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Fall 11 – Wein und (Rechts-) Ökonomie - Zivilrecht VI

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<strong>Fall</strong> <strong>11</strong> – <strong>Wein</strong> <strong>und</strong> (<strong>Rechts</strong>-) Ökonomie<br />

I. (Direkt-) Übereignung von L an K gem. § 929 S. 1 BGB<br />

L könnte dem K auf direktem Wege gem. § 929 S. 1 BGB das Eigentum an der Kiste<br />

<strong>Wein</strong> übertragen haben.<br />

1. Dazu müssten sich L <strong>und</strong> K geeinigt iSv § 929 S. 1 BGB haben. Gegen eine solche<br />

Einigung zwischen dem Lieferanten <strong>und</strong> dem (End-) Käufer spricht allerdings, dass der<br />

Lieferant idR das <strong>Rechts</strong>verhältnis zwischen Käufer <strong>und</strong> Verkäufer nicht kennt <strong>und</strong> nicht<br />

weiß, aus welchem Gr<strong>und</strong> er die Sache liefern soll. L weiß nicht, ob K nur unter<br />

Eigentumsvorbehalt erwerben oder bspw. lediglich Mieter der gelieferten Sache werden<br />

soll. Eine dahingehende (konkludente) Einigung zwischen L <strong>und</strong> K kann daher nicht ohne<br />

weiteres angenommen werden.<br />

2. Eine Direktübereignung von L an K scheidet somit aus.<br />

Merke: Eine solche Direktübereignung ist zwar durchaus möglich, empfiehlt sich jedoch<br />

nur in äußerst einfach gelagerten Fällen, da sie idR die Parteiinteressen nicht<br />

ausreichend würdigt.<br />

II. Übereignung durch den Nichtberechtigten (V) an K mit Zustimmung des<br />

Berechtigten (L) gem. §§ 929 S. 1, 185 I BGB<br />

V könnte die Kiste <strong>Wein</strong> als Nichtberechtigter mit der Zustimmung des L als<br />

Berechtigtem an K übereignet haben, §§ 929 S. 1, 185 I BGB.<br />

1. Fraglich ist jedoch, ob eine solche Konstruktion dem Parteiwillen <strong>und</strong> den einzelnen<br />

Interessen gerecht wird. Bei einem sog. Streckengeschäft wie dem hier vorliegenden geht<br />

der Parteiwille idR dahin, dass jeder Käufer das Eigentum von seinem jeweiligen<br />

Verkäufer erwirbt – d.h. V von L <strong>und</strong> K von V.<br />

Beispiel für eine Veräußerungskette bei einem Streckengeschäft:<br />

Hersteller – Großhändler – Zwischenhändler – Einzelhändler – Endverbraucher<br />

Erfolgt die Lieferung unter Auslassung eines oder mehrerer Glieder in der Kette, so spricht<br />

man von einer abgekürzten Lieferung.<br />

L möchte einen eventuellen Eigentumsvorbehalt ggü. V nicht durch eine<br />

Eigentumsübertragung an K verlieren. V wiederum hat ein Interesse an einem eigenen<br />

Eigentumserwerb, um einen möglichen Eigentumsvorbehalt mit K vereinbaren zu können.<br />

PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung <strong>Fall</strong> <strong>11</strong> 1


2. Auch für eine eventuelle Rückabwicklung empfiehlt es sich, die Übereignung(en)<br />

innerhalb der schuldrechtlichen Beziehungen zu vollziehen. (Stichwort: Erhalt der<br />

Einwendungen.)<br />

3. Eine Übereignung von V an K unter Zustimmung des L gem. §§ 929 S. 1, 185 I BGB<br />

scheidet somit aus.<br />

III. Übereignung von L an V gem. § 929 S. 1 BGB<br />

L könnte das Eigentum an der Kiste <strong>Wein</strong> gem. § 929 S. 1 BGB auf V übertragen haben.<br />

1. Dazu müssten sich L <strong>und</strong> V dahingehend geeinigt haben, dass das Eigentum von L auf V<br />

übergehen soll, § 929 S. 1 BGB. Parallel zum Abschluss des Kaufvertrags haben sich L<br />

<strong>und</strong> V antizipiert geeinigt.<br />

2. L müsste dem V die Kiste <strong>Wein</strong> übergeben haben, § 929 S. 1 BGB. L hat den <strong>Wein</strong><br />

allerdings bei K abgeliefert. K war hier jedoch Geheißperson des V, die den Besitz für V<br />

entgegengenommen hat. (K als Geheißperson auf Erwerberseite.) Eine Übergabe iSv<br />

§ 929 S. 1 BGB hat somit stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Merke: Für eine Übergabe iSv § 929 S. 1 BGB ist es nicht erforderlich, dass der Erwerber<br />

die Sache tatsächlich in der Hand hält.<br />

3. Einigsein bei Übergabe <strong>und</strong> die Berechtigung des L zur Eigentumsübertragung lagen vor.<br />

4. L hat das Eigentum an der Kiste <strong>Wein</strong> somit gem. § 929 S. 1 BGB auf V übertragen.<br />

IV. Übereignung von V an K gem. § 929 S. 1 BGB<br />

V könnte die Kiste <strong>Wein</strong> wiederum gem. § 929 S. 1 BGB an K übereignet haben.<br />

1. Ebenso wie L <strong>und</strong> V haben auch V <strong>und</strong> K parallel zum Kaufvertragsabschluss antizipiert<br />

die Einigung iSv § 929 S. 1 BGB geschlossen.<br />

2. Anstelle der Übergabe könnte V dem K schon zu diesem Zeitpunkt seinen<br />

Herausgabeanspruch gegen L (aus § 433 I 1 BGB) abgetreten haben, § 931 BGB.<br />

Allerdings hat V die Kiste seinerseits erst später bei L geordert. Zudem hat er dem K nicht<br />

mitgeteilt, dass er die Kiste selbst erst von L erwerben muss. Eine Abtretung iSv § 398<br />

BGB hat somit nicht stattgef<strong>und</strong>en.<br />

3. V könnte dem K den <strong>Wein</strong> jedoch iSv § 929 S. 1 BGB übergeben haben. Zwar hat L die<br />

Kiste bei K abgeliefert. Dies geschah jedoch auf Geheiß des V hin. (L als Geheißperson<br />

auf Veräußererseite.)<br />

4. Einigsein bei Übergabe <strong>und</strong> Berechtigung des V lagen vor.<br />

PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung <strong>Fall</strong> <strong>11</strong> 2


Merke: Zwar vollziehen sich die beiden Übereignungen in einem Akt <strong>und</strong> somit<br />

„zeitgleich“. Für eine juristische Sek<strong>und</strong>e wird jedoch zunächst V, dann erst K<br />

Eigentümer.<br />

5. V hat das Eigentum an der Kiste <strong>Wein</strong> also gem. § 929 S. 1 BGB auf K übertragen.<br />

Literaturhinweise:<br />

• Vieweg/Werner, Sachenrecht, 3. Auflage 2007, § 4, Rn. 32<br />

• Prütting, Sachenrecht, 33. Auflage 2008, § 32, Rn. 376 f.<br />

• zum Streckengeschäft ausführlich Padeck, Jura 1987, S. 461 ff<br />

PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung <strong>Fall</strong> <strong>11</strong> 3

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