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Ausgabe Nr.9<br />

November <strong>2012</strong><br />

Erscheint halbjährlich<br />

ISSN 1867-5174


Editorial<br />

Liebe Leser,<br />

bei der Einführung der Arbeitslehre als neues Unterrichtsfach<br />

an den Hauptschulen Ende der 60er Jahre<br />

war klar, dass gut ausgestattete Werkstätten in den<br />

Schulen praktisch eine unabdingbare Voraussetzung<br />

waren. Unterricht in diesem Fach war ohne Werkstätten<br />

nicht vorstellbar. Loriot hätte gesagt: „Arbeitslehre<br />

ohne Werkstätten ist vielleicht möglich, aber sinnlos“.<br />

Entsprechend war der Werkstattunterricht in nahezu<br />

allen Rahmenplänen präsent. Der Berliner Rahmenplan<br />

formulierte es einmal so: „Arbeit als die Gestaltung<br />

unterschiedlicher Materialien und Werkstoffe<br />

unter Einsatz von Maschinen und Handwerkszeugen<br />

hat einen pädagogischen Wert, der nicht durch andere<br />

Unterrichtsformen substituierbar ist. Sie ist in vielerlei<br />

Hinsicht der Persönlichkeitsentwicklung eines Jugendlichen<br />

förderlich.“<br />

Den Höhepunkt einer gelungenen Werkstattausstattung<br />

erlebten die Berliner Gesamtschulen in den 70er<br />

Jahren. 13 Bildungszentren wurden mit technisch anspruchsvollen<br />

Maschinen und Geräten ausgestattet.<br />

Ein wesentlicher Teil des Unterrichts sollte in den<br />

schulischen Werkstätten stattfinden.<br />

Leider verließ die Bildungspolitiker im letzten Moment<br />

der Mut. Zwar waren die Gesamtschulen in den verschiedenen<br />

Sachfeldern hervorragend ausgestattet. Die<br />

Stundentafel für Arbeitslehre sah die Werkstätten faktisch<br />

aber nur für den Wahlpflichtunterricht vor, denn nur<br />

für diese Unterrichtszeit gab es Teilungsstunden. Werkstattstunden<br />

im ungeteilten Pflichtunterricht mit 27 – 30<br />

Schülerinnen waren nicht realisierbar, weder von der<br />

Raumgröße her, noch unter Sicherheitsaspekten.<br />

So wurde die Arbeitslehre im Pflichtunterricht für alle<br />

Schüler an den Gesamtschulen zum Tafel- und Kreidefach.<br />

Der Kern der Arbeitslehre, die Werkstattarbeit an<br />

Projekten, war nur für die Schülerinnen erlebbar, die Arbeitslehre<br />

als Wahlpflichtfach gewählt hatten. Durch diese<br />

Organisation standen die Wahlpflichtkurse Arbeitslehre<br />

in Konkurrenz zur 2. Fremdsprache, die zwingende<br />

Voraussetzung für das Abitur ist. Wer also Arbeitslehre<br />

wählte, entschied sich damit gewollt oder ungewollt gegen<br />

ein gradliniges Abitur. Diese Konstruktion hatte für<br />

die Zusammensetzung der Lerngruppen fatale Konsequenzen.<br />

Arbeitslehre bekam im Laufe der Jahre so den<br />

Ruf eines „Blaukittelfaches“. Es wurde Sammelbecken<br />

für diejenigen, die angeblich „nicht viel in der Birne hat-<br />

ten“ oder die durch den traditionellen Tafel- und Kreideunterricht<br />

vorgeblich nicht mehr motiviert werden<br />

konnten. Wer Arbeitslehre als Wahlpflichtfach wählte,<br />

erhielt zwar in den meisten Fällen einen qualifizierten<br />

Abschluss in der Sek I, machte aber in den seltensten<br />

Fällen Abitur, denn die Hürde dazu war groß, weil diese<br />

Schüler zwar eine Berechtigung zum Übergang in die<br />

gymnasiale Oberstufe hatten, allerdings mit dem Preis,<br />

die 2. Sprache in der E-Phase neu zu beginnen. Jeder,<br />

der sich mit Fremdsprachen lernen beschäftigt weiß: Je<br />

später man beginnt, desto schwieriger wird es.<br />

In der aktuellen Entwicklung gibt es ein Phänomen, das<br />

den klassischen Werkstattunterricht weiter entwertet.<br />

Googelt man den Begriff „Werkstattunterricht“, findet<br />

man auf den ersten Positionen einen Begriffswandel.<br />

Als Werkstätten werden zunehmend „normale“ Unterrichtsräume<br />

und ein Unterrichtsprinzip bezeichnet, das<br />

mit klassischen Werkstätten nicht mehr viel zu tun hat.<br />

Bei Wikipedia heißt es: „Mit dem Ausdruck Werkstattunterricht<br />

wird … eine Lern- und Lehrmethode bezeichnet,<br />

in der die Schüler anhand geeigneter Aufgabenstellungen<br />

und Reflexionsphasen innerhalb vorbereiteten<br />

Materials selbständig bestimmte Lernziele erreichen<br />

sollen“. Bei dieser Definition wird der kognitive Bereich<br />

betont, also Lesewerkstatt, Schreibwerkstatt, Mathematikwerkstatt<br />

oder allgemein Lernwerkstatt.<br />

Gegen Werkstätten dieser Art ist nichts einzuwenden,<br />

sie sind sogar eine echte Alternative zur Belehrung im<br />

traditionellen Sinne von Unterricht. Sie können aber die<br />

schulischen Arbeitslehrewerkstätten nicht ersetzen. Beide<br />

Konzepte gehören in eine Schule, die für sich in Anspruch<br />

nimmt, alle Schülerinnen mit all ihren Begabungen<br />

zu fördern. Dabei dürfen Arbeitslehrewerkstätten<br />

nicht dem Teil der Schüler vorbehalten bleiben, denen<br />

man gemeinhin nur eine sogenannte praktische Begabung<br />

zumisst. Man kann Kopf und Hand nicht folgenlos<br />

trennen. Was und auf welchem Niveau in Arbeitslehrewerkstätten<br />

geleistet werden kann, zeigen die Beispiele,<br />

die in diesem Forum präsentiert werden.<br />

Ihr<br />

(Vorsitzender GATWU)<br />

2<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Editorial<br />

1<br />

Bildungspolitisches Forum<br />

Günter Reuel<br />

Reinhold Hoge<br />

Simone Maier<br />

Detmar Grammel<br />

Matthias Laub & Bernd Ludwig<br />

Marcus Hornig<br />

Katharina Koch<br />

Detmar Grammel<br />

Günter Eisen & Wilfried Seibel<br />

Mira Diedering & Felix Iwert<br />

Arbeitslehre-Werkstätten – eine nicht abgeschlossene<br />

didaktische Entwicklungsaufgabe<br />

Die Lehrküche in der Arbeitslehre/WAT<br />

Ein Raum, in dem Schüler fürs Leben viel lernen<br />

können: die Textilwerkstatt<br />

Kunststoffverarbeitung im Arbeitslehreunterricht<br />

Kunststoffverarbeitung an der B.-Traven-Oberschule<br />

Kunststoffverarbeitung und der Einsatz der CNC-Fräse<br />

Die Einkaufsabteilung der Arbeitslehre<br />

Rundschreiben Sägen: Neufassung in Sicht<br />

Was hat Bismarck mit der Arbeitslehre zu tun?<br />

Wir haben uns gefreut<br />

4<br />

9<br />

13<br />

15<br />

19<br />

22<br />

24<br />

27<br />

29<br />

31<br />

Die Schülerfirmen-Börse<br />

Katharina Koch<br />

Mira Diedering, Felix Iwert,<br />

Theodor Sakatis (Fotos)<br />

Mira Diedering, Felix Iwert,<br />

Simone Maier (Textil)<br />

Brett & Butter<br />

Der Porto-Tester<br />

Fertigung eines Strandstuhls<br />

33<br />

38<br />

44<br />

Didaktisches Forum<br />

Jürgen Günther<br />

Ulrich J. Kledzik & Günter Reuel<br />

Manfred Triebe<br />

Detmar Grammel & Günter Reuel<br />

Redaktion<br />

Reinhold Hoge<br />

Günter Reuel<br />

Detmar Grammel<br />

Gemeinsam(e) Perspektiven schaffen<br />

Und immer wieder Chancengleichheit<br />

Das Märchen von der fehlenden Ausbildungsfähigkeit<br />

Lehrerbildung, Praxiserfahrung und Lehrerfortbildung<br />

Was ist beim „Dualen Lernen“ anders als in<br />

der Arbeitslehre?<br />

Arbeitslehre-Wettbewerb in China<br />

Selbstkontrolle vrs. Eigenverantwortung<br />

Potenzialanalyse – ein Rückfall in<br />

alte Begabungstheorien?<br />

49<br />

55<br />

57<br />

60<br />

62<br />

63<br />

65<br />

66<br />

Rezensionen und Kurzhinweise<br />

Wilfried Wulfers<br />

Wilfried Wulfers<br />

Rezensionen<br />

Kurzhinweise auf Unterrichtsmaterialien<br />

68<br />

72<br />

3<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Wichtige Texte aus der Arbeitslehre<br />

U.-J. Kledzik<br />

Wichtige Texte aus der Geschichte der Arbeitslehre<br />

74<br />

Aus der GATWU<br />

Detmar Grammel Die GATWU wird 35<br />

77<br />

Aus den Hochschulen: IBBA der TU Berlin<br />

Günter Reuel Semesterabschluss Sommer <strong>2012</strong><br />

Redaktion<br />

Neue Mitarbeiter des IBBA<br />

80<br />

84<br />

Berlin: Aus der zweiten Phase<br />

Redaktion<br />

Redaktion<br />

Portrait von Doro Schultz<br />

Verabschiedung von Maria Jägermeyr<br />

85<br />

88<br />

Dummwörter aufgespießt<br />

Redaktion<br />

Airlines<br />

88<br />

SpechtSpäne<br />

Redaktion<br />

Schafft die Fächer ab!<br />

89<br />

Thema des nächsten Heftes<br />

Redaktion<br />

Testen in der Arbeitslehre<br />

90<br />

Autorenverzeichnis<br />

Impressum<br />

91<br />

92<br />

4<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Bildungspolitisches Forum<br />

Günter Reuel<br />

Arbeitslehre-Werkstätten – eine nicht abgeschlossene didaktische<br />

Entwicklungsaufgabe<br />

Arbeitslehre war lange Jahre ein Schulfach, das kein<br />

Klassenzimmer brauchte, sondern ausschließlich<br />

Werkstätten 1 . Selbst die immer um einen Sonderweg<br />

ringende „Berufsorientierung“ war am erfolgreichsten<br />

in Werkstätten. Bei der Nachgeburt „WAT“ sind<br />

Werkstätten schon mal entbehrlich.<br />

Der Werkstattbegriff hat viele Perversionen erfahren,<br />

es gibt angeblich „Schreibwerkstätten“, „Lernwerkstätten“,<br />

„Zukunftswerkstätten“ u.a.m. Alles,<br />

was eine Werkstatt ausmacht, fehlt dort: Es wird<br />

nicht mit Werkstoffen und Werkzeugen hantiert (mit<br />

der Hand lernen), kein Span fällt zu Boden und das<br />

Rascheln der Arbeitsbögen ist als Lärmpegel kaum<br />

störend. Werkstätten in Schulen sollte man nur dann<br />

Werkstatt nennen, wenn mit Kopf und Hand gelernt<br />

wird.<br />

In unseren Schulen dominieren immer noch Räume<br />

mit Tischen, Stühlen und einem Katheder. Eine<br />

Veränderung ist allerdings nicht zu übersehen: In so<br />

genannten Computerräumen hat jeder Schüler sein<br />

eigenes Katheder und wendet dem Lehrer den Rücken<br />

zu.<br />

Ausnahmen sollte man nicht verschweigen. Es gibt<br />

die Waldorfschulen, in denen Werkstätten eine große<br />

Rolle spielen. Waldorfschulen können auf eine<br />

Übernachfrage verweisen, was allein kein Gütekriterium<br />

ist.<br />

Parkplätze Vorrang. In den 1970er Jahren wurde in<br />

Berlin das größte Schulbauprogramm seit Verwaltungsgedenken<br />

verwirklicht. Dreizehn Bildungszentren<br />

wurden errichtet mit modernsten Werkstätten<br />

für das Fach Arbeitslehre. Die Finanzierung<br />

dieses Projekts überstieg die Liquidität des Senats,<br />

es wurde ein Leasingvertrag mit einer Baugesellschaft<br />

(DeGeWo) geschlossen. Das Schicksal dieser<br />

Schulen, namentlich der Arbeitslehre-Werkstätten,<br />

zeichnen wir an anderer Stelle nach.<br />

Es gibt Kompromisse für den Fall, dass keine eigenen<br />

Werkstätten vorhanden sind. Engagierte Arbeitslehrelehrer<br />

praktizierten Textilarbeit in einem<br />

normalen Klassenzimmer, indem sie Koffernähmaschinen<br />

in einem Schrank unterbrachten, die bei<br />

Bedarf auf normalen Schultischen eingeschränktes<br />

Arbeiten erlaubten. Eine Elektrowerkstatt verbarg<br />

sich ebenfalls im Schrank. Lötkolben, Bauteile und<br />

Messgeräte wanderten auf den mit einer dicken Pappe<br />

geschützten Schultisch und nach einem Schaltplan<br />

entstand die Ampelsteuerung.<br />

Derartige „Lösungen“ verwirklichen engagierte<br />

Arbeitslehrelehrer, fehlen diese, wie heute sehr<br />

verbreitet, werden nicht einmal die professionell<br />

eingerichteten Textil- und Elektrowerkstätten genutzt.<br />

Natürlich ist auch eine Doppelnutzung von<br />

Räumen möglich. In vielen Schulen ist ein Physikraum<br />

vorhanden – nicht immer sind Schülerexperi-<br />

Was kosten Werkstätten?<br />

Man muss drei Kostenstellen unterscheiden: die Errichtung<br />

von geeigneten Räumen, die Finanzierung<br />

der Ausstattung und die laufenden Kosten.<br />

1. Noch immer planen Schulbauarchitekten Gebäude<br />

ohne Werkstätten. Statt eines Schulgartens haben<br />

1<br />

„… war mit der Arbeitslehre praktisches Tun der Schüler, das von<br />

Interpretation und Reflexion begleitet ist gemeint … Jugendliche<br />

(sollten) elementare praktische Arbeit in verschiedenen Sachgebieten<br />

(leisten). Es kam dann aber anders. Es wurde und wird – von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen – über die Arbeitswelt gesprochen.“ Peter<br />

Fauser, Klaus Fintelmann, Andreas Flitner in: Lernen mit Kopf und Hand,<br />

Weinheim Basel 1983, S.129f<br />

5<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


mentierplätze selbstverständlich – gleichwohl kann<br />

der Physikraum für die technische Anwendung des<br />

elektrischen Stroms genutzt werden.<br />

2. Die Ausstattung von Arbeitslehre-Werkstätten<br />

kostet Geld, Geld, das gut angelegt ist. Es handelt<br />

sich nicht um Riesenbeträge, wie wir weiter<br />

unten noch zeigen werden. Bastelgerät und labile<br />

Heimwerkermaschinen scheiden aus. Die Qualitätsstandards<br />

orientieren sich an der Solidität, die<br />

auch kleine Handwerksbetriebe fordern. Wichtig<br />

ist auch der Hinweis, dass der Abschreibungszeitraum<br />

ein Vielfaches von dem gewerblicher Betriebe<br />

beträgt. Eine Abschreibung im fiskalischen<br />

Sinne gibt es für Schulen nicht. Aber der Abnutzungsgrad<br />

ist objektiv feststellbar. Eine normale<br />

Säulenbohrmaschine läuft in einem Betrieb schätzungsweise<br />

20 Stunden wöchentlich, in der Schule<br />

etwa 2 Stunden.<br />

3. Zu den laufenden Kosten zählen etwa 200 €<br />

jährlich für das Schärfen von Sägeblättern, Hobelmessern,<br />

Fräsern, speziellen Bohrern (normale<br />

Wendelbohrer können in der Schule geschärft werden).<br />

Die Werkzeuge müssen regelmäßig in einen<br />

Schärfbetrieb gegeben werden. Diese Mittel sind<br />

unverzichtbar, weil stumpfe Werkzeuge das Unfallrisiko<br />

deutlich erhöhen und die Oberflächengüte der<br />

Werkstücke stark mindern.<br />

Kosten entstehen ferner für Schleifkörper, Klebstoffe,<br />

Normteile wie Schrauben u.ä. Der eigentliche<br />

Werkstoffverbrauch (Holz, Metallprofile, Bleche,<br />

Stoffe, Lebensmittel) hängt von den gewählten Projektzielen<br />

ab und kann auf zweierlei Weise finanziert<br />

werden. Gehen die Produkte in Schülerbesitz<br />

über, muss der Werkstoffverbrauch vom Schüler<br />

finanziert werden. Werden die Produkte in einer<br />

Schülerfirma vermarktet, muss die Refinanzierung<br />

durch den Verkauf gewährleistet sein.<br />

Welche Werkstätten sind für Arbeitslehre relevant?<br />

Es gibt Werkstätten, die relativ selten in (allgemein<br />

bildenden) Schulen anzutreffen sind: eine Glasbläser-<br />

Werkstatt, eine Kfz-Werkstatt, Gärtnereien, Bauhöfe,<br />

Polstereien, Frisiersalons, Wäschereien. Unmöglich<br />

sind sie nicht. In den 40 Jahren der Entwicklung von<br />

Arbeitslehre und verwandter Fächer entstanden in<br />

der Bundesrepublik Schulwerkstätten, die oft singuläre<br />

Erscheinungen blieben und mit dem Weggang<br />

des initiierenden Lehrers verwaisten. Es gab eine<br />

Bootswerft, wo über Betonformen Glasfaser armierte<br />

schiffbare Bootsrümpfe entstanden. Es gab einen gewaltigen<br />

gemauerten Pizzaofen auf dem Schulhof, der<br />

zweimal wöchentlich fünf Quadratmeter Pizza ausspuckte.<br />

Eine Bauwerkstatt fertigte in verschiedenen<br />

Verschalungen Wegeplatten aus Beton. Eine Schule<br />

unterhielt einen Kleintierzoo, wo Erbmutationen beobachtet<br />

werden konnten und wo der Nachwuchs an<br />

Liebhaber vergeben wurde. Ein Lehrer suchte jahrelang<br />

nach furchtlosen Schülern, die mit ihm eine Imkerei<br />

betrieben und leckeren Honig produzierten.<br />

Ein Auswahlkriterium für Arbeitslehre-Werkstätten<br />

ist gewiss die Unabhängigkeit von der Jahreszeit.<br />

Werkstätten im Außenbereich werden daher weniger<br />

konstant genutzt werden als Werkstätten in Gebäuden.<br />

Die Kernwerkstätten<br />

Diese sind sechs an der Zahl:<br />

Metallwerkstatt<br />

Holzwerkstatt<br />

Textilwerkstatt<br />

Lehrküche<br />

Kunststoffwerkstatt<br />

Elektrowerkstatt<br />

6<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Die Werkstätten repräsentieren ein riesiges Berufsspektrum<br />

und erlauben gleichzeitig den Erwerb von<br />

Qualifikationen, die bei der Hausarbeit gefordert<br />

werden. Emotional ist bei Schülern die Holzwerkstatt<br />

sehr beliebt, jedoch sollte nicht übersehen werden,<br />

dass Kunststoffe eine zentrale Bedeutung übernommen<br />

haben.<br />

Ein Schüler, der in vier Jahren diese Werkstätten<br />

durchläuft, entdeckt Neigungen und Abneigungen<br />

zu vielen Werkstoffen und Verfahren. Er erprobt<br />

sich bei grob- und feinmotorischen Handlungen, er<br />

bekommt ein Verhältnis zur Werkzeug- und Maschinenbedienung,<br />

das durch Angstfreiheit und Vorsicht<br />

zugleich gekennzeichnet ist. Der Schüler beobachtet<br />

an seinem Körper Unverträglichkeiten (Lärmempfindlichkeit,<br />

Stauballergie, Ekel vor Gerüchen).<br />

Werkstatt übergreifend sind die unausweichlichen<br />

Zwänge wie Ordnung, Hygiene, Kooperation, ökologische<br />

Rücksichtnahme.<br />

Die genannten sechs Werkstätten bilden den Idealfall,<br />

was die Verfügbarkeit angeht. Bei restriktiven<br />

Raumbedingungen sind folgende Räume kombinierbar:<br />

• Holz- und Metallwerkstatt<br />

• Elektro- und Kunststoffwerkstatt<br />

Textilwerkstatt und Lehrküche bleiben autonom.<br />

Im beruflichen Milieu gibt es Dogmen, die meist<br />

apodiktisch verkündet werden. Holz- und Metallbearbeitung<br />

sind angeblich unvereinbar. Holzstäube<br />

führen zur Korrosion von Maschinenbetten, Ölfilme<br />

– in der Metallverarbeitung üblich – hinterlassen<br />

verheerende Flecken auf Holzoberflächen. Diese<br />

puristische Auffassung ist in Schulwerkstätten<br />

vernachlässigbar. In einer kombinierten Holz- und<br />

Metallwerkstatt ist die Verwendung einiger Maschinen<br />

für beide Werkstoffe möglich. Hierzu zählen<br />

eine Säulenbohrmaschine, eine Drehmaschine, eine<br />

Bandsäge mit verstellbarer Drehzahl, sowie eine<br />

kleine CNC-Fräsmaschine.<br />

Die Kombinierbarkeit einer Kunststoffwerkstatt mit<br />

einer Elektrowerkstatt ist bei Raummangel vertretbar.<br />

Beide Werkstätten benötigen relativ wenig Platz<br />

für den Gerätepark. Emissionen sind zwar vorhanden,<br />

können aber durch kleine mobile Absauggeräte<br />

beherrscht werden. In der Textilwerkstatt ist natürlich<br />

Sauberkeit eine Grundbedingung - wer möchte<br />

schon in dem gerade geschneiderten Kleidungsstück<br />

Flecken haben. Solide stationäre Nähmaschinen, ein<br />

geräumiger Zuschneidetisch, eine Computer gesteuerte<br />

Stickmaschine, Bügelstationen mit Absaugung<br />

und möglicherweise einige Schneiderpuppen gehören<br />

zum Inventar.<br />

Die Lehrküche ist die vielleicht meist frequentierte<br />

Werkstatt in Schulen. Feierlichkeiten, der Pausenimbiss,<br />

Elternabende und Schülerfirmen brauchen eine<br />

Küche. Deshalb ist eine gewisse Professionalität der<br />

Küche empfehlenswert. Wir kennen Schulen, die<br />

schon zum dritten Mal eine Billigküche mit Spanplattenmöbeln<br />

und einem Haushaltsherd gekauft haben,<br />

weil der Vorgänger entsorgungsreif war.<br />

Zu Einzelheiten der Ausstattung, was Lehrküchen<br />

und Textilwerkstätten angeht, verweisen wir auf die<br />

Beiträge von Reinhold Hoge und Simone Maier in<br />

diesem Heft.<br />

Die Aufsichtspflicht in Werkstätten<br />

Diese unterscheidet sich nicht von der allgemeinen<br />

Aufsichtspflicht. Zur Erinnerung: Der Lehrer muss<br />

nicht permanent bei den Schülern sein. Er kann die<br />

Werkstatt verlassen, um Material zu holen. Er kann<br />

bei getrennten Werkstätten (Maschinenraum, Werkbankraum)<br />

nur in einem der Räume präsent sein.<br />

Immer müssen die Schüler das Gefühl haben, dass<br />

der Lehrer jeden Moment wieder eintritt. Für die Arbeitslehre<br />

ist der Erwerb eines Sicherheitszertifikats<br />

durch den Lehr zwingend vorgeschrieben. Es versteht<br />

sich von selbst, dass Schüler Maschinen erst<br />

nach gründlicher Einweisung bedienen dürfen. Die<br />

Berliner Regelung, eine Zusammenarbeit zwischen<br />

der Unfallkasse Berlin und dem IBBA, wird in dem<br />

Beitrag von Eisen/Seibel in diesem Heft vorgestellt.<br />

In den Werkstätten bestimmt allein der Lehrer, welche<br />

Arbeiten die Schüler ausführen dürfen und welche<br />

nicht. In der Vergangenheit kam es vor, dass z.B.<br />

Werkstattmeister sich Verbote anmaßten. „Ich stehe<br />

mit einem Bein im Gefängnis“, so die Phrasen von<br />

Nichtlehrern, die namentlich fachfremd unterrichtende<br />

Lehrer stark verunsichern. In solchen Fällen<br />

sollten Lehrkräfte immer das Urteil von Experten<br />

einholen.<br />

Details zur Ausstattung der Kernwerkstätten<br />

Aus Platzgründen drucken wir hier nur eine Aufzählung<br />

der wichtigsten Ausstattungsteile ab. An<br />

einem Beispiel wird die Anforderung spezifiziert.<br />

Wer vor Investitionsentscheidungen steht, bekommt<br />

vom IBBA für jedes Ausstattungsteil ein detaillier-<br />

7<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


tes Anforderungsprofil, das der anbietenden Firma<br />

klare Vorgaben macht. Eine weitere Serviceleistung<br />

des IBBA in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft<br />

für Arbeitslehre Berlin ist die zeichnerische Darstellung<br />

der Stellflächen in einem vorhandenen Raum.<br />

Investitionsgüter ohne Kleingeräte und Werkzeuge<br />

1. Säulenbohrmaschine<br />

2. kombinierte Dreh- und Fräsmaschine für Metall<br />

(Holz, Kunststoff)<br />

3. Kreissäge<br />

4. Bandsäge<br />

5. kombinierte Abrichte-Dickenhobelmaschine<br />

6. Späneabsauganlage<br />

7. Tischfräse<br />

8. Warmformmaschine<br />

9. Spritzgussmaschine<br />

10. Lötstationen<br />

11. Netzgeräte<br />

12. Universal-Messgeräte<br />

13. Ätzgerät<br />

Am Beispiel einer Tischkreissäge wird das detaillierte<br />

Anforderungsprofil vorgestellt.<br />

Drehstrommotor<br />

Graugusstisch mind. Aluguss Tisch<br />

Blattdurchmesser bis 300 mm<br />

Blatt schräg stellbar<br />

Notaus<br />

Motorbremse<br />

Parallelanschlag verkürzbar<br />

Schiebetisch für Winkelschnitte<br />

Absaugstutzen<br />

Blattabdeckung an Auslegerarm<br />

Sicherheitspaket<br />

Die Untergrenze der Kosten für die genannte Ausstattung<br />

liegt bei ca. 200 000 €. Bei einer Mindestnutzungsdauer<br />

von zehn Jahren belaufen sich die<br />

Kosten auf 20 000 € jährlich oder 1600 € monatlich<br />

(halbes Lehrergehalt). Dies ist der Preis dafür,<br />

dass Generationen von Schülern besser vorbereitet<br />

einem Industrieland Bundesrepublik zur Verfügung<br />

stehen. Die eingangs erwähnte unabgeschlossene<br />

didaktische Aufgabe besteht u.a. darin, über<br />

Dienstleistungswerkstätten nachzudenken. Viele<br />

Dienstleistungen in unserem Lande werden von Migranten<br />

bewältigt. In unseren Schulen ist der Anteil<br />

von Schülern mit türkisch/arabischer Herkunft sehr<br />

groß. Einige von ihnen werden aufsteigen, Facharbeiter<br />

oder Ingenieur werden, andere setzen die<br />

Dienstleistungstradition der Eltern fort. Deutsche<br />

Schüler verpassen qualifizierte Ausbildungsgänge<br />

und finden sich in Konkurrenz zu Migranten wieder.<br />

Hier haben Schülerfirmen ihren Platz, in denen<br />

Schüler temporär mitarbeiten. (Siehe auch Heft 8<br />

dieser Zeitschrift). Schülerfirmen sind kein Ersatz<br />

für eine systematische Projektabfolge in Werkstätten<br />

mit der schon beschriebenen technischen Grundbildung.<br />

Gastronomische Angebote, Reinigungs- und Wartungsarbeiten,<br />

personenbezogenen und gerätetechnische<br />

Serviceleistungen können eine Ergänzung zu<br />

den Kernwerkstätten sein.<br />

Die höchst zulässige Gruppengröße in Werkstätten<br />

Diese gibt es nicht. Die Berliner Schulverwaltung<br />

konnte sich bis heute (in über 40 Jahren Arbeitslehre<br />

Existenz) nicht dazu durchringen, eine auf<br />

didaktischen Erfahrungen und sicherheitstechnischen<br />

Zwängen beruhende Zahl zu nennen.<br />

Verständlich war diese Unterlassungsstrategie vor<br />

dem Hintergrund der Krisenprophylaxe: In Zeiten<br />

der Geldknappheit möchte man sich die Option für<br />

Lerngruppenvergrößerung offen halten. In neuerer<br />

Zeit ist die Delegation von Verantwortung (jede<br />

Schule bestimmt die Verwendung der Ressourcen)<br />

scheinbar eine Lösung. So kann es geschehen, dass<br />

ein Fremdsprachenangebot „Suaheli“ mit acht teilnehmenden<br />

Schülern durchgeführt wird und für<br />

Arbeitslehre/WAT keine Teilungsstunden verbleiben.<br />

Beim Bau der 13 Bildungszentren in Berlin wurden<br />

die Arbeitslehrewerkstätten größenmäßig und<br />

von der Möblierung her definiert. Die Architekten<br />

wollten wissen, wie viele Stühle sind vorzusehen.<br />

Die Zahl sechzehn je Raum wurde den Verantwortlichen<br />

abgerungen, aber ausdrücklich wurde betont,<br />

dies sei kein Grenzwert für die Gruppengröße.<br />

Damals war die Normfrequenz 32, eine Teilung<br />

der Lerngruppe ergab die magische Zahl 16.<br />

Beschämend – dies sei am Rande vermerkt – sind<br />

Äußerungen von Erziehungswissenschaftlern, die<br />

behaupten, die Lerngruppengröße sei irrelevant für<br />

den Lernerfolg. In den professoralen Köpfen dominiert<br />

das Bild vom Hörsaal und der Qualität der<br />

verkündeten Weisheiten. Erhellend für diesen Personkreis<br />

wäre eine Unterrichtsstunde mit 30 Schülern<br />

in der Lehrküche.<br />

Wenn eine parallele Raumnutzung möglich ist und<br />

8<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


ein Werkstattmeister/Sozialarbeiter zur Verfügung<br />

steht, kann u. U. mit größeren Gruppen gearbeitet<br />

werden. Bei Arbeitslehreprojekten gibt es immer<br />

wieder Phasen, wo alle Maschinen und Werkbänke<br />

in Betrieb sind. Der Arbeitseifer ist dann oft<br />

eine positive Erscheinung und die Ausgliederung<br />

von „Überhanggruppen“ macht Probleme.<br />

Es wäre sehr bedauerlich, wenn gute Werkstätten<br />

und die lerntheoretisch unbestrittene Chance der<br />

praktischen Arbeit nicht genutzt würden. Ein Lehrer<br />

kann kaum mehr als 15 Schüler, die nicht auf<br />

Stühlen sitzen, sondern unterschiedliche Arbeitsschritte<br />

durchführen und mit Werkstoffen und Geräten<br />

hantieren, verantwortungsvoll betreuen. Das<br />

Gesagte gilt für ausgebildete Arbeitslehrelehrer.<br />

Fachfremd unterrichtende Lehrer gehen oft gar<br />

nicht erst in die Werkstatt, da sie in der Regel auch<br />

nicht in der Lage sind, die benötigten Halbzeuge<br />

in den entsprechenden Abmessungen herzustellen.<br />

Eine beliebte Notlösung sind Bausätze von verschiedenen<br />

Anbietern, bei denen der Schüler alle<br />

benötigten Teile in einem in einem Beutel vorfindet.<br />

Bei dieser Art der Materialbeschaffung entwickelt<br />

der Schüler keinerlei Bezug zu den handelsüblichen<br />

Formen der Halbzeuge. Erforderliche<br />

Schnitte lassen sich zur Not auch mit der Handsäge<br />

durchführen – mit dem entsprechenden Qualitätsverlust.<br />

Dramatisch wird es, wenn auch nur<br />

ein Teil durch falsches Anreißen oder Bearbeiten<br />

unbrauchbar wird: Materialreserve ist nicht vorgesehen<br />

und in der Regel auch nicht vorhanden.<br />

Bei diesem Beutel-Produkt müssen immerhin noch<br />

die Sägelinien angerissen werden. In diesem Fall ist<br />

mit der Bandsäge getrennt worden. An die sägerauen<br />

Schnitte werden mit viel Leim und ohne Verleimvorrichtung<br />

die ebenso sägerauen Leisten geklebt. Wegen<br />

der möglichen Ungenauigkeit beim Messen, Anreißen<br />

und Sägen werden die Maße der restlichen 4 Leisten<br />

vom Werkstück abgenommen und dann angepasst.<br />

Eine Oberflächenbearbeitung ist nicht vorgesehen.<br />

Das Werkstück ergibt das Ziffernblatt einer Uhr.<br />

Ein solches Produkt haben Schülerinnen und Schüler<br />

nach 40 Jahren Arbeitslehre in Berlin mit Arbeit in<br />

Werkstätten nicht verdient.<br />

9<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Reinhold Hoge<br />

Die Lehrküche in der Arbeitslehre/WAT<br />

Unter den zahlreichen Werkstätten gilt die Lehrküche<br />

oft als die beliebteste. Sie wird innerhalb der<br />

Schule auch sehr gerne von anderen Schulfächern<br />

(„Wir wollen französisch frühstücken und brauchen<br />

die Küche …“) und zu allerlei feierlichen Anlässen<br />

in Anspruch genommen.<br />

Das bedeutet zum einen, dass besonders in dieser<br />

Werkstatt ein guter Organisationsablauf vorgehalten<br />

werden muss, um die Küche in einem nutzbaren Zustand<br />

zu halten. Zum anderen sollte eine Lehrküche<br />

entsprechend solide und sicher ausgestattet sein.<br />

Grundsätzlich ist in Arbeitslehre-Werkstätten professionellen<br />

Werkzeugen der Vorzug gegenüber billigen<br />

Haushaltsgeräten zu geben. Langjährige Erfahrungen<br />

haben gezeigt, dass es nur scheinbare Einsparungen<br />

bei der Erstanschaffung gibt, weil Billigwerkzeuge<br />

sehr schnell unbrauchbar werden und Mehrfachanschaffungen<br />

die Regel sind. Mitunter wird auch mit<br />

dem schäbig gewordenen Gerät „weitergewurstelt“.<br />

Der Einwand, auch in vielen Haushalten müsse aus<br />

Kostengründen mit einer „Amateurausstattung“<br />

gearbeitet werden, ist aus zweierlei Gründen nicht<br />

stichhaltig:<br />

• Lernanfängern wird durch solides Werkzeug die<br />

Arbeit erleichtert.<br />

• In Privathaushalten wechseln nicht ständig die<br />

Nutzer und es kann von einem schonenden<br />

Umgang mit den Dingen ausgegangen werden.<br />

Möblierung<br />

Ideal (und extrem langlebig) sind Küchenmöbel<br />

aus Edelstahl. Im Gastronomiebereich gilt dies<br />

als Selbstverständlichkeit. Haushaltsküchen sind<br />

häufig aus Spanplatten gefertigt und haben aus optischen<br />

Gründen Sockel mit Bodenabschluss. Küchenmöbel<br />

im „öffentlichen“ Bereich sollten mit<br />

Bodenfreiheit aufgestellt sein, so dass gründlich<br />

auch unter den Schränken gewischt werden kann.<br />

Ein Kompromiss besteht darin, dass die Korpusse<br />

aus Holzwerkstoffen bestehen (allerdings sind an<br />

die Feuchtigkeitsbeständigkeit erhöhte Anforderung<br />

zu stellen, z.B. AW 100), die Arbeitsplatten<br />

jedoch aus Edelstahl gefertigt sind.<br />

Herde und Kochstellen<br />

Ideal sind Zweierkochstellen mit Gasversorgung 1 ,<br />

so dass jeder Schüler seine eigene Kochstelle hat.<br />

Leider verfügen immer weniger Schulen über Gasanschluss<br />

(auch immer weniger Haushalte) und es<br />

muss auf die von Profiköchen grundsätzlich abgelehnte<br />

Elektrokochplatte zurückgegriffen werden.<br />

Herde bzw. Backöfen sind aus ergonomischen und<br />

sicherheitstechnischen Gründen immer in Augenhöhe<br />

anzubringen. Hier ist einer Versorgung mit elektrischer<br />

Energie der Vorzug zu geben.<br />

Schmutzbecken<br />

Nach Möglichkeit sollte ein Waschbecken ausschließlich<br />

für möglicherweise kontaminierte Lebensmittel<br />

reserviert sein (Salmonellen in aufgetautem<br />

Geflügel). In diesem Becken dürfen auf keinen<br />

Fall zum Rohverzehr gedachte Lebensmittel (Salate)<br />

gewaschen werden.<br />

Schneidbretter<br />

Hartnäckig hält sich die ignorante Parole, Holzbretter<br />

seien zu eliminieren, weil sie Bakterienbefall<br />

begünstigten. Das Gegenteil ist der Fall: einige<br />

Holzarten haben sogar eine antibakterielle Wirkung.<br />

Gesäuberte und gut getrocknete Holzbretter können<br />

bedenkenlos verwendet werden. Am besten eigenen<br />

sich mindestens 40 Millimeter dicke Hirnholzbretter<br />

mit absoluter Planlage. Kunststoffbretter können<br />

durch das Messer verursachte Kerbbildungen nicht<br />

schließen und ständig gelangen Kunststoffpartikel<br />

ins Essen (was bei diesen geringen Mengen nicht<br />

Besorgnis erregend ist). Sicherheitsrelevant ist der<br />

Umgang mit größeren und schwereren Brettern<br />

(und nur diese sind für professionelles Arbeiten geeignet).<br />

Zerkleinerte Lebensmittel sollten mit einem<br />

Spachtel oder mit einem breiten Messer aufgenommen<br />

und in den Topf gegeben werden. Das Manipulieren<br />

des gesamten Brettes kann kritisch werden.<br />

1<br />

Bei Gaskochstellen ist eine Zwangsbelüftung des Raumes zwingend<br />

vorgeschrieben. Es ist darauf zu achten, dass die Belüftungseinrichtung<br />

stets funktionsfähig ist, nicht zugestellt werden darf und von Staubflusen<br />

frei gehalten wird.<br />

10<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Töpfe und Pfannen<br />

Zum Braten und Schmoren eignet sich schwarzes<br />

Kochgeschirr besser als helles. Guss- und Stahlpfannen<br />

sowie Bräter sind Edelstahl-Kochgeschirr<br />

überlegen. Töpfe können aus Edelstahl bestehen,<br />

auch wegen der besseren Reinigungsmöglichkeit.<br />

Einige Firmen werben mit dem „dicken“ Compoundboden<br />

des Topfes, was jeder Grundlage entbehrt.<br />

Spitzentöpfe haben Boden und Wände aus<br />

der gleichen Materialdicke, allerdings aus einem<br />

Mehrschichtmaterial. Die Wärmeverteilung im<br />

Topf ist wesentlich besser als bei Compoundböden.<br />

Der hohe Preis ist gerechtfertigt.<br />

Messer<br />

Das wohl wichtigste Werkzeug in der Küche ist das<br />

Messer. Wer hieran spart, hat von der Lebensmittelzubereitung<br />

nichts verstanden. Drei Qualitätsmesser<br />

gehören zur Grundausstattung. Vom Messer untrennbar<br />

ist der Wetzstahl. Nach wenigen Schnitten<br />

muss jedes Messer – auch das Beste – kurz über<br />

den Wetzstahl gezogen werden. Sobald die Abstumpfung<br />

des Messers einen bestimmten Verrundungsradius<br />

erreicht hat, kann mit dem Wetzstahl<br />

nichts mehr ausgerichtet werden. Das Messer muss<br />

dann an der Schleifmaschine geschliffen werden.<br />

Bei ständigem Gebrauch des Wetzstahls ist das nur<br />

in sehr großen Zeitabständen nötig. Von der Industrie<br />

angebotene „immer scharfe“ Messer gibt es<br />

nicht. Sicherheitsrelevant ist das gute und scharfe<br />

Messer deshalb, weil Schnittverletzungen zu den<br />

häufigsten Unfällen in der Lehrküche gehören. Alle<br />

Schnittverletzungen, gerade die dramatischeren,<br />

erfolgten mit stumpfen Messern. Da jeder Unfall<br />

das „unkontrollierte Freiwerden von Energie“ ist,<br />

wird beim stumpfen Messer stets viel Energie frei,<br />

weil der Bediener besonders heftig drücken muss.<br />

Elektrische Kleingeräte<br />

Nach Möglichkeit sollten Geräte mit Schutzisolierung<br />

verwendet werden, wenn das nicht möglich<br />

ist, muss auf Schutzerdung zurückgegriffen werden.<br />

Geräte mit rotierenden Messern sollten eine<br />

Zwangsabschaltung beim Öffnen des Deckels haben.<br />

Die meisten Elektrogeräte sind entbehrlich<br />

und umstandslos durch Handwerkzeug zu ersetzen.<br />

Paradebeispiel für entbehrliche Elektrogeräte: der<br />

Eierkocher, hier in der Version für die Mikrowelle<br />

„mit süßen Entenfüßen“ und die Eieruhr.<br />

Friteusen<br />

Frittieren gehört zu den schnellsten, bekömmlichsten<br />

und kulinarischsten Garmethoden. Leider sind Friteusen<br />

auch gefährlich. In der gesamten Gastronomie<br />

sind Frittierbecken in die Tischplatte eingelassen.<br />

Freistehende Friteusen gibt es nur im Haushaltsbereich.<br />

Billig-Friteusen haben eine Kunststoffverkleidung,<br />

die sich bald<br />

nicht mehr reinigen<br />

lässt und die sich, temperaturbedingt,<br />

verformt.<br />

Deshalb sollten<br />

in der Lehrküche<br />

ausschließlich Ganzmetall-Friteusen<br />

verwendet werden. Die Friteuse<br />

ist unbedingt gegen Herunterreißen zu sichern und<br />

am Tisch festzuschrauben. Der Norminhalt einer<br />

Haushalts-Friteuse beträgt drei Liter etwa 180 Grad<br />

heißes Öl. Wer sich den Inhalt über die Bekleidung<br />

gießt, erleidet schwerste Verbrennungen.<br />

Friteusen müssen die Vorschriften nach DIN 18856, DIN 3362/63, VDE<br />

0720 erfüllen (siehe Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht. Empfehlungen<br />

