vielseitige Weiterentwicklung des Zürcher Modells - Hochschule ...
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Ausbildungsintegrierter<br />
Umweltschutz<br />
-<br />
<strong>vielseitige</strong> <strong>Weiterentwicklung</strong> <strong>des</strong><br />
Zürcher <strong>Modells</strong><br />
von<br />
Volker Wiskamp<br />
Fachhochschule Darmstadt, Fachbereich Chemie- und Biotechnologie<br />
1997<br />
Impressum:<br />
Prof. Dr. V. Wisskamp<br />
Fachhochschule Darmstadt, Fachbereich Chemie- und Biotechnologie<br />
Hochschulstraße 2, 64289 Darmstadt
2<br />
Abstract<br />
1991 publizierte H. Fischer ein umweltfreundlicheres Praktikum für Chemieanfänger an<br />
der Universität Zürich.<br />
Die wegweisende Bedeutung <strong>des</strong> Zürcher <strong>Modells</strong> für einen ökologisch orientierten<br />
Chemieunterricht an <strong>Hochschule</strong>n, Fachhochschulen, Berufs- und allgemeinbildenden<br />
Schulen, in der betrieblichen und in der Lehrerausbildung wird an zahlreichen<br />
Beispielen aufgezeigt.<br />
Es werden Experimente vorgestellt, die irgendwie sicherer und umweltfreundlicher sind<br />
als frühere, ohne dass tradierte Lehrinhalte verloren gehen, und beinhalten irgendeinen<br />
Aspekt <strong>des</strong> Umweltschutzes, womit sie zur Umwelt- und Allgemeinbildung der Schüler<br />
und Studenten beitragen.<br />
Ein Versuch ist umweltfreundlicher, wenn giftige Stoffe gegen mindergiftige<br />
ausgetauscht, Ansatzgrößen verkleinert, Einzelversuche zu Netzwerken verknüpft<br />
werden etc. Jeder neue Versuch muss erdacht, erprobt, optimiert und überprüft werden,<br />
womit die besondere Bedeutung der Forschung und Entwicklung für den Umweltschutz<br />
deutlich wird. Umweltbewusstes Handeln wird geübt, wenn die Auszubildenden ihre<br />
Versuchsprodukte an anderer Stelle weiterverwenden oder sich im Sinne <strong>des</strong><br />
Verursacherprinzips selbst um die fachgerechte Aufbereitung nicht mehr verwertbarer<br />
Abfälle kümmern. Die Qualitätskontrolle zurückgewonnener Ausgangsstoffe dient der<br />
kritischen Beurteilung von Recyclingverfahren.<br />
Neue Sicherheitsbelehrungen mit Experimenten, u. a. Modellversuchen zur Toxikologie,<br />
betonen den engen Zusammenhang zwischen Sicherheit und Umweltschutz.<br />
Eine Evaluierung <strong>des</strong> Zürcher und Darmstädter Anfängerpraktikums bestätigt den<br />
positiven Beitrag <strong>des</strong> neuen Ausbildungskonzeptes zum Umweltschutz und zur<br />
Umweltbildung.
3<br />
Inhalt<br />
Seite<br />
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2 Umweltschutz und Sicherheit, Umweltbildung und<br />
Sicherheitserziehung in der Chemieausbildung . . . . . 7<br />
2.1 Aufbereitung nicht verwertbarer Versuchsreste . . . . . . 7<br />
2.1.1 Aufbereitung von Resten aus der Qualitativen Analyse . . . . 7<br />
2.1.2 Aufbereitung farbstoffhaltiger Abwässer . . . . . . . . 9<br />
2.2 Anwendung <strong>des</strong> Ersatzstoffprinzip . . . . . . . . . 10<br />
2.2.1 Ersatz von Diethylether durch tert.-Butylmethylether . . . . .<br />
10<br />
2.2.2 Ersatz von Bleiverbindungen . . . . . . . . . . 11<br />
2.2.3 Ersatzstoffe für Chlor und Brom . . . . . . . . . .<br />
12<br />
2.2.4 Ein ungefährlicher Nitrit- bzw. Nitrat-Nachweis . . . . . . 13<br />
2.3 Verkleinern von Ansatzgrößen . . . . . . . . . . 14<br />
2.3.1 Mikrotitrationen . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2.3.2 Arbeiten unter dem Mikroskop . . . . . . . . . . 16<br />
2.3.3 Metallnachweise durch Abreiben . . . . . . . . . .<br />
17<br />
2.4 Verfahrensoptimierung . . . . . . . . . . . . 18<br />
2.4.1 Verbesserte Herstellung von Thénards Blau . . . . . . . 18<br />
2.4.2 Verbesserte Herstellung von Kupfer(I)-chlorid . . . . . . 18<br />
2.4.3 Verbesserte Synthese von Siliconöl . . . . . . . . . 19<br />
2.4.4 Modifizierte Fehling-Probe . . . . . . . . . . . 20<br />
2.5 Versuchsumstellung . . . . . . . . . . . . .<br />
20<br />
2.5.1 Bromierung der C-C-Doppelbindung . . . . . . . . 20<br />
2.5.2 Umstellung präparativer Arbeiten auf chromatografische . . . . 21<br />
2.5.2.1 Chromatografische Trennung der Elemente der Kupfer-Gruppe . . 21<br />
2.5.2.2 Fotochemische Isomerisierung von Azobenzen auf der<br />
Dünnschichtplatte . . . . . . . . . . . . . 23<br />
2.6 Verknüpfte Einzelversuche . . . . . . . . . . . 25<br />
2.6.1 Anorganische Chemie in Kreisprozessen . . . . . . . .<br />
25<br />
2.6.1.1 Versuche für Praktika an der <strong>Hochschule</strong> . . . . . . . 25<br />
2.6.1.2 Versuche für den Schulunterricht . . . . . . . . . 39<br />
2.6.2 Chemie rund um die Benzoesäure . . . . . . . . . 41<br />
2.6.3 Aufbereitung anorganischer Reste aus der Organischen Synthese . . 43<br />
2.7 Recycling . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
2.7.1 Rückgewinnung anorganischer Grundchemikalien . . . . . 46<br />
2.7.2 Rückgewinnung von Lösungsmitteln . . . . . . . . .<br />
49<br />
2.7.3 Rückgewinnung von Methylmethacrylat durch Pyrolyse von<br />
Polymethylmethacrylat . . . . . . . . . . . . 50<br />
2.7.4 Qualitätskontrolle recycelter Stoffe . . . . . . . . . 50<br />
2.8 Naturstoffchemie . . . . . . . . . . . . . 55
4<br />
2.8.1 Zuckerchemie . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
2.8.2 Extraktion, Trennung und Charakterisierung von Blatt- und<br />
Möhrenfarbstoffen . . . . . . . . . . . . . 61<br />
2.8.3 Mineralien als Ausgangsstoffe für ein anorganisches Praktikum . . 62<br />
2.9 Sicherheitsbelehrung mit Experimenten . . . . . . . . 65<br />
2.10 Sonstige Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes und der Sicherheit . . . .<br />
73<br />
2.10.1 Demonstrationsversuche zur Wasser-, Luft- und Bodenreinigung . . 73<br />
2.10.2 Ein Umwelt-Praktikum für fortgeschrittene Studenten . . . . 78<br />
2.10.2.1 Modellversuche zur Umweltchemie . . . . . . . . . 78<br />
2.10.2.2 Umweltanalytik . . . . . . . . . . . . . .<br />
81<br />
2.10.2.3 Bodensanierung . . . . . . . . . . . . . 82<br />
2.10.3 Umweltfreundlichere Experimentalvorlesung für Studienanfänger . .<br />
84<br />
2.10.4 Praktische Ratschläge zum sicheren und umweltgerechten Umgang<br />
mit alten Chemikalien in der Schule . . . . . . . . . 85<br />
2.10.5 Ökologische Aspekte im Quantitativen Praktikum . . . . . 88<br />
2.10.5.1 Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
2.10.5.2 Wahlpflichtteil . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
2.10.6 Ökologische Aspekte in einem Anorganisch-Analytischen<br />
Fortgeschrittenenpraktikum . . . . . . . . . . . 93<br />
2.10.7 Ökologische Gesichtspunkte in einem Praktikum zur<br />
Abitur-Vorbereitung . . . . . . . . . . . . 97<br />
2.10.8 Ein Sicherheits- und Umweltschutz-Tutorium an der<br />
Fachhochschule Darmstadt . . . . . . . . . . . 100<br />
2.10.8.1 AUT I: Einführungspraktikum . . . . . . . . . . 101<br />
2.10.8.2 AUT II: Quantitativ-Analytisches Praktikum . . . . . . . 106<br />
2.10.8.3 AUT III: Organisch-Chemisches Praktikum . . . . . . . 107<br />
3 Evaluation <strong>des</strong> Einführungspraktikums an der<br />
Fachhochschule Darmstadt . . . . . . . . . . 110<br />
3.1 Fragebögen vor Praktikumbeginn . . . . . . . . . 111<br />
3.2 Fragebögen am Ende <strong>des</strong> Praktikums . . . . . . . . 112<br />
3.3 „Anerkannte“ . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 116<br />
3.5 Ergebnisse in Tabellenform . . . . . . . . . . . 117<br />
4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 119<br />
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />
Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . 125
5<br />
1 Einleitung<br />
1991 publizierte Hanns Fischer ein neuartiges Konzept für ein Chemiepraktikum an der<br />
Universität Zürich [1], das dem Umweltschutz in besonderer Weise Rechnung trägt und<br />
auf folgenden Prinzipien basiert:<br />
• Ersatz hochgiftiger und umweltschädigender Stoffe<br />
• Verkleinern der Ansatzgrößen<br />
• Optimieren von Versuchsvorschriften<br />
• Verknüpfen von Einzelversuchen zu Netzwerken<br />
• Getrenntes Sammeln von Versuchsresten<br />
• Recyceln von Ausgangsstoffen<br />
• Fachgerechtes Entsorgen nicht mehr verwertbarer Reste.<br />
Der Sonderabfall im Zürcher Praktikum ist drastisch (über 90 %) reduziert, womit der<br />
Umwelt direkt gedient ist. Weniger Entsorgungskosten und Recycling-Maßnahmen<br />
wirken sich positiv auf das Budget der Universität aus [2]. Die Gefahrstoffverordnung<br />
lässt sich einfacher umsetzen. Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutz sind zusätzliche Lerninhalte.<br />
(Hinweis: Mit dem Zürcher Modell wurde der Umweltschutz bereits fest in einem<br />
Ausbildungsprogramm verankert, bevor er in Deutschland zum Staatsziel erklärt und<br />
danach auch als verbindliches Thema für den Schulunterricht in Lehrpläne eingeflossen<br />
ist.) In Hinblick auf die Erziehung der Auszubildenden zum sicheren und<br />
umweltgerechten Umgang mit der Chemie erfüllt der Praktikumleiter – allein schon<br />
durch die Tatsache, dass er sich der ökologischen Umgestaltung seines<br />
Zuständigkeitsbereiches angenommen hat –, eine wichtige (vielleicht die wichtigste)<br />
Funktion: er verhält sich vorbildlich.<br />
In meiner ersten Veröffentlichung [3] kurz nach dem Erscheinen der Fischer-<br />
Publikation behauptete ich, dass das Zürcher Modell richtungsweisend für die<br />
zukünftige Chemieausbildung sein werde. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese<br />
Behauptung mit überzeugenden Beispielen zu untermauern.<br />
Bislang ist mir zwar nicht bekannt, dass das Zürcher Modell an irgend einer<br />
<strong>Hochschule</strong> vollständig übernommen wurde. Doch dies überrascht nicht, weil das<br />
Zürcher Curriculum in der Tat eine Besonderheit darstellt. An der Universität Zürich<br />
gibt es nämlich ein großes Praktikum, das sich über die ersten beiden Fachsemester<br />
erstreckt und <strong>vielseitige</strong> Gebiete der Allgemeinen, Anorganischen, Organischen,<br />
Physikalischen und Analytischen Chemie sowie anwendungsorientierte Spezialgebiete<br />
wie Farbstoff- und Polymerchemie behandelt. Neben den angehenden Diplomchemikern<br />
durchlaufen auch Studenten das Praktikum, die Chemie als Nebenfach belegen, vor<br />
allem Biologen. Da an anderen <strong>Hochschule</strong> in der Regel die Fächer Allgemeine,<br />
Anorganische, Organische, Physikalische, Analytische etc. Chemie getrennt, häufig auch<br />
getrennt nach Kursen für Studierende <strong>des</strong> Haupt- und Nebenfaches, unterrichtet werden,<br />
ergeben sich dort ganz andere Organisationsformen für die Praktika, in die das Zürcher<br />
Modell als Ganzes gar nicht hinein passt.<br />
Meine zentrale These lautet: Um umweltfreundlichere praktische Chemieausbildung<br />
zu realisieren und Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes zu ihrem Bestandteil zu machen, ist eine<br />
Kopie <strong>des</strong> Zürcher <strong>Modells</strong> gar nicht erforderlich. Wenn aber <strong>des</strong>sen Prinzipien von den<br />
verantwortlichen Ausbildungsleiter verinnerlicht und für gut befunden sind, ist eine<br />
Umgestaltung einzelner Praktika jederzeit und mit vertretbarem Aufwand möglich, ohne<br />
dass tradierte Lerninhalte verloren gehen. Beim konstruktiven Umbau einzelner Praktika<br />
ergeben sich als positiver Begleiteffekt automatisch Neuentwicklungen, welch die Lehre
6<br />
in vielseitigster Weise befruchten. Dies gilt auch für die Chemieausbildung außerhalb<br />
der Universität, z. B. an Fachhochschulen, in der Ausbildung von Chemisch-<br />
Technischen Assistenten (CTA), Chemielaboranten, Chemielehrern und im<br />
Schulunterricht, wie ich anhand zahlreicher Beispiele aufzeigen werde.<br />
Warum treibe ich gerade in meiner Funktion als Fachhochschulprofessor die<br />
<strong>Weiterentwicklung</strong> <strong>des</strong> Zürcher <strong>Modells</strong> voran? Auf diese Frage möchte ich drei<br />
Antworten geben:<br />
1. Umweltschutz ist ein zentraler Punkt der modernen Chemischen Technologie.<br />
Deshalb muss industrieller Umweltschutz, der der Fachhochschule durch intensive<br />
Industriekontakte (insbes. Betreuung von Diplomarbeiten zu umweltrelevanten<br />
Fragestellungen) bestens bekannt ist, didaktisch reduziert und den angehenden<br />
Chemie-Ingenieuren in ihrer Ausbildung präsentiert werden.<br />
2. Der Arbeitsauftrag der Fachhochschulen ist vor allem entwicklungs- und<br />
anwendungsorientiert. Eine <strong>Weiterentwicklung</strong> <strong>des</strong> in den Grundzügen bereits<br />
definierten Zürcher <strong>Modells</strong> passt <strong>des</strong>halb besonders gut zur Fachhochschularbeit.<br />
Kurze Wege von der Entwicklung z. B. eines neuen umweltfreundlicheren Versuches<br />
bis zur Durchführung im laufenden Praktikumbetrieb charakterisieren die<br />
Arbeitsweise der Fachhochschule. Praktikabilität spielt ganz selbstverständlich eine<br />
große Rolle. Die Entwicklungsarbeiten werden überwiegend von Studenten im<br />
Rahmen kleiner Projektarbeiten, einer Unterrichtsform, die an der Fachhochschule<br />
dominant ist, durchgeführt. Die Motivation der Studenten ist hoch, und viele sind<br />
stolz, am Ende ihrer Arbeit an einer Publikation beteiligt zu sein. (Die Arbeit eines<br />
Studenten wurden sogar mit einem erstem Preis beim Wettbewerb „Abfallfreier<br />
Chemieunterricht 1993“ ausgezeichnet [4].)<br />
3. Da ich schwerpunktmäßig für die Ausbildung von Studienanfängern verantwortlich<br />
bin, interessiere ich mich besonders für Vorkenntnisse und Fähigkeiten, welche die<br />
Studenten von der Schule bzw. der Ausbildung als CTA oder Chemielaborant<br />
mitbringen. Zahlreiche Kontakte zu Schulen und Lehrern (Lehrauftrag an der<br />
Lichtenbergschule in Darmstadt, Leitung einer GDCh-Lehrerfortbildung<br />
„Umweltfreundliches Experimentieren und Versuche zum Umweltschutz durch<br />
Chemie“, Leitung eines von der Deutschen Bun<strong>des</strong>stiftung Umwelt geförderten<br />
Projektes „Umweltfreundlicher Chemieunterricht an Schulen“ in Zusammenarbeit mit<br />
dem Schulumweltzentrum in Wittenberg) und Chemie-Ausbildern in der Industrie<br />
(insbes. Merck-Darmstadt, Degussa-Hanau, Boehringer Mannheim) geben mir<br />
weitere Entwicklungs- und Umsetzungsmöglichkeiten, d. h., die Arbeiten an der<br />
Fachhochschule strahlen teilweise in die schulische und berufliche Chemieausbildung<br />
aus bzw. werden von dieser angeregt.
7<br />
2 Umweltschutz und Sicherheit,<br />
Umweltbildung und Sicherheitserziehung<br />
in der Chemieausbildung<br />
In diesem Kapitel werden Experimente vorgestellt, die irgendwie umweltfreundlicher<br />
und sicherer sind als frühere und die auf irgendeine Art zur Umweltbildung und<br />
Sicherheitserziehung beitragen.<br />
Die Reihenfolge der einzelnen Kapitel orientiert sich an den Leitlinien <strong>des</strong> Fischer-<br />
Konzeptes zum Ausbildungsintegrierten Umweltschutz.<br />
2.1 Aufbereitung nicht verwertbarer Versuchsreste<br />
2.1.1 Aufbereitung von Resten aus der Qualitativen Analyse [5]<br />
In der Chemieausbildung an der <strong>Hochschule</strong> und in der Industrie hat der Trennungsgang<br />
nach wie vor einen hohen Stellenwert. Chemieanfänger lernen in einfachen<br />
Reagenzglas-versuchen wichtige Reaktionen der anorganischen Chemie und viele<br />
verschiedene Stoffe kennen.<br />
Die Ausbildung trägt den Widerspruch in sich, dass die Praktikanten einerseits<br />
durch chemische Methoden komplizierte Stoffgemische trennen, andererseits große<br />
Mengen vermischter Analysenreste produzieren, die üblicherweise einer Verbrennung<br />
als Sondermüll zugeführt werden.<br />
An der Fachhochschule Darmstadt wird ein anderer Weg beschritten, welcher der<br />
Konditionierung der Trennungsgangsreste Rechnung trägt und zu einer umweltgerechteren<br />
Gestaltung <strong>des</strong> Praktikums führt.<br />
Jeder Student sammelt seine Analysenreste an seinem Arbeitsplatz und führt<br />
unmittelbar nach Abschluss einer Analyse eine Aufbereitung der Reste durch, die sich<br />
an gängigen Methoden der Abwassertechnologie orientiert und ein Wasser mit<br />
Schadstoffkonzentrationen unterhalb der erlaubten Einleitgrenzen liefert (mehrfach<br />
überprüft durch ICP-AES-Multielementanalyse). Die Aufbereitung umfasst folgende<br />
Schritte:<br />
• Chromatreduktion mit FeSO 4<br />
• Zusatz von Flockungshilfsmitteln (Polyacrylamid mit wenigen freien Carbonsäurefunktionen<br />
• Hydroxidfällung bei pH 8 bis 9 mit NaOH, Filtration<br />
• Sulfidfällung mit Na 2 S, Filtration<br />
• Beseitigung <strong>des</strong> Sulfidüberschusses mit FeCl 3 oder H 2 O 2 , Filtration<br />
• ggf. Aktivkohlebehandlung, Filtration<br />
• Nachbehandlung mit eingerührtem Ionenaustauscher (an Polystyren fixierte Iminodiessigsäure<br />
oder Zeolith A), Filtration.<br />
Das so nachbehandelte Abwasser wird vom Laborpersonal stichprobenweise auf<br />
Schwermetallfreiheit getestet. Hatte ein Student z. B. Nickelionen in seiner Analyse, so<br />
wird 1 mL seines konditionierten Wassers mit Diacetyldioxim geprüft. Die Bildung<br />
eines roten Niederschlages muss ausbleiben. Außerdem wird das Abwasser im Rahmen
8<br />
<strong>des</strong> sowieso zum Praktikumprogramm gehörenden Versuches zur Atomabsorptionsspektroskopie<br />
routinemäßig auf Kupferfreiheit untersucht. Bislang konnten wir noch<br />
keinem Studenten eine unkorrekte Aufbereitung seiner Trennungsgangsreste<br />
nachweisen, so dass alle Abwässer in den Ausguss gegeben werden konnten. Die<br />
Studenten werden darauf hingewiesen, dass wir die Kontrolle ihrer Abwässer sehr ernst<br />
nehmen, weil auch das Abwasser, welches das Chemieinstitut verlässt, gelegentlich<br />
durch die Umwelt-behörde kontrolliert wird. Überschreitungen von Grenzwerten von<br />
Metallionen wurde dabei bislang nicht festgestellt.<br />
Didaktisch wertvoll an der gesamten Vorgehensweise ist, dass die Studenten sich im<br />
Sinne <strong>des</strong> Verursacherprinzips selbst um die von Ihnen verursachten Abfälle kümmern.<br />
Sie übernehmen damit Verantwortung (affektives Lernziel). Weiterhin bedeutungsvoll<br />
ist, dass sie die Prinzipien der Chemie, die sie in der Qualitativen Analyse gelernt haben<br />
(Fällungsreaktionen, Oxidationen, Reduktionen etc.), auch bei der Abwasserkonditionierung<br />
anwenden (Transferleistung; Anwendungsorientierung der Fachhochschulausbildung)<br />
und so durch Chemie einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die<br />
Abwassertechnologie ist zum zusätzlichen Lerninhalt <strong>des</strong> Praktikums geworden<br />
(kognitives Lernziel).<br />
Die Aufbereitung der Versuchsreste hat im Praktikum den Charakter eines neuen<br />
Versuches, für den ausreichend Zeit (etwa ein Tag) reserviert ist. Durch diese<br />
organisatorische Maßnahme wird von vornherein verhindert, dass Entsorgung<br />
gleichgesetzt wird mit lästigen Zusatzaufgaben wie Spülen und Aufräumen.<br />
Ein interessanter aufklärender Effekt ergibt sich bei den Aufarbeitungen. Viele<br />
Studenten möchten später als Chemiker im Umweltschutz tätig werden. Sie assoziieren<br />
mit diesem Wunsch nicht selten z.B. das Fahren mit einem Ökomobil in ein<br />
Naturschutzreservat, Probennahme, Analyse in einem zertifizierten Labor und Schreiben<br />
eines Berichtes. Dass diese Tätigkeit sinnvoll und notwendig ist, steht gar nicht zur<br />
Diskussion. In unserem Praktikum bekommen die Studenten aber einen Vorgeschmack<br />
darauf, was aktiver Umweltschutz in der Realität am häufigsten bedeutet, nämlich<br />
Arbeiten mit dreckigem Wasser, kontaminiertem Boden und stinkender Luft. Studenten,<br />
die sich aus Liebe zur Umwelt im Studium das nötige Fachwissen aneignen und später<br />
bereit sind, selbst unangenehmste Arbeiten durchzuführen, sind für eine ökologisch<br />
bedrohte Welt sicherlich ein großer Gewinn.<br />
Dass es für die Studenten dennoch motivierend ist, sich ihrer übel riechenden,<br />
trüben Trennungsgangsreste anzunehmen, mag folgende Anekdote belegen. Einer der<br />
ersten Studenten, der das umgestaltetes Praktikum absolvierte, kam nach Durchführung<br />
der oben beschriebenen Reinigungsoperationen zu mir um präsentierte mir stolz ein ganz<br />
klares, farb- und geruchsloses Wasser und fragte, was er nun damit machen solle. Meine<br />
Antwort lautete: „Wegschütten.“ Sichtlich enttäuscht, dass sein mit viel Engagement<br />
erzeugtes Praktikumprodukt reif für die Kanalisation war, folgte der Student meiner<br />
Aufforderung. (Um wie viel mehr mussten in früheren Praktika Studenten wohl frustriert<br />
gewesen sein, die selbst wunderschön gezüchtete Kristalle in dem Kontainer für<br />
Sondermüll geben mussten, weil für die Stoffe keine weitere Verwendung bestand?)<br />
Gerade in der Ingenieurausbildung ist die Frage nach der Umsetzung von<br />
Laborexperimenten in den halbtechnischen und später großtechnischen Maßstab<br />
wichtig. Deshalb wurde exemplarisch gezeigt, dass sich Trennungsgangsreste auch im<br />
100-L-Rührkessel aufbereiten lassen. Wir hatten nämlich noch 26 L Reste aus einem<br />
früheren Praktikumkurs, die wir bei einer Exkursion im Ausbildungstechnikum der<br />
Firma Degussa in Hanau-Wolfgang (die Fachhochschule Darmstadt besitzt selbst keinen<br />
geeigneten Reaktor) aufbereiteten.<br />
In der Firma Degussa werden Reste aus der Qualitativen Analyse, die von<br />
angehenden Chemielaboranten (labororientierte Ausbildung) bearbeitet werden, zentral
9<br />
gesammelt und an zukünftige Chemikanten (betriebs- und technikumorientierte<br />
Ausbildung) weiter gegeben, welche die Konditionierung im großen Maßstab<br />
durchführen Die Verfahrensschritte umfassen Hydroxid- und Carbonatfällungen,<br />
Filtration, Nachbe-handlung <strong>des</strong> Filtrates mit Trimercaptotriazin (Handelsprodukt der<br />
Firma; sulfidähnliche Fällung) und Sedimentation.<br />
Genau wie die Fachhochschulstudenten lernen die Auszubildenden in der Industrie,<br />
dass Chemie und Umweltschutz untrennbar zusammengehören. Während die Studenten<br />
nach dem Verursacherprinzip individuell Verantwortung übernehmen, arbeiten die<br />
Auszubildenden bei der Firma Degussa arbeitsteilig. Eine Gruppe, die Chemikanten,<br />
verarbeitet Reste aus einem anderen Praktikum, dem der Laboranten. Beide Gruppen<br />
lernen dadurch verantwortungsvoll zu kooperieren, was im späteren Berufsleben von<br />
fundamentaler Bedeutung ist (Basisqualifikation: kooperatives Verhalten).<br />
2.1.2 Aufbereitung farbstoffhaltiger Abwässer<br />
An der Fachhochschule Darmstadt wird eine Wahlpflicht-Vorlesung „Farbstoffe und<br />
Pigmente“ mit einem begleitenden Kurzpraktikum [6] angeboten. Die meisten<br />
Versuchsvorschriften sind dem Buch von Wittke [7] entnommen, die Ansatzgrößen<br />
allerdings deutlich, teilweise bis auf ein Zehntel, verringert worden. Das Erkennen von<br />
Farbvorgängen wird dadurch keineswegs beeinträchtigt. Vorteilhaft ist vielmehr, dass<br />
Chemikalien gespart werden und weniger Abfälle anfallen. Außerdem lassen sich die<br />
Versuche im kleinen Maßstab rasch durchführen, da als Geräte Reagenz- und<br />
Bechergläser ausreichen. Das Praktikum erhebt nicht den Anspruch, präparativ<br />
anspruchsvoll zu sein. Es soll in der vorgesehenen Zeit von nur zwei Tagen lediglich<br />
viele interessante Farbreaktionen kurz vorstellen.<br />
So beschränken sich u. a. die Synthesen von Phenolphthalein und Fluoreszein<br />
darauf, Phthalsäureanhydrid unter oxidierenden Bedingeungen mit Phenol bzw.<br />
Resorcin im Tiegel durch Erwärmen zur Reaktion zu bringen. Nach Zugabe von NaOH<br />
zum Schmelzkuchen lässt sich anhand der roten Farbe bzw. grünen Fluoreszenz<br />
qualitativ beweisen, dass die Phthaleine entstanden sind. Auf eine weitere Aufarbeitung<br />
wird verzichtet. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - der Einfachheit der Versuche sind<br />
die Studenten davon beeindruckt, wie leicht die auf dem Papier so kompliziert<br />
aussehenden Moleküle entstehen und welch große Triebkraft hinter der Ausbildung <strong>des</strong><br />
konjugierten π-Elektronensystems <strong>des</strong> Chromophors stehen muss.<br />
Dank der kleinen Ansätze fallen bei den Synthesen der organischen Farbstoffe und<br />
anschließenden Färbeversuche lediglich 500-700 mL Abwasser pro Studentengruppe<br />
