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Papst Benedikt XVI. - Kath.de

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J. Ratzinger, Glaube - Wahrheit - Toleranz. Das Christentum und die Weltreligionen, Freiburg-Basel-Wien 2003, 24f.<br />

Ebd., 36f.<br />

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2. Erfahrung - Ruf<br />

Der erste große Schritt <strong>de</strong>r Religionsgeschichte führte, wie Joseph Ratzinger in<br />

seinem Buch »Glaube - Wahrheit - Toleranz« (2003) darlegt, zum Übergang von <strong>de</strong>n<br />

Erfahrungen <strong>de</strong>r Primitiven zum Mythos, während <strong>de</strong>r zweite gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Ausbruch<br />

aus <strong>de</strong>m Mythos brachte, und zwar in drei Weisen: »1. In <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>r Mystik, in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Mythos als bloße symbolische Form <strong>de</strong>sillusioniert und die Absolutheit <strong>de</strong>s<br />

unnennbaren Erlebnisses aufgerichtet wird. Faktisch erweist sich die Mystik dann<br />

allerdings als mythenkonservierend, sie gibt eine neue Begründung für <strong>de</strong>n Mythos,<br />

<strong>de</strong>n sie nun als Symbol <strong>de</strong>s Eigentlichen auslegt. 2. Die zweite Form ist die <strong>de</strong>r<br />

monotheistischen Revolution, <strong>de</strong>ren klassische Gestalt in Israel vorliegt. In ihr wird<br />

<strong>de</strong>r Mythos als menschliche Eigenmacht abgewiesen. Es wird die Absolutheit <strong>de</strong>s im<br />

Propheten ergehen<strong>de</strong>n göttlichen Anrufs behauptet. Dazu kommt als drittes die<br />

Aufklärung, <strong>de</strong>ren erster großer Vollzug in Griechenland geschah: In ihr wird <strong>de</strong>r<br />

Mythos als vorwissenschaftliche Erkenntnisform überwun<strong>de</strong>n und die Absolutheit <strong>de</strong>r<br />

rationalen Erkenntnis aufgerichtet. Das Religiöse wird be<strong>de</strong>utungslos, höchstens<br />

bleibt ihm eine gewisse rein formale Funktion im Sinne eines politischen (= auf die<br />

Polis bezogenen) Zeremoniells. 3. Der dritte Weg ist erst in <strong>de</strong>r Neuzeit, ja eigentlich<br />

erst in <strong>de</strong>r Gegenwart zu seiner vollen Kraft gekommen und scheint noch immer seine<br />

eigentliche Zukunft erst vor sich zu haben. Sein Beson<strong>de</strong>res ist, daß er nicht einen<br />

Weg im Innern <strong>de</strong>r Religionsgeschichte darstellt, son<strong>de</strong>rn vielmehr <strong>de</strong>ren Beendigung<br />

will und aus ihr als aus einer überholten Sache herausführen möchte [...] Heute beruht<br />

die Wirkung Radhakrishnans und seiner Konzeption sicher nicht nur auf <strong>de</strong>ren<br />

religiöser Kraft, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>r erstaunlichen Allianz mit <strong>de</strong>m, was man heute<br />

mutatis mutandis die Kräfte <strong>de</strong>r Aufklärung nennen darf.« 7<br />

Die monotheistische Revolution konkretisiert sich nicht in einer mystischen Erfahrung,<br />

son<strong>de</strong>rn im Propheten. Hier ist nicht I<strong>de</strong>ntität gesucht, son<strong>de</strong>rn das Gegenüber<br />

<strong>de</strong>s rufen<strong>de</strong>n Gottes. Die mystische Erfahrung drückt sich in überzeitlichen Symbolen<br />

aus, während <strong>de</strong>r göttliche Anruf datierbar ist im Hier und Jetzt; hier wird Geschichte<br />

gesetzt. Gott wird nicht in einer mystischen Erfahrung geschaut, son<strong>de</strong>rn als Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r<br />

erfahren, bleibt aber selbst im Dunkel: »Wenn aber das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> nicht die<br />

eigene geistliche Erfahrung, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r göttliche Anruf ist, dann sind letzten En<strong>de</strong>s<br />

alle in <strong>de</strong>r gleichen Lage, die diesem Anruf glauben: Ein je<strong>de</strong>r ist in gleicher Weise<br />

gerufen. Während in <strong>de</strong>n mystischen Religionen <strong>de</strong>r Mystiker »erster Hand« und <strong>de</strong>r<br />

Gläubige ‘zweiter Hand’ ist, ist hier ‘erster Hand’ überhaupt nur Gott selbst. Die<br />

Menschen sind samt und son<strong>de</strong>rs zweiter Hand: Hörige <strong>de</strong>s göttlichen Rufs.« So<br />

8<br />

steht <strong>de</strong>r Glauben<strong>de</strong> nicht in einem Kreislauf <strong>de</strong>s immer Gleichen, son<strong>de</strong>rn in einer<br />

Geschichte, die für Neues offen ist, weil Gott selbst in ihr han<strong>de</strong>lt.

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