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Papst Benedikt XVI. - Kath.de

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J. Ratzinger, Aus meinem Leben. Erinnerungen, Stuttgart 1998, 78.<br />

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theologie«, wenn nach Auffassung neuscholastischer Theologen die Substanz auf Materie<br />

und Form <strong>de</strong>s Sakraments reduziert wird, in<strong>de</strong>m man lehrt: »Brot und Wein sind<br />

die Materie <strong>de</strong>s Sakraments, die Einsetzungsworte sind seine Form. Nur dies ist<br />

notwendig, alles an<strong>de</strong>re kann geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.« Mit einer solchen Auffassung<br />

wür<strong>de</strong>n »Mo<strong>de</strong>rnisten und Traditionalisten« die Liturgie als eine lebendige Ganzheit<br />

und als »lebendiges Gefüge gestaltgewor<strong>de</strong>ner Tradition« aus <strong>de</strong>m Blick verlieren.<br />

Ein pastoraler Pragmatismus wirkt sich genauso zerstörerisch auf die Liturgie aus wie<br />

ein Archäologismus, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>r ältesten Schicht <strong>de</strong>r römischen<br />

Liturgie viele überlieferten Elemente einfach als »Wucherungen« ausschei<strong>de</strong>t. Liturgie<br />

ist vielmehr etwas Lebendiges, das nicht rein »logisch nach einem rationalistisch-historischen<br />

Maßstab« verläuft. Deshalb haben die »Experten nicht das letzte<br />

Wort in <strong>de</strong>r Liturgiereform«. Nach <strong>de</strong>m II. Vatikanum hatten die Fachleute nicht selten<br />

das Sagen und die Liturgie wur<strong>de</strong> zum Experimentierfeld praktischer und pastoraler<br />

Theorien; man erkannte nicht mehr <strong>de</strong>utlich genug, daß Liturgie niemals etwas ist,<br />

was wir machen, son<strong>de</strong>rn etwas, zu <strong>de</strong>m wir hinzutreten. So gilt es, künftig stärker<br />

<strong>de</strong>n »Primat Gottes« in <strong>de</strong>r Liturgie zu sichern und in <strong>de</strong>r Art und Weise liturgischen<br />

Feierns <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />

Joseph Ratzingers Verständnis <strong>de</strong>r Liturgie ist zur Gänze nur nachvollziehbar, wenn<br />

man es in das Gesamt seiner Theologie stellt. Nach<strong>de</strong>m er über Augustinus seine Promotionsarbeit<br />

geschrieben hatte, kam er mit Gottlieb Söhngen überein, eine Habilitationsschrift<br />

über Bonaventura anzufertigen. Das Thema kam aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r<br />

Fundamentaltheologie, und zwar ging es um <strong>de</strong>n Offenbarungsbegriff <strong>de</strong>s »Doctor<br />

seraphicus«. Wur<strong>de</strong> zur Zeit <strong>de</strong>r Neuscholastik Gottes Selbsterschließung in Christus<br />

vor allem als göttliche Mitteilung <strong>de</strong>r Wahrheit verstan<strong>de</strong>n und blieb damit <strong>de</strong>m<br />

intellektuellen Vermögen <strong>de</strong>s Menschen zugeordnet, so griff <strong>de</strong>r Habilitant in seiner<br />

vorgelegten Arbeit das damals neu aufkommen<strong>de</strong> heilsgeschichtliche Verständnis <strong>de</strong>r<br />

Offenbarung auf: »Offenbarung erschien nun nicht mehr einfach als Mitteilung von<br />

Wahrheiten an <strong>de</strong>n Verstand, son<strong>de</strong>rn als geschichtliches Han<strong>de</strong>ln Gottes, in <strong>de</strong>m<br />

sich stufenweise Wahrheit enthüllt« . Dieser Ansatz war für die damalige Zeit neu.<br />

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Der Neuansatz sollte nicht nur auf <strong>de</strong>m II. Vatikanum be<strong>de</strong>utsam wer<strong>de</strong>n, er steht auch<br />

im Einklang mit <strong>de</strong>r frühchristlichen Theologie, wie sie heute noch in <strong>de</strong>r Ostkirche<br />

fortlebt. So sieht die frühe Kirche die einzigartige Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Liturgie darin, daß<br />

sie zu jener mündlichen Überlieferung <strong>de</strong>r Offenbarung gehört, die im kirchlichen<br />

Leben und Brauchtum weitergegeben wird. Dazu heißt es bei Basilius von Caesarea<br />

in seinem Werk »Vom Heiligen Geist«: »Wer hat uns schriftlich gelehrt, daß die auf<br />

<strong>de</strong>n Namen unseres Herrn Jesus Christus Hoffen<strong>de</strong>n sich mit <strong>de</strong>m Zeichen <strong>de</strong>s Kreuzes<br />

bezeichnen? Welcher Buchstabe hat uns angewiesen, uns beim Gebet nach Osten<br />

zu richten? Die Worte <strong>de</strong>r Epiklese beim Weihen <strong>de</strong>s eucharistischen Brotes und <strong>de</strong>s<br />

Kelches <strong>de</strong>r Segnung - wer von <strong>de</strong>n Heiligen hat sie uns schriftlich hinterlassen? Wir

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