Berlin Friedrichstraße Weihnachten in der City (Vorschau)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Foto l<strong>in</strong>ks: aus Mo<strong>der</strong>ne Bauformen 1914, S. 115<br />
Vor 100 Jahren war hier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jägerstraße 58 das Nachtlokal »Bal Tabar<strong>in</strong>«.<br />
Kaum etwas er<strong>in</strong>nert heute noch an die ursprüngliche Ansicht.<br />
Nach e<strong>in</strong>er Instandsetzung des Gebäudes<br />
1995 zog e<strong>in</strong> Jahr später die Kreditanstalt für<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau (KfW) mit ihrem Beratungszentrum<br />
e<strong>in</strong>. Seit 2009 ist es <strong>der</strong> <strong>Berl<strong>in</strong></strong>er Sitz<br />
<strong>der</strong> Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz.<br />
Jägerstraße 58<br />
Die Jägerstraße 58 wurde 1912 zum Nachtlokal<br />
»Bal Tabar<strong>in</strong>« umgebaut. Der Schweizer<br />
Architekt Otto Salvisberg brachte e<strong>in</strong>e neue<br />
Fassade aus dunklem Putz mit türkisgrünen<br />
Keramiken an. Das vor 1865 gebaute Wohnund<br />
Geschäftshaus entstand neu im Stil <strong>der</strong><br />
beg<strong>in</strong>nenden Mo<strong>der</strong>ne mit Anklängen an<br />
den Expressionismus. Neben <strong>der</strong> Gaststätte<br />
enthielt das Haus auch Wohnungen. Das<br />
Nachtlokal mit se<strong>in</strong>em zweistöckigen Saal<br />
besaß e<strong>in</strong>e Empore mit Logen. Die gelben<br />
Wände trugen weißen Stuck und e<strong>in</strong>e farbige<br />
Stoffbespannung. E<strong>in</strong> Werbeplakat für<br />
das Ballhaus zeigt e<strong>in</strong> tanzendes Paar – Sie<br />
im grünen Kleid, Er mit Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong> – und den<br />
schriftlichen Zusatz »Täglich Reunion«. Das<br />
Gesicht des Tänzers zeigt den Plakatmaler<br />
Ernst Deutsch im Selbstportrait. Laut <strong>Berl<strong>in</strong></strong>er<br />
Adressbuch existierte das »Tabar<strong>in</strong> Jugendsäle<br />
Ida Fechner Balletablissement« bis<br />
1918. Als Vorbild galt das gleichnamige Lokal<br />
<strong>in</strong> Paris. Es bestand seit 1904 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe des<br />
Tréteau de Tabar<strong>in</strong>. Tabar<strong>in</strong> war e<strong>in</strong> berühmter<br />
satirischer Dichter. Anfang des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
betrat er e<strong>in</strong>e Bretterbühne auf <strong>der</strong><br />
Pont Neuf und führte se<strong>in</strong>e mit beißenden<br />
Spottreimen gespickten Possen auf. In die Jägerstraße<br />
58 zogen danach das Kabarett Eulenspiegel<br />
(bis 1923) und e<strong>in</strong> We<strong>in</strong>restaurant,<br />
geführt von <strong>der</strong> Eigentümer<strong>in</strong> Ida Fechner.<br />
Nach Kriegsschäden wurde das Gebäude vere<strong>in</strong>facht<br />
wie<strong>der</strong>hergestellt, auf die Gaststätte<br />
hat man verzichtet. Die CDU (Ost) zog <strong>in</strong> das<br />
Nebengebäude, die Jägerstraße 59/60 e<strong>in</strong>. Auf<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite, Ecke Charlottenstraße, entstand<br />
1981–85 mit dem Otto-Nuschke-Haus<br />
e<strong>in</strong> Plattenbau im neoklassizistischen Stil. Er<br />
diente als repräsentative Parteizentrale <strong>der</strong><br />
CDU (Ost). Zwischen 1985 und 1989 erfolgte<br />
darum e<strong>in</strong> erneuter Umbau des Gebäudekomplexes<br />
Jägerstraße, <strong>der</strong> ihn an den Trakt<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Charlottenstraße anpasste und mit ihm<br />
verband. Mit dem Gebäude Jägerstraße 59/60<br />
bildet die Nr. 58 heute das »Villaggio«. Die<br />
Büro- und Geschäftse<strong>in</strong>heit bietet »e<strong>in</strong> Refugium<br />
mit kle<strong>in</strong>en Passagen und e<strong>in</strong>em mediterran<br />
gestalteten Innenhof.«<br />
Der Autor<br />
Der Journalist<br />
Harald Neckelmann<br />
war jahrelang als Auslandskorrespondent, Reporter<br />
und Autor für den ARD-Hörfunk tätig.<br />
Außerdem war er Lehrbeauftragter an <strong>der</strong><br />
Freien Universität <strong>Berl<strong>in</strong></strong>. Er lebt und arbeitet<br />
als Stadtführer und Buchautor (»<strong>Friedrichstraße</strong><br />
<strong>Berl<strong>in</strong></strong>« und »Wie Buffalo Bill <strong>in</strong> <strong>Berl<strong>in</strong></strong><br />
se<strong>in</strong> Lasso schwang«) <strong>in</strong> <strong>Berl<strong>in</strong></strong>.<br />
<strong>Berl<strong>in</strong></strong>.<strong>Friedrichstraße</strong> Nr. 4 2014 45