04.11.2014 Aufrufe

Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

Auftrag_277_150dpi.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KIRCHE UNTER SOLDATEN<br />

AUFTRAG <strong>277</strong> • MÄRZ 2010<br />

dern) mitbrachten. Ich konnte wiederholend feststellen,<br />

dass für meine Eltern Vertrauen in Gott kein leerer Begriff,<br />

sondern eine lebendige Wirklichkeit war, die sie nicht irgendwohin<br />

nach oben entrückte, sondern ihre Kraft im<br />

Alltag bestätigte.<br />

Ich bezweifle, dass meine Eltern mit einem solchen Lob<br />

einverstanden wären, sie schätzten sich sicher nicht als<br />

Helden oder Superchristen, sie hatten selbstverständlich<br />

ihre Fehler und Begrenzungen und mussten ihre Entscheidung<br />

für ein Leben aus Glauben mit seinen Konsequenzen<br />

und innere und äußere Wahrhaftigkeit erneut durchringen.<br />

Vielleicht kann ich jetzt einige Punkte summarisiert<br />

unterstreichen, die für mich in unserer Familie besonders<br />

wichtig waren:<br />

Glaube, der seine Grundlage kennt. In der Schule<br />

hörte ich wiederholt und eigentlich wurde überall betont,<br />

dass es hier eine sogenannte wissenschaftliche Weltanschauung<br />

gebe, die einzig richtig sei. Die Wissenschaft<br />

habe bewiesen, dass es einen Gott nicht geben kann und<br />

es sei sicher, dass Religion verschwinden werde. Ich weiß,<br />

dass diese Ansichten auch im Westen existierten, aber bei<br />

uns war es eine offizielle Doktrin. Darum war es so wichtig,<br />

gute Informationen zu haben. Mein Vater diskutierte<br />

mit uns Kindern systematisch religiöse Themen und wir<br />

konnten wahrnehmen, dass diese Frage gar nicht endgültig<br />

gelöst ist, dass hier viele gebildete Christen waren und<br />

sind, die den Glauben reflektierten, die keine Angst vor<br />

schweren Problemen hatten und dass es gute Gründe, sogar<br />

sehr gute Gründe für den christlichen Glauben noch<br />

immer gebe. Und wir stellten fest, dass im Gegenteil die<br />

kommunistische Doktrin keine wirkliche Fragen und kein<br />

kritisches Denken erlaubt.<br />

Wahrhaftigkeit des Lebens. Eine Theorie mag schön<br />

sein, aber was gilt, ist konkretes Leben. Ein junger Mensch<br />

konnte in siebziger und achtziger Jahren deutlich beobachten,<br />

dass in der Gesellschaft immer etwas vorgespielt<br />

wurde. Es wurde anders gedacht und anders in der Öffentlichkeit<br />

gesprochen und das verursachte eine seltsame,<br />

bedrängte Stimmung. Und dabei sollten wir uns beinahe<br />

an der Schwelle des Paradieses befinden! Zum Glück<br />

konnte ich nicht nur bei meinen Eltern spüren, dass das<br />

Leben aus dem Glauben anspruchsvoll ist, aber zur inneren<br />

Freiheit führt. Das, worüber meine Eltern sprachen,<br />

bemühten sie sich auch zu leben. Gebet bedeutete keine<br />

Ausrede für Untätigkeit, sondern einen Impuls für Handeln.<br />

Und Glauben war keine Summe von toten Lehrsätzen,<br />

sondern vor allem ein lebendiges Verhältnis zu Jesus<br />

Christus, das Konsequenzen fürs Leben hat.<br />

Die Wirklichkeit, dass ich mich bemühe, gut zu leben,<br />

bedeutet nicht, dass ich die anderen verurteilen kann. Ich<br />

muss zugeben, dass ich, besonders als Teenager, nicht fähig<br />

war, diese Einstellung wirklich zu schätzen. In diesem<br />

Alter sieht man ziemlich schwarzweiß und ich war sehr<br />

kritisch gegenüber Kommunisten und auch denen, die<br />

sich mit ihnen irgendwie verstrickt hatten. Wie Sie vielleicht<br />

gehört haben, gab es bei uns eine Priesterorganisation<br />

genannt Pacem in terris (es war ein Missbrauch von<br />

Benennung einer Enzyklika vom Papst Johannes XXIII),<br />

