <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bankenbranche, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Discount-Laden, im Feld <strong>der</strong><br />

Computer-Arbeit sowie <strong>in</strong> Krankenhäusern. Die oben genannten Faktoren stammen aus<br />

dem Bereich <strong>der</strong> Fließbandarbeit und s<strong>in</strong>d zweifellos nicht e<strong>in</strong>s-zu-e<strong>in</strong>s auf die<br />

Sozialarbeit anwendbar. Auch wurden nicht alle dieser sechs Faktoren <strong>in</strong> den<br />

durchgeführten Interviews angesprochen. Dennoch werden e<strong>in</strong>ige Faktoren <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Auswertung berücksichtigt und umgelegt, die drei relevanten werden im Folgenden<br />

kurz erläutert.<br />

Gefährlich / ungefährlich<br />

Das Kriterium <strong>der</strong> Gefährlichkeit zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufteilung <strong>von</strong> Arbeiten so, dass<br />

Arbeiten, die e<strong>in</strong> gewisses Gefahrenpotential bergen, vornehmlich Männern zugeteilt<br />

50


werden und auch <strong>von</strong> diesen präferiert und bevorzugt ausgesucht werden. Hier e<strong>in</strong><br />

Textausschnitt <strong>der</strong> diese Tatsache gut erläutert:<br />

Large presses are seen as more dangerous and dirty than small ones;<br />

foundries are both dirty and dangerous and pickl<strong>in</strong>g is a clean<strong>in</strong>g process<br />

that <strong>in</strong>volves work<strong>in</strong>g with dangerous acids. This is therefore, men‘s work‘.<br />

Aga<strong>in</strong> the rationale is <strong>in</strong> terms of women‘s nature, <strong>in</strong> this case with specific<br />

reference to biology, the danger to reproductive capacities. (Game &<br />

Pr<strong>in</strong>gle 1983)<br />

Gefährlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt wird also <strong>der</strong> männlichen Arbeitssphäre zugeschrieben,<br />

woh<strong>in</strong>gegen das Weibliche mit ungefährlichen Arbeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht wird.<br />

Mobil / immobil<br />

Zwar zeigt sich das Begriffspaar mobil-immobil <strong>in</strong> den Beschreibungen <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit nicht auf die Art und Weise wie bei Game und Pr<strong>in</strong>gle beschrieben,<br />

aber es sche<strong>in</strong>t dennoch erwähnenswert. Während bei dieser Untersuchung die Mobilität<br />

e<strong>in</strong> gen<strong>der</strong>relevantes Kriterium zur Arbeitsteilung ist, wird sie bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zur Abgrenzung des Arbeitsfeldes zu an<strong>der</strong>en Berufsgruppen an sich<br />

gesehen. Dieses Kriterium fällt <strong>in</strong>sofern aus <strong>der</strong> Rolle, als Mobilität nicht primär e<strong>in</strong>em<br />

Geschlecht zuordenbar ist, jedoch wird es <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Begriffen wie Agilität und<br />

Durchsetzungskraft angesprochen, was Nähe zur „Männlichkeit“ des Begriffs herstellt.<br />

Facharbeit / ungelernte Arbeit<br />

Die Unterscheidung zwischen Facharbeit und ungelernter Arbeit geht Hand <strong>in</strong> Hand mit<br />

<strong>der</strong> Hypothese <strong>der</strong> Dequalifizierung, die schon bei dem Auswertungskriterium<br />

„Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen“ näher beschrieben wurde. Der<br />

Bereich <strong>der</strong> Sozialarbeit entwickelt sich im Spannungsfeld dieser Pole, was gerade <strong>in</strong><br />

dem <strong>der</strong>zeit herrschenden Diskurs zur Professionalisierung <strong>der</strong> Sozialarbeit sichtbar<br />

wird. Professionalisierung, also <strong>der</strong> Wandel zur Facharbeit, geht <strong>in</strong> den meisten Fällen<br />

e<strong>in</strong>her mit e<strong>in</strong>er Steigerung <strong>der</strong> Anzahl an Männern <strong>in</strong> diesem Berufsfeld.<br />

‘Do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ und ‘do<strong>in</strong>g work’<br />

‚Do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ ist e<strong>in</strong> aktionsorientierter Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen<br />

Geschlechterforschung über den <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> beschrieben wird.<br />

51


Schon durch den Begriff ‚do<strong>in</strong>g’ alle<strong>in</strong>e werden „kulturelle Inszenierungspraktiken“<br />

und nicht biologische Gegebenheiten <strong>in</strong>s Zentrum <strong>der</strong> Aufmerksamkeit<br />

gerückt. „Wer sich mit "do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>" beschäftigt, will beschreiben, wie sich Menschen<br />

performativ als männlich o<strong>der</strong> weiblich zu erkennen geben und mittels welcher<br />

Verfahren das so gestaltete kulturelle Geschlecht im Alltag relevant gesetzt<br />

wird“ (Kothoff 2002). Wie schon an an<strong>der</strong>en Stellen <strong>in</strong> dieser Arbeit erwähnt, wird<br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> durch Interaktion mit an<strong>der</strong>en Menschen konstruiert. E<strong>in</strong> wichtiger<br />

Punkt hierbei ist die Arbeit, <strong>der</strong> Menschen nachgehen. So wurde <strong>der</strong> enge<br />

Zusammenhang zwischen Arbeit und Geschlechterkonstruktion schon 1975 <strong>von</strong> Gayle<br />

Rub<strong>in</strong> folgen<strong>der</strong>maßen beschrieben:<br />

„The division of labour by sex can (…) be seen as a taboo: a taboo aga<strong>in</strong>st<br />

the sameness of men and women, a taboo divid<strong>in</strong>g the sexes <strong>in</strong>to two<br />

mutually exclusive categories, a taboo (…) that creates gen<strong>der</strong>.” (Rub<strong>in</strong><br />

1975, 178)<br />

Die geschlechtliche Arbeitsteilung an sich kann also bereits als <strong>Konstruktion</strong>smedium<br />

<strong>von</strong> Gen<strong>der</strong> gesehen werden. Geht man nun da<strong>von</strong> aus, dass auch Arbeit an sich e<strong>in</strong><br />

Produkt verschiedener <strong>Konstruktion</strong>smechanismen ist, so erklärt man damit den Begriff<br />

‚Do<strong>in</strong>g work’. Analog zu ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ werden auch Arbeitsbereiche über Interaktion<br />

konstruiert.<br />

„Untersuchungen zum beruflichen Alltagshandeln gehen <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Grundüberlegung aus, dass die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> zentralen „ressources of do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>“ […] darstellen. Sie fragen<br />

danach, wie im Zuge des beruflichen Alltagshandelns immer auch<br />

Geschlecht sozial konstruiert und <strong>in</strong>folgedessen die Geschlechterdifferenz<br />

immer neu zu e<strong>in</strong>er normalen und „natürlichen“ Selbstverständlichkeit<br />

wird. Sie versuchen also […] zu zeigen, wie „do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>“ und „do<strong>in</strong>g<br />

work“ <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>greifen und wie im „do<strong>in</strong>g work“ stets auch etwas an<strong>der</strong>es<br />

als ‚nur’ e<strong>in</strong> Arbeitsprodukt hergestellt wird: die Geschlechtszugehörigkeit<br />

<strong>der</strong> beteiligten Akteure und – vermittelt darüber – das Geschlecht <strong>der</strong><br />

Arbeit, die sie tun.“ (Wetterer 2002, S. 130)<br />

52


Die Gruppendiskussion <strong>der</strong> Untersuchung wird anhand <strong>der</strong> Überlegungen, welche<br />

Wechselwirkungen es zwischen ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ und ‚do<strong>in</strong>g work’ <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, genauer bei den männlichen Sozialarbeitern <strong>der</strong> <strong>LSF</strong>, gibt.<br />

Durch die Ergebnisse <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews, die anhand <strong>der</strong> zuvor beschriebenen<br />

Auswertungskriterien analysiert wurden, wurde e<strong>in</strong>e Art „Geschlechterlandkarte“ <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> gezeichnet, die illustriert, welchen Bereichen <strong>der</strong> Arbeit<br />

e<strong>in</strong> weibliches o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> männliches Geschlecht zugesprochen wird, bzw. welchen<br />

Arbeitsbereichen welches „Geschlecht konstruiert wird“. Dieses Geschlecht <strong>der</strong> Arbeit<br />

entsteht durch ständiges ‚do<strong>in</strong>g work’, also Interaktion zwischen Menschen;<br />

SozialarbeiterInnen die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit beschäftigt s<strong>in</strong>d, an<strong>der</strong>e Berufsgruppen<br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik, die mit Kl<strong>in</strong>iksozialarbeiterInnen zusammenarbeiten, PatientInnen und<br />

vielen mehr.<br />

Welche Auswirkungen das auf die Geschlechtskonstruktion (‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’) <strong>der</strong><br />

männlichen Sozialarbeiter an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> hat, und welche Auswirkungen diese<br />

Geschlechterkonstruktionen auf die Sicht auf das Berufsfeld haben, wird über die<br />

Gruppendiskussion erforscht.<br />

53


Beschreibungen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

In e<strong>in</strong>em ersten Schritt werden <strong>in</strong> diesem Kapitel die Ergebnisse <strong>der</strong> Interviews e<strong>in</strong>zeln<br />

beschrieben. Es werden jeweils die Hauptthemen <strong>der</strong> Interviews besprochen und auf<br />

ihre geschlechter-thematische Relevanz h<strong>in</strong> untersucht. Im zweiten Teil wird <strong>der</strong><br />

umgekehrte Weg gegangen und die e<strong>in</strong>zelnen Auswertungskriterien werden schrittweise<br />

über die Gesamtergebnisse <strong>der</strong> Interviews gelegt und <strong>in</strong>terpretiert, um auf diese Weise<br />

e<strong>in</strong> gesamtes „Gen<strong>der</strong>-Bild“ <strong>der</strong> Beschreibungen <strong>von</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu erhalten.<br />

Diese Vorgehensweise wurde gewählt, um den Schwerpunkten, die sich <strong>in</strong> den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Interviews herauskristallisiert haben – und die teilweise wichtig für die<br />

Interpretation s<strong>in</strong>d - genügend Raum zu bieten. Es wird versucht, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> beschreibende Haltung beizubehalten. Die Interpretation<br />

erfolgt im zweiten Teil dieses Kapitels. In e<strong>in</strong>em abschließenden Resümee werden die<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten aus den Interviews übersichtlich dargestellt, um e<strong>in</strong>en<br />

Gesamtüberblick über die gelieferten Berufsbeschreibungen zu geben.<br />

Wissen und Ahnung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit (Int_w1)<br />

Beson<strong>der</strong>s auffallend, da wie<strong>der</strong>holt formuliert, ist, dass die Interviewpartner<strong>in</strong> nicht<br />

da<strong>von</strong> spricht, dass SozialarbeiterInnen etwas wissen, son<strong>der</strong>n dass <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong><br />

Kenntnisse auf die Ebene <strong>von</strong> Ahnungen gestellt wird. So haben SozialarbeiterInnen<br />

„sicher e<strong>in</strong>en Informationsvorsprung über D<strong>in</strong>ge und auch noch mehr Ahnung als wir<br />

[Anm.: die Ärzteschaft] da<strong>von</strong>, was für welchen Patienten passend ist. [...] O<strong>der</strong> sie<br />

haben auch mehr Ahnung, ob jetzt e<strong>in</strong> Antrag auf Sachwalterschaft Aussicht auf Erfolg<br />

hat o<strong>der</strong> nicht“ (Int_w1, Z. 10-14). Hier wird also auch Wissen über rechtliche Bereiche<br />

<strong>der</strong> Arbeit mit gefühlsbetonten Worten beschrieben. Fachliche Kompetenz und Wissen<br />

werden zwar angesprochen und den SozialarbeiterInnen zugedacht, e<strong>in</strong>e nähere<br />

Def<strong>in</strong>ition und Beschreibung <strong>der</strong> Inhalte dieses Wissens kann jedoch erst nach<br />

mehrmaligem Nachfragen <strong>in</strong> verschiedene Richtungen gegeben werden. So dienen<br />

ausschließlich Eigenschaften wie beispielsweise Toleranz, Empathie und Realitätss<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> Beschreibung <strong>von</strong> Persönlichkeit und Menschenbild <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen.<br />

Auf e<strong>in</strong>e sprachlich differenziertere Ebene leitet erst die Frage nach dezidierten<br />

theoretischen Modellen, welche für die Sozialarbeit handlungsweisend se<strong>in</strong> könnten.<br />

54


Hier wird <strong>von</strong> <strong>der</strong> Interviewpartner<strong>in</strong> folgende Antwort gegeben: „Also theoretischer<br />

H<strong>in</strong>tergrund, wenn wir schon e<strong>in</strong>e Theorie nennen wollen, ist das Bio-Psycho-Soziale<br />

Krankheitsmodell. Wo eben das Soziale genauso e<strong>in</strong>en Anteil hat wie die beiden<br />

an<strong>der</strong>en Komponenten für die wir (Anm.: Ärzteschaft/Pflegschaft und PsychologInnen)<br />

die Verantwortung haben“ (Int_w1, Z. 85). Es wird Bezug auf e<strong>in</strong> anerkanntes<br />

theoretisches Modell genommen und die Sozialarbeit auf die gleiche Stufe mit<br />

Ärzteschaft, Pflegschaft und Psychologischem Team gestellt. Gleichzeitig wird die<br />

Sozialarbeit aber als Berufsfeld mit „relativ wenig Wettbewerb“ (Int_w1, Z. 63) und<br />

wenig Karrieremöglichkeiten beschrieben, was neben den ger<strong>in</strong>gen Verdienstmöglichkeiten<br />

als eventueller Grund gesehen wird, warum nur wenige Männer <strong>in</strong><br />

diesem Berufszweig beschäftigt s<strong>in</strong>d. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite werden Arbeitsklima und<br />

Teamwork im Bereich <strong>der</strong> sozialen Arbeit als - vor allem für Frauen - attraktive Punkte<br />

dargestellt. Die Bil<strong>der</strong> <strong>von</strong> Männlichkeit und Weiblichkeit, die die Interviewpartner<strong>in</strong><br />

gibt, lassen sich anhand des folgenden Gesprächsausschnitts gut veranschaulichen:<br />

Naja ich denke, dass wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit... kann man... gibt<br />

es relativ wenig Wettbewerb, stelle ich mir vor, kann man wenig Karriere<br />

machen, das kommt irgendwie diesem kompetitiven Verständnis vom Mann<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich weniger entgegen. Und... ich weiß auch nicht, wie das mit<br />

den Verdienstmöglichkeiten ist. Aber so das, was sich Männer unter Erfolg<br />

und Arbeit vorstellen, spiegelt sich <strong>in</strong> dem Sozialarbeiter Berufsbild weniger<br />

wi<strong>der</strong> als das, was sich Frauen vorstellen, Teamarbeit und gutes<br />

Arbeitsklima und ... ich weiß nicht, ich kenne eigentlich kaum Sozialarbeiter<br />

die wirklich Karriere gemacht haben. (Int_w1, Z. 63)<br />

Von <strong>der</strong> Interviewpartner<strong>in</strong> wird die Sozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> fast ausschließlich als<br />

direkte Klientenarbeit gesehen, organisatorische o<strong>der</strong> strukturelle Arbeit wird nur als<br />

Korrespondenz und „Schriftstücke schreiben“ (Int_w1, Z. 18) beschrieben. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> engen Arbeit mit den KlientInnen werden persönliche Werte und E<strong>in</strong>stellungen als<br />

wichtiges Kriterium dafür gewertet, ob e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> das Berufsbild <strong>der</strong> Sozialarbeit<br />

passt. Gleichzeitig werden diese Werte und Normen als nicht o<strong>der</strong> nur sehr schwer o<strong>der</strong><br />

fragmentarisch erlernbar beschrieben. „Also man hat es o<strong>der</strong> man hat es nicht“ (Int_w1<br />

Z. 32) weil es s<strong>in</strong>d ja „eigentlich Grundhaltungen und Werte, die nicht angeboren s<strong>in</strong>d,<br />

son<strong>der</strong>n die man quasi auch anerzogen bekommt zu e<strong>in</strong>em guten Teil“ (Int_w1 Z. 34).<br />

55


Für die Qualität <strong>der</strong> sozialarbeiterischen Tätigkeit wird also die Ausbildung, die<br />

SozialarbeiterInnen durchlaufen, als nicht so ausschlaggebend erachtet, wie persönliche<br />

Erfahrungen, Werte und Normen aus <strong>der</strong> Erziehung.<br />

Auf e<strong>in</strong>er strukturell-f<strong>in</strong>anziellen Ebene wird <strong>der</strong> Sozialdienst des <strong>LSF</strong> als <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Großzügigkeit an<strong>der</strong>er Vere<strong>in</strong>e und E<strong>in</strong>richtungen abhängige Stelle beschrieben. Der<br />

Interviewpartner<strong>in</strong> ist bekannt, dass ke<strong>in</strong>e direkten f<strong>in</strong>anziellen Mittel zur Verwaltung<br />

zur Verfügung stehen, allerd<strong>in</strong>gs wurden früher Spenden an<strong>der</strong>er - zum Teil auch<br />

kirchlicher - E<strong>in</strong>richtungen verwaltet und für Patienten verwendet.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Arbeit des Sozialdienstes als sehr<br />

abhängig <strong>von</strong> den dort tätigen Personen und <strong>der</strong>en Persönlichkeiten beschrieben wird;<br />

weniger als <strong>von</strong> den vorhandenen fachlichen Kompetenzen. Die Sozialarbeit wird<br />

aufgrund ihres Hangs zu Teamarbeit als für Frauen sehr passend und attraktiv<br />

beschrieben. Strukturelle Arbeiten werden nicht wahrgenommen, sichtbar und bekannt<br />

ist die praktische Arbeit direkt mit und am Patienten.<br />

Akademische Menschenliebe? (Int_w2)<br />

Als Hauptthemen dieses Interviews kristallisierten sich im Laufe des Gesprächs die<br />

Ausbildung <strong>von</strong> SozialarbeiterInnen, sowie <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> Sozialarbeit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>ik heraus. Obwohl die Sozialakademien schon vor Jahren <strong>von</strong> Fachhochschul-<br />

Studiengängen abgelöst wurden, ist die Sozialarbeitsausbildung laut <strong>der</strong> <strong>in</strong>terviewten<br />

Person "<strong>in</strong> Österreich lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e akademische Ausbildung" (Int_w2, Z. 40). Auf jeden<br />

Fall ist sie "aber noch nicht upgegradet worden <strong>in</strong> <strong>der</strong> ... Wenn sie sich das<br />

Gehaltsschema anschauen ist das noch nicht passiert" (Int_w2, Z. 42). Die Ausbildung<br />

zum Sozialarbeiter / zur Sozialarbeiter<strong>in</strong> wird also nicht mit e<strong>in</strong>er akademischen<br />

Ausbildung gleichgesetzt, wobei <strong>der</strong> Hauptgrund hierfür <strong>in</strong> <strong>der</strong> fehlenden Transparenz<br />

<strong>der</strong> Lehr<strong>in</strong>halte liegt. Die befragte Person hat "ke<strong>in</strong>e Ahnung" was man während des<br />

Studiums lernt, es gibt nur Vermutungen. Weiters ist noch nicht <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong><br />

durchgedrungen, wo <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit das wissenschaftliche Arbeiten verortet ist.<br />

Dieser fehlende Transport <strong>von</strong> Lehr<strong>in</strong>halten, Aufgabenfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Sozialarbeit und <strong>der</strong><br />

nicht vorhandenen Verortung wissenschaftlichen Arbeitens wurde folgen<strong>der</strong>maßen<br />

formuliert:<br />

56


"Und was macht jetzt <strong>der</strong> Sozialarbeiter? Suchen? O<strong>der</strong> wie? Was macht<br />