(zwei Personen) an. Dieses ist nicht weiter verwertbar, kann aber im 1-L-Becherglas<br />
problemlos konditioniert werden. Die Studenten folgen damit - wie sie es bereits im<br />
Grundpraktikum bei der Aufbereitung der Trennungsgangsreste kennen gelernt haben -<br />
dem Verursacherprinzip und wenden Methoden an, die in der farbstoffverarbeitenden<br />
Industrie Stand der Technik sind.<br />
Zunächst werden die gesamten Reste mit H 2 O 2 versetzt, um Sulfit (aus der<br />
Fuchsinbleiche) und Dithionit (aus der Küpenfärbung) zu Sulfat zu oxidieren. Dann wird<br />
mit NaOH neutralisiert, wobei Eisen und Aluminium (aus der Beizenfärbung) als<br />
Hydroxide ausfallen. Durch den Flockungseffekt werden bereits einige organische<br />
Stoffe mitgefällt. Nach Filtration wird das Filtrat mit Pulveraktivkohle, die einen hohen<br />
Anteil Mesoporen besitzt, und H 2 O 2 gekocht. Lerninhalte dieses Teils <strong>des</strong> Versuches<br />
sind, dass H 2 O 2 organische Wasserinhaltsstoffe, z. B. Phenole (aus der Phenolphthalein-<br />
Herstellung) oxidativ zerstören kann, insbesondere in Gegenwart von Aktivkohle,<br />
welche die Zersetzung <strong>des</strong> Reagenzes zu Wasser und aktivem Sauerstoff katalysiert, und
10<br />
dass Aktivkohle der Feststoff der Wahl zur Adsorption organischer Farbstoffe ist. Nach<br />
Filtration resultiert ein klares Wasser.<br />
Nach folgenden Analysedaten spricht nichts dagegen, das gereinigte Wasser<br />
wegzuschütten: Der chemische Sauerstoffbedarf eines unbehandelten Abwassers betrug<br />
23200 mg O 2 /L, nach Neutralisation und Flockung 17800 mg O 2 /L und nach<br />
Aktivkohle/H 2 O 2 -Behandlung 5430 mg O 2 /L. Der hohe Endwert ist auf eine hohen<br />
Ethanolgehalt (Hilfslösemittel bei vielen Färbeprozessen) <strong>des</strong> Wassers zurückzuführen.<br />
Durch einen statischen Test wurde gezeigt, dass das Abwasser biologisch gut abbaubar<br />
ist, so dass es bedenkenlos in den Ausguss gegeben werden kann.<br />
Die Aufbereitung farbstoffhaltiger Abwässer kann auch im Schulunterricht zur<br />
Umwelterziehung eingesetzt werden [8]. Im Schuljahr 1996/97 leitete ich am<br />
Lichtenberg-Gymnasium in Darmstadt im Rahmen einer Projektwoche einen Kurs „Wir<br />
modellieren die Farbstoffindustrie“ [9]. Die Schüler wurden in verschiedene Gruppen<br />
eingeteilt, die anhand von Experimenten jeweils Teilgebiete der Farbstoffchemie<br />
bearbeiteten. Neben Gruppen für Produktion, Forschung, Entwicklung, Anwendungstechnik,<br />
Analytik, Werbung und Marketing gab es auch eine Umweltschutzgruppe.<br />
(Auch Schülern kann also leicht klar gemacht werden, dass Umweltschutz heute<br />
selbstverständlich integraler Bestandteil der Chemie ist.) Diese arbeitete die bei<br />
Färbeversuchen übrig gebliebenen Flotten fachgerecht auf. Bei der<br />
Abschlusspräsentation führte eine Schülerin den Zuschauern sogar die Entfärbung eines<br />
farbigen Abwassers mit Aktivkohle vor.<br />
2.2 Anwendung <strong>des</strong> Ersatzstoffprinzip<br />
Wenn ein Lernziel durch ein Experiment mit einen ungefährlicheren und umweltfreundlicheren<br />
Stoff erreicht werden kann, so ist dieser zu verwenden. (Laborleiter<br />
müssen, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich mit gefährlichen Stoffen arbeiten<br />
(lassen), nachweisen, dass sie eine Ersatzstoffprüfung erfolglos vorgenommen haben.)<br />
2.2.1 Ersatz von Diethylether durch tert.-Butylmethylether [10]<br />
Da wir in unseren Praktika aus ökologischen und sicherheitstechnischen Gründen<br />
Diethylether durch den weniger flüchtigen, keine Peroxide bildenden und <strong>des</strong>halb<br />
gefahrlos durch Destillation recycelbaren tert.-Butylmethylether (MTBE) ersetzen<br />
wollten, galt es vorab zu prüfen, ob die bislang mit Diethylether durchgeführten<br />
Versuche mit dem neuen Lösemittel analog funktionieren oder ob ggf. Änderungen<br />
vorzunehmen sind.<br />
Im anorganisch-analytischen Praktikum kommt z. B. die Extraktion von<br />
dreiwertigem Eisen aus salzsaurer Lösung vor.<br />
Diese gelingt mit Diethylether am besten bei einer HCl-Konzentration von 6.0<br />
mol/L. Aus der Etherphase kann das Eisen mit Wasser quantitativ rückextrahiert werden.<br />
Mit MTBE verläuft die Eisenextraktion optimal bei einer HCl-Konzentration von<br />
5.2 mol/L, was bei der Versuchsvorschrift zu berücksichtigen ist. Der signifikant etwas<br />
niedrigere Wert gegenüber dem bei der Extraktion mit Diethylether ist vermutlich auf<br />
die geringere Löslichkeit von MTBE in HCl zurückzuführen.<br />
Die Bestimmung erfolgte, indem wässrige Lösungen mit FeCl 3 -Konzentrationen<br />
zwischen 1-8 mmol/L und HCl-Konzentrationen zwischen 0-10 mol/L bereitet und mit<br />
gleichen Volumina MTBE ausgeschüttelt und nach den Phasentrennungen die
11<br />
Eisengehalt der wässrigen Phasen komplexometrisch bestimmt wurden. Ergänzend<br />
wurden die MTBE-Phasen mit Wasser rückextrahiert. Die Eisengehalte der wässrigen<br />
Extrakte wurden ebenfalls komplexometrisch ermittelt.<br />
Die Studentin, die die Ersatzstoffprüfung vornahm, führte damit eine<br />
Forschungsarbeit für den Umweltschutz durch. Erst nachdem der als Ersatzstoff in<br />
Erwägung gezogene MTBE sorgfältig auf seine Einsetzbarkeit geprüft und eine<br />
modifizierte Versuchsvorschrift erstellt wurde, kam er im laufenden Praktikumbetrieb<br />
zum Einsatz und hat sich dort aufgrund der oben genannten Vorteile bewährt.<br />
2.2.2 Ersatz von Bleiverbindungen [11, 12]<br />
Auf dem Programm der 11. Klasse, die ich 1996 in Darmstadt unterrichtete, standen<br />
zwei Versuche mit Bleiverbindungen: die Diffusion von Iodidionen, die in Form von KI<br />
rechts in eine wassergefüllte Petrischale gegeben werden, und von Bleiionen, die in<br />
Form von Pb(NO 3 ) 2 links in die Schale gegeben werden, die zur Bildung von gelbem (in<br />
der Overhead-Projektion schwarzem) PbI 2 führt, und die Schmelzflusselektrolyse von<br />
PbCl 2 . Da bei beiden Versuchen nicht chemische Reaktionen <strong>des</strong> Bleis als Lernziele im<br />
Vordergrund standen, sondern das Verstehen der Diffusion und der Schmelzflusselektrolyse,<br />
stellte ich die Versuche auf solche mit ungiftigeren Chemikalien um.<br />
Der Versuch zur Diffusion in der Petrischale lässt sich mit einer ganzen Reihe<br />
harmloser Systeme durchführen, die in Tabelle 1 zusammengestellt sind.<br />
Tabelle 1: Diffusion in der Petrischale<br />
Nr. Substanz A Substanz B Reaktionsmedium<br />
(rechts aufgeben) (links aufgeben) (Petrischale)<br />
1 CaCl 2 Na 2 CO 3 H 2 O<br />
2 MgCl 2 NaOH H 2 O<br />
3 MgCl 2 KH 2 PO 4 H 2 O, 10 Tr. NH 3<br />
4 FeCl 3 NaOH H 2 O<br />
5 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 NaOH H 2 O<br />
6 FeCl 3 NH 4 SCN H 2 O<br />
7 FeCl 3 K 4 [Fe(CN) 6 ] H 2 O<br />
8 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 Na 2 O 2 H 2 O<br />
9 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 (NH 4 ) 2 S 2 O 8 H 2 O, 5 Tr. HCl, 10 Tr. NH 4 SCN<br />
10 MnCl 2 Na 2 O 2 H 2 O<br />
11 FeCl 3 MnCl 2 H 2 O, 5 Tr. HCl<br />
12 FeCl 3 MnCl 2 H 2 O, 5 Tr.HCl, 10 Tr. NH 4 SCN<br />
13 FeCl 3 Ascorbinsäure H 2 O<br />
14 FeCl 3 Ascorbinsäure H 2 O, 10 Tr. NH 4 SCN<br />
Beim Zusammentreffen von Calcium- und Carbonationen bildet sich eine Schicht<br />
schwerlösliches, weißes CaCO 3 (1), beim Zusammentreffen von Magnesiumionen und<br />
Hydroxidionen schwerlösliches, weißes Mg(OH) 2 (2). Magnesium- und Phosphationen<br />
ergeben im ammoniakalischen Medium schwerlösliches, weißes MgNH 4 PO 4 (3).<br />
Hydroxidionen fällen Eisenionen zu braunem Fe(OH) 3 (4) bzw. bläulichem Fe(OH) 2 (5).<br />
Aus Eisen(III)- und Thiocyanationen entsteht in der Kontaktzone lösliches, rotes<br />
Fe(SCN) 3 (6), aus Eisen(III)- und Hexacyanoferrat(II)-Ionen Berliner Blau (7).<br />
Zweiwertiges Eisen wird von Peroxid oxidiert. Im alkalischen Medium bildet sich ein<br />
Streifen rostbraunes Fe(OH) 3 (8), im sauren, thiocyanathaltigen Medium entsteht rotes
12<br />
Fe(SCN) 3 (9). Auch zweiwertiges Mangan lässt sich mit Na 2 O 2 oxidieren. In der<br />
Berührungszone fällt Braunstein aus (19). An <strong>des</strong>sen Oberfläche wird überschüssiges<br />
Peroxid katalytisch zersetzt, was an der Bildung von Gasblasen (O 2 ) zu erkennen ist.<br />
Dreiwertiges Eisen oxidiert zweiwertiges Mangan zu farblosem Mn(III). Bedingt durch<br />
die gleichzeitige Bildung von fast farblosem Fe(II) verschwindet die gelbe Zone <strong>des</strong><br />
ursprünglichen FeCl 3 (11) bzw. die rote <strong>des</strong> Fe(SCN) 3 (12). Auch Ascorbinsäure<br />
reduziert die ihr entgegen diffundierenden Eisen(III)-Ionen, was an der Entfärbung der<br />
gelben FeCl 3 - bzw. Fe(SCN) 3 -Lösung zu erkennen ist (13 bzw. 14).<br />
Alle Versuchsreste können weggeschüttet werden, während dies bei dem früher<br />
durchgeführten Versuch nicht geht. Die Umstellung <strong>des</strong> Versuches nach dem<br />
Ersatzstoffprinzip trägt zwar direkt zum Umweltschutz bei und ist <strong>des</strong>halb wertvoll, aber<br />
kein Beitrag zur Umweltbildung der Schüler. Diesen wird nämlich im Unterricht das<br />
Phänomen der Diffusion beigebracht und nicht, dass giftiges Bleisalz durch harmlose<br />
Stoffe ersetzt wurde. Diese Tatsache sollte man höchstens am Rande erwähnen.<br />
Die früher durchgeführte Elektrolyse von geschmolzenem Bleichlorid wurde durch<br />
die <strong>des</strong> mindergiftigen Zinkchlorids ersetzt. Wenn man an den Anoderaum zusätzlich<br />
eine Waschflasche mit Natronlauge anschließt, kann das entwickelte Chlorgas<br />
aufgefangen werden, so dass nicht unter dem Abzug gearbeitet werden muss. Die<br />
Schüler lernen ergänzend zum Hauptthema Schmelzflusselektrolyse eine effektive<br />
Methode der technischen Luftreinhaltung, die Gaswäsche, kennen. Nach dem Versuch<br />
wird das Hypochlorit in der Waschflasche mit H 2 O 2 vernichtet. Zusätzlich wird die an<br />
der Katode erhaltene Zinkperle in Salzsäure gegeben und das Recycling von Zinkchlorid<br />
thematisiert. Bei der Elektrolyse nicht verbrauchtes Zinkchlorid ist selbstverständlich<br />
wieder verwertbar.<br />
2.2.3 Ersatzstoffe für Chlor und Brom (in [13])<br />
Die wichtige Stoffklasse der Halogene und ihre <strong>vielseitige</strong> Redoxchemie darf im<br />
Chemieunterricht nicht ausgespart werden. Nachteilig ist, dass der Umgang mit Chlor<br />
aus einer Druckflasche oder mit flüssigem Brom ein erhebliches Sicherheitsrisiko<br />
darstellt. Im folgenden werden Versuche mit Chlor- und Bromwasser beschrieben, bei<br />
denen die Halogene durch Ansäuern stabiler wäßriger Ausgangslösungen von Chloramin<br />
T bzw. einer Bromat/Bromid-Mischung erzeugt und direkt in Folgereaktionen<br />
verbraucht werden. Die Konzentrationen sind so eingestellt, daß keine nennenswerten<br />
Chlor- und Brommengen entweichen, so daß die Versuche sogar von Schüler am<br />
Arbeitsplatz durchgeführt werden können.<br />
Chloramin-T (Natrium-N-Chlor-4-toluensulfonamid) ist als Pulver und in Tabletten<br />
handelsüblich und wird als Desinfektionsmittel in Krankenhäusern und Schwimmbädern<br />
verwendet. Es ist ungiftig, in Wasser leicht, in organischen Lösungsmitteln nicht löslich.<br />
Der Stoff wird durch Wasser hydrolysiert. Dabei entsteht Natriumhypochlorit, das mit<br />
Salzsäure zu elementarem Chlor komproportioniert werden kann:<br />
H 3 C-C 6 H 4 -SO 2 NClNa + H 2 O → H 3 C-C 6 H 4 -SO 2 NH 2 + NaOCl<br />
NaOCl + 2 HCl → Cl 2 + NaCl + H 2 O<br />
Aus einer wässrigen Bromat/Bromid-Mischung bildet sich im sauren Medium durch<br />
Komproportionierung elementares Brom:<br />
BrO 3 − + 5 Br − + 6 H + → 3 Br 2 + 3 H 2 O<br />
Die wässrige (nicht angesäuerte) Chloramin-T- bzw. Bromat/Bromid-Lösung ist haltbar<br />
und nicht korrosiv.
13<br />
Die Schüler erzeugen aus der Chloramin-T-Lösung durch Ansäuern Chlorwasser<br />
und geben eine KBr- bzw. KI-Lösung zu. Das starke Oxidationsmittel Chlor setzt die<br />
schwächeren Oxidationsmittel Brom bzw. Iod aus ihren Salzen frei, was an einer Braunbzw.<br />
Graufärbung der Reaktionslösungen zu beobachten ist. Analog setzt das aus der<br />
Bromat/Bromid-Lösung durch Ansäuern erzeugte Brom das schwächere<br />
Oxidationsmittel Iod aus zugesetztem Kaliumiodid frei. Die Halogene können mit<br />
Petrolether extrahiert werden. Brom färbt das Lösungsmittel gelb, Iod violett.<br />
Anschließend erproben die Schüler die Bleichwirkung von Chlor und Brom, indem<br />
sie eine angesäuerte Methylorangelösung mit Chloramin-T- bzw. Bromat/Bromid-<br />
Lösung tropfenweise bis zur Entfärbung versetzen (oxidative Zerstörung <strong>des</strong><br />
Farbstoffes).<br />
Die Reste der Extraktionsversuche werden gesammelt und im Unterricht vom Lehrer<br />
aufgearbeitet. Durch Schütteln mit Thiosulfatlösung wird noch vorhandenes Halogen zu<br />
ungiftigem Halogenid reduziert (Entfärbung). Nach der Phasentrennung wird die<br />
wässrige Phase weggeschüttet und die organische Phase über wasserfreiem<br />
Natriumsulfat getrocknet. Nach Filtration kann das organische Lösungsmittel<br />
wiederverwendet werden.<br />
Durch diese Vorgehensweise wird den Schülern klargemacht, dass die fachgerechte<br />
Aufbereitung der Versuchsreste (hier Wasserentgiftung und Lösungsmittelrecycling)<br />
zum Versuch dazugehört.<br />
Die gelegentlich von Schülern gestellte Frage, ob man das weggeschüttete Wasser<br />
hätte trinken können, imitiert eine weitergehende, interessante Diskussion. Abwasserentgiftung<br />
führt - wie der Name schon sagt - dazu, dass das Wasser nicht mehr giftig ist.<br />
Die Behandlung führt aber in der Regel zu einer Aufsalzung, so dass das Wasser von<br />
Trinkwasserqualität noch weit entfernt ist.<br />
2.2.4 Ein ungefährlicher Nitrit- bzw. Nitrat-Nachweis (in [13])<br />
Für den Nitratnachweis durch die „Ringprobe“ wird konzentrierte Schwefelsäure<br />
benötigt, die bei Schülerversuchen ein erhebliches Gefährdungspotential darstellt. Der<br />
folgende Nitrit- bzw. Nitrat-Nachweis kommt mit winzigen Mengen ungefährlicher<br />
Nachweisreagenzien aus, ist zuverlässig und kann leicht von Schülern ausgeführt<br />
werden. Er ähnelt dem „Lunge“-Test und basiert darauf, dass Nitrit das aromatische<br />
Amin Sulfanilsäure diazotieren und das resultierende Diazoniumsalz mit der<br />
aromatischen Verbindung Naphtylethylendiamin einen roten Azofarbstoff bilden kann:
14<br />
HO 3<br />
S NH 2<br />
+ HNO 2 - O 3<br />
S N 2<br />
+<br />
+ 2 H 2<br />
O<br />
H<br />
NHCH 2<br />
CH 2<br />
NH 2<br />
HO 3<br />
S N=N NHCH 2<br />
CH 2<br />
NH 2<br />
Wenn Nitrat vorab mit einem unedleren Metall (Magnesium) zu Nitrit reduziert<br />
wird, kann es indirekt als Nitrit nachgewiesen werden.<br />
(Nach den hier beschriebenen Reaktionen funktionieren auch handelsübliche Nitritbzw.<br />
Nitrat-Schnellteststreifen).<br />
Nitrit-Nachweis (Blindprobe): Etwas KNO 2 und Nitrit-Nachweisreagenz (Mischung aus<br />
100 g NaCl, 1.5 g Sulfanilsäure und 0.3 g Naphthylethylendiammoniumdichlorid)<br />
werden auf der Tüpfelplatte vermischt und mit 3 Tropfen Essigsäure versetzt. Es tritt<br />
eine Rotfärbung auf.<br />
Nitrat-Nachweis (Blindprobe): Etwas KNO 3 und Nitrit-Nachweisreagenz vermischt und<br />
mit 3 Tropfen Essigsäure versetzt. Es kommt zu keiner Reaktion. Wenn nun zusätzlich<br />
ein Stückchen Magnesiumband in die Mischung gelegt wird, tritt nach 1-2 Minuten eine<br />
Rotfärbung ein.<br />
Unbekannte Feststoffproben: Die zu untersuchende Substanz wird wie beschrieben mit<br />
dem Nitrit-Nachweisreagenz und Essigsäure versetzt und somit zunächst auf Nitrit und<br />
bei einem negativen Befund anschließend durch Zugabe eines Stückchens<br />
Magnesiumband auf Nitrat geprüft.<br />
In Anbetracht der winzigen Substanzmengen, die für die Nachweise benötigt<br />
werden, ist es zu verantworten, die Versuchsreste wegzuspülen.<br />
2.3 Verkleinern von Ansatzgrößen<br />
2.3.1 Mikrotitrationen [14, 15]<br />
In einem ökologisch orientierten Chemie- und Biologieunterricht spielt die Beurteilung<br />
der Güte von Gewässern eine große Rolle. Zuverlässige Ergebnisse erzielt man nur,<br />
wenn die Wasserproben direkt an Ort und Stelle analysiert werden, denn nur so kann ein<br />
möglicher Fehler durch Veränderung der Zusammensetzung der Probe zwischen dem<br />
Zeitpunkt der Probennahme und der Analyse im Schullabor vermieden werden. Die Vor-<br />
Ort-Analysen können mit analytischen Schnelltests erfolgen, die in der Handhabung<br />
einfach sind und gute und reproduzierbare Ergebnisse liefern. Ihr Einsatz ist aber nur<br />
sinnvoll, solange das Lernziel allein die Beurteilung der Wasserqualität ist. Sollen<br />
hingegen außerdem Methoden der Wasseranalytik und die damit verbundenen<br />
chemischen Grundlagen vermittelt werden, muss auf klassische Verfahren der<br />
Maßanalyse zurückgegriffen werden.<br />
Nachteilig beim Arbeiten mit Büretten, Pipetten, Mess- und Erlenmeyerkolben vor<br />
Ort ist, dass der Transport der Glasgeräte problematisch und wegen nicht auszuschließendem<br />
Glasbruch auch nicht ungefährlich und der Zeitaufwand für die
15<br />
Titrationen recht groß ist. Außerdem ist es gerade in einem Ökologie-Praktikum<br />
didaktisch wenig sinnvoll, große Mengen an Maßlösung zu verbrauchen (was zusätzlich<br />
teuer ist!) und entsprechend große Mengen Analysenabwässer zu produzieren.<br />
Günstiger ist es <strong>des</strong>halb, die Titrationen im Halbmikromaßstab unter Verwendung<br />
einer 10-mL-Injektionsspritze zur Probennahme, einer 1-mL-Tuberkulinspritze mit<br />
0.01-mL-Teilung und dünner Kanüle als „Bürette“ durchzuführen.<br />
Im folgenden wird die halbmikroanalytische Bestimmung wichtiger<br />
Wasserparameter wie Carbonat- und Gesamthärte, Chlorid- und Sauerstoffgehalt<br />
beschrieben.<br />
Die Bestimmung der Carbonathärte erfolgt durch Titration mit einer Salzsäure-<br />
Maßlösung. Im pH-Bereich 8.3 (Umschlag von Phenolphthalein) bis 4.3 (Umschlag<br />
eines Methylrot/Bromcresolgrün-Mischindikators) laufen folgende Reaktionen ab:<br />
CO 3 2− + 2 HCl → 2 Cl − + H 2 O + CO 2<br />
HCO 3 − + HCl → Cl − + H 2 O + CO 2<br />
Bei der Gesamthärtebestimmung wird die Summe der Konzentrationen an<br />
Magnesium- und Calciumionen im Wasser durch komplexometrische Titration bei pH<br />
10 gegen Erio T (Indikatorpuffertablette) bestimmt. Der Calciumgehalt alleine wird<br />
bestimmt, nachdem das Magnesium mit Natronlauge als Mg(OH) 2 ausgefällt wurde. Als<br />
calciumspezifischer Indikator dient dabei Calconcarbonsäure.<br />
Die Chloridbestimmung nach Mohr erfolgt durch Fällungstitration mit einer<br />
AgNO 3 -Maßlösung.<br />
Die Bestimmung von im Wasser gelösten Sauerstoff beruht auf einer Folge von<br />
Redoxreaktionen. Zunächst oxidiert der Sauerstoff zugesetztes zweiwertiges Mangan im<br />
alkalischen Medium zum vierwertigen. Beim Ansäuern komproportioniert der gebildete<br />
Braunstein mit überschüssigem zweiwertigen Mangan zum dreiwertigen, das zugesetztes<br />
Iodid zu elementarem Iod oxidieren kann. Die entstandene Menge Iod korrespondiert<br />
also mit der ursprünglich im Wasser vorhandenen Menge Sauerstoff und kann mit einer<br />
Thiosulfat-Maßlösung titrimetrisch erfaßt werden.<br />
2 Mn 2+ + O 2 + 4 OH − → 2 MnO(OH) 2<br />
MnO(OH) 2 + Mn 2+ + 4 H + → 2 Mn 3+ + 3 H 2 O<br />
2 Mn 3+ + 2 I − → 2 Mn 2+ + I 2<br />
2−<br />
I 2 + 2 S 2 O 3 → 2 I −<br />
2−<br />
+ S 4 O 6<br />
Ein weiterer wichtiger Summenparameter zur Beurteilung der Wassergüte ist der<br />
chemische Sauerstoffbedarf (CSB). Nach DIN 38409 wird die zu untersuchende<br />
Wasserprobe mit einer definierten Menge Chromschwefelsäure 2 Stunden bei 148 °C<br />
behandelt, wobei nahezu alle organischen Wasserinhaltsstoffe oxidiert werden. Größere<br />
Mengen an Chlorid stören und werden <strong>des</strong>halb mit Quecksilber(II)-Ionen maskiert.<br />
Abschließend wird das überschüssige sechswertige Chrom mit Eisen(II)-Lösung zurück<br />
titriert.<br />
Cr 2 O 7 2− + 6 e − + 14 H + → 2 Cr 3+ + 7 H 2 O (1 mol K 2 Cr 2 O 7 = 1.5 mol O 2 )<br />
Cr 2 O 7 2− + 6 Fe 2+ + 14 H + → 2 Cr 3+ + 6 Fe 3+ + 7 H 2 O<br />
Für den Schulunterricht ist die DIN-Methode zu arbeits- und zeitaufwendig, wegen<br />
<strong>des</strong> Einsatzes größerer Mengen Chromschwefelsäure zu gefährlich und wegen <strong>des</strong><br />
Quecksilbergehaltes in Hinblick auf die Entsorgung der Versuchsreste problematisch.<br />
Deshalb haben wir nach einer alternativen Methode gesucht.<br />
Ein CSB-Küvettentest (Merckoquant ® CSB-Test 14541) mit fotometrischer<br />
Auswertung kommt kaum in Betracht. Der Test ist zwar ungefährlich und Reste können
16<br />
zwecks Recycling an den Hersteller zurückgegeben werden, aber die Anschaffung der<br />
erforderlichen Geräte (Thermostat, Fotometer) dürfte für die meisten Schulen zu teuer<br />
sein.<br />
Geeignet ist hingegen folgende Halbmikroschnellmethode, bei der auf den Zusatz<br />
von Quecksilbersalz verzichtet und die erforderliche Reaktionstemperatur in Sekundenschnelle<br />
durch Ausnutzung der Wärmeenergie erreicht wird, die beim Mischen der mit<br />
Kaliumdichromat-Lösung versetzten Wasserprobe und konzentrierter Schwefelsäure frei<br />
wird (günstige Energiebilanz):<br />
Zu 5 mL Wasserprobe werden 3 mL 0.0417 molare Kaliumdichromat-Lösung und in<br />
einem Strahl 15 mL konzentrierte Schwefelsäure gegeben (Vorsicht: starkes<br />
Erwärmen!). Nach genau 2 Minuten werden 25 mL Wasser und 3 Tropfen Ferroin-<br />
Indikatorlösung zugesetzt. Dann wird mit 0.25 molarer Ammoniumeisen(II)-sulfat-<br />
Lösung bis zum Umschlag von Grün nach Rot titriert.<br />
Es werden reproduzierbare und für den Schulunterricht ausreichend genaue<br />
Ergebnisse erzielt. Bei den von uns durchgeführten Kontrollmessungen der CSB-Werte<br />
von Proben mit definierten Konzentrationen an Phenol bzw. Glucose nach der<br />
Halbmikroschnellmethode und mit dem Küvettentest wurden nämlich vergleichbare<br />
Ergebnisse erzielt. Und auch die CSB-Werte von Sickerwasserproben (verschiedene<br />
Böden wurden mit Wasser gewaschen, die Filtrate direkt bzw. nach Zusatz einer<br />
definierten Menge Glucose gemessen) nach den beiden Untersuchungsmethoden zeigten<br />
für Schulzwecke ausreichende Übereinstimmungen. (Ähnlich wie bei der Prüfung von<br />
MTBE als Ersatzstoff für Diethylether erforschte und bestätigte eine Studentin die<br />
Zuverlässigkeit einer neuen, vereinfachten Analysemethode und leistete dadurch einen<br />
Beitrag zum Umweltschutz.)<br />
Gerade bei Ökologieprojekten ist es für sinnvoll, dass sich die Schüler auch um die<br />
fachgerechte Aufbereitung ihrer Versuchsreste kümmern (Verursacherprinzip). Die hier<br />
vorgeschlagene Entsorgung der austitrierten Lösungen ist sehr lehrreich, weil einige<br />
Standardmethoden der Abwasserreinigung zum Einsatz kommen. Schon bei der<br />
Titration wird das hochgiftige sechswertige Chrom zum mindergiftigen dreiwertigen<br />
reduziert. Durch Zugabe von Natronlauge (Neutralisation) und Ammoniak (Bildung <strong>des</strong><br />
NH 3 /(NH 4 ) 2 SO 4 -Puffers) wird der für die Chrom- und Eisenhydroxid-Cofällung<br />
(Flockung) günstige pH-Wert 8 eingestellt. Der koagulierte Niederschlag lässt sich gut<br />
abfiltrieren und wird zu den Feststoffabfällen gegeben. Das Filtrat ist durch den<br />
Redoxindikator rot gefärbt, der sich aber an Aktivkohle adsorbieren und so dem Wasser<br />
entziehen lässt. Das danach farblose Filtrat kann weggeschüttet werden.<br />
Die Methode ähnelt der von Aufbereitung von Trennungsgangsresten an der<br />
Fachhochschule Darmstadt (s. 2.1.1), ist aber arbeitstechnisch viel weniger<br />
anspruchsvoll und zeitaufwendig und kann <strong>des</strong>halb bereits Schülern bewältigt werden.<br />
2.3.2 Arbeiten unter dem Mikroskop (in [13])<br />
Besonders faszinierend ist es, unter dem Mikroskop zuzusehen, wie Stoffe<br />
kristallisieren. Da nur winzige Substanzmengen benötigt werden, ist die Mikroskopie<br />
außerdem eine besonders umweltfreundliche Experimentiermethode. Die folgenden<br />
Versuche sollten jeweils von einer Zweiergruppe durchgeführt werden. Während der<br />
eine Schüler durch das Mikroskop schaut, führt der andere die nötigen Operationen auf<br />
dem Objektträger durch. Anschließend wird der Versuch wiederholt, wobei die Schüler<br />
ihre Rollen tauschen.
