Lösung Fall 03 - Zivilrecht VI
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<strong>Fall</strong> 3<br />
I. Anspruch des D gg. S auf Herausgabe der CD aus § 985<br />
Hierfür müsste D Eigentümer der CD sein. Dies ist nicht der <strong>Fall</strong>, Eigentümer war und ist der<br />
E. Der Diebstahl durch D ändert daran genau so wenig wie die Entwendung durch S.<br />
Anspruch aus § 985 (-)<br />
II. Anspruch des D gg. S auf Herausgabe der CD gemäß § 861 BGB<br />
[sog. possessorischer Besitzschutzanspruch]<br />
D könnte einen Anspruch gg. S auf Herausgabe der CD gem. § 861 I BGB haben, wenn ihm<br />
der Besitz an der CD durch verbotene Eigenmacht der S entzogen wurde und S ihm gegenüber<br />
fehlerhaft besitzt.<br />
Prüfungsschema für § 861<br />
1. Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht, § 858 I BGB<br />
2. Anspruchsteller war Besitzer<br />
3. Anspruchsgegner ist fehlerhafter Besitzer i.S.d. § 858 II BGB<br />
4. Kein Ausschluss nach § 861 II<br />
5. Kein Erlöschen nach § 864<br />
1. Hierfür müsste D der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden sein.<br />
a. Dafür müsste der D Besitzer der CD gewesen sein. Besitzer ist, wer nach Verkehrsanschauung<br />
tatsächliche Herrschaft über die Sache mit Besitzerwillen<br />
ausübt. Demnach war vorliegend der D Besitzer gem. § 854 I BGB<br />
b. Dem D müsste dieser Besitz entzogen worden sein. Eine Entziehung liegt vor,<br />
wenn der Besitzer vollständig und nicht nur vorübergehend von der Ausübung<br />
der tatsächlichen Gewalt ausgeschlossen ist. Dies geschah dadurch, dass S die<br />
CD an sich nahm, vgl. § 856 I 2. Alt. BGB<br />
c. Dies müsste mittels verbotener Eigenmacht geschehen sein. Nach der Legaldefinition<br />
des § 858 I BGB liegt verbotene Eigenmacht dann vor, wenn dem<br />
(unmittelbaren) Besitzer ohne dessen Willen der Besitz entzogen wird, sofern<br />
das Gesetz nicht die Entziehung gestattet.<br />
PÜ Sachenrecht Lösungsskizzen 1
aa. D wusste nichts von der Wegnahme durch S. Sie handelte somit zumindest<br />
ohne dessen Willen.<br />
bb. Ein Rechtfertigungsgrund ist hier nicht ersichtlich.<br />
D wurde der Besitz demnach durch verbotene Eigenmacht entzogen.<br />
2. Als weitere Voraussetzung muss der Besitz des Anspruchsgegners dem Anspruchsteller<br />
gegenüber fehlerhaft sein nach § 861 I a.E. BGB. Gem. § 858 II 1 BGB ist der<br />
durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz fehlerhaft. So auch hier.<br />
3. Der Anspruch dürfte auch nicht nach § 861 II BGB ausgeschlossen sein. Dies ist der<br />
<strong>Fall</strong>, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer (hier: S) gegenüber fehlerhaft<br />
i.S.d. § 858 II 1 war. Der entzogene Besitz des D war jedoch gegenüber S nicht<br />
fehlerhaft (ggü. dem E natürlich schon – darauf kommt es hier jedoch nicht an).<br />
4. Letztendlich dürfte der Anspruch nicht nach § 864 BGB erloschen sein. Hierfür bestehen<br />
jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Der Anspruch ist nicht nach § 864 BGB erloschen.<br />
[Dass der Anspruch hier mit Zeitablauf „erlischt“, stellt eine Besonderheit dar.<br />
„Normalerweise“ würde nur Verjährung eintreten; § 864 korrespondiert mit §§ 861<br />
II / 862 II und komplettiert deren Sinn und Zweck s.u. Abwandlung 5.]<br />
Ergebnis: D hat einen Anspruch gg. S aus § 861 I BGB.<br />
Abwandlung<br />
I. Anspruch des D gg. E auf Herausgabe der CD gem. § 985<br />
(-), D ist nicht der Eigentümer der CD (s.o.).<br />
II. Anspruch des D gg. E auf Herausgabe der CD gemäß § 861 BGB<br />
D könnte einen Anspruch gg. E auf Herausgabe der CD gem. § 861 I BGB haben, wenn ihm<br />
der Besitz an der CD durch verbotene Eigenmacht des E entzogen wurde und E ihm gegenüber<br />
fehlerhaft besitzt.<br />
1. Damit D der Anspruch zusteht müsste der E dem D den Besitz durch verbotene Eigenmacht<br />
entzogen haben, vgl. § 861 I 1 BGB.<br />
a. D war (unmittelbarer) Besitzer gem. § 854 I BGB.<br />
b. Ihm müsste der Besitz durch E entzogen worden sein (s.o.). Dies ist der <strong>Fall</strong>.<br />
PÜ Sachenrecht Lösungsskizzen 2