<strong>der</strong> jetzt? Ich denk mir das ist noch nicht... nicht durchgedrungen wo da das<br />

wissenschaftliche Arbeiten ist. Und deswegen auch diese akademische<br />

Ausbildung und es ist im Gehaltsschema nicht dr<strong>in</strong>nen. Das ist, glaub ich,<br />

e<strong>in</strong> ganz wesentlicher Punkt. Und dann ... ist natürlich diese betreuende<br />

Tätigkeit am Patienten, für den Patienten, ... diese Dienstlei... ja es ist nach<br />

wie vor eher e<strong>in</strong>e Dienstleistung wie die Pflege sie macht, o<strong>der</strong> die<br />

Arbeitstherapie.. ja.. es ist so e<strong>in</strong>e .. wird es nach wie vor so als<br />

Dienstleistung gesehen." (Int_w2, Z. 44)<br />

Gleichzeitig mit <strong>der</strong> fehlenden Wissenschaftlichkeit wird die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistung, <strong>der</strong> Pflege verwandt, gleichgestellt. Dennoch gibt es konkrete<br />

Vorstellungen über die Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung die "e<strong>in</strong>e Mischung aus Soziologie,<br />

Psychologie, die gesamte Gesellschaftskultur, -struktur, Theorien über Arbeit,<br />

Arbeitslosigkeit, Auswirkungen <strong>von</strong> Arbeitslosigkeit [...] und Entwicklung <strong>von</strong><br />

Nachbetreuungskonzepten" (Int_w2, Z. 46) be<strong>in</strong>halten könnte. Hier tätigt die<br />

Interviewpartner<strong>in</strong> also ganz konkrete und spezifische Aussagen über den fachlichen<br />

Inhalt <strong>der</strong> Ausbildung, was wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> starkem Kontrast zur Darstellung <strong>der</strong> Arbeit,<br />

bzw. <strong>der</strong> für die Arbeit wichtigen Kriterien an sich steht. Diese werden sehr emotional<br />

beschrieben, SozialarbeiterInnen brauchen viel Gespür, Selbstsicherheit, Neugierde und<br />

vor allem Menschenliebe, um ihren Beruf gut zu machen. E<strong>in</strong>e fachliche Kompetenz<br />

wird hierbei, trotz <strong>der</strong> detaillierten Beschreibung möglicher Ausbildungs<strong>in</strong>halte,<br />

ansche<strong>in</strong>end nicht als grundlegendes Qualitätskriterium angesehen. E<strong>in</strong> möglicher<br />

Grund dafür könnte die Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit mit dem Begriff <strong>der</strong><br />

Mütterlichkeit se<strong>in</strong>, die hergestellt wird. Es wun<strong>der</strong>t daher nicht, "dass es sehr viele<br />

Frauen <strong>in</strong> diesem Bereich gibt, weil es sehr viel mit dieser Mütterlichkeit zu tun hat"<br />

(Int_w2, Z. 62). Dem Leitbild <strong>der</strong> Mütterlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit begegnet man auch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit immer wie<strong>der</strong>. Sieht man sich Verb<strong>in</strong>dungsmöglichkeiten <strong>von</strong><br />

Ausbildung - mit konkreten Inhalten - und Mütterlichkeit an, so wird schnell klar, dass<br />

aufgrund <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach mütterlicher Sorge und Liebe (siehe den Ausdruck<br />

„Menschenliebe“) die Arbeit, die Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit und auch die Art und Weise wie<br />

gearbeitet wird, auf die Persönlichkeit des Sozialarbeiters / <strong>der</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong><br />

attribuiert wird und nicht auf die Ausbildung. Neben <strong>der</strong> Mütterlichkeit wird <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

57


<strong>in</strong>terviewten Person auch <strong>der</strong> väterliche Part angesprochen. Der Aspekt <strong>der</strong><br />

Väterlichkeit wird als sehr wichtig e<strong>in</strong>gestuft und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit mit Männern <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung gebracht: "Aber wenn es eben um... viel Vater, es gibt ja ganz viel<br />

Vaterthema, dann rede ich vielleicht lieber mit dem Oberarzt [Anm.: Oberarzt <strong>der</strong><br />

Station ist männlich]." (Int_w2, Z. 74). E<strong>in</strong> zweiter Punkt, <strong>der</strong> mit Väterlichkeit und<br />

dem zugrundeliegenden Männerbild verbunden wird, ist das Thema <strong>der</strong> Gefährlichkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit. Männer werden gerade <strong>in</strong> den Berufssparten o<strong>der</strong> Situationen<br />

gebraucht, wo es um "Gewalttätigkeiten, Wutausbrüche, Aggressionen [und]<br />

Phantasien" (Int_w2, Z. 70) geht. Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wird also aufgrund <strong>der</strong><br />

Thematiken, mit denen sie sich beschäftigt, als e<strong>in</strong> Beruf beschrieben, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> gewisses<br />

Gefahrenpotential birgt: "gerade auf <strong>der</strong> Psychiatrie, wo es so viel um Gewalt geht"<br />

(Int_w2, Z. 66).<br />

In <strong>der</strong> nicht gegebenen Gleichstellung mit an<strong>der</strong>en akademischen Studien sieht die<br />

befragte Person auch e<strong>in</strong>e zu schlechte Bezahlung für diese Berufssparte begründet;<br />

ebenso den Status <strong>der</strong> Sozialarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik, denn "die Sozialarbeit ist nicht gerade<br />

e<strong>in</strong>e Berufsgruppe, die e<strong>in</strong>en sehr hohen Status hier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hierarchie" (Int_w2, Z. 38)<br />

<strong>in</strong>nehat. Dass e<strong>in</strong>zelne SozialarbeiterInnen dennoch befähigt s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihren<br />

Arbeitsbereichen gute Arbeit zu leisten und sich gegen an<strong>der</strong>e Berufsgruppen<br />

durchsetzen können, wird durch "unglaubliches Können, ihre große Erfahrung und [...]<br />

diplomatische Fähigkeit" (Int_w2, Z. 38) erklärt, wobei all diese D<strong>in</strong>ge als nicht<br />

wirklich <strong>in</strong> Ausbildungen erlernbar beschrieben werden, son<strong>der</strong>n hauptsächlich durch<br />

die Praxis angeeignet werden. E<strong>in</strong> weiteres Kriterium, warum die Sozialarbeit als nicht<br />

prestigeträchtiger o<strong>der</strong> hierarchisch angesehener Beruf gilt, könnte se<strong>in</strong>, dass es ke<strong>in</strong>e<br />

"Luxussozialarbeit" (Int_w2, Z. 49-50) gibt, durch die Tatsache, dass Sozialarbeit<br />

immer auf irgende<strong>in</strong>e Art und Weise mit Randgruppen zu tun hat, und es nicht wie <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>en Berufsgruppen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufssparte angesehene Spezialisierungen gibt. Als<br />

Beispiel wird hier folgendes angeführt: "sie können als Arzt Schönheitschirurg, sie<br />

können als Psychologe Wirtschaftspsychologe se<strong>in</strong>, o<strong>der</strong> Coach o<strong>der</strong> so irgendwas, ...<br />

aber sie können als Sozialarbeiter immer nur … mit Randgruppen arbeiten". Es werden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit also ke<strong>in</strong>e Spezialisierungen gesehen, die e<strong>in</strong> gesteigertes Ansehen<br />

durch die Zielgruppe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> gesteigertes E<strong>in</strong>kommen garantieren können.<br />

58


Trotzdem wird die Sozialarbeit als eigenständiger Arbeitsbereich <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />

Arbeitslandschaft gesehen. Es werden - trotz <strong>der</strong> hierarchisch niedrigen Ansiedlung -<br />

auch Abhängigkeiten an<strong>der</strong>er Berufsgruppen bzw. Arbeitsschritte <strong>von</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit<br />

def<strong>in</strong>iert. So s<strong>in</strong>d die "Rückfalls- und Gefährlichkeitsprognosen [...] ganz wesentlich<br />

da<strong>von</strong> abhängig, was für den Patienten alles organisiert ist" (Int_w2, Z. 14), also direkt<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit. Auch wird <strong>der</strong> Wunsch geäußert, die Sozialarbeit autark arbeiten<br />

zu lassen. Vor allem im Zeitmanagement sieht die befragte Person e<strong>in</strong>e zu große<br />

Abhängigkeit <strong>der</strong> Sozialarbeit <strong>von</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen. Die zeitliche Aufteilung <strong>der</strong><br />

Arbeit wird als „gedrittelt“ beschrieben. E<strong>in</strong> Drittel direkte Klientenarbeit, e<strong>in</strong> Drittel<br />

adm<strong>in</strong>istrative, organisatorische Arbeit und e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Zeit wird mit Meet<strong>in</strong>gs und<br />

Besprechungen gefüllt. "Also e<strong>in</strong> Drittel ist sicher Meet<strong>in</strong>gs, ich fürchte, dass es viel<br />

höher ist, und das ist glaube ich e<strong>in</strong> Fehler. [...] Man sollte die Sozialarbeit aus me<strong>in</strong>er<br />

Sicht nicht so sehr mit Meet<strong>in</strong>gs und Visiten blockieren, son<strong>der</strong>n eher ... autark arbeiten<br />

lassen" (Int_w2, Z. 18). Im Gegensatz zu den bisherigen Interviews wird e<strong>in</strong> größerer<br />

Teil <strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>in</strong> organisatorischer und vernetzen<strong>der</strong> Arbeit mit an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen gesehen, nur e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Arbeit wird als praktische und direkte<br />

Klientenarbeit wahrgenommen. Allerd<strong>in</strong>gs besteht <strong>der</strong> Wunsch, den strukturellen Teil<br />

<strong>der</strong> Arbeit, vor allem was Visiten und Meet<strong>in</strong>gs mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen betrifft, zu<br />

kürzen, um aus <strong>der</strong> Sozialarbeit e<strong>in</strong> autarkes Berufsfeld <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik zu machen - es<br />

besteht also <strong>der</strong> Wunsch, weg <strong>von</strong> struktureller und h<strong>in</strong> zu mehr praktischer Arbeit, was<br />

die zeitliche Aufteilung betrifft.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ausbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit als<br />

wissenschaftlich fundiert beschrieben wird, dass Inhalte verschiedener anerkannten<br />

Wissenschaften als Teile <strong>der</strong> sozialarbeiterischen Ausbildung aufgezählt werden, die<br />

Arbeit an sich jedoch als nicht wissenschaftlich gesehen wird, son<strong>der</strong>n als betreuende<br />

Dienstleistung beschrieben wird. Aufgrund dieser nicht wissenschaftlichen Ausrichtung<br />

<strong>der</strong> praktischen Sozialarbeit wird die <strong>der</strong>zeitige Gehaltslage als unzureichend<br />

beschrieben, wie auch <strong>der</strong> hierarchisch niedrige Stand <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit im Gefüge<br />

<strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Berufsgruppen erklärt. Anstelle <strong>von</strong> Wissenschaftlichkeit, Kompetenz<br />

und Wissen treten Mütterlichkeit und Menschenliebe als Erklärungsmodell für den<br />

Zugang <strong>der</strong> Sozialarbeit zu KlientInnen und <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Aufgaben und<br />

Tätigkeitsbereiche <strong>der</strong> Sozialarbeit. Neben <strong>der</strong> Mütterlichkeit nimmt auch die<br />

59


Väterlichkeit e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit e<strong>in</strong>, denn es muss "immer e<strong>in</strong>en<br />

väterlichen und e<strong>in</strong>en mütterlichen Part geben. Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit ist das auch<br />

wichtig" (Int_w2, Z. 76), wobei die Sozialarbeit an sich jedoch nicht mit Vaterrolle o<strong>der</strong><br />

Väterlichkeit <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gesetzt wird.<br />

Die Grenzen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit (Int_m1)<br />

Dieses Interview zeichnet sich dadurch aus, dass die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit <strong>in</strong> Bezug zu<br />

an<strong>der</strong>en Berufsgruppen gesetzt und klar <strong>von</strong> diesen abgegrenzt wird. E<strong>in</strong>erseits sieht <strong>der</strong><br />

Interviewpartner "Überschneidungen gar nicht. Weil ich arbeite ja auch viel<br />

therapeutisch. Als Psychologe.. sonst mach ich Diagnostik. die Überschneidungen sehe<br />

ich nicht so sehr, aber ich sehe e<strong>in</strong>fach die Verknüpfungen" '(Int_m1, Z. 8) Es wird e<strong>in</strong>e<br />

klare Grenze zwischen therapeutischer und sozialarbeiterischer Arbeit gezogen,<br />

an<strong>der</strong>erseits werden Verknüpfungspunkte zwischen den beiden Gebieten angesprochen,<br />

die durch klare Zuständigkeiten ausgewiesen s<strong>in</strong>d. Ebenso wird darauf e<strong>in</strong>gegangen,<br />

wie und wodurch es zu Zuweisungen <strong>von</strong> Seiten <strong>der</strong> Psychologie an die Sozialarbeit<br />

kommt. Im Vergleich zu betreuenden und pflegenden Berufen im Krankenhausbetrieb<br />

wird die Sozialarbeit so beschrieben, dass fachliches Wissen über unterschiedliche<br />

Betreuungsvarianten vorhanden se<strong>in</strong> muss, zusammen mit dem Wissen darum, was<br />

PatientInnen jeweils bräuchten. E<strong>in</strong>e direkte Betreuung <strong>von</strong> Klienten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik wird<br />

vom Interviewpartner nicht beschrieben.<br />

Das Thema Mobilität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit wird während des Gesprächs zwei Mal<br />

angeschnitten. Zum e<strong>in</strong>en wird <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zugeschrieben, dass sie "auch <strong>in</strong>s<br />

Feld h<strong>in</strong>ausgeht, also mit Patienten wo h<strong>in</strong>fahrt und sich diverse D<strong>in</strong>ge anschaut", zum<br />

an<strong>der</strong>en werden SozialarbeiterInnen selbst als "sehr agil" (Int_m1, Z. 26) beschrieben,<br />

was bedeutet, dass sie bereit s<strong>in</strong>d "längere Wege zu gehen [...]. Mit agil me<strong>in</strong> ich auch<br />

engagiert zu se<strong>in</strong>, also nicht... das Gegenteil <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em passiven Verwaltungsbeamten".<br />

Weitere Eigenschaften, mit denen SozialarbeiterInnen im kl<strong>in</strong>ischen Betrieb<br />

beschrieben werden beziehen sich – im Gegensatz zu den meisten an<strong>der</strong>en Interviews –<br />

nicht hauptsächlich auf die emotionale Interaktion mit an<strong>der</strong>en Menschen. Über die<br />

Eigenschaft <strong>der</strong> "dicken Haut" (Int_m1, Z. 26) die man als SozialarbeiterIn benötigt,<br />

wird <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> Gefährlichkeit <strong>der</strong> Sozialarbeit e<strong>in</strong>gebracht, es besteht also die<br />

Notwendigkeit <strong>von</strong> Schutzmechanismen, um <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit auf lange Sicht gut zu<br />

60


estehen. Während die Beschreibung <strong>von</strong> Management- und Organisationsfähigkeiten<br />

auf e<strong>in</strong>e hierarchisch gehobene Position deuten lässt.<br />

Kompetenzen werden <strong>in</strong> dem Spannungsfeld zwischen fachlichem und emotionalem<br />

Wissen ausgeglichen dargestellt. Es werden klare Kompetenzen im rechtlichen Bereich<br />

und im Wissen um Betreuungskonzepte und -varianten angenommen, e<strong>in</strong> großer Teil<br />

<strong>der</strong> Kompetenzen wird aber wie<strong>der</strong>um als nicht erlernbar dargestellt. Auf die Frage ob<br />

"das [Anm.: die Kompetenzen] e<strong>in</strong> Stück weit, unter Anführungszeichen, angeboren ist.<br />

Also man kann das o<strong>der</strong> man kann es nicht?"' (Int_m1, Z. 41) wird durch die Antwort<br />

"Man muss talentiert se<strong>in</strong>" (Int_m1, Z. 42) klar ausgedrückt, dass e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong><br />

Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit als SozialarbeiterIn nicht <strong>von</strong> Ausbildung und fachlichem Wissen<br />

abhängt, son<strong>der</strong>n <strong>von</strong> Persönlichkeitszügen, die nicht o<strong>der</strong> nur schwer erlernbar s<strong>in</strong>d.<br />

Die Persönlichkeit <strong>von</strong> SozialarbeiterInnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik wird über Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

und Unterschiede def<strong>in</strong>iert. E<strong>in</strong>e Grunde<strong>in</strong>stellung, die den Menschen im Sozialdienst<br />

zugedacht wird, ist e<strong>in</strong>e gewisse Art <strong>der</strong> Philanthropie: "Ja sie müssen sicher Menschen<br />

mögen. Also den Umgang mit Menschen, nicht die Menschen an sich." Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite wird die Individualität <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen betont, und dass ke<strong>in</strong> Bild e<strong>in</strong>es<br />

Ideal-Prototyps gezeichnet werden könnte, da es dafür zu viele verschiedene Zugänge<br />

gäbe. Wobei auch hier Persönlichkeitsmerkmale als stärkeres Kriterium für gelungene<br />

Sozialarbeit gesehen werden als durch Ausbildung erlerntes Wissen. Von Techniken<br />

und Methoden <strong>der</strong> Sozialarbeit wird allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong> sehr unspezifisches Bild gegeben.<br />

Direkt auf die Gen<strong>der</strong>frage angesprochen, beschreibt <strong>der</strong> Interviewpartner die<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit für Frauen als attraktiv, weil mehr Interesse für soziale D<strong>in</strong>ge bestehe<br />

als bei Männern, wo im Gegensatz dazu "vielleicht [...] Männer an wirtschaftlichen<br />

D<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> an technischen D<strong>in</strong>gen mehr Interesse haben" (Int_m1, Z. 58). Das<br />

Männerbild wird mit dem Satz e<strong>in</strong> "Indianer kennt ke<strong>in</strong>en Schmerz" beschrieben, womit<br />

<strong>der</strong> Sozialisationsaspekt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehung e<strong>in</strong>gebracht wird als möglicher Grund dafür,<br />

dass "Männer selbst zu ihren Gefühlen sehr wenig Zugang haben im Allgeme<strong>in</strong>en"<br />

(Int_m1, Z. 62). In e<strong>in</strong>em Zug werden aber auch Emotionalität und <strong>der</strong> Umgang mit den<br />

eigenen Gefühlen als Grundvoraussetzung für die Arbeit mit Menschen genannt.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit klar vom<br />

Berufsstand <strong>der</strong> PsychologInnen und <strong>der</strong> Pflege abgegrenzt wird, also <strong>von</strong> zwei<br />

weiteren frauendom<strong>in</strong>ierten Berufsfel<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Arbeit. Ausbildung und<br />

61


Fachwissen werden <strong>in</strong> diesem Interview mehrmals angesprochen, teilweise auch<br />

spezifisch ausgeführt, <strong>der</strong> Fokus liegt aber auf Persönlichkeitsmerkmalen als<br />

Qualitätskriterien <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit. Insgesamt wird die Arbeit als emotional und<br />

selbstreflexiv beschrieben.<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit <strong>in</strong> Bil<strong>der</strong>n (Int_m2)<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass die befragte Person nicht direkt <strong>in</strong> den Betreuungsprozess<br />

<strong>der</strong> KlientInnen e<strong>in</strong>gebunden ist, die SozialarbeiterInnen <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> jedoch direkt bei <strong>der</strong><br />

Arbeit beobachtet, werden Beschreibungen <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen und <strong>der</strong> Sozialarbeit<br />

hauptsächlich durch Leitbil<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gegeben. Es wurden bei dem Gespräch <strong>in</strong>sgesamt<br />

fünf verschiedene Leitbil<strong>der</strong> angesprochen: Die Leitbil<strong>der</strong> des Anwalts, <strong>der</strong> Schwester,<br />

<strong>der</strong> Hausfrau, <strong>der</strong> Mutter und des Vaters. Die beiden Leitbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mutter und des<br />

Vaters zeigen sich <strong>in</strong> manchen Stellen des Interviews komb<strong>in</strong>iert, <strong>in</strong> Form des Bildes<br />

