27.10.2014 Aufrufe

Wirtschaftswoche Ausgabe vom 27.10.2014 (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schärfste Waffe<br />

Jo White, Chefin<br />

der US-Börsenaufsicht<br />

SEC,<br />

schwört im Kampf<br />

gegen Wirtschaftskriminalität<br />

auf<br />

Whistleblower<br />

FOTO: GETTY IMAGES<br />

Ein Drittel des Whistlerblower-Lohns<br />

greift der Anwalt ab<br />

Mit dem Seitenwechsel dürfte Thomas<br />

sein Gehalt vervielfacht haben. Denn das<br />

Whistleblowing bietet Verdienstchancen,<br />

die selbst für New Yorker Wirtschaftsanwälte<br />

ungewöhnlich sind. „Whistleblowing<br />

ist die neueste Goldgrube“, sagt ein Washingtoner<br />

Rechtsanwalt: „Die Summen,<br />

die wir verdienen, sind fast schon obszön.“<br />

Die Anwälte arbeiteten fast ausnahmslos<br />

auf Erfolgsbasis. Wird eine Belohnung ausgezahlt,<br />

erhalten sie davon 30 bis 40 Prozent.<br />

Hinzu kämen „sehr ansehnliche“<br />

Stundensätze: „Die meisten rechnen im<br />

Schnitt 400 bis 500 Dollar pro Stunde ab.“<br />

Whistleblowing-Experte Tom Devine,<br />

Direktor für Rechtsfragen bei der Washingtoner<br />

Bürgerrechts-Organisation Government<br />

Accountability Project (GAP), sieht<br />

„einen Traum wahr werden für die Anwaltsprofession:<br />

Erstmals können Rechtsanwälte<br />

stolz darauf sein, reich zu werden.“<br />

Früher hingegen, sagt Devine augenzwinkernd,<br />

habe man für die Mafia arbeiten<br />

müssen, um so gut zu verdienen.<br />

Über 50 Kanzleien seien inzwischen mit<br />

Tippgebern im Geschäft, erzählt Devine. Er<br />

selber habe „häufig mit einem Whistleblower-Anwalt<br />

zu tun, der bis vor ein paar Jahren<br />

Firmen verteidigte, die durch Whistleblower<br />

in Bedrängnis kamen“.<br />

So hat auch die Kanzlei des inzwischen<br />

verstorbenen Staranwalts Johnnie Cochran<br />

das neue Geschäftsfeld entdeckt.<br />

Cochran hatte für den unter Mordverdacht<br />

stehenden Football-Star O.J. Simpson 1994<br />

einen Freispruch erkämpft und verteidigte<br />

Musiker wie Michael Jackson, Snoop Dogg<br />

und P. Diddy. Seit Anfang des Jahres baut<br />

die Kanzlei in Washington eine Abteilung<br />

für SEC-Whistleblower auf.<br />

Es sei die erste Belohnung in Höhe mehrerer<br />

Millionen US-Dollar im vergangenen<br />

Jahr gewesen, die die Kanzlei auf das Thema<br />

aufmerksam gemacht habe, sagt David<br />

Haynes, Partner der Kanzlei: „Da ist echtes<br />

Potenzial, denn Tatsache ist, dass Insidergeschäfte<br />

und andere Verstöße gegen Aktienrecht<br />

nie aufhören werden.“<br />

Politisch sind die Fronten bei dem Thema<br />

klar in den USA. Die Demokraten sind<br />

meist pro Whistleblower-Schutz, die Republikaner<br />

möchten lieber die Unternehmen<br />

vor den Whistleblowern schützen. Und so<br />

sorgen die Profiteure auf beiden Seiten dafür,<br />

dass ihre Einnahmequellen erhalten<br />

bleiben. 2012 trat Barack Obama zur Wiederwahl<br />

an, und sein republikanischer Widersacher<br />

Mitt Romney versprach, im Fall<br />

eines Wahlsiegs das Dodd-Frank-Gesetz<br />

wieder abzuschaffen. Prompt sah Rechtsanwalt<br />

John Phillips aus Washington, ein<br />

Urgestein im Whistleblower-Business, seine<br />

Felle davonschwimmen und erkannte:<br />

„Die Industrie hat Milliardenstrafen gezahlt,<br />

und die Gefahr ist riesig, dass die Politik<br />

auf ihren Druck hin nun zurückrudert.“<br />

Daraufhin begann Phillips, der allein an<br />

einem Whistleblower des Pharmakonzerns<br />

GlaxoSmithKline eine zweistellige Millionensumme<br />

verdient hatte, Wahlkampfspenden<br />

für Obama einzutreiben. Schnell<br />

hatte er 200 000 Dollar beisammen. Sein<br />

Kollege John Morgan aus Florida brachte<br />

es sogar auf 1,7 Millionen Dollar. Ebenfalls<br />

unter den Obama-Spendern: die Kanzlei<br />

Grant & Eisenhofer aus Delaware, die unter<br />

anderem einen Whistleblower unter Vertrag<br />

hatte, der dem US-Justizministerium<br />

im Zuge einer Strafe zu einer 800-Millionen-Dollar-Einnahme<br />

verhalf.<br />

„Man kann nur erahnen, was es bedeutet,<br />

wenn neuerdings so viel Geld mit der<br />

Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität<br />

gemacht wird“, sagt Whistleblowing-Experte<br />

Devine: „Das verändert die Machtverhältnisse<br />

zwischen der Wirtschaft, ihren<br />

Kontrolleuren und einzelnen Whistleblowern<br />

tief greifend.“ Denn Recht zu bekommen<br />

koste in den USA in der Regel viel<br />

»<br />

WirtschaftsWoche <strong>27.10.2014</strong> Nr. 44 43<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!