physio-Journal I 2/2014
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TITELTHEMA<br />
WORKSHOP<br />
LUMBALGIE<br />
GYNÄKOLOGIE<br />
Fotolia © ArTo<br />
Text: Verena Gesing<br />
Befund<br />
Anamnese<br />
Eine Patientin kommt in die Praxis mit einem<br />
Rezept mit der Diagnose Lumbalgie und einer<br />
Verordnung für 6 x KG. Die Frau ist 38<br />
Jahre alt, Mutter von 2 Kindern (6 und 9<br />
Jahre alt) und geht einer beruflichen Tätigkeit<br />
als Bankkauffrau nach, bei der sie überwiegend<br />
sitzend tätig ist. Sie hat seit der<br />
Geburt ihres ersten Kindes rezidivierende<br />
Rückenschmerzepisoden.<br />
Zur Zeit sind die Rückenschmerzen wieder<br />
verstärkt vorhanden (durchschnittliche<br />
Schmerzen NRS 7/10). An ein auslösendes<br />
Ereignis kann sich die Patientin nicht erinnern.<br />
Schmerzverstärkend wirkt sich Sitzen,<br />
Drehen im Bett und Aufstehen aus der<br />
Rückenlage aus, zudem Treppen steigen<br />
oder längere Episoden im Einbeinstand. Die<br />
Schmerzen sind vor allem im Bereich des ISG<br />
vorhanden und gehen nicht nach kranial<br />
über die SIPS hinaus. Die Schmerzstärke ist<br />
nicht abhängig vom Tagesverlauf, sondern<br />
lediglich von den schmerzprovozierenden<br />
Asten, das heißt er ist mechanisch provozierbar.<br />
Die Rückenschmerzen an sich stellen für<br />
die Patientin das größte Problem dar, da sie<br />
sich in ihrem Alltag stark eingeschränkt fühlt<br />
und nicht mehr ihren gewohnten Tagesabläufen<br />
nachgehen kann. Zudem ist sie zur<br />
Zeit krank geschrieben, da ihr das Sitzen im<br />
Moment unzumutbare Schmerzen bereitet.<br />
Auch wird sie z. B. mehrmals in der Nacht<br />
wach, weil sie, wenn sie sich im Bett dreht,<br />
durch die Schmerzen wach wird.<br />
Bei Nachfrage, ob sie evtl. seit der<br />
Schwangerschaft Probleme mit ihrem Beckenboden<br />
hat, gibt sie an, dass sie seit der<br />
ersten Schwangerschaft schon Probleme<br />
hatte, bei Druckerhöhungen (z. B. durch<br />
Husten, Niesen und Pressen) das Wasser zu<br />
halten (Stressinkontinenz Grad 1). Die Problematik<br />
hat sich so zunehmend verstärkt,<br />
dass sie Situationen wie z. B. Trampolinspringen,<br />
Rennen, Hüpfen etc. meidet.<br />
Die Patientin macht hin und wieder<br />
Sport, immer wenn die Rückenschmerzen<br />
verstärkt auftreten, neigt sie eher zur Schonung<br />
als zur Inaktivität. Weitere Hobbies<br />
sind familiäre Aktivitäten wie Fahrrad fahren,<br />
Gartenarbeit, Spielen mit den Kindern,<br />
etc.<br />
Klinische Tests<br />
Zunächst wird der Beckengürtel auf Instabilität<br />
getestet. Da Beweglichkeitstests nicht<br />
empfehlenswert sind, um eine Beckengürtelinstabilität<br />
nachzuweisen oder auszuschließen,<br />
wird auf Schmerzprovokationstests<br />
zurückgegriffen. In Studien konnte<br />
allerdings gezeigt werden, dass Tests, die<br />
versuchen, die Beweglichkeit des ISG zu untersuchen,<br />
nicht zuverlässig sind. So konnten<br />
Bewegungstests nicht reliabel zeigen, in<br />
welcher Stellung das ISG steht. Das heißt,<br />
dass unterschiedliche Untersucher zu unterschiedlichen<br />
Ergebnissen kamen. Hinzu<br />
kommt, dass das ISG bei allen Probanden<br />
ein wenig anders stehen kann, ohne das<br />
dies als pathologisch zu werten ist. Somit<br />
sind diese Tests auch nicht valide. Wenn<br />
Probanden jedoch Schmerzen in diesem<br />
Bereich haben und diese mit speziellen<br />
Schmerzprovokationstests für das ISG provoziert<br />
werden können, kann man relativ<br />
sicher sein, dass das ISG auch betroffen ist.<br />
Von den Schmerzprovokationstests müssen<br />
mindestens 3 von 5 positiv sein, um eine ISG<br />
Problematik nachzuweisen.<br />
Folgende Tests werden durchgeführt:<br />
Sacral Thrust<br />
positiv<br />
Thigh Thrust<br />
positiv<br />
Distraktionstest<br />
positiv<br />
Kompressionstest (SL) negativ<br />
Drop Test<br />
positiv<br />
Wann ist ein ISG-Test als positiv zu werten?<br />
Genau dann, wenn er die Schmerzen der<br />
Patientin reproduzieren kann, also wenn der<br />
Schmerz, der provoziert wird, der typische<br />
Schmerz ist, den die Patientin kennt.<br />
Die durchgeführten Tests zeigen, dass<br />
die Schmerzen von einer Instabilität im ISG<br />
herrühren können. Um ganz sicher zu gehen,<br />
müssen im weiteren Verlauf zusätzliche<br />
Tests ausschließen, dass die Schmerzen<br />
nicht durch angrenzende Strukturen (Hüfte,<br />
LWS) ausgelöst werden.<br />
Zusätzliche Klinische Tests<br />
Durch die Angaben der Patientin, dass sie<br />
schon zwei Schwangerschaften hatte und<br />
die Rückenschmerzen seitdem bestehen,<br />
wäre es auch empfehlenswert zu testen, ob<br />
bei der Patientin noch eine Rektusdiastase<br />
vorhanden ist. Dies ist eine häufige Komplikation,<br />
da in der Nachsorge nach einer<br />
Schwangerschaft nicht konsequent darauf<br />
geachtet wird, dass die Rektusdiastase sich<br />
wieder zurückbildet.<br />
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