<strong>der</strong> Elternschaft; an diesen Stellen wird auf Punkte <strong>der</strong> Erziehung e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Die Darstellung <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen als Anwälte <strong>der</strong> KlientInnen zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Erklärung <strong>der</strong> Aufgabengebiete, die die befragte Person gibt. Gleich an erster Stelle<br />

wird im Interview da<strong>von</strong> gesprochen, dass es Aufgabe des Sozialdienstes ist, sich um<br />

Rechte und Pflichten <strong>der</strong> KlientInnen zu kümmern: nämlich, die Klienten darüber<br />

aufzuklären, dass sie neben Rechten auch Pflichten haben, und es weiters Aufgabe ist,<br />

bestehende Rechte e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n (vgl. Int_m2, Z. 9). Die Rolle <strong>der</strong> Eltern wird auf<br />

unterschiedliche Weise angesprochen. Zum e<strong>in</strong>en als Erziehungsrolle, <strong>in</strong>dem<br />

SozialarbeiterInnen D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Gesprächen auch „richtig stellen“ o<strong>der</strong> Leute „<strong>in</strong> die<br />

Schranken weisen“ (Int_m2, Z. 17) und zum an<strong>der</strong>en als Ersatz für Angehörige <strong>der</strong><br />

KlientInnen. So wird beschrieben, dass vom Sozialdienst Aufgaben übernommen<br />

werden, die eigentlich <strong>von</strong> Familienangehörigen übernommen werden sollten. Diese<br />

Funktionsübernahme zeigt sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>s im häuslichen Bereich (Müllberge aus<br />

Wohnungen entsorgen, Wohnungen räumen), wodurch über die sprachliche Verb<strong>in</strong>dung<br />

<strong>von</strong> Haushaltsführung und Weiblichkeit vor allem das Bild <strong>der</strong> Mutter und Hausfrau<br />

angesprochen wird. Das vierte Leitbild, das <strong>der</strong> Schwester, wird anhand <strong>von</strong> Gedanken<br />

über die hierarchische Stellung <strong>der</strong> Sozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> angesprochen. Die<br />

Sozialarbeit wird als re<strong>in</strong> ausführendes Organ beschrieben, die<br />

Entscheidungskompetenzen liegen laut Aussage des Interviewpartners bei <strong>der</strong><br />

62


Ärzteschaft. Diese Hierarchiebeschreibung kommt <strong>in</strong> folgen<strong>der</strong> Interviewstelle zum<br />

Ausdruck:<br />

„Was ich so mitkriege, kriegt die Sozialarbeit vom Primar o<strong>der</strong> vom<br />

behandelnden Arzt e<strong>in</strong>en Auftrag, da wird beschlossen da wäre e<strong>in</strong> Heim<br />

anzuschauen […] und im Endeffekt sagt <strong>der</strong> behandelnde Arzt dann: den<br />

Patienten kennen sie eh, das ist zumutbar, betreutes Wohnen, Pflegeheim<br />

[…], und jetzt schauen sie, dass sie ihn irgendwo unterbr<strong>in</strong>gen“ (Int_m2 Z.<br />

23-25)<br />

Es wird also e<strong>in</strong>e betreuende und helfende Position und Arbeit beschrieben, die jedoch<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Ärzteschaft überwacht und <strong>in</strong>itiiert wird, und die somit e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> ausführende<br />

Tätigkeit ist, analog zur Beschreibung des Leitbildes <strong>der</strong> Schwester aus dem Punkt<br />

„Auswertungskriterien“.<br />

E<strong>in</strong> zweiter wichtiger Teil des Interviews dreht sich um Ausbildung und Kompetenzen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit. Es werden e<strong>in</strong>erseits klare Anfor<strong>der</strong>ungen an das Wissen <strong>der</strong><br />

SozialarbeiterInnen gestellt (Sozialrechtliches Wissen, sowie Aufbau <strong>der</strong> behördlichen<br />

Struktur) auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite werden diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit aber nicht direkt beobachtet.<br />

Die Beschreibung <strong>der</strong> Methoden <strong>der</strong> Sozialarbeit ist auf <strong>der</strong> Ebene e<strong>in</strong>es „normalen<br />

Gesprächs“ (Int_m2, Z. 19) angesiedelt. Es bestehen aber Vermutungen, dass es noch<br />

mehr Kompetenzen gibt, die SozialarbeiterInnen während ihrer Ausbildung erlernen, da<br />

die SozialarbeiterInnen ja „nicht umsonst drei Jahre <strong>in</strong> die Schule gehen“ (Int_m2, Z.<br />

51). Weiters wird <strong>in</strong> diesem Interview das e<strong>in</strong>zige Mal ausgesprochen, dass<br />

Eigenschaften wie beispielsweise Geduld alle<strong>in</strong>e noch nicht ausreichen, um gute<br />

Sozialarbeit leisten zu können. Neben diesen wichtigen Eigenschaften muss auch noch<br />

das entsprechende Wissen vorhanden se<strong>in</strong>, um den KlientInnen professionell helfen zu<br />

können.<br />

Auf die Frage nach Männern und Frauen im Sozialdienst wird die Sozialarbeit als „e<strong>in</strong><br />

bisserl e<strong>in</strong> Frauenberuf“ (Int_m2, Z. 63) beschrieben. Diese Zuordnung ergibt sich für<br />

den Befragten e<strong>in</strong>erseits daraus, dass „<strong>der</strong> Umgang mit Menschen o<strong>der</strong> mit Patienten<br />

und den Kranken“ näher an <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Frauen liegt, und Männer müssen „schon fast<br />

[dazu] geboren se<strong>in</strong>, sowas zu machen“ (Int_m2, Z. 63-73). Es wird <strong>in</strong> weiterer Folge<br />

e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung beschrieben, die im Laufe <strong>der</strong> Zeit stattfand. So waren früher noch<br />

viel weniger Männer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit tätig; diese Verän<strong>der</strong>ung wird durch e<strong>in</strong>e „neue<br />

63


Generation“ und die „jungen Männer“ erklärt, jedoch werden ke<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ungen an<br />

<strong>der</strong> Arbeit an sich wahrgenommen.<br />

Geschichte <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> (Int_m3)<br />

Dieses Interview hatte die Geschichte <strong>der</strong> Sozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> zum Thema. Da <strong>der</strong><br />

Interviewpartner schon seit mehreren Jahrzehnten an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> beschäftigt ist konnten<br />

e<strong>in</strong>ige Unterschiede zwischen damals und heute festgemacht werden. Interessant ist die<br />

Tatsache, dass die Sozialarbeit <strong>von</strong> dem Befragten früher nicht als<br />

„Frauenarbeit“ gesehen wurde, bzw. dass er nicht „glaubt, dass die sozialarbeiterische<br />

Tätigkeit so [als Frauenberuf] angefangen hat“ (Int_m3, Z. 42). Aus dem Gespräch<br />

können – analog zu den Auswertungskriterien – die nachstehenden Gründe hierfür<br />

genannt werden, die jeweils auch e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeit <strong>von</strong> damals (vor ca. 30<br />

Jahren) und heute beschreiben.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> früher herrschenden Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen – es gab mehr zu betreuende<br />

Patienten und weniger Personal auf allen Ebenen (Ärzteschaft, Pflegschaft und im<br />

Sozialdienst) – war e<strong>in</strong>e Betreuung <strong>in</strong> <strong>der</strong> heute üblichen Form nicht möglich. Hier wird<br />

das Leitbild des Feuerwehrmannes angesprochen, <strong>in</strong>dem beschrieben wird, dass <strong>der</strong><br />

Sozialdienst früher hauptsächlich als soziale Feuerwehr agiert hat, bzw. agieren musste:<br />

„Das heißt, wir waren früher wirklich gezwungen, nur das Notwenigste zu<br />

tun, o<strong>der</strong> tun zu lassen, genauer gesagt. Alles was notwendig ist für e<strong>in</strong>en<br />

Patienten, <strong>der</strong> kurz vor <strong>der</strong> Entlassung steht und ke<strong>in</strong> Zuhause hat.<br />

Wohnraum beschaffen o<strong>der</strong> Vermittlung, das war das Wichtigste. Aber alles<br />

was da rund herum ist, sei es e<strong>in</strong>richten, sei es Kontakt zur Familie, das ist<br />

nicht mehr gegangen. Das heißt, dass wir D<strong>in</strong>ge wie „bitte würden sie dann<br />

Kontakt mit <strong>der</strong> Familie aufnehmen, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Behörde“ gar nicht gesagt<br />

haben. O<strong>der</strong> mit Sozialarbeitern draußen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Peripherie. Das ist alles<br />

nicht gewesen, weil das nicht gegangen wäre.“ (Int_m3, Z. 46)<br />

Gleichzeitig wird hier implizit auch das damals herrschende hierarchische Verhältnis<br />

<strong>von</strong> Befehlsempfänger (Sozialdienst) und Befehlsgeber (Ärzteschaft) angesprochen, auf<br />

das später noch e<strong>in</strong>gegangen wird. Auch die Unterscheidung zwischen strukturellorganisatorischer<br />

und praktischer Arbeit kann hier wie<strong>der</strong> gefunden werden.<br />

Beziehungsarbeit im heutigen S<strong>in</strong>ne, unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Angehörigen war früher<br />

64


nicht möglich und somit auch nicht Aufgabengebiet des Sozialdienstes. Die Arbeit des<br />

Sozialdienstes vor 30 Jahren wird als primär organisatorisch und im Vergleich zum<br />

Auswertungskriterium „Strukturelle und praktische Arbeit“ als männlich beschrieben.<br />

Als dritte Erklärungsmöglichkeit für die Aussage, dass die Sozialarbeit früher – im<br />

Gegensatz zu heute – nicht als Frauenarbeit gesehen wurde, bietet sich an, dass die<br />

persönliche Betreuung <strong>der</strong> KlientInnen und auch <strong>der</strong>en Angehörigen dem Sozialdienst<br />

erst <strong>in</strong> den letzten 10 bis 15 Jahren möglich wurde. Der Wandel weg <strong>von</strong> <strong>der</strong> re<strong>in</strong><br />

organisatorischen Arbeit h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er praktischen Betreuungsarbeit vollzog sich aus <strong>der</strong><br />

Sicht des Interviewpartners Hand <strong>in</strong> Hand mit dem Wandel vom „Nicht<br />

Frauenberuf“ zum „Frauenberuf“ Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

Zusammenfassend werden folgende Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit früher und heute<br />

gesehen, die dafür verantwortlich se<strong>in</strong> könnten, dass <strong>der</strong> Interviewpartner die<br />

Sozialarbeit früher nicht als Frauenberuf gesehen hat:<br />

1. Früher wurde die Sozialarbeit aufgrund <strong>der</strong> begrenzten Zeit- und<br />

Personalressourcen hauptsächlich als organisatorische Tätigkeit gesehen.<br />

2. Aus dem gleichen Grund – den fehlenden Ressourcen – konnte <strong>der</strong> Sozialdienst<br />

nur als „Feuerwehr“ agieren. Nur die dr<strong>in</strong>gendsten Fälle wurden bearbeitet.<br />

3. Der Schwerpunkt <strong>der</strong> persönlichen Betreuung <strong>der</strong> PatientInnen und <strong>der</strong><br />

Angehörigen bildete sich erst <strong>in</strong> den letzten 10 bis 15 Jahren heraus.<br />

Parallel zu diesen drei Punkten verän<strong>der</strong>te sich über die Zeit auch das<br />

Hierarchieverhältnis. So wurden die BefehlsempfängerInnen <strong>von</strong> früher zu heute<br />

„wertvollen MitarbeiterInnen“ (Int_m3, Z. 52-56). Es wird klar ausgedrückt, dass dieser<br />

Wandel auf <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Arbeit basiert, jedoch werden ke<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong><br />

Arbeitsweisen angeführt. Alle angeführten Gründe s<strong>in</strong>d auf die Person des<br />

Sozialarbeiters / <strong>der</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong> bezogen. So me<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Interviewpartner, dass<br />

„durch die Personen die jetzt ansche<strong>in</strong>end diesen Beruf ergreifen“ (Int_m3, Z. 58) dieser<br />

Wandel herbeigeführt wird, und dass es sicherlich Än<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung<br />

gegeben hat, welche aber nicht näher ausgeführt werden können. Auch <strong>in</strong> diesem<br />

Interview trifft man also wie<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>e Personalisierung <strong>von</strong> Erfolg: Die Qualität <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit steigt hauptsächlich durch die Persönlichkeiten im Sozialdienst, nicht durch<br />

Kompetenzen o<strong>der</strong> Ausbildungen <strong>der</strong> MitarbeiterInnen des Sozialdienstes.<br />

65


Auf die Frage, ob unterschiedliche Herangehensweisen <strong>von</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Sozialarbeitern, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit und im Umgang mit PatientInnen sichtbar wären, trifft <strong>der</strong><br />

Befragte die Unterscheidung, dass Frauen – vor allem jene, die selbst auch Mütter s<strong>in</strong>d<br />

– die Nöte und Sorgen <strong>der</strong> PatientInnen besser „verstehen“ würden, woh<strong>in</strong>gegen<br />

Männer „pflichtgemäß“ arbeiten würden (vgl. Int_m3, Z. 36). So wird wie<strong>der</strong> das<br />

Leitbild <strong>der</strong> Mutter zur Beschreibung <strong>von</strong> Teilaspekten <strong>der</strong> Sozialarbeit herangezogen.<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als Beziehungsarbeit (Int_w3)<br />

Im Mittelpunkt dieses Interviews steht die sehr persönliche Arbeitsbeziehung zwischen<br />

<strong>der</strong> Sozialarbeit und <strong>der</strong> Station <strong>der</strong> Befragten. Diese Vertrautheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsbeziehung<br />

– die sich auf <strong>der</strong> persönlichen Ebene als Freundschaft zeigt – zieht sich<br />

durch die meisten im Interview angesprochen Themen. So wurde <strong>in</strong> diesem Gespräch<br />

<strong>von</strong> Seiten <strong>der</strong> befragten Person nicht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Sozialarbeiter<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Sozialarbeiter gesprochen, son<strong>der</strong>n <strong>von</strong> <strong>der</strong> Person A (die Person wurde mit dem<br />

Vornamen genannt). Die Beschreibung <strong>von</strong> Sozialarbeit an sich, Arbeitsmethoden<br />

sowie Eigenschaften und Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit waren hauptsächlich<br />

Beschreibungen <strong>von</strong> Person A. und <strong>der</strong> freundschaftlichen Beziehung mit ihr. Sowohl<br />

Qualität <strong>der</strong> Arbeit als auch Methodik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit werden über persönliche<br />

Eigenschaften <strong>der</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong> / des Sozialarbeiters def<strong>in</strong>iert.<br />

Den Grundtenor dieses Gesprächs gibt folgende Stelle wie<strong>der</strong>: „Wenn er [e<strong>in</strong><br />

Sozialarbeiter / e<strong>in</strong>e Sozialarbeiter<strong>in</strong>] diese Fähigkeiten mitbr<strong>in</strong>gt, die ich beschrieben<br />

habe [Menschlichkeit, Herzlichkeit und Teamfähigkeit], dann liegt er, denke ich, richtig.<br />

Kompetenz h<strong>in</strong>, Kompetenz her.“ (Int_w3, Z. 93). Eigenschaften, die<br />

SozialarbeiterInnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit haben sollen, werden also re<strong>in</strong> auf<br />

emotionaler Ebene beschrieben und als ausreichend für e<strong>in</strong>e professionelle und<br />

qualitativ hochwertige Arbeit gesehen. Kompetenzen können nicht genannt werden, da<br />

die Interviewpartner<strong>in</strong> sagt: „bei mir fallt das eigentlich alles eher unter Eigenschaften.<br />

Ich denk mir, wenn man diese Eigenschaften mitbr<strong>in</strong>gt, kommt alles an<strong>der</strong>e eben mit<br />

<strong>der</strong> Praxis.“ (Int_w3, Z. 29). In kurzen Worten: Eigenschaften und<br />

Persönlichkeitsmerkmale werden <strong>in</strong> diesem Fall als essentiell und vor allem wichtiger<br />

als erlernte Kompetenzen beschrieben.<br />

66


Funktionell wird <strong>der</strong> Sozialdienst als Vermittlungsposition <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> gesehen. Die<br />

SozialarbeiterInnen agieren als VermittlerInnen zwischen PatientInnen bzw. <strong>der</strong>en<br />

Angehörigen, <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> und E<strong>in</strong>richtungen, die die Nachversorgung <strong>von</strong> PatientInnen<br />

übernehmen. Durch diese Rolle wird dem Sozialdienst <strong>von</strong> <strong>der</strong> Gesprächpartner<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

sehr verantwortungsvolle Stellung zugeschrieben. Auf die konkrete Frage nach <strong>der</strong><br />

Stellung <strong>der</strong> Sozialarbeit an <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik antwortet die Interviewpartner<strong>in</strong> folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Ohne Sozialarbeit würden wir schön dastehen. Weil wir könnten dann zum<br />

Beispiel die Patient<strong>in</strong> gar nicht entlassen, weil wir oft gar nicht wissen<br />

woh<strong>in</strong>. Wenn die Patient<strong>in</strong> dann nach Hause geht, legt uns die A.<br />

[SozialarbeiterIn <strong>der</strong> Station] die Schiene, dass sie weiter betreut wird. Also<br />

die Vermittler<strong>in</strong> zwischen dem Krankenhaus und dem Leben da draußen.<br />

Ohne Sozialarbeiter wüssten wir oft gar nicht, woh<strong>in</strong> wir unsere Leute<br />

geben sollen.“ (Int_w3, Z. 78)<br />

Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit bewegt sich <strong>in</strong> dieser Beschreibung also im Spannungsfeld<br />

zwischen starker E<strong>in</strong>gebundenheit <strong>in</strong> das multiprofessionelle Team und kompletter<br />

Autonomie des Arbeitsgebietes, denn sie „lauft neben dem normalen<br />

Stationsbetrieb“ (Int_w3, Z. 16).<br />

Der Umstand, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit so wenige Männer arbeiten, ergibt sich für<br />

die Befragte aus <strong>der</strong> Tatsache, dass es sich bei <strong>der</strong> Sozialarbeit um e<strong>in</strong>en Frauenberuf<br />

handelt, da „mit Menschen zu arbeiten ja eigentlich aus <strong>der</strong> Frau entstanden ist“ (Int_w3,<br />

Z. 49). Auch hier kommt es wie<strong>der</strong> zur Zuschreibung <strong>von</strong> naturgegebenen<br />

Kompetenzen an Frauen. Der Wunsch nach mehr Männern <strong>in</strong> diesem Arbeitsgebiet wird<br />

aber vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegengeschlechtlichen Betreuung geäußert, da <strong>in</strong> dieser<br />

Betreuungsform am meisten Vorteile gesehen werden. Das Geschlecht wird hier <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em speziellen Sett<strong>in</strong>g als qualitätssteigernd gesehen, jedoch nicht als<br />

Qualitätskriterium an sich.<br />

Empathie als Methode (Int_m4)<br />

Der zentrale Begriff dieses Gesprächs ist Beziehung bzw. Beziehungsarbeit. Der<br />

Interviewpartner sieht die Beziehungsarbeit nicht nur als Methode <strong>der</strong> Sozialarbeit,<br />

son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch als zentralen Aufgabenbereich.<br />

67


„Ansonsten denk ich mir, macht <strong>der</strong> soziale Dienst so ähnliche Sachen wie<br />

wir. Wir versuchen auf <strong>der</strong> Beziehungsebene Hilfe anzubieten, wir<br />

versuchen den Leuten auf <strong>der</strong> Beziehungsebene – mit viel Empathie – zu<br />

begegnen und dort zu schauen, dass sie wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Rhythmus im Leben<br />

f<strong>in</strong>den.“(Int_m3, Z. 14)<br />

Den KlientInnen auf <strong>der</strong> Beziehungsebene zu begegnen wird also als Ziel und Methode<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit def<strong>in</strong>iert, und somit wird e<strong>in</strong> strategischer E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong><br />