17<br />
• Na 2 S 2 O 3 ⋅5H 2 O: Der Stoff wird geschmolzen und eine kleine Menge der Schmelze auf<br />
den Objektträger <strong>des</strong> Mikroskops gebracht. Beim Eintragen eines Impfkristalls<br />
beginnt die Kristallisation, die durch das eingestellte Objektiv beobachtet wird.<br />
• Na 2 SO 4 : Durch Erwärmen von 6 g Na 2 SO 4 ⋅10H 2 O in 5 mL Wasser wird eine Lösung<br />
erzeugt und davon eine kleine Menge auf den Objektträger gegeben. Aus der<br />
übersättigten Lösung kristallisiert beim Einwerfen eines Impfkristalls Natriumsulfat<br />
aus.<br />
• KNO 3 ; MgSO 4 : Durch Erwärmen von 3 g KNO 3 in 5 mL Wasser bzw. 8 g<br />
MgSO 4 ⋅7H 2 O in 5 mL Wasser werden gesättigte Lösungen hergestellt und kleine<br />
Mengen davon auf den Objektträger getropft. Bedingt durch die Abkühlung, setzen<br />
die Kristallisationen sofort ein.<br />
• CuSO 4 : 3 g CuSO 4 ⋅5H 2 O in 5 mL Wasser werden erwärmt, und eine kleine Menge<br />
der Lösung wird auf den Objektträger aufgetragen. Dann wird direkt neben die<br />
wäßrige Lösung etwas Ethanol getropft. Die Kristallisation beginnt an der Stelle, wo<br />
Wasser und Alkohol zusammenkommen (Aussüßen).<br />
• Benzoesäure: Ein Tropfen einer Lösung von 0.5 g Benzoesäure in 5 mL Aceton oder<br />
Ethanol wird auf den Objektträger gegeben. Bedingt durch das Verdampfen <strong>des</strong><br />
organischen Lösungsmittels, setzt die Kristallisation ein.<br />
• Mg(NH 4 )PO 4 : Ein Tropfen der salzsauren Lösung <strong>des</strong> Salzes (1 g MgCl 2 ⋅ 6 H 2 O<br />
werden in 5 mL Wasser gelöst, mit 2 Tropfen 5%iger Salzsäure angesäuert und mit<br />
einer Lösung von 1 g (NH 4 ) 2 HPO 4 in 5 mL Wasser versetzt. Nach Zugabe von 2<br />
Tropfen konzentrierter Ammoniaklösung bildet sich ein weißer Niederschlag, der<br />
abfiltriert, mit wenig Wasser gewaschen und dann mit 5 mL 5%iger Salzsäure<br />
aufgenommen wird) wird auf den Objektträger gegeben. Dieser wird umgekehrt, d.h.<br />
mit der benetzten Seite nach unten, auf einen kleinen Tiegel gelegt, in dem sich 5<br />
Tropfen konzentrierter Ammoniaklösung befinden. Der aufsteigende NH 3 -Dampf<br />
neutralisiert die Salzsäure, so dass das Magnesiumammoniumphosphat<br />
auskristallisiert. Sobald eine beginnende Trübung zu beobachten ist, wird<br />
mikroskopiert.<br />
Am Ende der Unterrichtseinheit übrig gebliebene Reste werden aufgehoben.<br />
2.3.3 Metallnachweise durch Abreiben<br />
Einige charakteristische Nachweise von Metallionen lassen sich studieren, indem<br />
Metallbleche mit Wattestäbchen, die mit den entsprechenden Nachweisreagenzien<br />
benetzt sind, abgerieben werden (s. Tabelle 2). Vorteilhaft dabei ist es, dass keine<br />
giftigen Metallsalzlösung benötigt werden und dass die Metallbleche immer wieder<br />
verwendet werden können. Die gefärbte Watte wird zu den Feststoffabfällen gegeben.<br />
Tabelle 2: Abreiben von Metallblechen mit Nachweisreagenzien<br />
Metall Reagenz (auf die Watte tropfen) Formel und Farbe<br />
Ni Diacetyldioxim (2%ig) und NH 3 (10%ig) Ni(dmglH) 2 , himbeerrot<br />
Pb KI (5%ig) und HOAc (konz.) PbI 2 , gelb<br />
Fe K 4 [Fe(CN) 6 ] (3%ig) und HCl (5%ig) K[Fe III Fe II (CN) 6 ], blau<br />
Cu NH 3 (10%ig) [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+ , blau
18<br />
2.4 Verfahrensoptimierung<br />
2.4.1 Verbesserte Herstellung von Thénards Blau [6]<br />
Während die tradierte Vorschrift von Thénards Blau das gemeinsame Erhitzen von<br />
Aluminiumsulfat und Cobaltchlorid mit dem Gebläsebrenner vorsieht, gehen die<br />
Studenten an der Fachhochschule Darmstadt von den frisch gefällten Metallhydroxiden<br />
aus. Da die Spinellbildung eine diffusionskontrollierte Festkörperreaktion ist, verläuft<br />
sie begünstigt ab, wenn die Ausgangsstoffe ideal durchmischt sind. Da die Studenten<br />
aber in der Regel die Notwendigkeit eines intensiven Verreibens der eingewogenen<br />
Salze übersehen und ein noch recht heterogenes Gemisch erhitzen, erzielen sie<br />
erwartungsgemäß nur geringe Spinellausbeuten, und nicht eingebaute Cobaltionen<br />
gelangen in die zum Waschen verwendete Salzsäure. Wenn aber aus den Salzen<br />
zunächst die Metallhydroxide gefällt werden, liegen sehr kleine, hoch reaktive Partikel<br />
vor, die durch mehrfaches gemeinsames Suspendieren in Wasser ideal vermischt nach<br />
Verdunsten <strong>des</strong> anhaftenden Wassers und anschließendem Erhitzen mit dem Brenner ein<br />
Thénards Blau liefern, aus dem kein Cobalt mehr ausgewaschen werden kann:<br />
Co(OH) 2 + 2 Al(OH) 3 → CoAl 2 O 4 + 4 H 2 O<br />
An diesem Beispiel lernen die Auszubildenden, wie wichtig ein fundamentales<br />
Verständnis der Chemie ist, um Synthesen so optimal zu gestalten, dass Abfallprobleme<br />
gar nicht erst entstehen. Dies ist grundsätzlich der beste Beitrag zum Umweltschutz.<br />
2.4.2 Verbesserte Herstellung von Kupfer(I)-chlorid<br />
Kupfer(I)-chlorid kann u.a. durch Synproportionierung von Kupfer(II)-chlorid und<br />
elementarem Kupfer hergestellt werden:<br />
CuCl 2 + Cu → 2 CuCl<br />
Dazu gibt man die Ausgangsstoffe in halbkonzentrierte Salzsäure und muss etwa 20<br />
Minuten erhitzen. Die Ausbeute an weißem CuCl beträgt in der Regel weniger als 30 %.<br />
Offensichtlich stört Luftsauerstoff, der beim Arbeiten im offenen Becherglas<br />
unwillkürlich in das Reaktionsmedium diffundieren kann und die Rückoxidation <strong>des</strong><br />
einwertigen Kupfers bewirkt, so dass die geringe Ausbeute verständlich ist. Wenn man<br />
die Reaktion unter durchführt, liegt die Ausbeute über 90 %. Da Chemieanfänger mit<br />
dem Arbeiten mit einer Druckgasflasche und der üblichen Schutzgastechnik<br />
experimentell überfordert wären, haben wir nach einer anderen Möglichkeit gesucht,<br />
Schutzgasatmosphäre zu erzeugen und sind auf folgende Idee gekommen: Wenn man<br />
dem stark salzsauren Ansatz gelegentlich eine Spatelspitze Soda zusetzt entsteht CO 2 .<br />
(Der pH-Wert wird wegen <strong>des</strong> großen Säureüberschusses praktisch nicht beeinflusst.)<br />
Dieses ist schwerer als Luft und füllt das Becherglas, das zusätzlich mit einem Uhrglas<br />
abgedeckt wird, um den Gasaustausch mit der umgebenden Raumluft weiter zu<br />
erschweren. Durch Anwendung dieses sehr einfachen Tricks wird die Ausbeute an CuCl<br />
auf min<strong>des</strong>tens 80 % gesteigert.<br />
Wie bei der in 2.4.1 beschriebenen verbesserten Herstellung von Thénards Blau<br />
führte auch hier tiefes Chemieverständnis zur Verfahrensoptimierung in Hinblick auf<br />
höhere Produktausbeute (Ökonomie) und entsprechend weniger Abfall (Ökologie).
19<br />
2.4.3 Verbesserte Synthese von Siliconöl [3]<br />
Eine zentrale Stellung in der Siliconchemie nimmt die Verbindung<br />
Cyclooctamethyltetrasiloxan (D 4 ) ein. Sie kann ringöffnend zu Siliconölen mit OH-<br />
Endgruppen polymerisiert werden, aus denen sich dann durch geeignete Vernetzer wie<br />
Tetraethoxysilan gummiartige Massen herstellen lassen.<br />
D 4 kann nach der Vorschrift von Braun [16] synthetisiert werden:<br />
Dichlordimethylsilan wird zu einer Mischung von cyclischen und linearen<br />
Oligosiloxanen hydrolysiert. Die Mischung wird <strong>des</strong>tilliert, wobei D 4 als flüchtige<br />
Komponente übergeht.<br />
Ein Nachteil bei dieser Versuchsvorschrift ist, dass man aus 200 g Me 2 SiCl 2 nur ca.<br />
50 g D 4 erhält und dass ca. 100 g Oligosiloxane, die im Destillationssumpf verbleiben,<br />
als Ölabfall entsorgt werden müssen.<br />
Der Ölabfall kann jedoch fast vollständig vermieden werden, wenn man das<br />
Produktgemisch der Kondensationsreaktion von Me 2 SiCl 2 und Wasser nicht einfach<br />
<strong>des</strong>tilliert, sondern ähnlich wie bei der technischen Herstellung von Siliconöl einer<br />
„Äquilibrierung“ unterzieht. Man erwärmt es mit Kaliumhydroxid, wobei zunächst eine<br />
anionische Polymerisation einsetzt (Viskositätszunahme). Nach einiger Zeit wird das<br />
Polymer jedoch wieder basenkatalysiert abgebaut. Es stellt sich ein Gleichgewicht<br />
zwischen Polymerisation und Depolymerisation ein. Wenn man das gewünschte D 4 als<br />
flüchtige Komponente ständig aus dem Reaktionskolben ab<strong>des</strong>tilliert, erreicht man eine<br />
Gleichgewichtsverschiebung in Richtung D 4 , das tatsächlich in mehr als 90%iger<br />
Ausbeute gewonnen wird. Der Siliconölabfall ist entsprechend gering (s. Abb. 1).<br />
Me 2 SiCl 2<br />
H 2 O<br />
- HCl<br />
Me<br />
HO Si O<br />
Me<br />
n<br />
H +<br />
Me<br />
Si<br />
Me<br />
O<br />
n<br />
n = 4; D 4<br />
bisherige Aufarbeitung: Oligosiloxane<br />
Destillation D 4 im Destillat ca. 30 %<br />
höhere Siloxane im Sumpf (Abfall) ca. 70 %<br />
neue Aufarbeitung:<br />
Oligosiloxane<br />
Destillation<br />
in Gegenwart<br />
von KOH<br />
D 4 im Destillat > 90 %<br />
höhere Siloxane im Sumpf (Abfall) < 10 %<br />
Abb. 1: Gewinnung von D 4<br />
Interessant ist nicht nur, dass die Abfallmenge erheblich reduziert wird, sondern<br />
auch, dass ca. 60 % der Ausgangsverbindung eingespart werden. Brauchte man nach der<br />
alten Literaturvorschrift 200 g Me 2 SiCl 2 , um ca. 50 g D 4 herzustellen, so braucht man<br />
jetzt nur noch 70 g Me 2 SiCl 2 .<br />
Besonders wichtig im Zusammenhang mit der hier beschriebenen neuen<br />
Praktikumsynthese von D 4 ist sicherlich auch - ähnlich wie bei der verbesserten<br />
Herstellung von Thénards Blau -, dass den Studierenden gezeigt wird, wie durch<br />
fundierte Kenntnisse der Chemie eine Synthese gezielt optimiert werden und durch das<br />
Vermeiden von Nebenprodukten (Abfall) ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet und
20<br />
gleichzeitig das Budget <strong>des</strong> Fachbereichs entlastet werden kann (positives<br />
Zusammenspiel von Ökologie und Ökonomie).<br />
2.4.4 Modifizierte Fehling-Probe [17]<br />
Häufig führt eine geringfügige Abwandlung tradierter Schulexperimente zu deren<br />
sichereren und umweltgerechterer Gestaltung. Hierzu ein Beispiel.<br />
Bei der klassischen Fehling-Probe wird die zu prüfende Lösung mit CuSO 4 -Lösung<br />
und stark alkalischer Tartratlösung versetzt. Sehr häufig muss zum Sieden erhitzt<br />
werden, um die Probe eindeutig interpretieren zu können. Bei ungeschicktem Arbeiten<br />
kommt es dabei leicht zum Siedeverzug, womit von dem Versuch ein erhebliches<br />
Gefährdungs-potential ausgeht. Ein Siedeverzug kann bei folgender modifizierter<br />
Fehling-Probe sicher verhindert werden: 1 mL der zu prüfenden Lösung wird mit einer<br />
reichlichen Spatelspitze einer Verreibung von Kupfervitriol und Weinsäure (1:2-<br />
Massenteile) versetzt. Zu der Mischung werden dann 3 NaOH-Pastillen gegeben,<br />
wonach automatisch eine starke Erwärmung (Lösungswärme) auftritt, so daß gar nicht<br />
mehr mit dem Brenner erwärmt werden muss. Nach kurzer Zeit scheidet sich gelbrotes<br />
Cu 2 O ab.<br />
Die Schüler sollten unbedingt auf die gegenüber der klassischen Fehling-Probe<br />
günstigere Energiebilanz der hier beschriebenen Erkennungsreaktion hingewiesen<br />
werden.<br />
2.5 Versuchsumstellung<br />
2.5.1 Bromierung der C-C-Doppelbindung [17]<br />
Die Bromierung eines Alkens als Prototyp einer Additionsreaktion darf in einem<br />
organischen Praktikum nicht fehlen. Nachteilig ist das Entstehen giftiger und stark<br />
wassergefährdender Bromalkane. Unser Verbesserungsvorschlag lautet: Verzicht auf die<br />
üblicherweise verwendeten kleinen, flüssigen Alkene (wie beispielsweise Cyclohexen)<br />
in einem organischen Lösemittel (z.B. Benzin) und statt<strong>des</strong>sen Benutzen einer Emulsion<br />
von Ölsäure in Wasser, bereitet durch Ansäuern einer Lösung von Natriumoleat in<br />
Wasser. Die Entfärbung <strong>des</strong> zugesetzten Bromwassers ist deutlich zu erkennen. Der<br />
Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass das bromierte Produkt dem Wasser durch<br />
Adsorption an eingerührter pulverförmiger Aktivkohle und Filtration entzogen werden<br />
und das dann schadstofffreie Filtrat weggeschüttet werden kann. Lediglich die beladene<br />
Kohle muss der Sondermüllverbrennung zugeführt werden.<br />
Das Gefahrenpotential <strong>des</strong> Versuches ist noch geringer, wenn statt <strong>des</strong> Bromwassers<br />
eine NaBr/NaBrO 3 -Mischung verwendet wird, aus der durch Ansäuern mit<br />
Schwefelsäure elementares Brom generiert werden kann (vgl. 2.2.3), das sofort mit der<br />
vorliegenden Ölsäure abreagiert.
21<br />
2.5.2 Umstellung präparativer Arbeiten auf chromatografische<br />
2.5.2.1 Chromatografische Trennung der Elemente der Kupfer-Gruppe [18]<br />
Bei der Qualitativen Analyse erweisen sich die hochtoxischen Verbindungen <strong>des</strong><br />
Quecksilbers, Cadmiums und Arsens unter Sicherheits- und Umweltschutzgesichtspunkten<br />
als besonders problematisch. Chemieanfänger dürfen laut Gefahrstoffverordnung<br />
nur nach eingehender Sicherheitsbelehrung und unter ständiger Aufsicht<br />
damit arbeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass quecksilber- und arsenhaltige Reste<br />
nach den bei uns geltenden Betriebsanweisungen getrennt von anderen Stoffen<br />
gesammelt werden müssen, um später fachgerecht entsorgt werden zu können.<br />
Da die drei Problemstoffe alle der Hydrogensulfid-Gruppe angehören, haben wir uns<br />
entschlossen, die Trennung dieser Elemente als Übungsanalyse nicht mehr durchzuführen<br />
und uns bei Vollanalysen auf die Ausgabe der weniger problematischen Elemente<br />
Blei, Kupfer und Zinn als Vertreter der Hydrogensulfid-Gruppe zu beschränken.<br />
Dies kann zunächst als eine Kapitulation vor den gesetzlichen Vorschriften und auch<br />
als ein Verstoß gegen die Verpflichtung, angehende Chemiker im Umgang mit<br />
Giftstoffen zu schulen, aufgefasst werden. Um dieser Kritik zu begegnen, haben wir<br />
nach Lehr-inhalten gesucht, welche die bisherigen durch min<strong>des</strong>tens gleichbedeutende<br />
und didaktisch gleichwertige ersetzen, und sie in der papierchromatografischen<br />
Trennung der Elemente der Kupfer-Gruppe (Blei, Kupfer, Cadmium, Bismut,<br />
Quecksilber) gefunden.<br />
Der große Vorteil dieser Methode der Spurenanalyse ist, dass winzige Substanzmengen<br />
(1-5 mg) ausreichen. Dadurch kann einer Forderung <strong>des</strong> praktikumintegrierten<br />
Umweltschutzes, der Verminderung der Stoffmengen, leicht Rechnung getragen werden.<br />
Die anfallenden Reste sind entsprechend minimal und vernachlässigbar.<br />
Die neuen Lehrinhalte sind durch die Begriffe Nernstsches Verteilungsgesetz,<br />
Verteilungskoeffizient, theoretischer Boden, Retentionszeit (Rf-Wet) bezeichnet.<br />
Chromatografische Methoden sind aus der modernen analytischen Chemie nicht<br />
mehr fortzudenken. Deshalb sollten sie möglichst früh eingeführt werden. Haben die<br />
Praktikanten die Papierchromatografie verstanden, sind die theoretischen Grundlagen<br />
für die Gaschromatografie, die Hochdruckflüssigchromatografie, die Gelpermeationschromatografie,<br />
die Elektrophorese etc. geschaffen. In späteren Stadien der Analytik-<br />
Ausbildung kann die Papierchromatografie dann als die Urform aller chromatografischen<br />
Methoden zitiert werden. Der Vorteil ihrer Einführung in die Qualitative<br />
Analyse ist also nicht zu bestreiten. Verloren geht das Erlernen eines Teils der<br />
Stoffchemie <strong>des</strong> Quecksilbers, Cadmiums und Arsens. Nicht verloren gehen hingegen<br />
Ziele der Qualitativen Analyse, denn beim Trennen der verbleibenden Ionen der<br />
Ammoniumsulfid-, Ammoniumcarbonat- und löslichen Gruppe bleiben noch genügend<br />
Möglichkeiten, Redoxprozesse, Löslichkeitsprodukte, Farben etc. zu studieren.<br />
Und darf nicht provozierend gefragt werden, ob die im klassischen Trennungsgang<br />
vermittelte Stoffchemie von Quecksilber, Cadmium und Arsen nicht zu sehr von<br />
theoretischer Bedeutung ist und die technische Relevanz der Elemente, die insbesondere<br />
in der praxisbezogenen Fachhochschulausbildung hervorgehoben werden sollte, kaum<br />
widerspiegelt.<br />
Werden mit rotem Quecksilber(II)-iodid und Neßlers Ammoniak-Nachweisreagenz<br />
nicht exotische Verbindungen gewürdigt, wo hingegen das Amalgamverfahren der<br />
Chloralkalielektrolyse, bei dem das Element Quecksilber eine ganz zentrale Rolle in der<br />
chemischen Industrie spielt, nicht behandelt wird.
22<br />
Wenn dem Element Arsen in Zukunft eine Bedeutung zukommt, dann vermutlich in<br />
Form <strong>des</strong> Galliumarsenids in der Halbleitertechnik, aber wohl kaum in Form seiner Oxound<br />
Thiooxosäuren.<br />
Ist es schließlich nicht nur noch eine Frage der Zeit, bis die Nickel-Cadmium-<br />
Batterie durch umweltfreundlichere Zellen ersetzt wird und auch in der<br />
Galvanikindustrie auf Cadmium verzichtet, so dass das Element seine jetzige technische<br />
Relevanz verliert? Und steht das immer stärker werdende Umweltbewusstsein unserer<br />
Gesellschaft neuen Cd-Technologien nicht sowieso prohibitiv im Wege, so dass nur<br />
noch Nostalgiker vom postkastengelben Cadmiumsulfid schwärmen?<br />
Die papierchromatografische Analyse vermittelt, über die typischen Lerninhalte der<br />
Chromatographie hinaus, auch einige Aspekte der Stoffchemie, wenn man die<br />
Wechselwirkungen der ausgegebenen Salze mit dem Lösungs- und Laufmittel und die<br />
Entwicklung der Chromatogramme näher beleuchtet.<br />
Gemischt und als unbekannte Probe ausgegeben werden 3-4 Salze (HgCl 2 , CdCl 2 ,<br />
CuCl 2 ⋅2H 2 O. Bi 2 O 3 , Pb(NO 3 ) 2 ). Die Mischung wird mit einem Tropfen Salpetersäure<br />
behandelt. Dabei kann es sein, dass sich weißes PbCl 2 bildet, z.B. durch Umsalzung von<br />
Bleinitrat mit Quecksilberchlorid. Dieser Niederschlag, der im klassischen<br />
Trennungsgang in der Salzsäuregruppe auch anfällt, wird vernachlässigt, denn trotz <strong>des</strong><br />
kleinen Löslichkeitsproduktes befindet sich eine für die folgende Analyse noch<br />
ausreichende Menge Blei im überstehenden Tropfen Lösung.<br />
Die Lösung wird auf das Chromatografiepapier aufgetüpfelt und eingetrocknet.<br />
Danach treten die Salze mit dem Laufmittel, einer Mischung aus tert.-Butanol, Aceton,<br />
Acetylaceton, Wasser und Salpetersäure in Wechselwirkung. Es bilden sich<br />
Metallacetyl-acetonate, die unterschiedlich weit mit dem aufsteigenden Laufmittel auf<br />
dem Papier wandern und so scharf voneinander getrennt werden. Die Acetylacetonate<br />
sind interessante Chelatkomplexe, die den Studenten aus dem präparativen Teil <strong>des</strong><br />
Praktikums bereits bekannt sind. Das getrocknete Chromatogramm wird mit H 2 S-<br />
Lösung entwickelt. Es entstehen charakteristisch gefärbte Sulfide (s. Tabelle. 3).<br />
Tabelle 3. Papierchromatografische Trennung der Elemente der Kupfergruppe<br />
Ion R f -Wert Farbe <strong>des</strong> Sulfids<br />
_______________________________________________________________________<br />
Pb 2+ 0.05 schwarz<br />
Cd 2+ 0.12 gelb<br />
0.70 gelb<br />
Cu 2+ 0.22 braunschwarz<br />
Bi 3+ 0.85 hellbraun<br />
Hg 2+ 0.95 schwarz<br />
Falls Cadmium in der Probe ist, beobachtet man gelegentlich zwei gelbe<br />
Cadmiumsulfid-Flecken auf dem entwickelten Chromatogramm. Dieses Phänomen ist<br />
darauf zurückzuführen, dass das Cadmiumion in Abhängigkeit von der Chlorid- bzw.<br />
Acetylacetonkonzentration sowohl als Chlorokomplex (R f = 0.70), als auch als<br />
Acetylacetonat (R f = 0.12) wandern kann. (Eine erhöhte Chloridionenkonzentration<br />
resultiert automatisch, wenn die Probe neben CdCl 2 noch andere Metallchloride enthält).<br />
Der CdS-Fleck bei R f = 0.70 wird aber auch intensiver, wenn dem Laufmittel vorab<br />
etwas Salzsäure zugegeben wird.<br />
Ein didaktischer Aspekt der papierchromatografischen Trennung gerade der<br />
Elemente der Kupfergruppe sei noch hervorgehoben. Wie bereits erwähnt, entwickeln<br />
die Praktikanten das getrocknete Chromatogramm mit H 2 S, einer Chemikalie, die ihnen
23<br />
aus dem nasschemischen Trennungsgang vertraut ist. Sie führen dabei typische<br />
Fällungen der Metallsulfide direkt auf dem Papier durch; die Entwicklungsreaktion ist<br />
also leicht verständlich. Dieser Vorteil wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass<br />
sich die anderen Elemente <strong>des</strong> Trennungsgangs zwar auch ohne weiteres<br />
papierchromatografisch trennen lassen, die Entwicklung der Chromatogramme aber<br />
spezielle organische Sprüh-reagenzien erfordert, die den Chemieanfängern in ihrer<br />
Struktur und Wirkungsweise noch nicht verständlich sind.<br />
2.5.2.2 Fotochemische Isomerisierung von Azobenzen auf der Dünnschichtplatte<br />
[19]<br />
Genauso wie die Papierchromatografie zeichnet sich die Dünnschichtchromatografie<br />
dadurch aus, dass mit äußerst geringen Substanzmengen aussagekräftige Ergebnisse<br />
erzielt werden können. Sie ist daher für einen gefahrlosen und umweltgerechten<br />
Chemie-unterricht bestens geeignet. Während eines Forschungsaufenthaltes an der<br />
Universität Tsukuba, Japan, bin ich im dort stattfindenden Anfängerpraktikum auf einen<br />
m. E. faszinierenden Versuch aufmerksam geworden, den ich nicht nur in dem von mir<br />
an der Fachhochschule Darmstadt geleiteten Praktikum eingeführt habe, sondern auch<br />
als Schülerversuch empfehlen kann: die Verfolgung der Einstellung <strong>des</strong> fotostationären<br />
Gleichgewichts zwischen trans- und cis-Azobenzen mittels Dünnschichtchromatografie:<br />
Ph<br />
N<br />
N<br />
Ph<br />
hv<br />
hv<br />
Ph<br />
N<br />
N<br />
Ph<br />
Die theoretischen Grundlagen der Isomerisierung und ihre didaktische und<br />
methodische Verwertbarkeit im Unterricht wurde von Tausch diskutiert [20]. Der Autor<br />
beschreibt die Durchführung <strong>des</strong> Versuchs im präparativen Maßstab und die Säulenbzw.<br />
dünnschichtchromatografische Auftrennung <strong>des</strong> erhaltenen Isomerengemisches.<br />
Nachteilig bei dieser Vorgehensweise ist, dass pro Versuch mehrere Gramm<br />
Azobenzen und recht viel Lösungsmittel verbraucht werden.<br />
Wenige Milligramm Substanz für eine ganze Schülergruppe reichen hingegen aus,<br />
wenn eine trans-Azobenzen-Lösung auf eine DC-Platte getüpfelt (s. Abb. 2), der<br />
Substanzfleck einige Zeit dem Sonnen- oder Neonlicht ausgesetzt und das resultierende<br />
cis-trans-Gemisch chromatografiert wird. Zwei gelbe Flecken werden sichtbar, wobei<br />
der mit dem größeren R f -Wert durch parallel mitlaufen<strong>des</strong> unbelichtetes trans-<br />
Azobenzen als solches identifiziert wird. Für die Schüler ist es unschwer einzusehen,<br />
dass der andere Fleck mit dem kleineren R f -Wert als photochemisch erzeugtes cis-<br />
Azobenzen zu deuten ist (s. Abb. 3).<br />
Dass die trans-cis-Isomerisierung von Azobenzen tatsächlich ein fotostätionäres<br />
Gleichgewicht ist, wird im weiteren Verlauf <strong>des</strong> Versuches folgendermaßen bewiesen:<br />
Die entwickelte DC-Platte wird einige Zeit dem Licht ausgesetzt und danach, um 90<br />
Grad gedreht, erneut mit aufsteigendem Lösungsmittel behandelt (vgl. zweidimensionale<br />
Chromatografie). Dabei werden auf der Platte insgesamt vier Flecken sichtbar (s. Abb.<br />
4). Dies ist verständlich, denn sowohl aus dem im ersten Teil <strong>des</strong> Versuches getrennten<br />
reinen trans- als auch cis-Azobenzen ist bei der weiteren Belichtung ein<br />
cis-trans-Gemisch entstanden.
