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Fritz Klemm - Zeit Kunstverlag

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<strong>Fritz</strong><br />

<strong>Klemm</strong><br />

Hochschule abgeordnet war. Aus dieser Vorgeschichte heraus<br />

mag sich ein besonderer Respekt gegenüber jenen Akademielehrern<br />

ergeben haben, die sich wie Karl Hubbuch, Otto Laible<br />

oder Wilhelm Schnarrenberger schon in der Weimarer Republik<br />

als Künstler einen Namen gemacht hatten. Beeindruckt war<br />

<strong>Klemm</strong> von der Persönlichkeit des expressionistischen Malers<br />

und Graphikers Erich Heckel, der 1949 nach Karlsruhe berufen<br />

worden war. Heckel hatte als Mitbegründer der »Brücke« für<br />

Aufsehen gesorgt, hatte als Sanitäter das Grauen des Ersten<br />

Weltkriegs durchlebt, hatte Ruhm erlangt, war von den Nationalsozialisten<br />

diffamiert und in seinen existenziellen Möglichkeiten<br />

massiv eingeschränkt worden und zeigte sich nun in Karlsruhe<br />

als abgeklärte, altersweise Figur, die umfangen wurde von einer<br />

Aura fernöstlicher Entrücktheit. Ein Eindruck, der, wie <strong>Klemm</strong><br />

mit einer Mischung aus Schmunzeln und Verehrung schilderte6,<br />

gleichsam unterstrichen wurde durch den gelblichen Teint des<br />

bei seiner Berufung bereits 66-jährigen Heckel.<br />

Dort die renommierten Maler mit ihren Erfahrungen und Erfolgen,<br />

hier der »Zeichenlehrer«, der Neuling, der im gymnasialen<br />

Schulalltag möglicherweise die Auffassung verinnerlicht hatte,<br />

lediglich Teil eines Beamtengefüges mit begrenztem Handlungsspielraum<br />

zu sein: In dieser Divergenz hat <strong>Klemm</strong>s Befangenheit<br />

im Umgang mit seinen Arbeiten der fünfziger und sechziger<br />

Jahre sicher ebenso ihre Ursache wie in seinen<br />

ausgeprägten Qualitätsvorstellungen. Ein Drittes kommt hinzu.<br />

Denkbar ist, dass <strong>Fritz</strong> <strong>Klemm</strong>, und sei es unbewusst, vermeiden<br />

wollte, in die Ecke des Ewiggestrigen gestellt zu werden,<br />

der auf den Exerzitien des Naturstudiums beharrt, während<br />

ringsum experimentiert und die Lust der Freiheit geprobt wird.<br />

<strong>Klemm</strong> war einer der Protagonisten in dem inzwischen notorischen,<br />

