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physio-Journal I 2/2014

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VORGESTELLT<br />

die Mittagszeit kann es einem dann schon<br />

mal warm werden, was jedoch nur so lange<br />

anhält, wie die Sonne da ist.<br />

Auch der Weg zu meiner Einsatzstelle<br />

ist mit fünf Minuten ein Steinwurf von meinem<br />

Wohnort entfernt. Zu verdanken habe<br />

ich das meiner Gastfamilie, mit der ich hier<br />

zusammenleben darf. Wenn ich Gastfamilie<br />

sage, dann meine ich meine Gast Mama<br />

Vicky und ihren 28 Jahre alten Sohn Julio.<br />

Er leidet seit nun mehr als 8 Jahre an der<br />

Krankheit »Myelitis Transversa«. Hierbei<br />

handelt es sich um eine Infektion des Körpers<br />

(vermutlich ein Virus oder aber TBC),<br />

die das Rückenmark befallen hat, weshalb<br />

Julio seit dem 20. Lebensjahr querschnittsgelähmt<br />

ist und seit zwei Jahren den ganzen<br />

Tag in seinem Bett liegt, da er aufgrund seiner<br />

neuropathischen Schmerzen nicht mehr<br />

sitzen kann.<br />

Aus diesem Grund muss ihn seine Mutter<br />

rund um die Uhr pflegen. Nebenbei betreut<br />

sie tagsüber in unserem Haus Kinder aus<br />

der Nachbarschaft, deren Eltern arbeiten<br />

gehen müssen. Neben Julio hat Vicky noch<br />

eine Tochter namens Fanny sie ist 26 Jahre<br />

alt, wohnt jedoch aufgrund ihres Studiums<br />

in einem anderen Stadtteil bei ihrer Tante<br />

und besucht uns hin und wieder an den<br />

Wochenenden. Was die gesundheitliche<br />

Situation von Julio angeht, war einiges im<br />

Wandel und die Hoffnungen sind sehr groß,<br />

dass sich vielleicht etwas ändern könnte, da<br />

am 02.12.2013 wie aus heiterem Himmel<br />

ein <strong>Journal</strong>ist mit einem Kamerateam bei<br />

uns im Haus war, um die Geschichte von<br />

Julio publik zu machen. Denn damit Julio<br />

sich seine Medikamente leisten kann, stellt<br />

er u. a. kleine Stoffelefanten (Stückpreis<br />

4 Sol = € 1,07 ) her, die eine Frau in Spanien<br />

dann verkauft. Diesbezüglich könnt ihr auch<br />

gerne folgenden Begriff bei Facebook suchen<br />

(Bisuteria y Confecciones Suarez). Und<br />

so haben wir uns am 12.12.2013 hoffnungsvoll<br />

losgemacht um eine neue Evaluation<br />

seiner Krankheit durch durchzuführen. Die<br />

Erkenntnisse daraus waren jedoch eher ernüchternd<br />

und lauteten so viel wie, er müsse<br />

mit den neuropathischen Schmerzen leben<br />

und hier in Peru könne man mit den zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln für ihn ohnehin<br />

nichts machen, dazu müsste er sich schon in<br />

ein Land wie Amerika ausfliegen lassen und<br />

dort behandeln lassen.<br />

Das Haus, in dem wir leben, würde man<br />

nach deutschen Verhältnissen als Schrebergartenhütte<br />

einstufen. Die Fassaden<br />

sind aus Holz, das Dach besteht aus Wellblech-/Eternitplatten.<br />

Mein Zimmer, in dem<br />

ich schlafe (mittlerweile habe ich auch ein<br />

Fenster), sowie die Dusche wurden eigens<br />

für mich gebaut und befinden sich im »Hinterhof/ehemals<br />

Garten« des Hauses. Als ich<br />

ankam, gab es in meinem Bad eine Toilette<br />

und eine Dusche, bei der es jedoch keinen<br />

Vorhang und nichts gab. Dies hat sich im<br />

Laufe der Zeit geändert und mittlerweile<br />

habe ich sogar ein Waschbecken in meinem<br />

Bad.<br />

Es ist kaum zu glauben, wie warm doch<br />

kaltes Wasser sein kann, denn in meiner Anfangszeit<br />

habe ich gelernt, wie egal es sein<br />

kann, welche Temperatur das Wasser hat,<br />

ob man Licht zum Duschen hat oder nicht<br />

– denn Stromausfälle sind hier auch keine<br />

Seltenheit – oder aber, ob das Wasser ausbleibt.<br />

Ein weiterer Höhepunkt sollte mein<br />

erstes Mal Wäschewaschen werden. Denn<br />

nicht nur, dass es kein warmes Wasser gibt,<br />

nein ich darf meine Wäsche auch von Hand<br />

waschen. Und so durfte ich lernen, wie<br />

viel Zeit, das sonst eher banale Wäschewaschen<br />

in Anspruch nehmen kann. Doch<br />

damit nicht genug, denn aufgrund der hohen<br />

Luftfeuchte habe ich beim ersten Mal<br />

waschen meine Wäsche sage und schreibe<br />

sieben Tage getrocknet.<br />

Nichts desto trotz bin ich sehr froh über und<br />

mit meiner Gastfamilie, die beiden haben<br />

sich von Anfang an sehr viel Mühe mit mir<br />

gegeben und mittlerweile sind wir ein sehr<br />

gut eingespieltes Team.<br />

Mein Umfeld/Leben/Alltag<br />

Wie das so ist, wenn man irgendwo neu<br />

ist, so brauchte es auch hier seine Zeit, bis<br />

ich meinen Alltag hatte. Angefangen von<br />

meiner Freizeitgestaltung, bei der sich der<br />

Hauptteil um Sport drehte, konnte ich mich<br />

nicht mehr einfach so mit meinem Fahrrad<br />

auf eine Tour begeben, wie es für mich in<br />

Deutschland selbstverständlich war. Und so<br />

habe ich meinen Bewegungsdrang dahingehend<br />

gestillt, dass ich laufen gehe. Doch so<br />

leicht ist dies leider auch nicht, denn auf den<br />

Straßen wimmelt es gerade nur so von Hunden,<br />

die nicht wie in Deutschland angeleint<br />

sind und dem man etwa ein Herrchen zuweisen<br />

könnte, sondern die Hunde rennen<br />

hier frei auf der Straße herum und sehen teilweise<br />

aus wie wandelnde Leichen. Dennoch<br />

habe ich mich nicht so einfach unterkriegen<br />

lassen und bin laufen gewesen. Doch eines<br />

Tages sollte es dann doch passieren. Ich war<br />

wie gewohnt unterwegs und wie gewohnt<br />

haben mich auf meiner Strecke einige<br />

Hunde angebellt und auch ein Stück verfolgt.<br />

Dieses Mal schien ich jedoch an einen<br />

wahnsinnigen Boss der Hundemafia gelangt<br />

zu sein. So absurd es klingt, aber es gibt hier<br />

22 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>

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