24<br />
8 cm<br />
6 cm<br />
B<br />
A<br />
Punkt A:<br />
Punkt B:<br />
hier trans-Azobenzenlösung auftragen,<br />
20-30 Minuten belichten<br />
hier nach der vorangegangenen Belichtung von Fleck A<br />
trans-Azobenzenlösung auftüpfeln,<br />
dann das Chromatogramm sofort entwickeln<br />
: mit Bleistift leicht markierte Linie<br />
Abb. 2: Probenauftragung und Belichtung von trans-Azobenzen<br />
Laufmittelfront<br />
gelbes trans-Azobenzen<br />
gelbes cis-Azobenzen<br />
hier abschneiden<br />
Abb. 3: Entwickeltes Chromatogramm nach dem ersten Versuchsteil
25<br />
Laufmittelfront<br />
1. Belichten trans-Azob.<br />
⎯⎯⎯⎯⎯ ⎯→<br />
2. Chromatographie<br />
cis-Azob.<br />
trans-Azob.<br />
cis-Azob.<br />
Abb. 4: Belichtung von cis- und trans-Azobenzen und entwickeltes Chromatogramm nach dem zweiten<br />
Versuchsteil (maßstäblich verkleinert)<br />
2.6 Verknüpfte Einzelversuche<br />
2.6.1 Anorganische Chemie in Kreisprozessen<br />
2.6.1.1 Versuche für Praktika an der <strong>Hochschule</strong> [21, 22]<br />
In einem Anorganisch-Präparativen Praktikum sollen wichtige Prinzipien der Synthese<br />
und Komplexchemie sowie Stoffkenntnisse der Elemente und ihrer Verbindungen<br />
vermittelt werden. Bei einer Vielzahl von Einzelversuchen werden recht große Mengen<br />
an Ausgangsverbindungen benötigt und entsprechende Mengen an Chemikalienresten<br />
fallen an, die in der Regel gesammelt, zwischengelagert und später als Sondermüll<br />
verbrannt werden müssen.<br />
Der Chemikalienverbrauch und -abfall kann erheblich reduziert werden, wenn die<br />
Stoffflüsse von Einzelexperimenten konsequent zu Netzwerken verknüpft und<br />
Recyclingversuche ins Praktikum integriert werden. Diese Vorgehensweise führt nicht<br />
nur zu niedrigeren Praktikumkosten, sondern dient auch dem Umweltschutz und fördert<br />
das zusammenhängende und vernetzende Denken der Auszubildenden, wie vor allem<br />
Schmidkunz herausgestellt hat, z. B. in [23].<br />
Ein nach dem allgemeinen Schema<br />
A → B<br />
↑<br />
↓<br />
D ← C<br />
aus dem Ausgangsstoff A hergestelltes Produkt B wird in einem Folgeversuch (in der<br />
Regel zusammen mit seiner Mutterlauge) in ein weiteres Produkt C überführt. Dieses<br />
wiederum dient nach Isolierung und Charakterisierung als Ausgangsstoff für den<br />
nächsten Stoff D etc. Wenn Verbindung D durch eine geeignete chemische Reaktion in<br />
den Ausgangsstoff A rückverwandelt werden kann, ist der Zyklus geschlossen. Bis auf<br />
verfahrensbedingte Ausbeuteverluste fallen keinerlei Abfälle an.
26<br />
Herkömmliche Lerninhalte gehen keineswegs verloren. Vielmehr werden chemische<br />
Zusammenhänge deutlich, die bei den bislang durchgeführten Einzelversuchen nicht zu<br />
erkennen waren. Außerdem werden weitere Aspekte <strong>des</strong> in der chemischen Industrie<br />
zunehmend wichtigen produktionsintegrierten Umweltschutzes ins Praktikum integriert.<br />
Im folgenden werden verschieden große und teilweise verzweigte Ketten und<br />
Zyklen vorgestellt. Die zugrundeliegenden Einzelversuche sind in Standardlehr- und<br />
Praktikumbüchern der Anorganischen Chemie beschrieben.<br />
Chemie <strong>des</strong> Iods: Zunächst wird die Interhalogenverbindung Iodtrichlorid aus Iod und<br />
Chlor, welches in situ aus Kaliumchlorat und Salzsäure generiert wird, hergestellt. Die<br />
Interhalogenverbindung kann mit Salpetersäure zu Iodsäure oxidiert werden. Diese lässt<br />
sich mit Sulfit glatt zum Ausgangsstoff Iod reduzieren. Durch Sublimation erhält man<br />
ein hochreines Produkt, und der Synthesekreislauf ist geschlossen (s. Abb. 5).<br />
Die letzte Reaktion vermittelt außerdem einen zusätzlichen Lerninhalt, nämlich die<br />
klassische Iodgewinnung aus dem Iodatanteil <strong>des</strong> Chilesalpeters.<br />
KClO 3<br />
I 2 I 2 Cl 6<br />
HCl<br />
Na 2 SO 3 HNO 3<br />
HIO 3<br />
Abb. 5: Geschlossener Kreislauf zur Chemie <strong>des</strong> Iods ohne iodhaltige Abfälle<br />
Chemie <strong>des</strong> Eisens: Die Versuchskette zur Eisenchemie wird mit der Reaktion von<br />
technischem Eisen mit Schwefelsäure begonnen. Das unedle Metall wird von der<br />
Mineralsäure oxidiert, wobei gleichzeitig ein Äquivalent H 2 entsteht. Die resultierende<br />
FeSO 4 -Lösung wird von unlöslichem Kohlenstoff (Roheisen enthält 1-3 % Kohlenstoff)<br />
durch Filtration befreit und das Filtrat in der Siedehitze mit Ammoniumsulfat versetzt.<br />
Beim Abkühlen bildet sich Mohrsches Salz, ein repräsentatives Doppelsalz <strong>des</strong><br />
zweiwertigen Eisens. Die isolierten Kristalle werden wieder in ihrer Mutterlauge gelöst.<br />
(So wird sichergestellt, dass keine Stoffmenge verloren geht!). Zugabe von H 2 O 2<br />
bewirkt die Überführung <strong>des</strong> Eisens in den dreiwertigen Zustand. Nach Verkochen <strong>des</strong><br />
überschüssigen H 2 O 2 wird konz. Salzsäure zugegeben. Im stark salzsauren Medium liegt<br />
das Eisen als Hexachlorokomplex vor und kann mit tert.-Butylmethylether (MTBE)<br />
unter Verdrängung von drei Chloro- gegen drei Etherliganden in einen Neutralkomplex<br />
der Zusammensetzung [Fe(MTBE) 3 Cl 3 ] umgewandelt werden, der aufgrund der<br />
hydrophoben Alkylketten, die den Oktaederkomplex nach außen hin abschirmen, in der<br />
Etherphase besonders gut löslich ist. Nach Abtrennen der organischen Phase wird der<br />
Eisenkomplex aus dieser mit reinem Wasser unter Ausbildung <strong>des</strong> Hexaquokomplexes<br />
rückextrahiert vgl. 2.2.1).<br />
Durch die Hin- und Rückextraktion ist die Trennung von FeCl 3 und (NH 4 ) 2 SO 4<br />
gelungen. (Diese hätte natürlich auch über eine Fällung von Fe(OH) 3 , Filtration und<br />
Lösen <strong>des</strong> Filterkuchens in Salzsäure erfolgen können. Hier wird aber bewusst die<br />
Extraktion gewählt, um das Praktikum methodisch und inhaltlich zu bereichern).<br />
Die Eisenchloridlösung gibt mit Acetylaceton und Natronlauge tiefrotes, schwerlösliches<br />
Eisentrisacetylacetonat, ein Paradebeispiel für einen oktaedrisch aufgebauten<br />
Chelatkomplex mit Sechsringmetallacyclen als sehr stabile Struktureinheiten.<br />
Hier kann im Anfängerpraktikum die Kette von Versuchen zur Eisenchemie<br />
abgebrochen werden. Das isolierte Fe(acac) 3 ist nun keineswegs Abfall. Es kann nämlich
27<br />
im Fortgeschrittenenpraktikum als Edukt für die Herstellung von Ferrocen, einer<br />
sandwichartig aufgebauten Verbindung <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens, weiterverwendet<br />
werden. Die Praktikanten werden positiv überrascht sein, wenn sie im späteren Stadium<br />
ihrer Ausbildung eine Verbindung einsetzen dürfen, die sie zuvor selbst hergestellt<br />
haben.<br />
Das Laborpersonal muss nur darauf achten, dass im Anfängerpraktikum nicht mehr<br />
Fe(acac) 3 produziert als im F-Praktikum auch tatsächlich verbraucht wird, d. h., die<br />
Stoffstrombilanz muss stimmen! Falls sich abzeichnet, dass zuviel Fe(acac) 3 hergestellt<br />
wird, sollte die FeCl 3 -Lösung besser anders weiterverwendet werden: Fällen von<br />
Fe(OH) 3 und Behandeln <strong>des</strong> Hydroxidschlamms mit Kaliumhydrogenoxalat liefert<br />
grünes K 3 [Fe(C 2 O 4 ) 3 ]. Dieses ist lichtempfindlich und geht beim Liegenlassen im Tagesoder<br />
Neonlicht langsam, in einem Photoreaktor beim Bestrahlen mit UV-Licht innerhalb<br />
weniger Minuten in schwerlösliches gelbes [FeC 2 O 4 ] n über.<br />
Die Studenten lernen hier eine interessante Photoreaktion kennen: Durch Lichteinwirkung<br />
wird der Übergang eines Elektrons vom Liganden zum dreiwertigen<br />
Zentralatom induziert. Das Eisen wird auf die zweiwertige Stufe gebracht, der<br />
Oxalatligand oxidiert, so dass schließlich CO 2 resultiert.<br />
Das getrocknete Eisen-(II)-oxalat kann unter Sauerstoffausschluss zu CO 2 und<br />
elementarem Eisen pyrolysiert werden. Damit ist die Eisenchemie eigentlich zu einem<br />
Kreislauf geschlossen. Das erhaltene Eisen liegt aber in einer so feinteiligen und daher<br />
hochreaktiven Form vor, dass es beim Kontakt mit der Luft spontan unter<br />
Feuererscheinung zu Fe 2 O 3 verbrennt (s. Abb. 6).
28<br />
H 2 SO 4 (NH 4 ) 2 SO 4 1. H 2 O 2<br />
Fe FeSO 4 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 [FeCl 6 ] 3-<br />
2. HCl<br />
MTBE<br />
H 2 O<br />
[Fe(H 2 O) 6 ]Cl 3 [Fe(MTBE) 3 Cl 3 ]<br />
KOH<br />
Naacac<br />
Fe(OH) 3 Fe(acac) 3<br />
KHC 2 O 4<br />
NaCp<br />
K 3 [Fe(C 2 O 4 ) 3 ]<br />
Cp 2 Fe<br />
h ⋅ ν<br />
MeCOCl<br />
∆ T<br />
Fe [FeC 2 O 4 ] n acetylierte<br />
Ferrocene<br />
O 2<br />
Fe 2 O 3<br />
Abb. 6: Versuchsketten zur Chemie <strong>des</strong> Eisens<br />
Chemie <strong>des</strong> Chroms: Die Chromchemie wird durch die Reaktionssequenz in<br />
Abbildung 7 vorgestellt. Der „Zimmervulkan“ ist auch im 1 g Maßstab ein spektakulärer<br />
Schauversuch. (Er wird unter einem Becherglas durchgeführt, um Staubemissionen sich<br />
zu vermeiden.) Aus Ammoniumdichromat entsteht beim Erwärmen Stickstoff, Wasser<br />
und das Oxid <strong>des</strong> dreiwertigen Chroms. Der austretende Stickstoff und das<br />
verdampfende Wasser wirken als Treibgase, die das Grünpigment zu einem lockeren<br />
Pulver aufblähen. In dem Versuch werden den Studierenden bereits die beiden<br />
bedeutenden Oxidationsstufen + VI und + III <strong>des</strong> Chroms vorgestellt. Mit dem Produkt<br />
lernen sie gleichzeitig ein wichtiges anorganisches Grünpigment kennen.<br />
Das hochreine Pulver wird durch ein geeignetes Aufschlussverfahren in eine<br />
lösliche Chromverbindung übergeführt, die mit Oxalat zu einem oktaedrisch<br />
aufgebauten Chelatkomplex <strong>des</strong> dreiwertigen Chroms reagiert, der in Form seines<br />
Kaliumsalzes, K 3 [Cr(C 2 O 4 ) 3 ], isoliert und IR-spektroskopisch identifiziert wird [24]. Der<br />
Stoff wird gemeinsam mit seiner Mutterlauge auf an anderer Stelle im Praktikum<br />
einsetzbares Kalium(di)chromat aufbereitet.
29<br />
∆T<br />
Aufschluss<br />
(NH 4 ) 2 Cr 2 O 7 Cr 2 O 3 lösliche Chrom-Verbindung<br />
- N 2 ; - 4 H 2 O<br />
K 2 C 2 O 4<br />
Oxidation<br />
K 2 Cr 2 O 7 K 2 CrO 4 K 3 [Cr(C 2 O 4 ) 3 ]<br />
- H 2 O<br />
Abb. 7: Versuche zur Chemie <strong>des</strong> Chroms, verknüpft zu einer Kette<br />
H +<br />
Für den Aufschluss <strong>des</strong> unlöslichen Cr 2 O 3 und die oxidative Gewinnung von<br />
Kalium(di)chromat bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Die Besonderheit <strong>des</strong><br />
Darmstädter Praktikums besteht darin, dass die Studenten keine detaillierte<br />
Versuchsvorschrift, sondern nur verschiedene Vorschläge zur -durchführung bekommen<br />
und selbst den besten Syntheseweg in Hinblick auf Chemikalien-, Energie- und<br />
Zeitaufwand, Produktausbeute und -reinheit und Gesichtspunkte <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />
suchen sollen. Da es eine typische Aufgabe in ihrem späteren Berufsleben ist, Verfahren<br />
zu optimieren, sollte es u. a. auch ein Ziel der Ausbildung der angehenden Chemieingenieure<br />
sein, sie in der kritischen Beurteilung der Vor- und Nachteile möglicher<br />
Herstellungsverfahren zu schulen und sie davon zu überzeugen, dass eine optimierte<br />
Synthese der Ökonomie und Ökologie gleichermaßen zugute kommt<br />
(Versuchsoptimierung als Lernziel, [25]).<br />
Aufgrund seines amphoteren Charakters kann Cr 2 O 3 grundsätzlich sauer und basisch<br />
aufgeschlossen werden.<br />
Der saure Aufschluss erfolgt in einer KHSO 4 -Schmelze und liefert wasserlösliches<br />
Chrom(III)-sulfat. Der Umsatz ist allerdings gering. Der Großteil <strong>des</strong> Grünpigments<br />
reagiert selbst nach langer Schmelzdauer nicht ab und bleibt beim Auswaschen <strong>des</strong><br />
Schmelzkuchens mit Wasser unverändert als Rückstand. Auch der Aufschluss mit heißer<br />
konzentrierter Schwefelsäure liefert kein besseres Ergebnis. Da es hierbei durch Siedeverzüge<br />
leicht zum Verspritzen der Flüssigkeit kommen kann, ist die Vorgehensweise<br />
außerdem schon aus Sicherheitsgründen abzulehnen.<br />
Der basische Aufschluss, der mit einer 1:1-Mischung von Soda und Pottasche<br />
durchgeführt wird, hat ebenfalls Nachteile. Da der Einsatz eines Gebläsebrenners zum<br />
Erzielen einer Schmelze erforderlich ist, ist der Aufschluss sehr energieintensiv.<br />
Außerdem verläuft er wie der saure Aufschluss nicht vollständig, d.h., etwas Cr 2 O 3<br />
bleibt nach dem Auswaschen <strong>des</strong> Schmelzgutes mit Wasser unverändert zurück.<br />
Schließlich liegt das aufgeschlossene Chrom im Filtrat nicht in einheitlicher Form vor,<br />
sondern als [Cr(OH) 4 ] − und CrO 4 2− . Letzteres bewirkt die gelbe Farbe <strong>des</strong> Wassers und<br />
ist auf die Oxidation <strong>des</strong> dreiwertigen Metalls durch Sauerstoff an der<br />
Phasengrenzfläche zwischen Schmelze und Luft zurückzuführen. (Vgl.: In der Technik<br />
werden Chrom(III)-Erze, z. B. Chromeisenstein, in einem Drehrohrofen in der<br />
Carbonatschmelze durch eingeblasenen Sauerstoff in Chromat(VI) übergeführt.)<br />
Die Aufschlussmethode der Wahl ist die Oxidationsschmelze <strong>des</strong> Grünpigments mit<br />
KNO 3 . Anders als beim sauren und basischen Aufschluss ist der tiefrote Schmelzkuchen<br />
in Wasser vollständig löslich, das dreiwertige Chrom also quantitativ in lösliches<br />
Chromat(VI) übergeführt worden:
30<br />
Cr 2 O 3 + 3 KNO 3 → 2 CrO 3 + 3 KNO 2<br />
Der in Wasser gelöste Kuchen der Oxidationsschmelze wird mit einer<br />
Kaliumoxalat/Oxalsäure-Mischung versetzt, wobei sechswertiges Chrom zu<br />
dreiwertigem reduziert, gleichzeitig Oxalat zu Carbonat oxidiert und anschließend das<br />
dreiwertige Metall durch überschüssiges Oxalat komplexiert wird:<br />
K 2 Cr 2 O 7 + 5 K 2 C 2 O 4 + 4 H 2 C 2 O 4 → 2 K 3 [Cr(C 2 O 4 ) 3 ] + 6 KHCO 3 + H 2 O<br />
Beim Abkühlen der eingeengten Reaktionslösung kristallisiert schwarzgrünes<br />
Oxalatochromat(III) aus. Es erfordert von den Praktikanten etwas Fingerspitzengefühl,<br />
die gebildeten Kristalle rechtzeitig zu isolieren. Wenn nämlich zu lange gewartet wird,<br />
fällt auch das in der Reaktionslösung noch in großen Mengen vorhandene<br />
Aufschlussmittel KNO 3 aus und verunreinigt das Wunschprodukt.<br />
Nach der IR-spektroskopischen Untersuchung <strong>des</strong> Komplexes wird dieser in seine<br />
Mutterlauge zurückgegeben und auf Kalium(di)chromat aufgearbeitet. Hierzu gibt es<br />
verschiedene Möglichkeiten.<br />
Durch Eindampfen der Lösung und Aufschmelzen <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> mit KNO 3<br />
gelingt zwar eine quantitative Oxidation <strong>des</strong> dreiwertigen Chroms unter gleichzeitiger<br />
Zerstörung der Ligandmoleküle, doch lässt sich aus der wässrigen Lösung <strong>des</strong><br />
Schmelzkuchens nur ein K 2 Cr 2 O 7 kristallisieren, das mit KNO 3 stark verunreinigt und<br />
<strong>des</strong>halb für präparative Anwendungen nicht geeignet ist.<br />
Alternativ ermöglicht eine Behandlung <strong>des</strong> wässrigen Syntheserestes mit<br />
KOH/H 2 O 2 die Gewinnung von sechswertigem Chrom. Eine Aufarbeitung der<br />
Reaktionslösung ist aber mit den gleichen Schwierigkeiten verbunden wie die oben<br />
beschriebene <strong>des</strong> aufgelösten Kuchens der Oxidationsschmelze: das mit Methanol<br />
ausgefällte K 2 CrO 4 bzw. das nach Ansäuern mit Schwefelsäure und Kristallisation<br />
erhaltene K 2 Cr 2 O 7 ist stark KNO 3 -haltig.<br />
Besser ist es, die wässrigen Synthesereste zunächst nicht oxidierend zu behandeln<br />
und mit Kalilauge nur leicht zu alkalisieren, um Cr(OH) 3 auszufällen. Das Absaugen<br />
und Auswaschen <strong>des</strong> Hydroxidschlammes ist zwar sehr zeitaufwendig und liefert in der<br />
Regel ein Filtrat, das durch besonders kleine durchs Filterpapier gelaufene<br />
Hydroxidpartikel trübe ist und zwecks Reinigung noch mit Aktivkohle nachbehandelt<br />
werden muss bevor es verworfen werden darf, hat aber den großen Vorteil, eine<br />
Chrom(III)-Verbindung zu liefern, die frei von anderen Salzen (Nitrat, Nitrit, Oxalat) ist.<br />
Wenn man den Filterkuchen in Kalilauge mit H 2 O 2 versetzt, resultiert eine gelbe<br />
Chromat(VI)-Lösung, aus der durch Zugabe von Methanol für präparative Zwecke<br />
ausreichend reines K 2 CrO 4 (95 % Reinheit) ausgefällt werden kann. Dieses kann dann in<br />
verdünnter Schwefelsäure gelöst und als K 2 Cr 2 O 7 (90 % Reinheit) auskristallisiert<br />
werden.<br />
Diese Vorgehensweise ist besser, als wenn die KOH/H 2 O 2 -Oxidationslösung direkt,<br />
d.h. ohne Fällen und Isolieren <strong>des</strong> K 2 CrO 4 , mit Schwefelsäure angesäuert und abgekühlt<br />
wird. In diesem Fall führt nämlich erneut das Mitkristallisieren anderer Salze zu ganz<br />
erheblichen Verunreinigungen <strong>des</strong> resultierenden Dichromats. Nachteilig ist lediglich,<br />
dass durch die Verwendung von Alkohol als Fällungsmittel ein Alkohol/Wasser-<br />
Gemisch übrigbleibt, das in einem zusätzlichen Verfahrensschritt <strong>des</strong>tillativ auf<br />
wiederverwertbaren Alkohol aufbereitet werden muss. Wichtig ist es <strong>des</strong>halb, als<br />
Fällungsmittel nicht Ethanol, sondern Methanol zu verwenden. Dieser ist zwar giftiger,<br />
aber aufgrund seines niedrigeren Siedepunktes leichter vom Wasser trennbar als das<br />
höhersiedende Ethanol. Die Grob<strong>des</strong>tillation kann einfach und schnell am<br />
Rotationsverdampfer durchgeführt werden, während bei Verwendung von Ethanol eine
31<br />
zeit- und energieaufwendige Rektifikation über eine Vigreux-Kolonne nötig wäre (vgl.<br />
2.7.2).<br />
Chemie <strong>des</strong> Nickels: Grünes Hexaquonickelchlorid reagiert mit Ammoniak zu blauem<br />
Hexamminnickelchlorid, dieses mit Kaliumoxalat zu türkisblauem Nickeloxalat<br />
(Chelateffekt), das beim Abkühlen der Lösung als [NiC 2 O 4 ⋅2H 2 O] n auskristallisiert. Bei<br />
Zugabe von Aminoessigsäure bildet sich ein blassblauer löslicher Nickel-Glycin-<br />
Neutralkomplex. Aus <strong>des</strong>sen Lösung fällt mit Acetylaceton Ni(acac) 2 ⋅2H 2 O aus, ein<br />
Oktaederkomplex mit trans-stehenden Aquoliganden. Besonders faszinierend ist es<br />
zuzusehen, wie sich dieser hellblaue Feststoff mit Diacetyldioxim innerhalb von knapp<br />
10 Minuten in himbeerrotes festes Ni(dmglH) 2 umwandelt. Mit dem sechszähnigen<br />
Chelatliganden EDTA lässt sich das Nickel als blassblaues NiEDTA 2− wieder in Lösung<br />
bringen (s. Abb. 8).<br />
Wie man sieht, ist die Versuchskette so konzipiert, dass in der Folgereaktion<br />
entweder ein basischerer Ligand einen vorliegenden weniger basischen oder ein mehrzähniger<br />
Ligand vorliegende weniger-zähnige Liganden vom zentralen Nickelion<br />
verdrängt.<br />
Am Ende der Kette liegt der besonders stabile Ni-EDTA-Komplex in einer Lösung<br />
vor, die gleichzeitig durch die zuvor verwendeten Ligandmoleküle stark organisch<br />
belastet ist. Die Rückgewinnung von Nickelchlorid ist experimentell anspruchsvoll,<br />
verlangt sorgfältiges Arbeiten und vermittelt gleichzeitig Grundregeln <strong>des</strong> Recyclings<br />
und der Abwassertechnik (s. Abb. 9).<br />
[Ni(H 2 O) 6 ]Cl 2<br />
NH 3<br />
[Ni(NH 3 ) 6 ] 2+<br />
C 2 O 4<br />
2−<br />
[NiC 2 O 4 ⋅ 2 H 2 O] n<br />
H 2 NCH 2 COO −<br />
Ni(H 2 NCH 2 COO) 2<br />
acac −<br />
Ni(acac) 2 ⋅ 2 H 2 O<br />
dmglH −<br />
Ni(dmglH) 2<br />
EDTA<br />
[NiEDTA] 2−<br />
Abb. 8: Komplexchemie <strong>des</strong> Nickels in einer Versuchskette
32<br />
Die Nickelkomplexlösung wird mit Schwefelsäure angesäuert. Dabei werden die<br />
Liganden protoniert und verlieren die Fähigkeit, sich an das Übergangsmetallion zu<br />
binden. Dies ist optisch daran zu erkennen, dass die angesäuerte Reaktionsmischung die<br />
für Hexaquonickelchlorid typische giftgrüne Farbe annimmt. Einige der protonierten<br />
Ligandmoleküle sind schlecht löslich, z. B. H 4 EDTA und Diacetyldioxim, und fallen als<br />
Feststoffe aus. Andere bleiben gelöst, z. B. Glycin und Oxalsäure. Acetylaceton ist<br />
flüssig, mit Wasser nicht mischbar und bildet daher auf der Oberfläche einen öligen<br />
Film. Durch Filtration gelingt bereits die Abtrennung einiger der organischen Stoffe.<br />
Durch Zusatz von Aktivkohle ist eine weitere Reinigung <strong>des</strong> Filtrats möglich. Einige der<br />
gelösten Organika werden an der Kohlenoberfläche adsorbiert und mit dieser abfiltriert.<br />
Zusatz von Aktivkohle und H 2 O 2 (Kombination von Adsorption und oxidativer<br />
Zerstörung von Wasserinhaltsstoffen), Aufkochen und Filtration führen zu einer<br />
Nickelchloridlösung, die frei von organischen Ligandmolekülen ist. Aus dieser kann<br />
Ni(OH) 2 ausgefällt und mit Salzsäure in NiCl 2 rückverwandelt werden, womit der<br />
Synthesekreislauf geschlossen ist.<br />
NiEDTA 2− H 2 SO 4<br />
+ NiSO 4 + protonierte Ligandmoleküle<br />
diverse Ligandmoleküle<br />
1. Abfiltrieren<br />
2. Adsorption an Aktivkohle<br />
3. Oxidative Zerstörung mit H 2 O 2<br />
4. Fällen von Ni(OH) 2<br />
HCl<br />
Abb. 9: Recycling von Nickelchlorid<br />
NiCl 2<br />
Ein weiterer Versuchszyklus (s. Abb. 10) zur Nickel-Chemie beginnt mit der<br />
Reaktion von Nickelchlorid mit Ammoniak. Das tiefblaue Produkt wird isoliert, durch<br />
komplexometrische oder gravimetrische Bestimmung seines Ni- und durch<br />
acidimetrische Bestimmung seines NH 3 -Gehaltes charakterisiert und dann mit<br />
Natronlauge zu Nickelhydroxid verkocht. Dabei frei werden<strong>des</strong> Ammoniakgas wird in<br />
Schwefelsäure aufgefangen, so dass eine Emission in die Luft vermieden wird<br />
(Umweltschutz durch Abgaswäsche). Da die in den Waschflaschen vorgelegte<br />
überschüssige Menge an H 2 SO 4 bekannt ist, kann durch Rücktitration bestätigt werden,<br />
dass die theoretisch zu erwartende Menge Ammoniak auch tatsächlich freigesetzt und<br />
danach absorbiert wurde.<br />
Das Nickelhydroxid lässt sich mit Säure problemlos in gängige Nickelsalze<br />
überführen. Mit Salzsäure wird das anfangs eingesetzte Nickelchlorid direkt recycelt.<br />
Im Praktikum ist es empfehlenswert, das Ni(OH) 2 zunächst mit Essigsäure in<br />
Nickelacetat umzuwandeln und aus diesem dann mit Salzsäure Nickelchlorid zu<br />
generieren. Durch diese Vorgehensweise wird das Reaktionsprinzip verdeutlicht, dass<br />
eine stärkere Säure (hier HCl) eine schwächere (hier HAc) aus ihrem Salz verdrängen<br />
kann.