der Kultusministerkonferenz. Ausgabe März 2003)<br />

Leider wird der Einsatz von Friteusen im Arbeitslehre-Unterricht<br />

oft gemieden. Unkenntnis und törichte<br />

Vorurteile sind der Grund. Während in der<br />

chinesischen Küche, der wohl intelligentesten der<br />

Welt, massenhaft frittiert wird, gilt in der deutschen<br />

Küche Frittieren als ungesund.<br />

• In extrem kurzen Zeiten können Speisen gegart<br />

werden, die Temperaturen sind deutlich höher<br />

als etwa bei Dampfdrucktöpfen.<br />

• Frisches Öl und konstant hohe Temperaturen<br />

sorgen für gesundes Garen, denn es dringt kaum<br />

Fett in das Frittiergut.<br />

• Ausbackteige u.ä. sorgen für kulinarische<br />

Varianten.<br />

• Bedenkliche Röststoffe, die beim Braten fast<br />

immer auftreten, sind beim Frittieren ausgeschlossen.<br />

• Nur wer selber frittiert, kann den Unterschied<br />

zu den Produkten der nicht nur bei Jugendlichen<br />

besonders beliebten unsäglichen „Frittenbuden“<br />

beurteilen.<br />

Vorratshaltung in der Küche<br />

In Lehrküchen dürfte die Vorratshaltung keine zentrale<br />

Rolle spielen. Zum einen sollen die Schüler<br />

Arbeitsziele mitbestimmen und eine Vorratshaltung<br />

könnte die Entscheidung insofern präjudizieren, als<br />

11<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


die Dinge verbraucht werden, die zufällig vorhanden<br />

sind. Ein weiterer Grund ist die in vielen Familien<br />

verbreitete Unsitte, Tiefgefrorenes mal eben<br />

aufzutauen – dieses Verhalten sollte in der Lehrküche<br />

nicht verstärkt werden. Gesund und kulinarisch<br />

sich zu ernähren, heißt immer, frische Lebensmittel<br />

zuzubereiten. Auch wenn dies im Familienalltag<br />

konterkariert wird, ist die Schule dazu da, Gegenmodelle<br />

zu entwickeln.<br />

Aber auch bei den wenigen Lebensmitteln, die auf<br />

Vorrat gehalten werden (Essig, Öl, Zucker, Mehl<br />

usw.) ist auf das Verfallsdatum zu achten. Leider ist<br />

die Lagerung von zerkleinerten Gewürzen sehr verbreitet,<br />

was zwar nicht sicherheitsrelevant ist, aber<br />

unsinnig und der Sensorik nicht förderlich. Gewürze<br />

werden immer kurz vor dem Gebrauch gemahlen,<br />

gemörsert, gehackt usw. Bei der Lagerung von Getreide,<br />

eine Praxis, die zu begrüßen ist, denn frisch<br />

gemahlenes Mehl ist sensorisch und vom Nährstoffgehalt<br />

dem Supermarkt-Mehl überlegen, muss auf<br />

gut durchlüftete Behältnisse geachtet werden.<br />

Dampfdrucktöpfe<br />

Dampfdrucktöpfe sind in der Lehrküche völlig unsinnig,<br />

weil die Speisen beim Garen beobachtet werden<br />

müssen. Selbst Kartoffeln haben - je nach Sorte<br />

- unterschiedliche Garzeiten. Wenn dennoch nicht<br />

auf Dampfdrucktöpfe verzichtet werden soll, dürfen<br />

Speisen mit unterschiedlichen Garzeiten nicht<br />

gemeinsam gekocht werden. Das deutsche Pampsgemüse<br />

ist oft ein Produkt von Dampfdrucktöpfen.<br />

Die legendäre Energieersparnis bei Dampfdrucktöpfen<br />

ist weitgehend eine Chimäre, denn die relativ<br />

schweren Systeme brauchen eine Menge Energie,<br />

um hochgeheizt zu werden.<br />

Sicherheitsrelevant bei Dampfdrucktöpfen ist die<br />

regelmäßige Funktionskontrolle der Ventile und die<br />

Belehrung der Schüler, auf gar keinen Fall gewaltsam<br />

den Bajonettverschluss des unter Druck stehenden<br />

Topfes zu öffnen (das ist in der Vergangenheit<br />

vorgekommen).<br />

Abzugshauben<br />

Wenn in einer Küche mehr gemacht wird als Obstsalat<br />

zu schnitzen und Tiefkühlkost aufzutauen,<br />

wenn also gekocht wird, ist eine Abzugshaube über<br />

dem Herd unerlässlich. Nach relativ kurzer Zeit<br />

bildet sich ein Fettfilm, der durch Abzugshauben<br />

zwar nicht verhindert, aber deutlich reduziert werden<br />

kann. Da in Schulküchen das Reinigungspersonal<br />

lediglich die Böden reinigt, handelt es sich hier<br />

um eine Frage der Hygiene. In vielen Schulküchen<br />

ist der Geruch von ranzigem Fett allgegenwärtig.<br />

Ablufthauben sind wesentlich effektiver, wegen<br />

der Luftführung nach außen jedoch nicht immer<br />

installierbar. Umlufthauben erfordern neben dem<br />

Fettfilter-Wechsel (bzw. dessen Reinigung) einen<br />

Geruchsfilter. Unbedingt ist auf den Mindestabstand<br />

zur Kochstelle zu achten. Bei der Entflammung von<br />

Fett darf auf keinen Fall die Flamme in die Abzugshaube<br />

schlagen. Abzugshauben müssen in regelmäßigen<br />

Abständen fachmännisch gereinigt werden.<br />

Arbeitskleidung<br />

Schürzen oder Kittel, möglichst auch Kopfbedeckungen,<br />

sollten in Schulküchen die Regel sein.<br />

Eine regelmäßige Reinigung ist selbstverständlich.<br />

Während die Unfallkasse Berlin früher sogar Sachschäden<br />

an der Schülerkleidung regulierte, ist dies<br />

heute nicht mehr möglich. Auch aus diesem Grunde<br />

ist eine Schutzkleidung angezeigt.<br />

Lehrküche der Hermann-von-Helmholtz-Schule, Berlin Neukölln<br />

12<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


13<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Simone Maier<br />

Ein Raum, in dem Schüler fürs Leben viel lernen können: die Textilwerkstatt<br />

Eine recht verstandene Arbeitslehre braucht einen<br />

Textilarbeitsraum. Auf das Argument, dies koste alles<br />

viel Geld und daran mangele es nun mal, sind wir gefasst.<br />

Alle Schulen verfügen inzwischen über mindestens<br />

einen Computerraum, der auch nicht billig war.<br />

Dessen Daseinsberechtigung ist scheinbar unstrittig,<br />

von nachdenklichen Mahnern abgesehen, die weniger<br />

Bildschirm für das Gebot der Stunde halten.<br />

Ganz früher gab es „Textiles Werken“ auch „Handarbeitsunterricht“<br />

genannt. Mädchen fertigten dort<br />

Sticktücher an und übten sich am Handwebstuhl. Das<br />

Frauenbild des Biedermeier hielt sich ziemlich lange.<br />

In der Frühzeit der Arbeitslehre fanden rationale Argumente<br />

Eingang in Lehrpläne. Näharbeiten galten<br />

als Chance zur Selbsthilfe und damit auch ökonomisch<br />

legitimiert. Wenn kein eigener Fachraum zur<br />

Verfügung stand, waren ein paar Koffernähmaschinen<br />

im Schrank immerhin ein Anfang 1 .<br />

In der Arbeitslehre-Literatur (eine WAT-Literatur gibt<br />

es noch nicht) finden sich gute Argumente für die Belebung<br />

einer Textilwerkstatt in Schulen:<br />

1. Die Beherrschung einfacher Näharbeiten, mit denen<br />

Reparaturen und Änderungen möglich sind, macht<br />

Spaß und spart Geld, das in vielen Haushalten fehlt.<br />

2. Alle Konsumenten kaufen Bekleidung und Heimtextilien.<br />

Werkstoffkenntnisse können da nicht schaden:<br />

Trage - und Pflegeeigenschaften, Lebensdauer,<br />

Herkunft der Rohstoffe, ökologische Unbedenklichkeit,<br />

Entsorgung.<br />

3. Modediktate gibt es, und Jugendliche sind anfällig,<br />

das zeigen viele Studien 2 . Favorisierte Marken haben<br />

charismatische Ausstrahlung, aber auch sie können<br />

einem Qualitätstest unterzogen werden, an dessen<br />

Ende ein Preis-Leistungsvergleich steht.<br />

4. Im Unterricht kann man der Frage nachgehen, ob es<br />

eine Alternative zu kollektivem Druck auf das eigene<br />

Outfit gibt. Eine Alternative wäre das selbst geschaffene<br />

Unikat. Logos und Applikationen lassen sich<br />

mit Nadel und Faden an Standardkleidungsstücken<br />

anbringen.<br />

5. Berufsorientierung findet leider viel zu häufig mit<br />

Broschüren statt. Der Lektüre sollten sinnliche Erfahrungen<br />

voraus gehen. In der Textilwerkstatt rattert<br />

nicht unablässig eine Nähmaschine, da kommen<br />

Gespräche auf: Was macht ein Modedesigner, welche<br />

1<br />

2<br />

siehe zum Beispiel: Gisela Grolms u.a.: Die Wendetasche. Klett 1970<br />

Susanne Gaschke: Die verkaufte Kindheit. Pantheon Verl. <strong>2012</strong><br />

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14<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Berufe gibt es im Handwerk, welche in der Industrie?<br />

Was ein Schneider tut, kann sich der Schüler vorstellen,<br />

beim Textilingenieur ist das schon schwieriger.<br />

Selbständigkeit mit der Nähmaschine reicht vom exklusiven<br />

Herrenschneider bis zur „Änderungsannahme“.<br />

Was gehört an Ausstattung in eine schulische Textilwerkstatt?<br />

Zu den wichtigsten Objekten wird im Folgenden<br />

kurz Stellung genommen:<br />

Der Textilarbeitsraum sollte so hell wie möglich sein.<br />

Fenster und eine gute künstliche Beleuchtung sind<br />

notwendig.<br />

Das wichtigste sind fest eingerichtete Nähmaschinenarbeitsplätze<br />

mit einer am Tisch angebrachten<br />

Arbeitslampe. Koffernähmaschinen können durch<br />

unachtsames Hin- und Herräumen schnell beschädigt<br />

werden. Deshalb sind schwere oder im Tisch<br />

eingelassene Maschinen zu bevorzugen. Die Nähmaschinen<br />

sollten mindestens über Geradstich und<br />

Zickzackstich verfügen, darüber hinaus bietet ein<br />

modernes Zierstichprogramm allerdings viele Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Beim Arbeiten mit Stoff muss auch gebügelt werden.<br />

Deshalb ist die Anschaffung geeigneter Dampfbügeleisen<br />

mit Edelstahlsohle wichtig, die bei Verschmutzungen<br />

und Verklebungen leicht zu reinigen ist. Teflonsohlen<br />

sind für eine Lehrwerkstatt ungeeignet, da<br />

sie empfindlich sind und schnell zerkratzen.<br />

Höhenverstellbare Bügelbretter und ein Ärmelbrett<br />

für schwer zugängliche Nähte gehören zur Grundausstattung.<br />

Bügeltische mit Absaugung der mitunter<br />

unverträglichen Dämpfe (chemische Ausrüstung bestimmter<br />

Stoffe) sind kein Luxus, ihre Anschaffung<br />

sollte erwogen werden, wenn viel gebügelt wird.<br />

Abschließbare Aufbewahrungsschränke sind unverzichtbar.<br />

Wenn verschiedene Lerngruppen die Textilwerkstatt<br />

nutzen, möchte jede ein eigenes Depot<br />

haben. Nicht zu vergessen sind Reinigungsgeräte,<br />

denn heruntergefallene Stofffetzen und Fäden sollten<br />

entfernt werden, es besteht Rutschgefahr.<br />

In einem so ausgestatteten Textilarbeitsraum macht<br />

das Lernen und Arbeiten den Schülern und Lehrern<br />

viel Spaß und Textilprojekte lassen sich mit großem<br />

Erfolg umsetzen.<br />

Es ist empfehlenswert beim Kauf der Nähmaschinen<br />

einen Wartungsvertrag abzuschließen. Ist dies nicht<br />

möglich, muss auf eine regelmäßige Wartung durch<br />

einen Fachbetrieb geachtet werden.<br />

Die Anschaffung von wenigstens einer Kettelmaschine<br />

(Overlockmaschine) ist sinnvoll, da man hiermit<br />

vollkommen fransenfreie Nähte und Kanten sowie<br />

elastische Sicherheitsnähte beim Nähen von T-Shirts<br />

herstellen kann. Eine (computergesteuerte) Stickmaschine<br />

erfreut sich großer Beliebtheit bei Schülern.<br />

Sie können individuelle Stickereien an textilen Gegenständen<br />

anbringen.<br />

Weiterhin werden Stoffscheren zum Zuschneiden,<br />

Papierscheren, kleine Arbeitsscheren, Nahttrenner<br />

sowie Maßbänder, Handmaße, Schneiderkreide<br />

und Stecknadeln benötigt. Für notwendige Handarbeiten<br />

werden auch Nähnadeln und Fingerhüte<br />

gebraucht.<br />

Zum Zuschneiden sind Tische mit möglichst großer,<br />

glatter oder auch gummierter Arbeitsfläche nötig<br />

(Höhenverstellbarkeit vorteilhaft). Um Schnittmusterschablonen<br />

herstellen zu können, müssen Schnittpapier<br />

(z.B. Plotterpapier oder Packpapier u.ä.) sowie<br />

kleine Gewichte aus Metall (z.B. Reste aus der Metallwerkstatt)<br />

zum Beschweren der Schnittmuster auf<br />

dem Stoff beim Zuschneiden vorhanden sein.<br />

Overlockmaschine<br />

Nähmaschine<br />

Stickmaschine<br />

15<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Detmar Grammel<br />

Kunststoffverarbeitung im Arbeitslehreunterricht<br />

1. Rückblick<br />

In den „Inhaltlichen Grundlagen für das Fach Arbeitslehre“<br />

vom August 1975 findet sich neben<br />

den Bereichen „Industrielle Fertigung (Beispiel:<br />

Automatisierung)“ und „Industrielle Fertigung<br />

(Beispiel: Werkstoffprüfung)“ der Bereich „Industrielle<br />

Fertigung (Beispiel: Kunststoffe)“. Im Didaktischen<br />

Kommentar heißt es zur Begründung<br />

der Auswahl dieser Werkstoffe: „Einer Didaktik<br />

der Arbeitslehre stellt sich die Frage, ob das Thema<br />

‚Kunststoffe’ im Hinblick auf seine Bedeutung<br />

und Eignung für die vorberufliche Bildung im<br />

Unterricht behandelt werden sollte. Wir meinen,<br />

diese Frage bejahen zu müssen …“ (ebd. S. 36).<br />

Die folgenden Gründe werden genannt 3<br />

• Am Thema Kunststoffverarbeitung lassen sich<br />

besonders gut industrielle Entwicklungstendenzen<br />

herausarbeiten.<br />

• Chemie, Technologie, wirtschaftliche Bedeutung<br />

der Kunststoffe einschließlich der<br />

Umweltbelastung durch Kunststoffe sowie die<br />

Berufsstruktur in der kunststoffverarbeitenden<br />

Wirtschaft lassen sich im Unterricht so vermitteln,<br />

dass die Mehrheit der Schüler interessiert<br />

beteiligt ist.<br />

• Die Interdependenz von Technik, Wirtschaft<br />

und Politik wird bei diesem Thema besonders<br />

einsichtig.<br />

• Chemische Technologien waren im vorangegangenen<br />

Arbeitslehreunterricht unterrepräsentiert,<br />

andererseits fehlt es dem Chemieunterricht<br />

am technischen Anwendungsbezug.<br />

Abb. aus: Arbeitslehre in der Berliner Schule. Günter Reuel/Helmut Volle. © Pädagogisches Zentrum Berlin. 1977<br />

Die neu entstehenden Gesamtschulen wurden in<br />

Hinblick auf diesen Rahmenlehrplan erstmals mit<br />

den entsprechenden Maschinen ausgestattet. Zur<br />

Standardausrüstung gehörten eine Kolben-Spritzgussmaschine<br />

(Rheinnadel), eine Warmformmaschine<br />

(Illig) sowie ein Muffelofen. Um beide Maschinen<br />

nutzbar machen zu können, bedurfte es<br />

des Formenbaus. Dies gelang insbesondere bei den<br />

komplizierten Spritzgussformen nur an den Schulen,<br />

an denen Werkstattmeister mit der entsprechenden<br />

Ausbildung vorhanden waren. Andere Schulen,<br />

an denen Lehrkräfte an der Kunststofftechnologie<br />

interessiert waren, behalfen sich mit einfachen Geräten<br />

aus dem Lehrmittelhandel – auch so war das<br />

Herstellen einfacher Produkte mit den Techniken<br />

Spritzgießen, Warmformen und Schäumen möglich.<br />

16<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Während einige wenige Themen aus den „Inhaltlichen<br />

Grundlagen“ Bestand bis zum neuesten Rahmenlehrplan<br />

haben („Wohnen“, „Wirtschaften“,<br />

„Betriebspraktikum“), ist die Kunststoffverarbeitung<br />

aus dem Arbeitslehre-Kanon herausgefallen.<br />

Dies ist sicherlich von allen begrüßt worden, die<br />

unter dem oben beschriebenen Mangel an Ausstattung<br />

und Personal zu leiden hatten. Zumindest in<br />

einem Teil der ehemaligen Gesamtschulen ist die<br />

Kunststofftechnologie nie vergessen worden. Allerdings<br />

gibt es hier zumeist ein Problem: Auch bei<br />

nicht ständiger Nutzung haben die alten Rheinnadel-Kolbenspritzgussmaschinen<br />

und/oder die Formenschließer<br />

nach fast 40 Jahren ihr Nutzungsende<br />

erreicht. Rheinnadel hat die Produktion dieser<br />

Kleinserienmaschine schon vor langer Zeit eingestellt,<br />

ebenso die Firma Kortemeyer. Kleine, für<br />

Vorserien geeignete industrielle Spritzgussmaschinen<br />

sind offensichtlich nicht mehr auf dem Markt.<br />

Rheinnadel Kolben-<br />

Spritzgussmaschine<br />

Illig Warmformmaschine<br />

Als Materialien beim Spritzgießen und Thermoformen<br />

kommen Thermoplaste in Frage, die auf<br />

Grund ihres Schmelzverhaltens mit den zur Verfügung<br />

stehenden Maschinen und Geräten relativ<br />

einfach zu verarbeiten sind. Für die Kunststofftechnologie<br />

ist die spanlose Verarbeitung charakteristisch.<br />

Beim Thermoformen erfolgt die Formänderung<br />

des erwärmten Kunststoffs entweder durch<br />

ein Vakuum (Vakuum-Warmformmaschinen) oder<br />

durch mechanischen Druck. Den Vorgang des<br />

Schäumens (Volumenvergrößerung durch Treibgase)<br />

lässt sich einfach mit Bauschaum/Montageschaum<br />

darstellen. Dabei ist darauf zu achten,<br />

dass ausschließlich Polyurethan (PU) auf MDI-<br />

Basis 1 verwendet wird.<br />

Da bei der thermischen Verarbeitung von Kunststoffen<br />

toxische Emissionen nicht auszuschließen<br />

sind, ist stets bei gut gelüfteten Räumen zu arbeiten<br />

2 .<br />

3. Maschinen und Geräte zur Kunststoffverarbeitung<br />

2. Fertigungsverfahren in Schulwerkstätten<br />

In Schulwerkstätten bieten sich bei der Herstellung<br />

von Produkten aus Kunststoff die Fertigungsverfahren<br />

Urformen und Umformen an:<br />

Urformen:<br />

Umformen:<br />

Spritzgießen, Schäumen<br />

Thermoformen<br />

Die RENISHAW GmbH<br />

vertreibt in Deutschland die<br />

Produkte der Firma MTT<br />

Technologies Ltd., deren<br />

„preiswerteste“ Spritzgussmaschine<br />

3 , die halbautomatische<br />

MTT 100 KSA,<br />

rund 20.000,00 € kostet und<br />

damit für den Gebrauch an<br />

Schulen ausscheidet, zumal<br />

hier wieder das Problem der<br />

Formenbeschaffung steht.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Abb. © MTT Technologies Ltd.<br />

MDI: Diphenylmethandiisocyanat; vergl. Richtlinien zur Sicherheit im<br />

Unterricht. Empfehlungen der Kultusministerkonferenz. März 2003.<br />

GUV-SI 8070<br />

ebenda<br />

Ebenso wird die Bezeichnung Spritzgießmaschine verwendet.<br />

17<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Abb. © LPE<br />

Für Schulen durchaus<br />

erschwinglich ist die<br />

handbetriebene Spritzgussmaschine,<br />

die die<br />

Firma LPE anbietet:<br />

Die „Spritzgussmaschine<br />

Typ 25“ kostet nur<br />

3.163,02 € (brutto –<br />

zzgl. Transportkosten).<br />

Im Lieferumfang sind 2<br />

kg PE-Granulat enthalten.<br />

Diese Maschine hat den Vorteil, dass sie keinen<br />

Druckluftanschluss benötigt. Darüber hinaus<br />

gibt es eine Anzahl von passenden Spritzgussformen<br />

(Spritzgussformrohling 154,70 €, fertige Formen<br />

je 276,08 €).<br />

Der Formenbau ist immer noch die Achillesferse beim Spritzgießen,<br />

wenn man sich nicht auf die wenigen angebotenen Formen verlassen<br />

will. Lehrkräfte erhalten Unterstützung beim Formenbau durch das<br />

IBBA der TU. Nach Absprache können auch ganze Klassen zum Spritzgießen<br />

in die Werkstätten des IB-BA der TU kommen.<br />

Abb. © LPE Die Schneidemaschine<br />

FiloCUT3 ermöglicht<br />

zusammen mit dem<br />

Programm FiloCAD2<br />

die Simulation von<br />

Produktionsabläufen in<br />

Verbindung von CAD<br />

(computer aided design)<br />

and CAM (computer<br />

aided manufacturing)<br />

(1.598,00 €). Mit Hilfe eines Heizdrahtes<br />

werden die am Computer konstruierten Formteile<br />

aus Schaumstoffplatten herausgeschnitten.<br />

Abb. © LPE Mit dem „Vakuum<br />

Tiefziehgerät 1210 4 “<br />

(3.020,22 EUR zzgl.<br />

Transportkosten) mit<br />

eingebauter Vakuumpumpe<br />

lassen sich<br />

Formteile herstellen<br />

– entweder mit den<br />

angebotenen Formen<br />

(von 282,00 bis 609,00 €) oder mit selbst hergestellten.<br />

Weiterhin ist ein etwas weniger komfortables,<br />

aber preiswerteres Gerät im Angebot (eingebaute<br />

Handpumpe).<br />

4. Unterrichtsmaterialien<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Kunststoffindustrie<br />

(AKI), die viele Lehrkräfte noch in Erinnerung<br />

haben, gibt es nicht mehr, auch wenn sie auf einer<br />

Anzahl von Internetseiten herumspukt. Sie ist abgelöst<br />

worden von PlasticsEurope Deutschland e.V.,<br />

einem europaweiten Zusammenschluss von Kunststoffproduzenten<br />

(www.plasticseurope.de).<br />

Die E-Mailadresse lautet<br />

3 info.de(at)plasticseurope.org.<br />

Auf der genannten Web-Seite führen zwei Links<br />

(3 Schule & Jugend; 3 Für Lehrer: Unterrichtsmaterial)<br />

zu den Angeboten an Unterrichtsmaterialien.<br />

Kunststoffe - Werkstoffe unserer Zeit<br />

Dieses legendäre Heft, schon von der AKI herausgegeben,<br />

führt grafisch und sprachlich geglückt in die<br />

Welt der Kunststoffe, ihre<br />

Geschichte, ihre Chemie,<br />

die Rohstoffquellen und<br />

die Produktionsformen<br />

der Kunststoffverarbeitung<br />

ein – ein Arbeitsmittel,<br />

mit dem es sich sehr<br />

gut in der Sekundarstufe I<br />

arbeiten lässt. Für Schulen<br />

in Deutschland sind bis zu<br />

15 Exemplare pro Schuljahr<br />

kostenlos. Das Buch<br />

kann auch über einen Link auf der angegebenen Seite<br />

für Lehrzwecke herunter geladen werden.<br />

Kunststoff-Probensammlung<br />

Mit Hilfe der Probensammlung können verschiedene<br />

im o.g. Buch „Kunststoffe - Werkstoffe unserer<br />

Zeit“ beschriebene Versuche schnell und einfach<br />

durchgeführt werden. Die Sammlung enthält<br />

Phenolharz, Polyamid, Polyesterharz, Polyethylen,<br />

PMMA, Polystyrol und PVC. Für Schulen in<br />

Deutschland ist ein Exemplar pro Schuljahr kostenlos.<br />

Das Begleitheft zur Probensammlung kann über einen<br />

Link auf der angegebenen Seite herunter geladen<br />

werden.<br />

Relativ preiswerte Geräte zum Erwärmen und passgenauen<br />

Biegen ermöglichen die Kunststoffverarbeitung,<br />

auch wenn Werkstätten nicht mit teuren Warmform-<br />

und/oder Spritzgussmaschinen ausgestattet sind.<br />

4<br />

„Thermoformen bei Kunststoffen wird umgangssprachlich oft Tiefziehen<br />

genannt, kann jedoch nicht mit dem Tiefziehen von Metallen verglichen<br />

werden.“ siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Tiefziehen<br />

18<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Foliensammlung<br />

Die Sammlung umfasst mehr als 50 Folien zur Erzeugung,<br />

Verarbeitung und Verwendung von Kunststoffen,<br />

zusätzlich gibt es Lehrerinformationen. Die<br />

Folien können entweder von einer CD mit Hilfe eines<br />

Beamers im Unterricht eingesetzt oder als Overheadfolien<br />

farbig ausgedruckt werden. Die Foliensammlung<br />

ist nur als Download erhältlich:<br />

3 http://www.kunststoffland-nrw.de/bildung-forschung/schule/kunststoff-im-unterricht.html<br />

Berufsbild: Verfahrensmechaniker/in für<br />

Kunststoff- und Kautschuktechnik<br />

Auf der Internetseite Gesamtverband Kunststoffverarbeitende<br />

Industrie (GKV) finden sich unter<br />

3 http://www.gkv.de/ausbildung/verfahrensmechaniker.html<br />

die folgenden Links: Tätigkeit, Voraussetzungen,<br />

Infos zur Ausbildung, freie Ausbildungsstellen.<br />

5. Materialbeschaffung<br />

5.1. Granulat<br />

Geeignete thermoplastische Kunststoffe in Granulatform<br />

gibt es bei LPE. Das 5 kg Gebinde Polypropylen<br />

(PP) kostet – je nach Farbe – zwischen 59,62<br />

€ bis 114,24 €. Preisgünstiger, wenn nicht gar kostenlos,<br />

sind kleinere Mengen oftmals von Kunststoff<br />

verarbeitenden Betrieben in der Region zu erhalten.<br />

Shreddermaterial von Recyclingunternehmen eignet<br />

sich in der Regel nicht für Spritzgussmaschinen, die<br />

in Schulen verwendet werden, da zumeist Partien<br />

mit unterschiedlichem Schmelzpunkt gemischt sind<br />

und absolute Sortenreinheit nicht immer gewährleistet<br />

werden kann.<br />

5.2. Folien, Stäbe<br />

Folien und Stäbe unterschiedlicher Stärke, Farbe<br />

und Sorte gibt es im Fachhandel, z.B. bei:<br />

Grünberg Kunststoffe GmbH / Telefon: 030-4677749-0 /<br />

info(at)gruenberg-kunststoffe.de<br />

Reli Kunststoffe / Telefon 030 - 606 40 48 / reli-kunststoffe(at)online.de<br />

Walter Tittel GmbH / Tel: 030 – 693 60 26 / info(at)walter-tittel.de<br />

Die GATWU informiert<br />

Werben Sie Mitglieder - eine Beitrittserklärung finden Sie dieser Ausgabe beigelegt.<br />

Weitere Formulare - und auch Werbeexemplare der jeweils letzten Ausgabe des<br />

Forum Arbeitslehre - können Sie bei der Schatzmeisterin, Frau Dr. Simone Knab<br />

(Adresse siehe Impressum), bestellen.<br />

Als Mitgliedsbeitrag sind € 40,00 pro Jahr (Studenten: € 15,00) festgesetzt.<br />

Der Mitgliedsbeitrag ist steuerlich absetzbar.<br />

Mitglieder erhalten zweimal jährlich kostenlos das Forum Arbeitslehre mit bundesweiten<br />

Informationen zur Arbeitslehre und verwandten Unterrichtsfächern - die einzige<br />

für diesen Bereich verbliebene Fachzeitschrift.<br />

19<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Matthias Laub & Bernd Ludwig<br />

Kunststoffverarbeitung an der B.-Traven-Oberschule<br />

nachhaltiges Wirtschaften: Recycling-Tasche<br />

Kunststoff als Werkstoff hat in den vergangenen<br />

Jahren bedauerlicherweise zunehmend an Bedeutung<br />

für die Umsetzung von Projekten im Arbeitslehre-/WAT-Unterricht<br />

verloren. Dies ist in gewisser<br />

Weise unverständlich, da dieser Werkstoff in der industriellen<br />

Produktion eine führende Funktion einnimmt<br />

und für den Konsumenten in vielen Lebensbereichen<br />

von zentraler Bedeutung ist. Neben der<br />

recht einfachen Verarbeitbarkeit vieler Kunststoffe<br />

haben diese den Vorteil eines hohen ästhetischen<br />

Wertes. Produkte können aus Kunststoff allein oder<br />

in Verbindung mit anderen Werkstoffen hergestellt<br />

werden.<br />

Die leichten Bearbeitungsmöglichkeiten vieler<br />

Kunststoffe bieten somit auch bei einer nur einfachen<br />

Werkstattausstattung viele Projektmöglichkeiten<br />

schon für Schülerinnen und Schülern in der 7.<br />

Jahrgangsstufe. Der Rahmenlehrplan WAT ermöglicht<br />

die Bearbeitung des Themas Kunststoffe in einem<br />

weiterem Rahmen als nur der Werkstattarbeit.<br />

Vor allem die Module des Wahlpflichtbereichs bieten<br />

eine Vielzahl an Verbindungen. Im Kurs WP4<br />

(Nachhaltiges Wirtschaften) kann eine intensive<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema Recycling erfolgen,<br />

wobei sich u.a. ein Besuch bei Recyclingfirmen,<br />

z.B. ALBA, anbietet. Großer Beliebtheit<br />

erfreut sich in diesem Zusammenhang ein Produkt,<br />

das zum Großteil aus Kunststoffabfall hergestellt<br />

wird. Kunststoffflaschendeckel werden zu einer<br />

Transporttasche gebunden. Die Flaschendeckel<br />

werden je nach Position in der Tasche bis zu viermal<br />

gebohrt und anschließend auf stabile Schnüre aufgezogen.<br />

Die Taschen sind bei den Schülern begehrte<br />

Designobjekte, da jedes Stück individuell ist.<br />

Ein weiteres Projekt in diesem Jahrgang ist eine<br />

Blumenampel, die den Vorteil hat, dass sie mit einem<br />

sehr geringen Maschineneinsatz gefertigt<br />

werden kann. Verwendete Materialien sind Kunststoffgranulat,<br />

das mit einer Spritzgussmaschine zu<br />

Abstandshaltern geformt wird, eine Bodenplatte aus<br />

Acrylglas 1 , Querhölzer zur Bildung des Korbes und<br />

1<br />

Polymethylmethacrylat (PMMA) wird umgangssprachlich als Acrylglas<br />

bezeichnet. Plexiglas ® ist ein einge-tragener Markenname der Evonic<br />

Industries AG.<br />

20<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Thermoformen mittels Konstantandrahts<br />

Hanfschnüre. Durch den Einsatz unterschiedlich gefärbten<br />

Granulats (auch als Mischung verschiedener<br />

Farben möglich) und verschiedenfarbiger Bodenplatten<br />

lassen sich so mit wenig Aufwand farbenfrohe<br />

Blumen- bzw. Obstampeln herstellen.<br />

Elektronische Schaltungen (WP5), vor allem in<br />

Verbindung mit LEDs, lassen sich zusammen mit<br />

Acrylglas zu beleuchtbaren Objekten verarbeiten.<br />

Die vorbereiteten Acrylglasscheiben werden entsprechend<br />

des Anlasses mit Hilfe einer CNC-Fräse<br />

graviert 2 .<br />

triebe Restekisten, in denen sich manchmal recht<br />

anständige Abschnitte befinden, die für einen geringen<br />

Obolus erworben werden könne. Im Sinne der<br />

Nachhaltigkeit ist die Verarbeitung von Kunststoffen<br />

optimal: Kaum ein anderer Werkstoff wird in<br />

einem solch hohen Maß recycelt.<br />

Als weiteres einfaches Einstiegsprojekt bietet sich<br />

z.B. ein Bilderhalter aus 3 mm starkem Acrylglas an.<br />

Der Werkstoff kann von den Schülern selber zugeschnitten<br />

werden, anschließend werden die Kanten<br />

mit Schleifpapier geglättet und mit einer Schwabbelmaschine<br />

auf Hochglanz poliert. Die Platte wird<br />

nunmehr an der vorgesehenen Biegestelle mit Hilfe<br />

eines Konstantandrahtes 3 erhitzt und dann in einer<br />

Vorrichtung mechanisch und ohne weiteren Maschineneinsatz<br />

gebogen. Mit der gleichen Biegetechnik<br />

lässt sich auch ein Stiftehalter fertigen, der aus zwei<br />

Einzelteilen besteht, die nach der Kantenbearbeitung<br />

gebohrt werden. Ein sehr genaues Anreißen ist<br />

hier nötig, da der ästhetische Effekt dieses Objektes<br />

bei unregelmäßig angeordneten Bohrungen schnell<br />

verloren geht. Die beiden Einzelteile werden anschließend<br />

verklebt.<br />

Problematisch ist der recht hohe Kostenfaktor bei<br />

der Beschaffung der Ausgangsmaterialien. Zu relativ<br />

günstigen Konditionen lassen sich oftmals<br />

Kunststoffplatten bei Internetanbietern erwerben.<br />

Auch haben viele Kunststoff verarbeitenden Be-<br />

2<br />

3<br />

Thermoformen ohne Maschineneinsatz<br />

Siehe auch den Artikel von Marcus Hornig in diesem Heft.<br />

Konstantan ® ist ein Markenname der ThyssenKrupp VDM GmbH für<br />

eine Legierung, die im Allgemeinen aus 55% Kupfer und 44% Nickel und<br />

1% Mangan besteht. Sie zeichnet sich durch einen über weite<br />

Temperaturbereiche annähernd konstanten spezifischen elektrischen<br />

Widerstand aus. siehe: http://www.chemie.de/lexikon/Konstantan.html<br />

21<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


www.feinewerkzeuge.de<br />

Dieter Schmid • Feine Werkzeuge • Georg-Wilhelm-Str. 7 A • 10711 Berlin<br />

Dieter Tel.: 030 Schmid 342 Werkzeuge 1757 • Fax: GmbH 030 342 • Wilhelm-von-Siemens-Str. 1764 • E-Mail: ds@feinewerkzeuge.de<br />