Empathie und Emotion beschrieben. E<strong>in</strong> methodischer Ansatz <strong>von</strong> Empathie, Emotion<br />

und Beziehungsarbeit f<strong>in</strong>det sich nur <strong>in</strong> diesem Interview. Der Gesprächspartner<br />

beschreibt, dass es unterschiedliche Ausformungen <strong>von</strong> Beziehungsarbeit gibt: so kann<br />

zum Beispiel die Arbeit <strong>von</strong> SozialarbeiterInnen entwe<strong>der</strong> mehr „strategisch“ se<strong>in</strong>, o<strong>der</strong><br />

mehr auf den „Kontakt zu den Leuten“ fokussiert se<strong>in</strong> (vgl. Int_m2, Z. 20). Diese<br />

beiden Ausprägungen können analog zu dem Auswertungskriterium „strukturelle und<br />

praktische Arbeit“ als männliche und weibliche Ausprägung verstanden werden.<br />

Geme<strong>in</strong>t ist damit: „Kontakt zu den Leuten“ als Zeichen praktischer und direkter<br />

KlientInnenarbeit und „strategisch se<strong>in</strong>“ als Arbeit auf <strong>in</strong>stitutioneller Ebene.<br />

Obwohl Emotion und Empathie als Strategie und Methode beschrieben werden, spricht<br />

sie <strong>der</strong> Interviewpartner dennoch hauptsächlich Frauen zu, denn auch <strong>in</strong> diesem<br />

Interview wird die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als Frauenberuf beschrieben. Gründe die hierfür<br />

genannt werden s<strong>in</strong>d, dass:<br />

(1) „Männer sich e<strong>in</strong> bisserl schwer tun über ihre Gefühle zu sprechen“ (Int_m4, Z.<br />

54)<br />

(2) Männer Selbsterfahrung als Teil <strong>der</strong> Ausbildung nicht „packen“ (Int_m4, Z. 56)<br />

(3) Man(n) sich <strong>in</strong> Ausbildung und Arbeit vielen Themen zuwenden muss, die<br />

typische „Frauenthemen“ s<strong>in</strong>d (vgl. Int_m4, Z. 56)<br />

Man trifft also auf die Zuschreibung „natürlicher Kompetenzen“, wie über Emotionen<br />

sprechen zu können, zum Weiblichen, und strategisch–rationales Denken und Arbeiten<br />

zum Männlichen. Deutlich erkennbar wird diese Zuschreibung <strong>in</strong> folgen<strong>der</strong><br />

Gesprächspassage:<br />

„…dass ich sage „ja ich wende mich bestimmten Themen zu“ ist bei Frauen<br />

auf <strong>der</strong> sozial-emotionalen Ebene vielleicht e<strong>in</strong> bisserl ausgeprägter. Ich<br />

kann mir das auch gut durch die biologische Entwicklung vorstellen. […]<br />

68


Also Frauen s<strong>in</strong>d bei den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n näher, sie müssen mehr Emotionen<br />

zeigen, sie tragen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit sich herum, sie s<strong>in</strong>d, was das betrifft,<br />

e<strong>in</strong>fach <strong>von</strong> Natur aus mehr an Beziehung <strong>in</strong>teressiert. Und das alle<strong>in</strong> schon<br />

durch die Erziehung, ich glaub das determ<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong>fach alles.“ (Int_m4, Z.<br />

61-63)<br />

Im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen werden Kompetenzen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

essentiell s<strong>in</strong>d, teilweise als Schwächen gewertet. So wäre es als Manager<br />

unpassend „das Weibliche“ <strong>in</strong> sich zuzulassen, da man nicht mehr dem Bild e<strong>in</strong>es<br />

erfolgreichen Managers entsprechen würde (vgl. Int_m4, Z. 63). Das führt beim<br />

Gesprächspartner jedoch nicht zu e<strong>in</strong>em defizitären Männerbild <strong>der</strong> Sozialarbeiter,<br />

son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen. So s<strong>in</strong>d nicht das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es<br />

empathischen Grundvermögens o<strong>der</strong> das Ausstrahlen <strong>in</strong>neren Ruhe bei Sozialarbeitern<br />

auffällig, son<strong>der</strong>n das Fehlen solcher Kompetenzen bei Männern, die sich bewusst<br />

e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Beruf zuwenden.<br />

Bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Aufgabengebiete und Tätigkeitsbereiche wird die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Allzuständigkeitsposition beschrieben. Durch Sätze wie „da gibt es<br />

sicher auch D<strong>in</strong>ge die ich nicht weiß“ o<strong>der</strong> „e<strong>in</strong>en Sozialarbeiter kann je<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

irgende<strong>in</strong>er Form brauchen, wenn er da e<strong>in</strong>en Aufenthalt hat“ erkennt man, dass die<br />

Aufgabengebiete des Sozialdienstes – für an<strong>der</strong>e Berufsgruppen des <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Teams – nicht klar abgesteckt s<strong>in</strong>d, denn es gibt viele Phantasien, was neben den<br />

sichtbaren Aufgaben noch weitere Tätigkeitsbereiche s<strong>in</strong>d, die <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit abgedeckt werden.<br />

69


Interpretation <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

Die Interpretation <strong>der</strong> Ergebnisse aus den Interviews erfolgt über das Raster <strong>der</strong><br />

Auswertungskriterien. Im folgenden Abschnitt werden alle Kriterien, die zur Analyse<br />

<strong>der</strong> Interviews herangezogen wurden, e<strong>in</strong>zeln behandelt.<br />

Wenn <strong>in</strong> diesem Kapitel Teile <strong>der</strong> Arbeit als weiblich o<strong>der</strong> männlich bezeichnet werden,<br />

so ist damit ke<strong>in</strong>esfalls geme<strong>in</strong>t, dass diese Arbeiten lediglich <strong>von</strong> Frauen o<strong>der</strong> Männern<br />

ausgeführt werden, ausgeführt werden können o<strong>der</strong> ausgeführt werden sollten. Auch<br />

wird ke<strong>in</strong> Bezug zur Aufteilung <strong>von</strong> Arbeiten <strong>in</strong>nerhalb des Sozialdienstes <strong>der</strong> <strong>LSF</strong><br />

hergestellt. Mit männlich und weiblich ist die sprachliche <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> geme<strong>in</strong>t, also welcher Geschlechterrolle bestimmte Arbeitsgebiete<br />

o<strong>der</strong> Tätigkeitsbereiche <strong>in</strong> unserer Gesellschaft zugeordnet werden.<br />

Strukturelle und praktische Arbeit<br />

Aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews ist bereits deutlich zu erkennen, dass bei <strong>der</strong><br />

Beschreibung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit e<strong>in</strong>erseits große Unterschiede, an<strong>der</strong>erseits auch<br />

viele Geme<strong>in</strong>samkeiten und Parallelen zu Tage treten. Auf eben diese Unterschiede und<br />

Parallelen wird <strong>in</strong> diesem Abschnitt e<strong>in</strong>gegangen, um so zu e<strong>in</strong>er Interpretation <strong>der</strong><br />

<strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu<br />

gelangen.<br />

Die Beschreibung <strong>der</strong> strukturellen Arbeit als männlicher Teil und <strong>der</strong> direkten<br />

KlientInnenarbeit als weiblicher Teil <strong>der</strong> Arbeit des Sozialdienstes zieht sich wie e<strong>in</strong><br />

roter Faden durch alle Interviews. Die E<strong>in</strong>igkeit <strong>in</strong> den Aussagen lässt allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

den Schluss zu, dass die Aufgaben <strong>in</strong>nerhalb des Sozialdienstes zwischen Männern und<br />

Frauen entlang <strong>der</strong> Trennl<strong>in</strong>ie strukturell-praktisch aufgeteilt s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n ist so zu<br />

verstehen, dass diese Arbeitsgebiete eher dem e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> dem an<strong>der</strong>en Geschlecht<br />

zugeordnet werden.<br />

So wird die direkte KlientInnenarbeit meist als betreuend formuliert und über das<br />

Leitbild <strong>der</strong> Mutter beschrieben, woh<strong>in</strong>gegen zur Beschreibung struktureller Arbeit<br />

mehr männliche Leitbil<strong>der</strong> verwendet wurden.<br />

E<strong>in</strong> Interviewpartner (Int_m3) verdeutlicht anhand des geschichtlichen Werdeganges<br />

des Sozialdienstes sehr anschaulich den Wandel <strong>von</strong> <strong>der</strong> vormals eher männlich<br />

70


strukturellen Sozialarbeit h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er betreuenden, klientennahen und eher weiblichen<br />

Sozialarbeit.<br />

Weniger E<strong>in</strong>igkeit als bei <strong>der</strong> geschlechterspezifischen Zuordnung <strong>der</strong><br />

Aufgabenbereiche <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit herrscht im Bezug auf die Frage<br />

nach <strong>der</strong> prozentuellen Aufteilung <strong>von</strong> struktureller und praktischer Arbeit. Vergleicht<br />

man die vorliegenden <strong>von</strong> den Interviewpartnern gemachten Angaben, so kann auf<br />

<strong>der</strong>en Grundlage ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Aussage getroffen werden. Der Anteil <strong>der</strong><br />

KlientInnenarbeit reicht <strong>von</strong> „e<strong>in</strong>em Drittel“ bis zu „e<strong>in</strong>em Großteil“ <strong>der</strong><br />

Gesamtarbeitszeit <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen.<br />

Die Interviews spiegeln auch die allgeme<strong>in</strong> herrschende Unklarheit wi<strong>der</strong>, wenn es um<br />

die hierarchische Stellung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, Arbeitsweisen sowie um<br />

Aufgabengebiete des Sozialdienstes geht.<br />

So werden strukturelle Tätigkeiten hierarchisch höher e<strong>in</strong>geordnet als betreuende<br />

Arbeiten. Der Sozialdienst <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> wird hierarchisch entwe<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Pflege<br />

gleichgestellt, o<strong>der</strong> die hierarchische Position wird über Management- und<br />

Organisationstätigkeiten def<strong>in</strong>iert.<br />

Aufgabengebiete werden viele genannt, jedoch haben viele <strong>der</strong> InterviewpartnerInnen<br />

das Gefühl, dass <strong>der</strong> Sozialdienst noch weitere Aufgaben zu erledigen hat, die aber nicht<br />

bekannt s<strong>in</strong>d. Arbeitsweisen werden im Bereich <strong>der</strong> strukturellen Arbeit nur sehr<br />

spärlich beschrieben, die sieben GesprächspartnerInnen widmen die meiste Zeit des<br />

Gesprächs <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> KlientInnenarbeit. Die betreuende Arbeit wird als<br />

zentraler Punkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wahrgenommen und daher als sehr wichtig<br />

dargestellt. So werden beispielsweise Kompetenzen hauptsächlich für diesen Bereich<br />

<strong>der</strong> Arbeit angeführt und benannt. Emotionalen Eigenschaften wie Empathie, Geduld,<br />

Neugierde o<strong>der</strong> Philanthropie, die allesamt wichtig s<strong>in</strong>d für die direkte<br />

KlientInnenarbeit, stehen nur wenige Kompetenzen gegenüber, die als wichtig für die<br />

strukturelle Arbeit genannt werden; diese beziehen sich meist auf rechtliches Wissen.<br />

Angeborene Eigenschaften und erlernte Kompetenzen / Facharbeit<br />

und ungelernte Arbeit<br />

Hier muss unterschieden werden zwischen <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Ausbildung <strong>von</strong><br />

SozialarbeiterInnen und <strong>der</strong> für die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wichtigen Kompetenzen. Die<br />

71


Ausbildung wird teils als wissenschaftlich beschrieben, Inhalte können nur<br />

fragmentarisch genannt werden. Kompetenzen werden jedoch fast ausschließlich<br />

emotional und unspezifisch wie<strong>der</strong>gegeben. Wie bereits beschrieben, werden<br />

Kompetenzen hauptsächlich für den Bereich <strong>der</strong> praktischen Arbeit genannt, während<br />

Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung hauptsächlich den strukturellen Bereich <strong>der</strong> Arbeit –<br />

theoretisches Wissen vor allem aus den Bereichen Rechtskunde, Soziologie und<br />

Psychologie – beschreiben. Während die Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung als erlernbar deklariert<br />

werden, s<strong>in</strong>d die benötigten Kompetenzen laut den InterviewpartnerInnen nicht o<strong>der</strong> nur<br />

schwer erlernbar, sie werden fast ausschließlich über Lebens- und Berufserfahrung<br />

angeeignet.<br />

In <strong>der</strong> Beschreibung kommt es also zu e<strong>in</strong>er Diskrepanz zwischen Lern<strong>in</strong>halten und<br />

benötigten Kompetenzen, o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Worten ausgedrückt, zur Diskrepanz<br />

zwischen e<strong>in</strong>em, sprachlich, männlich beschriebenen Ausbildungs<strong>in</strong>halt und e<strong>in</strong>em<br />

weiblichen beschriebenen Arbeitsfeld. Im Kontext <strong>der</strong> Professionalisierung <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit wird sichtbar, warum die Ausbildung <strong>von</strong> SozialarbeiterInnen zunehmend<br />

wissenschaftlich o<strong>der</strong> „männlich“ beschrieben wird. E<strong>in</strong> Charakteristikum <strong>von</strong><br />

Professionalisierungsprozessen <strong>in</strong> frauendom<strong>in</strong>ierten Berufsfel<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong>e Steigerung<br />

des Männeranteils <strong>in</strong> den entsprechenden Berufen. In dem Maß <strong>in</strong> dem sich die<br />

Ausbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit die letzen Jahren verän<strong>der</strong>t hat – <strong>von</strong> <strong>der</strong> Sozialakademie<br />

zur Fachhochschule; vom Diplomabschluss zur akademischen Ausbildung – haben sich<br />

auch die Beschreibung <strong>der</strong> Sozialarbeit und die Beschreibung <strong>der</strong> Ausbildung verän<strong>der</strong>t.<br />

Sichtbar wird das <strong>in</strong> jenen Interviewstellen, <strong>in</strong> denen die Rede <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er „jungen<br />

Generation“ (Int_m2, Z. 63) o<strong>der</strong> <strong>von</strong> Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung (Int_m3 Z. 50-<br />

52) ist; auch wird angeführt, dass <strong>in</strong> letzter Zeit mehr Männer <strong>in</strong> dieses Berufsfeld<br />

kommen (wenn auch immer noch sehr wenige). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite werden die<br />

genannten emotionalen Kompetenzen eher Frauen zugeschrieben, was die<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, im Gegensatz zur Ausbildung, weiblich prägt. Durch diese als<br />

„natürliche Kompetenzen“ <strong>der</strong> Frau beschriebenen Eigenschaften wird die<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als „passen<strong>der</strong>“ für Frauen beschrieben o<strong>der</strong> als „näher an <strong>der</strong> Natur<br />

<strong>von</strong> Frauen“, woh<strong>in</strong>gegen man als Mann für diese Arbeit „geboren se<strong>in</strong> muss“. Somit<br />

schließt sich <strong>der</strong> Kreis wie<strong>der</strong>, dass Ausbildungen und durch Studium erworbene<br />

72


Kompetenzen männlich belegt s<strong>in</strong>d, woh<strong>in</strong>gegen natürliche Fähigkeiten im<br />

Allgeme<strong>in</strong>en eher auf frauendom<strong>in</strong>ierte Berufe h<strong>in</strong>deuten.<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit, diesen Kreis aufzubrechen, zeigt uns das Interview Empathie als<br />

Methode (Int_m4). In diesem Fall werden die emotionalen Eigenschaften immer noch<br />

Frauen als natürlicher gegeben zugeschrieben als Männern, jedoch wird <strong>der</strong><br />

methodische E<strong>in</strong>satz dieser Fähigkeiten auf e<strong>in</strong>mal erlernbar. Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

wird also e<strong>in</strong> Stück mehr erlernbar und somit e<strong>in</strong> Stück weit weniger aufs Weibliche<br />

beschränkt.<br />

Leitbil<strong>der</strong><br />

Was die verschiedenen Leitbil<strong>der</strong> für die Sozialarbeit angeht, welche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur<br />

existieren, kann e<strong>in</strong>deutig gesagt werden, dass das für die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

vorherrschende Leitbild das <strong>der</strong> Mutter ist. Dieses Leitbild wird <strong>in</strong> sechs <strong>von</strong> sieben<br />

Interviews angesprochen und ist, wie im letzten Punkt schon beschrieben, vor allem für<br />

den Bereich <strong>der</strong> direkten KlientInnenarbeit das Handlungsweisende.<br />

Betrachtet man die unterschiedlichen weiblichen und männlichen Leitbil<strong>der</strong> - die unter<br />

den Auswertungskriterien detailliert aufgelistet s<strong>in</strong>d - fällt auf, dass den männlichen<br />

teilweise Berufe zugeordnet s<strong>in</strong>d, woh<strong>in</strong>gegen alle weiblichen Leitbil<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Bezug<br />

zu Familie o<strong>der</strong> Hausarbeit haben. So spiegelt sich auch <strong>in</strong> den Leitbil<strong>der</strong>n die<br />

Unterscheidung zwischen Facharbeit und ungelernter Arbeit aus dem letzten Punkt<br />

wie<strong>der</strong>. Diese Zuordnung <strong>von</strong> Beruf und Familien- bzw. Hausarbeit f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den<br />

Interviews e<strong>in</strong>deutig ausgedrückt, wenn Männer als „pflichtgemäß“ arbeitend<br />

beschrieben werden, und den Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mehr „Verständnis“ zugesprochen<br />

wird (vgl. Int_m3 Z. 36).<br />

Analog dazu werden die männlichen Leitbil<strong>der</strong> hauptsächlich zum Zweck benutzt, jene<br />

Teile <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu beschreiben, die auch ohne direkten KlientInnenkontakt<br />

bewerkstelligt werden können. Die betreuenden Aspekte <strong>der</strong> Arbeit werden mit<br />

weiblichen Leitbil<strong>der</strong>n verbunden – hauptsächlich mit dem <strong>der</strong> Mutter. In diesem Punkt<br />

treffen sich die beiden Kriterien „strukturelle und praktische Arbeit“ und<br />

„Leitbil<strong>der</strong>“ und ergänzen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auswertung.<br />

E<strong>in</strong> weiterer <strong>in</strong>teressanter Punkt ist die Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> beiden Leitbil<strong>der</strong> Mutter und<br />

Vater. In <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Elternschaft werden durch diese Leitbil<strong>der</strong> die<br />

73


traditionellen Rollenbil<strong>der</strong> unserer Gesellschaft vermittelt. So wird die Arbeit <strong>der</strong><br />

Mutter als sorgend, liebend und Arbeit abnehmend beschrieben, woh<strong>in</strong>gegen <strong>der</strong> Part<br />

des Vaters für Selbständigkeit und selbständiges Arbeiten – im Gruppengespräch mit<br />

den männlichen Sozialarbeitern <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> gar für das sozialarbeiterische Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

„Hilfe zur Selbsthilfe“ – steht.<br />

Auch auf Ebene <strong>der</strong> Leitbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit wird klar, dass sowohl männliche als<br />

auch weibliche Anteile <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit erkannt werden und auch benannt werden<br />

können. Es werden aber auch hier die weiblichen Aspekte <strong>der</strong> Arbeit stärker <strong>in</strong> den<br />

Beschreibungen fokussiert.<br />

Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache / Fachterm<strong>in</strong>i<br />

Es kann klar gesagt werden, dass die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit ke<strong>in</strong>e, nach außen sichtbare o<strong>der</strong><br />

bekannte, eigene Fachsprache entwickelt hat. In den Beschreibungen werden so gut wie<br />

ke<strong>in</strong>e Fachbegriffe verwendet, die direkt mit <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

stehen.<br />

Jedoch muss auch dieses Kriterium <strong>in</strong> drei Ebenen unterteilt werden. Erstens die<br />

Sprache, die SozialarbeiterInnen unter sich und mit KollegInnen des <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Teams verwenden, zweitens die Sprache, die verwendet wird, um über die<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu sprechen und drittens die Sprache, die SozialarbeiterInnen<br />

verwenden, wenn sie mit KlientInnen arbeiten.<br />

Die Sprache, <strong>der</strong>er sich SozialarbeiterInnen bedienen, kann über die Interviews nicht<br />

direkt ausgewertet werden. Durch die Verb<strong>in</strong>dung zur Sprache mit <strong>der</strong> über die<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gesprochen wird, kann jedoch <strong>der</strong> Rückschluss gezogen werden, dass<br />

ke<strong>in</strong>e eigenständige Fachsprache <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit existiert. Würde e<strong>in</strong>e solche<br />