33<br />
NH 3<br />
NiCl 2 [Ni(NH 3 ) 6 ]Cl 2<br />
HCl<br />
NaOH<br />
HAc<br />
NiAc 2 Ni(OH) 2<br />
+<br />
6 NH 3 Absorption in Schwefelsäure<br />
( → (NH 4 ) 2 SO 4 )<br />
Abb. 10: Geschlossener Synthesekreislauf zur Chemie <strong>des</strong> Nickels unter Berücksichtigung der<br />
Luftreinhaltung durch Gaswäsche<br />
Chemie <strong>des</strong> Kupfers: Die in Abbildung 11 gezeigte Versuchskette zur Komplexchemie<br />
<strong>des</strong> Kupfers beginnt mit der Umsetzung von Kupfervitriol mit Ammoniak zum<br />
tiefblauen, quadratisch planar aufgebauten Kupfertetrammin-Komplex. Die Reaktionslösung<br />
wird anschließend mit Kaliumoxalat versetzt. Zwei der Chelatliganden verdrängen<br />
die vier Amine vom zentralen Kupferion und ein türkisblauer Komplex fällt<br />
aus. Zugabe von Glycin liefert eine blaßblaue Kupferglycinatlösung. Bei dieser Reaktion<br />
wird das zweizähnige Oxalat gegen das ebenfalls zweizähnige, aber wegen seiner<br />
Aminfunktion stärker basische Glycinat ausgetauscht. Acetylacetonat fällt das Kupfer<br />
aus der Komplexlösung wieder aus. Triebkraft dieser Reaktion ist die Ausbildung von<br />
resonanzstabilisierten Sechsringmetallacyclen im resultierenden Kupferbisacetylacetonat.<br />
Mit EDTA kann das Kupfer schließlich unter Ausnutzung <strong>des</strong> Chelateffektes<br />
als CuEDTA 2− in Lösung gebracht werden.<br />
CuSO 4 ⋅ 5 H 2 O<br />
NH 3<br />
[Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />
C 2 O 4<br />
2−<br />
1. HNO 3<br />
2. NaOH [Cu(C 2 O 4 ) 2 ] 2−<br />
3. H 2 SO 4<br />
H 2 NCH 2 COO −<br />
Cu(H 2 NCH 2 COO) 2<br />
acac −<br />
Cu(acac) 2<br />
Cu<br />
Fe, Al oder Mg<br />
EDTA<br />
[CuEDTA] 2−<br />
Abb. 11: Komplexchemie <strong>des</strong> Kupfers in einer Versuchskette und Recycling von Kupfervitriol
34<br />
In dieser Eintopf-Versuchskette tauchen die gleichen komplexchemischen<br />
Elementar-reaktionen auf wie in der oben beschriebenen Nickel-Kette. Wie dort reicht<br />
eine geringe Stoffmenge aus, und es entstehen keine Verluste.<br />
Die Rückgewinnung von Kupfervitriol aus CuEDTA 2− kann in direkter Anlehnung<br />
an die von NiCl 2 ⋅6H 2 O aus NiEDTA 2− erfolgen: Ansäuern der Komplexlösung,<br />
Abfiltrieren, Adsorbieren und oxidatives Zerstören der protonierten Ligandmoleküle,<br />
danach Ausfällen von Cu(OH) 2 und Lösen mit Schwefelsäure zu CuSO 4 . Um das<br />
Praktikum methodisch zu erweitern, ist es aber sinnvoller, einen anderen Recyclingweg<br />
einzuschlagen, der über die Zementation von elementarem Kupfer als Zwischenprodukt<br />
verläuft.<br />
Die CuEDTA 2− -Lösung kann z.B. angesäuert, von ausgefallenen protonierten<br />
Ligandmolekülen durch Filtration befreit und dann mit Eisenpulver versetzt werden. Das<br />
unedle Eisen reduziert das zweiwertige Kupfer zum nullwertigen und wird im Gegenzug<br />
selbst oxidiert (Fe + Cu 2+ → Fe 2+ + Cu).<br />
Praktischer ist es, die Zementation direkt in der stark alkalischen Komplexlösung<br />
durchzuführen. Dazu eignet sich das unedle Metall Aluminium.<br />
In beiden Fällen werden die giftigen Kupferionen in der Lösung gegen ungiftigere<br />
Metallionen (Fe 2+/3+ , Al 3+ ) ausgetauscht, so dass das kupferfreie Filtrat verworfen<br />
werden kann. Gleichzeitig wird mittels eines billigen Metalls das wertvollere Halbedelmetall<br />
Kupfer gewonnen. Die Vorgehensweise kommt also Ökologie und Ökonomie<br />
gleichermaßen zugute.<br />
Das gewonnene Kupfer kann mit Salpetersäure oxidiert, dann mit Natronlauge als<br />
Cu(OH) 2 gefällt und dieses mit Schwefelsäure zu CuSO 4 gelöst und als Kupfervitriol<br />
kristallisiert werden, womit der Versuchszyklus geschlossen ist.<br />
Eine repräsentative Chemie <strong>des</strong> Kupfers kann z. B. auch anhand der folgenden<br />
Einzelversuche vermittelt werden:<br />
CuSO 4<br />
CuSO 4<br />
NH ⎯⎯⎯→ 3<br />
[Cu(NH3) 4 ]SO 4 Cu-Nachweisreaktion<br />
K CO<br />
2 2 4<br />
⎯⎯⎯⎯→<br />
K 2 [Cu(C 2 O 4 ) 2 ]<br />
Chelatkomplex<br />
CuSO 4 ⎯<br />
Fe<br />
⎯→<br />
Cu Zementation<br />
CuSO 4<br />
⎯⎯⎯⎯<br />
KOCN<br />
→ K[Cu(OCN) 3] Doppelsalz<br />
CuSO 4 ⎯<br />
Cu<br />
⎯→<br />
CuCl Komproportionierung.<br />
Nachteilig bei der Durchführung dieser fünf Experimente ist, dass fünfmal Kupfervitriol,<br />
also eine recht große Menge, als Ausgangsstoff verbraucht wird und fünf Produkte mit<br />
fünf Mutterlaugen entstehen, für die es im Praktikum kaum Verwendung gibt, so dass<br />
eine Entsorgung als Sondermüll unumgänglich ist.<br />
Wenn man die Einzelversuche jedoch zu einem Netzwerk verknüpft, bei dem das<br />
Produkt <strong>des</strong> ersten Versuchs gleichzeitig Edukt <strong>des</strong> zweiten Versuchs, usw. ist, kann<br />
Kupfervitriol gespart und die Abfallmengen können erheblich reduziert werden, so dass<br />
das Praktikum insgesamt umweltgerechter und kostengünstiger wird. In Abbildung 12<br />
ist ein geschlossener Synthesekreislauf ohne Kupferabfälle gezeigt.
35<br />
CuSO 4<br />
NH 3<br />
[Cu(NH 3 ) 4 ]SO 4 + ML<br />
KOCN K 2 C 2 O 4<br />
KCu(OCN) 3<br />
K 2 [Cu(C 2 O 4 ) 2 ] + ML<br />
HCl<br />
∆T<br />
2 4<br />
CuCl 2 CuO + K 2 CO 3<br />
O CuO<br />
1. (RO) 2 POH<br />
2. H 2 SO 4 NaOH HCl<br />
CuCl 2 CuCl 2<br />
CuCl 2 + KCl<br />
HCl<br />
O 2 O 2 Fe<br />
Fe<br />
ML + CuCl<br />
Cu<br />
+<br />
Fe 2+ 1. H 2 O 2<br />
2. Naacac<br />
Fe(acac) 3<br />
Abb. 12: Geschlossener Synthesekreislauf zur Chemie <strong>des</strong> Kupfers,<br />
ML = Mutterlauge, = isolierte Präparate<br />
Cp 2 Fe<br />
NaC 5 H 5<br />
Kupfersulfat reagiert mit Ammoniak zum tiefblauen Kupfertetrammin-Komplex.<br />
Die Verbindung wird isoliert und mit Kaliumoxalat in türkisblaues Kaliumoxalatocuprat<br />
übergeführt, durch Weiterverwendung also sinnvoll „entsorgt“. Bei der Reaktion<br />
verdrängt ein zweizähniges Ligandmolekül (Oxalat) zwei einzähnige Liganden (NH 3 )<br />
vom Zentralatom.<br />
Der Oxalatokomplex wird anschließend zu Kupferoxid, Pottasche, Kohlendioxid<br />
und Wasser pyrolysiert. Die Vollständigkeit der Zersetzung lässt sich über die Gewichtabnahme<br />
kontrollieren. Der Tiegelrückstand löst sich in Salzsäure zu Kupfer- und<br />
Kaliumchlorid, CO 2 wird ausgetrieben. Durch Zugabe von Eisenpulver wird elementares<br />
Kupfer zementiert. Hier wird eine Reaktion vorgestellt, die auch bei der technischen<br />
Kupfer-Gewinnung von großer Bedeutung ist.<br />
Die Mutterlaugen der Kupfertetrammin- und Oxalatocuprat-Synthesen werden<br />
ebenfalls mit Eisen behandelt, so dass eine zweite (kleinere) Fraktion Kupfer erhalten<br />
wird. Die Filtrate der Kupfergewinnung enthalten nur noch ungiftige Eisenionen und<br />
können bedenkenlos in den Ausguss gegeben werden. Sie können aber auch nach
36<br />
Zugabe von Wasserstoffperoxid (um das Eisen vollständig in die dreiwertige Stufe zu<br />
bringen) mit Acetylaceton und Natronlauge versetzt werden, um Eisentrisacetylacetonat<br />
als Ausgangsstoff für beispielsweise die Ferrocen-Synthese zu gewinnen und damit eine<br />
Querbeziehung zu der zuvor beschriebenen Eisenchemie herzustellen.<br />
Das durch Zementation erhaltene Kupfer wird mit zweiwertigem Kupfer zu<br />
einwertigem komproportioniert und als CuCl gefällt. Die Cu 2+ -Ionen kommen von dem<br />
zweiten Gleis <strong>des</strong> in Abb. 12 gezeigten Zyklus. Hier wird Kupfervitriol mit<br />
Kaliumcyanat versetzt, wobei das Doppelsalz KCu(OCN) 3 auskristallisiert. Dieses wird<br />
nach Isolierung in seine Mutterlauge zurückgegeben und mit Salzsäure zu Kupfer-,<br />
Kalium- und Ammoniumchlorid und CO 2 hydrolysiert. Der Reaktion liegt das Prinzip<br />
zugrunde, dass eine starke Säure (HCl) eine schwächere (HOCN) aus ihrem Salz zu<br />
verdrängen vermag.<br />
Um das bei der anschließenden CuCl-Synthese (s. auch 2.4.2) störende<br />
Ammoniumchlorid abzutrennen, wird die Reaktionslösung mit Natronlauge gekocht,<br />
wobei schwarzes CuO ausfällt. Dieses wird mit Salzsäure zu CuCl 2 gelöst und dann mit<br />
dem Kupfer aus den ersten Versuchen versetzt.<br />
CuCl ist eine repräsentative Verbindung <strong>des</strong> einwertigen Kupfers (d 10 -System) mit<br />
Zinkblen<strong>des</strong>truktur. Sie lässt sich nach verschiedenen Methoden in Kupfervitriol<br />
zurückführen (s. 2.7.1), womit der Kreislauf geschlossen ist.<br />
Chemie <strong>des</strong> Cobalts: Die Synthesen von Thénards Blau (vgl. 2.4.1) und Rinmanns<br />
Grün sind in ein größeres Netzwerk integriert, das in Abbildung 13 gezeigt ist.<br />
Die Spinelle werden aus Cobaltchlorid oder -nitrat und Aluminium- und Zinkresten<br />
aus anderen Praktikumversuchen hergestellt. Dies sind entweder Kalialaun, ein zuvor<br />
aus Aluminium- und Kaliumsulfat kristallisiertes Doppelsalz, oder Aluminiumreste aus<br />
Friedel-Crafts-Reaktionen bzw. Zinkreste aus Clemmensen-Reduktionen, die im<br />
organischen Praktikum als Nebenprodukte anfallen (s. 2.6.3).<br />
Durch Verknüpfen der Stoffflüsse zweier verschiedener Praktika bleiben dem<br />
OC-Praktikum Entsorgungskosten erspart und das AC-Praktikum braucht keine<br />
Aluminium- und Zinksalze zu kaufen. Gleichzeitig profitiert die Umwelt, da Reste als<br />
Wertstoffe weiterverwendet werden und nicht als Abfälle entsorgt zu werden brauchen.<br />
Aus der Kalialaunlösung wird durch zugesetzte Base Aluminiumhydroxid<br />
ausgefällt. Ebenso kann aus der stark sauren aluminiumhaltigen wässrigen Phase der<br />
Aufarbeitung von Alkylierungs- oder Acylierungsreaktionen nach Friedel-Crafts<br />
Al(OH) 3 ausgefällt werden. Dieses ist aufgrund adsorbierter organischer Stoffe stark<br />
verunreinigt und dunkel gefärbt. Die folgende Spinellsynthese wird aber nicht<br />
beeinträchtigt, da die Organika bei der hohen Reaktionstemperatur verbrennen.<br />
Durch Zugabe von Soda zu der stark salzsauren, zinkhaltigen wässrigen Phase von<br />
Clemmensen-Reduktionen wird basisches Zinkcarbonat ausgefällt.<br />
Das frisch gefällte Al(OH) 3 bzw. ZnCO 3 ist sehr feinteilig. Deshalb kann durch<br />
Versetzen <strong>des</strong> Schlamms mit einer Cobaltnitrat bzw. -chloridlösung eine sehr homogene<br />
Mischung erzeugt werden. Dies ist günstig, denn die folgende Spinellbildung ist - wie<br />
bereits in 2.4.1 erwähnt - eine diffusionskontrollierte Reaktion, die dann besonders zügig<br />
abläuft, wenn die Ausgangsstoffe gut gemischt sind. Nach dem Trocknen der feuchten<br />
Massen und anschließendem Erhitzen auf ca. 1000 °C (CoAl 2 O 4 ) bzw. 600 °C<br />
(ZnCo 2 O 4 ) resultieren Pigmente, deren Ausbeute und Qualität deutlich besser ist, als<br />
wenn festes Cobalt- mit festem Aluminium- bzw. Zinksalz verrieben und die Mischung<br />
dann erhitzt wird.
37<br />
Clemmensen-Reduktionen Friedel-Crafts-Reaktionen K 2 SO 4 + Al 2 (SO 4 ) 3<br />
Zn 2+ -Reste Al 3+ -Reste KAl(SO 4 ) 2<br />
Na 2 CO 3<br />
NH 3<br />
ZnCO 3 Al(OH) 3<br />
CoCl 2 ∆ T ∆ T Co(NO 3 ) 2<br />
ZnCo 2 O 4 CoAl 2 O 4<br />
KHSO 4 -Schmelze<br />
Co 2+ /Zn 2+ /Al 3+ - Sulfate<br />
HCl<br />
NaOH<br />
Co(OH) 2<br />
1. HCl, NaAc<br />
2. KNO 2<br />
NaOH<br />
Co(OH) 2 K 3 [Co(NO 2 ) 6 ]<br />
Abb. 13: Cobalt-Spinelle, integriert in ein Synthese-Netzwerk<br />
Die Spinelle sind in Wasser unlöslich, können aber in einer KHSO 4 -Schmelze<br />
aufgeschlossen werden (vgl. „saurer Aufschluss“ in der qualitativen Analyse). Es<br />
resultiert eine wasserlösliche Mischung der Metallsulfate, aus der Co(OH) 2 durch<br />
Zugabe überschüssiger Natronlauge ausgefällt werden kann. Aluminium- und Zinkionen<br />
bleiben im stark alkalischen Medium als [Al(OH) 4 ] − bzw. [Zn(OH) 4 ] 2− in Lösung. Das<br />
abgetrennte Co(OH) 2 wird im schwach sauren, acetatgepufferten Medium gelöst und mit<br />
Kaliumnitrit versetzt. Es bildet sich gelbes Hexanitrocobalt-(III)-at, das als Kaliumsalz<br />
schwerlöslich ist. Mit Natronlauge kann es zu Co(OH) 2 verkocht werden, aus dem sich<br />
mit Salzsäure Cobaltchlorid recyclieren lässt, womit der Cobalt-Kreislauf geschlossen<br />
ist.
38<br />
Chemie <strong>des</strong> Zinns: Je weiter ein Element im Periodensystem unten steht, <strong>des</strong>to stärker<br />
ist sein metallischer Charakter ausgeprägt und <strong>des</strong>to mehr nimmt eine niedrigere<br />
Wertigkeit als die übliche Gruppenwertigkeit an Bedeutung zu. Dieser Lehrsatz wird<br />
beim Übergang vom Silizium zum Zinn deutlich. Die im folgenden vorgestellte Sn-<br />
Chemie spiegelt sowohl den metallischen ( Sn, SnCl 2 , SnI 2 , Sn-Komplexe) als auch<br />
nichtmetallischen (SnO 2 , SnCl 4 , SnI 4 ) Charakter <strong>des</strong> Elements wider.<br />
Besonders geeignet sind die Versuchsketten<br />
Sn → SnCl 2 ⋅ 2 H 2 O → SnCl 2 → SnCl 4 → Sn-(IV)-Komplex<br />
und<br />
Sn → SnI 2 → SnI 4 → Sn-(IV)-Komplex.<br />
Zinnpulver wird mit Salzsäure zu Wasserstoff und SnCl 2 umgesetzt, welches als<br />
Dihydrat kristallisiert. Das Kristallwasser lässt sich durch Reaktion mit Essigsäureanhydrid<br />
entfernen. Das wasserfreie feste SnCl 2 wird mit Chlor in flüssiges SnCl 4<br />
übergeführt. Hier lernen die Studierenden nicht nur, wie das Zinn mit dem Wertigkeitwechsel<br />
von zwei nach vier nichtmetallische Eigenschaften annimmt, sondern auch den<br />
fachgerechten Umgang mit dem Giftgas Chlor, insbesondere die Absorption <strong>des</strong> Chlor-<br />
Überschusses in Natronlauge und die anschließende Reduktion <strong>des</strong> entstandenen<br />
Hypochlorits mit H 2 O 2 . Dem <strong>des</strong>tillierten SnCl 4 werden abschließend basische<br />
Reaktionspartner angeboten (THF, Oxalat, Chlorid, Hydroxid), so dass<br />
Oktaederkomplexe <strong>des</strong> vierwertigen Zinns resultieren.<br />
Ähnlich wird Zinnpulver im salzsauren Medium mit Iod zunächst zu gelbem SnI 2 ,<br />
dieses mit weiterem Iod zu orangefarbenem SnI 4 oxidiert. Auch aus diesem Stoff lassen<br />
sich Oktaederkomplexe <strong>des</strong> vierwertigen Zinns gewinnen.<br />
Diese werden gesammelt und gemeinsam mehrfach mit Salpetersäure abgeraucht<br />
und dadurch in Zinnstein übergeführt. Wässrige Mutterlaugen werden ebenfalls mit<br />
HNO 3 gekocht, wobei weiterer Zinnstein anfällt. Aus diesem kann abschließend<br />
carbothermisch elementares Zinn erzeugt werden, womit der Kreislauf geschlossen ist<br />
(s. Abb. 14).
39<br />
HCl Ac 2 O Cl 2<br />
SnCl 2 ⋅ 2 H 2 O SnCl 2<br />
C HNO 3 K 2 C 2 O 4<br />
SnO 2 K 2 [Sn(C 2 O 4 ) 3 ]<br />
I 2 /HCl I 2 KCl KCl THF<br />
Sn SnI 2 SnI 4 K 2 [SnCl 6 ] SnCl 4 ⋅ 2 THF SnCl 4<br />
KCl<br />
I 2 /HAc NaOH NaOH<br />
Na 2 [Sn(OH) 6 ]<br />
Ac 2 O<br />
NaOH/H 2 O 2<br />
Cl 2<br />
käuflich erhältliche Stoffe<br />
Abb. 16: Versuche zur Chemie <strong>des</strong> Zinns<br />
2.6.1.2 Versuche für den Schulunterricht [26]<br />
Das Darstellen und Denken in Kreisprozessen spielt im Schulunterricht eine genauso<br />
große Rolle wie in der chemischen Berufsausbildung. Die oben beschriebenen<br />
Versuchsketten und Zyklen sind für den Schulunterricht präparativ zu anspruchsvoll und<br />
zeitaufwendig. Deshalb werden im folgenden stark vereinfache Kreisprozesse<br />
vorgeschlagen, die von Schüler selbst bearbeitet oder vom Lehrer im Reagenzglas in<br />
weniger als einer Viertelstunde vorgeführt werden können.<br />
Eisen-Chemie: In Abbildung 15 ist gezeigt, wie eine repräsentative Chemie <strong>des</strong> Eisens<br />
(Oxidation- und Reduktionsverhalten, Fällungsreaktionen und Bildung verschiedener<br />
Salze) zu einem Netzwerk verknüpft werden kann.<br />
Die Schüler versetzen eine blassgrüne FeSO 4 -Lösung mit H 2 O 2 und beobachten<br />
dabei eine Farbvertiefung nach gelb, die auf die Oxidation <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens zum<br />
dreiwertigen zurückzuführen ist. Zusatz von NaOH bewirkt die Ausfällung von braunem<br />
Fe(OH) 3 . Tropfen die Schüler die Natronlauge hingegen direkt in die FeSO 4 -Ausgangslösung,<br />
so erkennen sie die Bildung <strong>des</strong> blaugrünen Hydroxids <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens.<br />
Die erhaltene Suspension färbt sich nach Zugabe von H 2 O 2 braun, ein sicheres Indiz<br />
dafür, dass erneut eine Oxidation <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens stattgefunden hat. Die<br />
Schüler isolieren den Fe(OH) 3 -Niederschlag, verteilen ihn auf drei Bechergläser und
40<br />
erproben, wie sich aus ihm mit verschiedenen Mineralsäuren (HNO 3 , HCl, H 2 SO 4 )<br />
unterschiedliche Salze <strong>des</strong> dreiwertigen Eisens (Fe(NO 3 ) 3 , FeCl 3 , Fe 2 (SO 4 ) 3 ) herstellen<br />
lassen. Die Eisennitrat- und -chlorid-Lösung dampfen sie ein und gewinnen die<br />
entsprechenden Feststoffe. Die Eisen(III)-sulfat-Lösung versetzen sie mit Schwefliger<br />
Säure, die das dreiwertige Eisen zum zweiwertigen reduziert, was für die Schüler allein<br />
schon dadurch sichtbar wird, dass die Reaktionslösung die Farbe der ursprünglich<br />
eingesetzten FeSO 4 -Lösung annimmt. Der Synthesekreislauf ist damit geschlossen, die<br />
FeSO 4 -Lösung wird vom Lehrer aufbewahrt und kann später weiterverwendet werden.<br />
Vorteilhaft bei diesem Versuch ist, dass im Falle von experimentellen Fehlern, z. B.<br />
Verschütten von Lösungen, die ökologisch unproblematischen Reste bedenkenlos<br />
weggespült werden können.<br />
FeSO 4<br />
SO 2 H 2 O 2 NaOH<br />
Fe 2 (SO 4 ) 3 Fe(OH) 2<br />
H 2 SO 4 NaOH H 2 O 2<br />
Fe(OH) 3<br />
HNO 3<br />
HCl<br />
Fe(NO 3 ) 3 FeCl 3<br />
Abb. 15: Versuche zur Eisen-Chemie<br />
Calcium-Chemie: Die Schüler versetzen eine Calciumchlorid- mit einer Kaliumoxalat-<br />
Lösung und fällen dadurch schwerlösliches Calciumoxalat aus. In diesem Experiment<br />
lernen sie eine für die qualitative und quantitative Analyse von Calcium wichtige<br />
Nachweisreaktion kennen. Der weiße Niederschlag wird in einem Tiegel stark erhitzt.<br />
Eine kleine Menge <strong>des</strong> Pyrolyserückstands setzt beim Zutropfen von Salzsäure ein Gas<br />
frei, das in Barytwasser eingeleitet einen charakteristischen weißen Niederschlag<br />
erzeugt, womit den Schülern bewiesen wird, dass das Calciumoxalat beim Erhitzen in<br />
Kalkstein übergegangen ist. Das restliche CaCO 3 wird mit HCl vollständig in Lösung<br />
gebracht, aus der nach dem Eindampfen wiederverwertbares CaCl 2 auskristallisiert (s.<br />
Abb. 16).<br />
K 2 C 2 O 4<br />
CaCl 2 CaC 2 O 4<br />
HCl<br />
∆T<br />
CaCO 3<br />
Abb. 2: Kreislauf zur Calcium-Chemie
41<br />
Kupfer-Chemie: Eine Kupfersulfat-Lösung wird bei Zugabe von Ammoniak tiefblau.<br />
Der bekannte Tetramminkupfer-Komplex lässt sich sowohl mit Schwefelsäure, als auch<br />
mit Natronlauge zerstören. Im ersten Fall werden die Ligandmoleküle protoniert und<br />
verlieren damit ihre Fähigkeit, sich an das Übergangsmetall anzulagern. Die<br />
Reaktionslösung hat wieder die Farbe der Ausgangslösung. Im zweiten Fall verdrängen<br />
OH - -Ionen die weniger basischen NH 3 -Moleküle und blassblaues Cu(OH) 2 fällt aus, das<br />
beim Erhitzen zu schwarzem CuO entwässert wird. Die Reaktionslösungen werden von<br />
den Schülern folgendermaßen aufbereitet: Die schwefelsaure und ammoniumsulfathaltige<br />
CuSO 4 -Lösung wird mit Eisenpulver versetzt, welches das zweiwertige Kupfer<br />
zum nullwertigen reduziert, was an der Bildung von Kupfer-Flocken deutlich zu<br />
erkennen ist. Diese werden abfiltriert, das kupferfreie Filtrat wird verworfen. Bei der<br />
anschließenden Behandlung <strong>des</strong> Kupfers mit Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid<br />
entsteht wieder eine CuSO 4 -Lösung mit ihrer charakteristischen Farbe. Das schwarze<br />
CuO wird ebenfalls abfiltriert und geht mit Schwefelsäure direkt als CuSO 4 in Lösung.<br />
Beide Versuchszyklen sind damit geschlossen (s. Abb. 17).<br />
H 2 SO 4 /H 2 O 2 H 2 SO 4<br />
Cu CuSO 4 CuO<br />
Fe NH 3 ∆T<br />
H 2 SO 4<br />
NaOH<br />
CuSO 4 [Cu(NH 3 ) 4 ]SO 4 Cu(OH) 2<br />
Abb. 17: Kreisläufe zur Kupfer-Chemie<br />
2.6.2 Chemie rund um die Benzoesäure [27]<br />
Etwa zeitgleich zu den Entwicklungsarbeiten an der Fachhochschule Darmstadt wurde<br />
im Ausbildungslaboratorium für Chemielaboranten der Firma Boehringer Mannheim ein<br />
abfallreduziertes organisches Praktikum „Rubenz“ (Rund um die Benzoesäure)<br />
konzipiert. Der Name drückt aus, dass die Benzoesäure, ein technisch wichtiges<br />
Zwischenprodukt und Konservierungsmittel, die zentrale Verbindung dieses Praktikums<br />
darstellt, die entweder synthetisiert wird oder als Ausgangssubstanz für weitere<br />
Synthesen dient, so dass viele Stoffe im Kreis geführt und daher Chemikalien und<br />
Kosten gespart sowie Abfälle vermieden werden (s. Abb. 18).