c. Hier ist indes fraglich, ob der E als Eigentümer der CD verbotene Eigenmacht<br />
beging.<br />
aa. Zunächst einmal hat er dem D den Besitz an der CD hier sogar ausdrücklich<br />
gegen dessen Willen entzogen.<br />
bb. Möglicherweise greift vorliegend jedoch ein Rechtfertigungsgrund zugunsten<br />
des rechtmäßigen Eigentümers E ein. In Betracht kommt das<br />
Selbsthilferecht aus § 229 BGB. Dieses scheidet hier jedoch offensichtlich<br />
aus, da es dem E mangels entgegenstehender Angaben im<br />
Sachverhalt (bspw. Hinweis, dass sich D ins Ausland absetzen möchte)<br />
möglich wäre, obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig zu erlangen.<br />
Demnach wurde dem D die CD durch verbotene Eigenmacht des E entzogen.<br />
2. Der E besitzt gegenüber dem D auch fehlerhaft gem. § 858 II 1 BGB (s.o.).<br />
3. Der Anspruch des D könnte jedoch nach § 861 II BGB ausgeschlossen sein.<br />
[Lies: „Der Anspruch des D ist ausgeschlossen, wenn (1.) der (ihm von E) entzogene<br />
Besitz (der CD) dem E (oder dessen Rechtsvorgänger) gegenüber fehlerhaft war und<br />
(2.) in dem letzten Jahre vor der Entziehung durch E erlangt worden ist.“]<br />
a. D müsste seinerseits gegenüber E fehlerhaft besessen haben. D hat E den Besitz<br />
an der CD am 1.4.2007 ohne dessen Willen entzogen. Er übte somit verbotene<br />
Eigenmacht gem. § 858 I 1 BGB aus. Der Besitz war demnach E gegenüber<br />
fehlerhaft i.S.d. § 858 II 1 BGB.<br />
b. Nach § 861 II BGB darf die Entziehung durch D nicht länger als ein Jahr vor<br />
der Besitzentziehung durch E verübt worden sein. Niemand soll sich auf den<br />
eigenen fehlerhaften Besitz berufen können, sofern er diesen zeitnah selbst<br />
durch verbotene Eigenmacht begründet hat (Gedanke des Rechtsmissbrauchs -<br />
der unglücklich formulierte Gesetzestext des § 861 II BGB, der den Fristbeginn<br />
auf den Besitzerwerb des Anspruchstellers [hier: D] setzen würde, ist dahingehend<br />
teleologisch auszulegen). Hier (1.5.2008) ist die Jahresfrist offensichtlich<br />
verstrichen, so dass § 861 II BGB nicht eingreift.<br />
4. Der Anspruch ist auch noch nicht nach § 864 BGB erloschen.<br />
[Vollständige Lösung für Fortgeschrittene]<br />
5. Möglicherweise ist der Anspruch jedoch nicht durchsetzbar. Wie bereits gesehen ist E<br />
immer noch der rechtmäßige Eigentümer der CD. Würde er den Anspruch des D aus<br />
PÜ Sachenrecht Lösungsskizzen 3
§ 861 BGB erfüllen und die CD herausgeben, wäre der E Besitzer. E stünde allerdings<br />
kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 I 1 BGB zu, so dass E einen Anspruch gg. D aus<br />
§ 985 BGB hätte. Daneben bestünden auch (sog. petitorische) Besitzansprüche zugunsten<br />
des E gg. D aus § 1007 I, II BGB. Dem D könnte deswegen möglicherweise<br />
ein Einwand aus § 242 BGB entgegengehalten werden. Nach einer <strong>Fall</strong>gruppe verstößt<br />
eine Handlung gegen Treu und Glauben, wenn der Gläubiger (hier: D) eine Leistung<br />
(Herausgabe der CD) fordert, die er dem Schuldner (E) aus einem anderen Grund<br />
(§§ 985, 1007 BGB) alsbald wieder zurück geben müsste („dolo facit, qui petit, quod<br />
statim redditurus est“). Insoweit stünde dem Anspruch hier ein Einwand entgegen.<br />
Die Möglichkeit diesen zu erheben, wird jedoch durch § 863 BGB abgeschnitten.<br />
Grund für diesen Ausschluss ist der Sinn und Zweck des possessorischen Besitzschutzes:<br />
durch die schnelle, vorläufige Herstellung der ursprünglichen Besitzlage soll der<br />
Rechtsfrieden gewahrt und das staatliche Gewaltmonopol gesichert werden (kein<br />
Recht zur Selbstjustiz!). Endgültig die Besitzlage regelnde Ansprüche des Anspruchsgegners<br />
(hier: E) müssen im Folgenden vor Gericht geltend gemacht werden.<br />
[Ende]<br />
Ergebnis: Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen, so dass D von E nach § 861 BGB Herausgabe<br />
der CD verlangen kann.<br />
Literaturhinweise:<br />
• Vieweg/Werner, Sachenrecht, 3. Auflage 2008, § 2 Rn. 49 - 75.<br />
• Prütting, Sachenrecht, 33. Auflage 2008, § 12 - 14.<br />
PÜ Sachenrecht Lösungsskizzen 4
PÜ Sachenrecht Lösungsskizzen 5