Fachsprache existieren, wären Fachbegriffe und für die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit typische<br />

Ausdrücke <strong>in</strong> die Beschreibungen <strong>der</strong> InterviewpartnerInnen e<strong>in</strong>geflossen.<br />

Was die Sprache angeht, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> direkten KlientInnenarbeit Verwendung f<strong>in</strong>det, so<br />

unterscheidet sie sich nicht <strong>von</strong> <strong>der</strong> Umgangssprache; so wird <strong>in</strong> den Interviews<br />

beschrieben, dass es sich um „ganz normale Gespräche“ (vgl. Int_m2 Z. 16) handle,<br />

wenn SozialarbeiterInnen mit KlientInnen reden.<br />

E<strong>in</strong>e Erklärungsmöglichkeit hierfür ist, dass <strong>der</strong> sozialarbeiterische Grundsatz „sich für<br />

die jeweilige KlientInnengruppe immer verständlich auszudrücken“, sich auf die<br />

74


Kommunikation mit KollegInnen ausgeweitet hat, und sich so ke<strong>in</strong>e parallele<br />

Fachsprache – wie beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> – bilden konnte.<br />

Hauptsächlich werden <strong>in</strong> den Beschreibungen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit und <strong>der</strong><br />

Eigenschaften und Kompetenzen <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen, eher emotionale Wörter<br />

verwendet, die für die Beschreibung <strong>von</strong> Tätigkeiten unspezifisch s<strong>in</strong>d. So erklärt <strong>der</strong><br />

Umstand, dass man empathisch und geduldig arbeitet, ke<strong>in</strong>e Methode o<strong>der</strong><br />

Arbeitshandlung. Die Stellen <strong>in</strong> denen die InterviewpartnerInnen sich differenzierter<br />

ausdrücken und teilweise Fachausdrücke verwenden, zeichnen sich dadurch aus, dass<br />

sie entwe<strong>der</strong><br />

(1) rechtliche Bereiche,<br />

(2) die Ausbildung o<strong>der</strong><br />

(3) e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen ansprechen.<br />

Die direkte KlientInnenarbeit wird, wie schon mehrmals erwähnt, als das Herzstück <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit dargestellt, sie wird jedoch mit e<strong>in</strong>er unspezifischen und stark<br />

emotional geprägten Sprache beschrieben.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Punkt, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e unspezifische Sprache, bzw. e<strong>in</strong>e unklare Abgrenzung<br />

zu an<strong>der</strong>en Berufsgruppen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Arbeit sichtbar wird, ist die öfters angeführte<br />

Allzuständigkeit <strong>der</strong> Sozialarbeit. Durch die Unklarheit <strong>der</strong> tatsächlichen<br />

Aufgabengebiete <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wird dem Sozialdienst an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Allzuständigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form zugesprochen, dass „je<strong>der</strong> <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>en Sozialarbeiter braucht“ (Int_m4 Z. 22). Durch diese Allzuständigkeit wird <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>druck erweckt, die SozialarbeiterInnen hätten nicht Verantwortung für bestimmte<br />

Aufgaben <strong>in</strong> <strong>der</strong> KlientInnenbetreuung, son<strong>der</strong>n für die Gesamtperson <strong>der</strong> KlientInnen.<br />

Der Sozialdienst ist also nicht nur für bestimmte Situationen o<strong>der</strong> Problemfälle, son<strong>der</strong>n<br />

auch für die KlientInnen an sich zuständig. Durch diese Zuständigkeit wird e<strong>in</strong>e<br />

Verb<strong>in</strong>dung zum Leitbild <strong>der</strong> Mutter, bzw. e<strong>in</strong>e Nähe zur Familienarbeit geschaffen.<br />

Zugang zu Ressourcen<br />

Zur Interpretation dieses Kriteriums ist es, wie schon beschrieben, notwendig, e<strong>in</strong>e<br />

Unterteilung <strong>in</strong> Zugang zu und Verwaltung <strong>von</strong> Ressourcen bzw. f<strong>in</strong>anziellen Mitteln<br />

vorzunehmen. Auf Ebene des Zugangs zu f<strong>in</strong>anziellen Mitteln, des Gehalts, s<strong>in</strong>d sich<br />

die InterviewpartnerInnen, bei denen das Thema zur Sprache kam, e<strong>in</strong>ig, dass das<br />

75


Gehalt ger<strong>in</strong>g ist, und dass dieser Umstand <strong>in</strong> weiterer Folge auch mit e<strong>in</strong> Grund ist,<br />

warum so wenige Männer <strong>in</strong> diesem Berufsfeld arbeiten. Auch wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit ke<strong>in</strong>e „Marktnische“ gesehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> man als spezialisierter<br />

Sozialarbeiter / spezialisierte Sozialarbeiter<strong>in</strong> höheres Sozialprestige o<strong>der</strong> höhere<br />

Verdienstmöglichkeiten hat.<br />

Auf Ebene <strong>der</strong> Verwaltung <strong>von</strong> Ressourcen werden h<strong>in</strong>gegen unterschiedlichste Bil<strong>der</strong><br />

wie<strong>der</strong>gegeben. Die Me<strong>in</strong>ungen darüber, ob es f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen gibt, die vom<br />

Sozialdienst verwaltet werden, s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich und reichen <strong>von</strong> „ganz<br />

bestimmt“ bis zu „sicher nicht“. Auffallend ist, dass <strong>in</strong> den Interviews <strong>in</strong> denen dem<br />

Sozialdienst e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzieller Topf unterstellt wurde, auch dem Sozialdienst bzw. den<br />

SozialarbeiterInnen explizit e<strong>in</strong> hohes Ansehen zugeschrieben wurde (vgl. Int_w3,<br />

Int_m3). Die <strong>von</strong> e<strong>in</strong>igen InterviewpartnerInnen angesprochene Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong><br />

Sozialprestige, Gehalt und „Frauen- bzw. Männerberuf“ f<strong>in</strong>det sich also <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beschreibung <strong>der</strong> Ressourcenlage des Sozialdienstes wie<strong>der</strong>. Die Verantwortung über<br />

f<strong>in</strong>anzielle Mittel ist <strong>in</strong> den Interviews mit hohem Ansehen gekoppelt.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit <strong>von</strong> den GesprächspartnerInnen<br />

durchgehend als „Frauenberuf“ klassifiziert, was sich <strong>in</strong> den Aussagen über das Gehalt<br />

<strong>der</strong> SozialarbeiterInnen ausdrückt.<br />

Gefährlich / ungefährlich<br />

In allen Interviews, die diesen Aspekt ansprechen, wurde nur auf die Ausprägung<br />

gefährlich e<strong>in</strong>gegangen. Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wird auf <strong>der</strong> emotionalen und<br />

psychischen Ebene als gefährlich beschrieben, <strong>in</strong>dem konstatiert wird, dass sich<br />

SozialarbeiterInnen schützen müssen – zum Beispiel durch „dicke Haut“ (vgl. Int_m1).<br />

Ungefährlichkeit <strong>der</strong> Arbeit wird an ke<strong>in</strong>er Stelle direkt angesprochen. Bemerkenswert<br />

ist, dass gerade <strong>der</strong> weibliche Teil <strong>der</strong> Arbeit, nämlich das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> eigenen<br />

Emotionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> direkten KlientInnenarbeit, als gefährlich beurteilt wird. Somit wird<br />

gerade jener Teil <strong>der</strong> Arbeit – wertet man das Kriterium <strong>der</strong> Gefährlichkeit als<br />

gen<strong>der</strong>relevant - als für Männer prädest<strong>in</strong>iert beschrieben, <strong>der</strong> durch alle an<strong>der</strong>en<br />

Auswertungskriterien dem Weiblichen zugeschrieben wird.<br />

Die Teilung <strong>in</strong> weibliche und männliche Bereiche <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit vollzieht sich<br />

zu e<strong>in</strong>em großen Teil an <strong>der</strong> Trennl<strong>in</strong>ie zwischen struktureller und praktischer Arbeit –<br />

76


die meisten Auswertungskriterien orientieren sich entlang dieser Grenze. Durch die<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Gefährlichkeit kommt es zu e<strong>in</strong>er Teilung <strong>der</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong><br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> praktischen Arbeit. Somit wird klar, dass es auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

strukturellen und praktischen Arbeit sowohl weibliche als auch männliche<br />

Zuschreibungen gibt. In den Interviews zeigte sich das beispielsweise durch die<br />

Beschreibung <strong>von</strong> strukturellen Arbeiten als „Schriftstücke schreiben“ o<strong>der</strong><br />

„Telefonanrufe“ tätigen (vgl. Int_w1, Int_m3). Hier werden typische<br />

Sekretariatstätigkeiten angesprochen, wobei diese als weiblich gewertet werden (vgl.<br />

Geschlecht des Sekretär<strong>in</strong>nenberufs im Kapitel Auswertungskriterium „Angeborene<br />

Eigenschaften und erlernte Kompetenzen“). Im Gegensatz dazu f<strong>in</strong>den wir das Leitbild<br />

des Vaters auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschreibung <strong>von</strong> betreuenden Tätigkeiten im direkten<br />

KlientInnenkontakt. Trotz dieser „Beidgeschlechtlichkeit“ <strong>der</strong> Arbeitsbereiche bleibt die<br />

Trennung <strong>in</strong> männlich-strukturelle und weiblich-praktische Arbeit aufrecht.<br />

Zusammenfassung<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass <strong>in</strong> den Beschreibungen <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit sowohl männliche als auch weibliche Anteile gesehen und<br />

beschrieben werden. Die zentrale Grenze verläuft zwischen struktureller und praktischer<br />

Arbeit, nach <strong>der</strong> sich fast alle Auswertungskriterien ausrichten. Der Bereich <strong>der</strong><br />

betreuenden KlientInnenarbeit wird <strong>von</strong> <strong>der</strong> Außenperspektive her als wichtigster Teil<br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit beschrieben und vor allem durch das Leitbild <strong>der</strong> Mutter<br />

beschrieben. Durch diese Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Arbeit mit Mütterlichkeit entsteht die starke<br />

weibliche Färbung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit. Sowohl die Weiblichkeit <strong>der</strong> praktischen, als<br />

auch die Männlichkeit <strong>der</strong> strukturellen Arbeit, s<strong>in</strong>d so stark ausgeprägt, dass sie die<br />

jeweils an<strong>der</strong>sgeschlechtlichen Anteile <strong>in</strong> den Arbeitsbereichen <strong>in</strong> den Beschreibungen<br />

überdecken.<br />

Die Hypothese <strong>von</strong> Isolde Albrecht „dass die mo<strong>der</strong>ne Kultursprache für weiblich<br />

tradierte <strong>in</strong>terpersonale Arbeit nicht nur an<strong>der</strong>e, son<strong>der</strong>n auch unpräzisere Begriffe<br />

vorhält als für technisch-<strong>in</strong>strumentelles Produzieren“ (Albrecht 2008, S. 15) kann<br />

durch die Ergebnisse <strong>der</strong> durchgeführten Interviews gestärkt werden. Die<br />

Beschreibungen wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sehr undifferenzierten emotional gefärbten Sprache<br />

gegeben, Fachbegriffe wurden – wenn überhaupt – nur für die Beschreibung <strong>der</strong><br />

77


männlichen Bereiche <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit verwendet, was, laut Albrecht, für e<strong>in</strong>e<br />

„weibliche Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit“ spricht; zum<strong>in</strong>dest was den Bereich <strong>der</strong> direkten<br />

KlientInnenarbeit angeht.<br />

Analog dazu sprechen die meisten InterviewpartnerInnen <strong>von</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als<br />

„Frauenberuf“, wobei dies meist durch e<strong>in</strong>e natürliche Nähe <strong>der</strong> Frau zum sozialen<br />

Berufsfeld begründet wird. Diese natürliche Neigung beziehungsweise Eignung <strong>der</strong><br />

Frau zur Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit spiegelt sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> beschriebenen<br />

Kompetenzerwerbung wi<strong>der</strong>. Benötigte Kompetenzen werden meist als nicht o<strong>der</strong> nur<br />

schwer erlernbar dargestellt. Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen natürlicher Begabung und<br />

schwerer Erlernbarkeit macht es noch zusätzlich schwierig, sich Männer <strong>in</strong> diesem<br />

Berufsfeld vorzustellen. So müssen Sozialarbeiter speziell „dazu geboren se<strong>in</strong>“, diese<br />

Arbeit zu machen, während Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung unter Frauen<br />

aufgrund ihres Berufes e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wird <strong>in</strong>sgesamt <strong>von</strong> den InterviewpartnerInnen also großteils<br />

weiblich beschrieben, wobei offen bleibt, ob dieses Bild dadurch entsteht, dass <strong>der</strong><br />

„männliche Teil <strong>der</strong> Arbeit“ <strong>von</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen im kl<strong>in</strong>ischen Betrieb nicht<br />

gesehen wird o<strong>der</strong> gesehen werden kann. Der größte Teil <strong>der</strong> Gesprächszeit wurde für<br />

die Beschreibung <strong>der</strong> KlientInnenarbeit verwendet. Gründe dafür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits die<br />

<strong>in</strong>dividuelle Bewertung <strong>der</strong> Wichtigkeit dieses Aufgabenbereichs <strong>der</strong> InterviewpartnerInnen,<br />

an<strong>der</strong>erseits waren Tätigkeiten und Aufgaben jenseits <strong>der</strong><br />

KlientInnenarbeit schlicht und e<strong>in</strong>fach nicht bekannt.<br />

78


<strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> Männlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

Nach <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Beschreibungen <strong>von</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wurde e<strong>in</strong><br />

Gruppengespräch mit allen männlichen Sozialarbeitern <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> durchgeführt. In diesem<br />

Gespräch wurden erstens Ergebnisse aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews geme<strong>in</strong>sam besprochen<br />

und zweitens wurde versucht, e<strong>in</strong>ige <strong>Konstruktion</strong>smechanismen <strong>von</strong> Männlichkeit <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit herauszuarbeiten. So dreht sich die Auswertung dieses<br />

Gruppengesprächs um die Fragen: Wie kann man sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als<br />

Mann positionieren? und Welche Methoden werden hierfür angewendet? Um diese<br />

Fragen umfassend zu bearbeiten werden Inhalte dieses Gesprächs auch mit den Inhalten<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews <strong>in</strong> Zusammenhang gebracht.<br />

Der Aufbau <strong>der</strong> Auswertung gibt den Leitfaden für das Gruppengespräch wie<strong>der</strong>. Die<br />

Leitfragen wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Reihenfolge wie bei den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews gestellt.<br />

Gesprächse<strong>in</strong>leitung<br />

Bevor im Gruppengespräch die erste Frage gestellt wurde, gab es zwei Situationen, die<br />

me<strong>in</strong>es Erachtens zum Verständnis <strong>der</strong> Relevanz des ganzen Themas im Bereich <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit sehr wichtig s<strong>in</strong>d. Vor Gesprächsbeg<strong>in</strong>n sagte mir e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Sozialarbeiter, dass sie gerne Synonyme hätten; es gäbe auch schon Ideen dazu, nämlich<br />

Al (Al Bundy aus <strong>der</strong> Fernsehserie „e<strong>in</strong>e schrecklich nette Familie“, Tim Taylor (<strong>der</strong><br />

Heimwerker-K<strong>in</strong>g aus <strong>der</strong> Fernsehserie Tool Time) und Luis Trenker. Also wurden<br />

gleich zu beg<strong>in</strong>n drei Männlichkeitskonstruktionen angeführt, die viele Punkte e<strong>in</strong>es bei<br />

uns traditionellen Männerbildes transportieren.<br />

Al Bundy, e<strong>in</strong> ehemaliger High-School Football-Star, <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Gründung se<strong>in</strong>er<br />

Familie se<strong>in</strong> Geld als Schuhverkäufer verdient und dessen ausgeprägteste<br />

Charakterzüge wohl Sexismus und Chauv<strong>in</strong>ismus s<strong>in</strong>d.<br />

Tim Taylor, lieben<strong>der</strong> Vater und Ehemann, dessen Interessen auf den, nach se<strong>in</strong>er Sicht,<br />

durchwegs männlichen Gebieten <strong>von</strong> Autos, Werkzeug, Motorsport und Eishockey<br />

liegen. Berühmt ist se<strong>in</strong> „männlicher Grunzgruß“ mit dem er jede Folge <strong>der</strong><br />

Heimwerkerserie beg<strong>in</strong>nt, die er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Serie Tool Time mo<strong>der</strong>iert. Dieser „Grunzgruß“,<br />

<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge als männlich markiert und „mehr Power“ bedeutet, begegnet uns im<br />

Gruppengespräch später noch e<strong>in</strong>mal.<br />

79


Luis Trenker: Bergsteiger, Schauspieler und Autor. Er verkörpert Kraft, Ausdauer und<br />

steht für Erfolg. Der Sohn e<strong>in</strong>es Malers und e<strong>in</strong>er Hausfrau aus St. Ulrich im Grödnertal,<br />

<strong>der</strong> es zu weltweiter Bekanntheit schafft.<br />

Als Synonyme werden also, auch wenn scherzhaft, drei Männer bzw. Charaktere<br />

gewählt, die zu e<strong>in</strong>em großen Teil gerade wegen <strong>der</strong> <strong>von</strong> ihnen verkörperten<br />

Männlichkeit Kultstatus erlangten.<br />

Generell war die Stimmung vor Beg<strong>in</strong>n des Gruppengesprächs sehr ausgelassen und es<br />

wurde viel gelacht. Während me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>leitung zum Gespräch begann auf e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>er<br />

<strong>der</strong> Interviewpartner zu lachen und erklärte das mit den Worten „Es dauert noch e<strong>in</strong><br />

bisserl“. Als die erste Frage gestellt war und nicht gleich geantwortet wurde, begann<br />

nach e<strong>in</strong>er kurzen Pause e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gesprächspartner mit den Worten „leichte<br />

Zurückhaltung“ zu antworten und sprach somit auch direkt an, dass es anfangs<br />

schwierig war, sich auf dieses Thema e<strong>in</strong>zulassen. Im Verlauf des Gruppengesprächs<br />

wurde die Stimmung aber sehr schnell ernsthaft, alle Gesprächsteilnehmer ließen sich<br />

auf das Thema e<strong>in</strong> und sprachen geme<strong>in</strong>sam darüber, wie sich Männlichkeit <strong>in</strong> ihrem<br />

beruflichen Alltag zeigt und welche Relevanz die <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit hat.<br />

Diese Punkte führen zu dem Schluss, dass es e<strong>in</strong>erseits ungewohnt ist, über das Thema<br />

<strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit zu sprechen – man braucht Zeit, um sich an das<br />

Gespräch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ernsten Stimmung zu gewöhnen – und dass es an<strong>der</strong>erseits Phantasien<br />

darüber gibt, was e<strong>in</strong> solches Gespräch bewirkt – man umgibt sich mit e<strong>in</strong>er<br />

„fremden“ und „virtuellen“ Männlichkeit. Gerade dass es solche Reaktionen auf das<br />

Thema <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gibt, drückt die Relevanz dieses<br />

Themas aus. Man(n) macht sich Gedanken darüber.<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Aufgabengebiete<br />

Bei dieser Frage wurden im Großen und Ganzen die gleichen Punkte aufgezählt wie <strong>von</strong><br />

den InterviewpartnerInnen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews. Jedoch wurde klargestellt, dass es sich<br />

um „Information und Beratung“ (Gruppengespräch Z. 16) zu den aufgezählten Punkten<br />

handelt. Angesprochen auf ihre persönlichen Liebl<strong>in</strong>gsaufgaben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, nannten alle drei Gesprächspartner wie<strong>der</strong>um den Punkt<br />

„Information zu Beratung“. Vor allem <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit PatientInnen, die so<br />