42<br />
CHO<br />
CH 2 OH<br />
NaOH<br />
COCl<br />
K 2 CO 3<br />
KMnO4<br />
SOCl 2 NH3<br />
NH 3<br />
CH 2 Cl CO 2 H CN<br />
CONH 2<br />
NaOH<br />
PCl 5<br />
KMnO 4<br />
SO CH 3 OH/H 2 SO 2 Cl 2 /AIBN<br />
4<br />
NaOH<br />
CH 3 COCH 3<br />
1. Mg<br />
2. CO 2<br />
Br<br />
Br 2 /Fe<br />
HNO 3 /<br />
1. NaNO 2<br />
H 2 SO 4 2. CuBr<br />
NO 2 NH 2<br />
Fe/HCl<br />
Abb. 18: Chemie rund um die Benzoesäure<br />
Organisatorisch läuft das Praktikum folgendermaßen ab: Ein Auszubildender führt z.<br />
B. die Seitenkettenoxidation von Toluen durch und gibt die so präparierte Benzoesäure<br />
zum Testat ab. Nach Reinheitskontrolle wird das Produkt für einen Folgeversuch,<br />
beispielsweise eine Veresterung, freigegeben. Aus dem resultierenden Benzoesäureester<br />
kann ein anderer Schüler dann durch Verseifung die Säure recyceln. Organische<br />
Lösemittel werden <strong>des</strong>tillativ zurückgewonnen, Abwässer entsprechend ihren<br />
Inhaltsstoffen an Ende einer Praktikumwoche gruppenweise aufbereitet. Dafür ist<br />
ausreichend Praktikumzeit reserviert.<br />
Die Richtlinien für die Chemielaborantenausbildung werden in Hinblick auf<br />
praktische und theoretische Lerninhalte voll erfüllt. Auch die darin vorgeschriebene<br />
Reaktions-sequenz Benzen → Nitrobenzen → Anilin, die vor allem den korrekten<br />
Umgang mit Giftstoffen vermitteln soll, lässt sich an das Kreiskonzept anbinden, indem<br />
Anilin durch eine Sandmeyer-Reaktion in Brombenzen und dieses in die Grignard-<br />
Verbindung Phenlymagnesiumbromid übergeführt wird, welche abschließend mit<br />
Kohlenstoffdioxid Benzoesäure liefert.<br />
Kreisprozesse funktionieren naturgemäß nur dann, wenn die Ausbeuten der<br />
Einzelreaktionen hoch und die Anteile unerwünschter Nebenprodukte minimal sind.<br />
Einige der in Abbildung 18 vorgeschlagenen Teilreaktionen liefen in dieser Hinsicht<br />
noch nicht zufriedenstellend. Hier setzte eine mit der Fachhochschule Darmstadt<br />
gemeinsam durchgeführte Diplomarbeit an, in der die Einzelschritte systematisch<br />
verbessert wurden. Gesichtspunkte der Luft- und Wasserreinhaltung wurden ebenfalls
43<br />
berücksichtigt. Weiterhin wurden die Auszubildenden beim Arbeiten beobachtet, um<br />
typische Experimentierfehler zu erkennen und diese bei der Formulierung optimaler<br />
Versuchsvorschriften zu berücksichtigen.<br />
Zwei für die Auszubildenden besonders lehreiche Verbesserungen sind im<br />
folgenden beschrieben.<br />
Benzonitril wird im Praktikum durch Dehydratisierung von Benzoesäureamid mit<br />
Phosphor(V)-chlorid hergestellt. Eine hohe Ausbeute (ca. 80 %) erreicht man nur, wenn<br />
man auf eine gute Durchmischung der Ausgangsstoffe achtet (darauf wurde in der<br />
Vorschrift explizit hingewiesen!) und das entstehende Benzonitril kontinuierlich aus<br />
dem Reaktionskolben ab<strong>des</strong>tilliert, um dadurch das Gleichgewicht der Reaktion in<br />
Richtung <strong>des</strong> Wunschproduktes zu verschieben. Der entstehende Chlorwasserstoff wird<br />
durch Einleiten in Natronlauge unschädlich gemacht.<br />
Bei der Sandmeyer-Synthese von Brombenzen aus Anilin verdienen die <strong>des</strong>tillative<br />
Gewinnung <strong>des</strong> Produktes und die Abwasserbehandlung Aufmerksamkeit. Es wurde<br />
häufig beobachtet, dass die Schüler beim Austreiben <strong>des</strong> Produktes aus dem Reaktionskolben<br />
mit Wasserdampf den Gasstrom viel zu hoch einstellen, so dass die Leistung <strong>des</strong><br />
Kühlers nicht ausreicht, um den gesamten Dampf zu kondensieren. Folglich gelangt ein<br />
Großteil - von den Auszubildenden unbemerkt - über die Vorlage hinaus in den Abzug.<br />
Dies bedeutet nicht nur einen Ausbeuteverlust, sondern auch eine erhebliche<br />
Abluftbelastung. Durch Einsatz eines effektiveren Kühlers und vor allen die Angabe<br />
eines definierten Wasserdampfstromes in der Versuchsanleitung konnten diese Probleme<br />
weitgehend beseitigt werden. Der wässrige Rest aus dem Versuch ist kupferhaltig und<br />
stark mit bromorganischen Verbindungen belastet. Durch Zusatz von Kalkmilch oder<br />
Natronlauge wird das Kupfer als Hydroxid ausgefällt. Der Cu-Gehalt <strong>des</strong> Filtrates liegt<br />
unterhalb der erlaubten Einleitgrenze von 1 ppm (vgl. 2.6.3). Durch weitere Behandlung<br />
mit Aktivkohle sowie Bestrahlung mit UV-Licht in Gegenwart <strong>des</strong> Fotohalbleiters<br />
Titandioxid gelingt es, auch den Gehalt an bromorganischen Verbindungen (AOX)<br />
soweit abzusenken, dass es vertretbar ist, den Versuchsrest in das firmeneigene<br />
Abwassernetz einzuspeisen. Mit der fotochemischen Abwasserreinigung erfährt das<br />
Praktikum eine interessante methodische und inhaltliche Bereicherung (vgl. 2.10.2.1).<br />
2.6.3 Aufbereitung anorganischer Reste aus der<br />
Organischen Synthese [28]<br />
Im organischen Praktikum werden zahlreiche anorganische Stoffe als Oxidations-,<br />
Reduktionsmittel oder Katalysatoren eingesetzt. Nach durchgeführter Reaktion werden<br />
die anorganischen Reste abfiltriert oder in einer sauren oder alkalischen wässrigen Phase<br />
gelöst und so von dem gewünschten organischen Syntheseprodukt abgetrennt.<br />
Die meisten Kochvorschriften geben keinerlei Hinweise darauf, was mit den<br />
anorganischen Resten geschehen soll. In der Regel erfolgt die Sammlung und<br />
Verbrennung als Sondermüll.<br />
In der industriellen organischen Chemie kommt dieses Vorgehen schon allein aus<br />
Umweltschutzgründen nicht in Frage. Außerdem ist in vielen Fällen der wirtschaftliche<br />
Anreiz groß, die anorganischen Nebenprodukte aufzuarbeiten und als Wertstoffe zu<br />
verkaufen.<br />
Sollten nicht daher auch bereits Chemiestudenten, die später verantwortungsvolle<br />
Aufgaben in der chemischen Industrie übernehmen werden, in den einführenden<br />
Praktika lernen, Stoffflüsse bei chemischen Reaktionen im Ganzen und Gesichtspunkte<br />
der Ökologie und Ökonomie gleichermaßen zu betrachten?<br />
Im folgenden wird beschrieben, wie anorganische Reste aus verschiedenen<br />
organischen Synthesen sinnvoll aufgearbeitet werden können.
44<br />
Chromhaltige Reste: Mit Chromsäure werden z. B. Alkohole zu Aldehyden oxidiert.<br />
Nach Abtrennung der organischen Produkte bleiben wässrige Phasen übrig, die<br />
Chrom(III)salze und unumgesetzte Chromsäure enthalten und die organisch belastet<br />
sind. Eine Aufbereitung dieser Abwässer auf wiederverwertbares Kaliumchromat ist<br />
einfach (s. Abb. 19). Zunächst wird mit Kalilauge alkalisiert und dann das dreiwertige<br />
Chrom mittels Wasserstoffperoxid zum sechswertigen oxidiert. Zugabe von Methanol<br />
zur Reaktionslösung bewirkt die Ausfällung von Kaliumchromat. Das isolierte Produkt<br />
wird im quantitativ-analytischen Praktikum einer Qualitätskontrolle unterzogen (s.<br />
2.7.4) und kann danach für eine neue Jones-Oxidation freigegeben werden.<br />
RCH 2 OH + CrO 3 ⎯ → Cr 3+ + RCHO<br />
H 2 SO 4 KOH / H 2 O 2<br />
K 2 CrO 4<br />
Abb. 19: Jones-Oxidation mit geschlossenem Chrom-Kreislauf<br />
Kupferhaltige Reste: Mit Hilfe von Kupfer(I)-chlorid, frisch bereitet aus CuSO 4 , NaCl<br />
uns Na 2 SO 3 , werden z.B. Diazoniumsalze aus aromatischen Aminen in die<br />
entsprechenden Chloride umgewandelt. Zur Aufbereitung der kupferhaltigen Wasserphase<br />
wird in diese zunächst Luft eingeblasen, um einwertiges Kupfer zu oxidieren.<br />
Eine Behandlung mit Aktivkohle ist sehr effektiv, um die zahlreichen organischen<br />
Nebenprodukte bei der Sandmeyer-Reaktion, die sich noch in der wässrigen Phase<br />
befinden, durch Adsorption zum größten Teil zu entfernen. Nach der Filtration erfolgt<br />
die Zementation <strong>des</strong> Kupfers mit Stahlwolle. Die Gewinnung von Kupfervitriol aus dem<br />
Rohkupfer (Oxidation mit HNO 3 , Fällen von Cu(OH) 2 , Lösen mit Schwefelsäure zu<br />
CuSO 4 , Kristallisation) ist eine präparativ reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe für das<br />
anorganische Praktikum. Nach abschließender Qualitätskontrolle (iodometrische<br />
Bestimmung <strong>des</strong> Kupfergehaltes) kann das recyclierte Kupfervitriol an das organische<br />
Praktikum für eine neue Sandmeyer-Reaktion zurückgegeben werden (s. Abb. 20).
45<br />
CuSO 4<br />
Na 2 SO 3<br />
HCl<br />
CuCl<br />
Sandmeyer-Reaktion<br />
1. HNO 3<br />
2. NaOH Cu + /Cu 2+ -Reste<br />
3. H 2 SO 4<br />
O 2<br />
Fe<br />
Cu Cu 2+<br />
Abb. 20: Aufbereitung von kupferhaltigen Resten aus Sandmeyer-Reaktionen<br />
Iodhaltige Reste: Bei einer Variante der Williamsonschen Ethersynthese wird ein<br />
Alkoholat mit einem Alkyliodid zur Reaktion gebracht. Nach Abtrennung <strong>des</strong><br />
gewünschten Ethers bleibt eine iodidhaltige wässrige Phase zurück. Hieraus kann nach<br />
Ansäuern mit Essigsäure und Oxidation mittels Wasserstoffperoxid elementares Iod<br />
abgeschieden und ohne weitere Reinigung bei einem erneuten Praktikumversuch für die<br />
Synthese <strong>des</strong> erforderlichen Alkyliodids benutzt werden (s. Abb. 21).<br />
RONa + R’I ⎯ → NaI + ROR’<br />
R’OH / P rot HOAc / H 2 O 2<br />
I 2<br />
Abb. 21: Williamsonsche Ethersynthese mit geschlossenem Iod-Kreislauf<br />
Aluminium- und zinkhaltige Reste (vgl. 2.6.1.1 und Abb. 13): Aluminiumhaltige<br />
wässrige Phasen liegen z.B. nach der Aufarbeitung von Friedel-Crafts-Reaktionen vor.<br />
Die Neutralisation bewirkt das Ausfällen von Aluminiumhydroxid, das durch<br />
adsorbierte organische Wasserinhaltsstoffe häufig dunkel gefärbt und in der organischen<br />
Synthese nicht mehr brauchbar ist. Eine Weiterverwertung im anorganischen Praktikum<br />
ist hingegen möglich. Vermischt mit Cobaltnitrat und im rotglühenden Tiegel erhitzt,<br />
entsteht das anorganische Pigment Thénards Blau . Durch diese Vorgehensweise wird<br />
im organischen Praktikum Abfall vermieden und im anorganischen Praktikum<br />
Ausgangsmaterial gespart.<br />
Analog kann aus zinkhaltigen Wasserphasen, von z.B. Clemmensen-Reduktionen,<br />
Zinkcarbonat gefällt und dieses mit Cobaltchlorid zu Rinmanns Grün pyrolysiert<br />
werden.<br />
Eisenhaltige Reste: Ein Paradebeispiel für einen industriellen Prozeß, bei dem das<br />
organische und anorganische Reaktionsprodukt gleichermaßen Bedeutung haben, ist das<br />
Béchamp-Verfahren der Anilinherstellung aus Nitrobenzen und Eisen. Dieses konnte<br />
sich lange Zeit nur <strong>des</strong>halb auf dem Markt behaupten, weil die eisenhaltigen Reste zu<br />
den wertvollen Pigmenten Fe 2 O 3 bzw. Fe 3 O 4 verglüht wurden. Auch in Praktikum lässt<br />
sich die zweigleisige Betrachtung der Reaktion realisieren. Nachdem das entstandene
46<br />
Anilin aus dem Reaktionskolben durch Wasserdampf<strong>des</strong>tillation ausgetrieben wurde,<br />
wird der Rückstand in Schwefelsäure aufgenommen und mit Aktivkohle und<br />
Wasserstoffperoxid gekocht, um zweiwertiges Eisen zu oxidieren und restliches<br />
Nitrobenzen und entstandene Nebenprodukte oxidativ zu zerstören bzw. zu adsorbieren.<br />
Aus dem Filtrat lässt sich durch Alkalisieren Eisen(III)-hydroxid ausfällen, das<br />
anschließend zum Rotpigment verglüht werden kann.<br />
Fe 2+ -haltige Reste<br />
H 2 O 2 / NaOH<br />
⎯⎯⎯⎯⎯→<br />
∆T<br />
Fe(OH) 3 ⎯⎯⎯⎯⎯→<br />
Fe2O 3<br />
2.7 Recycling<br />
2.7.1 Rückgewinnung anorganischer Grundchemikalien<br />
An mehreren Stellen zuvor wurde bereits darauf hingewiesen, dass in Chemiepraktika<br />
Präparate, die am Ende von Kettenversuchen resultieren, in gängige Ausgangschemikalien<br />
zurückverwandelt werden können. Ein grundsätzlicher Wert dieser Vorgehensweise<br />
ist, dass den Studierenden Methoden <strong>des</strong> in Industrie und täglichem Leben<br />
zunehmend wichtigen Recyclings vorgestellt werden. Die Recyclingverfahren müssen<br />
aber mit einem vertretbaren Zeit- und Energieaufwand durchführbar sein und die<br />
gewünschten Produkte in guter Ausbeute und Qualität liefern. Weiterhin muss jede<br />
Recycling-Aufgabe für die Auszubildenden in theoretischer und/oder praktischer<br />
Hinsicht lehrreich sein.<br />
Am Beispiel der Rückgewinnung von Kupfervitriol wird hier verdeutlicht, wie<br />
vielseitig und interessant Recycling sein kann. Am Beispiel der Rückgewinnung von<br />
Cobalt(II)-chlorid aus sehr stabilen Cobalt(III)-Chelatkomplexen wird hingegen gezeigt,<br />
wo eindeutig die Grenzen eines vernünftigen Recyclings liegen.<br />
Im oben vorgestellten Kettenversuch zur Kupferchemie (Abb. 12) ist das Chlorid<br />
<strong>des</strong> einwertigen Kupfers das Präparat, das die Studierenden zum Testat abgeben und das<br />
vom Laborpersonal zunächst gesammelt wird. Die bei dem Versuch anfallende<br />
Mutterlauge kommt in ein separates Sammelgefäß. Wenn genügend Material,<br />
min<strong>des</strong>tens 20 g CuCl bzw. 500 mL Mutterlauge, zusammengekommen ist, wird ein<br />
Student damit beauftragt, Kupfersulfat herzustellen. Damit <strong>vielseitige</strong> Chemie gelehrt<br />
wird, werden für Feststoff und Mutterlauge unterschiedliche Aufarbeitungen<br />
vorgeschlagen:<br />
1. Das feste CuCl wird mit Schwefelsäure und H 2 O 2 versetzt und so oxidativ in Lösung<br />
gebracht. Zwecks Reinigung erfolgen eine Cu(OH) 2 -Fällung, Auflösen <strong>des</strong> Hxdroxids<br />
mit der gerade erforderlichen Menge Schwefelsäure und Kristallisation <strong>des</strong><br />
Kupfervitriols. Nach dem Trocknen wird eine Probe auf den genauen Cu-Gehalt<br />
untersucht, so dass eine Qualitätsspezifikation erfolgen und das Präparat zur<br />
Weiterverwendung freigegeben werden kann. Der ausführende Student übernimmt<br />
also in hohem Maße Verantwortung. Denn wenn seine Präparation und Analytik<br />
ungenau war, kann der Versuch ggf. nicht klappen, den seine folgenden<br />
Kommilitionen mit den aufbereiteten Produkt durchführen wollen.<br />
2. Die kupferhaltige Mutterlauge wird nach Oxidation <strong>des</strong> einwertigen Kupfers mit<br />
einem Ionenaustauscher auf Organophosphorsäure-Basis [28] extrahiert. Damit wird
47<br />
die Metallextraktion, welche die Studenten zuvor am Beispiel der Eisenextraktion mit<br />
MTBE kennen gelernt haben, in den Dienst <strong>des</strong> Umweltschutzes gestellt<br />
(Transferleistng).<br />
In unserem Vorpraktikum für Studienanfänger werden Versuche zur Kristallisation<br />
von Kupfersulfat aus heiß-gesättigter Lösung, Fällen von Kupfersulfat mit Alkohol und<br />
Entwässern von Kupfervitriol durch Erhitzen durchgeführt. Dabei fallen rasch größere<br />
Mengen an Feststoffen und Lösungen an. Während die Feststoffe direkt wiederverwertet<br />
werden können, müssen die Lösungen aufbereitet werden. Jetzt warten wir bewusst, bis<br />
ca. 2 L Lösung zusammengekommen sind, damit ein Student einen für das<br />
Grundpraktikum ungewöhnlich großen Ansatz durchführen und im 5-L-Becherglas<br />
arbeiten kann. Hier wird also Scale-Up betrieben, was im späteren Berufsleben der<br />
Chemieingenieure von fundamentaler Bedeutung ist [29]. Beim Ausfällen der<br />
Kupferionen mit Natronlauge, Kochen der Suspension, um türkisblaues Kupferhydroxid<br />
in schwarzes Kupferoxid umzuwandeln, Absaugen auf dem großen Büchnertrichter,<br />
Waschen <strong>des</strong> Filterkuchens, Lösen mit halbkonzentrierter Schwefelsäure und<br />
Kristallisation sind u. a. Schutzmaßnahmen zu treffen, die bei den anderen Praktikumversuchen<br />
aufgrund der kleinen Ansatzgrößen nicht erforderlich sind, z. B. das sichere<br />
Befestigen der Apparaturen an Stativen, Beachten von erheblichen Wärme-tönungen<br />
beim Neutralisieren und das Unterstellen einer Plastikwanne als Auslaufschutz bei einer<br />
möglichen Havarie (die bislang noch nicht eingetreten ist). Der ausführende Student<br />
wird für seine Mühe belohnt, wenn er zum Schluss mehrere 100 Gramm kristallines<br />
Kupfervitriol in eine Präparateflasche abfüllen kann.<br />
Im Sommersemester 1993 hatte ich die Gelegenheit, an der Universität Tsukuba,<br />
Japan, bei den Studenten im dortigen Anorganischen Forgeschrittenenpraktikum reges<br />
Interesse für den praktikumintegrierten Umweltschutz zu wecken [30]. Die Frage kam<br />
auf, ob aus den (für spektroskopische Untersuchungen präparierten) Chelatkomplexen<br />
K[CoEDTA], Na[Co(NO 2 )(HEDTA) und Co[(en) 3 ]I 3 die Ausgangsverbindung<br />
CoCl 2 ⋅6H 2 O recyceln lässt.<br />
Es war von vornherein klar, dass die Aufbereitung von Komplexen mit<br />
Chelatliganden anspruchsvolle Vorgehensweisen und präparatives Geschick erforderte.<br />
Die mehrzähnigen Liganden lassen sich nämlich aus entropischen Gründen nur schwer<br />
vom Zentralatom verdrängen und wegen ihrer Schwerflüchtigkeit nicht durch einfaches<br />
Verkochen aus dem Komplexbildungs-Dissoziationsgleichgewicht entfernen, wie dies<br />
z.B. mit dem einzähnigen Liganden NH 3 möglich ist.<br />
Beim Erhitzen mit Natronlauge liefern K[CoEDTA] und Na[Co(NO 2 )(HEDTA)] nur<br />
wenig Co(OH) 2 , und die Ausbete an daraus gewonnenem Cobaltchlorid liegt unter 25 %<br />
der Theorie. [Co(en) 3 ]I 3 reagiert überhaupt nicht mit Natronlauge.<br />
In schwefelsaurer Lösung liefert K[CoEDTA] mit Eisenpulver zweiwertiges Cobalt<br />
und H 4 EDTA. Letztere Verbindung ist in saurem Medium nur mäßig löslich, fällt daher<br />
aus und wird gemeinsam mit dem überschüssigen Eisen abfiltriert. Die weitere Aufarbeitung<br />
trägt der vollständigen Abtrennung <strong>des</strong> H 4 EDTA und einer K/Co/Fe-Trennung<br />
Rechnung. Das schwefelsaure Filtrat wird mit Aktivkohle und H 2 O 2 versetzt, um<br />
H 4 EDTA oxidativ zu zerstören oder an der Kohleoberfläche zu adsorbieren. Gleichzeitig<br />
wird zweiwertiges Eisen in dreiwertiges umgewandelt. Nach Verkochen <strong>des</strong> überschüssigen<br />
H 2 O 2 wird mit Natronlauge fast neutralisiert, Kohle und gebildetes Fe(OH) 3<br />
werden abfiltriert. Abschließend wird mit Soda basisches Cobaltcarbonat ausgefällt,<br />
isoliert und mit Salzsäure in Cobaltchlorid übergeführt. Die Ausbeute an recycliertem<br />
CoCl 2 ⋅6H 2 O beträgt allerdings nur 50 % der Theorie (s. Abb. 22).
HNO 3<br />
I 2 + [Co(en) 3 ](NO 3 ) 3<br />
48<br />
Eine etwas bessere Ausbeute (69 %) erzielt man, wenn man K[CoEDTA] in der<br />
Brennerflamme pyrolysiert, den schwarzen Rückstand mit Salzsäure extrahiert, das<br />
CoCl 2 -haltige Extrakt mit Natronlauge alkalisiert und das gebildete Co(OH) 2 wie<br />
beschrieben auf Cobaltchlorid-Hexahydrat aufarbeitet. Nachteilig bei dem Verfahren ist<br />
allerdings das Auftreten brauner, übelriechender Rauchgase, welche die Abluft belasten.<br />
2 K[CoEDTA] + Fe + 4 H 2 SO 4<br />
→ K 2 SO 4 + 2 CoSO 4 + FeSO 4 + 2 H 4 EDTA<br />
1. ungelöstes H 4 EDTA abfiltrieren<br />
2. Aktivkohle (Adsorption von noch gelöstem H 4 EDTA)<br />
3. H 2 O 2 (Fe 2+ → Fe 3+ )<br />
4. NaOH (pH 5-7: Fe 3+ → Fe(OH) 3 )<br />
5. filtrieren<br />
K 2 SO 4 /CoSO 4 -Lösung<br />
Na 2 CO 3 (pH 13-14)<br />
Co(OH) 2 /CoCO 3 -Niederschlag<br />
HCl<br />
CoCl 2<br />
Abb. 22: Gewinnung von Cobalt(II)-chlorid aus K[CoEDTA]<br />
Die Rückgewinnung von Cobalt(II)-chlorid aus dem sehr stabilen Trisethylendiammincobalt(III)-iodid<br />
ist uns bislang nicht gelungen. Es ist hingegen leicht möglich,<br />
den Komplex auf Iod aufzuarbeiten. Dazu wird er mit Salpetersäure oder<br />
Schwefelsäure/H 2 O 2 behandelt. In beiden Fällen wird das Iodid zu elementarem Iod<br />
oxidiert (80 % Ausbeute), der Metallkomplex selbst bleibt unverändert und behält sogar<br />
seine optische Aktivität. Nach Abfiltrieren <strong>des</strong> Iods kann durch Zugabe von Methanol<br />
zum Filtrat Trisethylendiammincobalt(III)-nitrat bzw. -sulfat ausgefällt und isoliert<br />
werden (s. Abb. 23).<br />
− NO x<br />
[Co(en) 3 ]I 3<br />
H 2 SO 4 , H 2 O 2<br />
I 2 + [Co(en) 3 ] 2 (SO 4 ) 3<br />
− H 2 O<br />
Abb. 23: Gewinnung von Iod aus Trisethylendiammincobalt(III)-iodid<br />
Die hier beschriebenen Aufarbeitungsmethoden sind für die Studierenden sehr<br />
lehrreich. Einerseits vermitteln sie ihnen <strong>vielseitige</strong> Gesichtspunkte der anorganischen<br />
Chemie, wodurch ein vertieftes Verständnis ihrer Praktikumpräparate bewirkt wird.<br />
Andererseits zeigen sie den Studenten aber auch ganz klar, dass sich eine Aufbereitung<br />
der Cobaltkomplexe aus ökologischer Sicht nicht lohnt, dass hier die Rückgewinnung<br />
von Ausgangsverbindungen wegen <strong>des</strong> enormen Energieaufwan<strong>des</strong> sogar mit einer
49<br />
negativen Ökobilanz belastet ist. An diesem Beispiel, wo Recycling nicht sinnvoll ist,<br />
lässt sich das kritische Denkvermögen der Auszubildenden in Hinblick auf Belange <strong>des</strong><br />
Umweltschutzes besonders gut fördern.<br />
2.7.2 Rückgewinnung von Lösungsmitteln [31]<br />
Anders als in der Anorganischen Chemie lassen sich in der Organischen Chemie<br />
hergestellte Präparate nur selten in gängige Ausgangsverbindungen zurückverwandeln.<br />
Um ein Organisches Praktikum umweltfreundlicher zu gestalten, kommt dem<br />
Lösemittelrecycling <strong>des</strong>halb eine besondere Wichtigkeit zu.<br />
Wünschenswert ist es, dass gebrauchte Lösemittel nur durch einfache Destillation<br />
am Rotationsverdampfer oder durch Waschen und Trocknen gereinigt und danach<br />
wieder verwertet werden können. Fraktionierte Destillationen sind auch noch<br />
akzeptabel, da sie sowieso zum Lernprogramm je<strong>des</strong> Organischen Praktikums gehören<br />
und wenn die Siedepunkte der zu trennenden Stoffe ausreichend weit auseinanderliegen,<br />
so dass die Verfahren in kurzer Zeit die Lösemittel in guter Reinheit liefern.<br />
Beim Arbeiten mit dem Rotationsverdampfer dürfen keine Wasserstrahl-, sondern<br />
nur Membranpumpen verwendet werden, um sicher zu Vermeiden, dass verdampfende<br />
Lösemittel ins Institutsabwasser gelangen. Um die Studierenden für das Ausmaß der<br />
Verdampfungsverluste beim Arbeiten mit dem Rotationsverdampfer zu sensibilisieren,<br />
haben wir folgenden Modellversuch konzipiert:<br />
100 g Dichlormethan werden im Kolben vorgelegt und am Rotavapor unter<br />
Normaldruckund Erwärmen mit einem Wasserbad vollständig über<strong>des</strong>tilliert. Am oberen<br />
Belüftungshahn der Apparatur ist ein Rohr angeschlossen, in dem sich 30 g gekörnte<br />
Aktivkohle befinden. In der Vorlage werden je nach Rotations- und Aufheizgeschwindigkeit<br />
nur 90-95 % <strong>des</strong> eingesetzten Dichlormethans wiedergefunden. Wenige<br />
Tropfen bleiben an der Schlange <strong>des</strong> Kühlers hängen, der Rest ist von der Aktivkohle<br />
adsorbiert, was an einer entsprechenden Gewichtszunahme festzustellen ist. (Die<br />
beladene Kohle wird in einem Kolben mit aufgesetzter Destillationsbrücke und Vorlage<br />
mit dem Brenner ausgeheizt. Das anhaftende Dichlormethan wird <strong>des</strong>orbiert und<br />
<strong>des</strong>tilliert über. Die Kohle hat wieder ihr ursprüngliches Gewicht und kann für einen<br />
neuen Versuch verwendet werden.)<br />
Wir haben eine Vielzahl tradierter Experimente umgestellt, damit ein<br />
Lösungsmittelrecycling einfach, schnell und mit guten Ausbeuten möglich wird. Hier<br />
seien nur zwei Beispiele aus unserem Polymerchemischen Praktikum [32] angeführt.<br />
Nach einer Experimentieranleitung von Braun [16] wird Methylmethacrylat in<br />
