2/2012
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Zu 2.: Nach einer Umfrage des DIHK ging im Zeitraum<br />
2006 – 2011 der Anteil der Unternehmen, die<br />
über mangelnde Deutschkenntnisse der Bewerber<br />
klagten von 66 % auf 53 % kontinuierlich zurück.<br />
Ähnlich sank der Anteil der Jugendlichen mit Mängeln<br />
in den mathematischen Grundkenntnissen von<br />
53 % (2006) auf 48 % (2011) zurück. Klagen über<br />
Disziplinmängel und mangelnde Belastbarkeit haben<br />
im genannten Zeitraum dagegen zugenommen.<br />
Die Bundesagentur selber findet in eigenen Langzeituntersuchungen<br />
heraus, dass Problemlösefähigkeit,<br />
vernetztes und schlussfolgerndes Denken und<br />
die allgemeine Intelligenz in den letzten 20 Jahren<br />
zugenommen haben 4 . Alleine diese Beispiele zeigen,<br />
wie problematisch das Schlagwort von der<br />
mangelnden Ausbildungsfähigkeit ist.<br />
Hinzu kommen branchenmäßige Unterschiede in<br />
den Anforderungen und Besetzungsprobleme, die<br />
vordergründig gerne auf die mangelnde Ausbildungsfähigkeit<br />
der Bewerber zurückgeführt werden,<br />
tatsächlich aber Branchen betreffen, die „von den<br />
Jugendlichen als Ausbildungsbetriebe wenig nachgefragt<br />
werden, weil sie als körperlich belastend, zu<br />
wenig perspektivenreich, schlecht bezahlt und/oder<br />
von den Arbeitszeiten her unattraktiv erscheinen“.<br />
Hier sind vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe<br />
und die Baubranche betroffen. Unternehmen<br />
aus der IT-Branche, Banken und Versicherungen haben<br />
dagegen wenige Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze<br />
zu besetzen.<br />
Zu 3.: Der sogenannte nationale Pakt für Ausbildung<br />
und Fachkräftenachwuchs wurde 2004 von<br />
der Bundesregierung und den Spitzenverbänden<br />
der Deutschen Wirtschaft geschlossen, um jedem<br />
ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein<br />
Ausbildungsangebot zu machen. Damit war impliziert,<br />
dass per Definition von vornherein nicht alle<br />
Jugendlichen in diesen Genuss kommen. Hat ein<br />
Jugendlicher Bewerber schließlich die Hürde ausbildungsfähig<br />
bzw. ausbildungsreif genommen, ist<br />
seine Übernahme in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis<br />
im Dualen System allerdings noch lange<br />
nicht gesichert, denn es herrscht die im Berufsbildungsgesetz<br />
(BBiG) abgesicherte Vertragsfreiheit.<br />
Mit der Ausbildungsfähigkeit verhält es sich also<br />
ähnlich wie mit dem Berufswahlpass. Die „Lizenz“<br />
Ausbildungsfähigkeit berechtig die Jugendlichen<br />
nur, am betrieblichen Auswahlverfahren teilzunehmen.<br />
Die Wissenschaftler der Stiftung nennen das<br />
Etikett ausbildungsreif deshalb auch Mindestkonkurrenzteilnahmebescheinigung.<br />
Man fragt sich bei dem jetzt schon abzusehenden<br />
Fachkräftemangel, wie lange die Wirtschaft noch im<br />
Abnehmerstatus verharrt und von den allgemeinbildenden<br />
Schulen die Lieferung ausbildungsfähiger<br />
oder ausbildungsreifer Absolventen verlangen will.<br />
Im Jahre 2006 wurden mehr als 5 Mrd. € für die<br />
Finanzierung des Übergangssystems ausgegeben.<br />
Fachleute bezeichnen das System als ineffizient. Severing<br />
5 konstatierte in einem Vortrag in Hamburg<br />
2009: „Das Übergangssystem ist der expansivste<br />
Teil des Systems der beruflichen Bildung und zugleich<br />
sein am schlechtesten organisierter und ineffektivster<br />
Teil.“<br />
Fazit: Das Schlagwort „mangelnde Ausbildungsreife/Ausbildungsfähigkeit“<br />
ist weder wissenschaftlich,<br />
noch operationalisierbar. Es hilft weder<br />
der Wirtschaft, geeignete Fachkräfte zu gewinnen,<br />
noch den meisten Jugendlichen, irgendwann einen<br />
Ausbildungsplatz zu ergattern. Es verschleiert<br />
den tatsächlichen Hintergrund des prognostizierten<br />
Fachkräftemangels: die zu wenigen Ausbildungsplätze.<br />
Es stigmatisiert die Jugendlichen, die an den<br />
Anforderungen des Ausbildungssystems scheitern,<br />
ohne dem Mangel abzuhelfen. Würden die Milliardenkosten<br />
des Übergangssystems in die allgemeinbildende<br />
Schule gesteckt (Frequenzsenkungen,<br />
Berufsorientierung von der Grundschule an,<br />
Arbeitslehre als Pflichtfach für alle Schüler etc. etc)<br />
könnte die Zahl der Abgänger ohne Schulabschluss<br />
drastisch verringert werden.<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Bundesagentur für Arbeit: Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife, März 2009<br />
Schaub/Zenke: Wörterbuch der Pädagogik, DTV 2000<br />
Vergl. Dobischat u.a. S. 36<br />
Eckhart Severing: Übergänge mit System? Vortrag anlässlich einer<br />
Veranstaltung zum regionalen Übergangsmanagement in Hamburg am<br />
27. April 2009<br />
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Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>