ursprünglich nur hochschulinternen Streit, der HAP<br />

Grieshaber veranlasste, seine Lehrtätigkeit an der Kunstakademie<br />

Karlsruhe aufzugeben. Grieshaber hatte 1955 die Nachfolge<br />

Heckels angetreten und tat seither alles, um innerhalb des Lehrbetriebs<br />

für frischen Wind zu sorgen. Als »Charismatiker, der<br />

zur Gemeindebildung anregte«7 polarisierte er – und das in einem<br />

kulturpolitischen Klima, das durch den Kalten Krieg ideologisch<br />

extrem aufgeladen war. Die rüden Polemiken, die der<br />

Kunstkritiker Will Grohmann und der Maler Karl Hofer, Direktor<br />

der Hochschule für bildende Künste Berlin, als wechselseitige<br />

Angriffe Mitte der fünfziger Jahre in der Tagespresse veröffentlichten,<br />

verweisen – ähnlich wie zuvor das erste Darmstädter<br />

Gespräch zum Thema »Das Menschenbild in unserer <strong>Zeit</strong>«<br />

(1950) – auf die Heftigkeit, wenn nicht Verbissenheit, mit der damals<br />

um die Freiheit, die gesellschaftliche Funktion, die ethischen<br />

Maximen von Kunst und deren formale Umsetzung gestritten<br />

wurde. Dieser Grundsatzstreit erreichte Karlsruhe nicht<br />

zuletzt anlässlich der Staatsexamensprüfung vom 18. Dezember<br />

1959, die sich zu einem Affront für Grieshaber auswuchs:<br />

Die Prüfungskommission verweigerte den Arbeiten von zwei<br />

seiner Schülerinnen die Anerkennung und begründete die Entscheidung<br />

damit, dass den vorgelegten Zeichnungen – Bildgegenstand:<br />

Hühner – die geforderte Erkennbarkeit fehle8. <strong>Klemm</strong><br />

war zu dieser <strong>Zeit</strong> Prorektor, und laut Wilhelm Loth, der damals<br />

gerade eine Klasse für Bildhauerei übernommen hatte, soll es<br />

just er, <strong>Klemm</strong>, gewesen sein, der die Angelegenheit erst richtig<br />

ins Rollen brachte9.<br />

<strong>Fritz</strong> <strong>Klemm</strong> hat die Position, die er bei der Beurteilung der umstrittenen<br />

Blätter einnahm, nie geleugnet; die Prinzipienfestigkeit,<br />

die er als Grundgerüst seiner Lebensführung ansah, legte<br />

eine solche Haltung nahe. Er hat aber auch erkennen lassen,<br />

dass die Forderung nach naturgetreuer Wiedergabe nur als letzter<br />

Funke in einem seit langem schwelenden Konflikt wirkte. Eine<br />

Fotografie10, aufgenommen beim Akademiefasching 1956,<br />

liefert ein Indiz für das, was <strong>Klemm</strong> Jahre danach gesprächsweise<br />

erwähnte. Zu sehen ist ein Tisch, auf dem (welch ein Exzess!)<br />

eine einzelne Flasche Bier mit übergestülptem Bierkrug steht.<br />

Hinter dem Tisch zwei Damen, flankiert von zwei Herren. Links<br />

sitzt Grieshaber, maskiert als arabischer Potentat mit dunklem<br />

Turban, falschem Bart und mit dem stilisierten Brustschmuck eines<br />

Pharaonen auf dem hellen Gewand. Rechts <strong>Klemm</strong>:<br />

schwarzes Hemd, weißer Umhang, dunkler Hut mit aufgesteckten<br />

Flügeln aus kantig gefaltetem Papier – eine Mischung aus<br />

Pierrot und Hermes, dem Götterboten, mit brennender Zigarette<br />

in der Rechten (weil Regeln für ihn auch mal Ausnahmen haben<br />

durften). Hier der Herrscher, dort der skeptische Beobachter: Im<br />

Rückblick auf die Auseinandersetzung mit Grieshaber betonte<br />

<strong>Klemm</strong>, dass ihm der Holzschneider von der Achalm anfangs<br />

durchaus sympathisch gewesen sei, dass ihn aber dessen diktatorische<br />

Ader gestört habe, die nach und nach zutage getreten<br />

sei. Insofern eignet dem Streit eine gewisse Tragik: Einer, der<br />

von der Reichskulturkammer mit Berufsverbot belegt wurde und<br />

sich als Antifaschist begreift, weckt durch sein dominantes,<br />

egozentrisches, womöglich aber einfach nur ungeniert-genialisches<br />

Wesen11 die Aversion von einem, der sich zwar nie in irgendeine<br />

Richtung politisch exponiert hat, dem jedoch die Anmaßung<br />

von Macht und das Anmaßende der Macht zutiefst<br />

gegen den Strich gingen (von den Zumutungen des Militärdienstes<br />

etwa hat <strong>Klemm</strong> nur mit Abscheu gesprochen). In der Kontroverse<br />

um die Hühner-Zeichnungen zweier Examens-Kandidatinnen<br />

haben sich mithin mehrere Faktoren überlagert. Durch die<br />

oft verbrämten, aber de facto extremen ideologischen Spannun-<br />

7

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