Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />
der Panzerbataillone 153 und 154<br />
(Westerburg) führten dem Kanzler auf<br />
dem Standortübungsplatz Gefechtsausschnitte<br />
vor. Später sprach Kohl<br />
mit einzelnen <strong>Soldaten</strong> und fragte<br />
nach ihren beruflichen Wünschen.<br />
Dann überreichte General Glanz dem<br />
Kanzler das schwarze Barett der Panzertruppe.<br />
Am 1. Juli 1983 traf Bundeskanzler<br />
Kohl anlässlich einer Veranstaltung<br />
in Freiburg beim Aufklärungsgeschwader<br />
51 „Immelmann“ unter<br />
Oberst Manfred Purucker in Bremgarten<br />
ein und nutzte seinen kurzen<br />
Aufenthalt zum Gespräch mit einigen<br />
<strong>Soldaten</strong>. Im September 1983 besuchte<br />
der Kanzler die Heeresübung<br />
„Wehrhafte Löwen“ des III. Korps<br />
unter Generalleutnant Mack. An dem<br />
Manöver nahmen etwa 42.500 <strong>Soldaten</strong><br />
teil, darunter 3.500 Angehörige<br />
der 1. Brigade der 3. (US) Panzerdivision<br />
und ein belgischer Verband.<br />
Übungstruppe Blau war die 5. Panzerdivision<br />
(Diez), Übungstruppe Rot die<br />
2. Panzergrenadierdivision (Kassel),<br />
und der Leitungs- und Schiedsrichterdienst<br />
wurde von der 12. Panzerdivision<br />
(Veitshöchheim) gestellt. Die<br />
Luftwaffe beteiligte sich im Rahmen<br />
der NATO-Übung „Cold Fire“. Die<br />
Operationen fanden überwiegend in<br />
Nordhessen statt. Kohl besichtigte u..<br />
das Panzergrenadierbataillon 52 aus<br />
Rotenburg (Fulda) unter Oberstleutnant<br />
Conrad. Einen Monat später, am<br />
19. Oktober 1983, stattete Bundeskanzler<br />
Helmut Kohl dem Marinefliegergeschwader<br />
(MGF) 1 im schleswigholsteinischen<br />
Jagel einen Besuch<br />
ab. Er wurde durch Verteidigungsminister<br />
Wörner, Vizeadmiral Ansgar<br />
Bethge (1924-2008), den Inspekteur<br />
der Marine und Vizeadmiral Günter<br />
Fromm (* 1924), den Befehlshaber<br />
der Flotte begleitet und vom Kommodore,<br />
Kapitän zur See Klaus Wewetzer,<br />
begrüßt. 1992 besuchte Kohl das<br />
Geschwader ein zweites Mal, aber nur<br />
für einen Zwischenstopp.<br />
In der im Parlament, Medien und<br />
Öffentlichkeit erbittert geführten<br />
Nachrüstungsdebatte, deren Gegner<br />
mit Geld aus Ost-Berlin massiv unterstützt<br />
wurden, blieb Kanzler Kohl<br />
standhaft. Dabei hätte er es sich leicht<br />
machen und die Verantwortung auf<br />
die Entscheidung Schmidts abwälzen<br />
können. Am 21. November 1983 diskutierte<br />
der Bundestag darüber und<br />
sprach sich einen Tag später mit deutlicher<br />
Mehrheit für die Nachrüstung<br />
aus. Zu Recht stellt Kohl fest, dass es<br />
im Falle einer Ablehnung nicht zur<br />
Wiedervereinigung gekommen wäre. 55<br />
Kein Regierungschef hat öfter als<br />
Kohl die zweijährig stattfindenden<br />
Besprechungen der Spitzenmilitärs<br />
besucht: Auf insgesamt fünf Kommandeurtagungen<br />
der Bundeswehr<br />
(1984 in Travemünde, 1988 in Würzburg,<br />
1991 in Bonn, 1992 in Leipzig<br />
und 1997 in Berlin) war Kanzler Kohl<br />
als Ehrengast. Auch dies belegt sein<br />
Interesse und seine Wertschätzung<br />
für die Bundeswehr. Erstmals nahm<br />
er am 15. Februar 1984 – gerade von<br />
einer Moskau-Reise zurückgekehrt<br />
– als Gast an der 27. Kommandeurtagung<br />
der Bundeswehr unter Generalinspekteur<br />
Altenburg im Kurhotel<br />
„Maritim“ in Travemünde teil.<br />
Zu Beginn seiner Rede nahm er aus<br />
aktuellem Anlass zu den „Ereignissen,<br />
die uns alle, nicht zuletzt mich<br />
selbst, aber auch Sie in der Bundeswehr<br />
… sehr bewegt haben“, Stellung<br />
– dem „Fall Kießling“. Die Affäre um<br />