23 • 12277 Berlin<br />

Tel.: 030 342 1757 • Fax: 030 342 1764 • E-Mail: ds@feinewerkzeuge.de<br />

22<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Marcus Hornig<br />

Kunststoffverarbeitung und der Einsatz der CNC-Fräse<br />

Vorlagen mit CoralDraw bearbeitet<br />

Obwohl Spandau schon (oder erst) 1920 nach Groß-<br />

Berlin eingemeindet wurde, haben die Einwohner<br />

des Bezirkes nicht vergessen, dass ihre Stadt auf<br />

eine lange, erfolgreiche Geschichte der Selbstständigkeit<br />

zurückblicken kann. Deshalb ist manches<br />

in Spandau auch anders – so auch die Organisation<br />

der regionalen Lehrerfortbildung. Bei der Implementierung<br />

der neuen Berater und Entwickler ist in<br />

unserem Bezirk im Bereich Arbeitslehre/WAT die<br />

bewährte Struktur beibehalten worden: Es gibt zwei<br />

Multiplikatoren für dieses Fach, es gibt die regionale<br />

Fachkonferenz Arbeitslehre/WAT und die regionale<br />

Fachkonferenz Betriebspraktikum. Im Rahmen<br />

der regionalen Fachkonferenz wird auch Lehrerfortbildung<br />

angeboten. Eine Veranstaltung befasste sich<br />

mit dem Thema „Einführung in die Kunststoffverarbeitung“.<br />

Neben praktischen Übungen – das Herstellen<br />

von Kunststoffprodukten durch Urformen<br />

und Umformen, letzteres mit und ohne Maschineneinsatz<br />

– und dem Kennenlernen von Werkstoffen,<br />

Werkzeugen und Verarbeitungstechniken – ergab<br />

sich ein intensiver Austausch über die an den beteiligten<br />

Schulen vorhandenen Ressourcen. Seither<br />

gibt es eine Zusammenarbeit der Werkstattmeister.<br />

Formen und Vorrichtungen werden ausgetauscht:<br />

So muss nicht in jeder Schule das Rad neu erfunden<br />

werden.<br />

Aus einer Projektidee für ein MSA-Projekt (Mittlerer<br />

Schulabschluss: Präsentationsprüfung) entwickelte<br />

sich und entwickelt sich weiter unser<br />

„Rainbow Light“, bei dem Kunststoffverarbeitung,<br />

Elektronik, Holzbearbeitung, die Arbeit mit CAD-<br />

Programmen und der CNC-Fräse zusammenflie-<br />

Ziffernblatt – konstruiert mit GALAAD<br />

23<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


ßen. Das ursprüngliche MSA-Projekt war ein mit<br />

Rainbow-LEDs beleuchtetes Steckspiel, das dann in<br />

einer weiteren Phase zu einer Uhr verändert wurde:<br />

Das Ziffernblatt wurde mit GALAAD 1 konstruiert.<br />

Durch die beiden Rainbow-LEDs ergibt sich im<br />

Kunststoff ein Leuchten in unterschiedlichen Farbtönen,<br />

da die LEDs unterschiedliche Zeitspannen<br />

für den Farbwechsel benötigen Als Unterbau dient<br />

ein kleiner Kasten, der die Platine und die Batterie<br />

beinhaltet.<br />

• Werden Bilder verwendet oder Zeichnungen<br />

angefertigt, die nicht mit GALAAD konstruiert<br />

werden können, so wird CorelDRAW 3 verwendet.<br />

Die Vorlagen werden mit diesem Programm<br />

vektorisiert. Daraufhin werden sie exportiert<br />

und in GALAAD importiert.<br />

Dann erfolgt die Arbeit an der CNC-Maschine.<br />

Die Materialkosten betragen rund 4,00 €.<br />

Für die Gestaltung des Acrylblocks 2 sind der Phantasie<br />

keine Grenzen gesetzt. Sie kann auf zwei verschiedene<br />

Weisen erfolgen:<br />

• Konstruktion mit GALAAD und direkte Weitergabe<br />

an die CNC-Maschine<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Integrierte CAD-CAM-CNC Software für Windows. z.B. bei<br />

http://www.fau-lehrmittel.de/pages/winscad.php4: Schullizenz,<br />

Programm-CD, Handbuch und USB-Dongle 320,00 € zzgl. 19% MwSt<br />

siehe Fußnote 1 auf S. 19<br />

verschiedene Anbieter, unterschiedliche Versionen, zwischen 22,00 €<br />

und 80,00 €<br />

Stückliste<br />

Pos. Bezeichnung Werkstoff Breite mm Höhe mm Länge mm Anzahl<br />

1 Längsleiste mit Nut Rotbuche 7 30 120 2<br />

2 Querleiste mit Nut Rotbuche 7 30 61 1<br />

3 Querleiste ohne Nut Rotbuche 7 22 61 1<br />

4 Dübel Rotbuche Ø3 15 8<br />

5 Deckel Furniersperrholz 4 67 115 1<br />

6 Boden Furniersperrholz 4 75 120 1<br />

7 Beleuchtungskörper Acrylplatte 12 70 120 1<br />

8 Platine 1<br />

9 LED Rainbow RGB 2<br />

10 Batterieclip 1<br />

11 Schalter 1<br />

12 Batterie 1<br />

24<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Katharina Koch<br />

Die Einkaufsabteilung der Arbeitslehre<br />

Im Organisationsschaubild eines Betriebes ist die<br />

Abteilung „Einkauf“ eine sehr wichtige. Im Fachbereich<br />

Arbeitslehre vieler Schulen ist diese Stelle<br />

unbesetzt. Wenn wir einmal von dem schlimmsten<br />

Fall absehen, nämlich dem, dass ein Arbeitslehrelehrer<br />

bei einer Firma einkauft, die Beutel mit innen<br />

liegendem Rezept und vorgefertigten Bauteilen<br />

verschickt, werden offenbar Baumärkte favorisiert.<br />

Baumärkte sind Gemischtwarenläden. Das Angebot<br />

reicht von Pflanzkübeln über Grillgeräte, Leitern<br />

und Werkzeuge. Deshalb sind Baumärkte der<br />

bevorzugte Ort für Heimwerker und Bastler. Fachleute<br />

bevorzugen eher Fachgeschäfte. Für jede Produktgruppe<br />

gibt es derartige Anbieter. Ihr Vorteil<br />

ist die riesige Auswahl, die kompetente Beratung<br />

und der in der Regel niedrigere Preis verglichen mit<br />

Baumärkten. Nachteilig ist die oft nicht zu umgehende<br />

Mindestabnahme.<br />

• Im Baumarkt findet sich ein kleines Regal mit<br />

Aluminiumprofilen, die Firma Gemmel (Berlin)<br />

führt sämtliche Nichteisenmetalle (Kupfer,<br />

Messing, Alu) in Form von Profilen, Rohren,<br />

Blechen.<br />

• Im Baumarkt gibt es ein Angebot der gängigen<br />

Schrauben in Kleinmengen abgepackt. Die<br />

Schraubenzentrale (Berlin) hat alle Schrauben<br />

vorrätig und der Preis für eine 200er Packung<br />

ist kaum höher als der für 25 Schrauben im<br />

Baumarkt.<br />

• Im Baumarkt findet man in einem Gang<br />

Zubehör für Elektroinstallation (Schalter,<br />

Steckdosen, Kabel, Glühlampen). Die Firma<br />

Conrad (Berlin) deckt die gesamte Palette von<br />

Elektronikbauteilen und Starkstromtechnik ab.<br />

• Im Baumarkt kann sich ein Heimwerker Holz<br />

Plattenwerkstoffe zuschneiden lassen. Er findet<br />

außerdem eine Reihe von Holzleisten, meist<br />

Kiefer oder Fichte. Auf dem Holzplatz von<br />

Klöpferholz (Dallgow) liegen Holzstapel<br />

(Bretter und Bohlen verschiedener Holzarten).<br />

Wer sich die Mühe macht Bretter zu kaufen,<br />

Leisten zu sägen und zu hobeln, kann mit einer<br />

Ersparnis bis zu 80 Prozent rechnen. Die<br />

Querschnitte der Leisten sind selbst bestimmbar,<br />

die Holzqualität ist hoch.<br />

• Anstelle von Plattenzuschnitten (Span- und<br />

MDF-Platten, Furniersperrholz) ist der Bezug<br />

von ganzen Platten bei der Firma Krüger<br />

(Berlin) mit großen Preisvorteilen verbunden.<br />

Die Firma hält alle gängigen Plattendicken und<br />

Holzarten am Lager.<br />

• Eine wiederkehrende Nachfrage jeder Arbeitslehrewerkstatt<br />

ist die nach einem leistungsfähigen<br />

Schärfbetrieb. Die Firma Kilowerk<br />

(Berlin) schärft Sägen, Fräser, Hobelmesser,<br />

Bohrer schnell und präzise.<br />

Wir nennen im Folgenden die Adressen der erwähnten<br />

Firmen und weiterer, mit denen Schulen gut zusammengearbeitet<br />

haben. Selbstverständlich sind diese<br />

Firmen in der Regel keine Monopolisten, so dass<br />

der Lehrer auch eine andere Wahl treffen kann. Die<br />

Vorteile gegenüber Baumärkten liegen auf der Hand.<br />

Elektrotechnik<br />

Conrad Elektronik SE, Hasenheide 14, 10967 Berlin<br />

Tel: 01805564445, www.conrad.de<br />

Mehrere Filialen !!!<br />

Leuchtmittel, Leitungen aller Art,<br />

Elektronikbauteile, Platinen<br />

Kunststoffe<br />

Walter Tittel GmbH, Zossener Straße 56, 10961 Berlin,<br />

Tel: 030 6936026, www.walter-tittel.de<br />

(weitere siehe Artikel: Kunststoffverarbeitung im Arbeitslehreunterricht)<br />

Kunststoffe, Gummi, Keramik,<br />

Acrylglas, Duroplaste,<br />

Thermoplaste<br />

25<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Beschichtungen<br />

Clouth Lackfabrik GmbH & Co. KG, Monumentenstraße 33,<br />

10829 Berlin, Tel: 030 7812025, www.clou.de<br />

Lacke, Öle/Wachse, Beizen,<br />

Lasuren<br />

1. Valentin, Auguste-Viktoria-Allee 16-16a, 13403 Berlin,<br />

Tel: 030 410007-0, www.valentin-berlin.de<br />

Mehrere Filialen !!!<br />

2. Klöpferholz GmbH & Co. KG, Hamburger Chaussee 201,<br />

14624 Dallgow-Döberitz, Tel: 030 364701-0, www.kloepfer.de<br />

Holzwerkstoffe<br />

3. Krüger KG, Lengeder Straße 34-36, 13407 Berlin<br />

Tel: 030 4140850, www.holz-krueger.de<br />

4. KULA-HOLZ Berlin, Lengeder Straße 34-36, 13407 Berlin,<br />

Tel: 030 4118051, www.kula-holz.de<br />

Stammware<br />

Plattenwerkstoffe<br />

Leistenprofile<br />

Edelhölzer und –furniere<br />

Leime und Kleber<br />

Schleifmittel<br />

5. Furnier Lehmann, Kitzingstraße 21, 12277 Berlin,<br />

Tel: 030 6147764, www.furnier-lehmann.de<br />

6. Holz Possling, Haarlemer Straße 57, 12359 Berlin,<br />

Tel: 030 600091-0, www.possling.de<br />

Baumarkt mit breitem Sortiment. Mehrere Filialen !!!<br />

Metalle<br />

1. Gemmel Metalle, Bessemerstraße 76b, 12103 Berlin,<br />

Tel: 030 7569070, www.gemmel-metalle.de<br />

2. Kutzmann Stahlwerkstoffe, Staakener Straße 30-37, 13581 Berlin,<br />

Tel: 030 3300209-0, www.kutzmann-stahlwerkstoffe.de<br />

3. Dr. Mertens GmbH, Birkbuschstraße 52, 12167 Berlin,<br />

Tel: 030 7799080, www.mertens-stahl.de<br />

Blankstahl<br />

Bleche<br />

Rohre / Profile<br />

Edelmetalle<br />

1. Inha GmbH, Ballinstraße 10, 12359 Berlin,<br />

Tel: 030 683760, www.inha.de<br />

Normteile<br />

2. Berliner Schrauben, Prinzenstraße 86, 10969 Berlin,<br />

Tel: 030 6167960, www.berlinerschrauben.de<br />

3. Walter K. Hoppe, Gneisenaustraße 66-67, 10961 Berlin,<br />

Tel: 030 6913079 und 030 6926973, www.schrauben-hoppe.de<br />

Schrauben<br />

Buchsen<br />

Stifte<br />

Federn<br />

Bohrbuchsen<br />

Schnellspanner<br />

4. Federstahldraht Jürgen Perleberg, Skalitzer Straße 104, 10997 Berlin,<br />

Tel: 030 61709800, www.perleberg-metall.de<br />

26<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Beschläge<br />

1. Valentin, Auguste-Viktoria-Allee 16-16a, 13403 Berlin,<br />

Tel: 030 410007-0, www.valentin-berlin.de<br />

Mehrere Filialen !!!<br />

2. PMP Krebs GmbH, Köpenicker Straße 145, 10997 Berlin,<br />

Tel: 030 6100970, www.pmp-krebs.de<br />

Schlösser<br />

Scharniere<br />

Verbindungselemente<br />

Möbel-, Baubeschläge<br />

Schärfbetriebe<br />

1. Kilowerk GmbH, Hasenheide 9, 10967 Berlin<br />

Tel: 030 39200088, www.kilowerk.de<br />

2. Schaebbicke, Schöneberger Straße 15b, 12103 Berlin,<br />

Tel: 030 756894-0, www.schaebbicke-werkzeuge.de<br />

Präzisionswerkzeuge<br />

Schärfdienst<br />

Fräser<br />

Sägeblätter<br />

Nähmaschinen<br />

1. Nähmaschinen Center Berlin, Müllerstraße 28, 13353 Berlin,<br />

Tel: 030 4566588, www.naehmaschinen-center.de<br />

2. Fontana Nähmaschinen, Johann-Georg-Straße 18, 10709 Berlin,<br />

Tel: 030 8927050, www.fontana-naehmaschinen.de<br />

Nähmaschinen<br />

Wartung<br />

Reparatur<br />

Zubehör<br />

Arbeitsschutz<br />

1. John Glet GmbH, Mehringdamm 27, 10961 Berlin,<br />

Tel: 030 695860, www.john-glet.de<br />

2. Sattelmacher KG, Breitenbachstraße 7, 13509 Berlin,<br />

Tel: 030 4355020, www.sattelmacher.de<br />

Schutzkleidung<br />

Schutzbrillen<br />

Schutzschuhe<br />

Gehörschutz<br />

Schürzen / Kittel<br />

Handschuhe<br />

Staubmasken<br />

Alle Mitglieder der GATWU werden gebeten, Änderungen ihrer<br />

Email-Adressen, Postanschriften und Kontoverbindungen an<br />

unsere Schatzmeisterin Simone Knab zu übermitteln. Grundsätzlich<br />

ist es wünschenswert und für unsere Kommunikation kostengünstig,<br />

wenn wir viele Mitglieder per Email erreichen können.<br />

Auch diese Mitteilung geht am einfachsten über eine Email an:<br />

simone.knab@tu-berlin.de oder umtriebe@web.de<br />

27<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Detmar Grammel<br />

Rundschreiben Sägen: Neufassung in Sicht<br />

1. Historischer Kontext<br />

Im Jahr 1981 wurde in Zusammenarbeit von Technischer<br />

Universität Berlin, Eigenunfallversicherung<br />

Berlin (jetzt: Unfallkasse Berlin) und der Senatsverwaltung<br />

für Schulwesen, Jugend und Sport (jetzt<br />

SenBWJ) ein Konzept für die sicherheitstechnische<br />

Schulung der Lehrkräfte, die das Fach Arbeitslehre<br />

unterrichten, entwickelt. Anlass war das Ziel, das<br />

Beschäftigungsverbot für Schüler an Kreissägen im<br />

§ 14 der Unfallverhütungsvorschrift „Maschinen<br />

und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz<br />

und ähnlichen Werkstoffen“ für den Arbeitslehreunterricht<br />

aufzuheben. Dieses Curriculum bezog sich<br />

zunächst ausschließlich auf die Holz- und Metallbearbeitung.<br />

Ab dem zweiten Halbjahr 1980/81 sollten<br />

Lehrerfortbildungsveranstaltungen angeboten werden,<br />

deren Ziel der Erwerb einer Bescheinigung sein<br />

sollte, die die Teilnehmer berechtigte, von der Ausnahmeregelung<br />

für das Beschäftigungsverbot der<br />

Maschinenbedienung durch Jugendliche Gebrauch<br />

zu machen. Nach der Übereinkunft zwischen EUV<br />

und SenSchul sollten „künftig“ im Arbeitslehreunterricht<br />

(gemeint ist hierbei in der Regel immer der<br />

Wahlpflichtunterricht) nur noch Lehrer tätig werden,<br />

die erfolgreich an einer solchen Veranstaltung<br />

teilgenommen hatten.<br />

Die Übereinkunft zwischen EUV und SenSchul<br />

mündete in dem Rundschreiben II Nr. 63/1981, in<br />

dem darauf Bezug genommen wurde, dass die EUV<br />

die formelle Ausnahmeregelung (nach § 3 Abs. 1 der<br />

UVVV Allgemeine Vorschriften – GUV 0.1) bestätigt<br />

habe und nunmehr „die Tätigkeiten von Schülern<br />

unter 16 Jahren an Maschinen möglich werden,<br />

sofern eine pädagogische Betreuung durch Lehrer<br />

sichergestellt ist, die speziell auf die sicherheitstechnischen<br />

Fragen vorbereitet sind.“ Alle Lehrer,<br />

„die mit dem Hauptteil ihrer Stunden im Fach Arbeitslehre<br />

tätig sind, sollten Im Laufe der nächsten<br />

zwei Jahre diese Fortbildung durchlaufen und die<br />

damit attestierte Qualifikation erwerben.“<br />

Diese Sicherheitskurse sind in den Folgejahren verstärkt<br />

durchgeführt worden, so dass im Prinzip alle<br />

zu diesem Zeitpunkt in den Werkstätten der Arbeitslehre<br />

tätigen Lehrkräfte den Sicherheitskurs durchlaufen<br />

haben mussten. Mit der Zeit sind die Inhalte<br />

des Sicherheitskurses auf alle Werkstattbereiche der<br />

Arbeitslehre ausgedehnt worden.<br />

Obwohl der Sicherheitskurs nach den damals vereinbarten<br />

Regeln weitergeführt wurde und die erteilte<br />

Ausnahmegenehmigung unter der Prämisse der<br />

Teilnahme an dem Kurs weiterhin gültig war, war<br />

das Wissen um die Vereinbarung bzw. die Inhalte<br />

des o.a. Rundschreibens nicht bei allen Lehrkräften<br />

und in allen Schulen präsent, so dass es immer wieder<br />

zu Konflikten kam: Lehrer/innen beriefen sich<br />

auf die UVV um zu begründen, warum sie nicht mit<br />

Schülern und Schülerinnen an Maschinen arbeiten<br />

wollen/können. Ein weiteres Problem ist auch heute<br />

noch, dass der größte der Teil der Unterrichtenden<br />

diesen Kurs vor rund 20 Jahren besucht hat und ein<br />

Auffrischungskurs nicht vorgesehen ist.<br />

Im März 2004 gelangten die „Richtlinien zur Sicherheit<br />

im Unterricht. Empfehlungen der Kultusministerkonferenz.<br />

Ausgabe März 2003. GUV-SI<br />

8070) in die Schulen. Im Teil I – 10 (Regelungen zu<br />

Technik/Arbeitslehre) wird die Arbeit an Holzbearbeitungsmaschinen<br />

für Schüler unter 18 Jahren ausdrücklich<br />

nicht erlaubt, selbst nicht an Bandsägen.<br />

Obwohl die Ausnahmegenehmigung Bestand hatte,<br />

führte die zitierte Bestimmung im Zusammenhang<br />

mit dem nicht mehr präsenten Wissen um die Berliner<br />

Lösung zu erheblichen Verunsicherungen bei<br />

den Lehrkräften.<br />

Ab Mitte 2005 entstand mit dem Rückzug der UVV<br />

„Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung<br />

von Holz und ähnlichen Werkstoffen“ (vom Okt.<br />

1976 in der Fassung vom Jan. 1997) durch die Unfallkasse<br />

Berlin im Zuge der allgemeinen Deregulierung<br />

die paradoxe Situation, dass für die Berliner<br />

Arbeitslehre hinsichtlich der Arbeit an Maschinen,<br />

auch der Holzbearbeitungsmaschinen, eine Ausnahmegenehmigung<br />

bestand, die sich jedoch auf eine<br />

nicht mehr existente UVV bezog und somit rechtlich<br />

hinfällig war. Von diesem Zeitpunkt an galten<br />

die KMK-Empfehlungen, die als Landesrecht übernommen<br />

worden waren: Der Betrieb von Holzbe-<br />

28<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


arbeitungsmaschinen jeglicher Art durch Schüler/<br />

innen war nicht mehr gestattet. Die Fachaufsicht<br />

Arbeitslehre, das LISUM), die Rechtsabteilung<br />

SenBJS und die Unfallkasse Berlin bemühten sich<br />

ab Beginn des Jahres 2005, als sich das beschriebene<br />

Problem abzeichnete, um eine Lösung.<br />

2. Das Rundschreiben von 2006<br />

In dem daraus resultierenden Rundscheiben<br />

I/11/2006 „Aufhebung des generellen Beschäftigungsverbots<br />

für Schülerinnen und Schüler an Hobel-,<br />

Fräs- und Sägemaschinen im Fach Arbeitslehre“<br />

heißt es u.a.:<br />

„1. Der Umgang mit Hobel-, Fräs- und Sägemaschinen<br />

ist nur Schülerinnen und Schülern mit einem<br />

Alter von mindestens 14 Jahren gestattet.<br />

2. Der Umgang mit Hobel-, Fräs- und Sägemaschinen<br />

ist Schülerinnen und Schülern nur unter Aufsicht<br />

einer Lehrkraft gestattet.<br />

3. Die Aufsicht darf nur von Lehrkräften geführt<br />

werden, die an einem entsprechenden Sicherheitskurs<br />

des LISUM teilgenommen haben.<br />

4. Die Einrichtung, Einstellung, Wartung und Instandhaltung<br />

der o.g. Maschinen darf nur von Werkstattleitern<br />

oder den unter 3. geschulten Lehrkräften<br />

vorgenommen werden.“<br />

Wie die Beschränkung auf 14 Jahre in der veröffentlichten<br />

Fassung zu Stande gekommen ist, ließ sich<br />

nicht mehr nachvollziehen. Wahrscheinlich hat die<br />

Rechtsabteilung sich dabei auf das Jugendarbeitsschutzgesetz<br />

gestützt, nach dem die Grenze zwischen<br />

Kind und Jugendlichem bei 14 Jahren liegt.<br />

Diese Bestimmung war zwar in der Anfangszeit<br />

schon misslich, kontraproduktiv wurde sie jedoch<br />

zu dem Zeitpunkt, als die ersten früher eingeschulten<br />

Kinder in die Sek I kamen: Sie sind in der 7.<br />

Jgst. z.T. deutlich unter 14.<br />

In vielen Schulen ist immer wieder festzustellen,<br />

dass Lehrkräfte sich weigern, mit Schülern der 7.<br />

und 8. Jahrgangsstufe an Holzbearbeitungsmaschinen<br />

zu arbeiten, selbst nicht an Kapp- und Bandsägen.<br />

Damit befinden sie sich formal im Recht. Damit<br />

wird durch diese AV die Umsetzung wichtiger<br />

Rahmenlehrplanvorgaben verhindert.<br />

Daher erscheint es zwingend notwendig zu sein,<br />

eine Einigung zwischen SenBWF und Unfallkasse<br />

Berlin dahingehend zu erwirken, dass der Passus<br />

„nur Schülerinnen und Schülern mit einem Alter<br />

von mindestens 14 Jahre“ durch eine Formulierung<br />

ersetzt wird, die den heutigen altersmäßigen<br />

Bedingungen in den Schulen Rechnung trägt.<br />

3. Unfallverhütungskurse<br />

Mit Punkt 3 der AV wird gesichert, dass alle benötigten<br />

Maschinen im Arbeitslehreunterricht von<br />

Schülerinnen und Schülern benutzt werden können,<br />

wenn sie dabei von einer Lehrkraft beaufsichtigt<br />

werden, die an dem Sicherheitskursus teilgenommen<br />

hat – entweder im Rahmen der Lehrerfortbildung<br />

oder schon während des Studiums am IBBA.<br />

Durch die Neustrukturierung der Lehrerfortbildung<br />

wurde eine neue Arbeitsgrundlage der an den Sicherheitskursen<br />

Beteiligten – Unfallkasse Berlin,<br />

IBBA/TU, SenBWF – notwendig. In einem Gespräch<br />

im Oktober 2006, an dem Vertreter der drei<br />

Institutionen beteiligt waren, wurden die Richtlinien<br />

der zukünftigen Zusammenarbeit festgelegt, die in<br />

dem Vorschlag „Kooperationsvertrag“ der Fachaufsicht<br />

Arbeitslehre vom 29. Dez. 2006 mündeten.<br />

Nach Änderungswünschen der beteiligten Institutionen<br />

unterzeichneten im Rahmen des Institutstages<br />

des IBBA der TU Berlin am 20. Juni 2007 für die<br />

Senatsschulverwaltung Herr Bänsch, für die Unfallkasse<br />

Berlin Herr Arend und für das IBBA Herr<br />

Prof. Dr. Hendricks. Somit ist gesichert, dass auch<br />

weiterhin Sicherheitskurse für alle Lehrkräfte angeboten<br />

werden.<br />

4. Neuregelung<br />

Auf Anregung der Redaktion Forum Arbeitslehre<br />

befassen sich derzeit die Unfallkasse Berlin und die<br />

Fachaufsicht Arbeitslehre/WAT mit einer Neuregelung<br />

des Rundschreibens, die das Arbeiten in Werkstätten<br />

von der 7. Klasse an ohne die Einschränkungen<br />

des Rundschreibens von 2006 möglich macht.<br />

Unter dem Datum vom 16. Aug. <strong>2012</strong> hat die Unfallkasse<br />

der Fachaufsicht Arbeitslehre/WAT mitgeteilt:<br />

„Es bietet sich an, die Lebensaltersgrenze<br />

durch eine schuljahresbezogene Altersregelung (7.<br />

Schuljahrgang) zu ersetzen. Die weiteren … Festlegungen<br />

haben sich bewährt und sollten beibehalten<br />

werden.“<br />

Jetzt fehlt nur noch die Neuformulierung des<br />

Rundschreibens oder zumindest eine klärende,<br />

für alle Lehrkräfte verbindliche Klarstellung<br />

durch die Fachaufsicht.<br />

29<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Günter Eisen & Wilfried Seibel<br />

Was hat Bismarck mit der Arbeitslehre zu tun?<br />

Vor über 120 Jahren wurde unter Bismarck in<br />

Deutschland die gesetzliche Unfallversicherung<br />

eingeführt. Bei den damals schlechten Arbeitsbedingungen<br />

ging die Zahl der Arbeitsunfälle in beängstigende<br />

Höhe. Das System der Unfallversicherung<br />

führte nicht nur zur sozialen Absicherung und Befriedung<br />

der Arbeiterschicht, sondern auch sukzessive<br />

zu einer Verringerung der Arbeitsunfälle. Sie<br />

befinden sich gegenwärtig in Deutschland auf einem<br />

historischen Tiefststand.<br />

Der Anteil, den die Unfallprävention in den Schulen<br />

und insbesondere in der Arbeitslehre hat, ist<br />

leider bisher nicht empirisch untersucht. Unbestritten<br />

ist, dass in einer technisierten Welt, nicht<br />

nur bei der Erwerbsarbeit, sondern auch beim Arbeiten<br />

im privaten Umfeld, viele Unfallgefahren<br />

lauern. Unfallforscher referenzieren deshalb eine<br />

möglichst frühe Unfallpräventionsarbeit. In den<br />

Kindergärten werden schon Straßenverkehrssituationen<br />

geprobt und in der Arbeitslehre wird seit<br />

Anbeginn die Unfallprävention in unterschiedliche<br />

Arbeitssituationen betrieben. Schüler und Schülerinnen<br />

lernen schon früh den fachgerechten Umgang<br />

mit Werkzeugen, Werkzeugmaschinen und<br />

der Hygiene bei der Lebensmittelverarbeitung.<br />

Verlässlicher Partner bei der Ausbildung von Lehrern<br />

und Lehrerinnen ist die Unfallkasse Berlin.<br />

Alle Lehrkräfte werden entweder im Studium an der<br />

TU Berlin oder bei einer gesonderten Lehrerfortbildung<br />

in 12 Doppelstunden auf die Sicherheitserziehung<br />

im Fach Arbeitslehre (WAT) vorbereitet. Es<br />

werden Unfallursachen in Arbeitslehre-Werkstätten<br />

aufgezeigt, Maßnahmen zur Vermeidung von Schülerunfällen<br />

demonstriert und Sicherheitsstandards<br />

an technischem Gerät erläutert. Im Einzelnen wird<br />

die Sicherheit an Holz- und Metallbe- und -verarbeitungsmaschinen<br />

erläutert, der sichere Umgang<br />

mit elektrischen Geräten aufgezeigt, die (Lebensmittel-)Hygiene<br />

und Sicherheit in der Lehrküche<br />

demonstriert. Die Arbeitsplatzergonomie lässt sich<br />

gut am Beispiel des Nähmaschinenarbeitsplatzes<br />

erklären. Der sachgerechte Umgang mit Kunststoffen,<br />

der zumeist thermisch erfolgt, wird bei der Bearbeitung<br />

erprobt. Die finanziellen Lasten trägt die<br />

Unfallkasse Berlin, für die Durchführung ist das In-<br />

stitut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre an der<br />

Technischen Universität verantwortlich. Seit 2007<br />

gilt für die Sicherheitskurse ein Kooperationsvertrag<br />

zwischen Senatssschulverwaltung, IBBA und<br />

Unfallkasse.<br />

Die Zusammenarbeit des Instituts für Berufliche<br />

Bildung und Arbeitslehre, der Senatsverwaltung<br />

für Bildung, Jugend und Wissenschaft und der Un-<br />

Sicherheitsbegehungen an Schulen<br />

Seit langen Jahren schon finden an den Schulen Sicherheitsbegehungen<br />

statt. Dabei bedient sich die Senatsschulverwaltung privater Anbieter,<br />

von denen einer mit dem Slogan „Ihr kompetenter Partner für alle<br />

Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes - branchenübergreifend<br />

und bundesweit“wirbt. Eine Analogie zu den Berufsgenossenschaften ist<br />

nicht erkennbar, denn diese sind Versicherungsträger u n d Fachaufsicht<br />

zugleich. Die Unfallkasse Berlin ist zwar Versicherungsträger für<br />

Schulen, kann aber eine flächendeckende Überprüfung der Realzustände<br />

personell nicht leisten. Die Sicherheitsbegehung könnte segensreich<br />

sein. Was Arbeitslehrewerkstätten angeht, haben wir da unsere Zweifel.<br />

Mitarbeiter des IBBA an der TUB werden oft von Schulen um Beratung<br />

in Werkstattfragen gebeten. Wenn dann besorgniserregende Fakten<br />

festgestellt werden, die der kurz zuvor stattgefundenen Sicherheitsbegehung<br />

entgangen sind, sorgt man sich in der Tat.<br />

Unlängst meldete eine Schule, dass ein Stoffhandtuch in der Arbeitslehrewerkstatt<br />

moniert wurde und Papierspender gefordert wurden.<br />

In der Lehrküche der Arbeitslehre werden Stoffhandtücher benötigt<br />

und regelmäßig gewaschen. Papierspender sind in der Lehrküche<br />

dysfunktional.<br />

In einer anderen Schule wurden die ausgestopften Ratten, Füchse und<br />

Biber aus der Biologiesammlung zur sofortigen Entsorgung empfohlen,<br />

denn in dem Fell könnten Kleinlebewesen nisten. Das ist natürlich<br />

grotesk, denn dann müsste die Schüler mit Abbildungen im Buch<br />

vorlieb nehmen. Natürlich hat die Schule keinen Handschlag getan, um<br />

die schönen Präparate zu entsorgen. Ein Jahr später wiederholt sich<br />

die Posse, wieder keine Subordination der Schule. Die Mängelrügen<br />

bei der Sicherheitsbegehung - seien sie nun berechtigt oder nicht -<br />

bleiben ohne Konsequenzen. Bei Arbeitslehrewerkstätten könnte das<br />

dramatisch enden.<br />

(Redaktion)<br />

30<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


fallkasse Berlin funktioniert seit über 40 Jahren<br />

reibungslos mit dem Erfolg, dass es an der Berliner<br />

Schule in der Arbeitslehre/WAT noch zu keinem<br />

nennenswerten Unfall kam. Wie viele Menschen in<br />

Berlin aufgrund des Arbeitslehreunterrichts in den<br />

Baumärkten vernünftige Kaufentscheidungen treffen,<br />

ist empirisch nicht belegbar, aber zu vermuten.<br />

Das riesige Arsenal der Hobbywerkstätten wäre<br />

u.U. unfallträchtiger; massenhaft von Nichtelektrikern<br />

installierte Schaltungen könnten dramatischer<br />

enden; die bei der Wohnungsrenovierung großzügig<br />

verwendeten Farb- und Anstrichstoffe werden auf<br />

Toxidität befragt. Der Dampfdrucktopf wird garantiert<br />

nicht mit Gewalt geöffnet.<br />

Otto von Bismarck, der die Arbeiterschaft „nicht<br />

der Sozialdemokratie in die Arme treiben“ wollte,<br />

an sicherheitsbewusste Schüler gedacht hat,<br />

ist unwahrscheinlich. Aber die Milliardenbeträge,<br />

die dem Gesundheitssystem erspart bleiben, wenn<br />

die Unfallzahlen immer mehr<br />

Die Unfallkasse Berlin stellt eine Vielzahl von Publikationen<br />

für das sichere Arbeiten zur Verfügung<br />

– eine vollständige Übersicht findet sich unter:<br />

3 http://www.unfallkasse-berlin.de/ 3 Übersicht<br />

3 Prävention 3 Publikationen/Medien.<br />

Im Folgenden ist eine Auswahl zu finden.<br />

GUV-I 510-1 Anleitung zur Ersten Hilfe bei Unfällen (DIN A2)<br />

UV-SI 8036<br />

GUV-SI 8037<br />

GUV-SI 8038<br />

GUV-SI 8039<br />

GUV-SI 8041<br />

Keramik – Ein Handbuch für Lehrkräfte<br />

Papier – Ein Handbuch für Lehrkräfte<br />

Metall – Ein Handbuch für Lehrkräfte<br />

Kunststoff – Ein Handbuch für Lehrkräfte<br />

Holz – Ein Handbuch für Lehrkräfte<br />

GUV-SI 8041-2 Holzstaub im Unterricht allgemein bildender Schulen (in Überarbeitung Stand: 02/<strong>2012</strong>)<br />

GUV-SI 8042<br />

Lebensmittel- und Textilverarbeitung – Ein Handbuch für Lehrkräfte<br />

GUV-SI 8043 Bildende Kunst und Design – Ein Handbuch für Lehrkräfte (in Überarbeitung Stand: 02/<strong>2012</strong>)<br />

GUV-SI 8034 Sicher durch das Betriebspraktikum (in Überarbeitung Stand: 12/2011)<br />

GUV-I 8577<br />

GUV-I 8580<br />

Aufkleber „Erste Hilfe“ (weißes Kreuz auf grünem Grund 10 x 10 cm)<br />

Aufkleber „Erste-Hilfe-Schränke“<br />

Redaktion<br />

Bitte beachten Sie bei Bestellungen<br />

für Ihren dienstlichen Bereich unsere<br />

Inserenten, die die Herausgabe des<br />

Forum Arbeitslehre unterstützen.<br />

31<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Mira Diedering & Felix Iwert<br />

Wir haben uns gefreut<br />

Mit dem Fach Arbeitslehre kann man auch seine<br />

Freude haben. Das ist angesichts von Lehrermangel,<br />

verwaisten Werkstätten und dem „Outsourcen“ von<br />

Schülern eher selten geworden. Eine Kooperation<br />

zwischen der Peter-Frankenfeld-Schule, eine Schule,<br />

die von geistig und körperlich behinderten Jugendlichen<br />

besucht wird, und dem IBBA ist der Anlass.<br />

Sie erinnern sich, dass wir in Heft 7 das Rütli-Stövchen<br />

vorstellten. Es handelt sich um ein einfaches,<br />

aber solide gearbeitetes und sehr funktionales Werkstück.<br />

Eine Holzscheibe hat eine große Grundbohrung<br />

in der Mitte, darin befindet sich ein Glasnäpfchen,<br />

welches Teelichter ohne Alubecher aufnimmt.<br />

Präzise gebogene Drahtbügel sind in der Grundplatte<br />

verankert und bilden die Auflage für Gefäße.<br />

Der bereits bestehende Kontakt mit zwei Lehrern der<br />

Peter-Frankenfeld-Schule, mit Frau Schaub und Herrn<br />

Klein, sah ursprünglich vor,<br />

dass die leistungsschwachen<br />

Schüler einfache Zuarbeiten<br />

für eine Regelschule erbringen<br />

könnten. Gedacht war an das<br />

Ablängen des Rundstahls. Aber<br />

dann kam alles anders: mit Hilfe<br />

von Vorrichtungen, die die<br />

Behinderungen der Jugendlichen<br />

berücksichtigen, bauen<br />

diese inzwischen durchaus vorzeigbare, komplette<br />

Stövchen. Die Vorrichtungen wurden am IBBA nach<br />

Absprache mit den Lehrern an der Schule gebaut.<br />

Einige Techniken, die an der Peter-Frankenfeld-Schule<br />

wegen fehlender Ausstattung nicht möglich waren,<br />

wurden anlässlich eines Lernortwechsels von den<br />

Schülern in den Werkstätten des IBBA durchgeführt.<br />

Man kann den nicht immer Erfolg gewohnten Schülern<br />

ansehen, wie stolz sie auf ein von ihnen selbst<br />

hergestelltes Werkstück sind. Umso wichtiger ist<br />

ein Unterricht, der dazu beitragen soll, dem Schüler<br />

Erkenntnisse über seine Umwelt und ein kritisches<br />

Urteils- und Handlungsvermögen zu vermitteln.<br />

32<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Die Schülerfirmen-Börse<br />

