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Manfred Triebe<br />

Das Märchen von der fehlenden Ausbildungsfähigkeit<br />

„Generation kann nix“ war in der Welt online vor<br />

einiger Zeit zu lesen. „Werden unsere Jugendlichen<br />

immer dümmer?“ fragen die Medien, wenn Unternehmensverbände<br />

die mangelnde Ausbildungsfähigkeit<br />

der aktuellen Schulabgänger beklagen.<br />

Auch die Bundesregierung äußert sich im Berufsbildungsbericht<br />

2010 besorgt über die mangelnde<br />

Ausbildungsreife vieler Jugendlicher. Nach wie vor<br />

verließen zu viele die Schule ohne Abschluss. Jeder<br />

fünfte Ausbildungsvertrag (21,5 %) werde vorzeitig<br />

wieder gelöst.<br />

„Die Jugendlichen lieben heutzutage den Luxus. Sie<br />

haben schlechte Manieren und verachten die Autorität,<br />

haben keinen Respekt vor älteren Menschen und<br />

surfen mit ihrem I-Phone, wo sie arbeiten sollten.<br />

Sie stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer<br />

betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die<br />

Beine übereinander und tyrannisieren ihre Ausbilder.“<br />

Dieses nur geringfügig gekürzte und von mir<br />

aktualisierte Zitat wird Sokrates zugeschrieben.<br />

Ähnlich klingende Beurteilungen der jeweils heranwachsenden<br />

Generation finden sich bei den Römern,<br />

Martin Luther, im 19. Jahrhundert („Jugendliche<br />

zeigen ein fortwährendes Ansteigen der Ansprüche,<br />

aber kein wachsendes Gefühl für Verantwortlichkeit<br />

für redliche Erfüllung der Pflichten ...“) bis in unsere<br />

Tage.<br />

Man könnte die Klagen über die mangelnden Fähigkeiten<br />

unserer Jugendlichen als übliches Lamentieren<br />

der älteren Generation abtun und zur<br />

Tagesordnung übergehen. Allerdings ist diese Art<br />

von „Kampagnen“ selbst in einer Zeit eines sich<br />

abzeichnenden gravierenden Fachkräftemangels<br />

von interessierter Seite lanciert. Parallel dazu werden<br />

Unsummen ausgegeben, um durch ein staatlich<br />

organisiertes, aber überwiegend privat durchgeführtes<br />

Netz von unzähligen Bildungsträgern seit<br />

Jahren daran zu arbeiten, in einem sog. beruflichen<br />

Übergangssystem diesem vorgeblichen Mangel abzuhelfen<br />

- mit fraglichem Erfolg, wie einer Pressemitteilung<br />

des DIHK (Deutscher Industrie- und<br />

Handelskammertag) vom April 2011 zu entnehmen<br />

ist: „Zur Realität auf dem Ausbildungsmarkt gehört<br />

auch 2011, dass nach wie vor zu viele Jugendliche<br />

nicht ausbildungsfähig sind“.<br />

Was ist also dran an diesen Sprüchen? Und was ist<br />

eigentlich unter Ausbildungsfähigkeit oder Ausbildungsreife<br />

zu verstehen?<br />

Zunächst gibt es keine klare Abgrenzung der Begriffe<br />

„Ausbildungsfähigkeit“ und „Ausbildungsreife“.<br />

Sie werden oft synonym benutzt. Ich gehe deshalb<br />

davon aus, dass sie Gleiches oder Ähnliches meinen.<br />

Von der Hans-Böckler-Stiftung beauftragte Wissenschaftler<br />

haben in einer aktuellen Untersuchung den<br />

Hintergrund dieser in Zyklen ständig wiederkehrenden<br />

Debatte und den Begriff der Ausbildungsreife/<br />

Ausbildungsfähigkeit untersucht. Dabei förderten sie<br />

interessante Hintergründe zu Tage. Vier Fragestellungen<br />

waren der Rahmen für die Untersuchung 1 .<br />

Ich greife hier nur 3 heraus:<br />

1. Lässt sich das Konstrukt „Ausbildungsreife“ wissenschaftlich<br />

begründen?<br />

2. Welche Aussagen lassen sich auf Basis empirischer<br />

Studien zur „Ausbildungsreife“ der Jugendlichen<br />

treffen?<br />

3. Welche politische Funktion erfüllt die Debatte um<br />

„Ausbildungsreife“ und welche dahinter stehenden<br />

Probleme werden dadurch kaschiert?<br />

Zu 1.: Eine zentrale Aussage der Untersuchung<br />

heißt: „Die Ergebnisse machen ... deutlich, dass es<br />

sich bei dem Schlagwort Ausbildungsreife um einen<br />

äußerst diffusen … Begriff handelt, der sich einer<br />

wissenschaftlichen Untersuchung entzieht.“ Ähnliche<br />

Aussagen lesen wir bei anderen Autoren.<br />

Eine Definition von Ausbildungsfähigkeit findet<br />

sich im Wörterbuch der Pädagogik von Schaub/<br />

Zenke (DTV 2000.), ein Kriterienkatalog für die<br />

1<br />

Rolf Dobischat, Gertrud Kühnlein, Robert Schurgatz: Ausbildungsreife –<br />

ein umstrittener Begriff beim Übergang Jugendlicher in eine Berufsausbildung,<br />

Arbeitspapier 189 der Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, Mai <strong>2012</strong><br />

58<br />

Forum Arbeitslehre 9 Arbeitslehre Werkstätten Nov <strong>2012</strong>

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