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Editorial<br />

Liebe Leser,<br />

bei der Einführung der Arbeitslehre als neues Unterrichtsfach<br />

an den Hauptschulen Ende der 60er Jahre<br />

war klar, dass gut ausgestattete Werkstätten in den<br />

Schulen praktisch eine unabdingbare Voraussetzung<br />

waren. Unterricht in diesem Fach war ohne Werkstätten<br />

nicht vorstellbar. Loriot hätte gesagt: „Arbeitslehre<br />

ohne Werkstätten ist vielleicht möglich, aber sinnlos“.<br />

Entsprechend war der Werkstattunterricht in nahezu<br />

allen Rahmenplänen präsent. Der Berliner Rahmenplan<br />

formulierte es einmal so: „Arbeit als die Gestaltung<br />

unterschiedlicher Materialien und Werkstoffe<br />

unter Einsatz von Maschinen und Handwerkszeugen<br />

hat einen pädagogischen Wert, der nicht durch andere<br />

Unterrichtsformen substituierbar ist. Sie ist in vielerlei<br />

Hinsicht der Persönlichkeitsentwicklung eines Jugendlichen<br />

förderlich.“<br />

Den Höhepunkt einer gelungenen Werkstattausstattung<br />

erlebten die Berliner Gesamtschulen in den 70er<br />

Jahren. 13 Bildungszentren wurden mit technisch anspruchsvollen<br />

Maschinen und Geräten ausgestattet.<br />

Ein wesentlicher Teil des Unterrichts sollte in den<br />

schulischen Werkstätten stattfinden.<br />

Leider verließ die Bildungspolitiker im letzten Moment<br />

der Mut. Zwar waren die Gesamtschulen in den verschiedenen<br />

Sachfeldern hervorragend ausgestattet. Die<br />

Stundentafel für Arbeitslehre sah die Werkstätten faktisch<br />

aber nur für den Wahlpflichtunterricht vor, denn nur<br />

für diese Unterrichtszeit gab es Teilungsstunden. Werkstattstunden<br />

im ungeteilten Pflichtunterricht mit 27 – 30<br />

Schülerinnen waren nicht realisierbar, weder von der<br />

Raumgröße her, noch unter Sicherheitsaspekten.<br />

So wurde die Arbeitslehre im Pflichtunterricht für alle<br />

Schüler an den Gesamtschulen zum Tafel- und Kreidefach.<br />

Der Kern der Arbeitslehre, die Werkstattarbeit an<br />

Projekten, war nur für die Schülerinnen erlebbar, die Arbeitslehre<br />

als Wahlpflichtfach gewählt hatten. Durch diese<br />

Organisation standen die Wahlpflichtkurse Arbeitslehre<br />

in Konkurrenz zur 2. Fremdsprache, die zwingende<br />

Voraussetzung für das Abitur ist. Wer also Arbeitslehre<br />

wählte, entschied sich damit gewollt oder ungewollt gegen<br />

ein gradliniges Abitur. Diese Konstruktion hatte für<br />

die Zusammensetzung der Lerngruppen fatale Konsequenzen.<br />

Arbeitslehre bekam im Laufe der Jahre so den<br />

Ruf eines „Blaukittelfaches“. Es wurde Sammelbecken<br />

für diejenigen, die angeblich „nicht viel in der Birne hat-<br />

ten“ oder die durch den traditionellen Tafel- und Kreideunterricht<br />

vorgeblich nicht mehr motiviert werden<br />

konnten. Wer Arbeitslehre als Wahlpflichtfach wählte,<br />

erhielt zwar in den meisten Fällen einen qualifizierten<br />

Abschluss in der Sek I, machte aber in den seltensten<br />

Fällen Abitur, denn die Hürde dazu war groß, weil diese<br />

Schüler zwar eine Berechtigung zum Übergang in die<br />

gymnasiale Oberstufe hatten, allerdings mit dem Preis,<br />

die 2. Sprache in der E-Phase neu zu beginnen. Jeder,<br />

der sich mit Fremdsprachen lernen beschäftigt weiß: Je<br />

später man beginnt, desto schwieriger wird es.<br />

In der aktuellen Entwicklung gibt es ein Phänomen, das<br />

den klassischen Werkstattunterricht weiter entwertet.<br />

Googelt man den Begriff „Werkstattunterricht“, findet<br />

man auf den ersten Positionen einen Begriffswandel.<br />

Als Werkstätten werden zunehmend „normale“ Unterrichtsräume<br />

und ein Unterrichtsprinzip bezeichnet, das<br />

mit klassischen Werkstätten nicht mehr viel zu tun hat.<br />

Bei Wikipedia heißt es: „Mit dem Ausdruck Werkstattunterricht<br />

wird … eine Lern- und Lehrmethode bezeichnet,<br />

in der die Schüler anhand geeigneter Aufgabenstellungen<br />

und Reflexionsphasen innerhalb vorbereiteten<br />

Materials selbständig bestimmte Lernziele erreichen<br />

sollen“. Bei dieser Definition wird der kognitive Bereich<br />

betont, also Lesewerkstatt, Schreibwerkstatt, Mathematikwerkstatt<br />

oder allgemein Lernwerkstatt.<br />

Gegen Werkstätten dieser Art ist nichts einzuwenden,<br />

sie sind sogar eine echte Alternative zur Belehrung im<br />

traditionellen Sinne von Unterricht. Sie können aber die<br />

schulischen Arbeitslehrewerkstätten nicht ersetzen. Beide<br />

Konzepte gehören in eine Schule, die für sich in Anspruch<br />

nimmt, alle Schülerinnen mit all ihren Begabungen<br />

zu fördern. Dabei dürfen Arbeitslehrewerkstätten<br />

nicht dem Teil der Schüler vorbehalten bleiben, denen<br />

man gemeinhin nur eine sogenannte praktische Begabung<br />

zumisst. Man kann Kopf und Hand nicht folgenlos<br />

trennen. Was und auf welchem Niveau in Arbeitslehrewerkstätten<br />

geleistet werden kann, zeigen die Beispiele,<br />

die in diesem Forum präsentiert werden.<br />

Ihr<br />

(Vorsitzender GATWU)<br />

2<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>

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