Wenn Schülerfirmen ernsthafte „Marktchancen“ haben<br />

sollen, muss das Niveau der Produkte bis ins<br />

Detail elaboriert sein. Der Schwierigkeitsgrad muss<br />

mit Augenmaß gewählt werden, Vorrichtungen müssen<br />

vorhanden sein, denn Monate langes Handfertigkeitstraining<br />

scheidet aus. Möglichst interessante<br />

Technikerfahrungen sollen sich dem Schüler bieten.<br />

brik „Schülerfirmen-Börse“ finden Sie daher in jedem<br />

Forum Arbeitslehre ausgearbeitete Vorschläge<br />

für Produkte, die in Schülerfirmen hergestellt werden<br />

können. Diese Vorschläge schließen auch das<br />

Angebot an Lehrer ein, Hilfen bei der Umsetzung<br />

zu geben. 1<br />

Es gibt natürlich Schülerfirmen, die einfache<br />

Dienstleistungen anbieten: Kuchen backen, Brötchen<br />

schmieren, Internetseiten basteln. Sie können<br />

durchaus ihre Produkte vermarkten. Wenig überzeugend<br />

sind so genannte Mitleidsprodukte, die man<br />

keinem „normalen“ Anbieter abnehmen würde.<br />

Schülerfirmen bieten enorme Möglichkeiten, Zuverlässigkeit,<br />

Kooperation, Hygiene, Ordnung, Sicherheit<br />

und Pünktlichkeit zu fördern. Zudem werden<br />

elementare betriebswirtschaftliche Zusammenhänge<br />

begriffen. Für die Entwicklung von Produkten<br />

einschließlich der relevanten Fertigungsverfahren<br />

durch Schüler fehlt oftmals die Zeit. Unter der Ru-<br />

1<br />

Bisher erschienen: Rütliclock, Stövchen, Tischtenniskellen, Teufelsknoten,<br />

Workstation, Einkaufshelfer, Mini-Pausenimbiss


Katharina Koch<br />

Brett & Butter<br />

In unserem Schülerbetrieb fertigen wir das Zubehör<br />

für den freundlichen Frühstückstisch. An einer<br />

eleganten Vorrichtung hängen je nach Wunsch vier<br />

oder sechs Frühstücksbretter. Das Gestell ist mit<br />

einer Griffschlaufe versehen (Schullogo) und kann<br />

beliebig platziert werden. Die Bretter sind aus Buchenholz,<br />

streifenförmig wasserfest verleimt, oder<br />

aus Buche mit einem dekorativen Streifen einer anderen<br />

Holzart. Das Frühstücksensemble kann komplett<br />

bezogen werden, aber die Bretter sind auch<br />

einzeln lieferbar.<br />

Frühstücksbretter gelten zu Unrecht als hygienisch<br />

bedenklich. Das geölte Holz kann mit einem leicht<br />

angefeuchteten Lappen gereinigt werden. Gegenüber<br />

Porzellan, das in die Spülmaschine wandert,<br />

kann Energie gespart werden. Mit scharfen Messern<br />

arbeitet sich auf Holz natürlich professionell.<br />

Und ganz nebenbei: Buchenholz hat eine antibakterielle<br />

Wirkung.<br />

1<br />

In der Vergangenheit wurde ein Rundschreiben verfasst, Buchenholz dürfe in der Schule nicht verarbeitet werden. Fachlich richtig ist, dass Buchenholzstäube<br />

nach mindestens 15 Jahren Expositionszeit ein Nasenschleimhautkarzinom verursachen können. Abgesehen davon, dass kein Schüler 15 Jahre<br />

mit Buchenholzstäuben arbeitet, sind Nasespülen und Staubmaske (Partikelfilter P 2 ) zuverlässige Schutzmaßnahmen.. Nicht dumpfe Verbote sondern<br />

aufklärende Schutzmaßnahmen (Gehörschutz, Schutzbrille gegen Funkenflug) sind Inhalte der Arbeitslehre.<br />

34<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


35<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


4<br />

Jetzt wird die Mittelsäule zusammen mit dem Positionsdreieck<br />

in den fest aufgeleimten Klotz eingeführt.<br />

Die Mittelsäule stößt gegen einen Anschlag,<br />

der verstellbar ist, um den Abstand zu den Schrägbohrungen<br />

zu justieren. Über dem Anschlag sieht<br />

man einen Messingklotz, in den eine gehärtete<br />

Bohrbuchse Ø 5 mm eingepresst ist.<br />

5<br />

Jetzt wird mit einer Handbohrmaschine durch die<br />

Bohrbuchse hindurch die erste von drei Schrägbohrungen<br />

angebracht. Für die Bohrbuchse wird die<br />

lange Form verwendet, damit genug Führung für<br />

den Bohrer vorhanden ist.<br />

6<br />

Als nächstes wird die Mittelsäule zurückgezogen<br />

und um 120 Grad gedreht. Nach dem Einschub in<br />

die 30 mm Bohrung gegen den Anschlag werden die<br />

restlichen zwei Bohrungen ausgeführt.<br />

7<br />

Die Griffschlaufe kann schwarz oder weiß gehalten<br />

sein. Durch zwei Nieten Ø 5 mm verläuft der obere<br />

quer liegende Aufhängestab (Abb. 7). Bei den Texten<br />

und Motiven berät Simone Maier (IBBA), die<br />

alle Programme auf der Stickmaschine gespeichert<br />

hat.<br />

36<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


37<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Berechnung der Kosten für ein Brett & Butter - Set<br />

Rundstab Buche ø 30 mm, Länge 275 mm 1,80 €<br />

Stahl ø 5 mm , Länge380 mm 1.00 €<br />

5 schwarze Holzkugeln ø 15 mm 0,50 €<br />

1 Frühstückbrett 160 x 250, ca. 12 mm dick 1,50 €<br />

Pauschale: Stoffreste, Garn, Ösen Leim, Öl 0,80 €<br />

Komplettset mit 4 Brettern 10.60 €<br />

Komplettset mit 6 Brettern 13,60 €<br />

Hauptmaße der Konstruktion<br />

38<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Mira Diedering, Felix Iwert, Theodor Sakatis (Fotos)<br />

Der Porto-Tester<br />

Der Porto-Tester ist eine interessante Produktionsaufgabe<br />

im Rahmen des Faches Arbeitslehre.<br />

Die technischen Herausforderungen beim Bau des<br />

Porto-Testers, nachfolgend PT genannt, sind von<br />

Schülern beherrschbar und der Nutzen beim Eigengebrauch<br />

ist evident. Aber der PT findet auch<br />

einen Markt im Rahmen von Schülerfirmen.<br />

Einige Vorrichtungen für die Fertigung sind unverzichtbar,<br />

wenn das Produkt in der gezeigten<br />

Form die Werkstatt verlassen soll. Wir schließen<br />

nicht aus, dass primitive Lösungen mit einem geringeren<br />

Genauigkeitsgrad denkbar sind. Ob aller-<br />

dings der Produzentenstolz<br />

und das Abnehmerinteresse<br />

garantiert<br />

werden können, bleibt<br />

abzuwarten.<br />

Wir empfehlen dringend<br />

interessierten Kollegen<br />

zu einer Kontaktaufnahme mit dem IBBA. Nach<br />

zwei bis drei Terminen, jeweils ca. drei Stunden,<br />

kann jeder Lehrer mit einem Prototyp nach Hause<br />

gehen. Über den Vorrichtungsbau bzw. die Ausleihe<br />

von Vorrichtungen muss gesondert verhandelt<br />

werden.<br />

Die Moritat vom Briefporto<br />

Charly Schnarchmann und Erna Tüchtig sind zwei<br />

Schüler einer Neuköllner ISS. Sie besuchen die 10.<br />

Klasse und bewerben sich gerade um eine Lehrstelle.<br />

In den Briefumschlag sollen drei DIN-A4-Seiten<br />

(Bewerbungsschreiben, Lebenslauf mit Foto, Kopie<br />

des letzten Schulzeugnisses) kommen.<br />

Charly schreibt 20 Bewerbungen. Er will auf<br />

Nummer sicher gehen, denn er erwartet kein gutes<br />

Abgangszeugnis. Charly steckt die Unterlagen<br />

ins Kuvert und klebt eine 55-Cent-Marke darauf<br />

(Standardbrief) 1 . Das Unheil nimmt seinen Lauf.<br />

Erna schreibt nur 10 Bewerbungen. Sie ist als<br />

gute Schülerin zuversichtlich. Bevor sie das Kuvert<br />

zuklebt, holt sie ihren in der Arbeitslehre<br />

gebauten Porto-Tester hervor und kontrolliert das<br />

erforderliche Porto. Es beträgt 90 Cent (Kompaktbrief),<br />

denn der Brief wiegt mehr als 20 Gramm.<br />

Charly besitzt keinen PT, denn er fehlte seiner Zeit<br />

im Arbeitslehreunterricht. Charly bekommt die Briefe<br />

zwei Tage später wegen Unterfrankierung zurück<br />

und muss erneut frankieren - dieses Mal mit 90 Cent.<br />

Insgesamt entstanden ihm Kosten von 29 Euro.<br />

Das Porto (ital. „Fracht“) wurde in Deutschland<br />

1850 vom Deutschen Postverein folgendermaßen<br />

festgelegt: Eine Briefzustellung bis 10 Meilen Entfernung<br />

kostete 10 Pfennige, bis 20 Meilen Entfernung<br />

20 Pfennige. Dagegen sind 55 Cent für einen<br />

Standardbrief bis über tausend Kilometer Entfernung<br />

recht günstig.<br />

Standardbriefe und Kompaktbriefe werden oft<br />

falsch frankiert. Bei Unterfrankierung entstehen<br />

Zusatzkosten, bei korrekter Frankierung kann Geld<br />

gespart werden, weil der Brief nicht zurückkommt<br />

und erneut (richtig) frankiert werden muss. Auf<br />

den nächsten Seiten erfahren Sie mehr über den<br />

Porto-Tester.<br />

1<br />

Fachleute werden anmerken, dass Bewerbungsunterlagen in einer Versandhülle<br />

C4 ungefaltet verschickt werden („Großbrief“, 1,45 €). Wer<br />

sich nicht daran hält, schmälert erfahrungsgemäß seine Chancen – und<br />

noch um so mehr, wenn der Brief (C6 oder C6 lang) unterfrankiert ist.<br />

39<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1<br />

2<br />

Der PT besteht aus einem Kasten, in dessen Deckel<br />

eine Gebührenliste der Deutschen Post eingelassen<br />

ist, die die wichtigsten Maße und Gewichte sowie<br />

die entsprechenden Gebühren ausweist. Eine federnde<br />

Kunststoffspange hält Ober- und Unterteil<br />

zusammen. In der Mitte des Deckels befindet sich<br />

eine etwa 7 mm tiefe Nut, in die eine Platte mit den<br />

geometrisch zulässigen Maßen gesteckt werden<br />

kann (Messfläche).<br />

Die aufgeklappte Box enthält die Fortsetzung der<br />

Kunststoffspange zum Niederhalten von Briefmarken.<br />

Ferner ist in der Deckelhälfte ein Stempelkissen<br />

untergebracht, Namens- und Adressstempel sind<br />

so beim Versand schnell zur Hand. Im Deckelunterteil<br />

sind untergebracht die Messfläche, der Stempel<br />

und der Waagebalken.<br />

Der Waagebalken wird einfach auf die Oberkante<br />

der Messfläche gelegt und der Prüfbrief in die Halteklemme<br />

gesteckt. Das Gegengewicht kann in zwei<br />

Positionen verschoben werden: max. 20 Gramm und<br />

max. 50 Gramm. Sobald der Waagebalken sich zur<br />

Briefseite neigt, ist das Gewicht überschritten.<br />

Für Skeptiker.<br />

4<br />

3<br />

In die Nut der geschlossenen Box wird die Messfläche<br />

eingesteckt. Deutlich sieht man die beiden<br />

Schlitze zur Bestimmung der maximal zulässigen<br />

Breite und Dicke. Von der Oberfläche der Box bis<br />

zur Oberkante der Messfläche kann die maximal zulässige<br />

Länge von Standard- und Kompaktbriefen<br />

abgegriffen werden.<br />

Das Argument, kaum jemand schriebe mehr Briefe, Jugendliche schon<br />

gar nicht, kennen wir. Es trifft auf Teile der Realität zu, muss aber<br />

keineswegs als endgültig angesehen werden. Ein weiterer Einwand<br />

betrifft das Angebot von elektronischen Waagen (unter 20 €), die natürlich<br />

Batterie gespeist sind. Der von Schülern selbst gebaute PT lässt<br />

neben Zuwachs an Technikverständnis und Handgeschicklichkeit auf<br />

Produzentenstolz und Anwendungsinteresse hoffen.<br />

40<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Die Fertigung der Box für den Porto-Tester<br />

1<br />

Im ersten Schritt werden von einer 8 mm dicken<br />

MDF-Platte 50 mm breite Streifen geschnitten. Die<br />

vier Rahmenteile (150 x 270 mm Außenmaß) werden<br />

auf Gehrung geschnitten und in Falttechnik mit Gewebeklebeband<br />

verleimt. An einer Schmalseite des<br />

Rahmens wird mittig mit tief gestelltem Kreissägeblatt<br />

eine 1,5 mm tiefe Aussparung angebracht, durch<br />

die später die Verschlussklammer geführt wird. Der<br />

Deckel der Box besteht aus einer 8 mm und der Boden<br />

aus einer 3 mm dicken MDF-Platte. Beide Platten<br />

werden mit 1 mm Überstand auf den Rahmen geleimt.<br />

2<br />

Im Bild unten sehen wir die verleimte Box. Deckel<br />

und Boden sind nach dem Aufleimen bündig<br />

gearbeitet. Jetzt wird die Nut zur Aufnahme der<br />

Messfläche gefräst (7 mm tief). Ferner wird mit der<br />

Handoberfräse in einer Führungsschablone die Aussparung<br />

(2 mm tief) für die Gebührenliste gefertigt.<br />

Da die Ecken durch den Fräser bedingt rund sind,<br />

wird mit einer Eckenstanze die Liste angepasst.<br />

Zum Schluss wird die Box mittig aufgetrennt.<br />

Die Fertigung des Waagebalkens<br />

Der Waagebalken wird aus Aluminiumblech (1,5 mm dick, halbhart) gefertigt. Das verschiebbare Gewicht<br />

besteht aus Messing Ø 15 mm.<br />

1<br />

Blechstreifen 28 mm x 230 mm in das Prägewerkzeug<br />

einlegen. Im Schraubstock – besser unter dem<br />

Balancé (in vielen Schulen vorhanden) – die Dachform<br />

prägen.<br />

41<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


In der Biegebank zweimal rechtwinklig abkanten.<br />

2<br />

3<br />

Andruckklammer aus gleichem Blechstreifen herstellen,<br />

ca. 60 Grad abbiegen und am Waagebalken<br />

mit Blindnieten befestigen.<br />

4<br />

In einer Bohrlehre, am verschiebbaren Anschlag,<br />

zwei Bohrungen (Ø 6mm) anbringen. Den Schlitz<br />

zwischen beiden Bohrungen entweder mit der<br />

Laubsäge oder mit der Fräsmaschine öffnen.<br />

5<br />

Messingzylinder auf Länge drehen, 6 mm Absatz /<br />

2 mm lang abdrehen und Gewinde M3 mittig in den<br />

Absatz schneiden.<br />

42<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Fertigung der Kunststoffteile<br />

1<br />

Die Messfläche wird aus 3 mm dicker Folie (Polyethylen<br />

o.ä.) gefertigt. Die Durchbrüche werden am<br />

besten an der ISEL-Maschine gefräst (höchst zulässige<br />

Breite und Dicke der Briefe). Die Länge der<br />

Messfläche zeigt das höchst zulässige Briefformat<br />

in Längsrichtung an.<br />

2<br />

Die Verschluss- und Halteklammer hält zum einen<br />

Deckel und Boden der Box zusammen, zum anderen<br />

werden Postwertzeichen im Inneren der Box fixiert.<br />

Rechtwinklig abbiegen am heißen Draht.<br />

3<br />

Die Ergänzung zum PT besteht in einem selbst gesetzten<br />

Namen- und Adressstempel. Gutenbergs,<br />

die Welt verändernde Erfindung, das Drucken mit<br />

beweglichen Lettern, macht auch heute Schülern<br />

Spaß. Stempelkissen, Stempel und die Hälfte des<br />

Letternsatz kosten 8,50 € (reicht für 2 Schüler).<br />

Erna Tüchtig<br />

Azubi auf Suche<br />

Optimismusgasse 3<br />

1111 Hoffnungstal<br />

Schlussbemerkung<br />

Die Gebührenliste kann im Internet heruntergeladen<br />

werden (Farbe: postgelb). Die Farbgestaltung<br />

des PT ist beliebig. Die Verwendung der Farbe<br />

„postgelb“ ist naheliegend, aber nicht zwingend.<br />

Wenn der PT in einer Schülerfirma hergestellt<br />

wird, kann der Schulname in irgendeiner Form appliziert<br />

werden. Die Materialkosten für den Porto-<br />

Tester (ohne „Druckerei“) betragen 6,00 €.<br />

43<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


44<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Mira Diedering, Felix Iwert, Simone Maier (Textil)<br />

Fertigung eines Strandstuhls<br />

Der Strandstuhl ist nicht nur für den Strand geeignet,<br />

obschon er im Sommer Hochkonjunktur haben<br />

dürfte. Auch im Park, bei Waldspaziergängen und<br />

auf Rastplätzen an der Autobahn ist er ein leicht mitzuführendes<br />

Relaxvehikel. Holzleisten und etwas<br />

Stoff sind die preiswerten Ausgangsmaterialien.<br />

Der Materialeinsatz beläuft sich auf ca. 5 Euro. Der<br />

Schwierigkeitsgrad bei der Herstellung ist durchaus<br />

beherrschbar, wie wir anlässlich eines Projekttages<br />

mit Schülern der Fritz-Kühn-Oberschule feststellen<br />

konnten. Die Schüler kamen in die Werkstätten des<br />

IBBA und verließen diese nach 5 Stunden stolz mit<br />

dem eigenen Strandstuhl. Gewiss ist auch die Fertigung<br />

im Rahmen einer Schülerfirma attraktiv. Einige<br />

niedrig komplexe Vorrichtungen sind notwendig,<br />

um eine passgenaue Montage zu gewährleisten.<br />

Lehrer, die sich für dieses Projekt interessieren, können<br />

einen Prototyp unter Anleitung im IBBA bauen.<br />

Kontakt:<br />

Mira Diedering / Tel. 030 314 28 288<br />

eMail: diedering@technik.ibba.tu-berlin.de<br />

Felix Iwert / Tel. 030 314 28 288<br />

eMail: iwert@technik.ibba.tu-berlin.de<br />

45<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Herstellung und Montage Sitz<br />

1<br />

Die beiden Trageleisten 20 x 40 x 700 mm werden<br />

an der Stirnseite mit der Bandsäge auf die Breite der<br />

Sitzleisten 10 x 40 mm eingesägt, um somit später<br />

die Sitzleisten bündig in die Trageleisten einzulassen.<br />

2<br />

Mit Hilfe einer Vorrichtung werden an der Kreissäge,<br />

die Trageleisten im Winkel von 35° und 45°<br />

Grad gesägt.<br />

Anzahl der Leisten:<br />

3<br />

Anzahl: 2 x 700 mm<br />

Anzahl: 2 x 500 mm<br />

Anzahl: 4 x 350 mm<br />

Anzahl: 3 x 325 mm<br />

46<br />

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4<br />

Zum Verschrauben müssen die Sitzleisten vorgebohrt<br />

und die Bohrung gesenkt werden.<br />

Mit Hilfe eines Anreißklotzes wird parallel zu einer<br />

Werkstückkante eine Linie gezogen. Anschließend<br />

werden die sechs Trageleisten nach Zeichnung mit<br />

einer Ø 4 mm Durchgangsbohrung versehen und<br />

versäubert.<br />

5<br />

Die Sitzleisten zwischen die Trageleisten fixieren.<br />

Dann den Rahmen von oben beginnend mit den<br />

Sitzleisten beplanken. Sie werden verleimt und verschraubt.<br />

Hinweis:<br />

Wie für alle Möbel, die draußen eingesetzt werden,<br />

auf jeden Fall wasserfesten Holzleim und nicht rostende<br />

Spanplatten-Schrauben verwenden!<br />

Herstellung Bezug<br />

6<br />

Die Kanten der Seitennähte mit der Kettelmaschine<br />

abketteln oder mit dem Zickzackstich der Nähmaschine<br />

versäubern. Saumkanten jeweils 1 x 1<br />

cm umbügeln (Bügelschablone 1 cm). Seitennähte<br />

rechts auf rechts legen und mit einer 1 cm breiten<br />

Naht schließen, anschließend ein zweites Mal über<br />

die Naht nähen (mehr Stabilität). Nähte ausbügeln<br />

und die Ecken abnähen: Die Ecken so legen wie<br />

beschrieben und eine 4 cm lange Naht abnähen.<br />

Die Nahtzugabe ist auch hier 1 cm.<br />

Anschließend die Nahtzugaben der Ecken abketteln<br />

oder mit dem Zickzackstich versäubern. Zum<br />

Schluss die vorgebügelten Saumkanten feststecken<br />

und knappkantig aufnähen. Der Bezug wird über<br />

die Tragleisten des Strandstuhls gezogen.<br />

Transport<br />

7<br />

Für den Transport können Rücklehne und Sitz auseinander<br />

gezogen in der Stoffbespannung untergebracht<br />

werden.<br />

47<br />

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Stückliste:<br />

Baugruppe Nummer Material Menge Größe<br />

1<br />

Kiefernleiste<br />

2<br />

20 x 40 x 700 mm<br />

TL (Tragleisten)<br />

2<br />

Kiefernleiste<br />

4<br />

10 x 40 x 350 mm<br />

3<br />

Spax-Schrauben<br />

8<br />

4 x 40 mm<br />

4<br />

Kiefernleiste<br />

2<br />

20 x 40 x 500 mm<br />

5<br />

Kiefernleiste<br />

2<br />

10 x 40 x 325 mm<br />

SL (Sitzleisten)<br />

6<br />

Kiefernleiste<br />

1<br />

10 x 40 x 325 mm<br />

7<br />

Spax-Schrauben<br />

12<br />

4 x 40 mm<br />

8<br />

Baumwollstoff<br />

1<br />

500 x 500 mm<br />

Zeichnung:<br />

6<br />

8<br />

1<br />

Beach<br />

7<br />

5<br />

3<br />

4<br />

2<br />

48<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Netzplan<br />

Der Netzplan zeigt, dass drei Schülergruppen parallel mit der Produktion beginnen können.<br />

Gruppen: Trageleisten (TL), Sitzleisten (SL), Stoff<br />

Stoff<br />

zuschneiden<br />

Stoff nähen<br />

Nahtstellen<br />

versäubern<br />

TL hobeln<br />

TL ablängen<br />

TL Kanten brechen<br />

TL Bohren<br />

TL und SL verschrauben<br />

Schleifen u. Oberflächenbehandlung<br />

Der Netzplan zeigt, dass drei Schülergruppen parallel mit der Produktion beginnen können.<br />

Gruppen: Trageleisten (TL), Sitzleisten (SL), Stoff<br />

Gruppe<br />

TL<br />

Gruppe<br />

SL<br />

Gruppe<br />

Stoff<br />

SL hobeln<br />

SL ablängen<br />

Holzeinlassung / Schräge<br />

an den SL<br />

SL Kanten brechen<br />

Holzeinlassung / Schräge<br />

an den TL<br />

SL Bohren<br />

Suhl zusammensetzen<br />

Stoff wird über die TL<br />

geschoben<br />

Fertiger Strandstuhl<br />

49<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Didaktisches Forum<br />

Jürgen Günther<br />

Gemeinsam(e) Perspektiven schaffen<br />

Aspekte der Beruforientierung von Jugendlichen<br />

mit Lernschwierigkeiten im Kontext der<br />

UN-Konvention für die Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen (UN-BRK)<br />

Per Ratifizierung wurde am 26. März 2009 auch in<br />

Deutschland die UN-Konvention über die Rechte<br />

von Menschen mit Behinderung in Kraft gesetzt.<br />

Damit werden auf der Grundlage der Universalität<br />

der Menschenrechte umfassend die Rechte behinderter<br />

Menschen auf Selbstbestimmung, Partizipation<br />

und Diskriminierungsschutz geregelt.<br />

Die Übernahme dieser UN-Konvention in deutsches<br />

Recht leitete einen Paradigmenwechsel ein, dessen<br />

Kern darin besteht, dass Menschen mit Behinderung<br />

selbst mitentscheiden, wie ihre „volle und wirksame<br />

Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“<br />

gewährleistet wird. Für die Bildung heißt das,<br />

Menschen mit Behinderung haben das Recht auf<br />

Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage<br />

der Chancengleichheit. Um das zu verwirklichen,<br />

gewährleisten die Vertragsstaaten ein (integratives)<br />

inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges<br />

Lernen (vgl. UN-BRK Artikel 24).<br />

Man kann darüber spekulieren, ob sich die Unterzeichner<br />

der weitreichenden und tiefgehenden Auswirkungen<br />

bewusst waren, die eine Übernahme der<br />

Konvention in nationales Recht zur Folge hat, aber<br />

der Diskurs, der schon mit der Veröffentlichung<br />

unterschiedlicher Übersetzungsvarianten der UN-<br />

BRK einsetzte und der sich bis heute mit sehr kreativen<br />

Interpretation von Teilaspekten der Konvention<br />

fortsetzt, wie die des Begriffs der Inklusion, lässt<br />

deutlich erkennen, dass die gesellschaftlichen Konsequenzen<br />

der Umsetzung der Konvention erst allmählich<br />

begriffen werden. Um jede Position muss<br />

gerungen werden, wenn es darum geht, diese in die<br />

Praxis umzusetzen.<br />

Der folgende Beitrag erreichte uns leider erst<br />

nach Redaktionsschluss zu dem Heftthema<br />

„Schülerfirmen“. Wir drucken ihn im Einverständnis<br />

des Autors in diesem Heft ab.<br />

Rollstuhlgerechte Zugänge und den Blindenleitstreifen<br />

auf Bahnhöfen sind zwar auch sehr aufwändig,<br />

lassen sich aber wahrscheinlich doch einfacher<br />

einrichten als die Teilhabe von Menschen eines sehr<br />

breiten Behinderungsspektrums am gesellschaftlichen<br />

Leben - besonders wenn es das Arbeitsleben<br />

betrifft, wie Artikel 27 der UN-BRK fordert.<br />

Nicht zu bestreiten ist, dass die UN-BRK eine hohe<br />

gesellschaftliche Dynamik erzeugte. Im Ergebnis<br />

entstanden eine Fülle von Erklärungen und Aktionsprogrammen<br />

der Politik, besonders im Bildungsbereich,<br />

die wiederum eine Welle von Pro- und Kontrabewegungen<br />

auslösten.<br />

Aktionen, wie die der „Initiative Inklusion“, die mit<br />

Geldern des Ausgleichsfonds finanziert wird, sind<br />

als Bewegungen in die richtige Richtung anerkannt.<br />

Allein die Wirtschaft ist jetzt gefragt, die Türen für<br />

schwerbehinderte Menschen zu öffnen. Ob und wie<br />

weit das geschieht, wird sich bald zeigen.<br />

Die gegenwärtige Situation in der Wirtschaft ist dafür<br />

nicht gerade günstig. Ein harter globaler Wettbewerb,<br />

der einerseits extremen Leistungsdruck und<br />

Arbeitsverdichtung, andererseits Massenarbeitslosigkeit<br />

und Druck auf Arbeitseinkommen erzeugt,<br />

50<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


die damit in Zusammenhang stehenden Veränderungen<br />

der Sozialgesetze mit dem Kernstück Hartz IV,<br />

Zumutbarkeitsregeln die den Qualifikationsschutz<br />

aushebeln, Prekarisierung der Arbeitswelt und die<br />

zunehmende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt haben<br />

dazu geführt, dass das Klima in der Arbeitswelt<br />

rauer geworden ist. Daran ändert auch der neu entdeckte<br />

Fachkräftemangel noch nichts.<br />

Auf Grund der im Wirtschaftssystem liegenden<br />

strukturellen und konjunkturellen Probleme finden<br />

auch gut ausgebildete Menschen ohne Behinderung<br />

oft keine Arbeit.<br />

Die „Wirtschaft“ nimmt auf, was passfähig ist, also<br />

Gewinn erwirtschaftet. Eventuelle Einschränkungen<br />

durch Behinderungen sind zu kompensieren.<br />

Die Arbeitskraft des Personals muss über die Beeinträchtigungen<br />

hinaus verwertbar sein und „sich<br />

rechnen“. Unternehmen, die das nicht berücksichtigen,<br />

riskieren ihren Untergang.<br />

Behinderungen werden als Leistungseinschränkungen<br />

wahrgenommen und gelten als Einstellungshemmnis.<br />

Deshalb benötigen behinderte Menschen<br />

Unterstützungssysteme, die ihnen eine Teilhabe am<br />

gesellschaftlichen Leben unter würdigen Bedingungen<br />

ermöglichen und eine Abstimmung ihrer<br />

Behinderung auf die Verwertungsbedingungen der<br />

„Wirtschaft“ vornehmen. Ein Appell zur Umsetzung<br />

der UN-BRK in den Betrieben allein wird<br />

nicht viel bewirken, da ökonomische Argumente<br />

stärker sind. Unternehmen erwarten, dass ihnen keine<br />

Wettbewerbsnachteile entstehen, wenn sie behinderte<br />

Menschen einstellen.<br />

Bei anerkannter Schwerbehinderung können Gesetze,<br />

wie das SGB IX, SGB XII, eine Behindertenquote,<br />

der Ausgleichsfond, Lohnkostenzuschuss<br />

u.a. dazu beitragen, hier zumindest im nationalen,<br />

eventuell auch im europäischen Rahmen für alle<br />

gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen und<br />

das Vorhaben der Inklusion auch in der Arbeitswelt<br />

voranzutreiben.<br />

Die Forderung der UN-BRK nach „voller und wirksamer<br />

Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben“ stellt auch neue Ansprüche an die Unterstützungssysteme<br />

für Behinderungen, die unter<br />

der Schwelle der anerkannten Schwerbehinderung<br />

liegen und sich teilweise überschneiden mit Maßnahmen<br />

für Jugendliche aus dem Rechtskreis des<br />

SGB II. Die Passfähigkeit dieser Maßnahmen auf<br />

die jeweils sehr individuellen Fälle ist nicht immer<br />

gegeben und erfordert eine bessere Abstimmung aller<br />

Akteure. Es ist fraglich ob der weitere Ausbau<br />

von Berufsvorbereitungsmaßnahmen des SGB II<br />

Bereichs auf Kosten der professionellen und auf den<br />

Jugendlichen abgestimmten Jugendberufshilfe der<br />

Grundidee der UN-BRK entspricht bzw. ob diese<br />

Maßnahmen diese Implikation ausreichend berücksichtigen.<br />

Das betrifft besonders Behinderungen, die teilweise<br />

auch aus sozialer Benachteiligung erwachsen,<br />

wie „Lernbehinderungen“, „Verhaltensstörungen“<br />

oder „Sprachstörungen“. Diese Begrifflichkeiten<br />

werden im gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr<br />

verwendet. Im §19 SGB III findet sich noch der Begriff<br />

der „Lernbehinderung“. Doch fällt es vielen<br />

Betroffenen nicht leicht, auf Grundlage dieses stigmatisierenden<br />

Begriffs Unterstützungsleistungen<br />

einzufordern. Heute werden diese Befindlichkeiten<br />

als Förderbedarf „Lernen“, „emotional-soziale Entwicklung“<br />

und „Sprache“ bezeichnet. Wobei der<br />

Begriff Förderbedarf den Bezug zu Bildungsprozessen<br />

festschreibt. Für Jugendliche mit Förderbedarf<br />

im Lernen können Unternehmen Ausbildungsbegleitende<br />

Hilfen in Anspruch nehmen. Aber das<br />

erst, wenn diese Jugendlichen als ausbildungsreif<br />

betrachtet werden - was in der Regel nach Beendigung<br />

der Schule nur selten vorkommt. Im Falle<br />

mangelnder Ausbildungsreife erhalten sie Zugang<br />

zu Maßnahmen der Berufsvorbereitung, die aber<br />

kaum realistische Anschlussmöglichkeiten an duale<br />

Ausbildungen auf dem ersten Arbeitsmarkt bieten<br />

und auch nicht unbedingt von den Jugendlichen als<br />

motivierend wahrgenommen werden. Die Auswirkungen<br />

des Einsatzes dieses Instrumentes bleiben<br />

fragwürdig.<br />

Nicht erst über die Definition der „Ausbildungsreife“<br />

durch die Arbeitsgruppe „Ausbildungsreife“<br />

des „Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs<br />

in Deutschland“ wurde dem Bildungswesen<br />

direkt oder indirekt die Aufgabe übertragen,<br />

für die Bereitstellung einer fitten, den Anforderungen<br />

der Unternehmen gewachsenen, leistungsfähigen,<br />

ausbildungswilligen und ausbildungsreifen<br />

„menschlichen Ressource“ zu sorgen - und das bei<br />

einem rasanten Wachstum der Anforderungen an<br />

alle Berufsfelder, schon allein durch die extrem beschleunigte<br />

technologische Entwicklung in fast allen<br />

Berufsgruppen.<br />

Dieses Recht der „Wirtschaft“, die Dinge so zu sehen,<br />

stellt niemand in Zweifel. Aber da Gesellschaft<br />

größer ist als Wirtschaft, Wirtschaft mehr als das<br />

Gewinninteresse oder der Wettbewerb zwischen<br />

Unternehmen und menschliches Leben nicht nur<br />

51<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


eduziert werden kann auf wirtschaftliche Verwertung,<br />

hat das Bildungswesen auch Aufgaben, die<br />

über unternehmerisch begründete Bildungsziele<br />

hinausreichen. Auf dem Gebiet der Wissensvermittlung<br />

betrifft das unter anderem neben natur-, sozial-<br />

und geisteswissenschaftlichen Grundlagenkenntnissen,<br />

Kulturtechniken, betriebswirtschaftlichen<br />

Grundkenntnissen auch Kenntnisse über globale<br />

wirtschaftliche, ökologische und soziale Zusammenhänge.<br />

Auf dem Gebiet der Entwicklung des Sozialverhaltens,<br />

man kann es auch Erziehung nennen, spielt neben<br />

dem Ausbau arbeitsrelevanter Basiskompetenzen,<br />

mitunter auch als Arbeitstugenden bezeichnet,<br />

auch die Entwicklung von Selbstbewusstsein, solidarischem<br />

Verhalten und die Achtung humanistischer<br />

Grundwerte eine Rolle, wozu ebenfalls die Achtung<br />

der Würde des Menschen auf der Basis von Grundprinzipien<br />

der UN-BRK gehören.<br />

Es stellt einen enorm hohen Anspruch an die Schule<br />

dar, dieses Gesamtpaket an Anforderungen umzusetzen.<br />

Im Gegensatz zu den Anforderungen haben sich die<br />

Ressourcen der Institution Schule in Deutschland<br />

nicht wesentlich erhöht. Das wird sicher in der weiteren<br />

Diskussion zur Umsetzung der UN-BRK noch<br />

eine Rolle spielen, verbunden mit dem Begriff der<br />

Inklusion.<br />

Inklusion wird hier begriffen als ein bundesweit<br />

durchzusetzendes schulisches Arrangement, das gemeinsames<br />

Lernen von behinderten und nichtbehinderten<br />

Jugendlichen ermöglicht. Dieser Paradigmenwechsel<br />

im Gesamtschulsystem erfordert, dass ein<br />

bisher hochselektives und segregatives Schulwesen<br />

in ein inklusives, im Sinne der UN-BRK, umgewandelt<br />

werden soll.<br />

Mit zwei unterschiedlich segregativen Traditionslinien<br />

soll gebrochen werden:<br />

1. Mit der Traditionslinie Ost, der leistungsorientierten<br />

frontalen Belehrungsschule für Lernen im<br />

Gleichschritt, welches motivationale und kognitive<br />

Homogenität voraussetzt, selektiv an den Polen Lernschwierigkeiten<br />

(Hilfsschule) und Hochbegabung<br />

(Erweiterte Oberschule).<br />

2. Mit der Traditionslinie West, in der dem Bedürfnis<br />

nach Homogenität entsprochen wurde - durch soziale<br />

Segregation und Selektion mittels einer Vielfalt<br />

an Schulformen, deren Grundformen Sonderschulen,<br />

Grundschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium<br />

darstellten. Innerhalb der Schulformen zeichnete<br />

sich hier der Unterricht durch größere Methodenvielfalt<br />

aus.<br />

Dieser Bruch erfordert einen Mentalitätswechsel bei<br />

Lehrerinnen und Lehrern: weg von der Defizitorientierung<br />

- hin zur Ressourcenorientierung, der außerdem<br />

noch unter einem starken Veränderungsdruck<br />

vollzogen werden muss. Er entsteht auch dadurch,<br />

dass unter anderem auch Schülerinnen und Schüler,<br />

die als verhaltensauffällig, lern- oder motivationsschwach<br />

gelten, von der Regelschule nicht mehr in<br />

Förderschulen ausgesondert werden.<br />

Die Gründe für den Aufbau der Förderschule lagen<br />

bekanntlich nicht in der Förderschule selbst, sondern<br />

im Bereich der Regelschulen. Die Förderschulen gaben<br />

nur den SchülerInnen eine Heimat, die von der<br />

Regelschule ausgeschlossen wurden. Die Gründe für<br />

diese Segregation müssen in den Regelschulen überwunden<br />

werden.<br />

Die gegenwärtig noch wachsende Förderquote im<br />

Bereich der drei Förderschwerpunkte „Lernen“,<br />

„emotionale-soziale Entwicklung“ und „Sprache“ ist<br />

am wenigsten ein statistisches, sondern ein sehr komplexes<br />

soziales und pädagogisches Problem. Dieses<br />

Problem wird die Regelschulen demnächst treffen.<br />

Mit dem Übergang zur „inklusiven“ Schule auf der<br />

Grundlage der UN-BRK erhöht sich die Heterogenität<br />

an Schulen und damit auch die Herausforderung<br />

für Lehrer, mit dieser neuen Heterogenität im Unterricht<br />

erfolgreich umzugehen. Bisherige didaktische,<br />

methodische und pädagogische Unterrichtskonzepte,<br />

die tendenziell auf den Voraussetzungen von motivationaler<br />

und kognitiver Homogenität aufbauten, werden<br />

in Frage gestellt.<br />

Das soziale Lernen gewinnt noch stärker an Gewicht<br />

und es wird notwendig sein, Binnendifferenzierung<br />

und äußere Differenzierung sehr verantwortungsbewusst<br />

zu entwickeln und einzusetzen.<br />

Methodenvielfalt und Kooperation könnten das<br />

Schlüsselglied zur Bewältigung der Herausforderung<br />

von wachsender Heterogenität an den Regelschulen<br />

sein. Wenn die Zusammenlegung bisher unterschiedlicher<br />

Schulformen dazu führt, dass der Erfahrungsschatz<br />

der in den einzelnen Schulformen praktizierten<br />

Lernarrangements, Unterrichtsmethoden und Didaktiken<br />

ebenfalls zusammengeführt, kritisch überprüft<br />

und kreativ auf die neue Situation übertragen wird,<br />

könnte eine „Schule für alle“ wahr werden.<br />

52<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Erfolgreich kann dieser Prozess der Zusammenführung<br />