80


selbständig s<strong>in</strong>d, dass sie alle<strong>in</strong>e Entscheidungen treffen können und D<strong>in</strong>ge selbst –<br />

allerd<strong>in</strong>gs unter Anleitung – erledigen können. „Aber lei<strong>der</strong> ist das [Anm.: so<br />

selbständige KlientInnen] immer seltener geworden“ (Gruppengespräch Z. 22). Je mehr<br />

Beratung und Informationsweitergabe und je weniger Betreuungsarbeit geleistet werden<br />

muss, desto beliebter ist die Aufgabe. So wird auch bei <strong>der</strong> persönlichen Bewertung<br />

e<strong>in</strong>zelner Aufgaben <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wie<strong>der</strong> die Grenze zwischen struktureller und<br />

praktischer Arbeit sichtbar. Der Prozess <strong>der</strong> Beratung wird vom sachlichen Inhalt<br />

getrennt, als beliebt wird somit <strong>der</strong> Beratungsprozess an sich bewertet. Ersichtlich wird<br />

das aus folgendem Gesprächsausschnitt:<br />

„…<strong>der</strong> Punkt, wo ich sage, das mach ich wirklich am liebsten, dann ist das<br />

Information und Beratung. Und das ist, wenn […] ich e<strong>in</strong>e Klient<strong>in</strong>, vor mir<br />

sitzen habe, die noch weitgehend <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, selbst zu entscheiden,<br />

selbst D<strong>in</strong>ge zu verrichten, aber momentan <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation ist, wo sie das<br />

e<strong>in</strong>fach nicht aktivieren kann. Und <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Erfahrung hat sich gezeigt,<br />

dass das eigentlich die fruchtbarsten Ergebnisse s<strong>in</strong>d, wo die Leute wirklich<br />

den meisten Erfolg haben. Und da spielt es für mich ke<strong>in</strong>e Rolle, ob das jetzt<br />

Information ist, wie ich mich krank o<strong>der</strong> gesund melde, o<strong>der</strong> wie ich zu<br />

e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>dewohnung komme, o<strong>der</strong> wie ich zum Beispiel soziale<br />

Leistungen bekomme.“ (Gruppengespräch Z. 21)<br />

E<strong>in</strong> weiterer Punkt, <strong>der</strong> Tätigkeiten beliebt macht und <strong>in</strong> diesem Ausschnitt<br />

angesprochen wird, ist sichtbarer Erfolg. Auch <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Sozialarbeiter wird<br />

<strong>der</strong> Aspekt des Erfolges <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>von</strong> Aufgaben angesprochen.<br />

In weiterer Folge wird anhand <strong>der</strong> Selbständigkeit <strong>der</strong> PatientInnen und anhand <strong>der</strong><br />

Herangehensweise an die Arbeit – Aufgaben übernehmend im Gegensatz zur För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>von</strong> Selbständigkeit –zwischen „mütterlicher“ und „väterlicher“ Sozialarbeit für die<br />

Sozialarbeit unterschieden. Näheres dazu unter dem Punkt Mütterlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

Eigenschaften <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen<br />

Auch <strong>in</strong> diesem Punkt wurden zuerst Eigenschaften abgefragt, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit allgeme<strong>in</strong> gebraucht werden. Danach wurden die Gesprächspartner<br />

gebeten, persönliche Eigenschaften, die sie an sich selbst erkennen und die bei <strong>der</strong><br />

81


Arbeit nützlich s<strong>in</strong>d, zu nennen. Im Gegensatz zu den Antworten aus den<br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews g<strong>in</strong>gen die drei Sozialarbeiter kaum auf Eigenschaften e<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

direkten KlientInnenarbeit notwendig s<strong>in</strong>d. Diese wurden beispielsweise unter den<br />

Begriffen „humane Tendenzen“ o<strong>der</strong> „Grundbasics“ (Gruppengespräch Z. 29)<br />

subsumiert und SozialarbeiterInnen e<strong>in</strong>fach unterstellt; diese hat man als Sozialarbeiter<br />

o<strong>der</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong>.<br />

Das Hauptaugenmerk lag auf <strong>der</strong> Beschreibung <strong>von</strong> Team- und Systemkompetenzen.<br />

Teamkompetenzen <strong>in</strong> Bezug auf die Zusammenarbeit im sozialarbeiterischen Team –<br />

sowohl auf Ebene <strong>der</strong> Station auf <strong>der</strong> man jeweils arbeitet, wie auch im gesamten<br />

Sozialdienst – und Systemkompetenzen <strong>in</strong> Bezug auf die Arbeit und Positionierung im<br />

multiprofessionellen Team <strong>in</strong> das die Sozialarbeit e<strong>in</strong>gebunden ist. Das Wissen um<br />

eigene Aufgaben und Verantwortlichkeiten wird als e<strong>in</strong>e wichtige Kompetenz für die<br />

Arbeit im multiprofessionellen Team beschrieben. Die aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews<br />

bekannte Unschärfe bei <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Aufgabengebiete des Sozialdienstes, f<strong>in</strong>det<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bedeutung dieser Kompetenz wie<strong>der</strong>. Das Wissen um die eigenen Aufgaben<br />

und Kompetenzen, sowie die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppen, wird als Voraussetzung dafür<br />

gesehen, den Kampf um die eigene Arbeit aufnehmen zu können, und sich nichts<br />

„wegnehmen“ zu lassen (vgl. Gruppengespräch Z. 33).<br />

Dieses Wissen um den Aufgabenbereich <strong>der</strong> Sozialarbeit, sowie das E<strong>in</strong>schätzen <strong>der</strong><br />

Kompetenzen an<strong>der</strong>er Berufsgruppen, wird auch als persönliche Eigenschaft <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Sozialarbeiter genannt, welche ihm die Arbeit erleichtert. Weitere Eigenschaften die<br />

genannt wurden, s<strong>in</strong>d Klarheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit PatientInnen, e<strong>in</strong>en Überblick <strong>in</strong> Form<br />

<strong>von</strong> Wissen um Teilbereiche <strong>der</strong> Sozialarbeit zu haben (F<strong>in</strong>anzen, Wohnen, soziale<br />

Leistungen, …), sich im Spannungsfeld <strong>von</strong> Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft<br />

bewegen zu können, sowie Lernfähigkeit und –bereitschaft, <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Reflexion,<br />

Supervision und Selbsterfahrung.<br />

Der Punkt <strong>der</strong> Klarheit wird <strong>in</strong> zwei Dimensionen angesprochen. E<strong>in</strong>erseits sich selber<br />

klar zu se<strong>in</strong> wie man arbeitet und zum an<strong>der</strong>en Klarheit und Ehrlichkeit gegenüber den<br />

PatientInnen. Auch dieser Punkt <strong>der</strong> Klarheit fließt im späteren Gesprächsverlauf als<br />

Eigenschaft <strong>in</strong> die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>er „männlichen“ o<strong>der</strong> „väterlichen“ Sozialarbeit e<strong>in</strong>;<br />

näheres dazu im Kapitel „Mütterlichkeit und Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit“.<br />

82


Der Überblick über die e<strong>in</strong>zelnen Teilbereiche <strong>der</strong> Sozialarbeiter, <strong>der</strong> im Gespräch<br />

erarbeitet wurde, def<strong>in</strong>iert erstmals, dass die Sozialarbeit über Wissen verfügt, das <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>en Berufsgruppen nicht vorhanden ist. Die Sprache, die <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews an<br />

dieser Stelle verwendet wurde, war durchwegs diffus; man sprach nicht <strong>von</strong> Wissen,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>von</strong> Ahnung, und wenn überhaupt, wurde dem Sozialdienst lediglich „mehr<br />

Ahnung“ <strong>von</strong> D<strong>in</strong>gen zugeschrieben. Im Gruppengespräch mit den Sozialarbeitern wird<br />

über das Thema „Wissen“ e<strong>in</strong>e Sozialarbeit beschrieben, die spezialisiert ist, und <strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

wichtiger Part im multiprofessionellen Team zukommt. In den Worten e<strong>in</strong>es<br />

Gesprächsteilnehmers:<br />

„im Team als Sozialarbeiter […] se<strong>in</strong>e Identität als Spezialist zu suchen.<br />

Dass es immer wie<strong>der</strong> <strong>von</strong> Nöten ist, sich <strong>in</strong> diesem Team klar zu<br />

positionieren, klar zu sagen, welche Aufgaben man als Sozialarbeiter hat.<br />

Ja so e<strong>in</strong>e berufliche Identität mitzubr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> diese Arbeit“ (vgl.<br />

Gruppengespräch Z. 34)<br />

Während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außensicht die Sozialarbeit oft als allzuständig beschrieben wurde und<br />

SozialarbeiterInnen als GeneralistInnen gesehen wurden, wird <strong>von</strong> den Sozialarbeitern<br />

die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als Gebiet für Spezialisten def<strong>in</strong>iert.<br />

Das Spannungsfeld zwischen Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft f<strong>in</strong>det sich<br />

ebenfalls <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews. Während dort die Kompromissbereitschaft als<br />

„diplomatische Fähigkeit“ (Int_w2, Z. 38) und positive Kompetenz <strong>von</strong><br />

SozialarbeiterInnen beschrieben wird, wird <strong>von</strong> den Sozialarbeitern sowohl diese<br />

Fähigkeit als auch das Gegenteil – die Beharrlichkeit – als Kompetenz und Stärke<br />

gewertet. Bei dem Versuch die beiden Kommunikationsmuster „beharrlich“ und<br />

„kompromissbereit“ geschlechtsspezifisch zuzuordnen, kommt man, wenn man<br />

weiblichen und männlichen Gesprächsstil berücksichtigt, zu dem Schluss, dass die<br />

Kompromissbereitschaft als weiblicher Stil gewertet wird, woh<strong>in</strong>gegen die<br />

Beharrlichkeit als eher männliche Gesprächseigenschaft gesehen wird. So vergleicht<br />

Frie<strong>der</strong>ike Braun e<strong>in</strong>en kooperativen Gesprächsstil <strong>der</strong> Frauen mit e<strong>in</strong>em kompetitiven<br />

Stil <strong>der</strong> Männer:<br />

„Übere<strong>in</strong>stimmend mit den stereotypen Rollenerwartungen zeigen sich<br />

Frauen angepasster und rücksichtsvoller, sie streben nach kooperativen und<br />

83


harmonischen Kommunikationsbeziehungen. Männer dagegen verhalten<br />

sich eigenwillig, leistungsorientiert und dom<strong>in</strong>ant“ (Braun 1993, S. 199)<br />

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Untersuchung <strong>von</strong> Braun auf e<strong>in</strong>er quantitativen<br />

Analyse beruht, die Existenz <strong>von</strong> männlichen und weiblichen Sprachstilen jedoch nicht<br />

über quantitative Analysen zu belegen ist (vgl. Frank 2001). Dennoch führe ich dieses<br />

Beispiel an, da die Unterteilung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kooperativ-weiblichen und e<strong>in</strong>en kompetitivmännlichen<br />

Gesprächs- bzw. Arbeitsstil, zur <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> an<br />

mehreren Stellen <strong>in</strong> den Interviews angesprochen wurde. Neben <strong>der</strong> schon angeführten<br />

diplomatischen Fähigkeit im Interview „Akademische Menschenliebe“ (Int_w2, Z. 38)<br />

g<strong>in</strong>g auch die Interviewpartner<strong>in</strong> des Interviews „Wissen und Ahnung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit“ (Int_w1, Z. 63) auf diesen Aspekt e<strong>in</strong>. Die Zuschreibungen<br />

männlich und weiblich f<strong>in</strong>den sich also <strong>in</strong> den Haltungen Beharrlichkeit und<br />

Kompromissbereitschaft wie<strong>der</strong> – auch wenn sprachwissenschaftlich nicht<br />

nachgewiesen.<br />

Weiters wird Lernfähigkeit und –bereitschaft als Schlüsselkompetenz genannt. Diese<br />

zeigt sich durch die Teilnahme an Supervision sowie durch Reflexionsfähigkeit und<br />

Selbsterfahrung. Also gerade jene Punkte, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews als größte<br />

Schwierigkeiten für Männer <strong>in</strong> sozialen Ausbildungen def<strong>in</strong>iert wurden und im gleichen<br />

Zug als weibliche Kompetenzen klassifiziert wurden, da diese Punkte e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>lassen auf<br />

die eigenen Gefühle bedeutet und man sich so „typischen Frauenthemen“ zuwendet (vgl.<br />

Int_m4 Z. 54-56).<br />

Kompetenzen <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen<br />

Die angesprochenen Kompetenzen teilen sich auf <strong>in</strong> Wissen und Methodik sowie<br />

Selbsterfahrung und Reflexion. Diese beiden angesprochenen Kompetenzbereiche<br />

können wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> „männliche Ratio“ und „weibliche Emotion“ geteilt werden. Diese<br />

werden im Gruppengespräch gleichwertig dargestellt.<br />

Im Wissens- und methodischen Bereich wird als Beispiel <strong>der</strong> systemische Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit genannt. Somit kommt es im Bereich <strong>der</strong> Ratio zur Verwendung e<strong>in</strong>er ganz<br />

spezifischen Sprache und zur Nennung <strong>von</strong> Fachterm<strong>in</strong>i, was bei den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews<br />

nur selten <strong>der</strong> Fall ist.<br />

84


Auf Ebene <strong>der</strong> Gefühlswelt, ausgedrückt durch Selbsterfahrung und Reflexion, wird <strong>der</strong><br />

Sprachgebrauch wie<strong>der</strong> diffuser; es geht <strong>in</strong> diesem Ausbildungsbereich darum „sich mit<br />

sich selbst ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen“ und „natürlich muss je<strong>der</strong> selber entscheiden, wie viel<br />

er <strong>von</strong> sich preisgibt und wie weit er <strong>in</strong> sich selbst h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schauen möchte“. Es existieren<br />

auf dieser Stufe also ke<strong>in</strong>e objektiven Kriterien. Alle können Selbsterfahrung so<br />

<strong>in</strong>tensiv betreiben wie sie selber wollen.<br />

E<strong>in</strong>e Stelle im Gespräch, die die Gleichwertigkeit dieser beiden Kompetenzbereiche<br />

verdeutlicht ist:<br />

„…weil ich mich sehr <strong>in</strong>teressiert habe […] dafür, dass man mal weggeht<br />

vom Rationellen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite war auch sehr vieles rationell, die<br />

ganzen Gesetze. Ich war aber auch immer sehr dankbar, dass man die<br />

Gefühlsfel<strong>der</strong> erforscht hat. Da kommt e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Seite. […] Und ich habe<br />

bemerkt, dass e<strong>in</strong> großer Teil nicht nur das strukturell Organisierte ist,<br />

son<strong>der</strong>n dass e<strong>in</strong> großer Teil auch das Gefühlsleben ist, das man mitbr<strong>in</strong>gt<br />

<strong>in</strong> die Arbeit.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 48)<br />

Von den Sozialarbeitern werden also weibliche wie männliche Kompetenzen<br />

beschrieben und gleichwertig dargestellt. Interessant ist, dass <strong>der</strong> Sprachgebrauch<br />

analog zum Auswertungskriterium „Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache /<br />

Fachterm<strong>in</strong>i“ passiert. Während bei <strong>der</strong> Beschreibung des männlichen Kompetenzbereichs<br />

e<strong>in</strong>e differenzierte Sprache verwendet werden kann, wird <strong>der</strong> weibliche<br />

Bereich durch <strong>in</strong>dividualisierende und diffuse Sprache beschrieben.<br />

Psychohygiene<br />

E<strong>in</strong> weiterer Ausbildungs<strong>in</strong>halt, <strong>der</strong> im Gruppengespräch behandelt wurde, war <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Psychohygiene. Dieser Punkt führte zur Frage, wie die Freizeitgestaltung <strong>der</strong> drei<br />

Sozialarbeiter aussieht und wie e<strong>in</strong> Ausgleich zur Arbeit geschaffen wird. In <strong>der</strong><br />

Freizeitgestaltung gibt es bei den drei Gesprächspartnern zwei große Überschneidungspunkte.<br />

So haben e<strong>in</strong>erseits Sport und Bewegung bei allen dreien e<strong>in</strong>en großen<br />

Stellenwert als Ausgleich zur Arbeit, zum an<strong>der</strong>en spielt das Musizieren und Hören <strong>von</strong><br />

Musik e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychohygiene.<br />

Bei den sportlichen Aktivitäten kam neben Volleyball, Schwimmen und Wan<strong>der</strong>n<br />

immer wie<strong>der</strong> Fußball zur Sprache. So spielen zwei <strong>von</strong> den dreien selber Fußball, aber<br />

85


auch <strong>der</strong> Fußballplatz an sich, als männliches Territorium, nimmt e<strong>in</strong>en zentralen Platz<br />

e<strong>in</strong>. Weniger aufgrund <strong>der</strong> Häufigkeit mit <strong>der</strong> man sich dort aufhält, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>er<br />

<strong>der</strong> Plätze, die noch <strong>der</strong> männlichen Sphäre zugesprochen werden. Diese Zuschreibung<br />

wird verständlich, wenn e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Sozialarbeiter über das <strong>LSF</strong>-Fußballturnier redet, an<br />

dem mittlerweile auch zwei Frauenmannschaften teilnehmen. Diese Entwicklung wird<br />

als positiv gewertet, da man geschlechterübergreifend mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> spielt, jedoch wird<br />

auch angeführt, dass es dadurch immer schwieriger wird „e<strong>in</strong>en Rahmen zu f<strong>in</strong>den, se<strong>in</strong><br />

Geschlecht auszuleben […]. Und dass es durch die Vermischung immer schwieriger<br />

wird, klar zu se<strong>in</strong>er Rolle stehen zu können und diese auch mit Gleichges<strong>in</strong>nten<br />

ausleben zu können.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 142)<br />

In <strong>der</strong> folgenden kurzen Passage wird die Bedeutung des Fußballplatzes klar:<br />

N: Ja und Freundschaften pflegen… was auch wichtig ist als Ausgleich.<br />

M: Kickplatz gehen<br />

E: Kickplatz gehen wie<strong>der</strong> mal, genau.<br />

M: Nix reden. Am Kickplatz.<br />

N: Schweigend am Kickplatz [Alle drei Gesprächspartner lachen, aber<br />

ernste Stimmung]<br />

(vgl. Gruppengespräch Z. 61-65)<br />

Es wird klar, dass <strong>der</strong> Fußballplatz, als männliches Territorium, dazu verwendet wird,<br />

auch e<strong>in</strong>mal – entgegen <strong>der</strong> beruflichen Aufgabe <strong>der</strong> Kommunikation – nicht zu<br />

sprechen und das geme<strong>in</strong>sam unter Männern zu tun. Zusammen mit gleichges<strong>in</strong>nten<br />

Männern das eigene Geschlecht ausleben zu können. An dieser Stelle wird erstmals e<strong>in</strong><br />

Bedürfnis nach Aktivitäten zusammen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe mit an<strong>der</strong>en Männern<br />

ausgedrückt, das <strong>in</strong> weiterer Folge des Gruppengesprächs noch öfters auftaucht.<br />

Den Aspekt des Auslebens und Ausdrückens <strong>von</strong> Männlichkeit beschreibt e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Sozialarbeiter über das Wort „archaisches Tun“. Untermalt <strong>von</strong> dem e<strong>in</strong>gangs<br />

erwähnten „Grunzen“ aus <strong>der</strong> Serie Tool Time <strong>von</strong> Tim Taylor, wird <strong>der</strong> Wunsch<br />

sichtbar, die Freizeit dazu zu verwenden, richtig „männliche Verhaltensweisen“<br />

auszuleben, o<strong>der</strong> wie Tim Taylor sagen würde „mehr Power“ zu zeigen.<br />

„Das ist wichtig, so was richtig Archaisches zu tun [e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Sozialarbeiter grunzt wie Tim Taylor] … das denk ich mir schon, weil das<br />

mache ich viel zu wenig. Letztens bei <strong>der</strong> Bandprobe haben wir e<strong>in</strong>en Rock<br />

