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Schon wieder Spitze! »Beste Gesamtleistung« der Oper Frankfurt in ...

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Lucia, <strong>der</strong>en Re<strong>in</strong>heit dem herrschenden Frauenbild <strong>der</strong> italienischen<br />

romantischen <strong>Oper</strong> entspricht, lebt ganz <strong>in</strong> ihrer Liebe. Sie bleibt<br />

Edgardo sogar <strong>in</strong> dem Augenblick <strong>in</strong>nerlich verbunden, als sie an se<strong>in</strong>er<br />

Treue zweifeln muss. Die Liebe ist für sie <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Wert, das e<strong>in</strong>zige<br />

Ziel des Lebens. Unter dem enormen Druck e<strong>in</strong>er rücksichtslosen<br />

Männergesellschaft, die <strong>in</strong>takte, authentische Gefühle nicht zulässt,<br />

flüchtet sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e eigene, verrückte Welt.<br />

E<strong>in</strong> bemerkenswerter Reichtum an Koloraturen zeichnet die Partie<br />

<strong>der</strong> Lucia aus, die nicht alle<strong>in</strong> auf die vokalen Fähigkeiten <strong>der</strong> ersten<br />

Darsteller<strong>in</strong> <strong>der</strong> Partie, Fanny Tacch<strong>in</strong>ardi-Persiani, abgestimmt ist. Die<br />

vorgeschriebenen Verzierungen vermitteln Lucias Zartheit und Zerbrechlichkeit<br />

und fungieren nicht als musikalische Ornamentik, son<strong>der</strong>n<br />

als dramatische Bedeutungsträger. Im Gegensatz zu Ross<strong>in</strong>is oft kul<strong>in</strong>arischem<br />

Koloraturreichtum war dies Ergebnis <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> Solomelodik<br />

<strong>in</strong> Bell<strong>in</strong>is und Donizettis Werken.<br />

Nicht selten reicht e<strong>in</strong>e zentrale Szene dazu aus, um e<strong>in</strong>e <strong>Oper</strong><br />

berühmt zu machen. So verdankt Donizettis Lucia e<strong>in</strong>en Teil ihres<br />

Ruhms <strong>der</strong> Wahns<strong>in</strong>nsszene <strong>der</strong> Lucia im dritten Akt: Die musikdramatische<br />

Darstellung des Wahns<strong>in</strong>ns ist durchgängiges Motiv <strong>der</strong> italienischen<br />

und französischen <strong>Oper</strong> des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Es gibt genug<br />

Held<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Oper</strong>nliteratur, <strong>der</strong>en Realitätsverlust (o<strong>der</strong> Realitätsf<strong>in</strong>dung<br />

an<strong>der</strong>er Art) vorübergeht und nach <strong>der</strong> Darstellung e<strong>in</strong>er<br />

verrückten Welt das Happy End vorbereitet. Der Wahns<strong>in</strong>n von Giovanni<br />

Paisiellos N<strong>in</strong>a endet <strong>in</strong> dem Augenblick, <strong>in</strong> dem ihr Geliebter zurückkehrt.<br />

In Bell<strong>in</strong>is La Sonnambula wird die Titelheld<strong>in</strong> Am<strong>in</strong>a zu Unrecht<br />

angeklagt, geistig umnachtet wan<strong>der</strong>t sie herum, bis sie schließlich<br />

rehabilitiert wird und endlich ihren Seelenfrieden und ihr Hochzeitsglück<br />

f<strong>in</strong>det. Die wahns<strong>in</strong>nig gewordene Protagonist<strong>in</strong> <strong>in</strong> Bell<strong>in</strong>is I Puritani,<br />

Elvira, f<strong>in</strong>det ihre reale Welt erst an Arturos Seite, als er begnadigt<br />

wird.<br />

In Donizettis <strong>Oper</strong>n s<strong>in</strong>d die Wahns<strong>in</strong>nsszenen radikal, sie s<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>e kurzen Ausflüge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e »an<strong>der</strong>e« Welt. Lucias Umnachtung endet<br />

mit ihrem Tod. Ihre Stationen bis zu dieser entscheidenden Szene s<strong>in</strong>d<br />

präzis konzipiert: Ihre Cavat<strong>in</strong>a zeigt ihre Zerbrechlichkeit und verträumte<br />

Re<strong>in</strong>heit, die <strong>in</strong> den folgenden Duetten und Ensembles Schritt<br />

für Schritt zerbrochen wird. Lucia schafft sich daraufh<strong>in</strong> ihre eigene<br />

Welt, die mit <strong>der</strong> verstockten und menschenverachtenden Realität<br />

nichts mehr zu tun hat und für sie die e<strong>in</strong>zige Zuflucht bedeutet. Kurz<br />

vor ihrem endgültigen körperlichen Zusammenbruch ist sie zu Hause<br />

<strong>in</strong> ihren Illusionen, ihren sprunghaft freien Gedanken, begleitet vom<br />

körperlos-fasz<strong>in</strong>ierenden Klang <strong>der</strong> Glasharmonika.<br />

Lucia ist ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Belcanto-Protagonist<strong>in</strong>. Sie ist e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Inkarnation<br />

des Frauenideals <strong>der</strong> italienischen romantischen <strong>Oper</strong>. Ihre<br />

Partie vere<strong>in</strong>t die Schönheit des Gesangs mit fesselndem Ausdruck.<br />

Durch sie wird die ganze Epoche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er beispielhaften Form fassbar<br />

und öffnet den Weg zu weiteren <strong>Frankfurt</strong>er Belcanto-Entdeckungen.<br />

Z solt Horpác s y

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