der unterschiedlichen Schulformen aber nur<br />

sein, wenn Lehrerinnen und Lehrer und alle weiteren<br />

an den Schulen Tätigen bereit sind und Gelegenheit<br />

erhalten, ihr Wissen und Ihre Erfahrungen zu<br />

teilen, zu lernen, Ratschläge anzunehmen und sich<br />

selbst zu verändern.<br />

Das betrifft neben dem gesamten Fachunterricht<br />

auch die Berufsorientierung und Berufsvorbereitung<br />

und alle damit zusammenhängenden Arrangements.<br />

In diesem Feld können die Berliner Schulen mit<br />

Förderschwerpunkt „Lernen“ sehr wertvolle Erfahrungen<br />

einbringen. Der dort vorhandene breite<br />

Erfahrungsschatz im Umgang mit Jugendlichen,<br />

die Schwierigkeiten beim Lernen haben und mitunter<br />

sehr problematisches Verhalten zeigen, sollte<br />

bewahrt und auf die neuen Bedingungen der<br />

„inklusiven“ Schule übertragen werden. Das gilt<br />

insbesondere für die langjährige Arbeit mit erweiterten<br />

Praktika in der Wirtschaft und Schülerfirmen.<br />

Diese Schulen sind heute im Berliner Netzwerk<br />

Schülerfirmen (BeNS) verbunden, das nach<br />

Beendigung des ESF-Projektes „Netzwerk Berliner<br />

Schülerfirmen“ ab 2010 die Schülerfirmenarbeit<br />

weiterführt.<br />

Mehrere Studien der Humboldt Universität zu<br />

Berlin (Label-Studie, 2006, Bella-Studie 2009,<br />

ENEBS-Studie 2009) bestätigten die Wirksamkeit<br />

des Lernens in Schülerfirmen für den Fachunterricht<br />

für die erfolgreiche Ausprägung von Arbeitstugenden<br />

und arbeitsrelevanten Basiskompetenzen<br />

sowie die psychosoziale Stabilisierung von Jugendlichen.<br />

Es ist anzunehmen, dass diese positiven Wirkungen<br />

im Kontext einer inklusiven Schule nicht nur erhalten<br />

bleiben, sondern auch verstärkt werden, wenn<br />

die entsprechende Sensibilität für die Begabungen<br />

und die Entwicklungsbedürfnisse jedes einzelnen<br />

Schülers im Unterricht berücksichtigt werden.<br />

Schülerfirmen bieten durch den gemeinsamen Gegenstand,<br />

der sich im gemeinsamen, in der Satzung<br />

festgelegten Unternehmensziel darstellt und die<br />

diesem Ziel untergeordnete Vielfalt der Aufgaben<br />

eine sehr günstige Grundlage dafür, individuelle<br />

Neigungen zu berücksichtigen, Herausforderungen<br />

zu bieten und die Jugendlichen entsprechend ihres<br />

Lernniveaus zieldifferent zu fördern. Das betrifft<br />

nicht nur die kognitive Seite der Persönlichkeitsentwicklung,<br />

sondern auch und besonders die Entwicklung<br />

des Sozialverhaltens. Der Umgang mit<br />

Vielfalt wird erlebbar und allmählich für alle zur<br />

Selbstverständlichkeit. So wird es besser möglich<br />

sein, eine Kultur der Auseinandersetzung und der<br />

Wertschätzung in der Gesellschaft zu verankern,<br />

die notwendig ist um eine demokratische Gesellschaft<br />

zu entwickeln.<br />

Gerade in einer Entwicklungsphase, in der infolge<br />

der Pubertät das Selbstwertgefühl der Jugendlichen<br />

starken Schwankungen ausgesetzt ist, besonders<br />

dann, wenn zusätzlich soziale Belastungen<br />

auf Grund von Armut, Arbeitslosigkeit, prekärer<br />

„Arbeitsverhältnisse“ oder Arbeitsüberlastung der<br />

Eltern hinzukommen, kann das Lernen und Arbeiten<br />

in einer Schülefirma zu einer psychosozialen<br />

Stabilisierung der Persönlichkeit beitragen. Zu<br />

den Faktoren, die das begünstigen zählen unter anderem<br />

die Verankerung in einer Gruppe, die einem<br />

konstruktiven Ziel folgt, die gegenseitige Wertschätzung<br />

auch bei Schwierigkeiten und Problemen,<br />

die konkrete persönliche Verantwortung und<br />

die Erfahrung der eigenen Wirkungsmächtigkeit.<br />

Wenn die Übertragung von Aufgaben an die Jugendlichen<br />

mit der notwendigen Sensibilität und<br />

Rücksichtnahme auf ihre individuellen Möglichkeiten<br />

sowie einer realistischen und doch die Anstrengungsbereitschaft<br />

herausfordernden Stringenz<br />

erfolgt, wächst die Identifikation der Schüler mit<br />

„ihrer Schülerfirma“. Sie fühlen sich verantwortlich<br />

und deshalb ernst genommen.<br />

In den Schülefirmen erhalten die Jugendlichen die<br />

Chance, durch Selbstwirksamkeitserfahrungen<br />

notwendige Einstellungen und Kompetenzen für<br />

eine spätere Berufsausbildung und das Bestehen in<br />

der Arbeitswelt aufzubauen. Das betrifft einfache<br />

Tätigkeiten ebenso wie Leitungstätigkeit und wirkt<br />

ein intensiveres Feedback als jedes Fremdurteil<br />

oder eine Schulnote.<br />

Die Eignung des Lernarrangements Schülerfirma<br />

für Schüler mit Förderbedarf „Lernen“ und „emotionale<br />

und soziale Entwicklung“ resultiert auch<br />

daraus, dass neben „arbeitsrelevanten Basiskompetenzen“<br />

der Erwerb von fachlichen Qualifikationen<br />

und Kulturtechniken unterstützt und der<br />

Nutzen traditioneller Unterrichtsinhalte sinnlich<br />

erlebbar gemacht werden. Mit der Einsicht in die<br />

Sinnhaftigkeit der in der Schülerfirma zu bewältigenden<br />

Aufgaben wächst die Bereitschaft, sich<br />

in diesem Rahmen auch mit Themen der Allgemeinbildung<br />

zu befassen und anderen schulischen<br />

Inhalten aufgeschlossener zu begegnen. Das trifft<br />

53<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


für jeden Jugendlichen zu, ganz gleich welche Begabungen<br />

oder welche kognitive Bildungsvoraussetzungen<br />

er hat.<br />

Mit diesen Erfahrungen der Schülerfirmenarbeit und<br />

der Betriebspraktika, die in den Auswertungskontext<br />

der Schülerfirma einbezogen werden sollten, können<br />

Jugendliche mental besser auf die Herausforderungen<br />

eines zukünftigen betrieblichen Lebens vorbereitet<br />

werden.<br />

Eine zielgerichtete Abstimmung schulischer Fachinhalte<br />

mit den Anforderungen der Schülerfirma trägt<br />

dazu bei, Lernprozesse zu verstärken und mit den<br />

Möglichkeiten der einzelnen Schüler abzustimmen.<br />

In diesem Zusammenhang sollten Jugendliche auch<br />

an das nachhaltigen Wirtschaften herangeführt werden.<br />

Dabei müssen nach Rolf Dasecke, Projektkoordinator<br />

von nasch21 1 (www.nasch21.de) auch die<br />

Aspekte „Gerechtigkeit gegenüber der Dritten Welt“<br />

und „Gleichberechtigung der Geschlechter“ Berücksichtigung<br />

finden. Der Autor vertritt ebenfalls<br />

die Meinung, dass auch die sozialen Prozesse, die<br />

im Alltag der Schülerfirma ablaufen, immer wieder<br />

zu thematisieren, zu reflektieren und vor dem Hintergrund<br />

von Zukunftsfähigkeit zu bewerten sind.<br />

Auch Liebel 2 geht davon aus, dass in Schülerfirmen<br />

zu lernen wäre, dass in der betrieblichen Realität der<br />

„freien Wirtschaft“ gegensätzliche Interessen aufeinandertreffen,<br />

Macht ungleich verteilt ist und wie<br />

man sich „von unten“ damit auseinandersetzt. Ebenfalls<br />

können Arbeits- und Wirtschaftserfahrungen<br />

in Formen genossenschaftlicher oder solidarischer<br />

Ökonomie vermittelt werden.<br />

Die Schule bietet außerdem den Rahmen für pädagogisch<br />

notwendige Reflexionen des in Schülerfirmen<br />

Erfahrenen. Damit ergeben sich weitere<br />

Möglichkeiten der Vernetzung unterschiedlicher<br />

Lernformen.<br />

So vorteilhaft das selbstorganisierte Lernen in<br />

Schülerfirmen auch ist, es schmälert nicht die<br />

Rolle der Lehrkraft, sondern verändert diese ganz<br />

wesentlich. Die Lehrer müssen die sehr differenzierten<br />

Bildungsprozesse, die in einer Schülerfirma<br />

ablaufen, unter Kontrolle halten und bei Bedarf<br />

steuern. Besonders die Organisation und Steuerung<br />

der Reflexion und Selbstreflexion, der Feedbackprozesse<br />

erweisen sich als sehr wichtig für den<br />

Erfolg des Lernarrangements. Dies erfordert hohe<br />

Sensibilität, ressourcenorientiertes Herangehen<br />

und ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt, an dem<br />

sich Lehrer zurückziehen und die Jugendlichen<br />

machen lassen.<br />

In den Förderschulen ging die Initiative der Gründung<br />

der Schülerfirma in der Regel von Lehrkräften<br />

aus, die sich allerdings im weiteren Prozess<br />

der Entwicklung dieser Schülerfirma weitgehend<br />

zurückhalten und Hilfe zur Selbsthilfe leisten sollten,<br />

indem sie Schüler zu mehr Selbstständigkeit<br />

ermuntern und die Lernprozesse begleiten. Es ist<br />

anzunehmen, dass Schülerinnen und Schüler der<br />

ISS genügend Ideen für Firmengründungen entwickeln.<br />

Diese Initiativen so zu lenken, dass daraus<br />

Entwicklungsaufgaben entstehen, ist wiederum<br />

eine sehr anspruchsvolle Aufgabe der Lehrer.<br />

Dass Lehrer diese Aufgabe erfüllen können, setzt<br />

voraus, dass sich das betreffende Lehrpersonal einige<br />

grundlegende betriebswirtschaftliche Kenntnisse<br />

und Grundkenntnisse des Wirtschaftsrechts angeeignet<br />

hat.<br />

Ein weiteres Aufgabenfeld des Lehrers besteht in<br />

der Koordinierung des Schülerfirmen-Unterrichtes<br />

mit weiteren Unterrichtsfächern (fächerübergreifender<br />

Unterricht) und in der Formierung eines Lehrerteams<br />

zu Lösung dieser komplexen Aufgaben.<br />

Bei Einsatz sog. „Dritter“, externen Fachkräften in<br />

Schülerfirmen, übernehmen Lehrer zusätzlich die<br />

Koordination der Zusammenarbeit mit diesen Unterstützern.<br />

1<br />

2<br />

„nasch21“ war ein zweijähriges Projekt mit dem Titel „Schülerfirmen im<br />

Kontext einer Bildung für Nachhaltigkeit“, das von der Deutschen Bundes<br />

stiftung Umwelt (DBU) finanziert worden ist. Das Projekt lief vom 15. Okt.<br />

2001 bis zum 14. Okt. 2003. (Redaktion)<br />

Prof. Dr. Manfred Liebel, Dipl.-Soziologe, Dr. phil.; Prof. a.D. für Soziologie<br />

an der Technischen Universität Berlin (Redaktion)<br />

Welche Aufgabenfelder an welche Schüler delegiert<br />

werden, hängt von der aktuellen Lernsituation,<br />

der Zielstellung des Bildungskonzeptes und<br />

den Möglichkeiten der Schüler ab. Es kann durchaus<br />

sinnvoll sein Teams zu bilden, in denen leistungsstärkere<br />

Schüler mit leistungsschwächeren<br />

Schülern arbeiten. Wichtig wird es hier allerdings<br />

sein, die Entwicklung der Beziehungen in den<br />

Teams zu beobachten, um bei dem Aufkommen<br />

von Respektlosigkeit oder Überheblichkeiten ge-<br />

54<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


gensteuern zu können. Es ist mitunter verblüffend,<br />

welche Potenziale Schüler in diesem Lernarrangement<br />

offenbaren.<br />

Deshalb sollten Schülern nach Möglichkeit auch Leitungsaufgaben<br />

übertragen werden. Auftretende Fehler<br />

regen zur kritischen Reflexion an und unterstützen<br />

damit den Prozess des eigenverantwortlichen und<br />

selbstorganisierten Lernens. Eingriffe des Lehrers<br />

bei erkennbaren Fehlen sollten deshalb gut durchdacht<br />

werden. Das betrifft besonders den Umgang<br />

der Schüler mit Fehlern, wie auch die Bearbeitung<br />

von Frustrationserfahrungen, wenn mal etwas nicht<br />

klappt. Bei Sicherheitsproblemen, Unfallschutz oder<br />

Rechtsfragen muss rechtzeitig interveniert werden.<br />

Die hier dargestellten Erfahrungen zeigen nur ein<br />

Bruchteil der Erfahrungen, die in der Arbeit mit Schülerfirmen<br />

an den Berliner Förderschulen gewonnen<br />

wurden. Es ist aber wichtig, dieses Erfahrungspotenzial<br />

aufzuarbeiten, denn es kann zu einem großen<br />

Teil auf die Situation der stärkeren Heterogenität an<br />

den zukünftigen Inklusiven Schulen übertragen werden,<br />

weil auch die Schülerschaft der Förderschulen<br />

sehr heterogen zusammengesetzt ist. Eine homogene<br />

Schülerschaft in der Förderschule hat es nie gegeben.<br />

Wünschenswert ist ein intensiverer Erfahrungsaustausch<br />

zu diesen Fragen zwischen den pädagogisch<br />

verantwortlichen Akteuren (Lehrer, Sozialpädagogen<br />

usw.) der ehemaligen oder noch vorhandene Schulen<br />

mit Förderschwerpunkt „Lernen“ und der Integrierten<br />

Sekundarschulen. Ansätze dazu sind leider<br />

nur gering entwickelt. Vielleicht bringt die für den<br />

16.10.<strong>2012</strong> geplante Schülerfirmenmesse im FEZ-<br />

Berlin unter dem Motto: „Brücken in die Zukunft:<br />

Schülerfirmen für eine inklusive Schule“ hier einen<br />

Durchbruch.<br />

Niemand kann es sich leisten, auf gute Erfahrungen<br />

zu verzichten, wenn es darum geht, eine Grundforderung<br />

der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen,<br />

die heißt: Umgang mit Heterogenität normalisieren!<br />

Im Entwicklungsplan Inklusion der Senatorin für<br />

Bildung und Wissenschaft Bremen 2010 wird dazu<br />

folgendes ausgeführt: „Der Umgang mit Heterogenität<br />

ist die zentrale Herausforderung für die Schulen<br />

im Reformprozess. Individualisierung als Prinzip<br />

der Lernarrangements und kooperatives Lernen sind<br />

Konsequenzen, um individuelle Förderung optimieren<br />

zu können. Jede Schülerin bzw. jeden Schüler<br />

mit ihren bzw. seinen individuellen Stärken und<br />

Entwicklungspotenzialen zu fordern und zu fördern,<br />

setzt Lernumgebungen voraus, in denen Lernen von<br />

einer pädagogischen Diagnostik geleitet wird und<br />

individuelles Lernen durch kooperative Arbeitsformen<br />

gefördert werden kann.“<br />

Es ist sicher noch ein weiter Weg, bis die Forderung<br />

der UN-Konvention über die Rechte von<br />

Menschen mit Behinderung erfüllt sein wird, die<br />

darin besteht, dass für diese Menschen die „volle<br />

und wirksame Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben“ gewährleistet wird und sie ihr<br />

Recht auf Bildung ohne Diskriminierung und auf<br />

der Grundlage der Chancengleichheit wahrnehmen<br />

können. Begonnen hat dieser Weg für Deutschland<br />

im Jahre 2009.<br />

Literaturverweise:<br />

Prof. Dr. Manfred Liebel: Rezension auf e http://www.socialnet.de/rezensionen/7328.php<br />

zu Simone Knab: Schülerfirma. Eine Lernform zur Verbesserung<br />

der Qualität schulischer Bildung. Ergebnisse einer empirischen Studie<br />

an Berliner Schulen. Der Andere Verlag (Tönning) 2007. 336 Seiten. ISBN<br />

978-3-89959-633-5. 35,90 €).<br />

Rolf Dasecke, Projektkoordinator von nasch21 auf www.nasch21.de<br />

Senatorin für Bildung, Wissenschaft Bremen, Entwicklungsplan Inklusion<br />

Bremen auf e http://www.bildung.bremen.de/fastmedia/13/Entwicklungsplan%20Inklusion.pdf<br />

am 24.04.<strong>2012</strong><br />

55<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Ulrich J. Kledzik & Günter Reuel<br />

Und immer wieder Chancengleichheit<br />

Im Jahre 1951 verabschiedete das Abgeordnetenhaus<br />

eine Neugliederung der Berliner Schule als<br />

eine schulpolitische Entscheidung, die sich aus<br />

dem Verhältnis der damaligen Fraktionen ergab<br />

und nicht als Resultat einer schulpädagogischen<br />

Reformabsicht gewertet werden kann. Auf die<br />

sechsjährige Grundschule bauten sich drei Zweige<br />

der Oberschule auf, der Praktische Zweig (OPZ),<br />

der Technische Zweig (OTZ) und der Wissenschaftliche<br />

Zweig (OWZ). Der Besuch der 9. Klasse<br />

war bis 1948 freiwillig, 1951 wurde die 9. Klasse<br />

Abschlussjahr der OPZ.<br />

Nur zur Erinnerung: In den Jahren 1955 - 60 gingen<br />

im Schnitt 53 Prozent eines Jahrgangs an die OPZ,<br />

29 Prozent an die OTZ und 18% an die OWZ über.<br />

Mit der Einführung einer Pflichtfremdsprache,<br />

überwiegend Englisch, in der OPZ wurde der Status<br />

Oberschule erreicht, der in Deutschland stets an<br />

die Vermittlung einer Fremdsprache gebunden war.<br />

Erst 1957 gelang es übrigens, einen Bildungsplan<br />

für die Oberschulen Praktischen Zweiges vorzulegen,<br />

wenn auch mit „vorläufigem Charakter“.<br />

Man erkennt, auf welch unsicherer schulpädagogischer<br />

Basis die damaligen Entscheidungen vorgenommen<br />

wurden. Der Gedanke, man könne überwiegend<br />

„praktisch-manuell“ Begabte, von „technisch“<br />

oder „wissenschaftlich“ Begabten absondern, sollte<br />

schon damals gemildert werden. Man empfahl differenzierte<br />

Angebote, was Fächer und Niveaus betraf.<br />

Fachübergreifende Unterrichtsgestaltung fand ihren<br />

Niederschlag in der Stundentafel.<br />

Werken und Textilarbeit wurden wegen ihrer geschlechtsspezifischen<br />

Vorgeschichte problematisiert,<br />

Hauswerk, Bildnerisches Gestalten, Musik<br />

und Leibesübungen wurden im Kernunterricht der<br />

7. und 8. Klassen mit einem gemeinsamen Stundendeputat<br />

zusammengefasst 1 : Insgesamt also eine<br />

schulpolitisch begründete Gesetzesnovelle in Berlin-West,<br />

die die 1948 als Einheitsschule geplante<br />

Schulstruktur ablösen sollte.<br />

Die Spannung zwischen Schulformen, von denen<br />

man glaubte, sie würden unterschiedlichen Begabungsprofilen<br />

gerecht, und der Akzeptanz in der Be-<br />

Gruß aus ferner Vergangenheit am ehemaligen Schulgebäude in Kladow,<br />

Bezirk Spandau (heute das Gebäude der Stadtteilbibliothek)<br />

56<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


völkerung war von Beginn an latent vorhanden. In<br />

den folgenden Jahrzehnten kam es zur Erosion der<br />

OPZ - inzwischen Hauptschule – die nur noch von 7<br />

bis 10 Prozent eines Jahrgangs besucht wurde.<br />

Chancengleichheit oder nur Chancengerechtigkeit<br />

wurden noch nicht in heutiger Schärfe diskutiert.<br />

Ab 1968 begann in Berlin die Entwicklung der Gesamtschule.<br />

Das typisch deutsche Schulwesen wurde<br />

auch auf Grund internationaler Erfahrungen hinterfragt.<br />

Einige Bundesländer tricksten. Unter dem<br />

Dach einer sogenannten Additiven Gesamtschule<br />

gab es unverändert Haupt-, Realschule und Gymnasialzweige.<br />

In Berlin wurde schon 1970 per Schulgesetz<br />

die Einrichtung von Gesamtschulen neben<br />

den fortbestehenden Oberschulzweigen gesichert.<br />

Die Integrierte Gesamtschule mit Differenzierung<br />

nach Begabungsrichtungen und Begabungshöhen<br />

entwickelte das so genannte FEGA-System (Fortgeschrittene,<br />

Erweiterte, Grundkurse, Anschlusskurse).<br />

Innerhalb dieses Systems war Mobilität immer<br />

zum Schulhalbjahr möglich. Verglichen mit dem<br />

relativ starren dreigliedrigen Schulsystem gelang es<br />

so manchem Schüler im Laufe der Sekundarstufe<br />

I sich so zu verbessern, dass ein Übergang in die<br />

Oberstufe und das Erreichen des Abiturs möglich<br />

wurden.<br />

Erste Schritte hin zu einer demokratischen Leistungsschule<br />

waren erkennbar und erweiterten sich<br />

mit dem bildungspolitischen und schulpädagogischen<br />

Programm für die Bildungszentren während<br />

der 1970er Jahre auf etwa ein Drittel der Schülerschaft<br />

im Sekundarbereich I.<br />

Das Fach Arbeitslehre war seit 1970 Pflichtfach<br />

an Hauptschulen anstelle von Werken, Hauswirtschaft,<br />

Textilarbeit etc. An Realschulen (früher<br />

OTZ) zögernd geduldet, an den entstehenden Gesamtschulen<br />

deutlich Profil bildend 2 . Nur das Gymnasium,<br />

des Bürgers liebstes Kind, stellte sich dieser<br />

wichtigen curricularen Reform bislang nicht.<br />

Gegenüber dem Gymnasium war man stets zu<br />

Kompromissen bereit. Auch aus der letzten Strukturreform<br />

ging das Gymnasium mit einer Bestandsgarantie<br />

hervor. Wurde es tatsächlich Fluchtburg der<br />

ISS-Vermeider?<br />

Die aktuellen Zahlen über „Rückläufer“ müssten<br />

dem ausgeschiedenen Bildungssenator Zöllner zu<br />

denken geben, er versprach, dass es kein „Abschulen“<br />

(ein von ihm importierter Begriff) mehr geben<br />

solle. In diesem Jahr werden fast 800 Schüler, rund<br />

vierzig Klassen, nach einem Jahr vom Gymnasium<br />

an die ISS verwiesen.<br />

In den integrierten Sekundarschulen richtet man<br />

„Praxisklassen“ ein, für Schüler, die am Ende der<br />

8. Klasse wenig Aussicht auf einen Mittleren Schulabschluss<br />

haben. Es gibt also noch Selektion an<br />

unseren Schulen. Die Alternative heißt Chancengleichheit<br />

weiter entwickeln. Die immer noch dominierende<br />

„Buchschule“ muss ergänzt werden um die<br />

von GÜNTER ROPOHL definierte materielle Lernkultur.<br />

Nur dann wird die ganze Begabungsbreite<br />

Jugendlicher Ernst genommen. Schon der Ansatz<br />

der Oberschule Praktischen Zweiges vor einem halben<br />

Jahrhundert war von dieser Idee geleitet.<br />

Immerhin haben wir heute das Studienfach Arbeitslehre<br />

an der Technischen Universität und ein dazugehöriges<br />

Schulfach (WAT?) zumindest in den Integrierten<br />

Sekundarschulen. Erst in einer Schule, wo<br />

das Lernen mit Kopf, Herz und Hand und die Begeisterung<br />

für eine Sache Lernmotivation sind, wird<br />

Selektion entbehrlich.<br />

Es bleibt ein langer Weg zur Chancengleichheit!<br />

1<br />

2<br />

„Der Umgang mit Material und Werkzeug sollte zu planmäßigem Handeln,<br />

zu Sorgfalt und Genauigkeit führen, die Selbsterprobung im Werkunterricht<br />

sollte Hinweise über Berufsneigung und Eignung ermöglichen.<br />

Das 9. Schuljahr stand im Mittelpunkt der Heranführungan die Arbeits- und<br />

Wirtschaftswelt …“ (siehe: Kledzik: Die OPZ in Berlin, Schroedel 1963).<br />

siehe Kledzik: Arbeitswelt in der Schule, in: T. Rülcker: Modell Berlin,<br />

Peter Lang Verlag. 2007<br />

57<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Manfred Triebe<br />

Das Märchen von der fehlenden Ausbildungsfähigkeit<br />

„Generation kann nix“ war in der Welt online vor<br />

einiger Zeit zu lesen. „Werden unsere Jugendlichen<br />

immer dümmer?“ fragen die Medien, wenn Unternehmensverbände<br />

die mangelnde Ausbildungsfähigkeit<br />

der aktuellen Schulabgänger beklagen.<br />

Auch die Bundesregierung äußert sich im Berufsbildungsbericht<br />

2010 besorgt über die mangelnde<br />

Ausbildungsreife vieler Jugendlicher. Nach wie vor<br />

verließen zu viele die Schule ohne Abschluss. Jeder<br />

fünfte Ausbildungsvertrag (21,5 %) werde vorzeitig<br />

wieder gelöst.<br />

„Die Jugendlichen lieben heutzutage den Luxus. Sie<br />

haben schlechte Manieren und verachten die Autorität,<br />

haben keinen Respekt vor älteren Menschen und<br />

surfen mit ihrem I-Phone, wo sie arbeiten sollten.<br />

Sie stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer<br />

betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die<br />

Beine übereinander und tyrannisieren ihre Ausbilder.“<br />

Dieses nur geringfügig gekürzte und von mir<br />

aktualisierte Zitat wird Sokrates zugeschrieben.<br />

Ähnlich klingende Beurteilungen der jeweils heranwachsenden<br />

Generation finden sich bei den Römern,<br />

Martin Luther, im 19. Jahrhundert („Jugendliche<br />

zeigen ein fortwährendes Ansteigen der Ansprüche,<br />

aber kein wachsendes Gefühl für Verantwortlichkeit<br />

für redliche Erfüllung der Pflichten ...“) bis in unsere<br />

Tage.<br />

Man könnte die Klagen über die mangelnden Fähigkeiten<br />

unserer Jugendlichen als übliches Lamentieren<br />

der älteren Generation abtun und zur<br />

Tagesordnung übergehen. Allerdings ist diese Art<br />

von „Kampagnen“ selbst in einer Zeit eines sich<br />

abzeichnenden gravierenden Fachkräftemangels<br />

von interessierter Seite lanciert. Parallel dazu werden<br />

Unsummen ausgegeben, um durch ein staatlich<br />

organisiertes, aber überwiegend privat durchgeführtes<br />

Netz von unzähligen Bildungsträgern seit<br />

Jahren daran zu arbeiten, in einem sog. beruflichen<br />

Übergangssystem diesem vorgeblichen Mangel abzuhelfen<br />

- mit fraglichem Erfolg, wie einer Pressemitteilung<br />

des DIHK (Deutscher Industrie- und<br />

Handelskammertag) vom April 2011 zu entnehmen<br />

ist: „Zur Realität auf dem Ausbildungsmarkt gehört<br />

auch 2011, dass nach wie vor zu viele Jugendliche<br />

nicht ausbildungsfähig sind“.<br />

Was ist also dran an diesen Sprüchen? Und was ist<br />

eigentlich unter Ausbildungsfähigkeit oder Ausbildungsreife<br />

zu verstehen?<br />

Zunächst gibt es keine klare Abgrenzung der Begriffe<br />

„Ausbildungsfähigkeit“ und „Ausbildungsreife“.<br />

Sie werden oft synonym benutzt. Ich gehe deshalb<br />

davon aus, dass sie Gleiches oder Ähnliches meinen.<br />

Von der Hans-Böckler-Stiftung beauftragte Wissenschaftler<br />

haben in einer aktuellen Untersuchung den<br />

Hintergrund dieser in Zyklen ständig wiederkehrenden<br />

Debatte und den Begriff der Ausbildungsreife/<br />

Ausbildungsfähigkeit untersucht. Dabei förderten sie<br />

interessante Hintergründe zu Tage. Vier Fragestellungen<br />

waren der Rahmen für die Untersuchung 1 .<br />

Ich greife hier nur 3 heraus:<br />

1. Lässt sich das Konstrukt „Ausbildungsreife“ wissenschaftlich<br />

begründen?<br />

2. Welche Aussagen lassen sich auf Basis empirischer<br />

Studien zur „Ausbildungsreife“ der Jugendlichen<br />

treffen?<br />

3. Welche politische Funktion erfüllt die Debatte um<br />

„Ausbildungsreife“ und welche dahinter stehenden<br />

Probleme werden dadurch kaschiert?<br />

Zu 1.: Eine zentrale Aussage der Untersuchung<br />

heißt: „Die Ergebnisse machen ... deutlich, dass es<br />

sich bei dem Schlagwort Ausbildungsreife um einen<br />

äußerst diffusen … Begriff handelt, der sich einer<br />

wissenschaftlichen Untersuchung entzieht.“ Ähnliche<br />

Aussagen lesen wir bei anderen Autoren.<br />

Eine Definition von Ausbildungsfähigkeit findet<br />

sich im Wörterbuch der Pädagogik von Schaub/<br />

Zenke (DTV 2000.), ein Kriterienkatalog für die<br />

1<br />

Rolf Dobischat, Gertrud Kühnlein, Robert Schurgatz: Ausbildungsreife –<br />

ein umstrittener Begriff beim Übergang Jugendlicher in eine Berufsausbildung,<br />

Arbeitspapier 189 der Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, Mai <strong>2012</strong><br />

58<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


sogenannte Ausbildungsfähigkeit oder -reife bei der<br />

Bundesagentur für Arbeit von 2006 2 . Nach Schaub/<br />

Zenke ist die Ausbildungsfähigkeit eine Art Universalfähigkeit,<br />

„die sich aus verschiedenen Faktoren<br />

zusammensetzt. Der ausbildungsfähige Jugendliche<br />

verfügt demnach über anwendbares Wissen, über eine<br />

Persönlichkeit und eine körperliche Reife, die es ihm<br />

ermöglicht, eine Berufsausbildung zu beginnen“ 3 .<br />

Wie diese Fähigkeit konkret aussieht, bleibt im Vagen.<br />

Der Kriterienkatalog der Bundesagentur ist zwar<br />

operationalisiert, aber so umfassend, dass wohl mancher<br />

leitende Angestellte bei der Überprüfung durchfallen<br />

würde. Hinzu kommt, dass viele dieser sogenannten<br />

Kriterien in den verschiedenen Branchen<br />

unterschiedliches Gewicht haben und unterschiedlich<br />

gewertet werden. Sie sind eben nicht einheitlich und<br />

damit kein Maßstab für Pauschalaussagen über unsere<br />

jugendlichen Schulabgänger, wie sie immer wieder<br />

von interessierter Seite zu hören sind.<br />

Interessant ist der Bedeutungswandel des Begriffs.<br />

Ausbildungsfähigkeit stammt ursprünglich aus der<br />

Ausbildereignungsverordnung (AEVO) von 1969.<br />

§ 2 der AEVO beschrieb die Anforderungen an die<br />

Berufs- und Arbeitspädagogische Eignung der Ausbilder.<br />

Ausbildungsfähig meinte demnach, ein Betrieb<br />

sei ausbildungsfähig. Mit der Qualifikation der<br />

Lehrlinge hatte der Begriff noch nichts zu tun. Zu<br />

diesem Zeitpunkt (Ende der 60er, Anfang der 70er)<br />

war das Verhältnis zwischen Lehrstellenbewerbern<br />

und Lehrstellenangebot auch noch halbwegs ausgewogen<br />

und es gab vor allem für Jugendliche ohne<br />

Schulabschluss ausreichend niedrig qualifizierte Tätigkeiten<br />

in den Betrieben, die diese Jugendlichen<br />

als Jungarbeiter ohne Ausbildung in das Beschäftigungssystem<br />

übernahmen.<br />

Die Zeiten und die Situation auf dem Ausbildungsmarkt<br />

haben sich spätestens seit den 90er Jahren<br />

grundlegend verändert. Der Wegfall niedrig qualifizierter<br />

Tätigkeiten macht sich insbesondere bei den<br />

Jugendlichen bemerkbar, die die Schule ohne oder<br />

„nur“ mit dem Hauptschulabschluss verlassen. Sie<br />

finden heute kaum noch Angebote mehr vor. Selbst<br />

für erfolgreiche Absolventen der Hauptschule stehen<br />

heute als Konkurrenten um die wenigen Ausbildungsplätze<br />

Abiturienten und Realschüler bereit.<br />

Es muss außerdem berücksichtigt werden, dass<br />

die Ansprüche in den meisten Ausbildungsberufen<br />

in den letzten Jahren rapide gestiegen sind. Parallel<br />

dazu hat sich das Verhältnis von Angebot und<br />

Nachfrage zu Ungunsten der Schulabgänger verändert.<br />

Ab Mitte der 90er Jahre stehen einer wachsenden<br />

Nachfrage immer weniger Ausbildungsplätze<br />

zur Verfügung. Die Differenz zwischen Lehrstellenangebot<br />

und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen<br />

erreichte 2004 einen Höhepunkt. Nach einer<br />

Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung standen 2007<br />

über 600 000 Jugendlichen mit Ausbildungsvertrag<br />

knapp 670 000 Jugendliche gegenüber, die in Qualifizierungs-<br />

und Fördermaßnahmen geparkt waren.<br />

Dagegen hatte das Bundesverfassungsgericht 1980<br />

ein Ausbildungsangebot von 125 % gegenüber<br />

einer Nachfrage von 100 % postuliert, damit den<br />

Schulabgängern ein Auswahlfähiges Angebot zur<br />

Verfügung steht.<br />

Parallel zu dieser Entwicklung etablierte sich ein<br />

berufliches Übergangssystem für die bei der Lehrstellensuche<br />

leer ausgegangenen Schulabgänger.<br />

Dieses Übergangssystem führte zu einem Paradigmenwechsel.<br />

Es ging nur noch in politischen Sonntagsreden<br />

um eine Steigerung der Zahl von Ausbildungsplätzen.<br />

In der Realität wurden die bei der<br />

Lehrstellensuche nicht erfolgreichen Jugendlichen<br />

mit dem Etikett „nicht ausbildungsfähig“ stigmatisiert<br />

um dann im Übergangssystem (Warteschleifen)<br />

ggf. ausbildungsfähig gemacht zu werden. Daran<br />

änderte auch der „Nationale Pakt für Ausbildung<br />

und Fachkräftenachwuchs“ (s.u.) nichts.<br />

Wen wundert es, wenn heute der Begriff nahezu ausschließlich<br />

auf die sich um einen Ausbildungsplatz<br />

bemühenden jugendlichen Schulabgänger bezogen<br />

wird. Ein strukturelles Problem wird individualisiert.<br />

Die Ausbildereignungsverordnung wurde,<br />

praktisch parallel zu dieser Entwicklung zwischen<br />

2003 und 2009, vollständig außer Kraft gesetzt. Jeder,<br />

der sich berufen fühlte, konnte in dieser Zeit<br />

ausbilden, seine Ausbildungsfähigkeit wurde nicht<br />

mehr abgefragt. In der aktuellen AEVO sind die<br />

fachlichen Qualifikationen der Ausbilder dominant,<br />

die berufspädagogischen Qualifikationen können<br />

dagegen in „Crashkursen“ von wenigen Tagen erworben<br />

werden (Rahmenplan für die Ausbildung<br />

der Ausbilder).<br />

59<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Zu 2.: Nach einer Umfrage des DIHK ging im Zeitraum<br />

2006 – 2011 der Anteil der Unternehmen, die<br />

über mangelnde Deutschkenntnisse der Bewerber<br />

klagten von 66 % auf 53 % kontinuierlich zurück.<br />

Ähnlich sank der Anteil der Jugendlichen mit Mängeln<br />

in den mathematischen Grundkenntnissen von<br />

53 % (2006) auf 48 % (2011) zurück. Klagen über<br />

Disziplinmängel und mangelnde Belastbarkeit haben<br />

im genannten Zeitraum dagegen zugenommen.<br />

Die Bundesagentur selber findet in eigenen Langzeituntersuchungen<br />

heraus, dass Problemlösefähigkeit,<br />

vernetztes und schlussfolgerndes Denken und<br />

die allgemeine Intelligenz in den letzten 20 Jahren<br />

zugenommen haben 4 . Alleine diese Beispiele zeigen,<br />

wie problematisch das Schlagwort von der<br />

mangelnden Ausbildungsfähigkeit ist.<br />

Hinzu kommen branchenmäßige Unterschiede in<br />

den Anforderungen und Besetzungsprobleme, die<br />

vordergründig gerne auf die mangelnde Ausbildungsfähigkeit<br />

der Bewerber zurückgeführt werden,<br />

tatsächlich aber Branchen betreffen, die „von den<br />

Jugendlichen als Ausbildungsbetriebe wenig nachgefragt<br />

werden, weil sie als körperlich belastend, zu<br />

wenig perspektivenreich, schlecht bezahlt und/oder<br />

von den Arbeitszeiten her unattraktiv erscheinen“.<br />

Hier sind vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

und die Baubranche betroffen. Unternehmen<br />

aus der IT-Branche, Banken und Versicherungen haben<br />

dagegen wenige Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze<br />

zu besetzen.<br />

Zu 3.: Der sogenannte nationale Pakt für Ausbildung<br />

und Fachkräftenachwuchs wurde 2004 von<br />

der Bundesregierung und den Spitzenverbänden<br />

der Deutschen Wirtschaft geschlossen, um jedem<br />

ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein<br />

Ausbildungsangebot zu machen. Damit war impliziert,<br />

dass per Definition von vornherein nicht alle<br />

Jugendlichen in diesen Genuss kommen. Hat ein<br />

Jugendlicher Bewerber schließlich die Hürde ausbildungsfähig<br />

bzw. ausbildungsreif genommen, ist<br />

seine Übernahme in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis<br />

im Dualen System allerdings noch lange<br />

nicht gesichert, denn es herrscht die im Berufsbildungsgesetz<br />

(BBiG) abgesicherte Vertragsfreiheit.<br />

Mit der Ausbildungsfähigkeit verhält es sich also<br />

ähnlich wie mit dem Berufswahlpass. Die „Lizenz“<br />

Ausbildungsfähigkeit berechtig die Jugendlichen<br />

nur, am betrieblichen Auswahlverfahren teilzunehmen.<br />

Die Wissenschaftler der Stiftung nennen das<br />

Etikett ausbildungsreif deshalb auch Mindestkonkurrenzteilnahmebescheinigung.<br />

Man fragt sich bei dem jetzt schon abzusehenden<br />

Fachkräftemangel, wie lange die Wirtschaft noch im<br />

Abnehmerstatus verharrt und von den allgemeinbildenden<br />

Schulen die Lieferung ausbildungsfähiger<br />

oder ausbildungsreifer Absolventen verlangen will.<br />

Im Jahre 2006 wurden mehr als 5 Mrd. € für die<br />

Finanzierung des Übergangssystems ausgegeben.<br />

Fachleute bezeichnen das System als ineffizient. Severing<br />

5 konstatierte in einem Vortrag in Hamburg<br />

2009: „Das Übergangssystem ist der expansivste<br />

Teil des Systems der beruflichen Bildung und zugleich<br />

sein am schlechtesten organisierter und ineffektivster<br />

Teil.“<br />

Fazit: Das Schlagwort „mangelnde Ausbildungsreife/Ausbildungsfähigkeit“<br />

ist weder wissenschaftlich,<br />

noch operationalisierbar. Es hilft weder<br />

der Wirtschaft, geeignete Fachkräfte zu gewinnen,<br />

noch den meisten Jugendlichen, irgendwann einen<br />

Ausbildungsplatz zu ergattern. Es verschleiert<br />

den tatsächlichen Hintergrund des prognostizierten<br />

Fachkräftemangels: die zu wenigen Ausbildungsplätze.<br />

Es stigmatisiert die Jugendlichen, die an den<br />

Anforderungen des Ausbildungssystems scheitern,<br />

ohne dem Mangel abzuhelfen. Würden die Milliardenkosten<br />

des Übergangssystems in die allgemeinbildende<br />

Schule gesteckt (Frequenzsenkungen,<br />

Berufsorientierung von der Grundschule an,<br />

Arbeitslehre als Pflichtfach für alle Schüler etc. etc)<br />

könnte die Zahl der Abgänger ohne Schulabschluss<br />

drastisch verringert werden.<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Bundesagentur für Arbeit: Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife, März 2009<br />