den angeblich homosexuellen General<br />
und die dilettantische und unfaire<br />
Behandlung seitens des Ministers und<br />
seines Umfeldes hatten die Tagespolitik<br />
der ersten Wochen des Jahres 1984<br />
überschattet. Vor den Kommandeuren<br />
stellt Kohl fest, dass Wörner „pflichtgemäß<br />
gehandelt“ und alles versucht<br />
hätte, um die Persönlichkeitsrechte<br />
Dr. Kießlings zu schützen. Ein Wort<br />
des Bedauerns gegenüber Kießling,<br />
der an der Tagung nicht teilnahm,<br />
fiel hingegen nicht. 56 Im zweiten Teil<br />
seiner Rede skizzierte der Kanzler<br />
seine Sicherheitspolitik vor dem Hintergrund<br />
des NATO-Nachrüstungsbeschlusses.<br />
In seinen Erinnerungen schreibt<br />
Kohl, dass auch er „… den Beteuerungen<br />
des Generals nicht glaubte.“<br />
57<br />
Diese Aussage erstaunt, weil er<br />
Kießling nicht persönlich kannte.<br />
Überdies wirft dies ein bezeichnendes<br />
Licht auf die Stellung der Bundes-<br />
55 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982-<br />
1990, S. 201 f.<br />
56 Kohl hat Kießling auch später zu keinem<br />
Gespräch empfangen.<br />
57 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982-1990<br />
Kapitel „Kein Sicherheitsrisiko“, S. 236 f.<br />
wehr im Staat, wenn der Regierungschef<br />
einen seiner drei ranghöchsten<br />
Offiziere nicht persönlich kennt. 58<br />
„Er hatte auch nichts getan, um diesem<br />
Mangel abzuhelfen“, schreibt<br />
Kießling. 59<br />
Doch dann wandte sich das Blatt:<br />
„Was als ‚Fall Kießling‘ begonnen<br />
hatte, war … zum ‚Fall Wörner‘ geworden.“<br />
60 Als im Frühjahr offenkundig<br />
geworden war, dass die Vorwürfe<br />
gegen Kießling haltlos waren, stellte<br />
Kohl in einer Pressekonferenz am 1.<br />
Februar – zwei Wochen vor der Kommandeurtagung<br />
– klar, dass Fehler<br />
gemacht wurden. „Richtig ist, dass<br />
es eine Fehlentscheidung war, den<br />
Vier-Sterne-General … in den einstweiligen<br />
Ruhestand zu versetzen. …<br />
General Kießling hat bittere Wochen<br />
durchmachen müssen, aber auch für<br />
Manfred Wörner war dies eine Zeit, an<br />
die er lange in seinem Leben zurückdenken<br />
wird.“ 61<br />
Wörner bot mehrfach seinen<br />
Rücktritt an. Doch der Kanzler behielt<br />
seinen Verteidigungsminister<br />
gegen den eindringlichen Rat seiner<br />
engsten Mitarbeiter, seiner Parteifreunde<br />
62 und gegen die öffentliche<br />
Meinung im Amt: „Damals im parlamentarischen<br />
Untersuchungsausschuss<br />
wurde der Bundeskanzler aufgefordert,<br />
dieses Rücktrittsgesuch zu<br />
präsentieren -… : Er wusste nichts<br />
anderes zu sagen, als er habe dieses<br />
Rücktrittsgesuch in den Papierkorb<br />
geworfen. So dürfte kein Disziplinarvorgesetzter<br />
… mit seiner Verantwortung<br />
umgehen.“ 63<br />
In seinen „Erinnerungen“ argumentiert<br />
Kohl politisch: „Ich war der<br />
Überzeugung, dass ein derart qualifizierter,<br />
engagierter und kenntnisrei-<br />
58 Bei Kohls Amtsübernahme 1982 gab<br />
es in der Bundeswehr drei Vier-Sterne-<br />
Generale: Generalinspekteur Altenburg,<br />
Dr. Kießling und General Chalupa, den<br />
Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte<br />
Mitteleuropa.<br />
59 Kießling, Günter: Versäumter Widerspruch,<br />
S. 135.<br />
60 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982-<br />
1990, S. 237.<br />
61 a.a.O., S. 238.<br />
62 Auch der bayerische Ministerpräsident<br />
Strauß hatte Wörners Ablösung empfohlen.<br />
63 General a.D. Dr. Kießling am<br />
15.09.2008 in einem Interview mit<br />
Deutschlandradio Kultur.<br />
52 AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010