Fritz Klemm - Zeit Kunstverlag

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Notizen von einem Besuch bei Fritz Klemm am 4.12.82 (Michael Hübl) Ich steckte zu sehr in Erwartungen, um beurteilen zu können, ob es wirklich fast schüchtern war, wie er mir sein Geschenk anbot. Wir waren über drei Stunden dagesessen, in der kleinen engen Nische, er mit dem Rücken zum großen Atelierraum hinter ihm, sodaß ich das dünne, feine hochstehende weiße Haar als eine Art Lichtkranz um seinen Kopf sehen konnte. Vielleicht saßen wir wirklich wie zwei Jünger vor ihm, hörten ihm zu: seinen Episoden, seinem Stolz, seiner wie auch immer zu bewertenden Philosophie, von der er ausdrücklich betont, daß sie nur für ihn zwingende Gültigkeit habe; jeder andere wisse wohl seinen eigenen Weg. Er spricht von den Ereignissen um Grieshabers Rücktritt: Grieshaber sei ihm anfangs nicht unsympathisch gewesen, habe es später aber immer mehr auf Machtdemonstration angelegt. Zum Krach kam es, als zwei Studenten beim Examen anstelle einer realistischen Zeichnung eines Hasen und eines Huhnes etwas à la Foutrier ablieferten, nur Fell, wirr gezeichnet. Das ging anfangs durch, weil der Ministerialbeamte liberal und unsicher war, ja mehr noch, er wollte etwas Gutes tun und meinte bei der Begutachtung der sogenannten Dreitagesarbeit, wie gut hier doch der Hase getroffen sei, worauf Grieshaber entrüstet reagiert haben soll: Das sei doch ein Huhn. Darauf wurde den beiden Studenten nahegelegt, diesen Teil der Prüfung zu wiederholen. Grieshaber protestierte, wollte die Autorität seiner Person und seines Amtes in die Waagschale werfen und verlor – die Alternative, entweder die Studenten bestehen so, oder er legt sein Amt als Professor nieder, wurde vom Ministerium gegen ihn entschieden. Klemm, der in dieser Sache gegen Grieshaber war, erhielt dadurch den Ruf, den Holzschneider » abgesägt « zu haben. Er lese gerade den Grünen Heinrich, nicht so wie früher, schnell drüber weg, sondern Zeile für Zeile auskostend. Und Keller beschreibe ja ähnliche Zustände wie an den Akademien. Wir sprechen darüber, wie jemand etwas wird als Künstler, daß oft die Stillen, die Nichtbeachteten auf einmal ganz hoch kommen (und er meint damit auch sich, der sich als Kunsterzieher durchgeschlagen hatte, später als Werklehrer eher zu den Randzonen des kunstakademischen Lehrkörpers gehörte). Schüler von großen Namen würden oft gar nichts, selbst bei Trübner, der seinen Schülern wirklich eine solide Ausbildung gegeben habe, die nicht auf flottes Imitieren der Eigenart des Lehrers gezielt habe, sei auch niemand herausgekommen, der einen eigenen Weg gefunden hätte. Ständige Selbstkritik sei nötig, das Arbeiten an sich selbst. Deswegen sei er so fit und vital. Er habe erkannt, daß seine Arbeit nur dann etwas werden könne, wenn er sich asketisch darauf vorbereitet. Er spricht von der » Heilung «, die in den Bildern stecke und sieht darin einen Grund, warum sie so hoch gehandelt würden. Klemm ist Vegetarier und Asket. Freitag ist sein Fastentag und nur sonntags bleibt er morgens länger liegen – bis sieben. Dennoch ist er nicht humorlos oder vertrocknet. Er hat seine Lieblingsbäckereien und ergötzt sich gerne an Süßigkeiten, die er sich in der Schweiz oder Belgien besorgen läßt. »Aber das Café Kongress hat fast noch bessere als dort.