Schaub/Zenke: Wörterbuch der Pädagogik, DTV 2000<br />

Vergl. Dobischat u.a. S. 36<br />

Eckhart Severing: Übergänge mit System? Vortrag anlässlich einer<br />

Veranstaltung zum regionalen Übergangsmanagement in Hamburg am<br />

27. April 2009<br />

60<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Detmar Grammel & Günter Reuel<br />

Lehrerbildung, Praxiserfahrung und Lehrerfortbildung<br />

Einer der Autoren dieser Zeilen hat viele Jahre Lehrerfortbildung<br />

am Pädagogischen Zentrum (später<br />

BIL) betrieben. Seine Erfahrungen beziehen sich auf<br />

das Fach Arbeitslehre, aber die ehemaligen Referenten<br />

für andere Schulfächer werden seine Ausführungen<br />

bestätigen. Der zweite Autor hat von 1974 bis<br />

2009 den Fachbereich Arbeitslehre einer Gesamtschule<br />

geleitet, war Fachberater für das Betriebspraktikum,<br />

später Multiplikator für Arbeitslehre<br />

jeweils im Bezirk Spandau, hatte zwischenzeitlich<br />

die Runde der Fachbereichsleiter AL der westlichen<br />

Bezirke geleitet, war schließlich 4 Jahre lang zur<br />

Fachaufsicht Arbeitslehre teilweise abgeordnet und<br />

betreut seit seiner Pensionierung Studenten und Studentinnen<br />

des IBBA im Unterrichtspraktikum.<br />

Viele Lehrer kamen immer wieder zu Fortbildungsveranstaltungen,<br />

die übrigens meist in Schulen<br />

stattfanden. Andere kamen nie. Die Verweigerer<br />

trugen fast immer ein hartnäckig gepflegtes (Vor-)<br />

Urteil mit sich herum: In der Hochschule wurde ich<br />

denkbar schlecht auf Schule vorbereitet, jetzt bin ich<br />

nur noch Autodidakt. Ein weiteres Phänomen muss<br />

allerdings genannt werden. Die Mehrzahl der Fortbildungsveranstaltungen<br />

fand und findet außerhalb<br />

der Unterrichtszeit in der so genannten „Freizeit“<br />

der Lehrer statt. Immer, wenn es mal für bestimmte<br />

Fortbildungsangebote vom Dienstherren Unterrichtsbefreiung<br />

gibt, ist der Andrang wesentlich<br />

größer.<br />

Derzeit wird Gott sei Dank über größere Praxisanteile,<br />

sprich Schulkontakte, während eines Lehramt-<br />

Studienganges nachgedacht. Diese Bemühungen<br />

verdienen volle Unterstützung. In diesem Zusammenhang<br />

sei an die lange Jahre latent geführte Debatte<br />

erinnert, ob nur Exzellenzschulen für Praktika<br />

und Referendariat geeignet seien: Eine solche<br />

Präferenz würde insbesondere Brennpunktschulen<br />

allein lassen. In der Regel werden unsere Studenten<br />

in den Schulen außerordentlich freundlich empfangen.<br />

Schulleiter und stellvertretende Schulleiter<br />

kümmern sich persönlich darum, dass das Praktikum<br />

oder andere Unterrichtsversuche bestmöglich<br />

organisiert werden. Sie wissen um die prekäre<br />

personelle Situation: Der „Markt“ für ausgebildete<br />

Arbeitslehrekräfte ist leergefegt. Schulen, die die<br />

letzte Schulreform ernst nehmen, die die Inklusion<br />

nicht unter dem Gesichtspunkt der Verschlechterung<br />

der Abschlussstatistik sehen, bemühen sich um die<br />

zukünftigen Kolleginnen und Kollegen. Manchmal<br />

sind es ganz einfache Dinge wie ein Schlüssel für<br />

den Kopierraum und die Lehrertoilette, die bei den<br />

Studenten das Gefühl bestärken, angenommen zu<br />

sein. Wer auf ein harmonisches, erfolgreiches Unterrichtspraktikum<br />

zurückblicken kann, wer gesehen<br />

hat, dass er gerade mit dem Fach Arbeitslehre<br />

gebraucht wird, der wird sich sicherlich bei seinem<br />

Referendariat dieser Schule den Vorzug geben.<br />

Allerdings gibt es durchaus Ausnahmen. Studenten<br />

melden sich gut vorbereitet und mit Enthusiasmus<br />

in der Schule – und müssen erfahren, dass sie dort<br />

höchst unwillkommen sind: Der Schulleiter hat keine<br />

Zeit, Rückrufe oder –mails unterbleiben, zwischen<br />

Unterrichtspraktikanten und PKB-Beschäftigten<br />

wird kein Unterschied gemacht: „Richten Sie<br />

sich darauf ein, dass Sie auch Vertretungsunterricht<br />

machen müssen.“ Durch ein solches Verhalten schadet<br />

eine Schule sich selbst: Auch als Lehrer mit<br />

jahrzehntelanger Praxiserfahrung kann man methodisch<br />

das eine oder andere von Studenten lernen.<br />

Schließlich können auch die Besuche der Betreuer<br />

im Praktikum eine Form der Lehrerfortbildung sein,<br />

gerade was die Ausrüstung der Werkstätten betrifft,<br />

da externen Augen oftmals etwas auffällt, was im<br />

täglichen Betrieb als normal hingenommen wird.<br />

Wie kann z.B. ein schwerer Maschinenschraubstock<br />

auf einer Tischbohrmaschine auch ohne Nutsteine<br />

so gesichert werden, dass die Unfallgefahr gebannt<br />

ist? Warum müssen Schüler beim Bohren ein Holzstück<br />

mit den Händen festhalten, wenn es Schnellspanner<br />

gibt?<br />

Im schlimmsten Fall treffen die Studenten auf einen<br />

Fachbereich Arbeitslehre, der seinen Namen<br />

nicht verdient – auch so etwas gibt es. Im Zuge<br />

der Regionalisierung der Lehrerfortbildung sollten<br />

zwar in den Bezirken bezirkliche Fachkonferenzen<br />

eingerichtet werden und die Multiplikatoren – jetzt<br />

Schulentwickler – sollten Fortbildungsangebote<br />

machen – aber siehe oben: Da es keine Teilnahmepflicht<br />

gibt, machen nicht wenige Unterrichtende<br />

das, was im Rahmenlehrplan vor 30 Jahren stand.<br />

61<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Schon allein die in der Schule üblichen Bezeichnungen<br />

sind oftmals verräterisch: „Die Studentin ist in<br />

der Nähstube.“ Hier stellt sich die Frage, wie neue<br />

Lehrpläne so implementiert werden, dass sie auch<br />

im Bewusstsein der Unterrichtenden verankert sind.<br />

Ebenso deprimierend ist die Abwehr aller didaktisch<br />

und fachlich elaborierten Vorschläge: „Das dürfen<br />

die Schüler nicht.“ „Das können die Schüler nicht.“<br />

Eine solche Haltung, die sich da und dort eingeschlichen<br />

hat, lässt sich nur aufbrechen, wenn die<br />

Lehrkräfte im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen<br />

auf andere Unterrichtende mit deren Erfahrungen<br />

treffen und sehen, was an anderen Schulen<br />

die Schüler/innen zustande bringen.<br />

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Teil unserer Ausführungen.<br />

Neben der wichtigen Kontaktaufnahme<br />

zwischen Studenten und Schulen zwecks frühzeitiger<br />

Unterrichtserfahrung beschäftigt uns die Weiterqualifizierung<br />

praktizierender Lehrer. Sowohl Lehrer<br />

mit der Fakultas für das unterrichtete Fach und<br />

natürlich in höherem Maße „fachfremd“ unterrichtende<br />

Lehrer müssen sich fortbilden. Es darf einfach<br />

nicht sein, dass ein Lehrer scheinbar ohne Skrupel<br />

erklärt, er habe sich in 30 Dienstjahren nicht einmal<br />

zu einer Fortbildung begeben.<br />

Immer deutlicher zeigt sich, dass Arbeitslehrelehrer,<br />

seien es „Altgediente“, Fachfremde oder auch<br />

junge ausgebildete Lehrer, Probleme mit maschinellen<br />

Ausstattung der Werkstätten des Faches haben.<br />

Werkstattmeister fehlen, Maschinen müssen sicherheitstechnisch<br />

nachgerüstet werden, der Vorrichtungsbau<br />

– für Schülerfirmen oft unerlässlich – wird<br />

nicht beherrscht.<br />

Bereits seit geraumer Zeit wird im IBBA (Institut<br />

für Berufliche Bildung und Arbeitslehre der TU)<br />

Krisenmanagement betrieben. Da wird im Forum<br />

Arbeitslehre ein attraktives Projekt veröffentlicht.<br />

Lehrer sind begeistert, benötigen Handlungsanleitung<br />

unter Werkstattbedingungen. Mit der ohnehin<br />

knappen Personaldecke gelingt es Mitarbeitern des<br />

Instituts in eine Schule zu gehen oder Hilfe suchende<br />

Lehrer in den Institutswerkstätten so zu qualifizieren,<br />

dass sie morgen mit ihren Schülern das Projekt<br />

wagen.<br />

Es bleibt beim Krisenmanagement, bei Einzelfallhilfe.<br />

Von einer systematischen und dringend notwendigen<br />

Lehrerfortbildung sind wir weit entfernt<br />

und die Kraft der Institutsmitglieder ist begrenzt.<br />

Zu fordern ist die Konzeption einer Lehrerfortbildung<br />

für das Fach Arbeitslehre/WAT, die ihren Namen<br />

verdient.<br />

Warum ist Fortbildung für Lehrer des Faches Arbeitslehre<br />

so wichtig? Ein Grund ist die beunruhigend<br />

hohe Zahl fachfremd unterrichtender Lehrer.<br />

Die Teilnahme dieser Personengruppe am Sicherheitskurs<br />

allein reicht nicht als Fortbildung im Fach<br />

aus. Des Weiteren gilt es eine Entwicklung einzugrenzen,<br />

die darin besteht, dass Lehrer, die sich in<br />

der Arbeitslehre nicht sicher fühlen, die Schüler<br />

gerne an Nichtlehrer, die Freien Träger, abgeben.<br />

Abgesehen von der hoheitlich bedenklichen Delegation<br />

von Verantwortung überprüft niemand, ob das<br />

anderen Orts Gelehrte den curricularen Standards<br />

genügt.<br />

62<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Redaktion<br />

Was ist beim „Dualen Lernen“ anders als in der Arbeitslehre?<br />

Dies ist ein Aufruf an alle unsere Leser, Antworten auf die unten<br />

gestellte Frage an die Redaktion zu senden. 120 ISS-Kollegien<br />

sind für Aufklärung dankbar, natürlich auch die Senatsschulverwaltung.<br />

Wir veröffentlichen die Antworten im nächsten Heft.<br />

Lassen wir den peinlichen semantischen Lapsus<br />

beiseite, denn kein Individuum lernt „dual“ sondern<br />

immer ganzheitlich. Richtig ist, dass der Jugendliche<br />

möglichst nicht nur an einem Ort, dem Klassenzimmer,<br />

„belehrt“ werden sollte. Deshalb heißt die<br />

Arbeitslehre Arbeitslehre.<br />

Zur Erinnerung: Seit dem über vierzigjährigen Bestehen<br />

der Arbeitslehre waren für diese folgende<br />

Elemente konstitutiv:<br />

• Praktische Arbeit in verschiedenen Werkstätten<br />

(keine Bastelarbeit, sondern professionelle<br />

Standards). Wenn von Böswilligen auf Ausnahmen<br />

gezeigt wird, versäumen diese zu sagen,<br />

dass es jahrelang Mangel an ausgebildeten<br />

Lehrern gab.<br />

• Betriebspraktika, Betriebserkundungen, Markterkundungen,<br />

Warentests<br />

Wir erkennen beim besten Willen keine Innovationen,<br />

die sich angeblich hinter dem „Programm“ Duales<br />

Lernen verbergen. Was wir erkennen, sind so<br />

genannte Freie Träger, die sich in großer Zahl andienen<br />

und anscheinend noch nach einer Definition des<br />

Dualen Lernens suchen. Jüngstes Beispiel: Es meldet<br />

sich in allen ISS ein „Institut Praktisches Lernen<br />

Europa“ (IPLE). Die dort angebotenen Workshops<br />

sind Allerweltsveranstaltungen, aber immerhin mit<br />

Mitteln des Senats gefördert.<br />

Als Hans Christian Andersen sein Märchen „Des<br />

Kaisers neue Kleider“ schrieb, wusste er von dem<br />

Phänomen, dass viele Menschen gerne einem<br />

suggestiven Versprechen Glauben schenken, bis<br />

schließlich ein kleines Mädchen ruft: „Der Kaiser<br />

ist ja nackt!“. Wir warten auf das Mädchen bei dem<br />

nächsten Event zum Dualen Lernen.<br />

• Schülerfirmen (Den Namen gibt es erst seit<br />

einigen Jahren, vorher hießen vergleichbare<br />

Aktivitäten „Arbeit für Auftraggeber“: siehe<br />

frühere Rahmenpläne.)<br />

• Besuche in den Berufsinformationszentren und<br />

Gespräche mit Berufsberatern.<br />

63<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Reinhold Hoge<br />

Arbeitslehre-Wettbewerb in China<br />

Als in den 1980er Jahren chinesische Pädagogen<br />

nach Berlin kamen, galt ihr Interesse vor allem der<br />

Arbeitslehre. In den folgenden Jahren wurden Berliner<br />

Arbeitslehrelehrer, vermittelt über die GATWU,<br />

nach China eingeladen. Jetzt findet alle zwei Jahre in<br />

ganz China für Grund- und Mittelschulen ein Arbeitslehre-Projektwettbewerb<br />

statt. In diesem Jahr war es<br />

bereits der 6. Wettbewerb dieser Art, der jeweils vom<br />

chinesischen Arbeitslehre-Fachverband (GATWU-<br />

Pendant) ausgerichtet wird. Bei der Organisation wird<br />

der Fachverband von einigen Stiftungen unterstützt.<br />

Die Durchführung des Wettbewerbs findet in 2<br />

Phasen statt. Zunächst melden die Schüler in der<br />

Qualifizierungsphase ihre selbst entwickelten und<br />

hergestellten Gegenstände in Form einer kleinen Projektdokumentation<br />

beim Fachverband an. Dort wird<br />

nach Qualitätskriterien eine Vorauswahl für die 2.<br />

Runde getroffen.<br />

Allein <strong>2012</strong> haben sich 3000 Schüler an der ersten<br />

Phase beteiligt, 600 davon sind zur 2. Phase, der<br />

Finalphase, zugelassen worden. In dieser zweiten<br />

Runde werden 3 Gruppen, bestehend aus der Grundschulgruppe,<br />

Mittelschulgruppe und der Obermittelschulgruppe<br />

gebildet. Hier finden nun von Schülern<br />

durchgeführte Produktpräsentationen statt, ein Gutachterteam<br />

wertet diese aus. Zusätzlich gibt es in<br />

den jeweiligen Städten begleitend noch einen Wettbewerb,<br />

in dem die Schüler innerhalb von 3 Stunden<br />

ein bestimmtes technisches Problem lösen müssen.<br />

Die Besten werden prämiert.<br />

rechts am Rand: Frau Prof. Fu Xiaofang<br />

Die Chinesen haben schnell begriffen, welches Potenzial<br />

in einer Arbeitslehrekonzeption nach Berliner<br />

Vorbild steckt. Spricht man sie heute auf „WAT“ oder<br />

Duales Lernen an, reagieren sie mit dem gewohnten<br />

Lächeln, in das sich ein Hauch von Mitleid mischt.<br />

Diese Informationen stammen von Frau Prof. Fu<br />

Xiaofang, eine der ersten Arbeitslehre Professorinnen<br />

Chinas und Mitglied der Gutachterteams des 5. und 6.<br />

Wettbewerbs.<br />

64<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


• Schleift Alle Ihre Schneidwerkzeuge<br />

• Präzise Wiederholbarkeit<br />

• Maximale Schärfe<br />

• Schnelles Schleifen<br />

• Volle Kontrolle<br />

• Keine Gefahr Von Überhitzung<br />

• Sicher Und Ruhig


Günter Reuel<br />

Selbstkontrolle vrs. Eigenverantwortung<br />

Für Norbert Elias, den großen Theoretiker der Zivilisation,<br />

war es eine Fähigkeit des Menschen, die<br />

den Fortschritt ermöglichte und auch in Zukunft<br />

ermöglichen wird: die über Jahrhunderte weiter<br />

entwickelte Selbstkontrolle. Der Steinzeitmann<br />

stürzte sich auf das Objekt seiner Begierde; heutige<br />

Freier laden zum Essen ein, machen Geschenke<br />

und schreiben schmachtende Briefe (Mails).<br />

Täglich erleben Lehrer, wie Schüler bei der Essenausgabe<br />

den Ellbogen benutzen, Müll möglichst<br />

bequem „entsorgen“, sich vor Leistungsanforderungen<br />

drücken und Täuschungen nicht scheuen.<br />

Ein Unrechtsbewusstsein ist durchaus vorhanden,<br />

die Selbstkontrolle jedoch ist schwach, ja, sie versagt.<br />

Ein Unwort hat in der Pädagogik enorme Verbreitung<br />

erfahren. Es heißt „Eigenverantwortung“. Die<br />

ermüdenden „Kompetenzlisten“ sind voll davon.<br />

Verantwortung übernimmt man immer für irgendetwas.<br />

Subjekt und Objekt gilt es zu trennen, wenn<br />

ein zirkulärer Schluss vermieden werden soll.<br />

ELIAS`s zentraler Begriff der Selbstkontrolle<br />

könnte in der Pädagogik Karriere machen. Ein<br />

Schüler, der mutwillig Teile des Schulgebäudes<br />

beschädigt, findet Ausreden und benutzt zunächst<br />

immer das Stereotyp: „Können Sie mir das beweisen?“<br />

Ein Appell an seine Verantwortung stößt auf<br />

Unverständnis. Irgendjemand bezahlt ja die Schule<br />

und seine Eltern haben möglicherweise eine<br />

Dienstleistungserwartung an die Schule, die diese<br />

angeblich nicht erfüllt. Damit ist das Konstrukt<br />

Verantwortung fast suspendiert.<br />

Selbstkontrolle ist eine erlernbare kognitive Fähigkeit,<br />

sie ist objektivierbar und intersubjektiv<br />

überprüfbar. Verantwortung bleibt weitgehend eine<br />

subjektiv auslegbare Sache, sieht man einmal von<br />

den justitiablen Fällen ab.<br />

Wir wollen Verantwortung als kategorischen Imperativ<br />

nicht infrage stellen. Das noch zusätzlich<br />

zum Religionsunterricht eingeführte Pflichtfach<br />

Ethik wird hoffentlich Früchte tragen. Aber mit<br />

den Überlegungen zur Selbstkontrolle sollten wir<br />

schon mal anfangen. Jeder Handlung gehen Entscheidungen<br />

voraus, die mehr oder weniger gründliche<br />

Überlegungen implizieren. Ausgesprochene<br />

Affekthandlungen, in ohnmächtiger Wut oder Verzweiflung<br />

begangen, lassen wir beiseite.<br />

• Ich nehme mir noch mal eine Portion von dem<br />

leckeren Nudelsalat.<br />

• Ich sehe einen scharfen Gegenstand auf dem<br />

Werkstattboden liegen.<br />

• Ich ziehe das Hemd mit dem nur noch an einem<br />

Faden hängenden Knopf heut noch mal an.<br />

• Ich schalte mal den Fernseher an.<br />

• Ich bringe die Pfandflasche nicht zurück, gibt<br />

nur 8 Cent.<br />

• Der Unterricht langweilt mich, ich ritze jetzt<br />

schon das dritte Herz in die Werkbank.<br />

• Ich fahre an dieser Ecke immer bei Rot mit<br />

meinem Fahrrad rüber.<br />

• Ich soll mich um einen Praktikumsplatz<br />

kümmern, weiß aber nicht wie.<br />

Jede dieser kleinen Alltagshandlungen bzw. aufgeschobenen<br />

Handlungen lässt sich auf Folgen und<br />

Motive befragen. Die Fragen muss wahrscheinlich<br />

anfangs ein Externer stellen, bevor sie internalisiert<br />

werden.<br />

• Ist die Handlung evtl. nicht günstig für meine<br />

körperliche Verfassung?<br />

• Ist die Handlung eine Ersatzhandlung, weil ich<br />

dringenden Aufgaben ausweichen möchte?<br />

• Kann ich durch meine Handlung Gefahren<br />

vermeiden bzw. durch Unterlassung andere<br />

und mich gefährden?<br />

• Ist meine Handlung Umwelt schonend?<br />

• Kann durch meine Handlung die Werterhaltung<br />

einer Sache befördert werden?<br />

• Wird durch meine Handlung Sachschaden<br />

angerichtet, den andere bezahlen müssen oder<br />

der die Gemeinschaft aller belastet?<br />

• Fehlen mir Informationen, die meine Antriebskräfte<br />

stärken würden?<br />

Bei einem Handlungstyp, dem kommunikativen<br />

Handeln, sind Fragen an die Rechtfertigung des<br />

Gesagten unverzichtbar. Fremdenfeindliche Äu-<br />

66<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


ßerungen eines Schülers müssen insistierend auf<br />

die Begründung befragt werden.<br />

Der Autor weiß natürlich, dass im Unterrichtsalltag<br />

Testtraining absoluten Vorrang hat.<br />

Lasst uns aber dennoch jede Gelegenheit nutzen,<br />

Jugendliche zur Selbstkontrolle anzuhalten.<br />

Ohne diese stagniert der Prozess der Zivilisation<br />

wie NORBERT ELIAS nachgewiesen hat.<br />

Die Versuchung, dem Fach Ethik die Aufgabe<br />

zuzuschieben, ist gegeben. Dies wäre ein Missverständnis.<br />

Alle Fächer sind gefordert und Arbeitslehre<br />

als ein Fach mit zahllosen Handlungsanlässen<br />

kann die Selbstkontrolle der Schüler<br />

fördern.<br />

Detmar Grammel<br />

Potenzialanalyse – ein Rückfall in alte Begabungstheorien?<br />

Die Offenheit von Bildungsprozessen sollte eine<br />

Grundüberzeugung der Pädagogik sein. Bis zum<br />

Ende der Schulzeit lernen Schüler. Sofern ihnen<br />

nicht die Neugier ausgetrieben wurde, erweitern<br />

sie ihr Weltbild. Was die basalen Kulturtechniken<br />

angeht, sind die Vermittlungsformen nicht immer<br />

so, dass Freude am Lernen wächst. Überkommene<br />

Lehrmethoden und der ausufernde Hang zum Testen<br />

können Schulverdruss produzieren.<br />

Das wäre ein kümmerlicher Bildungsbegriff, der<br />

nicht auch künstlerische, sportliche, sozialkundliche<br />

und technisch-wirtschaftliche Angebote machte.<br />

Hier entdecken Schüler Neigungen, Interessen<br />

werden geweckt an Lebensbereichen, die manchmal<br />

im Elternhaus gar nicht vorkommen. Oft sind<br />

die damit einhergehenden Lernprozesse gleichermaßen<br />

emotional und kognitiv strukturiert. Nicht<br />

alle diese Kompetenzerwerbe lassen sich mit den<br />

herkömmlichen Methoden messen, schon gar<br />

nicht mit der sprachlich so harmlos erscheinenden<br />

VERA-Familie. Wer aber daran glaubt, dass diese<br />

Vergleichsarbeiten über das Leistungsverhältnis<br />

von Schülerpopulationen belastbare Ergebnisse<br />

erzielen, von denen wiederum „pädagogische<br />

Impulse für die Unterrichtsentwicklung ausgehen<br />

(sollen), z.B. über die schulinterne Diskussion<br />

von Standards, der Unterrichtsgestaltung oder der<br />

Beurteilungspraxis 1 “ ausstrahlen, der wird auch<br />

davon ausgehen, schon frühzeitig die Neigungen<br />

und Begabungen hinsichtlich einer sinnvollen Berufs-<br />

oder Bildungswegentscheidung messen und<br />

beeinflussen zu können.<br />

Seit der Propagierung der Bildungsketten durch<br />

Bundesbildungsministerin Schavan gehört die<br />

Potenzialanalyse zum Arsenal der Maßnahmen,<br />

die sicherstellen sollen, dass alle Schüler/innen<br />

eines Jahrganges die Ausbildungsgsreife erlangen<br />

und dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung<br />

stehen 2 . Erst einmal ist der äußerst lukrative<br />

Markt dieser Analysen hart umkämpft, da die Arbeitsagentur<br />

für jeden getesteten Schüler einen<br />

nicht unerheblichen Betrag zahlt. Neben einigen<br />

Kammern sind es hauptsächlich Freie Träger,<br />

die diese Analysen durchführen. Zielgruppe sind<br />

die Schüler/innen der 7. und 8. Jgst.. Offensichtlich<br />

gibt es keine einheitlichen Vorgaben für die<br />

Durchführung durch die Arbeitsagentur, so dass<br />

jeder Freie Träger, der die Ausschreibung gewonnen<br />

hat, sich seine Tests selbst stricken kann.<br />

Wenn dabei nicht ausgewiesene Fachleute (die<br />

nun einmal teuer sind) mitgearbeitet haben, dann<br />

ist es nachvollziehbar, warum die meisten Freien<br />

Träger ein Geheimnis um ihre Materialien machen,<br />

die sie auf keinen Fall den beteiligten Schulen<br />

zur Verfügung stellen wollen. Die an einigen<br />

Schulen bekannt gewordenen Rückmeldungen an<br />

die teilnehmenden Schüler sind als eher dürftig<br />

und substanzlos nach drei Tagen Analyse einzuordnen:<br />

„Die Auswertung deines Interessenprofils<br />

hat ergeben, dass du dich besonders für die<br />

67<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Bereiche Holz, Elektro und Bau interessierst. Du<br />

selbst möchtest in der Tiermedizin arbeiten. Für<br />

deinen beruflichen Werdegang wünschen wir dir<br />

alles Gute und viel Erfolg!“<br />

Da verlässliche Mitteilungen der Freien Träger<br />

über die Durchführung ihrer Potenzialanalysen<br />

nicht vorliegen, müssen wir das, was uns Kolleginnen<br />

und Kollegen aus den Erzählungen ihrer<br />

Schülerinnen und Schüler berichten, als wahrscheinlich<br />

annehmen. Abgesehen von mehr oder<br />

weniger nutzlosen Fragebögen gab es in der Vergangenheit<br />

Inszenierungen folgender Art: An einer<br />

kleinen elektrischen Dekupiersäge sollten<br />

die Schüler „Laubsägearbeiten“ machen. Bei<br />

halbwegs befriedigenden Ergebnissen lautete das<br />

Fazit: für technische Berufe geeignet. Mit einer<br />

Servierschürze und einem Tablett, mit gefüllten<br />

Wassergläsern unterwegs, gilt es möglichst wenig<br />

zu verschütten. Wer das schafft, ist für das Hotelund<br />

Gaststättengewerbe geeignet. Trockenblumen<br />

ansehnlich drapieren zu können ist die Empfehlung<br />

für den künftigen Floristen. Besonders obskur<br />

ist die „Testbatterie“, bei der ein Jugendlicher<br />

einen Blei beschwerten Anzug anziehen muss, um<br />

das Lebensgefühl von Alten und Gebrechlichen zu<br />

erfahren. Bei klagloser Hinnahme lautet die Empfehlung<br />

Altenpfleger.<br />

Was kann man zu dieser Kaffeesatz-Leserei sagen?<br />

In der Sekundarstufe I finden wir Orientierung<br />

suchende pubertierende Jugendliche. Sie<br />

wollen sich erproben, wollen etwas machen, das<br />

von Dritten (nicht nur vom Lehrer) begutachtet<br />

wird. In Werkstätten wird anders gelernt als<br />

im Klassenzimmer vor einem Arbeitsbogen. Da<br />

kommt es vor, dass ein vorher Technik abstinentes<br />

Mädchen Ingenieur werden möchte und ein<br />

„cooler Hacker“ will Erzieher oder Koch werden.<br />

Dieser Prozess ist bis zum Ende der Schulzeit<br />

nicht abgeschlossen. Eine „Potenzialanalyse“,<br />

wie sie derzeit durchgeführt wird, nutzt nicht nur<br />

nichts, sie verwirrt nur.<br />

1<br />

2<br />

e http://www.isq-bb.de/Vergleichsarbeiten.4.0.html<br />

vergl. Detmar Grammel: Projekt Berufseinstiegsbegleitung in: Forum<br />

Arbeitslehre, Heft 7, Nov. 2011<br />

68<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Rezensionen und Kurzhinweise<br />

Wilfried Wulfers<br />

Wie bereits in früheren GATWU - Mitgliederrundbriefen<br />

bzw. im GATWU - Forum, möchten wir auch<br />

weiterhin Publikationen vorstellen, die sich auf das<br />

Lernfeld Arbeitslehre beziehen. Selbstverständlich<br />

erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

Die gewählte Reihenfolge ist kein Hinweis auf die<br />

Güte der Publikation.<br />

An dieser Stelle sei angemerkt, dass wir es begrüßen,<br />

wenn GATWU - Mitglieder eigene Rezensionen<br />

einreichen (möglichst den Text unformatiert und mit<br />

WORD erstellt oder als *.txt bzw. als *rtf.-Datei an<br />

die E-Mail-Adresse „w.wulfers@gmx.de“) oder uns<br />

Hinweise auf rezensionswürdige Publikationen geben<br />

könnten. Dieses bezieht sich ausdrücklich auch<br />

auf die so genannten „Grauen Materialien“, die z. B.<br />

nur in kleiner Auflage oder sogar teilweise kostenlos<br />

vertrieben werden.<br />

Stefan Schraner (Hg.):<br />

start up power. Junge Menschen gründen Unternehmen<br />

Leverkusen: Verlag Barbara Budrich 2010. 130 Seiten. ISBN 978-3-86649-439-8.<br />

Bin ich zum Unternehmertum geeignet? Übernehme ich gern Verantwortung?<br />

Worauf muss ich achten? Wo finden junge Menschen Antworten auf diese und<br />

ähnliche Fragen? Der Unternehmer Stefan Schraner hat in „Start up Power“<br />

notwendige Informationen zusammengetragen. Auch wichtig für Lehrkräfte,<br />

die z.B. in der Schule eine Schülerfirma initiieren oder für Eltern, die ihre Kinder<br />

unterstützen möchten.<br />

Anja Krahn:<br />

Geld. Problem oder Lösung?<br />

Themenheft Wochenschau. 63 (<strong>2012</strong>) 1. Schwalbach: Wochenschau Verlag <strong>2012</strong>. 36 Seiten. DIN A4. ISBN 978-3-<br />

89974785-0.<br />

Finanzielle Allgemeinbildung: Die Frage nach der Bedeutung des Geldes und<br />

dem rationalen Umgang mit diesem ist allgegenwärtig. Doch warum gibt es<br />

Geld überhaupt und wie gehe ich richtig damit um? Was bedeutet eigentlich<br />

Inflation? Sind Kredite nützlich oder gefährlich? Welche Risiken birgt die Zukunft<br />

und wer sichert mich ab? Diese Fragen können die SchülerInnen mithilfe<br />

des Heftes in handlungsorientierter Form diskutieren. Darüber hinaus ist in dem<br />

Heft ein Unterrichtsvorhaben enthalten, das einen kompetenzorientierten Unterricht<br />

ermöglicht.<br />

69<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Brockhaus perspektiv (Red.):<br />

Not für die Welt<br />

Gütersloh: wissenmedia Verlag <strong>2012</strong>. 320 Seiten. Gebunden. ISBN 978-3-577-07771-2.<br />

Die weltweite Ernährungssituation zeigt extreme Gegensätze auf. Noch nie<br />

wurde so viel Nahrung erzeugt, noch nie wurden so viele Lebensmittel weggeworfen.<br />

Millionen Menschen hungern, gleichzeitig leiden Millionen an<br />

Übergewicht und ernährungsbedingten Krankheiten. In diesem Buch wird dieses<br />

brisante Thema von namhaften Wissenschaftlern, Publizisten und Politikern<br />

in den verschiedensten Aspekten diskutiert und mit zusammenfassenden Infos<br />

und zahlreichen Abbildungen sehr hautnahe und überzeugend verdeutlicht.<br />

Jürgen Roth:<br />

Gazprom - das unheimliche Imperium. Wie wir Verbraucher betrogen<br />

und Staaten erpresst werden<br />

Frankfurt: Westend in der Piper Verlag GmbH <strong>2012</strong>. 317 Seiten. Gebunden. ISBN 978-3-86489-000-0.<br />

National wie international ist der Name „Gazprom“ mit Korruption, Erpressung,<br />

Geldwäsche und Kapitalsteuerflucht verbunden. Kein anderes Unternehmen<br />

hat weltweit so viel Macht und Einfluss - auch dank gewisser „Freunde“<br />

des mächtigsten Mannes Russlands, Wladimir Putin. Doch wer sind die<br />

Drahtzieher bei Gazprom, und welche Verbindungen haben sie nach Europa<br />

und Deutschland? Jürgen Roth deckt die Verbindungen auf, denn er hat Insider<br />

getroffen, die erstmals bereit sind, über die Machenschaften des Imperiums auszupacken.<br />

Das stört jedoch anscheinend weder Geschäftspartner noch Regierungen,<br />

schließlich kann das Imperium uns alle erpressen: Denn wer nicht spurt,<br />

dem wird der Gashahn zugedreht.<br />

Tomke König:<br />

Familie heißt Arbeit teilen<br />

Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft <strong>2012</strong>. 238 Seiten. 29 €. ISBN 978-3-86764-355-9.<br />

Das Ideal der bürgerlichen Familie ist, dass die Frau sich unbezahlt und unsichtbar<br />

um Kinder und Hausarbeit kümmert, während der Mann das Geld verdient.<br />

Aus soziologischer Perspektive untersucht die Autorin, was nun passiert, wenn<br />

dieses Ideal nicht länger akzeptiert wird und Paare zu einem Arrangement der<br />

Teilung von Erwerbs-, Haus- und Fürsorgearbeit kommen, weil sie nicht mehr<br />

von geschlechtlicher Arbeitsteilung ausgehen. In Beschreibungen von gleichund<br />

gegengeschlechtlichen Paaren unterschiedlicher sozialer Milieus, die mit<br />

kleinen Kindern zusammen in einem Haushalt leben, werden neue Logiken<br />

und Rationalitäten alltäglicher Praxis sichtbar. In diesen Selbstverständlichkeiten<br />

und Normalitäten zeichnen sich Transformationen der symbolischen Geschlechterordnung<br />

ab.<br />

70<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Laura Bieger, Annika Reich und Susanne Rohr (Hg.):<br />

Mode<br />

Paderborn: Wilhelm Fink Verlag <strong>2012</strong>. 230 Seiten. ISBN 978-3-7705-5322-8.<br />

Wer kennt es nicht? Man steht vor dem übervollen Kleiderschrank und hat trotzdem<br />

das Gefühl, nichts anzuziehen zu haben. Die Autorinnen nehmen dieses<br />

Problem nicht bloß ernst, sondern zeigen uns seine kulturwissenschaftliche<br />

Dringlichkeit, denn entgegen ihres schlechten Rufs führt uns die Mode nicht an<br />

die Oberfläche unserer Kultur, sondern an ihre Grundfesten: zur gemeinsamen<br />

Schmiede unserer Begehren, zur rückhaltlosen Verschränkung von Massenkonsum,<br />

Identitäts- und Körperproduktion, zum modernen Diktat des Immerneuen<br />

und seinen Herausforderungen an unser Selbsterleben, zur Einverleibung des<br />

Politischen in das Ästhetische.<br />

Marta Rodrígues Hidalgo und Gabriel Martin Roig:<br />

Modeaccessoires. Das Handbuch für eigene Entwürfe.<br />

Bern: Haupt Verlag <strong>2012</strong>. 192 Seiten. 23 x 29 cm. Gebunden. ISBN 978-3-258-60039-0.<br />

Das einzige Beständige in der Welt der Mode ist der stetige Wandel. Doch auch<br />

wenn sich neue Stile und neue Trends fortwährend ablösen, ist das Accessoire<br />

im Lauf der Zeit von einem rein funktionalen Objekt zu einem ästhetischen Ausdrucksmittel<br />

avanciert. Dieses Buch vermittelt die Grundlagen für das Entwerfen<br />

von Accessoires. Den fünf Hauptaccessoires Schuh, Hut, Tasche, Schmuck<br />

und Zubehör ist jeweils ein Kapitel gewidmet, in welchem auf die Geschichte<br />

des jeweiligen Accessoires eingegangen wird und das Erforschen von Trends<br />

sowie Formen, Farben und Materialien erläutert werden. Der Fokus liegt dann<br />

jeweils auf der Darstellung des kompletten Entwurfsprozesses, von der ersten<br />

Idee über Zeichnungen zum 3-D-Design. Auch die Produktionsmethoden und<br />

die Werkzeuge werden beschrieben.<br />

Günter Ratschinski und Ariane Steuber (Hg.):<br />

Ausbildungsreife<br />

Wiesbaden: VS Verlag Springer Fachmedien <strong>2012</strong>. 366 Seiten. ISBN 978-3-531-18274-2.<br />

„Ausbildungsreife“ ist zum zentralen Lenkungsbegriff für die Eingliederung<br />

Jugendlicher in das deutsche Ausbildungs- und Berufssystem geworden. Er dient<br />

der Arbeitsverwaltung zur Auswahl vermittlungsfähiger Bewerber und für<br />

Berufsvorbereitungsmaßnahmen als pädagogische Zielgröße. In diesem Band<br />

wird das Konzept „Ausbildungsreife“ aus verschiedenen Perspektiven betrachtet,<br />

theoretisch erörtert, in seiner Anwendbarkeit überprüft und auf Praktikabilität<br />

hin untersucht.<br />

71<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Duden-Ratgeber:<br />

Handbuch Bewerbung. Bewerbungen optimal vorbereiten und<br />

durchführen<br />

Mannheim: Duden Verlag im Bibliographischen Institut <strong>2012</strong>. 608 Seiten mit CD-ROM. ISBN 978-3-411-75061-0.<br />

Wer schon einmal nach einer neuen Stelle gesucht hat, kennt die Situation:<br />

Sich erfolgreich zu bewerben ist komplex und langwierig. Hilfreich ist dieser<br />

Ratgeber, der schnell, aktuell und umfassend weiterhilft. Die zwei großen<br />

Themenblöcke drehen sich um die schriftliche Bewerbung und um das persönliche<br />

Überzeugen. Detailliert erklärt der Ratgeber: Wie findet man die passende<br />

Stelle für sein Profil und stellt seine Eignung schriftlich klar dar? Wie stellt man<br />

Bewerbungsunterlagen zusammen? Wie bereitet man sich auf die immer öfter<br />

eingesetzten Telefoninterviews vor oder auf Vorstellungsgespräche? Zahlreiche<br />

Fallbeispiele, Muster und Checklisten dienen als Arbeitshilfe. Die CD-ROM<br />

enthält einen Bewerbungstrainer.<br />

Duden-Ratgeber:<br />

Die richtige Berufswahl. Die persönlichen Potenziale ermitteln und den<br />

Weg zum Traumberuf finden<br />

Mannheim: Duden Verlag im Bibliographischen Institut <strong>2012</strong>. 224 Seiten. ISBN 978-3-411-75041-2.<br />