86


’n Roll gespielt. Und das hat mir so richtig getaugt. Weil unabhängig <strong>von</strong><br />

unserer „Mucke“ sag ich e<strong>in</strong>mal, die ja eher so dah<strong>in</strong>gleitet. E<strong>in</strong>fach mal …<br />

was rauslassen. So richtig! Das tu ich zu selten. Aber das wäre wichtig!<br />

[alle lachen und nicken] (vgl. Gruppengespräch Z. 60)<br />

Männlichkeit jenseits <strong>der</strong> Arbeit zu zeigen und auszuleben, wird <strong>von</strong> allen drei<br />

Sozialarbeitern als wichtiger Punkt zum Ausgleich zur Arbeit angesehen. Gleichzeitig<br />

wird auch angeführt, dass an<strong>der</strong>e Männer notwendig s<strong>in</strong>d, um eben diese Männlichkeit<br />

geme<strong>in</strong>sam mit ihnen zu leben. Dieser Aspekt wird später noch genauer erläutert.<br />

Männer und die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong><br />

Dieser Bereich wurde wie<strong>der</strong> anhand zweier Fragen besprochen. Zuerst wurden die<br />

Sozialarbeiter gebeten, zu erläutern, warum sie denken, dass so wenige Männer im<br />

Sozialdienst <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> beschäftigt s<strong>in</strong>d. Die zweite offene Frage<br />

richtete sich wie<strong>der</strong> auf die persönliche Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Gesprächspartner zu diesem<br />

Thema. Folgende Formulierung wurde hierzu gewählt: „Wie geht es Euch damit, dass<br />

ihr nur zu dritt seid?“<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Begründungen<br />

Die Antworten aus dem allgeme<strong>in</strong>en Teil deckten sich größtenteils mit den Ergebnissen<br />

aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews. So wurde klargestellt, dass <strong>der</strong> Männermangel im<br />

Sozialdienst ke<strong>in</strong> spezifisches Problem an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> sei, son<strong>der</strong>n dass generell wenige<br />

Männer im Sozialbereich arbeiten. Es beg<strong>in</strong>nt bereits mit <strong>der</strong> Ausbildung zum<br />

Sozialarbeiter / zur Sozialarbeiter, wo <strong>der</strong> Anteil an Frauen wesentlich höher ist als <strong>der</strong><br />

<strong>von</strong> Männern. Weiters wurde lange über das Thema Gehalt gesprochen, das mit<br />

Rollenerwartungen an Männer <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht wird. So wird laut e<strong>in</strong>em <strong>der</strong><br />

Gesprächspartner heute immer noch vom Mann verlangt, dass er „Karriere machen und<br />

viel Geld verdienen soll“ (vgl. Gruppengespräch Z. 120) was, aufgrund <strong>der</strong> Entlohnung<br />

im Sozialbereich, nur schlecht bis gar nicht möglich ist.<br />

E<strong>in</strong> Punkt, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews nicht behandelt wurde, kam im Gruppengespräch<br />

noch zusätzlich zur Sprache: nämlich, dass die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit an <strong>der</strong> Psychiatrie e<strong>in</strong><br />

im Sozialbereich eher unbekanntes Arbeitsfeld ist, <strong>in</strong> dem zu arbeiten sich nicht viele<br />

SozialarbeiterInnen vorstellen können. Auch hier tritt wie<strong>der</strong> das schon oft<br />

87


angesprochene Phänomen <strong>der</strong> unzureichend beschrieben und zu wenig bekannten<br />

Arbeitsgebiete und Aufgabenfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu Tage. Die Unklarheit<br />

betrifft nicht nur die Arbeit <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen an sich, da sie um ihre<br />

Aufgabengebiete kämpfen müssen, o<strong>der</strong> die KollegInnen aus dem <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Team, denen die Aufgabenverteilung nicht klar ist. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Außensicht s<strong>in</strong>d<br />

Aufgaben und Tätigkeiten des Sozialdienstes nicht genau def<strong>in</strong>iert und abgesteckt.<br />

Denn „wenn man nicht die Chance bekommt, durch die Ausbildung o<strong>der</strong> den<br />

Bekanntenkreis e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick zu kriegen: was machen wir als Sozialarbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Landesnervenkl<strong>in</strong>ik? Was ist das für e<strong>in</strong> Arbeitsfeld? Dann gibt es nur mehr die<br />

Praktika.“ Der erste Master-Lehrgang „Sozialraumorientierte und Kl<strong>in</strong>ische Soziale<br />

Arbeit“ beg<strong>in</strong>nt erst im Herbst 2009 <strong>in</strong> Wien. In diesem Studium wird es e<strong>in</strong>en<br />

Schwerpunkt auf kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit und Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit geben, <strong>der</strong> bisher ke<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Studien gefunden hat. Somit bleiben nur noch zwei Möglichkeiten offen,<br />

die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit – an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> – kennen zu lernen, wobei beide auf persönlichen<br />

Erfahrungen beruhen. Formelle o<strong>der</strong> offizielle Information über Inhalte und<br />

Arbeitsweisen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gibt es wenig.<br />

Persönliche E<strong>in</strong>stellungen<br />

Da dies e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> umfangreichsten Punkte des Gesprächs mit den Sozialarbeitern <strong>der</strong><br />

<strong>LSF</strong> war, werden die Ergebnisse, aus Gründen <strong>der</strong> Übersichtlichkeit, <strong>in</strong> die oben<br />

genannten Punkte unterglie<strong>der</strong>t. Die persönlichen E<strong>in</strong>stellungen zu diesem Thema<br />

wurden anhand folgen<strong>der</strong> Themen sichtbar: Kommunikation unter Männern,<br />

Son<strong>der</strong>stellung und Erwartungen im Sozialdienst, Vorzüge gegengeschlechtlicher<br />

Betreuung und Erwartungshaltung gegenüber männlichen und weiblichen<br />

SozialarbeiterInnen.<br />

Alle drei Sozialarbeiter betonten, dass die Tatsache, dass sie gerne mehr Männer im<br />

Sozialdienst wären, absolut nichts mit den dort beschäftigten Frauen zu tun habe. Es<br />

wurde mehrmals hervorgehoben, dass das Arbeitsklima gut ist und die Zusammenarbeit<br />

mit den weiblichen Kolleg<strong>in</strong>nen auf allen Ebenen gut funktioniert.<br />

Kommunikation unter Männern und mit Frauen<br />

Die Frage <strong>der</strong> Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> Kommunikation mit e<strong>in</strong>em Mann und mit e<strong>in</strong>er<br />

Frau wurde lange besprochen. Es konnte nicht genau ausgedrückt werden, wo die<br />

88


Unterschiede liegen, o<strong>der</strong> wie sie sichtbar werden, aber es war klar, dass diese<br />

Unterschiede bestehen. So wird auf die Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Männern <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Arbeit aus mehreren Gründen großer Wert gelegt. Es werden mehr Männer im<br />

Sozialdienst gewünscht, um diese männliche Kommunikation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit abzudecken.<br />

Beschrieben wird dies folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Man fühlt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Frau <strong>von</strong> vorn here<strong>in</strong> als Mann an<strong>der</strong>s h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Wenn<br />

ich mit e<strong>in</strong>er Frau rede… wie soll ich sagen? … Man hat e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />

Schema. Das merk ich auch, wenn ich mit e<strong>in</strong>er weiblichen Kolleg<strong>in</strong> rede,<br />

o<strong>der</strong> mit dem E. o<strong>der</strong> dem N., das ist an<strong>der</strong>s. Man verstellt sich … das ist<br />

nicht ganz richtig, aber man redet an<strong>der</strong>s.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 81)<br />

In dieser Passage wird e<strong>in</strong> zentraler Punkt <strong>der</strong> persönlichen Relevanz <strong>von</strong> Männern als<br />

Kollegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit angesprochen. Durch die Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Männern<br />

kann man „man selbst se<strong>in</strong>“ und verstellt sich nicht. Zur eigenen Def<strong>in</strong>ition, und somit<br />

zur Def<strong>in</strong>ition und <strong>Konstruktion</strong> <strong>der</strong> eigenen Männlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit, s<strong>in</strong>d also<br />

an<strong>der</strong>e Männer nötig.<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit, diesen Bereich <strong>der</strong> Männer-Kommunikation abzudecken ist, auf das<br />

multiprofessionelle Team zurückzugreifen. Dadurch kann zwar e<strong>in</strong> großer Teil erfasst<br />

werden, jedoch wird noch e<strong>in</strong> weiterer wichtiger Punkt angeführt, nämlich<br />

themenspezifische Kommunikation, die entwe<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en weiteren Sozialarbeiter o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en Freund erfor<strong>der</strong>t. So gibt es verschiedene Themen, die man „nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Frauenrunde besprechen möchte“ (vgl. Gruppengespräch Z. 99). Deshalb besteht auch<br />

<strong>der</strong> Wunsch nach direkten männlichen Kollegen, also auf den jeweiligen Stationen und<br />

nicht nur im Großteam Sozialdienst.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund, weshalb <strong>von</strong> den Sozialarbeitern mehr Männer im Sozialdienst<br />

gewünscht werden, liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> weiblichen Themenführerschaft im Bereich <strong>der</strong> nichtberuflichen<br />

Kommunikation während <strong>der</strong> Arbeitszeit, also bei geme<strong>in</strong>samen<br />

Pausengesprächen, Sitzungen usw. Durch die viel größere Anzahl an weiblichen<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen im Sozialdienst wird die nicht-berufsbezogene Kommunikation als<br />

<strong>von</strong> „Frauenthemen dom<strong>in</strong>iert“ beschrieben (vgl. Gruppengespräch Z. 94). Diese<br />

Dom<strong>in</strong>anz würde nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Gesprächspartner ger<strong>in</strong>ger werden, wären mehr<br />

Männer im Sozialdienst beschäftigt. Außerdem wird die Notwendigkeit an<strong>der</strong>er Männer<br />

zur eigenen Def<strong>in</strong>ition um e<strong>in</strong> gewichtiges Argument erweitert. Will man, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

89


späteren Passage des Gesprächs erwähnt, dem Bild e<strong>in</strong>es „sehr verweichlichten<br />

Männertypus“ – aus dem die männliche Sozialarbeit laut e<strong>in</strong>em Sozialarbeiter<br />

entstanden ist (als Attribute hierfür wurden folgende Punkte genannt: Weichei, Softies,<br />

Birkenstock, Rasta) – aktiv etwas entgegensetzen (vgl. Gruppengespräch Z. 126 - 130),<br />

so kann es schwierig werden, die eigene Männlichkeit <strong>in</strong> Gesprächen über<br />

„Frauenthemen wie Danc<strong>in</strong>g-Stars o<strong>der</strong> Marmelade e<strong>in</strong>kochen“, zu def<strong>in</strong>ieren und zu<br />

zeigen.<br />

Im Gegensatz zur nicht-beruflichen Kommunikation bemerkt e<strong>in</strong> Sozialarbeiter im<br />

Bereich <strong>der</strong> beruflichen Kommunikation, also <strong>in</strong> Teamsitzungen, Besprechungen o<strong>der</strong><br />

wenn sonst arbeitsrelevante D<strong>in</strong>ge besprochen werden, e<strong>in</strong>e sehr hohe<br />

Männerbeteiligung:<br />

„Und das f<strong>in</strong>de ich <strong>in</strong>teressant. Wenn man sich den wirklich<br />

berufsbezogenen Bereich anschaut, dann f<strong>in</strong>de ich, dass wir Männer – für<br />

diesen kle<strong>in</strong>en Anteil an Männern den wir haben – sehr sehr präsent s<strong>in</strong>d.<br />

Also wenn man unsere Besprechungen genau analysieren würde, dann<br />

glaube ich, dass <strong>der</strong> Redeanteil und das was e<strong>in</strong>gebracht wird, <strong>von</strong><br />

Männern prozentual sicher höher ist als <strong>der</strong> <strong>von</strong> Frauen.“ (vgl.<br />

Gruppengespräch Z. 96)<br />

Dieser Unterschied, <strong>der</strong> zwischen beruflicher und <strong>in</strong>formeller Kommunikation gesehen<br />

wird, kann so <strong>in</strong>terpretiert werden, dass e<strong>in</strong>e Geschlechterrolle transportiert wird, die<br />

unserem traditionellen Gesellschaftsbild entspricht, nämlich die Erwerbsarbeit als<br />

männliche Domäne (siehe Auswertungskriterium „Differenziertheit <strong>der</strong> Sprache /<br />

Fachterm<strong>in</strong>i“).<br />

Son<strong>der</strong>stellung <strong>von</strong> Männern und Erwartungen an sie im Sozialdienst<br />

Gerade durch das Faktum, dass <strong>der</strong> Männeranteil im Sozialdienst <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> so ger<strong>in</strong>g ist,<br />

entsteht für die Männer e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung die mit „Hahn im Korb“ (vgl.<br />

Gruppengespräch Z. 83) umschrieben wird. Im gleichen Atemzug wird aber auch<br />

erwähnt, dass an diese Son<strong>der</strong>position seitens <strong>der</strong> Frauen im Sozialdienst Erwartungen<br />

geknüpft s<strong>in</strong>d. Diese Erwartungen s<strong>in</strong>d diffus, können nicht konkret beschrieben werden,<br />

dennoch wird erahnt, dass sie existieren. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gesprächspartner drückt das<br />

folgen<strong>der</strong>maßen aus:<br />

90


Wenn Themen [Anm.: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommunikation] entstehen, dann gibt es da<br />

natürlich e<strong>in</strong> Übergewicht und e<strong>in</strong>e Solidarität [Anm. <strong>der</strong> Frauen]und dem<br />

gegenüber natürlich auch e<strong>in</strong> … Verhalten uns gegenüber. Wo schon<br />

geurteilt wird, o<strong>der</strong> etwas abgesprochen wird, o<strong>der</strong> etwas verlangt wird …<br />

ich kann das jetzt nicht genauer sagen. Aber wenn man mehr Kollegen<br />

hätte, dann würde sich das än<strong>der</strong>n, dann hält sich das die Waage“ (vgl.<br />

Gruppengespräch Z. 89)<br />

Es wird also vermutet, dass es Erwartungen gibt, wie man sich als Mann im<br />

Sozialdienst zu verhalten hat. Mit an<strong>der</strong>en Worten steckt h<strong>in</strong>ter dieser Vermutung die<br />

Frage, wie man sich (als Mann) zu verhalten hat, um zu entsprechen. Während also<br />

männliche Kollegen die Möglichkeit bieten würden, sich als Mann zu def<strong>in</strong>ieren, wird<br />

<strong>in</strong> den Kolleg<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> wichtiger Indikator gesehen, wie diese Def<strong>in</strong>ition aussehen<br />

könnte o<strong>der</strong> sollte. Was auch den Hang zum „verstellen“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommunikation mit<br />

Frauen erklärt, wenn e<strong>in</strong>em fremden Bild entsprochen werden soll. Auch dieser<br />

Def<strong>in</strong>itionszwang wäre nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> männlichen Sozialarbeiter ger<strong>in</strong>ger, wären<br />

mehr Männer im Sozialdienst beschäftigt.<br />

Vorzüge gegengeschlechtlicher Betreuung<br />

Was die Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit betrifft, wird <strong>von</strong> den Sozialarbeitern ke<strong>in</strong> Unterschied<br />

zwischen Frauen und Männern festgestellt. Jedoch werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegengeschlechtlichen<br />

Betreuung Vorteile gesehen. Dies gilt sowohl für die Arbeit <strong>von</strong> Sozialarbeitern auf<br />

Frauenstationen wie auch für Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen auf Männerstationen. Die<br />

Sozialarbeiter beschreiben hier e<strong>in</strong>en „Aktivierungseffekt“, <strong>der</strong> sich sehr positiv auf die<br />

Betreuung <strong>von</strong> Patient<strong>in</strong>nen auswirkt. Alle<strong>in</strong>e durch das Mannse<strong>in</strong> als Sozialarbeiter<br />

werden manche Patient<strong>in</strong>nen motiviert, wenn es um Beratungsgespräche geht, sich<br />

„herrichten, sich e<strong>in</strong> schönes Gewand anziehen, sich fesch [zu] machen“ (vgl.<br />

Gruppengespräch Z. 102). Dieser Effekt geht bei e<strong>in</strong>er gleichgeschlechtlichen<br />

Betreuung verloren. Die <strong>Geschlechtlichkeit</strong>, und somit auch das Sichtbarmachen und<br />

Leben des eigenen Geschlechts, br<strong>in</strong>gt also e<strong>in</strong>en Vorteil <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuungsarbeit mit<br />

Patient<strong>in</strong>nen und Patienten.<br />

Im Gruppengespräch mit den männlichen Sozialarbeitern wurde nur <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong><br />

gegengeschlechtlichen Betreuung behandelt. Im Interview „Akademische Menschenliebe“<br />

(Int_w2) wird vor allem <strong>der</strong> Punkt <strong>der</strong> gleichgeschlechtlichen Betreuung<br />

91


hervorgehoben. Im Bereich <strong>der</strong> Auswirkungen <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> auf die gegeno<strong>der</strong><br />

gleichgeschlechtliche sozialarbeiterische Betreuungsarbeit liegt noch großer<br />

Forschungsbedarf vor.<br />

Bezugnehmend auf die Zusammenarbeit im Stationsteam beschreiben alle drei<br />

Sozialarbeiter, die auf e<strong>in</strong>er Frauenstation arbeiten, dass sie, seit sie dort beschäftigt<br />

s<strong>in</strong>d, „ausschließlich positive Erfahrungen gemacht haben“ (vgl. Gruppengespräch Z.<br />

102). Neben Persönlichkeitsmerkmalen wie Freundlichkeit und Offenheit werden diese<br />

Erfahrungen, wie vor allem auch <strong>der</strong> Umstand, sehr rasch <strong>in</strong>s Team aufgenommen<br />

worden zu se<strong>in</strong>, auf die Tatsache zurückgeführt, als Mann auf e<strong>in</strong>er ansonsten<br />

frauendom<strong>in</strong>ierten Station zu arbeiten. Hier trifft man also wie<strong>der</strong> auf das Phänomen<br />

des „Hahn im Korb“.<br />

Erwartungshaltung an männliche und weibliche SozialarbeiterInnen<br />

E<strong>in</strong> weiterer Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Mitglie<strong>der</strong>n des<br />

Sozialdienstes wird weniger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsweise <strong>der</strong> Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Sozialarbeiter gesehen, als <strong>in</strong> den Erwartungshaltungen die ihnen <strong>von</strong> außen<br />

entgegengebracht werden. Die beschriebenen unterschiedlichen Erwartungshaltungen<br />

zeigen wie<strong>der</strong>, wie so oft, die Grenze zwischen struktureller und praktischer Arbeit auf.<br />

So wird bemerkt, dass <strong>der</strong> „fürsorgliche, versorgende Aspekt“ <strong>der</strong> Sozialarbeit <strong>von</strong><br />

weiblichen Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen viel öfters erwartet wird als <strong>von</strong> männlichen<br />

Sozialarbeitern. Diese Beobachtung wird anhand e<strong>in</strong>es Beispiels verdeutlicht:<br />

„Also ich merke das oft, wenn e<strong>in</strong>e Frau Vertretung macht, dass diese<br />

Erwartung e<strong>in</strong>er vorsorgenden Haltung, wirklich etwas mehr für den<br />

Patienten zu tun, bei weiblichen Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen viel öfters vorkommt<br />

als bei mir als Mann. […] Ich sag jetzt ganz banal, dass man glaubt, die<br />

Sozialarbeiter<strong>in</strong> sei dafür zuständig, den Patienten Socken und Unterhosen<br />

zu besorgen. Das passiert mir als Mann seltener. Also die Frage geht schon<br />

an mich auch, aber nicht mit <strong>der</strong> Erwartungshaltung dass ich die Socken<br />

besorgen gehe, son<strong>der</strong>n dass ich das organisier für ihn. Dass ich schau,<br />

dass es jemanden gibt, <strong>der</strong> das macht.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 105)<br />

Es wird <strong>der</strong> „weibliche Teil“ <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, <strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> praktischen und<br />

fürsorglichen Arbeit, also nicht nur <strong>der</strong> Sozialarbeit generell zugeschrieben, son<strong>der</strong>n<br />

differenziert eher weiblichen Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen als männlichen Sozialarbeitern.<br />