« Er erzählt von den Cafes aus der Zeit vor dem Zweiten Krieg, als Karlsruhe noch Charme hatte, Künstler und Juristen hätten sich dort getroffen, wiewohl überhaupt die Juristen die Kunst oft gerechter beurteilten als die Kunsthistoriker (einer seiner ersten begeisterten und treuen Käufer, Bernd Mittelsten Scheid, ist Jurist). Nach meinem Besuch in seinem Atelier verstehe ich, was ich vorher aus seiner künstlerischen Entwicklung vom halb-abstrakten, besser stark abstrahiert Gegenständlichen zum ganz Abstrakten herausgelesen habe: Daß Klemms Kunst realistische Kunst ist. Es ist der Realismus der Zen-Malerei. Er malt und zeichnet (»Eine gute Zeichnung muss auch gemalt sein «), was er ständig um sich herum sieht: Die kahlen grauen Betonwände seines Ateliers, an denen das einzig Lebendige das Muster der Holzverschalung ist und die feinen, liniendünnen Grate, die dort entstanden sind, wo Bohle an Bohle stieß und der Beton in die Fugen sickerte. Aber Klemm malt nicht ab, er übersetzt. Es geht ihm um minimale Tonwerte in seiner reichen Schwarz-Skala. Er nimmt schwarz- 14
Fritz Klemm en Fotokarton als Malgrund und » entmaterialisiert« ihn, indem er ihn immer und immer wieder mit Tusche übermalt, Matte, wellige Flächen entstehen. Überall liegen Arbeiten. Fertige, fast fertige, angefangene, unbewältigte. Flächen sind mit Tesa probegeklebt, bei manchen Blättern ist ihm schon klar, wie es weiter geht, die müssen nur noch in Kleinigkeiten korrigiert werden. Bei einer großen weißen Zeichnung will er noch mit Sepia drübergehen – da weiß er noch nicht, ob das glückt, oder ob er dann das Blatt wegwerfen muß (obwohl er fast nichts wegwirft). Aber alle Arbeiten müssen, wenn sie fertig sind, ein »Geheimnis « enthalten – das betont er wiederholt. Berg will gehen will gehen. Sein Kopf bereut den Alkohol vom Abend zuvor. Wir reden noch eine Weile weiter. Klemm meint, es sei wichtig für mich, in »die Küchen« zu gucken, das sei die Kunstgeschichte, die man sonst nirgends lesen könne und die vielleicht auch nicht geschrieben werden müsse. (Wir hatten am Anfang unseres Gesprächs über die Ausstellung im Prinz-Max-Palais gesprochen; ich erzählte Arnolds Anekdote über das Christbaumkugeln- Bild von Schnarrenberger, und Klemm wendet ein, dass solches Hintergrundswissen nicht unbedingt notwendig sei: Denn diese Kunst habe als Kunst eben nichts Zeittypisches. Für sich betrachtet sei sie eben nicht mehr als gut gemachte Malerei). Künstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst erscheint viermal jährlich mit insgesamt 28 Künstlermonografien auf über 500 Text- und Bild-Seiten und kostet im Jahresabonnement einschl. Sammelordner und Schuber € 148,–, im Ausland € 158,–, frei Haus. www.weltkunst.de Postanschrift für Verlag und Redaktion Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG Nymphenburger Straße 84 D-80636 München Tel. 0 89/12 69 90-0 · Fax 0 89/12 69 90-11 Bankkonto: Commerzbank Stuttgart Konto-Nr. 525 55 34, BLZ 600 400 71 ›Künstler‹ erscheint in der Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG Gründungsherausgeber Dr. Detlef Bluemler Prof. Lothar Romain † Redaktion Hans-Joachim Müller Dokumentation Andreas Gröner Geschäftsführer Dr. Rainer Esser Verlagsleiter Boris Alexander Kühnle Grafik Michael Müller Abonnement und Leserservice Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG Nymphenburger Straße 84 · Postfach 19 09 18 D-80609 München Tel. 0 89/12 69 90-0 ›Künstler‹ ist auch über den Buchhandel erhältlich Prepress Franzis print & media GmbH, München Druck Aumüller Druck KG, Regensburg Die Publikation und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG, München 2007 ISSN 0934-1730 15
Seite 1 und 2: Fritz Klemm von Michael Hübl Ausga
Seite 3 und 4: Michael Hübl über Fritz Klemm »I
Seite 5 und 6: Fritz Klemm 5 2 Haus, ca. 1948 Aqua
Seite 7 und 8: Fritz Klemm Hochschule abgeordnet w
Seite 9 und 10: Fritz Klemm 11 7 Wand, 1988 Zeichnu
Seite 11 und 12: Fritz Klemm vom Ende der fünfziger
Seite 13: Fritz Klemm 15 12 Frühe Wand, ca.

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