die mit dem Regime kollaborierte. Zum Beispiel der Dechant<br />

von der Stadt Třebíč, wo ich geboren wurde und<br />

aufgewachsen bin, war ein wichtiges Mitglied in dieser<br />

Organisation. Meine Eltern waren damit natürlich nicht<br />

einverstanden und obwohl wir zu einer anderen Pfarrgemeinde<br />

gehörten, wurde uns aus Sicherheitsgründen<br />

klar gesagt, dass er gewisse Sachen nicht wissen durfte,<br />

dass es leider besser sei, ein Treffen mit ihm zu vermeiden.<br />

Aber sie verurteilten ihn als Menschen nie und verzichteten<br />

auf endgültige Urteile. Wenn er während meiner<br />

Gymnasienjahren plötzlich starb und ich dazu einen<br />

nicht zuviel passenden Kommentar hatte, wurde mir klar<br />

gesagt, dass ich lieber schweigen sollte. Erst allmählich<br />

lernte ich, dass die Wirklichkeit, und vor allem ein Geheimnis<br />

eines Menschen, nie schwarzweiß ist. Leider<br />

muss ich bemerken, dass diese große Versuchung und<br />

Vereinfachung (im Sinne „wir sind gut und die anderen<br />

sind schlecht“) einige Gläubige, die früher sehr mutig waren,<br />

in sich haben und jetzt, wenn es keine klare Fronten<br />

mehr gibt, nach verschiedenen Feinden suchen und als<br />

solche auch die Christen betrachten, die nicht dieselben<br />

Meinungen wie sie haben.<br />

Vielleicht die wichtigste Sache – Glaube, der mit einer<br />

Freude am Leben verbunden ist. Von der kommunistischen<br />

Propaganda wurde wieder und wieder betont, das<br />

Christentum sei lebensfeindlich, weil es mit einem Leben<br />

nach dem Tode rechnet und dadurch dieses irdische<br />

Leben entwertet. Der Glaube solle dazu dienen, die unterdrückten<br />

Werktätigen zu beruhigen, sie durch falsche<br />

Hoffnungen von revolutionären Aktivitäten abzuwenden.<br />

Wir Christen müssen leider zugeben, dass es gewisse Spiritualitäten<br />

geben, die zu Geringschätzung von dieser Welt<br />

und diesem Leben geneigt sind. Auch heute kann man die<br />

Ablehnung einer solchen Einstellung sehen: „God does<br />

not exist. Enjoy your life. – Einen Gott gibt es nicht. Genieße<br />

dein Leben.“ Es war für mich wahnsinnig wichtig,<br />

das ich erfassen konnte, dass meine Eltern (und auch andere<br />

Christen) das Leben liebten, dass sie fähig waren, die<br />

Schönheit von Natur und menschlichen Werken zu sehen<br />

und zu genießen, dass ihr Glauben ihnen Lust am Leben<br />

und eine positive Einstellung zu anderen Leuten brachte.<br />

Wie Sie sehen können, das Leben meiner Eltern war<br />

für mich wirklich ein Glaubenszeugnis. Aber auch<br />

ich war in meiner Reifezeit Elternkritisch, auch ich suchte<br />

nach meinem eigenen Lebensweg. Wie allgemein bekannt<br />

ist, sind in diesem Alter vor allem Zeitgenossen und<br />

Vorbilder von Bedeutung. Auch in jener Zeit entstanden<br />

verschiedene Jugendkreise und andere Bewegungen, die<br />

sich bemühten, den Glauben der Jugendlichen zu entfalten<br />

und sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Aktivitäten<br />

waren aber damals inoffiziell, de facto verboten und mit<br />

einem Risiko verbunden, besonders für die, die sie leiteten.<br />

Einerseits bedeutete das, dass viele Angst hatten, an<br />

diesen Tätigkeiten teilzunehmen, anderseits lag darin für<br />

uns auch Attraktivität, wir machten etwas, was verboten<br />

und ein bisschen gefährlich war, wir gingen nicht mit der<br />

Menge, wir waren auf der richtigen Seite. Vielleicht war<br />

es für uns damals einfacher, sich für das Christentum zu<br />

entscheiden, als jetzt, wo es so viele, oft interessante Angebote<br />

und Lebensweisen gibt.<br />

59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!