Wirtschaftswoche Ausgabe vom 27.10.2014 (Vorschau)
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FINANZPLATZ ÖSTERREICH<br />
» Wir machen heute sechzig Prozent<br />
unseres Umsatzes in Europa,<br />
langfristig aber wollen wir jeweils<br />
rund ein Drittel in Europa, Amerika<br />
und in Asien erwirtschaften. «<br />
THOMAS FAHNEMANN, CEO SEMPERIT<br />
standorten und drei Vertriebsstandorten<br />
vertreten. Ebenso wichtig sind für uns<br />
beispielsweise China, Brasilien, Türkei,<br />
aber auch Russland, das trotz der aktuellen<br />
politischen Turbulenzen ein Wachstumsmarkt<br />
für die RHI bleibt.“<br />
Ganz ähnlich setzt die ebenfalls österreichische<br />
Semperit Group auf Expansion<br />
in Schwellenländern. Der Hersteller<br />
von hochwertigen Gummiprodukten<br />
wie Operationshandschuhen, Schläuchen<br />
oder Elastomerplatten hat ebenfalls weit<br />
mehr als nur die BRIC-Staaten im Visier<br />
und betreibt unter anderem Werke<br />
in Thailand, China und Malaysia. CEO<br />
Thomas Fahnemann will die Internationalisierung<br />
seines Unternehmens rasch<br />
vorantreiben: „Wir machen heute 60 Prozent<br />
unseres Umsatzes in Europa, langfristig<br />
aber wollen wir jeweils rund ein<br />
Drittel in Europa, Amerika und in Asien<br />
erwirtschaften.“<br />
Wachsen, wo Wachstum<br />
stattfindet<br />
Die ambitionierte Wachstumsstrategie<br />
– Semperit möchte „in allen Segmenten<br />
und Regionen schneller als der Markt<br />
wachsen“ – funktioniert nur dann, wenn<br />
das Unternehmen „dort ist, wo Wachstum<br />
stattfindet“, sagt Fahnemann, „von<br />
den Rohstoffen über die Produktion bis<br />
zum Vertrieb.“ Weshalb Semperit derzeit<br />
in einem massiven Investitionsprogramm<br />
Standorte in Polen, der Tschechischen<br />
Republik, Malaysia und China ausbaut.<br />
Von der Skepsis der Finanzmärkte gegenüber<br />
den Schwellenländern lässt sich<br />
Fahnemann nicht beeindrucken: „Wir erwarten<br />
insgesamt eine gute Entwicklung<br />
in den Emerging Markets, die Nachfrage<br />
nach unseren Produkten ist stark von<br />
Megatrends wie Bevölkerungswachstum,<br />
Urbanisierung und Rohstoff- bzw. Energiehunger<br />
getrieben. Steigender Wohlstand<br />
und höhere Hygieneanforderungen<br />
führen dazu, dass immer mehr Handschuhe<br />
verwendet werden. Wachsende<br />
Städte treiben die Bauindustrie und den<br />
Maschinenbau an – was wiederum mehr<br />
Bedarf für unsere Schläuche, Handläufe<br />
oder Fensterprofile bedeutet. Und wenn<br />
der Bedarf an Erzen oder Kohle wächst,<br />
müssen diese Rohstoffe auch transportiert<br />
werden, zum Beispiel mit unseren<br />
Förderbändern.“<br />
Riesiges Potenzial<br />
Ein Grund, warum Unternehmen wie<br />
Semperit und RHI weiterhin an die<br />
Schwellenländer glauben, liegt im Nachholbedarf.<br />
Zwar haben im Laufe des<br />
letzten Jahrzehntes die Kaufkraft der<br />
Bevölkerung und folglich der Wohlstand<br />
zugenommen, weshalb sich auch<br />
die Wachstumsraten etwas abgekühlt<br />
haben. Aber von einer Sättigung wie in<br />
Europa oder den USA sind die Märkte<br />
noch weit entfernt. „Der Grad der Industrialisierung<br />
steigt, wesentliche Grundstoffe<br />
werden zunehmend in den Ländern<br />
selbst hergestellt“, hat RHI-Boss<br />
Struzl festgestellt, „und wo immer Stahl,<br />
Zement, Glas oder Aluminium erzeugt<br />
wird, werden Feuerfestprodukte benötigt.<br />
Da kommt natürlich RHI als Weltmarktführer<br />
in der Feuerfesttechnologie<br />
ins Spiel.“<br />
Semperit-Chef Fahnemann rechnet<br />
vor, dass „in den USA pro Jahr 150-<br />
160 Hygiene-Handschuhe pro Kopf<br />
verbraucht werden. In Asien sind es dagegen<br />
erst 10-20 pro Einwohner und<br />
Jahr. Das Potenzial ist also riesig.“<br />
Die Nachricht <strong>vom</strong> Ende der Party in<br />
den Schwellenländern kommt also etwas<br />
voreilig. Was zu Ende geht, ist lediglich<br />
die Phase des Hypes, in der Anleger<br />
nichts falsch machen konnten. Wer jetzt<br />
von der immer noch regen Wachstumsfantasie<br />
dieser Weltregionen profitieren<br />
will, wird sich etwas differenzierter beschäftigen<br />
müssen, sowohl mit den einzelnen<br />
Ländern als auch mit den jeweils<br />
interessanten Branchen. Für nachhaltigen<br />
Erfolg ist es unerlässlich, dass die<br />
Unternehmen auf den jeweiligen Märkten<br />
heimisch werden.<br />
Politisch brisante Märkte<br />
Typisch für viele Schwellenländer ist<br />
es nämlich, dass die Jahre des hitzigen<br />
Wachstums zu sozialen Verwerfungen<br />
geführt haben und die Kluft zwischen<br />
den Reichgewordenen und den noch<br />
auf den Aufstieg Hoffenden politischen<br />
Sprengstoff birgt. Gesellschaftliches Engagement<br />
ist deshalb auch für Unternehmen<br />
wichtig, die nicht primär für Endkunden<br />
produzieren. So hat RHI vor<br />
einem Jahr ein Programm zur Verbesserung<br />
der technischen Berufsausbildung<br />
von Jugendlichen in Mexiko und in der<br />
Türkei gestartet, berichtet Struzl: „Dabei<br />
erhalten in den nächsten Jahren rund 470<br />
Jugendliche Zugang zu einer praxisorientierten<br />
Berufsausbildung, um so ihre<br />
Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.<br />
Der Motor dieses Ausbildungsprogramms<br />
sind die RHI-Standorte in<br />
Mexiko und in der Türkei.“<br />
Semperit hat sich das Ziel gesetzt, gerade<br />
in Niedriglohnländern die Arbeitsbedingungen<br />
so zu gestalten, dass sie<br />
auch europäischen Wertvorstellungen<br />
genügen, sagt Fahnemann: „Wir wollen<br />
überall einen Beitrag zur Verbesserung<br />
der Situation leisten, Vorbild sein. Da<br />
stellen wir uns auch unabhängigen Audits<br />
und lassen uns streng prüfen.“<br />
28 ÖSTERREICH STARKES LAND 2 /2014