Wer den Zufall entscheiden lässt, wird nur schwer in seinem „Traumjob“ landen.<br />

Dieser Duden-Ratgeber ist für alle Schulabgänger gedacht, die in ihrem anvisierten<br />

Beruf starten wollen. Ob Ausbildung oder Studium, ob Ärztin, Erzieher<br />

oder Pilot, das Buch hilft, aus der Vielfalt der Berufe den einen auszuwählen, der<br />

zu den eigenen Neigungen und Fähigkeiten passt. Und es zeigt, wie man seine<br />

Wahl in die Tat umsetzt: Das Buch erklärt, was es mit den Berufsbezeichnungen<br />

auf sich hat, wie man eine Stellenanzeige liest oder welche Ausbildungswege<br />

am besten geeignet sind, den Berufswunsch Wirklichkeit werden zu lassen.<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.):<br />

fluter-Magazin: Thema Arbeit<br />

Nr. 36 vom Herbst 2010. 50 Seiten. Kostenloser Bezug der fluter-Magazine über die bpb, Adenauerallee 86, 53113<br />

Bonn. Kostenfreier Download spezieller Magazine als PDF-Datei über die Rubrik „Heft Archiv“ unter „http://www.<br />

fluter.de/de/113/heft/“<br />

Das Thema Arbeit wird immer noch dominiert von den Rollenmodellen und Erfahrungen<br />

der großen Industrie: fixes, geordnetes Anwendungswissen, „männliche“<br />

Disziplin, Einordnung in den zugewiesenen Platz innerhalb der Kette<br />

der Arbeitsteilung, steter Aufstieg durch Akkumulation von Erfahrung, dazu die<br />

Faszination der großen Zahl, der einheitlichen Standards, der Massenware. All<br />

das gibt es nach wie vor … Kehrt man den Blick davon ab, kommen beim Thema<br />

Arbeit noch ganz andere Perspektiven hinzu: die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft,<br />

die fortschreitende globale Arbeitsteilung und gerade in<br />

Europa der demographische Wandel. Die Welt der Arbeit ist heute von einer<br />

ungeheuren Vielfalt, ja Disparität gekennzeichnet.“ In diesem Heft werden die<br />

vielfältigen Aspekte der „Arbeit“ vorgestellt und problematisiert.<br />

72<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Kurzhinweise auf Unterrichtsmaterialien<br />

Auch mit den Kurzhinweisen auf interessante Unterrichtsmaterialien<br />

und wichtige Internetadressen<br />

werden wir die Tradition aus dem GATWU-Forum<br />

fortsetzen. Verantwortlich hierfür zeichnet sich Wilfried<br />

Wulfers. Wer immer bei Recherchen auf Materialien<br />

trifft, die für die Unterrichtenden im Lernfeld<br />

der Arbeitslehre vom Nutzen sein können, ist aufgerufen,<br />

selbst einen Hinweis zu schreiben und diesen<br />

an die Redaktion (z. Hd. von Wilfried Wulfers, E-<br />

Mail: w.wulfers@gmx.de) zu übermitteln oder der<br />

Redaktion ein Exemplar, die Bezugsquelle oder Internetadresse<br />

zukommen zu lassen.<br />

Wohn- und Lebenswelten von der Industrialisierung<br />

bis heute<br />

Die Industrielle Revolution führte dazu, dass sich<br />

die Wohnverhältnisse der Menschen grundlegend<br />

änderten: Wohn- und Arbeitsplatz wurden voneinander<br />

getrennt, das Leben und Arbeiten „unter einem<br />

Dach“ ging verloren. Und wie sieht es heute mit dem<br />

Platz zum Leben und Wohnen für Bürger aus? Dies<br />

ist Thema des neuen Infoblatts „Sozialgeschichte“,<br />

das die Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit<br />

mit dem Bundesministerium für Arbeit und<br />

Soziales entwickelt hat. Auf zwei Seiten wird die<br />

Entwicklung der Wohnsituation vom 19. Jahrhundert<br />

bis heute thematisiert und methodisch gezielt<br />

aufbereitet. Die Schüler erhalten einen Einblick in<br />

frühere Wohnverhältnisse. Sie beschäftigen sich mit<br />

den katastrophalen Wohnbedingungen der Arbeiterklasse<br />

und lernen die Bedeutung der „Wohnzinssteuer“<br />

für die Bekämpfung von Wohnungsnot kennen.<br />

Die Infoblätter dienen als Wegweiser durch die<br />

Ausstellung „In die Zukunft gedacht - Bilder und<br />

Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“. Sie<br />

können jedoch auch unabhängig von einem Ausstellungsbesuch<br />

im Schulunterricht eingesetzt werden.<br />

Im Materialteil des Infoblatts wird ein Teilaspekt<br />

der Deutschen Sozialgeschichte durch kurze Autorentexte<br />

inhaltlich aufbereitet. Das Infoblatt „Wohnund<br />

Lebenswelten von der Industrialisierung bis<br />

heute“ kann bei der nachfolgend aufgeführten Internetadresse<br />

als PDF-Datei kostenlos heruntergeladen<br />

werden:<br />

3 http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/<br />

a214-infoblatt-sozialgeschichte.html<br />

Fair kaufen! Lernaufgabe<br />

Fair-Trade-Produkte sind teurer als konventionell<br />

gehandelte Waren, deshalb werden sie von Jugendlichen<br />

in der Regel nur selten gekauft. Dies liegt zum<br />

einen daran, dass Jugendliche über weniger Kaufkraft<br />

verfügen als Erwachsene, und zum anderen<br />

Sie könnten mal<br />

einen Tipp für<br />

Unterrichtsideen<br />

gebrauchen?<br />

Dafür haben wir<br />

einen Scout namens<br />

Wilfried Wulfers<br />

daran, dass Heranwachsende stärker als Erwachsene<br />

das Ziel von Markenwerbung sind. Mit Jugendlichen<br />

darüber zu reden, was sie kaufen, bedeutet aufzuzeigen,<br />

dass sie sich in ihren Kaufentscheidungen<br />

vorrangig am Preis und am Markenlogo orientieren.<br />

Es gilt, ihnen bewusst zu machen, dass sich hinter<br />

dem Preis und dem Markenlogo Produktionsbedingungen<br />

und Handelsstrukturen verbergen, die die<br />

Welt ärmer, schmutziger und ungerechter machen.<br />

In dieser Unterrichtseinheit versuchen Schülerinnen<br />

und Schüler herauszufinden, wie Gleichaltrige zum<br />

Kauf fair gehandelter Produkte motiviert werden<br />

können. In Gruppenarbeit erstellen die Lernenden<br />

Werbeprospekt-Seiten für verschiedene fair gehandelte<br />

Produkte, die in einem fiktiven Schulkiosk<br />

verkauft werden sollen, somit gründen sie einen<br />

„fairen Schulkiosk“ und werben gezielt für die Produkte.<br />

Weitere Hinweise unter der Internetadresse:<br />

3 http://www.lehrer-online.de/955832.php<br />

Digitale Medien im Schulalltag<br />

Lernplattformen, automatische Notenrechner und<br />

Medien zur digitalen Unterrichtsvorbereitung sorgen<br />

für Zeitersparnis und Arbeitserleichterung;<br />

Blogs, Wikis, Rätsel, Puzzle und Co. begeistern fast<br />

immer die Schüler. Wie wäre es mit einem Leinwandgespräch,<br />

bei dem sich die Lehrkraft mit einer<br />

Person auf der Leinwand unterhält? Oder vielleicht<br />

sind SchülerInnen von der Idee beigeistert, Lerninhalte<br />

per Film oder Hörbuch aufzubereiten? Dass<br />

sich digitale Medien als innovative und erleichternde<br />

Unterstützung für die eigene Unterrichtstätigkeit<br />

erweisen können, zeigt eine gerade erschienene Ide-<br />

73<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


ensammlung unter dem Titel „66 praktische Ideen<br />

für Selbstorganisation und Unterricht“. Erarbeitet<br />

haben diese Sina Müller und Yasmin Serth. Sie umfasst<br />

152 Seiten und ist im Verlag an der Ruhr unter<br />

der ISDN-Nummer: 978-3-8346-0968-7 veröffentlicht.<br />

Arbeiten im Schulgarten<br />

Anregungen zur Nutzung des Lernortes Schulgarten<br />

für den Unterricht in verschiedenen Fächern<br />

bzw. Fächerverbünden gibt es in einer Broschüre<br />

des Landes Baden-Württemberg. In dem neuen<br />

Unterrichtsmaterial „Fächer verbindendes Arbeiten<br />

im Schulgarten“ werden Praxisbeispiele präsentiert,<br />

mit denen im schulischen Alltag nachhaltiges und<br />

verantwortungsbewusstes Handeln erlernt werden<br />

kann. Der Beitrag zum Thema Honig und Bienen<br />

zeigt z.B. wie es gelingt, den Schulgarten als Lernort<br />

über das ganze Jahr hinweg einzubinden. Hingewiesen<br />

sei an dieser Stelle nur darauf, dass bereits<br />

rund 40 Prozent aller Schulen in Baden-Württemberg<br />

über einen Schulgarten oder ein naturnahes<br />

Schulumfeld verfügen. Die Broschüre kann auf<br />

dieser Internetseite heruntergeladen oder in Schriftform<br />

kostenlos bestellt werden: 3 http://www.mlr.<br />

baden-wuerttemberg.de/content.pl?ARTIKEL_<br />

ID=10630&TEMPLATE=broschueren.html<br />

Demografischer Wandel<br />

Kollektive Alterung, Bevölkerungsschwund, niedrige<br />

Geburtenrate - der demografische Wandel<br />

bringt große Herausforderungen mit sich. Die Herausforderungen<br />

dieses Wandels zu meistern und<br />

seine Chancen sinnvoll zu nutzen, sind wichtige<br />

Aufgaben für das zukünftige Zusammenleben der<br />

Menschen bei uns. Das Schulportal „Sozialpolitik“<br />

bietet mit dem aktuellen Thema Demografischer<br />

Wandel eine umfassende Einführung in die Problematik,<br />

nicht zuletzt vor dem Hintergrund der <strong>2012</strong><br />

erlassenen Demografiestrategie der Bundesregierung,<br />

und wirft einen Blick auf die nationalen und<br />

internationalen Perspektiven, die sich für die Arbeitswelt<br />

und die Gesellschaft daraus ergeben. Die<br />

kostenlos zu beziehenden Arbeitsblätter zum Thema<br />

geben Schülern die Gelegenheit, das Konzept<br />

des Generationenvertrags kennenzulernen und zu<br />

überlegen, welche Probleme und Perspektiven der<br />

demografische Wandel für dieses Konzept mit sich<br />

bringt. Das dazugehörige Schaubild stellt die prognostizierte<br />

Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr<br />

2060 dar und beschäftigt sich mit der Rolle älterer<br />

Menschen in der Gesellschaft. Hintergrundinformationen,<br />

methodisch-didaktische Hinweise und Linkund<br />

Lesetipps zur weiteren Lektüre vervollständigen<br />

das Angebot. Weitere Hinweise unter 3 http://<br />

www.sozialpolitik.com/files/64/AB_Wandel_Gesellschaft.pdf<br />

Verhältnis von Markt und Staat<br />

Die zunehmende Macht globaler Konzerne und alles<br />

beherrschender Kapitalmärkte scheint die Macht<br />

nationaler Regierungen zu untergraben und stellt<br />

das Primat der Politik über die Wirtschaft in Frage.<br />

In dieser Unterrichtseinheit gehen die Schüler<br />

folgenden Kernfragen nach: Wann kommt es zum<br />

Marktversagen und wie kann der Staat darauf reagieren?<br />

Sollte ein Staat nicht vielmehr weitsichtig<br />

regieren anstatt nur kurzfristig zu reagieren? Sind<br />

Staaten angesichts des Machtzuwachses wirtschaftlicher<br />

Akteure überhaupt noch regierbar? Im Anschluss<br />

wird das in einer Volkswirtschaft immer neu<br />

zu verhandelnde Verhältnis von Markt und Staat<br />

thematisiert. Grundlagen der Thematik werden beschrieben<br />

und Begriffe wie „Staat“, „Öffentliche<br />

Güter“ oder „externe Effekte“ vorgestellt. Nähere<br />

Hinweise zur Unterrichtseinheit auf der Internetseite<br />

3 http://www.lehrer-online.de/markt-und-staat.<br />

php?sid=43297560428454342134582448247730<br />

Berufsorientierung in der Schule<br />

Das aktuelle Lehrerheft und Schülerarbeitsheft von<br />

planet-beruf.de der Bundesagentur für Arbeit (BA)<br />

ist erschienen. Enthalten sind neue Unterrichtsmaterialien,<br />

Arbeitsblätter und vielen weitere Informationen.<br />

Hiermit unterstützt die BA Lehrkräfte<br />

und Jugendliche der Sekundarstufe I in Sachen<br />

Unterricht und Berufsorientierung. Die „Ausgabe<br />

<strong>2012</strong>/2013“ informiert über konkrete Einsatzmöglichkeiten<br />

der planet-beruf.de-Medien in der schulischen<br />

Praxis. Zudem liefern neue Unterrichtsideen<br />

Anregungen für einen individualisierenden Berufswahlunterricht.<br />

Die Themen der Unterrichtsideen<br />

reichen von der eigenen Stärkenerkundung über die<br />

Vorbereitung auf das Praktikum bis hin zur schriftlichen<br />

Bewerbung und Auswahltests. Zusätzlich<br />

wird die neue interaktive Plattform „we are planet!“<br />

vorgestellt. Dabei ist „Mitmachen“ ausdrücklich<br />

erwünscht. Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte<br />

können kreativ über ihre Erfahrungen und Aktionen<br />

rund um die Berufswahl berichten. Ergänzend zum<br />

Lehrerheft hilft das Schülerarbeitsheft „Schritt für<br />

Schritt zur Berufswahl“ zielgruppengerecht bei der<br />

Erarbeitung der Berufswahlschritte. In Form von<br />

Übungsaufgaben, Checklisten und Texten erhalten<br />

die Schüler zahlreiche Infos, die sie für eine erfolgreiche<br />

Berufsorientierungs- und Bewerbungsphase<br />

benötigen. Auf dieser Internetseite gibt es die aktuelle<br />

Heftübersicht: 3 http://www.planet-beruf.de/He<br />

ftuebersicht.918.0.html?&MP=918-1348&type=17<br />

74<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Wichtige Texte aus der Geschichte der Arbeitslehre<br />

Ulrich Johannes Kledzik<br />

Erinnerungen dürfen nicht an die Stelle der Hoffnung treten.<br />

Eine Besinnung auf die Wurzeln der Arbeitslehre für die heute Handelnden.<br />

Auf dieser Seite des<br />

Forum Arbeitslehre gibt<br />

Prof. Kledzik Hinweise<br />

auf lesenswerte Texte,<br />

die zum Quellenstudium<br />

anregen, die bei<br />

Examina und aktuellen<br />

Debatten hilfreich sein<br />

können.<br />

Zahlreichen Unterrichtsbeispielen aus der frühen<br />

Praxis dieses Lernfeldes stellten Georg Groth und<br />

Ulrich J. Kledzik eine tabellarische gefasste prägnante<br />

Darlegung der damaligen Denkansätze und<br />

der daraus resultierenden Zielvorstellungen voran.<br />

Auffällig sind die z. T überscharf akzentuierten Positionen.<br />

Sie sind heute eine Erinnerung an lebendige<br />

und auch nicht selten erbittert geführte Grundsatzauseinandersetzungen,<br />

die noch nicht allein auf<br />

Berufsorientierung und Berufwahlverfahren eingeschränkt<br />

waren.<br />

Es ist mir auch diesem Anlass eine Freude, dem<br />

Kollegen Prof. Dr. Georg GROTH, der 1970 zum<br />

ersten ordentlichen Professor für Arbeitslehre in<br />

der Bundesrepublik an die Pädagogische Hochschule<br />

Berlin berufen und 2007 aus unserem Institut<br />

emeritiert wurde, zum 75. Geburtstag am 28. Juni<br />

<strong>2012</strong> herzlich zu gratulieren.<br />

Im Herbst d.J. werden wir uns im Institut zu einem<br />

narrativen Symposium treffen und dabei Erinnerungen<br />

und Interpretationen unseres Faches wachrufen<br />

, die sicher selektiv sind, aber gerade deshalb interessant<br />

die Lebensverbundenheit mit den aktuellen<br />

Zuständen der Zeit (Paul Heimann) erkennbar lassen<br />

werden.<br />

Ansätze<br />

Ausgehend von den Vorstellungen des Deutschen<br />

Ausschusses entwickelten sich in den 60er und 70er<br />

Jahren in der Bundesrepublik verschiedene Ansätze,<br />

den Berufsbezug der Arbeitslehre durch Praxis in<br />

der Schule, die Vorbereitung auf eine von den Wissenschaftlichen<br />

beeinflusste Industriegesellschaft<br />

und eine gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe<br />

herzustellen. Eine lebendige und teilweise auch<br />

erbittert geführte Debatte entwickelte sich über<br />

Grundfragen der Zielsetzung, Organisation und<br />

Methode eines solchen Unterrichts. Die Beteiligten<br />

lernten in und aus der Diskussion, akzentuierten<br />

ANSÄTZE zu einer ARBEITSLEHRE in den<br />

60er und 70er Jahren<br />

In der Reihe Praxis und Theorie des Unterrichtens<br />

verlegte der Beltz-Verlag, Weinheim-Basel<br />

in seiner Grünen Reihe im Jahre 1983, immerhin<br />

vor rund dreißig Jahren, den Band<br />

ARBEITSLEHRE 5 - 10<br />

ISBN 3-467-26025-3 Peter Lang Verlag. 2007<br />

75<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


ihre Positionen teilweise überscharf, um Abgrenzungen<br />

zu verdeutlichen. Insofern ist eine synoptische<br />

Aufführung (vgl. Tabelle 1) nur eingeschränkt gültig,<br />

zumal der Verlauf der Argumentation nicht vermittelt<br />

wird. Sie wird trotzdem hier gewagt, um aufzuzeigen,<br />

auf welchen Ansätzen eine zu Beginn der 80er Jahre<br />

erkennbare Vereinheitlichung beruht, welche Wege<br />

bereits abgeschritten wurden, um die Einführung der<br />

Arbeitslehre, die Ausbildung von Lehrern und die<br />

fachgerechte Ausstattung der Schulen abgesichert<br />

vorzubereiten.<br />

Die nachfolgende Tabelle bezeichnet die Charakteristika<br />

der verschiedenen Positionen nur stichwortartig,<br />

weil beim heutigen Stand der Entwicklung diese Ansätze<br />

und Anregungen zum großen Teil ihre Funktion<br />

bereits erfüllt haben, in der Regel in mehrperspektivischen<br />

Entwürfen aufgegangen sind und die Praxis der<br />

Schule bereits vielfältig darüber hinausgewachsen ist.<br />

Der Ansatz des polytechnischen Unterrichts in der<br />

DDR ist hier nicht besonders aufgenommen worden,<br />

obwohl er in unterschiedlicher Weise die eine oder<br />

andere der skizzierten Positionen beeinflusst hat.<br />

Die Übertragung dieser Ansätze auf Rahmenpläne<br />

und damit die Verwirklichung der Vorstellungen in<br />

der Schulpraxis wurde durch die Vielfalt der Vorschläge<br />

eher gehindert. Andererseits trug der erste<br />

Vollzug wesentlich zur Modifikation, Überprüfung<br />

und Korrektur der Vorstellung bei. Die inhaltlichen<br />

Planungen gingen zunehmend einheitlich von der<br />

Auffassung aus, das sich die Lebensführung in einer<br />

schnell wandelnden pluralistischen Industriegesellschaft<br />

nicht allein aus der Tradition ergeben kann,<br />

dass jede Schule mit der Aufgabe konfrontiert wird,<br />

auf das gesellschaftliche Handeln in drei aufeinander<br />

bezogenen Komplexen vorzubereiten:<br />

Arbeitswelt – individuelle berufliche Tätigkeit –<br />

Berufswahl<br />

Freizeitwelt – geistige Kultur – Konsumententätigkeit<br />

Politisches Leben – mitmenschliche Kommunikation<br />

– individuelle Verantwortung (Heimann/<br />

Kledzik 1967)<br />

Die Arbeitslehre zielt schwerpunktmäßig auf den<br />

erstgenannten Handlungskomplex, wurde speziell<br />

als Antwort auf das Problem der Hinführung zur<br />

Arbeitswelt zuerst in der Hauptschule entwickelt<br />

und mit der Ausweitung der Gesamtschulen auch<br />

dort als Pflicht- und Wahlpflichtfach angeboten.<br />

Sie war und ist die erste Antwort auf die Fragen<br />

und Ansprüche, die von Arbeitgeber- und Arbeitsnehmerorganisationen<br />

ständig dringlicher an die<br />

Schule gestellt werden (BDA; DGB 1977):<br />

• Hinführung der Schüler zur Wirtschafts- und<br />

Arbeitswelt als sozial-ökonomische Grundbildung<br />

• Verständnisanbahnung für wechselseitige<br />

Abhängigkeiten zwischen Technik, Ökonomie<br />

und Politik<br />

• Einführung in Verfahren der Planung und<br />

Bewertung und Bewertung von Berufsarbeit<br />

und Haushaltsführung<br />

• Vermittlung von Umgangserfahrungen aus<br />

Arbeitsprozessen<br />

• Vorbereitung der Berufswahl und Forderung<br />

der Berufswahlreife<br />

Die sogenannten Abnehmer der Schule kennzeichnen<br />

damit Sachverhalte, die sich aus dem technologischen,<br />

wirtschaftlichen, beruflichen und politischen<br />

Entwicklungsstand ergeben und durch<br />

die traditionellen Schulfächer – so sehr auch dort<br />

Umgestaltungen vorgenommen wurden – nicht in<br />

dem erforderlichen Umfang berücksichtigt werden.<br />

Mit der Ergänzung des herkömmlichen Fächerkanons<br />

durch sozial-ökonomisch-technische<br />

Informationen, also durch aufeinander bezogenen<br />

Themenfelder wie Betrieb und Haushalt, Wirtschaft<br />

und Technik, Beruf und Freizeit, Produktion<br />

und Konsum, soll die Schule auf Sachverhalte der<br />

Wirklichkeit des Lebens reagieren, die heute zur<br />

Grundbildung eines jeden Jugendlichen gehören<br />

müssen. Bleibt es bei Abstinenz von Realschulen<br />

und Gymnasien in dieser schul- und gesellschaftspolitisch<br />

wichtigen Frage, dann wäre Arbeitslehre<br />

die Spezialität nur einer Schülergruppe und Realschüler<br />

und Gymnasiasten würden ohne diese<br />

spezielle Hinführung auf Beruf und Arbeit aus<br />

der Schule entlassen. Die Berücksichtigung einer<br />

Arbeitslehre verbindet Schule mit dem Leben. Arbeitslehre<br />

ist die Chance der allgemeinbildenden<br />

Sekundarschulen, Hilfe zur informierten Selbstbestimmung<br />

im Hinblick auf die Arbeitswelt zu<br />

bieten.<br />

76<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Positionen<br />

Schwerpunkte der<br />

Zielvorstellungen<br />

Begründende Vertreter<br />

Verwirklichung<br />

Deutsche Ausschuss Vorbereitung auf die Arbeitswelt Motivation durch Praxis<br />

„Kopf, Herz und Hand“<br />

Berufspädagogischer Ansatz, Jungarbeiter Elementare Berechnungen, Strukturierung<br />

Arbeitsaufträge handwerk-<br />

– Günter Wiemann<br />

von Arbeit, Zeichnungen licher Art - Produktion<br />

Werkpädagogischer Ansatz<br />

Herstellung nach Vorlage<br />

Otto Mehrgardt<br />

- Werkaufgabe<br />

Technikunterricht - Bodo Wessels,<br />

Befähigung zur Nutzung und Mitgestaltung<br />

Einsicht in Funktionsprin-<br />

Hartmut Sellin, Heinz-J. Stührmann<br />

von Technik<br />

zipien von Technik; Auswir-<br />

Wolf-E. Traebert<br />

kung auf die Menschen<br />

Hinführung zur Arbeits- u. Wirtschaftswelt<br />

in NRW - Dortmunder Bildungspläne<br />

1965/67<br />

Klaus Schneidewind<br />

Vorbereitung auf die Arbeits- und<br />

Wirtschaftswelt<br />

Kanon von Funktionsmodellen,<br />

Betriebs-(Aspekt-)<br />

erkundungen und Vorhaben<br />

Betonung der Eigentätigkeit<br />

Gesellschaftsbezug<br />

Hinführung auf gesellschaftliche<br />

und kulturelle Teilhabe<br />

Gesellschaftliche Nützlichkeit<br />

- Gemeinsinn<br />

ästhetische Erziehung<br />

Mehrdimensionalität von<br />

Technik; Verflechtung mit<br />

Wirtschaft und Gesellschaft<br />

Revision der Allgemeinbildung<br />

Grundsätze, Richtlinien, Lehrpläne für die<br />

Hauptschule in Nordrhein-Westfalen, 1968<br />

Klafki- Kommission: Klafki, Schneidewind,<br />

Stratmann - Wirtschaftslehre-Lehrplan<br />

Hermann Schmidt<br />

Volkswirtschaftliche Grundbegriffe<br />

– Definition im Rahmen einfacher<br />

Entwicklungsmodelle<br />

Lehrgänge in Verbindung<br />

mit Erkundungen, die als<br />

Klammer zu den anderen<br />

Bereichen (Techn. Werken<br />

und Hauswirtschaft) dienen<br />

sollen<br />

Soziale Marktwirtschaft<br />

Technisches Werken<br />

H. Sturm<br />

Hauswirtschaft<br />

G. Rehermann<br />

Technische Grundbildung,<br />

Nacherfinden<br />

Rationale u. soziale Gestaltung des<br />

Wirtschaftens im Haushalt<br />

Lehrgänge, Funktionsmodelle,<br />

Erkundungen (als<br />

Klammer zu den anderen<br />

Bereichen) Eigenproduktion<br />

in Lehrgangsform, Erkundungsaufträge<br />

Technikgeschichte, Verbrauchergesichtspunkte<br />

Funktion der Haushalte als<br />

Marktpartner<br />

Hauswirtschaftslehre - Brigitte Busse<br />

Ilse Kluger<br />

Arbeitslehre als Fach, Berliner Konzeption<br />

- Herwig Blankertz, Georg Groth, Peter<br />

Werner, Ulrich Kledzik, Günter Reuel<br />

Polytechnik/Arbeitslehre Hessen - Friedrich<br />

Roth, Klaus Jahn, Georg Rutz<br />

Unterrichtsbereich Arbeit – Wirtschaft –<br />

Technik (Arbeitslehre) in Baden–Württemberg<br />

- Julius Wöppel<br />

Marxistische Arbeitslehre<br />

-Schönfeld<br />

Wirtschaftswissenschaftliches<br />

und ernährungswissenschaftliche<br />

Probleme des Konsumenten<br />

Planung des Verbraucherverhaltens,<br />

der Erwerbstätigkeit nach technischen,<br />

ökonomischen, politischen<br />

Bedingungen – Interdependenz<br />

Auseinandersetzung mit den<br />

Problemen in der Arbeitswelt unter<br />

technischen, ökonomischen und<br />

soziökonomischen Aspekten im<br />

projektorientierten Unterricht<br />

Verdeutlichung der Zusammenhänge<br />

zwischen technischen, wirtschaftlichen<br />

und sozialen Entwicklungen<br />

Gesetze der Produktionssysteme,<br />

Grundbegriffe marxistischer Wirtschaftstheorie<br />

Eigenproduktion des Haushalts<br />

– Produktions- und<br />

Planungstechniken<br />

Stufengang (Eigenproduktion<br />

– Arbeit für Auftraggeber<br />

– Zusammenhang von<br />

Konsum und Produktion<br />

im projektorientierten<br />

Unterricht)<br />

Klärung von Real-Situationen<br />

der Arbeitswelt,<br />

Interpretation von existentiellen<br />

Problemstellungen<br />

mit sozioökonomischen<br />

Reflexionen, praktischer<br />

Arbeit der Schüler und<br />

Betriebspraktika<br />

Verbund der Fächer Technik,<br />

Hauswirtschaft/Textiles<br />

Werken, Gesellschaftskunde/<br />

Wirtschaftslehre<br />

Rolle der Frau – Partnerschaft<br />

im Haushalt, Beruf, Freizeit<br />

Vorbereitung auf Mitbestimmung<br />

im Haushalt und in der<br />

Arbeitswelt durch Analyse und<br />

Projekt<br />

Lebenshilfe und berufliche<br />

Kompetenz für das Leben des<br />

mündigen Wirtschaftsbürger<br />

in Beruf, Familie, Freizeit und<br />

Öffentlichkeit<br />

Orientierung in Berufsfeldern<br />

als Ansatz für einen praxisnahen<br />

Berufswahlunterricht,<br />

übergreifende Lehrplaneinheiten<br />

Geschichte als Abfolge von<br />

Klassenkämpfen<br />

77<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Aus der GATWU<br />

Detmar Grammel<br />

Die GATWU wird 35<br />

Manchmal ist es gut, von Zeit zu Zeit in seine Archive<br />

zu schauen und nachzulesen. Dabei ist mir<br />

das Heft 1, Jg. 1, der technica didactica – Zeitschrift<br />

für Didaktik der Technik und Arbeitslehre<br />

(Hrsg. W. Franzbecker und W. Hendricks) aus<br />

dem Jahr 1978 in die Hände gefallen. Der Bericht<br />

von Wilfried Hendricks führte mich zurück in jene<br />

grauen, nasskalten und nebelverhangenen Novembertage<br />

1977 in der Evangelischen Akademie in<br />

Hofgeismar, in der sich die damaligen Heroen der<br />

Arbeitslehre, der Technischen und der Ökonomischen<br />

Bildung versammelt hatten, unter ihnen einige<br />

wenige Lehrer und Studenten. Dass der Artikel<br />

den Eindruck einer harmonischen Gründungstagung<br />

vermittelt, ist verständlich, galt es doch,<br />

Brücken über die tiefen Gräben, die den Partikularinteressen<br />

der Akteure aus den unterschiedlichen<br />

Fachrichtungen geschuldet waren, zu schlagen.<br />

Wenn ich mich richtig erinnere, dann waren diese<br />

Tage durch äußerst scharf geführte Diskussionen,<br />

heftige Richtungskämpfe und Abreisedrohungen<br />

bestimmt. Am Ende stand immerhin ein für alle<br />

mehr oder weniger tragfähige Kompromiss – die<br />

„GATWU“. Das hörte sich so ein bisschen wie das<br />

altbekannte „Film und Bild im Unterricht“ an und<br />

für die Berliner Vertreter der Arbeitslehre war eigentlich<br />

die Reihung „Arbeit, Wirtschaft, Technik“<br />

durch die integrierte Arbeitslehre schon längst inhaltlich<br />

überholt. Die Zusammensetzung des ersten<br />

Vorstandes spiegelte den Wunsch nach Integration<br />

der Fachrichtungen und deren Akteure in diesen<br />

Feldern wieder.<br />

bröckelte der Rand ab, die GATWU regionalisierte<br />

sich, der Zusammenhalt ergab sich nur noch aus<br />

dem regelmäßig erscheinenden, von Wilfried Wulfers<br />

redigiertem GATWU-FORUM, in denen ein<br />

staunender Lehrer von Zeit zu Zeit von fabelhaften<br />

Kooperationsvereinbarungen der GATWU mit anderen<br />

schillernden Verbänden lesen konnte, ohne<br />

dass daraus je eine nachvollziehbare Rückkopplung<br />

für das einzelne Mitglied zu erkennen war.<br />

Ebenso erstaunlich fand ich manchmal das Vorhandensein<br />

einer professoralen Parallelwelt innerhalb<br />

der GATWU – Veranstaltungen, die nur wenigen<br />

universitären Mitgliedern offen standen.<br />

Die Landesverbände, die in der Folgezeit entstanden,<br />

sind aus vielerlei Gründen nicht mehr aktiv<br />

– die Ausnahme ist die „Gesellschaft für Arbeitslehre<br />

Berlin“, die auch die Mehrheit der Mitglieder<br />

in der GATWU stellt. Folgerichtig wurde im<br />

Jahr 2008 der bisherige Dualismus – GATWU-<br />

FORUM für alle Mitglieder der GATWU, das AR-<br />

BEITSLEHRE-JOURNAL für die Berliner Mitglieder<br />

– aufgegeben: Seit dem November 2008<br />

erscheint zweimal jährlich nur noch das „FORUM<br />

ARBEITSLEHRE“, das die wesentlichen Elemente<br />

der Vorgängerpublikationen fortführt. Das FO-<br />

RUM ARBEITSLEHRE ist die letzte verbliebene<br />

Publikation für den Lernbereich. Die technica didacta<br />

gibt es mittlerweile ebenso wenig wie „arbeiten<br />

+ lernen“ 1 .<br />

Trotz dieser heftigen Geburtswehen ist das Kind<br />

„GATWU“ über weite Strecken gediehen. Ich erinnere<br />

mich gerne an die großen, wirklich bundesweiten<br />

Tagungen der GATWU, bei denen ich über<br />

die Jahre hinweg immer wieder interessante Kolleginnen<br />

und Kollegen aus dem Bundesgebiet kennen<br />

lernen und wiedertreffen konnte. Irgendwann<br />

1<br />

„arbeiten + lernen“/ DIE ARBEITSLEHRE wurde herausgegeben vom<br />

Friedrich Verlag in Velber in Zusammenarbeit mit Klett und in Verbindung<br />

mit Klaus Schneidewind, Wolfgang Dathe, Wolf-Dietrich Greinert,<br />

Manfred Hoppe, Rainer Janisch, Hans Kaminski, Stephan Laske und Günter<br />

Wiemann.<br />

78<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Wie überall in der Schule macht sich auch in der<br />

GATWU das Generationenproblem bemerkbar –<br />

die Streiter der ersten Stunde gehen in den oder<br />

sind schon im Ruhestand, junge Lehrkräfte treten<br />

kaum neu in die Gesellschaft ein. Hier gilt es in der<br />

nahen Zukunft, dass wir uns intensiv um den Nachwuchs<br />

kümmern müssen, wenn unser Fachverband<br />

überleben und weiterhin Einfluss nehmen will.<br />

Hier nun der historische Gründungsbericht von<br />

WILFRIED HENDRICKS:<br />

Gründung der „Gesellschaft für Arbeit, Technik<br />

und Wirtschaft im Unterricht“ 2<br />

Die Meinung vieler Lehrer, Studenten und Dozenten<br />

der im Bereich Arbeitslehre koope rierenden<br />

oder zusammengeschlossenen Fächer, es müßte<br />

endlich eine Organisation zur bundesweiten Wahrnehmung<br />

ihrer Interessen geben, sollte schon beim<br />

Kongreß der (provisorischen) „Gesellschaft für<br />

Technik- und Arbeitslehredidaktik“ im März dieses<br />

Jahres in Hannover zur Tat werden. Jedoch gingen<br />

die Tagungsteilnehmer auseinander, ohne daß eine<br />

Verbandsgründung erfolgen konnte. Bei der Diskussion<br />

über Namens gebung und Dimensionierung<br />

des Verbandes zeigten sich schier unüberbrückbare<br />

gegen läufige Interessen. Die Maximalforderung<br />

sah eine Organisation für Technikunterricht, Arbeitslehre<br />

und Berufspädagogik vor und umfaßte<br />

alle Schulstufen und -arten. Die Befürworter einer<br />

Minimallösung plädierten für einen Verband, der<br />

sich auf den Technik unterricht in der Primarstufe<br />

2<br />

aus: technica didacta, Nr. 1, Jgg. 1, 1978. Hrsg. W. Franzbecker,<br />

W. Hendricks. Verlag Barbara Franzbecker. S. 57 f.<br />

und der Sekundarstufe I beschränkt. Dazwischen<br />

lagen diverse Positionen. Es zeugte von großer<br />

Besonnenheit auf allen Seiten - wann hatte es das<br />

zuletzt auf einem „Werkpädagogischen Kongreß“<br />

(so lautet der Name immer noch!) gegeben? - daß<br />

keine Seite die andere auszumanövrieren versuchte.<br />

Im Gegenteil war bei allen Diskussionsteilnehmern<br />

der ernste Wille vorhanden, organisatorische<br />

Lösungen zu finden, die einer möglichst<br />

großen Zahl von Interessenten eine Mitgliedschaft<br />

und Mit arbeit ermöglichen sollten. Um die Gefahr<br />

von Aufsplitterungen in Kleinorganisationen<br />

zu vermeiden, wurde die Gründungsversammlung<br />

vertagt. Der Planungsausschuß (iden tisch mit der<br />

den Kongreß ausrichtenden Gesellschaft) sollte bis<br />

zum Herbst erneut eine Tagung einberufen, die allein<br />

der Erarbeitung einer Satzung und damit der<br />

Gründung einer Gesellschaft dienen sollte.<br />

Im Vorfeld der Gründungsversammlung bemühten<br />

sich verschiedene Gruppierungen um die Ausarbeitung<br />

von Satzungsvorschlägen. Neben dem<br />

bereits für Hannover ausgearbei teten Entwurf<br />

des Planungsausschusses, der die Maximallösung<br />

vorsah, legten die Kolle gen Roth, Kaufmann und<br />

Steidle eine Konzeption für die Minimallösung<br />

„Gesellschaft für Technische Bildung“ vor. Ferner<br />

gab es drei Modifikationsvorschläge für den<br />

Entwurf des Planungsausschusses. Schließlich<br />

stellten die 21 Kollegen der drei Arbeitslehre-<br />

Wahlfächer an der Pädagogischen Hochschule<br />

Berlin mit ihrem Satzungsvorschlag für eine „Gesellschaft<br />

für technische und ökonomische Bildung<br />

(Arbeitslehre)“ein Konzept für eine große Lösung<br />

vor - also unter Einbeziehung aller im Bereich Arbeitslehre<br />

kooperie renden Fächer, ohne Beschränkung<br />

auf eine bestimmte Schulart und -stufe. Eine<br />

große Anzahl von Kollegen wurde von den Berlinern<br />

um eine Stellungnahme gebeten, um deren<br />

Meinung in die Gründungsversammlung mit einbringen<br />

zu können. Die breit angelegte Dachorganisation<br />

wurde bei weitem bevorzugt; allerdings<br />

gab es natürlich einige unter schiedliche Auffas-<br />

79<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


sungen über Namen und Zielrichtungen sowie Satzungsmarginalien.<br />

- Da durch die Vorklärung der<br />

Standpunkte die Positionen einigermaßen klar waren,<br />

konnte man zuversichtlich der Einladung des<br />

Planungsausschusses für den 15. bis 17. No vember<br />

1977 nach Hofgeismar folgen.<br />

Die Diskussionen über die Satzung und Gründung<br />

der Gesellschaft führten zu folgenden wesentlichen<br />

Ergebnissen:<br />

1. Die Satzung soll keine Festschreibung programmatischer<br />

Aussagen sein, sondern viel mehr in pragmatischer<br />

Absicht eine Basis abgeben, auf der sich<br />

die Gesellschaft offen und lebendig entfalten kann.<br />

2. Der Berliner Vorschlag einer „großen Lösung“,<br />

d.h. unter Einbeziehung des gesamten Fächerspektrums<br />

der technischen und ökonomischen Bildung<br />

(nach Auffassung der Versammlung ist damit auch<br />

die Hauswirtschaft gemeint) fand nach intensiver<br />

Diskus sion aller Gesichtspunkte eine große Mehrheit.<br />

3. Wenn als erste Aufgabe der Gesellschaft die Förderung<br />

von fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher<br />

Forschung und Lehre sowie des Unterrichts<br />

in den Bereichen technischer und ökonomischer<br />

Bildung genannt wird, dann ist damit klargestellt,<br />

daß die Gesellschaft sich offen hält für Lehrer, Studenten,<br />

Dozenten, Institutionen – gleich welche Interpretationen<br />

und Konzeptionen sie jeweils in den<br />

einzelnen Bereichen oder Fächern vertreten.<br />

4. Die Gesellschaft sichert von ihrem Selbstverständnis<br />

als Dachorganisation denjenigen Mitgliedern<br />

Freiräume zu, die partikulare Interessen verfolgen.<br />

Daher können und sollen Fachgruppen für<br />

besondere Bereiche (z.B. Wirtschaftslehre, Technik<br />

Unterricht, Hauswirt schaftslehre, Arbeitslehre<br />

o.a..) zur Verwirklichung der Aufgaben der Gesellschaft<br />

einge richtet werden. Diese Fachgruppen<br />

können u.U. auf Dauer installiert sein. Demgegenüber<br />

werden Ausschüsse und Arbeitsgruppen nur<br />

für eine bestimmte Zeit tätig, um allgemeine oder<br />

spezifische Fragen der ökonomischen und technischen<br />

Bildung zu untersuchen.<br />

5. Der Name „Gesellschaft für Arbeit, Technik und<br />

Wirtschaft im Unterricht“ soll zum einen die drei<br />

wesentlichen Dimensionen herausstellen, die die<br />

wissenschaftlichen und schulpraktischen Arbeiten<br />

der Mitglieder bestimmen. Zum anderen stellt die<br />

Einbezie hung von „Unterricht“ den Adressatenbezug<br />

her und verdeutlicht, daß die Bemühungen der<br />

Gesellschaft den Lernenden - an welchen Lernorten<br />

auch immer - gelten.<br />

Die Wahlen zum Vorstand zeigten die Absicht, ein<br />

relativ breites Spektrum an inhalt lichen Vorstellungen<br />

personell abgesichert zu sehen:<br />

Prof. Dr. Kurt Henseler (Uni Oldenburg) 1. Vors.,<br />

Wiss. Ass. Michael Mende (TU Berlin) stellv. Vors.,<br />

Wiss. Ass. Gert Reich (Uni Oldenburg) Geschäftsführer,<br />

Rektor Detmar Grammel (Berlin) Schriftführer,<br />

Prof. Dr. Wilfried Hendricks (PH Berlin),<br />

Doz. Burkhard Sachs (PH Freiburg), stud. paed.<br />

Peter Teuber (Uni Oldenburg) – die letzten drei<br />

Vor standsmitglieder sind (noch) ohne besonderen<br />

Geschäftsbereich.<br />

Die Gründungsversammlung hofft, daß die Zahl<br />

der Mitglieder schnell ansteigt, damit die Gesellschaft<br />

zum Vorteil der von ihr repräsentierten Fächer<br />

wirkungsvoll handlungs fähig werden kann.<br />

Die Beantragung der Mitgliedschaft erfolgt durch<br />

eine schriftliche Beitrittserklärung beim Vorstand.<br />

(Adresse: Geschäftsstelle der Gesellschaft für Arbeit,<br />

Technik und Wirtschaft im Unterricht. Alte<br />

Weide 3. Friedrichsfehn. 2905 Edewecht.) Der Mitgliedbeitrag<br />

beträgt DM 40,--, für Studierende und<br />

Arbeitslose DM 20,--; juristi sche Personen zahlen<br />

einen „angemessenen Beitrag“.<br />

He.<br />

80<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Aus den Hochschulen: IBBA der TU Berlin<br />