92


Mütterlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

Mit den drei Sozialarbeitern wurde e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptergebnisse aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews,<br />

nämlich dass die Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, im beson<strong>der</strong>en die betreuenden Tätigkeiten <strong>der</strong><br />

Arbeit, stark mit dem Begriff <strong>der</strong> Mütterlichkeit verbunden ist, besprochen. Als erste<br />

Reaktion wurde sehr schnell folgende Antwort geliefert: „Also ich kann mir nicht<br />

vorstellen, dass das irgendjemandem <strong>von</strong> uns recht ist. […] für mich als Sozialarbeiter<br />

ist klar, dass ich diesen Aspekt we<strong>der</strong> leisten will noch geben will. Das steht für mich<br />

außer Diskussion.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 107). Erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt, nach<br />

e<strong>in</strong>er ersten Abgrenzung zum Begriff <strong>der</strong> Mütterlichkeit kommt es zu e<strong>in</strong>er Def<strong>in</strong>ition<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er männlich-väterlichen und e<strong>in</strong>er weiblich-mütterlichen Sozialarbeit.<br />

Weiblich-mütterliche Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

Diese Form, o<strong>der</strong> besser dieser Teil <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit wird beschrieben als:<br />

Verantwortung abnehmend, <strong>in</strong>formierend, tragend, ertragend und körperlich<br />

anteilnehmend.<br />

Männlich-väterliche Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

E<strong>in</strong>e männlich-väterliche Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zeichnet sich aus durch: Information geben,<br />

vermitteln, Input geben und vor allem dadurch, dass die KlientInnen selbst aktiv werden<br />

und etwas tun müssen – als Gegenpol zum Verantwortung abnehmenden Standpunkt.<br />

Im weitesten S<strong>in</strong>n wird hier <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe <strong>der</strong> männlichväterlichen<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zugeschrieben.<br />

Diese beiden Def<strong>in</strong>itionen geben die <strong>von</strong> außen auf SozialarbeiterInnen projizierten<br />

Erwartungen aus dem letzten Punkt wie<strong>der</strong>. Somit wird im Teil <strong>der</strong> praktischen<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit e<strong>in</strong> weiblicher wie auch männlicher Part beschrieben. Zwei<br />

Arbeitsweisen, die nicht ausschließlich <strong>von</strong> jeweils e<strong>in</strong>em Geschlecht angewendet<br />

werden, aber e<strong>in</strong>e strikte Gen<strong>der</strong>-Zuschreibung haben.<br />

Alle drei Sozialarbeiter waren sich, nach <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition dieses weiblichen und<br />

männlichen Parts, darüber e<strong>in</strong>ig, dass beide Teile <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit übernommen<br />

werden müssen, und zwar unabhängig vom eigenen Geschlecht. Folgende<br />

Gesprächspassage verdeutlicht dies:<br />

93


Wenn Sozialarbeit, o<strong>der</strong> das Mütterliche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit, nur so<br />

verstanden wird, unseren Patienten unreflektiert die Verantwortung<br />

abzunehmen und sie <strong>in</strong> die Unselbständigkeit zu entlassen, damit sie nur ja<br />

bald wie<strong>der</strong> kommen und wie<strong>der</strong> fragen, wie etwas gelöst werden soll, dann<br />

b<strong>in</strong> ich ganz <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung <strong>von</strong> E, das soll es nicht se<strong>in</strong>! Man muss gut<br />

schauen, wer braucht was zu e<strong>in</strong>em gewissen Zeitpunkt. Wie kann ich ihn<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Mütterlichkeit <strong>in</strong> die Väterlichkeit entlassen, also <strong>in</strong> die<br />

Selbständigkeit? (vgl. Gruppengespräch Z. 112)<br />

E<strong>in</strong>e Zuschreibung des Begriffes Mütterlichkeit wird <strong>von</strong> den Sozialarbeitern also mit<br />

e<strong>in</strong>er gleichzeitigen Nennung des männlichen Parts, bzw. <strong>der</strong> Zuschreibung <strong>der</strong><br />

Väterlichkeit, angenommen. Beide Bereiche werden als Teile <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit<br />

gesehen, das Ziel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung <strong>von</strong> Klienten wird aber <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> väterlichen<br />

Arbeitsweise – <strong>der</strong> Hilfe zu Selbsthilfe – gesehen, weg <strong>von</strong> <strong>der</strong> Verantwortung<br />

abnehmenden mütterlichen Herangehensweise, die oftmals am Anfang <strong>der</strong><br />

KlientInnenbetreuung steht.<br />

Bewusstes ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’<br />

Als Abschluss des Gesprächs wurden die drei Sozialarbeiter gefragt, was sie tun, um als<br />

Männer gesehen zu werden; das heißt welche Bereiche des ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ ihnen<br />

bewusst s<strong>in</strong>d und <strong>von</strong> ihnen auch bewusst e<strong>in</strong>gesetzt werden. Formuliert war diese<br />

Frage folgen<strong>der</strong>maßen: „Wenn ich euch jetzt frage: „Wie verhaltet ihr euch als Männer<br />

hier an <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> und wie probiert ihr, euer Mannse<strong>in</strong> hier zu leben, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit und an<br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik. Was fällt euch da als erstes e<strong>in</strong>, was tut ihr, damit ihr als Männer<br />

wahrgenommen werdet? Dass ihr Männer, Sozialarbeiter seid?“<br />

In den Antworten wurden im Wesentlichen drei Punkte angesprochen: Kleidung,<br />

Männeraktivitäten und spezifischer Sprachgebrauch.<br />

Der Punkt des Sprachgebrauchs, dass man sich als Mann auch immer überlegt, mit wem<br />

man wie kommuniziert, wurde bereits unter Punkt „Kommunikation unter Männern und<br />

mit Frauen“ diskutiert und wird hier nicht noch e<strong>in</strong>mal ausgeführt. Wichtig ist jedoch,<br />

dass <strong>der</strong> Punkt <strong>der</strong> Kommunikationsregeln und des Sprachgebrauchs auch bei <strong>der</strong><br />

konkreten Frage nach ‚do<strong>in</strong>g gen<strong>der</strong>’ wie<strong>der</strong> genannt wurde.<br />

94


Das eigene Kleidungsverhalten wird aus zwei Gründen angeführt. Da die im<br />

Sozialdienst <strong>der</strong> <strong>LSF</strong> Beschäftigten immer noch „<strong>in</strong> Zivil“ arbeiten und an ke<strong>in</strong>e<br />

Kleidungsvorschriften gebunden s<strong>in</strong>d – wie viele an<strong>der</strong>e Berufsgruppen, beispielsweise<br />

die Ärzteschaft mit weißen Kitteln – wird die Kleidung als jener Punkt beschrieben, <strong>von</strong><br />

dem man sagt, „das ist das erste was sichtbar ist, wo man unterscheiden kann zwischen<br />

Mann und Frau“ (vgl. Gruppengespräch Z. 132). Der zweite Punkt, warum gerade auf<br />

die Kleidung sehr viel Wert gelegt wird, liegt laut den Gesprächspartnern dar<strong>in</strong>, dass es<br />

bestimmte Erwartungshaltungen an männliche Sozialarbeiter gibt, die auch eng an e<strong>in</strong><br />

geschichtlich gewachsenes Männerbild <strong>von</strong> Sozialarbeitern geknüpft s<strong>in</strong>d. Folgende<br />

Gesprächsstelle verdeutlicht das und zeigt besagtes Männerbild auf:<br />

„M: Gerade die männliche Sozialarbeit hat ja e<strong>in</strong>en sehr starken „touch“,<br />

e<strong>in</strong>en geschichtlichen H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> an Attribute geknüpft ist wie<br />

Weichei, Softies…<br />

E: Birkenstock und Rastas<br />

M: …ja genau Birkenstock und Rasta. Und aus diesem sehr sehr<br />

verweichlichten Männertypus heraus ist die männliche Sozialarbeit<br />

entstanden. Und dem setze ich schon bewusst etwas dagegen. Und<br />

gerade <strong>in</strong> diesem frauendom<strong>in</strong>ierten Beruf ist gerade für mich wichtig,<br />

dieses Mann-Se<strong>in</strong> klar nach außen zu tragen. Zu zeigen, dass<br />

männlicher Sozialarbeiter zu se<strong>in</strong> nicht heißt …<br />

E: e<strong>in</strong> bunter Vogel zu se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> schillern<strong>der</strong>. Ja da b<strong>in</strong> ich voll de<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 126 - 131)<br />

In <strong>der</strong> eigenen Kleidung wird also e<strong>in</strong>e Möglichkeit gesehen, sich gegen e<strong>in</strong> Männerbild<br />

zur Wehr zu setzen, das männlichen Sozialarbeitern nachgesagt werden könnte;<br />

Kleidung wird <strong>von</strong> den Sozialarbeitern ganz bewusst zur <strong>Konstruktion</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Männlichkeit e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Als letzten Punkt sprachen die Sozialarbeiter verschiedene Aktivitäten an, die hilfreich<br />

s<strong>in</strong>d, die eigene Geschlechtsidentität zu leben. Genannt werden hier: e<strong>in</strong>e Männerrunde<br />

machen, e<strong>in</strong>mal auf e<strong>in</strong> Bier gehen, Billiard spielen gehen, die Schifahraktion<br />

(geme<strong>in</strong>sam Schifahren gehen), auf den Fußballplatz gehen, männliche<br />

Fahrgeme<strong>in</strong>schaft beim Betriebsausflug bilden. Auch wenn all diese Aktivitäten „lei<strong>der</strong><br />

nicht regelmäßig“ stattf<strong>in</strong>den, so gibt es aber dennoch e<strong>in</strong> „Bewusstse<strong>in</strong> dafür“, dass<br />

95


diese Aktivitäten wichtig s<strong>in</strong>d und gut tun (vgl. Gruppengespräch Z. 139). Wie schon<br />

beschrieben wurde, s<strong>in</strong>d teilweise an<strong>der</strong>e Männer notwendig, um Männlichkeit<br />

def<strong>in</strong>ieren und leben zu können – o<strong>der</strong> wenigstens wird es durch die Interaktion mit<br />

an<strong>der</strong>en Männern erleichtert. An dieser Stelle im Gruppengespräch wird das noch<br />

e<strong>in</strong>mal, zusammen mit den wenigen Möglichkeiten, das noch zu tun, angeführt:<br />

„…dann gibt es ja noch das <strong>LSF</strong>-Fußballturnier, wo bis auf zwei<br />

Frauenmannschaften … wo man auch merkt, dass Frauen <strong>in</strong> die Domäne<br />

[Anm. die männliche Domäne des Fußballs] re<strong>in</strong>kommen. Also es<br />

verschwimmt schon e<strong>in</strong> bisserl, wo ich merke irgendwie ist es lustig, aber es<br />

wird dann immer schwieriger auch e<strong>in</strong>en Rahmen zu f<strong>in</strong>den, se<strong>in</strong> Geschlecht<br />

auszuleben. Und dass es immer schwieriger wird, durch diese Vermischung<br />

auch klar dazu stehen zu können zu se<strong>in</strong>er Rolle und das auch mit<br />

Gleichges<strong>in</strong>nten ausleben zu können.“ (vgl. Gruppengespräch Z. 142)<br />

Aktivitäten <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en Männergruppen werden als wichtiger Punkt gesehen, das eigene<br />

Geschlecht auszuleben. Männerrunden und Männergruppen um das eigene Geschlecht<br />

zu konstruieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Hier werden <strong>in</strong> aller Kürze noch e<strong>in</strong>mal die Methoden zur <strong>Konstruktion</strong> <strong>von</strong><br />

Männlichkeit aufgezeigt, die sich im Gruppengespräch mit den männlichen<br />

Sozialarbeitern des Sozialdienstes abzeichneten.<br />

Analog zu den Ergebnissen aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews zeigte sich, dass bei den<br />

Beschreibungen <strong>von</strong> Kompetenzen und Liebl<strong>in</strong>gsaufgaben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit <strong>der</strong><br />

Fokus auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> strukturellen Arbeit liegt. So wurden beispielsweise fast<br />

ausschließlich Eigenschaften <strong>von</strong> SozialarbeiterInnen genannt, die auf <strong>der</strong> Team- o<strong>der</strong><br />

Systemebene sichtbar werden, kaum Eigenschaften, die wichtig s<strong>in</strong>d für die direkte<br />

klientInnenbetreuende Tätigkeit. Der Teil <strong>der</strong> praktischen Arbeit wurde <strong>in</strong> diesem<br />

Gespräch noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en mütterlich-weiblichen und väterlich-männlichen Bereich<br />

unterteilt, wo ebenfalls <strong>der</strong> Fokus auf den väterlich-männlichen Bereich <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit gelegt wurde. So wurde als Ziel <strong>der</strong> Arbeit beschrieben, <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Aufgaben und Verantwortung abnehmenden Haltung (zu Beg<strong>in</strong>n <strong>von</strong> Betreuungen) zu<br />

96


e<strong>in</strong>er Selbständigkeit för<strong>der</strong>nden Haltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit zu gelangen; also <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

mütterlichen zur väterlichen Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

Was die abgefragten Kompetenzen betrifft, kristallisierten sich vor allem zwei<br />

bedeutende Punkte heraus. E<strong>in</strong>erseits werden Kl<strong>in</strong>iksozialarbeiterInnen im Vergleich zu<br />

an<strong>der</strong>en Berufsgruppen <strong>von</strong> den drei Sozialarbeitern als SpezialistInnen mit e<strong>in</strong>em<br />

gewissen Wissensmonopol dargestellt, zum an<strong>der</strong>en wird auf persönlicher Ebene gerade<br />

Fähigkeit und Wille zu Selbsterfahrung und Reflexion <strong>der</strong> Arbeit als sehr wichtig<br />

e<strong>in</strong>geschätzt. Dies steht im Gegensatz zu <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit als<br />

allzuständige Generalisten-Arbeit aus den E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews.<br />

Auch über die Kommunikation wird e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong> abgewickelt. In<br />

diesem Bereich vor allem über die Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Männern. Die<br />

Erwartungen <strong>von</strong> Seiten <strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen, die wahrgenommen werden, führen zur<br />

Aussage, dass man sich unter an<strong>der</strong>en Männern „nicht verstellen“ muss und so –<br />

nämlich Mann - se<strong>in</strong> kann wie man ist. Durch die ger<strong>in</strong>ge Anzahl <strong>von</strong> Männern im<br />

Sozialdienst kommt es zu e<strong>in</strong>er weiblichen Themenführerschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> nicht beruflichen<br />

Kommunikation, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Pausengesprächen, Besprechungen, wie auch <strong>in</strong><br />

Sitzungen zu den Zeiten wenn über nichts Fachspezifisches gesprochen wird. Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite wird bezugnehmend auf den kle<strong>in</strong>en Anteil an Männern im Sozialdienst<br />

e<strong>in</strong> prozentuell höherer Anteil an <strong>der</strong> beruflichen Kommunikation festgestellt.<br />

Bei den Männern im Sozialdienst besteht allgeme<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wunsch nach geme<strong>in</strong>samen<br />

Aktivitäten mit den an<strong>der</strong>en Männern. Dies beruht e<strong>in</strong>erseits auf dem Wunsch nach<br />

„männlicher Kommunikation“, an<strong>der</strong>erseits auf <strong>der</strong> vorherrschenden weiblichen<br />

Themenführerschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> nicht-beruflichen Kommunikation. Aktivitäten dieser Art<br />

f<strong>in</strong>den zwar nicht regelmäßig statt, aber es besteht „e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> dafür“, dass sie<br />

wichtig s<strong>in</strong>d und gut tun.<br />

Weiters wird über die Kleidung e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong> eigenen Männlichkeit ausgedrückt.<br />

Dies wird als Möglichkeit gesehen, dem Männerbild e<strong>in</strong>es „sehr<br />

verweichlichten“ Mannes entgegenzutreten, das männlichen Sozialarbeitern unter<br />

Umständen zugeschrieben wird.<br />

97


Forschungsausblick<br />

Ziel <strong>der</strong> Arbeit war die Gen<strong>der</strong>-Analyse des Berufsfeldes <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit.<br />

Anhand <strong>von</strong> Beschreibungen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit konnte durch diese Untersuchung<br />

gezeigt werden, dass es zu e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Teilung <strong>in</strong> „strukturell-männliche“ und<br />

„praktisch-weibliche“ Arbeitsbereiche <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit kommt. Entlang<br />

dieser Grenze orientieren sich alle weiteren Kriterien die zur Auswertung <strong>der</strong> Interviews<br />

verwendet wurden.<br />

Durch die <strong>in</strong> den Interviews zur Sprache gebrachten Ideen und Phantasien über<br />

Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit, kommt es zu teilweise unterschiedlichen Erwartungen an<br />

Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen und Sozialarbeiter. Dieser Punkt könnte <strong>in</strong> weiterführenden Studien<br />

sicherlich noch vertieft werden. Es wäre <strong>in</strong>teressant zu klären, <strong>in</strong> welcher H<strong>in</strong>sicht sich<br />

die Erwartungen an männliche und weibliche SozialarbeiterInnen unterscheiden und ob<br />

diese Erwartungen ebenfalls <strong>der</strong> Trennl<strong>in</strong>ie <strong>von</strong> praktischer und struktureller Arbeit<br />

folgen.<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Punkt, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Diskussion über Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit <strong>von</strong><br />

Männern und Frauen im Sozialdienst zugrunde liegt, ist die Frage nach den Vorzügen<br />

und Nachteilen <strong>von</strong> gegengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Betreuungsarbeit.<br />

In diesem Feld besteht zweifellos noch großer Forschungsbedarf.<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung wurden e<strong>in</strong>ige Vorzüge sowohl <strong>der</strong> gegen- als auch<br />

<strong>der</strong> gleichgeschlechtlichen Betreuungsarbeit genannt. Um e<strong>in</strong>e optimale Betreuung <strong>von</strong><br />

KlientInnen zu gewährleisten, wäre es jedoch notwendig, zu erforschen, welche<br />

Betreuungskonstellation, abhängig <strong>von</strong> Krankheitsbild, sozialarbeiterischer<br />

Aufgabenstellung und sexueller Ausrichtung <strong>der</strong> KlientInnen die zielführendste ist.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Thema <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit war die Erforschung <strong>der</strong><br />

<strong>Konstruktion</strong>smechanismen <strong>von</strong> Männlichkeit. Um das Bild <strong>von</strong> <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu vervollständigen, wäre e<strong>in</strong> nächster logischer Schritt die<br />

Erforschung <strong>der</strong> <strong>Konstruktion</strong>sprozesse <strong>von</strong> Weiblichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit. Die<br />

Frage nach <strong>der</strong> Weiblichkeit <strong>in</strong> diesem Berufsfeld wurde, aus Komplexitäts- und<br />

Ressourcengründen, bewusst nicht gestellt, ist aber, um e<strong>in</strong> tiefes Verständnis des<br />

Themenkomplexes <strong>Geschlechtlichkeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iksozialarbeit zu erlangen,<br />

unerlässlich.<br />

98


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Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Biologische Grundlagen <strong>der</strong> Geschlechterdifferenz ............................ Seite 23<br />

Tabelle 2: Leitfragen – Problemzentrierte Interviews .......................................... Seite 28<br />

Tabelle 3: Leitfragen – Gruppendiskussion .......................................................... Seite 30<br />

Tabelle 4: InterviewpartnerInnen.......................................................................... Seite 31<br />

102


Eidesstattliche Erklärung<br />

Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig<br />

und ohne Benutzung an<strong>der</strong>er als <strong>der</strong> angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus<br />

fremden Quellen direkt und <strong>in</strong>direkt übernommenen Gedanken s<strong>in</strong>d als solche kenntlich<br />

gemacht.<br />

Die Arbeit wurde bisher <strong>in</strong> gleicher o<strong>der</strong> ähnlicher Form ke<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />

Prüfungskommission vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.<br />

_____________________<br />

Paul Sprenger<br />

<strong>Graz</strong>, im Juni 2009<br />

103

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