Chlorbenzen radikalisch polymerisiert. Die resultierende PMMA-Lösung wird in Cyclohexan<br />
eingetragen, um das Polymer auszufällen. Die Polymerisation lässt sich statt im<br />
giftigen Chlorbenzen auch im nahezu ungiftigen Xylen durchführen. Das nach der<br />
Fällung resultierende Xylen/Cyclohexan-Gemisch lässt sich unter Zuhilfenahme einer<br />
Vigreux-Kolonne mühelos trennen, da die Siedepunkte weit genug auseinanderliegen.<br />
Styren wir in unserem Praktikum anionisch (mit n-BuLi) in Toluen polymerisiert.<br />
Zum Ausfällen <strong>des</strong> entstandenen Polystyrens wird die Polymerlösung in Methanol<br />
eingetragen. Eine <strong>des</strong>tillative Aufbereitung <strong>des</strong> resultierenden Toluen/Methanol-<br />
Gemisches ist zwar grundsätzlich möglich, aber im Rahmen <strong>des</strong> Praktikums zu zeitaufwendig,<br />
überwachungsbedürftig und wegen der Bildung von Mischfraktionen auch nicht<br />
ganz abfallfrei. Deshalb haben wir eine andere Aufarbeitungsmethode gewählt. Das<br />
Lösungsmittelgemisch wird mehrfach mit Wasser extrahiert, wobei das Methanol in die<br />
Wasserphase geht und mit dieser verworfen wird (Methanol hat die Wasser-
50<br />
gefährdungsklasse 0). Auf die Wiedergewinnung <strong>des</strong> Alkohols wird also verzichtet. Das<br />
Toluen wird über wasserfreiem Na 2 SO 4 getrocknet und kann wieder verwendet werden.<br />
An der Universität Tsukuba, Japan, hatte ich die Gelegenheit, einen Einführungskurs<br />
für angehende Diplomanden und Doktoranden in die Fulleren-Chemie zu leiten [33]. Ich<br />
ersetzte das bislang für die Extraktion und Chromatographie verwendete Benzen (!)<br />
durch das mindergiftige Toluen. Am Ende <strong>des</strong> Kurses gewannen die Kursteilnehmer das<br />
Lösemittel durch Destillation am Rotationsverdampfer zurück.<br />
Ich stelle diese an sich nur geringfügige Praktikumumstellung hier besonders heraus,<br />
um zu beweisen, dass Prinzipien <strong>des</strong> praktikumintegrierten Umweltschutzes auch im<br />
fernen Ausland gerne angenommen werden.<br />
2.7.3 Rückgewinnung von Methylmethacrylat<br />
durch Pyrolyse von Polymethylmethacrylat<br />
Bader hat in seinem Buch über Kunststoffrecycling [34] bereits die Pyrolyse vom<br />
Plexiglas als Schulversuch vorgeschlagen, um den Schülern zu vermitteln, dass<br />
bestimmte Polymere thermisch zu ihren Grundbausteinen depolymerisiert werden<br />
können.<br />
Im Polymerchemischen Praktikum an der Fachhochschule Darmstadt führen die<br />
Studenten die Lösungspolymerisation von Methylmethacrylat durch. Das erhaltene<br />
Polymer depolymerisieren sie anschließend wieder und stellen das recycelte Monomer<br />
dem nächsten Praktikanten als Ausgangsmaterial zur Verfügung.<br />
MMA<br />
radikalische Polymerisation<br />
thermische Depolymerisation<br />
PMMA<br />
Da sich PMMA praktisch quantitativ in seine Monomerbausteine zerlegen lässt, ist das<br />
Recycling von MMA auf jeden Fall sinnvoll. Die Studierenden stellen aber fest, dass die<br />
Pyrolyse eine stark endotherme Reaktion ist (die Polymerisation von MMA haben sie<br />
zuvor als eine exotherme Reaktion kennen gelernt), dass das Monomerrecycling also<br />
keineswegs zum Nulltarif gewonnen werden kann. Dieses Erkenntnisgewinn ist wichtig,<br />
da viele Menschen zu idealistische Vorstellungen über die positive Ökobilanz <strong>des</strong><br />
Kunststoffrecyclings haben.<br />
2.7.4 Qualitätskontrolle recycelter Stoffe [35]<br />
In der chemischen Industrie muss ein erzeugtes Produkt vor der Freigabe zum Verkauf<br />
einer sorgfältigen Qualitätskontrolle unterzogen und vorgegebene Spezifikationen<br />
müssen genau eingehalten werden. Dies spielt insbesondere im Zusammenhang mit der<br />
Produkthaftung eine Rolle, denn ein Hersteller muss für Schäden, die auf Fehlern seines<br />
Produktes zurückzuführen sind, aufkommen Dem wichtigen Gesichtspunkt Qualitätssicherung<br />
sollte bereits in der Chemieausbildung Rechnung getragen werden. Dies kann<br />
in den Laborpraktika geschehen.<br />
In den vorausgegangenen Kapiteln wurde mehrfach von recycelten Stoffen<br />
gesprochen. Diese haben - je nachdem, aus welchem Rest sie stammten und wie<br />
ordentlich die die Vorschrift ausführenden Studenten gearbeitet haben - unterschiedliche<br />
Qualität. Es darf nur in wenigen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Stoffe<br />
formelrein sind! Bevor sie im Praktikum zur Wiederverwertung ausgestellt werden,<br />
müssen sie <strong>des</strong>halb einer Qualitätskontrolle unterzogen und ggf. für ihren zukünftigen
51<br />
Einsatzbereich spezifiziert werden. Die Qualitätsuntersuchungen erfolgen mit<br />
Standardmethoden der quantitativen Analyse.<br />
Die Vorschriften, die für die zu untersuchenden Stoffe maßgeschneidert sind,<br />
können von den Studenten im quantitativen Praktikum selbst durchgeführt werden (s.<br />
2.10.5). Wie bereits zuvor erwähnt, übernehmen die ausführenden Studenten eine<br />
besondere Verantwortung: Wenn ihre Analysen nämlich nicht stimmen, werden<br />
nachfolgende Studenten aufgrund unkorrekter Einwaagen zwangsläufig nur unbefriedigende<br />
Ergebnisse bei den Synthesen erzielen. (Um dies zu vermeiden, muss das<br />
Laborpersonal auf die sorgfältige Ausführung der Qualitätskontroll-Analysen besonders<br />
achten und diese ggf. mehrfach oder nach verschiedenen Verfahren wiederholen lassen.)<br />
Die Studenten werden dazu angehalten, Synthese, Recycling, Analyse und<br />
Analysenergebnis kritisch zu deuten und ganzheitlich zu betrachten. Oft bleibt die<br />
Erkenntnis, dass „Recycling“ vielmehr „Downcycling“ mit nicht unerheblichen<br />
Qualitätseinbußen ist. Dies sei an einigen Beispielen begründet.<br />
Kupfersulfat: Eine Probe eines recycelten und umkristallisierten Kupfervitriols wurde<br />
iodometrisch und fotometrisch auf ihren Kupfer- und gravimetrisch auf ihren<br />
Sulfatgehalt hin untersucht. Die Studenten konnten die dort erlernten Verfahren direkt<br />
zur Kontrolle ihres recycelten Präparates heran ziehen. Das Zusammenspiel von<br />
Produzent und Analytiker in der chemischen Industrie wurde im Praktikum<br />
widergespiegelt, womit die Ausbildung einen besonderen Praxisbezug bekommt.<br />
Die erwartete hohe Reinheit <strong>des</strong> gewonnenen Kupfervitriols ließ sich experimentell<br />
bestätigen:<br />
Analysenmethode: Iodometrie Fotometrie Gravimetrie<br />
Reinheitsgrad: 99,2 % 97,0 % 97,7 %<br />
Die geringen Abweichungen der Werte voneinander lagen im Rahmen der im Praktikum<br />
üblichen Fehlergrenzen. Aufgrund der recht gut übereinstimmenden Ergebnisse aus drei<br />
grundsätzlich unterschiedlichen Messverfahren gewannen die Studierenden Vertrauen in<br />
deren Leistungsfähigkeit. Überzeugend wirkte außerdem die Tatsache, dass zwei<br />
Studenten, die sich nicht kannten, bei der iodometrischen Bestimmung unabhängig<br />
voneinander zum exakt gleichen Ergebnis kamen.<br />
Aluminiumsulfat: Das Praktikumpräparat Kalialaun wurde auf Aluminiumsulfat<br />
aufgearbeitet:<br />
KAl(SO 4 ) 2<br />
NH 3 ⎯⎯⎯→<br />
HSO<br />
Al(OH) 3 ↓ ⎯⎯⎯⎯<br />
2 4 → Al2(SO 4 ) 3<br />
Das Doppelsalz wurde in Wasser gelöst und durch Zugabe von Ammoniak ein schwach<br />
alkalisches Medium eingestellt, so dass Aluminiumhydroxid ausfiel. Der voluminöse,<br />
schleimige Niederschlag ließ sich nur mühsam absaugen und waschen. Er wurde mit<br />
Schwefelsäure gelöst. Beim Abkühlen der Lösung kristallisierte ein Aluminiumsulfathydrat<br />
aus. Obwohl es optisch sehr schön aussah, hatte es nur einen geringen<br />
Reinheitsgrad. Aus der komplexometrischen Aluminium- und der gravimetrischen<br />
Sulfatbestimmung ergab sich nämlich ein Stoffmengenverhältnis SO 4 2− /Al 3+ von 2:1, das<br />
vom theoretischen Wert 3:2 erheblich abwich. D. h. das Produkt war mit Kaliumund/oder<br />
Ammoniumsulfat, das aus dem gefällten Al(OH) 3 nicht vollständig<br />
ausgewaschen wurde, stark verunreinigt.<br />
Aufgrund <strong>des</strong> Analysenbefun<strong>des</strong> erkannten die Studierenden, dass beim Recycling<br />
ein experimenteller Fehler gemacht wurde, und zwar wurde der Hinweis in der
52<br />
Versuchsanleitung, dass das Filtrat der Al(OH) 3 -Waschungen auf Sulfatfreiheit zu<br />
prüfen ist, nicht beachtet.<br />
Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Anionen- und Kationengehalt parallel<br />
bestimmt wurden. Der Al-Gehalt <strong>des</strong> isolierten Produktes lag nämlich mit 8.43 %<br />
zufälligerweise recht nahe am theoretischen Wert von 8.10 % für formelreines<br />
Al 2 (SO 4 ) 3 ⋅18H 2 O. Ohne Kenntnis <strong>des</strong> Sulfatgehalts wäre der leicht erhöhte Metallgehalt<br />
eher mit einem geringeren Anteil Kristallwasser im Produkt in Verbindung gebracht<br />
worden.<br />
Ob das wiedergewonnene Material für eine neue Alaunsynthese einsetzbar ist,<br />
musste mit einer Substanzprobe geprüft werden. Dazu wurden parallel äquimolare heiß<br />
gesättigte Lösungen von reinem Al 2 (SO 4 ) 3 ⋅18H 2 O und K 2 SO 4 sowie recyceltem Produkt<br />
und K 2 SO 4 (bezogen auf den Al-Gehalt im recycelten Stoff) angesetzt. Aus der auf<br />
Raumtemperatur abgekühlten Lösung <strong>des</strong> Ansatzes mit frischem Aluminiumsulfat hatte<br />
sich bereits nach zwei Stunden ein großer Alauneinkristall in fast quantitativer Ausbeute<br />
abgeschieden. Aus dem Ansatz mit dem recycelten Aluminiumsulfat fiel hingegen kein<br />
Alaun aus. Erst beim Abkühlen auf 0 °C bildeten sich kleine Kristalle. Die Ausbeute war<br />
nur etwa halb so groß wie im Vergleichsversuch.<br />
An diesem Beispiel lernten die Studierenden, dass die Alaunsynthese mit dem<br />
recycelten Material zwar grundsätzlich gelang, dass die Kristallisation aber durch die<br />
Verunreinigungen verzögert und das Entstehen größerer Kristalle nicht möglich war.<br />
Der erhaltene Alaun fiel in kleinerer Menge und qualitativ minderwertig gegenüber dem<br />
an, der aus einem reinem Edukt hergestellt wurde.<br />
Das recycelte Produkt konnte zur Wiederverwertung im Praktikum freigegeben<br />
werden mit dem Vermerk „Aluminiumsulfat mit 8.43 % Al; einsetzbar nur für die<br />
Kalialaunsynthese“. Durch diese Spezifikation wird verhindert, dass das Produkt z.B. in<br />
der qualitativen Analyse benutzt wird, wo unwillkürlich Störungen auftreten würden.<br />
Wenn ein sauberes Produkt gewünscht ist, muss umkristallisiert werden.<br />
Im Unterricht bietet sich ein Vergleich mit dem Kunststoffrecycling an: Eine<br />
gebrauchte Polyamid-Lebensmittelverpackungsfolie kann nicht auf ein Produkt mit dem<br />
ursprünglichen Verwendungszweck, sondern höchstens auf ein minderwertiges mit<br />
einem anderen Verwendungszweck, z. B. ein Spritzgussteil, aufgearbeitet werden<br />
(Anwendungskaskade).<br />
Kaliumdichromat: Im organischen Praktikum wurde Chromsäure als Oxidationsmittel<br />
eingesetzt, um Propanol in Propanal und Anthracen in Anthrachinon umzuwandeln (s.<br />
2.6.3). Das gleichzeitig entstandene dreiwertige Chrom wurde als Hydroxid gefällt und<br />
nach dem Waschen mit Wasserstoffperoxid zum Chromat oxidiert. Durch Ansäuern und<br />
Kristallisieren wurde Kaliumdichromat zurückgewonnen:<br />
Cr 3+<br />
KOH<br />
⎯⎯⎯→<br />
HO<br />
Cr(OH) 3 ⎯⎯2 ⎯2<br />
→ K2CrO 4<br />
H +<br />
⎯ ⎯ → K 2 Cr 2 O 7<br />
Der Chromgehalt wurde iodometrisch bestimmt.<br />
Ein aus der Propanalsynthese recyceltes Material hatte einen Reinheitsgrad von<br />
96.2 %. Da das Propanal leicht aus der wässrigen Phase ausgetrieben werden konnte,<br />
war das rückgewonnene K 2 Cr 2 O 7 nicht organisch belastet und konnte für präparative<br />
Versuche jeglicher Art freigegeben werden.<br />
Ein aus der Anthrachinonsynthese recyceltes Dichromat war hingegen nur 90.3 %ig.<br />
Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, dass sich entstandenes Anthrachinon und<br />
unumgesetztes Anthracen nur schwer quantitativ aus der wässrigen Phase abtrennen<br />
ließen und <strong>des</strong>halb bei der Bildung von Cr(OH) 3 mitgefällt wurden. Bei der<br />
anschließenden Behandlung mit H 2 O 2 verhielten sie sich inert, wurden also bis ins
53<br />
Endprodukt K 2 Cr 2 O 7 als Verunreinigung mitgeschleppt. Dieses konnte wiederverwertet<br />
werden, aber selbstverständlich nur für eine weitere Anthrachinonsynthese.<br />
Erneut lernten die Studierenden, dass die Qualität eines recycelten Produktes <strong>des</strong>sen<br />
späteren (beschränkten) Einsatzbereich definiert.<br />
Metallhalogenide: Die Komplexe K 3 [Co(NO 2 ) 6 ] und NiAc 2 ⋅4H 2 O wurden durch<br />
Kochen mit Natronlauge zerstört. Die ausgefallenen, abgesaugten und gewaschenen<br />
Hydroxide wurden mit Salzsäure gelöst, die Lösungen zur Trockne eingedampft und die<br />
Rückstände einige Zeit an der Luft liegengelassen, damit sich durch Aufnahme von<br />
Luftfeuchtigkeit die nach der Theorie zu erwartenden Hexahydrate bilden sollten:<br />
K 3 [Co(NO 2 ) 6 ]<br />
NiAc 2<br />
NaOH<br />
⎯⎯⎯⎯→<br />
Co(OH)<br />
⎯⎯⎯⎯<br />
NaOH<br />
→ Ni(OH) 2 ⎯<br />
HCl<br />
⎯⎯ → NiCl2<br />
2<br />
⎯<br />
HCl<br />
⎯⎯ → CoCl 2<br />
Lösliche Bleiverbindungen wurden in schwerlösliches Bleichlorid übergeführt, das<br />
durch Kristallisation gereinigt wurde:<br />
Pb 2+<br />
⎯<br />
HCl<br />
⎯⎯ → PbCl2<br />
Die Metallgehalte der gewonnenen Salze wurden komplexometrisch, die<br />
Chloridgehalte potentiometrisch bestimmt. Folgende Ergebnisse wurden erzielt:<br />
NiCl 2 ⋅6H 2 O gefunden: 29.20 % Ni 35.89 % Cl<br />
berechnet: 24.69 % Ni 29.83 % Cl<br />
CoCl 2 ⋅6H 2 O gefunden: 20.52 % Co 28.00 % Cl<br />
berechnet: 24.69 % Co 29.80 % Cl<br />
PbCl 2 gefunden: 68.15 % Pb 22.87 % Cl<br />
berechnet: 74.50 % Pb 25.49 % Cl .<br />
Bei allen drei Produkten lagen die Metall- und Chloratome im erwarteten molaren<br />
Verhältnis 1:2 vor. Dennoch wichen die gefundenen Massenanteile von den für<br />
formelreines NiCl 2 ⋅6H 2 O, CoCl 2 ⋅6H 2 O und PbCl 2 berechneten deutlich ab.<br />
Beim Nickelchlorid waren sie höher als die berechneten. Folglich war das<br />
getrocknete NiCl 2 noch nicht lange genug der feuchten Luft ausgesetzt worden, um die<br />
maximal möglichen sechs Äquivalente Wasser aufzunehmen. Es wurde mit der<br />
Beschriftung „NiCl 2 ⋅4H 2 O“ zur sofortigen Wiederverwertung ausgestellt.<br />
Beim Cobaltchlorid wurde hingegen weniger Co und Cl gefunden als erwartet.<br />
Daraus durfte aber keineswegs geschlossen werden, dass das Produkt neben sechs<br />
Äquivalenten Komplexwasser weiteres Wasser als anhaftende Feuchtigkeit enthielt. Das<br />
CoCl 2 war nämlich nach dem Abrauchen der beim Recycling verwendeten Salzsäure<br />
eindeutig wasserfrei, was an der tiefblauen Farbe zu erkennen war. Beim Liegen an der<br />
Luft konnte es maximal sechs Äquivalente Wasser aufgenommen haben (rosarote<br />
Farbe), mußte also eine Verunreinigung enthalten. Durch die Ringprobe wurde bewiesen,<br />
daß es sich dabei um Kaliumnitrat und/oder -nitrit handelte, das bei der<br />
Zersetzung <strong>des</strong> Nitrocobaltats entstanden und nicht quantitativ aus dem Co(OH) 2 -<br />
Niederschlag ausge-waschen wurde. Das Material durfte also nicht im Praktikum<br />
ausgegeben werden, sondern musste erst weiter gereinigt werden.<br />
Das recycelte Bleichlorid war nach dem Umkristallisieren aus Wasser offensichtlich<br />
nicht ausreichend getrocknet worden. Es enthielt Restfeuchtigkeit, konnte aber<br />
ausgestellt werden mit der Kennzeichnung „PbCl 2 ; 90 %ig“.
54<br />
Braunstein: Braunstein entsteht durch Oxidation von zweiwertigem Mangan mit H 2 O 2<br />
im alkalischen Medium:<br />
Mn 2+ + H 2 O 2 + 2 OH -<br />
⎯→⎯<br />
MnO2 + 2 H 2 O<br />
Der Stoff ist durch nicht unerhebliche Mengen an mitgefälltem Mn(OH) 2 verunreinigt.<br />
Das getrocknete Produkt enthält in der Regel nur 40-80 % MnO 2 .<br />
Braunstein wird im Praktikum z. B. benutzt, um Disulfit zu Dithionat zu oxidieren.<br />
Da anwesen<strong>des</strong> Mn(OH) 2 dabei nicht stört, kann ohne weiteres ein minderwertiger<br />
Braunstein eingesetzt werden. Für die Ansatzberechnung muss lediglich der genaue<br />
MnO 2 -Gehalt bekannt sein.<br />
Nach permanganometrischer Analyse wird das Produkt mit z. B. folgender<br />
Spezifikation im Praktikum ausgestellt: „MnO 2 ; 60%ig; geeignet für die<br />
Dithionatsynthese“.<br />
Ein Essigsäure/Essigsäureanhydrid-Lösungsmittelgemisch: Die Synthese von SnI 4<br />
aus den Elementen wurde in einer 1:1-Mischung von Eisessig und Essigsäureanhydrid<br />
als polarem, wasserfreien Reaktionsmedium durchgeführt (s. Abb. 14) Das orangerote<br />
Produkt wurde auskristallisiert, das Filtrat <strong>des</strong>tillativ aufgearbeitet. Die übergehenden<br />
Flüssigkeiten (Kp HAc = 116-118 °C, Kp Ac2O = 138-140 °C) wurden in einer Vorlage<br />
gesammelt. Das Destillat war durch mitsublimiertes nicht umgesetztes Iod dunkel<br />
gefärbt. Während <strong>des</strong> Versuchs wurde ein Teil <strong>des</strong> Essigsäureanhydrids durch<br />
eingeschleppte Luftfeuchtigkeit zu Essigsäure hydrolysiert. Um das Destillat für eine<br />
neue SnI 4 -Synthese erfolgreich einsetzen zu können, muss es durch Zugabe von<br />
frischem Essigsäureanhydrid auf das ursprüngliche 1:1-Verhältnis von Essigsäure und<br />
Essigsäureanhydrid aufgestockt werden. Dazu muss vorab das HAc/Ac 2 O-Verhältnis <strong>des</strong><br />
Destillates bestimmt werden.<br />
Eine Titration mit Natronlauge kommt hierfür nicht in Frage, weil das im Gemisch<br />
enthaltene Iod einer Farbindikation <strong>des</strong> Endpunktes prohibitiv im Wege steht. Das<br />
Lösungsmittelverhältnis kann aber IR-spektroskopisch anhand <strong>des</strong> Verhältnisses der<br />
Intensitäten der Carbonylabsorptionen bei 1710 cm −1 (HAc) und 1823 cm −1 (Ac 2 O)<br />
ermittelt werden. Dazu wird das Spektrum <strong>des</strong> Recyclats (als Film) aufgenommen und<br />
mit den Spektren von definierten HAc/Ac 2 O-Mischungen (s. Abb. 24) verglichen. So ist<br />
eine halbquantitative Angabe <strong>des</strong> Anhydridgehaltes im Destillat möglich und die zum<br />
HAc/Ac 2 O = 1:1-Verhältnis fehlende Menge Anhydrid kann berechnet und zugesetzt<br />
werden.
55<br />
100 % HAc 80 % HAc 60 % HAc 40 % HAc 20 % HAc<br />
20 % Ac 2 O 40 % Ac 2 O 60 % Ac 2 O 80 % Ac 2 O 100% Ac 2 O<br />
Abb. 24: IR-Spektren von Essigsäure, Essigsäureanhydrid und definierten Mischungen von Essigsäure<br />
und Essigsäureanhydrid im Bereich von 1600 cm -1 (rechter Bildrand) bis 1900 cm -1 (linker Bildrand)<br />
Das Praktikum wurde um den Lerninhalt IR-Spektroskopie in Theorie und Praxis<br />
bereichert und ein weiteres Beispiel für Qualitätskontrolle als Voraussetzung für<br />
Wiederverwertbarkeit geliefert.<br />
Rück<strong>des</strong>tillierte Alkohole: Um Metallverbindungen aus ihren Lösungen auszufällen,<br />
wird gelegentlich Methanol oder Ethanol verwendet. Die resultierende Wasser/Alkohol-<br />
Mutterlauge wird am Rotationsverdampfer <strong>des</strong>tillativ aufbereitet. Dabei geht der<br />
Alkohol über, aber auch etwas Wasser. Der Brechungsindex <strong>des</strong> Destillats wird<br />
gemessen. Durch Vergleich mit tabellierten Werten kann das MeOH/H 2 O- bzw.<br />
EtOH/H 2 O-Verhältnis angegeben werden.<br />
Schwefel: Durch Behandlung von Thiosulfat mit Salzsäure wird elementarer Schwefel<br />
zurückgewonnen. Dieser wird nicht analysiert. Es wird vielmehr durch einen<br />
Kontrollversuch bestätigt, daß er sich für eine neue Thiosulfatsynthese genauso eignet<br />
wie der im Chemikalienhandel gekaufte Schwefel. Er wird zum Wiedereinsatz<br />
freigegeben mit der Spezifizierung: „Schwefel für die Thiosulfatsynthese“.<br />
2.8 Naturstoffchemie<br />
2.8.1 Zuckerchemie [36]<br />
Aspekte der Zuckerchemie lassen sich gut in das Konzept der ökologisch orientierten<br />
Chemieausbildung integrieren, wofür es zwei Hauptgründe gibt.<br />
1. Mono-, Oligo- und Polysaccharide sind ungiftig und können daher gefahrlos<br />
gehandhabt und anfallende Versuchsreste, insbesondere wässrige Lösungen,<br />
bedenkenlos in den Ausguss geschüttet werden, da die Inhaltsstoffe biologisch gut<br />
abbaubar sind. Dies ist wichtig, da sich ein modernes Chemiepraktikum durch ein<br />
möglichst geringes Aufkommen an Sondermüll auszeichnen und den Auszubildenden
56<br />
dabei trotzdem interessante chemische Reaktionen, Verfahren und Produkte<br />
vorstellen sollte.<br />
2. Die verschiedenen Zucker haben immer schon eine besondere Bedeutung für das<br />
menschliche Leben und für Industrie und Technik gehabt, finden aber in unserer Zeit<br />
<strong>des</strong> gesteigerten Umweltbewusstseins unter dem Stichwort „nachwachsende<br />
Rohstoffe“ eine zusätzliche Würdigung. Ihre natürliche Herkunft (Fotosynthese),<br />
Naturverträglichkeit (Bioabbaubarkeit) und <strong>vielseitige</strong> Verwendbarkeit lassen sie<br />
mehr und mehr als Ergänzung oder sogar Alternative zu den überwiegend auf nichtregenerativen<br />
Rohstoffen, vor allem dem Erdöl, basierenden Produkten der<br />
chemischen Industrie erscheinen. In einer Ausbildung, die den Umweltschutz in<br />
besonderem Maße thematisiert, darf die Diskussion der Nutzung und Erschließung<br />
nachwachsender Rohstoffe nicht ausgespart bleiben (vgl. [37, 38]).<br />
Im folgenden wird gezeigt, dass die Zuckerchemie für ein Organisches Praktikum eine<br />
Bereicherung darstellen kann. Die hier beschriebenen Experimente sind größtenteils<br />
literaturbekannt, werden aber in einem neuen Licht gedeutet.<br />
Analytik und Reaktionen der Glucose: In diesem Kapitel werden Versuche<br />
geschildert, welche die Studenten am Beispiel der Glucose zunächst mit<br />
charakteristischen Reaktionen von Zuckern, von denen auch einige für die qualitative<br />
und quantitative Analyse von Nutzen sind, vertraut machen sollen.<br />
Typisch für Glucose ist ihre reduzierend wirkende Eigenschaft. Aus Fehlingscher<br />
Lösung scheidet sie rotes Kupfer(I)-oxid ab:<br />
Obwohl für diese Nachweisreaktion eine Schwermetallverbindung erforderlich ist, ist<br />
der Versuch nicht umweltbelastend, denn aus der Reaktionslösung kann nach Ansäuern<br />
und Zugabe von Eisenpulver elementares Kupfer quantitativ zementiert und dieses in die<br />
Stoffflüsse <strong>des</strong> Anorganischen Praktikums eingeschleust werden.<br />
Im nächsten Versuch führen die Studenten eine Bestimmung durch, die der<br />
Strukturaufklärung der Glucose dient. Sie behandeln eine definierte Menge <strong>des</strong> Zuckers<br />
mit überschüssiger Periodat-Maßlösung, wobei mehrere oxidative Glycolspaltungen<br />
ablaufen:<br />
C 6 H 12 O 6 + 5 HIO 4 → 5 HCOOH + HCHO + 5 HIO 3<br />
Der Gehalt an überschüssiger Periodsäure und entstandener Iodsäure wird iodometrisch<br />
bestimmt (zuerst Komproportionierung von Periodat und Iodat mit zugesetztem Iodid zu<br />
elementarem Iod, anschließend titrimetrische Bestimmung <strong>des</strong> entstandenen Iods mit<br />
Thiosulfat-Maßlösung). Dass für die Zersetzung von Glucose genau 5 Äquivalente<br />
Periodat benötigt werden, ist nur mit der charakteristischen Struktur <strong>des</strong> Kohlenhydrats<br />
in Einklang zu bringen.<br />
Mit dem Ruff-Abbau (s. Abb. 25) lernen die Auszubildenden eine weitere für<br />
Aldosen charakteristische Reaktion kennen.