Günter Reuel<br />

Semesterabschluss Sommer <strong>2012</strong><br />

Projektarbeit in Werkstätten hat im Arbeitslehre<br />

Studium hohe Priorität. Diesmal war das Oberthema<br />

„Ausstellen, Werben, Öffentlichkeitsarbeit“. Das<br />

Schulfach Arbeitslehre kann sich sehr wirksam präsentieren.<br />

In einigen Schulen, trifft der Besucher auf<br />

Vitrinen, die attraktive Ergebnisse der Arbeitslehre<br />

zeigen. Leider gibt es aber auch viele Schulen, da<br />

sucht man vergeblich nach Exponaten. Sei es nun,<br />

dass die Produkte nicht vorzeigbar sind, oder aber<br />

es fehlt, um im Jargon zu reden, an „Schaustellerkompetenz“.<br />

Was haben die Studenten vorgestellt?<br />

1. In Berlin gibt es nicht nur ein Festival der Kulturen<br />

es gibt sehr witzige „Häppchen“, die erstens<br />

gut schmecken und dann auch noch jedes für sich<br />

eine Kultur repräsentieren.<br />

2. Edelsteine des Waldes sind pikante Beeren und<br />

aromatische Kräuter, die zwar nicht satt machen,<br />

aber einen kulinarischen „Fingerabdruck“ hinterlassen.<br />

Präsentiert wird das Ganze auf Baumscheiben<br />

mit Waldambiente.<br />

3. Drei flache Vitrinen sind drehbar angeordnet<br />

und zeigen auf sechs „verglasten“ Tafeln das ganze<br />

Spektrum der Werkstoffe, die in der Arbeitslehre<br />

Verwendung finden.<br />

4. Wahlweise auf einer hohen oder niedrigen<br />

Säule angeordnet ist eine Vitrine, in der auf einem<br />

Drehteller ein Exponat steht. Die dem Besucher zugewandte<br />

Seite ist bogenförmig „verglast“.<br />

5. Der Kugel spendende Automat entlässt nicht nur<br />

Kugeln, die Süßigkeiten, Trockenfrüchte oder auch<br />

Merkzettel enthalten, er gibt auch eine akustische<br />

Botschaft aus.<br />

6. Eine mobile „Tafel“, die Schreib-, Magnet- und<br />

Projektionsflächen in einem Koffer vereint, der außerdem<br />

diverses Zubehör für Informationsarbeit<br />

birgt.<br />

7. Kekse, die aus gutem Mehl mit wenig Zucker gebacken<br />

wurden und „beschriftet“ sein können, sind<br />

als Werbegag willkommen. Wenn man dann auch<br />

noch die Form der Kekse Puzzle artig zusammenfügen<br />

kann, erinnert man sich.<br />

8. Aus Fahrradschläuchen kombiniert mit weiteren<br />

Materialien wird eine stimmige Kollektion gefertigt,<br />

die z.B. das Schullogo immer mitführt.<br />

9. Leichtbau-Stellwände, die Leporello artig oder<br />

auch übereinander stehen. Einhängeelemente sind<br />

bestückt mit Projektionsflächen, LED-Effekten und<br />

einer Uhr, die den nächsten Vortrag anzeigt.<br />

10. Jugendliche, die leider nicht immer still sitzen<br />

können, sondern zum Toben neigen, brauchen<br />

Energiebällchen. Diese hübsch verpackt, nimmt jeder<br />

gerne mit.<br />

11. Sushis sind sehr beliebt, aber süße Sushis, noch<br />

dazu präsentiert auf einem werbenden Verkaufsständer,<br />

findet man nicht alle Tage.<br />

Die Betreuer waren Karin Groth, Pamela Jäger,<br />

Günter Eisen, Günter Reuel. Wir bedauern sehr,<br />

dass wir auf die jahrelange koordinierende Arbeit<br />

von Pamela Jäger demnächst verzichten müssen,<br />

weil ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert wird.<br />

Bilder: Theodor Sakatis<br />

81<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


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Prof. Dr. Georg Groth wurde 75 Jahre<br />

Am 27. September <strong>2012</strong> wurde im IBBA der erste<br />

Arbeitslehre Professor der Bundesrepublik, Georg<br />

Groth, geehrt. Die Professoren Kledzik, Schrader<br />

und Steffens erinnerten an Begegnungen und frühere<br />

Zusammenarbeit mit dem Jubilar. Dieser fasste<br />

in seinen Dankesworten noch einmal Essentials der<br />

Arbeitslehre zusammen. Grundüberzeug des neuen<br />

Faches war das Streben nach Integration der „Quellfächer“<br />

Technik, Haushalt, Wirtschaft, das sich in<br />

dem neuen Namen Arbeitslehre manifestierte.<br />

83<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


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84<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Redaktion<br />

Neue Mitarbeiter des IBBA<br />

Isabelle Penning ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Fachgebiet Fachdidaktik. Im Masterstudium<br />

ist sie mit Lehrveranstaltungen zum Projektlernen<br />

sowie zur Ökonomischen Bildung in Schülerfirmen<br />

tätig (siehe Beitrag im Forum Arbeitslehre Heft<br />

8/<strong>2012</strong>). Sie hat in Oldenburg Technik und „Pädagogik<br />

bei Lernbeeinträchtigungen“ studiert und<br />

hat in verschiedenen Projekten zur technischen<br />

Bildung mitgearbeitet. Die Förderung von Selbstständigkeit<br />

mündete in eine Explorationsstudie zur<br />

Kompetenzdiagnostik in Schülerfirmen. Mit Stipendien<br />

des DAAD beteiligte sie sich an zwei Bildungsprojekten<br />

in Übersee. Durch berufsbegleitende<br />

Weiterbildungen erlangte Isabelle Penning<br />

eine ECTS-Zertifizierung als „Multiplikatorin für<br />

nachhaltige Schülerfirmen“ sowie ein Zertifikat im<br />

Rahmen der Ausbildung „Network for Teaching<br />

Entrepreneurship“. Isabelle Penning ist sehr an einem<br />

überregionalen Austausch zu Forschungen interessiert<br />

und freut sich über Kontakte zu anderen<br />

Instituten der Lehrerbildung.<br />

Kontakt: 3 isabelle.penning@tu-berlin.de<br />

Simone Maier ist Diplom-Designerin und gelernte<br />

Schneiderin. Sie leitet die Textilwerkstatt und ist<br />

zuständig für die Organisation und die Betreuung<br />

der Werkstatt (Maschinenwartung, Materialeinkauf,<br />

Beratung …) In den Grundkursen vermittelt sie den<br />

Studenten Kenntnisse im Nähen und Bügeln sowie<br />

der kreativen Gestaltung von textilen Gegenständen<br />

(Kleidung, Taschen, Federmäppchen, Kopfkissen, T-<br />

Shirts …). Dabei wird neben der normalen Nähmaschine<br />

auch der Umgang mit der Overlockmaschine<br />

(z.B. Nähen von T-Shirts) sowie der Gebrauch einer<br />

computergesteuerten Stickmaschine erklärt und geübt.<br />

Sie vermittelt Kenntnisse in der Materialkunde<br />

sowie Fertigkeiten im Umgang mit Schnittmustern<br />

und einfacher Schnittkonstruktion. In der Projektarbeit<br />

arbeitet sie intensiv mit den Studenten zusammen<br />

und unterstützt diese bei der Realisation ihrer Ideen.<br />

Kontakt: 3 simone.maier@tu-berlin.de<br />

Heike Sick ist seit dem 1. Mai 2011 halbtags als<br />

Verwaltungsangestellte im Institut für Berufliche<br />

Bildung und Arbeitslehre tätig. Sie arbeitet dort im<br />

Sekretariat des Fachgebiets Fachdidaktik Arbeitslehre.<br />

Kontakt: 3 heike.sick@tu-berlin.de<br />

85<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Berlin: Aus der zweiten Phase<br />

Im Forum Arbeitslehre stellen wir Personen vor, die das Bild<br />

des Faches in Berlin wesentlich prägen. Heute porträtieren wir<br />

Doro Schultz, die neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin an<br />

der Bertolt-Brecht-Oberschule weitere Aufgaben für das Fach<br />

übernommen hat.<br />

Redaktion<br />

Wie war dein beruflicher Werdegang – bist du ein<br />

„Quereinsteiger“?<br />

Nach meinem 1. Staatsexamen habe ich zunächst<br />

weiter an der TU-Berlin studiert. Am Ende des Sozialpädagogikstudiums<br />

habe ich vier Jahre jeweils vier<br />

Monate in Nord-Norwegen im „Nyksund-Projekt“<br />

mitgearbeitet: „Aufbau eines nordnorwegischen Fischerdorfes<br />

mit arbeitslosen Jugendlichen“. In den<br />

Wintermonaten habe ich Studium und Lebensunterhalt<br />

für mich und meinen Sohn durch Taxi fahren<br />

finanziert. Als mein Sohn schulpflichtig wurde, sind<br />

wir „sesshaft“ geworden. Ich habe einen eigenen<br />

Taxibetrieb gegründet und die Geschäftsführung<br />

einer Berliner Taxizentrale übernommen. Während<br />

dieser fünf Jahre als Geschäftsführerin habe ich<br />

gemeinsam mit einer Münchener Softwarefirma ein<br />

Pflichtenheft für die mobilen Kreditkartenlesegeräte<br />

in Taxen entwickelt und die Geräte in die Taxen vermittelt<br />

– das Pflichtenheft gilt übrigens noch heute.<br />

1995 -2002 habe ich beim Caritasverband gearbeitet:<br />

Aufbau und Organisation des Durchreiseplatzes<br />

für Sinti und Roma und Einrichtung einer betreuenden<br />

Nachsorgeeinrichtung für ehemals Drogenabhängige.<br />

Seit 2004 bin ich mit dem 2. Staatsexamen zurück in<br />

der Schule.<br />

Welche Aufgaben erfüllst du mittlerweile neben<br />

deiner Tätigkeit als Lehrerin?<br />

Ich bin Fachseminarleiterin für das Fach WAT/AL<br />

beim Schulpraktischen Seminar Spandau, Fachaufsicht<br />

für das Fach bei der Senatsverwaltung und<br />

seit ein paar Tagen bin ich von der Senatsverwaltung<br />

beauftragt, die Gruppe der Fachseminarleiter<br />

zu koordinieren.<br />

Was reizt dich an der Aufgabe einer Seminarleiterin?<br />

Ich halte das gemeinsame Reflektieren über Unterricht<br />

für sehr anregend. Guter Unterricht und gute<br />

Schule entsteht in den Köpfen. Es ist mir wichtig,<br />

den Lehramtsanwärter/innen Handwerkszeug mitzugeben,<br />

sie aber auch in ihrer persönlichen Form<br />

wahrzunehmen und zu bestärken.<br />

Das Seminar ist das Scharnier zwischen Studium<br />

und Berufsausübung. Was wünschst du dir für<br />

eine bessere Verzahnung, also für eine bessere<br />

Ausbildung?<br />

Für Studenten sollte so früh wie möglich Praxiserfahrung<br />

in der Schule organisiert werden – wenn es<br />

geht im Tandemverfahren mit Fachseminaren bzw.<br />

Lehramtsanwärtern. Die Anforderungen an Unterrichtsplanung<br />

und -inhalte sollte noch mehr in das<br />

Studium integriert werden. Wir haben dazu eine<br />

Arbeitsgruppe der Modulbeauftragten des Studienganges<br />

im Institut für berufliche Bildung und Arbeitslehre<br />

der TU und den Fachseminarleiterinnen<br />

und Fachseminarleitern gebildet.<br />

Während meiner Zeit in der Fachaufsicht Arbeitslehre<br />

lag der Schwerpunkt der Arbeit in der<br />

berlinweiten Zusammenführung der schulischen<br />

Akteure der Arbeitslehre, um einen schnelleren<br />

86<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Informationsfluss zu sichern und die überschulische<br />

und überbezirkliche Fachdiskussion zu sichern.<br />

So wurde der vorletzte Rahmenlehrplan vor<br />

seiner endgültigen Formulierung breit diskutiert.<br />

Ebenso wichtig war die Rolle als Ansprechpartner<br />

für Eltern, Lehrer und Schulleitungen zu Fragen<br />

der Arbeitslehre und insbesondere zum Betriebspraktikum.<br />

Wie stellt sich heute die Tätigkeit dar?<br />

Hast du das Gefühl, dass du als Vertreterin des Faches<br />

in der Hierarchie wahrgenommen wirst?<br />

Du warst ja sehr lang für die Fachaufsicht tätig,<br />

dies führte natürlich zu einem Bekanntheitsgrad,<br />

der auch bis hin zu Eltern und einzelnen Lehrern<br />

reichte. Ich bin erst sehr kurz Fachaufsicht und<br />

mein Name war bis vor kurzem auf keiner Informationsseite<br />

zu lesen. Daher halte ich Informations- und<br />

Kommunikationsstörungen bisher nicht für ein hierarchisches<br />

Problem.<br />

Ich wäre aber froh, wenn es ein gut funktionierendes<br />

Netzwerk berlinweit geben würde – was im Moment<br />

nur bedingt der Fall ist.<br />

Welche Rolle hast du bei dem jetzt vorliegenden<br />

Rahmenlehrplan WAT gespielt?<br />

Ich war zunächst an Diskussionsrunden von Senatsverwaltung<br />

und FachseminarleiterInnen beteiligt –<br />

vor der Veröffentlichung für die Doppeljahrgangsstufe<br />

7/8. Das war aber noch vor meiner Zeit als<br />

Fachaufsicht.<br />

Im zweiten Durchgang habe ich aktiv z.B. an der<br />

letzten Bearbeitung (Einarbeitung der Ergebnisse<br />

der Rückmeldungen) mitgearbeitet.<br />

Wie steht es mit der Bereitschaft der Schulen, Teilungsstunden<br />

für den Unterricht in der 7. Und 8.<br />

Jgst. zur Verfügung zu stellen, damit Werkstattarbeit<br />

möglich ist? Sollte es hierbei Defizite geben,<br />

wie könnte dem abgeholfen werden?<br />

Es gibt viele Schulen, die zunächst Teilungen für<br />

Werkstattarbeit bereitgestellt haben. Die meisten<br />

Schulen, mit denen ich gesprochen habe, betonen<br />

aber, dass dies nur aus den Poolstunden auf Dauer<br />

nicht möglich sein könnte. Es wäre wünschenswert,<br />

wenn es obligatorisch für die praxisorientierten<br />

Module Teilungsstunden geben würde.<br />

Sehr vielen Schulen fehlt Fachpersonal – es werden<br />

gerade für das Fach WAT viel zu wenig Lehrer<br />

ausgebildet.<br />

An den ISS sind die Werkstätten zwar vielfach vorhanden,<br />

aber häufig sind sie nur für eine Schülerzahl<br />

von max. 10 Schüler eingerichtet. Da ist selbst<br />

mit einer halben Gruppe einer ISS-Klasse kaum<br />

praktischer Unterricht möglich.<br />

Wenn es schon keine überschulische, überbezirkliche<br />

Diskussion des Rahmenlehrplans vor<br />

seiner Einsetzung gegeben hat, sollte dann nicht<br />

wenigstens eine neutrale, begleitende Evaluation<br />

stattfinden? Wie steht es mit der Selbstevaluation,<br />

zu denen die Fächer verpflichtet sind?<br />

Die Fragen für das Selbstevaluationsportal der<br />

Schulen für das Fach WAT werden gerade entwickelt.<br />

Bestimmte Integrierte Sekundarschulen halten<br />

einem Teil ihrer Schüler den WAT-Unterricht im<br />

Pflichtbereich vor. Kann es sein, dass der Begriff<br />

„Arbeitslehre“ nicht ein Imageproblem hatte,<br />

sondern dass eine Anzahl von Schulleitungen<br />

dieses Fach, egal wie es heißt, als ein Fach für<br />

die minderbegabten Schülerinnen und Schüler<br />

definiert?<br />

Das halte ich leider für möglich.<br />

Wie kann dieser Einstellung entgegnet werden?<br />

Wie kann die bezirkliche Vereinzelung der schulischen<br />

Akteure behoben werden?<br />

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Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Ich denke, dass es wichtig ist, an allen Stellen der<br />

Schullandschaft, in der Ausbildung, den Seminaren,<br />

auf Konferenzen etc. für dieses „duale“ Fach zu<br />

werben und seine Bedeutung auch für Gymnasiasten<br />

hervorzuheben.<br />

Für einen Außenstehenden erscheint es etwas<br />

merkwürdig, dass die Multiplikatoren für Duales<br />

Lernen von einer Art „Stabsstelle“ außerhalb der<br />

Senatsschulverwaltung geführt werden. Siehst du<br />

mögliche Synergieeffekte bei einer anderen Anbindung?<br />

Ein Problem sehe ich eher darin, dass die Multiplikatoren<br />

zum Teil WAT-fachfremd eingesetzt wurden<br />

und diese sich daher mit das Duale Lernen betreffenden<br />

Inhalten wenig auskennen.<br />

Gleichzeitig mit dem Einsetzen der Multiplikatoren<br />

für das Duale Lernen wurden Fachmultiplikatoren<br />

entpflichtet, was ich für nicht hilfreich halte. Gerade<br />

vor dem Hintergrund der fachlichen Veränderungen<br />

und der Vernetzung von Informationen, z.B. Fortbildungsangeboten,<br />

sollten fachlich ausgebildete Berater<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Die Anbindung der „Stabsstelle“ ist nicht das Problem<br />

– bisher ist die Kommunikation noch etwas<br />

lückenhaft, aber ich bin zuversichtlich, dass wir da<br />

auf einem guten Weg sind.<br />

Ein großes Problem stellt die große Zahl der Lehrkräfte<br />

dar, die fachfremd im Bereich WAT/Arbeitslehre<br />

eingesetzt wird und für die eigentlich ein<br />

breites Fortbildungsangebot zur Verfügung stehen<br />

müsste. Der Erwerb des Sicherheitsscheins reicht<br />

selbstverständlich nicht aus. Welche vorhandenen<br />

Strukturen könnten genutzt werden?<br />

Lisum, TU, Fachmultiplikatoren, Multiplikatoren<br />

für Duales Lernen – nur müssten all diese Institutionen<br />

sinnvoll zusammengeführt werden.<br />

An den meisten ehemaligen Gesamtschulen gibt<br />

es noch Werkstattmeister, so dass dort in der Regel<br />

Maschinen und Geräte im gebrauchsfähigen Zustand<br />

vorhanden sind. Die Kolleginnen und Kollegen<br />

an den anderen ISS sind zumeist auf sich<br />

selbst gestellt. Wie könnte dem entgegen gewirkt<br />

werden?<br />

Ich würde es hilfreich finden, wenn es für Bezirke<br />

zuständige Werkstattmeister gäbe, die mobil für<br />

mehrere Schulen ansprechbar und unterstützend tätig<br />

sein könnten. Bei meinen Besuchen in den ISS<br />

habe ich gesehen, dass je nach individuellen Fähigkeiten<br />

der einzelnen Kolleginnen und Kollegen<br />

die Maschinen nutzbar waren oder nicht. Das kann<br />

nicht das Ziel sein. Es leiden Unterrichtsinhalte und<br />

die Ausbildung in den Fertigungstechniken, wenn<br />

die Ausstattungen der Werkstätten nicht gepflegt<br />

werden.<br />

Du hast dich im letzten Jahr entschlossen, an die<br />

Bertolt-Brecht-Oberschule zu wechseln. Hat sich<br />

diese Entscheidung auf deine Seminargruppe ausgewirkt?<br />

Ja, in zweierlei Hinsicht: Ich versuche in jedem<br />

Halbjahr eine Sequenz von zwei Seminarsitzungen<br />

zu nutzen, um in unterschiedlichen Werkstätten Projekte<br />

praktisch durchzuführen. In diesem Halbjahr<br />

habe ich sowohl die großzügige Unterstützung des<br />

Werkstattmeisters als auch die gute Ausstattung der<br />

Werkstätten sehr genossen.<br />

Zweitens war der Austausch innerhalb des Seminars<br />

zu Beginn des Halbjahres über neue Schüler, neue<br />

Räume und schulinterne Curricula auch von meiner<br />

Seite natürlich hochaktuell.<br />

Doro, ich danke dir für das Gespräch.<br />

Die Fragen stellte Detmar Grammel.<br />

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Verabschiedung von Maria Jägermeyr<br />

Liebe Maria,<br />

es war wirklich ein sehr fröhlicher Abend mit dir<br />

– so ganz gelassen deinen Abschied gemeinsam zu<br />

feiern.<br />

Sicher hast du auch mit Anderen Revue passieren<br />

lassen, was dein Arbeitsleben so ausgemacht hat,<br />

was dir wichtig war – aber mit uns, den Kolleginnen<br />

und Kollegen FachseminarleiterInnen jedenfalls<br />

hast du einen Bereich geteilt, der dir wichtig<br />

war – das durften wir spüren.<br />

Alle, die wir dort mit dir saßen, sind später als du<br />

zu dieser Aufgabe gekommen, bei allen hattest du<br />

„ein Wort mit zu reden“ beim Einstieg. Du hast uns<br />

teilhaben lassen an deinem Engagement und deinen<br />

Erfahrungen.<br />

Auch in dieser Arbeitsgruppe galt: „Keine Theorie<br />

ohne Praxis – keine Praxis ohne Theorie“. Vielen<br />

Dank dafür!<br />

Wir wünschen dir einen wunderbaren Einstieg in die<br />

neue Zeit – wir werden uns sicher weiter begegnen!<br />

Alles Gute,<br />

deine Fachseminarkolleginnen und -kollegen<br />

WAT/AL<br />

Liebe Maria,<br />

gibt es ein Leben nach der Arbeitslehre? Das mag<br />

man sich bei deinem Engagement der letzten Jahre<br />

für unser Fach fragen. Immerhin warst du über<br />

20 Jahre Fachseminarleiterin<br />

für unser Fach,<br />

hast Generationen von<br />

Referendaren und Lehramtsanwärtern<br />

ausgebildet,<br />

hast als Vorsitzende<br />

der Gesellschaft für Arbeitslehre<br />

Berlin gewirkt<br />

und in verschiedenen<br />

Rahmenplankommissionen<br />

gearbeitet und dich<br />

so beispielhaft für unser<br />

Fach engagiert. Nun gehst du in den wohlverdienten<br />

Ruhestand und wir sind sicher, dass die Arbeitslehre<br />

nicht aus deinem Leben gestrichen wird. Wir wünschen<br />

dir einen guten Übergang in eine etwas ruhigere<br />

Lebensphase und hoffen, dass der eine oder<br />

andere fachliche Rat uns auch künftig nicht versagt<br />

bleiben wird.<br />

Die Gesellschaft für Arbeitslehre und die GATWU<br />

wünschen dir nur das Beste.<br />

Manfred Triebe<br />

(Vorsitzender)<br />

Dummwörter aufgespießt<br />

Weil der neue Flughafen nicht termingerecht fertig<br />

wird, fordern „Airlines“ Schadenersatz. Warum heißen<br />

Fluggesellschaften nicht weiterhin so, warum<br />

heißen sie in allen Medien Airlines?<br />

Weil die dümmlichen Anglizismen auf dem Vormarsch<br />

sind. Da kann man einem Berliner Kneipenwirt,<br />

der am Landwehrkanal Bier zapft, nicht<br />

böse sein, wenn er seinen Laden „Event location mit<br />

strandfeeling“ nennt.<br />

AIRLINES<br />

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Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


SpechtSpäne<br />

Auf dieser Heftseite finden sie in jeder<br />

Ausgabe unserer Zeitschrift die SpechtSpäne.<br />

Bitte nicht wegfegen, sondern lesen.<br />

Der Arbeitslehrespecht ist seit vielen Jahren unser<br />

Wappentier. Er steht für das Bohren dicker Bretter.<br />

Schafft die Fächer ab! 1<br />

Eine gewisse Aufregung in den lokalen Medien<br />

würde die Entscheidung eines Berliner Schulleiters<br />

verursachen, das Fach Mathematik abzuschaffen<br />

und durch Gartenpflege zu ersetzen. Der Schulleiter<br />

soll sich auf die Abschaffung von Arbeitslehre/<br />

WAT durch andere Schulleiter berufen und die von<br />

der Schulverwaltung erteilte Absolution.<br />

Außerdem konnte er geltend machen, dass viele<br />

Bürger nach 12 bis 13 Jahren Mathematikunterricht<br />

kaum rechnen können. Ganz zu schweigen von dem<br />

Gejammer der Mathematik-Ordinarien an den Universitäten<br />

über die nicht vorhandenen Mathematikkenntnisse<br />

der Studienanfänger. Jüngstes Beispiel:<br />

der Mathematik-Mogul an der Humboldt Universität.<br />

Schulleiter messen das Leben an der eigenen Biografie.<br />

Der Mathematikabschaffer (Fakultas Geschichte<br />

und Religion) merkt natürlich, dass er bei seinen<br />

Alltagsgeschäften Mathematik nicht braucht. Auch<br />

der Arbeitslehreabschaffer (AA) vermisst nicht die<br />

Vorbereitung auf Erwerbsarbeit und Hausarbeit. Auf<br />

einem warmen Beamtenplätzchen brauchte er niemals<br />

den Schritt ins Arbeitsmarktgetümmel zu tun.<br />

Und seine brave Ehefrau hält ihm die Mühsal der<br />

Hausarbeit vom Leibe.<br />

Was lernt uns das? Die Abschaffung eines Schulfaches<br />

Arbeitslehre/WAT, das nicht ohne Grund im<br />

Pflichtkanon der Unterrichtsfächer festgeschrieben<br />

zu sein schien, ist ein Verbrechen an jungen Menschen.<br />

Für die Existenzsicherung in einer Zeit, wo Berufslaufbahnen<br />

Krisen erleben, wo Hausarbeit immer<br />

verantwortungsvoller wird und Konsumentscheidungen<br />

eigentlich ein Studium erfordern, schafft nur<br />

ein Ignorant Arbeitslehre/WAT ab.<br />

Um noch mal auf den Verdacht des Verbrechens zurück<br />

zu kommen: Das Gewaltmonopol des Staates<br />

könnte es verhindern. Dazu müsste der Staat nicht<br />

nur um die Finanzierung der Schulen feilschen, er<br />

müsste die Steuerungskraft für die Inhalte der Schule<br />

aufbringen. Eine Pseudoliberalisierung schafft<br />

keine Bildungsgerechtigkeit.<br />

1<br />

Ende des 20.Jahrh. wurden Parolen laut: „schafft die Schule ab“ und<br />

das „Ende der Erziehung“ wurde angeblich eingeläutet. Ausführlich hierzu:<br />

Jürgen Oelkers/Thomas Lehmann: Antipädagogik, Weinheim Basel 1990<br />

90<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Redaktion<br />

Thema des nächsten Heftes: Testen in der Arbeitslehre<br />

Arbeitslehre verhilft jungen Menschen zu einer<br />

Orientierung bei der Bewältigung von Hausarbeit.<br />

Diese wird zunehmend anspruchsvoller. Erwerbsarbeit<br />

ist das komplementäre didaktische Aufgabenfeld.<br />

Berufsorientierung in Zusammenarbeit mit der<br />

Arbeitsagentur ist eine Untermenge der voraus liegenden<br />

Orientierung über Erwerbsarbeit. Wer nicht<br />

Grundzüge des Arbeitens unter rationalen Zielvorgaben<br />

eingeübt hat, kann schwerlich einen Beruf<br />

wählen.<br />

Im Lehramtsstudiengang Arbeitslehre an der TU<br />

Berlin gibt es zwei Angebotsprofile, Wirtschaft/<br />

Nachhaltiger Konsum und Technik. Früher waren<br />

das zwei diskrete Studiengänge. Jetzt wächst beides<br />

zusammen, denn der Mensch ist Konsument und<br />

Produzent in einem, das Wirtschaftssystem wird von<br />

Technik maßgeblich beeinflusst und Technik ist kein<br />

Selbstzweck, sondern ökonomisch determiniert.<br />

Noch immer werden nicht alle „Schnittmengen“<br />

zwischen Wirtschaft und Technik didaktisch aufbereitet.<br />

Eine große Chance bietet der von Schülern<br />

durchgeführte Warentest. Junge Konsumenten sind<br />

nicht immer urteilsfähig, was die Qualität eines<br />

Konsumgutes angeht, Modetrends und Gewohnheitskäufe<br />

sind mächtige Kaufmotive. Wer selber<br />

ein Konsumgut systematisch getestet hat, wird kritischer<br />

und bedient sich gezielt der angebotenen professionellen<br />

Testberichte.<br />

Die Stiftung Warentest führt einen Wettbewerb „Jugend<br />

testet“ durch, der leider in den Schulen wenig<br />

bekannt ist. Die Ansprechpartner in den Schulen<br />

sind die Fachlehrer für Arbeitslehre. Was liegt näher<br />

als in diesem Fach, das neuerdings eine unglückliche<br />

Namensänderung hinnehmen musste, Fragen an<br />

die Qualität von Konsumgütern zu entwickeln: Wie<br />

steht es mit Langlebigkeit, Ressourcenschonung,<br />

Recycelbarkeit, Bedienerfreundlichkeit, Reparaturanfälligkeit,<br />

Preis/Leistungsverhältnis? Antworten<br />

findet man beim Testen in den vorhandenen Werkstätten.<br />

Es ist klar, dass keine teuren Konsumgüter<br />

wie Fernseher oder Waschmaschinen getestet werden<br />

können und zerstörende Prüfmethoden kommen<br />

ohnehin nur bei Niedrigpreisprodukten infrage.<br />

Wir freuen uns auf Beiträge unserer Leser, die<br />

bitte an die Redaktion bis zum 15. März 2013 gerichtet<br />

werden können.<br />

Gesellschaft für Arbeitslehre Berlin<br />

Einladung zum Arbeitslehre-Stammtisch<br />

Am letzten Montag des Monats (außer in den Schulferien) in der Phoenix Lounge<br />

Kyffhäuserstraße 14 / 10781 Berlin-Schöneberg / 5 Minuten Fußweg vom<br />

U-Bahnhof Eisenacher Straße entfernt!<br />

91<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>


Autorenverzeichnis<br />

Diedering, Mira<br />

Eisen, Günter<br />

Grammel, Detmar<br />

Günther, Jürgen<br />

Hoge, Reinhold<br />

Hornig, Marcus<br />

Iwert, Felix<br />

Prof. Kledzik, Ulrich-J.<br />

Koch, Katharina<br />

Laub, Matthias<br />

Ludwig, Bernd<br />

Maier, Simone<br />

Dr. Reuel, Günter<br />

Seibel, Wilfried<br />

Triebe, Manfred<br />

Dr. Wulfers, Wilfried<br />

Studentin am IBBA der TU Berlin<br />

Studienrat im Hochschuldienst am IBBA der TU Berlin<br />

Gesamtschulrektor i.R., Lehrbeauftragter am IBBA der TU Berlin<br />

tandem BQG, Projektleiter der „Koordinierungsstelle Berufseinstieg<br />

durch Inklusion“ (KoBI), www.kobi-berlin.de<br />

Sekundarschulrektor, Fachbereichsleiter Arbeitslehre,<br />

Hermann-von-Helmholtz-Schule (Neukölln)<br />

Sekundarschulrektor, Fachbereichsleiter Arbeitslehre,<br />

Bertolt-Brecht-Oberschule (Spandau)<br />

Student am IBBA der TU Berlin<br />

Leitender Oberschulrat i.R.<br />

Werkstattleiterin Holzwerkstatt am IBBA der TU Berlin<br />

Sekundarschulrektor, Fachbereichsleiter Arbeitslehre,<br />

B.-Traven-Oberschule (Spandau)<br />

Arbeitslehrelehrer, B.-Traven-Oberschule (Spandau)<br />

Werkstattleiterin Textilwerkstatt am IBBA<br />

Wissenschaftlicher Direktor i.R.<br />

Pädagoge, Präventionsabteil der Unfallkasse Berlin<br />

1. Vors. der GATWU<br />

Fachleiter i.R.<br />

92<br />

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Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Redaktion:<br />

Lektorat:<br />

Anzeigen:<br />

Layout und Titelbild:<br />

Druck:<br />

Versand:<br />

Presserechtlich verantwortlich:<br />

Gesellschaft für Arbeit, Technik, Wirtschaft im Unterricht (GATWU)<br />

Detmar Grammel, Günter Reuel, Wilfried Wulfers<br />

Detmar Grammel<br />

Birgit Ziervogel<br />

Jan Schmitt, Gestalterhalle Berlin<br />

Peter Kurz / Druckerei Sonnenbogen / Lindenstr. 36 . 16727 Marwitz<br />

Claudia Just<br />

Dr. Günter Reuel<br />

ISSN: 1867-5174<br />

Beiträge bitte richten an:<br />

Detmar Grammel<br />

oder Günter Reuel<br />

e detmar.grammel@gmail.com<br />

e greuli@t-online.de<br />

Sehr große Dateien bitte auf einem Speichermedium zuschicken (Adresse mit Mail erfragen).<br />

Texte bitte als .doc-, .rtf- oder .txt-Dateien ohne Formatierungen senden. Bilder sollten nicht in den Text integriert<br />

werden, sondern als eigenständige Dateien (*.jpg, *.tif ) mitgeliefert werden.<br />

Vorsitzender<br />

der GATWU:<br />

Schatzmeisterin<br />

der GATWU:<br />

URL GATWU:<br />

URL Gesellschaft für<br />

Arbeitslehre Berlin:<br />

Manfred Triebe<br />

Dr. Simone Knab<br />

TU Berlin, Fakultät I, Inst.<br />

f. Berufliche Bildung<br />

und Arbeitslehre,<br />

Sekr. FR 0-1;<br />

Franklinstr. 28-29<br />

10587 Berlin<br />

e www.gatwu.de<br />

e www.Arbeitslehre-Berlin.de<br />

Das Institut zieht um – neue Anschrift<br />

voraussichtlich ab Dezember <strong>2012</strong><br />

GATWU-Geschäftsstelle<br />

c/o Technische Universität Berlin<br />

Dr. Simone Knab, Sekr. MAR 1-1<br />

Marchstraße 23<br />

10587 Berlin<br />

Tel.: 030 – 31 47 33 85<br />

93<br />

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An die<br />

GATWU-Geschäftsführung<br />

Dr. Simone Knab<br />

Ostpreußendamm 65<br />

12207 Berlin<br />

Beitrittserklärung<br />

Name:<br />

Amtsbez./Titel:<br />

Anschrift (privat)<br />

Straße:<br />

PLZ:<br />

Telefon privat:<br />

E-Mail:<br />

Beschäftigungsstelle:<br />

Vorname:<br />

Ort:<br />

Telefon dienstl:<br />

Ich erkläre meinen Eintritt in die GATWU (Gesellschaft für Arbeit, Technik und Wirtschaft im Unterricht<br />

e.V.) und erkenne die Satzung an. Ich zahle meinen Beitrag, dessen Höhe von der Mitgliederversammlung<br />

festgesetzt wird, im Abbuchungsverfahren. Austrittserklärungen sind zum Jahresende möglich.<br />

Einzugsermächtigung<br />

Ich ermächtige die GATWU widerruflich, den Jahresbeitrag von z.Z.<br />

□ 40,00 Euro<br />

□ 15,00 Euro für Studierende und ReferendarInnen (bitte jährlich, bis spätestens 30.05. des laufenden<br />

Kalenderjahres Anspruch auf reduzierten Beitrag nachweisen)<br />

zu Lasten meines Kontos<br />

Kontonummer:<br />

Bankleitzahl:<br />

Geldinstitut:<br />

Ort:<br />

mittels Lastschrift einzuziehen. Wenn mein Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens<br />

des kontoführenden Instituts keine Verpflichtung zur Einlösung.<br />

Ort/Datum<br />

Unterschrift

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