Themenheft zu Rechtsextremismus und Jugendgewalt

V. ...und jetzt Ihr!
Der streitende Jesus
Mt 10,34: "Ich bin nicht gekommen, um
Frieden zu bringen, sondern das Schwert!"
"Sag einmal Jesus, war das nötig, die Leute
so zu provozieren? Konntest Du nicht Rücksicht
nehmen auf ihre Gewohnheiten? Sag
nicht, Du seiest überrascht, dass auf einmal
alle gegen dich waren, hast du das nicht
kommen sehen?
Was ist eigentlich in dich gefahren, als du
alle Händler und Käufer aus dem Tempel
hinausgetrieben und die Tische der Geldwechsler
umgestoßen hast (Mt 21,12)?
Nennst du das sanftmütig und friedfertig?
Herr, wie kannst du sagen "Wer zu seinem
Bruder sagt: Du Dummkopf" soll dem
Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer
aber zu ihm sagt: "Du gottloser Narr!" soll
dem Feuer der Hölle verfallen sein" (Mt
5,22)? Du hast doch auch kein Blatt vor den
Mund genommen, als du die Schriftgelehrten
und Pharisäer "Heuchler" (Mt 15,7),
"blinde Blindenführer" (Mt 15,14), "blinde
Narren" (Mt 23,17), "Söhne der Prophetenmörder"
(Mt 23,31), "Nattern" (Mt 23,33),
"Schlangenbrut" (Mt 23,33) nanntest!"
Manchmal finde ich mich in dem Konflikt
zwischen Wahrhaftigkeit und Liebe: Kann
der andere meine Kritik ertragen? Hilft sie
ihm weiter oder macht sie ihn nur fertig?
Kann ich sie in Liebe sagen, so dass er sie
wirklich annehmen kann? Oft ist es gar
nicht leicht, hier das rechte Maß zu finden.
"Hast du deinen Feinden, die du uns zu lieben
lehrst (Mt 5,44), nicht oft zuviel zugemutet?
Worte können viel tiefer verletzen
als ein Schlag ins Gesicht. Was aber hast
du dann gemeint, als du sagtest: "Leistet
dem, der euch etwas Böses antut, keinen
Widerstand, sondern wenn dich einer auf
die rechte Wange schlägt, dann halte ihm
auch die andere hin" (Mt 5, 39)? Bitte, missverstehe
mich nicht. Ich versuche nur,
dich besser zu verstehen, um dir mehr
nachfolgen zu können."
Wie viele bemühen sich heutzutage aufgrund
ihrer "christlichen" Erziehung, ihre
eigenen Aggressionen zu verdrängen?! Sie
haben es einfach nicht gelernt, in einer
Gruppe auch einmal allein dazustehen. Sie
haben Angst vor Auseinandersetzungen
und wollen sich nicht angreifbar und verletzbar
machen. Nur in der schweigenden
Mehrheit fühlen sie sich sicher.
"Weißt du, es geschieht gar nicht so selten,
dass Leute, die sich auf dich berufen, vor
allem darauf bedacht sind, Konflikte unter
den Teppich zu kehren. Aus Angst, die
Gruppe oder Pfarrei könnte sich spalten,
werden heiße Eisen erst gar nicht angepackt.
Ist das die Einheit, um die du am
Abend vor deiner Kreuzigung gebeten hast
(Joh 17)? Oder handelt es sich hier um Uniformität
und Konformismus, die eher ein
Ausdruck des Kleinglaubens sind? Für dich
und deine Apostel war klar: "Man muss Gott
mehr gehorchen als den Menschen" (Apg
5,29). Gib mir keine Ruhe, Herr, wenn ich
mich mit dem Unrecht abfinde. Lehre mich
streiten und mutig zu dem zu stehen, was
ich für richtig und gerecht halte. Doch, Herr,
lass mich in meinem Engagement nicht
blind und fanatisch werden, sondern hilf
Geradeaus und dann rechts... 59