physio-Journal I 2/2014
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TITELTHEMA<br />
Beckengürtelschmerzen und Rückenschmerzen empfohlen<br />
werden können. In ihrer Arbeit unterscheiden sie zwischen<br />
unspezifischen Schmerzen und Beschwerden, die im Zusammenhang<br />
mit einer Schwangerschaft stehen. Um zu einer<br />
Empfehlung zu gelangen, hat das Forscherteam verschiedene<br />
Datenbanken systematisch durchsucht und vorhandene<br />
Studien und Reviews zusammengefasst. Aufgrund der Recherche<br />
kommen sie in der Leitlinie zu der Empfehlung, bei<br />
schwangerschaftsbedingten Rückenschmerzen aktive Übungen<br />
während der Schwangerschaft durchzuführen. Allerdings<br />
bekommen wir keine genauen Angaben dazu, wie die Übungen<br />
aussehen sollen. Um genauere Informationen und auch<br />
neuere Erkenntnisse zu erhalten, was die aktiven Übungen<br />
beinhalten sollten, schauen wir uns in den medizinischen Datenbanken<br />
nach Studien zum Thema Übungen während der<br />
Schwangerschaft um. Bei PubMED finden wir unter den Suchbegriffen<br />
»exercises«, »low back pain«, »pelvic girdle pain«<br />
und »pregnancy« mehrere Studien und auch ein Review mit<br />
dem Titel »Effectiveness of Stabilising Exercise in Pregnancy-<br />
Associated Lumbar-Pelvic Pain«. Da ein Review immer mehrere<br />
wissenschaftliche Arbeiten zusammenfasst und umschreibt,<br />
ist es sinnvoll, dieses als erstes zu lesen. Die Autoren kommen<br />
nach Zusammenfassung der eingeschlossenen Studien<br />
zu dem Ergebnis, dass Physiotherapie und insbesondere stabilisierende<br />
Übungen schwangerschaftsbedingte Rücken- und<br />
Beckengürtelschmerzen zu lindern scheinen. In einem großen<br />
Teil der untersuchten Studien, die einen positiven Effekt von<br />
Übungen vermerkten, wurden als Intervention der M. transversus<br />
und der M. multifidus trainiert. Allerdings sind die Studien<br />
bei der Ausführung der Übungen sehr unterschiedlich,<br />
weswegen keine genauen Angaben zur Dauer und Umfang<br />
gemacht werden können. So reichte die Behandlungszeit z. B.<br />
von einer Woche bis zu 5 Monaten.<br />
Für unsere Patientin lässt sich anhand des Reviews und der<br />
Leitlinien schließen, dass eine Behandlung mit Training des M.<br />
transversus und des M. multifidus empfehlenswert zu sein<br />
scheint und in die Behandlung mit eingebaut werden sollte.<br />
Somit haben wir für unseren konkreten Fall einen Anhaltspunkt,<br />
wie wir weiter vorgehen können.<br />
Nun zur Frage, ob man Behandlungsempfehlungen für unspezifische<br />
Rückenschmerzen auf Schmerzen in Bezug auf<br />
die Schwangerschaft übertragen kann. Die Nationale Versorgungsleitlinie<br />
Kreuzschmerz (NVL) aus dem Jahr 2010 empfiehlt<br />
bei nichtspezifischen subakuten und chronischen Rückenschmerzen<br />
den Einsatz von Bewegungstherapie. Somit<br />
ähneln sich hier die Leitlinienempfehlungen bei nichtspezifischem<br />
Rückenschmerz und den lumbopelvinen Schmerzen<br />
während der Schwangerschaft. Allerdings geht die NVL, im<br />
Gegensatz zu der Leitlinie bei schwangerschaftsabhängigem<br />
Rückenschmerz, über die Empfehlung zur Bewegungstherapie<br />
hinaus und beschäftigt sich mit weiteren <strong>physio</strong>therapeutischen<br />
Behandlungen, wie z. B. Mobilisation und Massage.<br />
So kommt sie u. a. zu dem Ergebnis, dass die Anwendung von<br />
Ultraschall und auch Massage bei akutem nichtspezifischem<br />
Kreuzschmerz nicht verschrieben werden sollte, da ein ausreichender<br />
Wirksamkeitsnachweis fehle. Wie wirksam diese Therapieformen<br />
bei schwangerschaftsabhängigen lumbopelvinen<br />
Schmerzen sind, lässt sich aus dieser und den anderen hier<br />
beschriebenen Leitlinien nicht herausfinden. Daher ist eine<br />
generelle Übertragung der Therapieempfehlungen auf unsere<br />
Patientin nicht möglich. Allerdings wissen wir nach unserer<br />
Recherche nun, dass ein Training der lokalen lumbalen Stabilisatoren<br />
für unseren Fall zu empfehlen ist. Was die weiteren<br />
Behandlungsmöglichkeiten angeht, heißt es, die Augen offen<br />
halten und sehen, ob in naher Zukunft neue Erkenntnisse zu<br />
unserem Beschwerdebild veröffentlich werden.<br />
PRÄVALENZ<br />
Viele Frauen leiden während ihrer Schwangerschaft<br />
an lumbopelvinen Schmerzen. In einem Review<br />
zur Prävalenz kommen die Autoren zu dem Ergebnis,<br />
dass durchschnittlich ca. 45 % der Schwangeren<br />
Schmerzen im Bereich des lumbalen Rückens oder<br />
des Beckengürtels haben.<br />
M. multifidus lumborum<br />
12 <strong>physio</strong>-<strong>Journal</strong>