57<br />
H<br />
C<br />
O<br />
Br 2<br />
HO<br />
C<br />
O<br />
CaCO 3<br />
H 2 O 2 ; Fe 3+<br />
CO 2 Ca 0.5<br />
H<br />
C<br />
OH<br />
H 2<br />
O<br />
H<br />
C<br />
OH<br />
H<br />
C<br />
OH<br />
Aldohexose<br />
Aldonsäure<br />
H<br />
C<br />
O<br />
+ CO 3<br />
2-<br />
Abb. 25: Ruff-Abbau von Glucose<br />
Aldopentose<br />
Bromwasser ist genauso wie zweiwertiges Kupfer dazu in der Lage, die Aldehyd- in<br />
eine Carbonsäurefunktion zu überführen. Zusatz von Kalk liefert das Calciumsalz der<br />
Aldonsäure, das von H 2 O 2 in Gegenwart von Eisen(III)-Ionen unter Abspaltung von<br />
Carbonat zu einer neuen Aldose (hier: Arabinose) oxidiert wird, die eine gegenüber der<br />
Glucose um eine Einheit verkürzte Kohlenstoffkette aufweist. Die Studenten verfolgen<br />
die Reaktionssequenz mit der Fehlingprobe. Diese verläuft nach der Oxidation mit Brom<br />
erwartungsgemäß negativ und nach der Oxidation mit H 2 O 2 und dem Verkochen <strong>des</strong><br />
überschüssigen Oxidationsmittels positiv.<br />
Das Thema „grundlegende Reaktionen der Glucose“ wird abgeschlossen, indem<br />
bewiesen wird, dass Glucose ein fünfwertiger Alkohol ist: das Molekül kann nämlich an<br />
fünf Stellen mit Essigsäureanhydrid unter Ausbildung von Pentaacetylglucose und<br />
Essigsäure verestert werden. Damit wird exemplarisch gezeigt, wie Zuckerderivate<br />
hergestellt und Schutzgruppen eingeführt werden können.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die hier vorgestellten Reaktionen den<br />
Studierenden einige repräsentative Reaktionen der Glucose vermitteln. Dies sind<br />
gleichzeitig Standardreaktionen der Organischen Chemie (reduzierende Wirkung von<br />
Aldehyden, Glycolspaltung, Veresterung), die in je<strong>des</strong> OC-Grundpraktikum passen. Die<br />
zur Analytik der Glucose herangezogenen Verfahren sind den Auszubildenden schon<br />
aus ihrem Quantitativen Praktikum grundsätzlich bekannt. Didaktisch sinnvoll ist es,<br />
ihnen die Transferleistung abzuverlangen, die Iodometrie hier auch zur organischen<br />
Analytik heranzuziehen.<br />
Versuche mit Rohrzucker: Rohrzucker ist ein Disaccharid, in dem die beiden<br />
Monosaccharide Glucose (eine Aldose) und Fructose (eine Ketose) über eine<br />
glycosidische Bindung miteinander verknüpft sind. Da keine freie Aldehydfunktion<br />
vorliegt, zeigt der Stoff auch keine reduzierende Eigenschaft und die Fehlingprobe<br />
verläuft negativ.<br />
Zunächst wird den Studenten der Disaccharid-Charakter <strong>des</strong> Rohrzuckers dadurch<br />
bewiesen, dass das Molekül mit Salzsäure in die ihm zugrunde liegenden<br />
Monosaccharide gespaltet werden kann. Da die resultierende Glucose schlechter löslich
58<br />
ist als die Fructose, gelingt eine Trennung durch fraktionierte Kristallisation. Außerdem<br />
kann der Verlauf der Rohrzuckerspaltung qualitativ durch Dünnschichtchromatographie<br />
verfolgt werden.<br />
Die nächsten beiden Versuche befassen sich mit der Verbrennung bzw. Entwässerung<br />
<strong>des</strong> Rohrzuckers. Da Zucker ein wichtiges Nahrungsmittel ist, bietet es sich<br />
geradezu an, das aus dem Physikalisch-Chemischen Labor bekannte Bombenkalorimeter<br />
zur verbrennungskalorimetrischen Bestimmung <strong>des</strong> Heißwertes <strong>des</strong> Kohlenhydrats zu<br />
nutzen:<br />
C 12 H 22 O 11 + 12 O 2 → 12 CO 2 + 11 H 2 O ; ∆H = −5652,2 KJ/mol<br />
Wenn man Zucker unter Sauerstoffausschluss erwärmt, wird er entwässert, so dass<br />
Zuckerkohle übrig bleibt:<br />
n C 12 H 22 O 11<br />
⎯<br />
∆T<br />
⎯ → 12 C n + 11n H 2 O<br />
Die Entwässerung gelingt auch mit der stark hygroskopischen Schwefelsäure. Die<br />
Zucker/H 2 SO 4 -Mischung färbt sich erwartungsgemäß zuerst schwarz und schäumt dann<br />
auf. Dies ist verständlich, da der sechswertige Schwefel dazu in der Lage ist, den<br />
gebildeten Kohlenstoff zu oxidieren. Die Reaktionsprodukte CO 2 und SO 2 wirken als<br />
Treibgase. Die Zuckerkohle ähnelt der Aktivkohle, die u.a. auch aus Kohlenhydraten,<br />
z.B. Kokosnussschalen, bei hoher Temperatur und in Gegenwart wasserentziehender<br />
Stoffe (ZnCl 2 , H 3 PO 4 ) erzeugt wird und im Umweltschutz als Adsorbenz für Schadstoffe<br />
in Wasser und Luft eine große Rolle spielt. Die Zuckerkohle hat auch adsorbierende<br />
Eigenschaften, was daran zu erkennen ist, dass sie eine verdünnte Methylenblaulösung<br />
entfärben kann.<br />
Kohlenhydrate und Polymerchemie: Baumwolle, chemisch reine Cellulose, ist das<br />
wichtigste Polysaccharid und aus der Textilindustrie nicht mehr fortzudenken. Um den<br />
Studenten zu beweisen, dass der Grundbaustein die Glucose ist, wird eine saure<br />
Hydrolyse <strong>des</strong> Polymers vorgenommen und die Menge an entstandenem Monosaccharid<br />
mit einem Teststreifen halbquantitativ bestimmt.<br />
Weiterhin wird gezeigt, dass sich die Alkoholfunktionen der Cellulose im Sinne<br />
einer polymeranalogen Umsetzung genauso verestern lassen, wie die <strong>des</strong><br />
Monomerbausteins (s.o.). Es resultiert Cellulosetriacetat, ein wichtiger Kunststoff. Um<br />
das Praktikum methodisch zu bereichern, wird ein IR-Spektrum <strong>des</strong> Produktes<br />
aufgenommen und mit dem der Baumwolle und der Pentaacetylglucose verglichen.<br />
Gegenüber dem Spektrum der Cellulose fehlt in dem der Acetylcellulose die breite OH-<br />
Absorption zwischen 3000-3600 cm −1 , dafür ist - genau wie in Spektrum der<br />
Pentaacetylglucose - eine Carbonylfrequenz (Estergruppe) bei 1750 cm −1 dominant.<br />
Das zweite bedeutende Polysaccharid ist die Stärke, die im Praktikum aus<br />
Kartoffeln extrahiert und an ihrer charakteristischen Reaktion mit Iod identifiziert wird.<br />
Aus Stärke, die überwiegend aus wasserlöslicher, linearer Amylose und zu einem<br />
geringeren Teil aus unlöslichem, verzweigten Amylopektin besteht, lassen sich Folien<br />
gießen, die durchaus industrielles Interesse gefunden haben, weil sie im Gegensatz zu<br />
den meisten Kunststofffolien biologisch voll abbaubar sind (verrotten) und daher nach<br />
Gebrauch auf die Mülldeponie geworfen werden dürfen.<br />
Wie bereits erwähnt, liefert uns die Natur mit der Cellulose und Stärke unschätzbar<br />
wertvolle fertige Polymere. Mit den Monosacchariden schenkt sie uns außerdem<br />
Vorläufer für polymere Werkstoffe. Wegen der hohen Anzahl von OH-Gruppen eignen<br />
sich die Monosaccharide zunächst aber bestenfalls zum Vernetzen, d. h. Härten, von<br />
Polyurethanen oder Polyestern. Will man sie als Monomerbausteine nutzen, muss ihre
59<br />
hohe Funktionalität auf eine Bifunktionalität abgesenkt werden, denn nur bifunktionelle<br />
Stoffe können durch Kondensations- oder Additionsreaktionen mit geeigneten anderen<br />
zweiwertigen Stoffen lineare Kettenmoleküle aufbauen. Wichtige technische Synthesen<br />
dazu sind in Abbildung 26 gezeigt.<br />
Isosorbit kann als Diolkomponente bei Synthesen von Polyurethanen oder<br />
Polyestern eingesetzt, HMF wegen seiner noch vorhandenen Aldehydfunktion zu<br />
Kondensationsreaktionen mit Phenolen herangezogen oder nach Reduktion der<br />
Aldehyd- zur Alkoholgruppe wie der Isosorbit als Diolkomponente verwendet werden.<br />
Ökologisch vorteilhaft ist es, dass Isosorbit und HMF als bifunktionelle Moleküle<br />
auf Basis der nachwachsenden Zucker-Rohstoffe andere Diole wie Ethylenglycol oder<br />
OH-terminierte Oligoether, die aus der Erdölchemie stammen, oder den giftigen<br />
Formaldehyd substituieren und aus ihnen Polymere mit Eigenschaftsprofilen hergestellt<br />
werden können, die denen der klassischen Kunststoffe wie Polyethylenterephthalat oder<br />
Phenol-Formaldehyd-Harzen nicht viel nachstehen.<br />
OH<br />
C 6<br />
H 12<br />
O 6<br />
OH OH<br />
H 2 HO<br />
H +<br />
OH -2 H 2 O<br />
OH OH<br />
O<br />
O<br />
OH<br />
Glucose Sorbit Isosorbit<br />
HO<br />
HO<br />
O<br />
HO<br />
OH<br />
H +<br />
-3 H 2 O<br />
H<br />
O<br />
O<br />
OH<br />
OH<br />
Fructose Hydroxymethylfurfural<br />
Abb. 26: Synthesen von Isosorbit und Hydroxymethylfurfural (HMF)<br />
Einfache Versuche zur Synthese von Sorbit, Isosorbit und HMF sowie zu<br />
Polymersynthesen damit sind in [37] beschrieben und passen in je<strong>des</strong> organische<br />
Praktikum, zumal die vorkommenden Reaktionstypen (Hydrierung, Eliminierung,<br />
Polykondensation und -addition) dort sowieso zum Standardprogramm gehören.<br />
Aus Zucker wird ein Vitamin: eine Ascorbinsäure-Synthese: Zucker finden in der<br />
Medizin seit langem als Infusionslösungen und ihre Oligomere, z. B. die Cyclodextrine,<br />
neuerdings zunehmend zur Verkapselung von Arzneimitteln Anwendung. Vorteilhaft ist,<br />
dass die Umhüllung <strong>des</strong> Wirkstoffes im menschlichen Körper rückstandlos zersetzt und<br />
der Stoff an der richtigen Stelle freigesetzt wird. Außerdem lassen sich aus Zuckern<br />
selbst Wirkstoffe herstellen, z. B. Ascorbinsäure aus Glucose.<br />
Die in Abbildung 27 gezeigte technische Synthese von Vitamin C wird im<br />
Praktikum erst auf der Stufe der käuflich erhältlichen L-Sorbose begonnen, denn die<br />
Reduktion von Glucose zu Sorbit ist den Auszubildenden aus dem oben beschriebenen
60<br />
Versuch zur Polymerchemie bereits bekannt und sollte <strong>des</strong>halb nicht wiederholt werden.<br />
Die bio-technologische Oxidation <strong>des</strong> Sorbits zur L-Sorbose ist mit den im Praktikum<br />
zur Verfügung stehenden Mitteln in der Regel nicht durchführbar.<br />
CH 2<br />
OH<br />
CH 2<br />
OH<br />
CH 2<br />
OH<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
C<br />
O<br />
HO<br />
H<br />
C<br />
C<br />
H<br />
OH<br />
H 2<br />
/ Cat.<br />
97-99%<br />
HO<br />
H<br />
C<br />
C<br />
H<br />
OH<br />
A. suboxydans<br />
HO<br />
H<br />
C<br />
C<br />
H<br />
OH<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
H<br />
C<br />
O<br />
CH 2<br />
OH<br />
CH 2<br />
OH<br />
D-Glucose D-Sorbitol L-Sorbose<br />
HO<br />
OH<br />
O<br />
HO<br />
OH<br />
OH<br />
Aceton<br />
H 2<br />
C<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
CH 2<br />
OH<br />
KMnO 4<br />
97-99%<br />
H 2<br />
C<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
C<br />
O<br />
OH<br />
H 2<br />
O / H +<br />
82%<br />
ß-L-Sorbofuranose DAS DAG<br />
CO 2<br />
H<br />
COOMe<br />
COOMe<br />
HO<br />
H<br />
C<br />
C<br />
C<br />
O<br />
H<br />
OH<br />
MeOH, HCl<br />
75%<br />
HO<br />
H<br />
C<br />
C<br />
C<br />
O<br />
H<br />
OH<br />
H 3<br />
CONa<br />
HO<br />
NaO<br />
H<br />
C<br />
C<br />
C<br />
H<br />
OH<br />
HCl<br />
72%<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
HO<br />
C<br />
H<br />
CH 2<br />
OH<br />
CH 2<br />
OH<br />
CH 2<br />
OH<br />
2-Keto-L-gulonsäure<br />
O<br />
CH 2<br />
OH<br />
HO<br />
HO<br />
C<br />
C<br />
C<br />
O<br />
H<br />
OH<br />
O<br />
O<br />
H<br />
HO<br />
C<br />
C H<br />
CH 2<br />
OH<br />
HO<br />
OH<br />
L-Ascorbinsäure<br />
Abb. 27: Modifizierte Vitamin C-Synthese nach Reichstein und Grüssner<br />
Die L-Sorbose liegt im Gleichgewicht mit ihrer cyclischen Form, der β-Sorbofuranose,<br />
vor. Vier ihrer OH-Gruppen werden zunächst durch Ketalisierung mit Aceton<br />
geschützt, um die primäre fünfte Alkoholgruppe mit KMnO 4 selektiv zur Carbonsäure<br />
oxidieren zu können. Die resultierende Diacetonketogulonsäure wird durch Kochen in
61<br />
Salzsäure unter Abspaltung der Schutzgruppen und Wasser und einer<br />
Ringschlussreaktion direkt in Ascorbinsäure übergeführt.<br />
Der Versuch ist für fortgeschrittene Studenten besonders reizvoll, weil er sie mit<br />
einer Vielzahl verschiedener Reaktionstypen und anspruchsvollen präparativen<br />
Methoden konfrontiert. Lösungsmittelrecycling ist selbstverständlich integraler<br />
Bestandteil <strong>des</strong> Versuches. Wässrige Versuchsreste können bedenkenlos weggeschüttet<br />
werden.<br />
Die Reinheit der erhaltenen Ascorbinsäure wird dünnschichtchromatographisch<br />
kontrolliert. Als Referenz lassen die Praktikanten eine Ware mit p. a. Qualität mitlaufen,<br />
die sie auch schon in der Quantitativen Analyse zur Maskierung von Schwermetallen<br />
verwendet haben. Wenn außerdem eine Probe einer Vitamintablette analysiert wird,<br />
erkennen die Studenten, dass diese in der Tat Vitamin C enthält.<br />
Aus Zucker wird Alkohol: die alkoholische Gärung: Das Praktikum zur Zuckerchemie<br />
wird mit einem Versuch zur alkoholischen Gärung abgeschlossen. Eine Glucoselösung<br />
wird mit Hefe versetzt und einige Tage gerührt:<br />
C 6 H 12 O 6<br />
⎯⎯⎯→<br />
Hefe<br />
2 CH3CH 2 OH + 2 CO 2<br />
Entweichen<strong>des</strong> Kohlendioxid wird in Natronlauge eingeleitet und acidimetrisch<br />
bestimmt. Zusätzlich wird der Fortgang der Reaktion verfolgt, indem halbtäglich eine<br />
Probe gezogen und diese mit einem Teststreifen auf ihren noch vorhandenen Gehalt an<br />
Glucose untersucht wird (s. o.).<br />
Fazit: Die Kohlenhydratchemie vermittelt den Studierenden viele grundlegende<br />
Verfahren der präparativen, analytischen und physikalischen organischen, der Polymerund<br />
Biochemie und thematisiert eine wichtige Klasse nachwachsender Rohstoffe. Die<br />
Versuche kommen mit toxikologisch unbedenklichen Rohstoffen aus, erzeugen keine als<br />
Sondermüll zu entsorgenden Abfälle und passen <strong>des</strong>halb besonders gut in eine<br />
ökologisch orientierte Chemieausbildung.<br />
2.8.2 Extraktion, Trennung und Charakterisierung von<br />
Blatt- und Möhrenfarbstoffen [39]<br />
Grüne Blätter und Möhren sind völlig harmlose Ausgangsstoffe, mit denen sich<br />
interessante Chemie machen lässt. Wir führen die Extraktion der Farbstoffe mit Ethanol<br />
bzw. Aceton durch und recyceln die Lösemittel durch Destillation am<br />
Rotationsverdampfer. Die säulenchromatografische Reinigung der Pflanzenfarbstoffe<br />
führen wir mit reinem Ethanol, also nicht wie in der Literatur häufig beschrieben mit<br />
Benzin/Alkohol-Mischungen durch. Vorteilhaft bei dieser Vorgehensweise ist, daß das<br />
Laufmittel problemlos zurück<strong>des</strong>tilliert werden kann. Dünnschichtchromatografische<br />
und UV/Vis-spektroskopische Untersuchungen schließen den insgesamt <strong>vielseitige</strong>n und<br />
in jeder Hinsicht umweltfreundlichen Versuch ab.
62<br />
2.8.3 Mineralien als Ausgangsstoffe für ein anorganisches Praktikum<br />
[40]<br />
Schmidkonz publizierte unlängst ein neues Konzept zum Arbeiten mit Mineralien im<br />
Chemieunterricht [41].Viele Mineralien sehen phantastisch aus. Da Menschen das, was<br />
sie als schön empfinden, in der Regel auch für schützenswert halten, ist es nicht von der<br />
Hand zu weisen, dass auch die von den anorganischen Naturstoffen begeisterten Schüler<br />
und Studenten in ihrem Umweltbewusstsein positiv beeinflusst werden. Wir haben uns<br />
<strong>des</strong>halb entschlossen, Experimente mit Mineralien in unser Anfängerpraktikum<br />
aufzunehmen, die vor allem die Bedeutung der Mineralien als Rohstoffe für die<br />
industrielle Chemie thematisieren. (Einige der folgenden Versuche lassen sich auch in<br />
Chemie-Leistungskursen einsetzen.)<br />
Die Experimente erwiesen sich in der Tat für die Auszubildenden als sehr<br />
motivierend. Eine Studentin, die sich mit der unten beschriebenen Chemie <strong>des</strong> Malachits<br />
beschäftigte, verbrauchte nur einen Teil ihres mineralischen Ausgangsmaterials und<br />
nahm den Rest <strong>des</strong> Halbedelsteins lieber mit nach Hause.<br />
Reinigen von Naturschwefel und Synthese von Natriumthiosulfat: Ein sehr einfacher<br />
Versuch ist die Gewinnung von reinem Schwefel aus Naturschwefel. Dazu kann<br />
entweder eine Vakuum-Sublimation durchgeführt werden, oder eine Extraktion mit<br />
Xylen und anschließender Kristallisation.<br />
Natriumthiosulfat, ein Standardpräparat in vielen Chemiepraktika und ein technisch<br />
wichtiger Stoff (Fixiersalz, Antichlor), läßt sich direkt aus Naturschwefel und<br />
Natriumsulfit-Lösung herstellen: Kochen der Mischung, Filtrieren und Kristallisieren<br />
liefert das gewünschte Produkt in guter Qualität und Ausbeute.<br />
S 8 + 8 Na 2 SO 3<br />
⎯→⎯ 8 Na2S 2 O 3<br />
Reines Natrium- und Magnesiumchlorid aus Stein- bzw. Meersalz und Gewinnung<br />
von Salzsäure: Aus Steinsalz kann reines NaCl gewonnen werden, indem das Rohsalz<br />
mit Wasser extrahiert und die gesättigte Sole zur Fällung <strong>des</strong> Salzes mit konzentrierter<br />
Salzsäure versetzt wird. In einem weiteren Versuch kann aus dem Rohsalz oder dem<br />
gereinigten Salz mit Schwefelsäure Chlorwasserstoff ausgetrieben und in Wasser<br />
absorbiert werden. Die Konzentration der so erhaltenen Salzsäure wird alkalimetrisch<br />
bestimmt.<br />
NaCl + H 2 SO 4 → HCl + NaHSO 4<br />
Salz aus dem Totem Meer, das einen hohen Massenanteil Magnesiumchlorid (9.4<br />
%) enthält, eignet sich, um die technische Hydroxidlaugung von Magnesium zu<br />
modellieren. Die wässrige Salzlösung wird mit Natronlauge auf pH 11-12 gebracht, um<br />
Magnesiumhydroxid auszufällen, das anschließend mit Salzsäure in sauberes<br />
Magnesiumchlorid umgewandelt wird.<br />
MgCl 2 (im Meerwasser) + 2 NaOH → Mg(OH) 2 + 2 NaCl<br />
Mg(OH) 2 + 2 HCl → MgCl 2 + 2 H 2 O<br />
Kupfer aus Kupferkies oder Malachit: Die hydrometallurgische Kupfer-Gewinnung<br />
lässt sich im Praktikum einfach nachstellen. Kupferkies wird zunächst in einer KHSO 4 -<br />
Schmelze aufgeschlossen. Nach Extraktion <strong>des</strong> Schmelzkuchens mit verdünnter<br />
Schwefelsäure und Abtrennen der Gangart sowie <strong>des</strong> entstandenen elementaren<br />
Schwefels liegt eine kupfer- und eisensulfathaltige Lösung vor, aus der elementares
63<br />
Kupfer mit Eisenpulver zementiert werden kann. Als Edukt für die nasschemische<br />
Kupfer-Gewinnung eignet sich auch Malachit (Aufschluss mit Schwefelsäure)<br />
KHSO oder H SO<br />
CuFeS 2 oder CuCO 3 ⋅Cu(OH) 2 ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯→<br />
4 2 4<br />
CuSO4 ⎯<br />
Fe<br />
⎯→<br />
Cu<br />
In der Industrie wird Kupfer alternativ carbothermisch gewonnen, indem<br />
Kupfersulfid zu Kupferoxid geröstet und anschließend mit Kohlenstoff reduziert wird.<br />
Die Durchführung einer Röstreaktion ist unserer Meinung nach für Chemieanfänger zu<br />
schwierig. Deshalb schlagen wir ein einfacheres Verfahren vor, bei dem Malachit durch<br />
Erhitzen in Kupferoxid überführt und dieses mit Holzkohle reduziert wird.<br />
CuCO 3 ⋅Cu(OH)<br />
∆T<br />
2 ⎯ ⎯ → 2 CuO + CO 2 + H 2 O<br />
CuO + C → Cu + CO<br />
Weiß- und Rotpigment aus Ilmenit und Eisenspat: Auch wesentliche Elemente der<br />
industriellen Pigment-Produktion lassen sich im Chemiepraktikum anschaulich<br />
vermitteln. Ilmenit wird mit KHSO 4 aufgeschlossen, um wasserlösliches Titanyl- und<br />
Eisen(II)-sulfat zu gewinnen. Bei pH 2-3 fällt wasserhaltiges Titanoxid aus, das<br />
anschließend thermisch zum Weißpigment entwässert wird.<br />
TiFeO 3 + 4 KHSO 4 ⎯⎯⎯⎯⎯→<br />
Schmelze<br />
TiOSO4 + FeSO 4 + 2 K 2 SO 4 + 2 H 2 O<br />
TiOSO 4 + 3 H 2 O → Ti(OH) 4 + H 2 SO 4<br />
Ti(OH)<br />
∆T<br />
4 ⎯ ⎯ → TiO 2 + 2 H 2 O<br />
Aus Eisenspat und Schwefelsäure kann lösliches Eisen(II)sulfat gewonnen werden.<br />
Nach Abtrennen der wasserunlöslichen Gangart wird das Filtrat mit Wasserstoffperoxid<br />
versetzt, um zweiwertiges Eisen zum dreiwertigen zu oxidieren, das dann mit<br />
Natronlauge als Eisen(III)-hydroxid ausgefällt und zu rostrotem Fe 2 O 3 entwässert wird.<br />
FeCO 3 + H 2 SO 4 → FeSO 4 + CO 2 + H 2 O<br />
2 FeSO 4 + H 2 O 2 + H 2 SO 4 → Fe 2 (SO 4 ) 3 + 2 H 2 O<br />
Fe 2 (SO 4 ) 3 + 6 NaOH → 2 Fe(OH) 3 + 3 Na 2 SO 4<br />
2 Fe(OH)<br />
∆T<br />
3 ⎯ ⎯ → Fe 2 O 3 + 3 H 2 O<br />
Aluminiumoxid und Thénards Blau aus Bauxit: Bauxit wird in einer NaOH-<br />
Schmelze aufgeschlossen und der Schmelzkuchen mit Wasser extrahiert. Der<br />
Natriumaluminat-haltige Extrakt wird mit Salzsäure auf pH 8 gebracht, um<br />
Aluminiumhydroxid auszufällen. Dieses kann vor dem Gebläsebrenner zu Al 2 O 3<br />
entwässert oder, mit einem Cobaltsalz gemischt, in den Spinell CoAl 2 O 4 überführt<br />
werden (vgl. Abb 13).<br />
Al 2 O 3 ⎯⎯⎯⎯→<br />
NaOH<br />
Na[Al(OH) 4] ⎯⎯⎯ pH 8 → Al(OH) 3<br />
2 Al(OH)<br />
∆T<br />
3 ⎯ ⎯ → Al 2 O 3 + 3 H 2 O<br />
2 Al(OH) 3 + Co(OH)<br />
∆T<br />
2 ⎯ ⎯ → CoAl 2 O 4 + 4 H 2 O<br />
Rinmanns Grün aus Zinkblende: Zinkblende ist der Rohstoff für die industrielle<br />
Chemie <strong>des</strong> Zinks. Das in der Technik durchgeführte Rösten <strong>des</strong> Erzes zur Gewinnung<br />
von ZnO und seinen Folgeprodukten (Zink, Zinksalze) ist apparatetechnisch aufwendig<br />
und lässt sich <strong>des</strong>halb im Anfängerpraktikum kaum realisieren. Durch Behandeln <strong>des</strong><br />
Erzes mit Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid kann hingegen auf recht einfache<br />
Weise lösliches Zinksulfat gewonnen werden. Anschließen<strong>des</strong> Fällen von basischem
64<br />
Zinkcarbonat, Mischen mit Cobaltchlorid und Erhitzen liefert ein Grünpigment vom<br />
Spinelltyp (vgl. Abb. 13).<br />
ZnS + 4 H 2 O 2 → ZnSO 4 + 4 H 2 O<br />
ZnSO 4 + Na 2 CO 3 → ZnCO 3 + Na 2 SO 4<br />
CoCl ,<br />
ZnCO 3 ⎯⎯⎯⎯⎯→<br />
2 ∆T ZnCo2O 4<br />
Silicagel und Zeolith aus Sand: Beim Soda/Pottasche-Aufschluss wird Sand in<br />
wasserlösliche Silicate überführt. Mit Salzsäure gehen diese in Kieselgel über, das durch<br />
Zentrifugieren isoliert werden kann.<br />
SiO 2 + 2 Na 2 CO 3 → Na 4 SiO 4<br />
Na 4 SiO 4 + 4 HCl → SiO 2 + 4 NaCl + 2 H 2 O<br />
Alternativ kann aus dem wässrigen Extrakt <strong>des</strong> Schmelzkuchens durch Zugabe einer<br />
Aluminatlösung (aus dem Bauxit-Aufschluss, s. o.) ein Alumosilicat ausgefällt werden.<br />
Dessen Austauschkapazität für Ca 2+ -Ionen wird bestimmt.<br />
n Na 4 SiO 4 + n Na[Al(OH) 4 ] → [NaAlSiO 4 ] n + 4n NaOH<br />
[NaAlSiO 4 ] n + 0.5n Ca 2+ → [Ca 0.5 AlSiO 4 ] n + Na +<br />
(vereinfacht)<br />
Branntkalk und Kalkhydrat aus Marmor oder Calcit: Eine vor allem für die<br />
Bauindustrie wichtige Reaktion lernen die Auszubildenden beim Brennen von Marmor<br />
oder Calcit kennen: Es entsteht Calciumoxid (Branntkalk), das sich mit Wasser in einer<br />
exothermen Reaktion zu Calciumhydroxid (Kalkhydrat) umsetzt.<br />
CaCO<br />
∆T<br />
3 ⎯ ⎯ → CaO + CO 2<br />
CaO + H 2 O → Ca(OH) 2<br />
Analytik: Die Auszubildenden sollten auch die große Bedeutung der analytischen<br />
Chemie für Gehaltsbestimmungen von Rohstoffen und Qualitätskontrollen von<br />
Produkten kennen lernen. Nur wenn qualitative und quantitative Zusammensetzungen<br />
eines Ausgangsstoffes bekannt sind, lassen sich diese in chemisch-technischen<br />
Verfahren einsetzen. Weiterhin ermöglicht erst die Kenntnis der Reinheit eines<br />
Erzeugnisses <strong>des</strong>sen Spezifizierung für Einsatz und Verkauf (vgl. 2.7.4). Im Rahmen<br />
eines Anfängerpraktikums eignen sich für die Verdeutlichung dieser Zusammenhänge<br />
z.B. die komplexometrische Ca-Bestimmung in Marmor oder Calcit, die<br />
komplexometrische Ca- und Mg-Bestimmung in Meersalz und gereinigtem MgCl 2 ,<br />
sowie die elektrogravimetrische Cu-Bestimmung in Malachit und daraus hergestelltem<br />
Kupfer. (Die Elektrogravimetrie entspricht gleichzeitig der Gewinnung von hochreinem<br />
Kupfer durch elektrolytische Raffination.)<br />
Ökologische Aspekte: Die hier vorgestellten Versuche vermitteln den Studierenden<br />
einen Einblick in die Methoden und Denkweisen der industriellen Anorganischen<br />
Chemie, sind präparativ anspruchsvoll und aus mehreren Gründen umweltfreundlich:<br />
Die Edukte sind Mineralien und keine Gefahrstoffe nach der Gefahrstoffverordnung, die<br />
Produkte finden an anderen Stellen im Praktikum Verwertung, und die Abwässer<br />
enthalten keine oder durch Fällung leicht zu entfernende Giftstoffe, so dass sie - nach<br />
Neutralisation - in den Ausguss gegeben werden können. Lediglich abfiltrierte<br />
Gangarten müssen deponiert werden. Die Experimente passen damit gut in das<br />
Gesamtkonzept einer ökologisch orientieren Chemieausbildung.
65<br />
2.9 Sicherheitsbelehrung mit Experimenten [42, 43]<br />
Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsbelehrung für Schüler sind vor allem<br />
Verätzungen mit Säuren und Laugen, Verbrennungsgefahren beim Arbeiten mit<br />
Heizquellen, Gefahren von Schnittverletzungen beim Umgang mit Glasgeräten,<br />
insbesondere Reagenzgläsern, Feuergefahr beim Experimentieren mit organischen<br />
Lösungsmitteln sowie Geruchsbelästigungen und deren Vermeidung anzusprechen.<br />
Untermauert mit den im folgenden vorgeschlagenen Experimenten kann die<br />
Sicherheitsunterweisung zu einer attraktiven Unterrichtsstunde werden, die den Schülern<br />
Gefahrenpotentiale und geeignete Schutzmaßnahmen glaubwürdig aufzeigt.<br />
Zusätzlich belebend wirken projizierte Cartoons zum Thema Arbeiten im Labor, z.<br />
B. aus [44]. In Leistungskursen kann ergänzend auch auf toxikologische Aspekte<br />
schulüblicher Chemikalien eingegangen werden.<br />
Verätzungen mit Säuren und Laugen: Säuren und Laugen können Hautproteine<br />
denaturieren bzw. spalten und daher eine kontaminierte Hautpartie verätzen. Dies lässt<br />
sich durch zwei einfache Experimente modellieren. Ein Reagenzglas mit Milch wird mit<br />
konzentrierter Salzsäure, ein anderes mit Natronlauge versetzt. Im ersten Fall koaguliert<br />
das Milcheiweiß, im zweiten Fall wird es aufgelöst. Beide Versuche sehen sehr<br />
unappetitlich aus, so dass es wohl jeder Schüler vermeiden möchte, dass Ähnliches mit<br />
seiner Haut oder seinen Augen passiert.<br />
Auch das Entstehen brauner Hautflecken beim Kontakt mit Salpetersäure kann man<br />
modellieren. Bei Zugabe von konzentrierter Salpetersäure zu Milch färbt sich das<br />
koagulierte Eiweiß orange-braun, bedingt durch die Nitrierung aromatischer<br />
Aminosäuren (Xanthoproteinprobe).<br />
Die wasserentziehende Wirkung von konzentrierter Schwefelsäure lässt sich durch<br />
die Bildung von Kohle beim Mischen von Haushaltszucker und der Säure eindrucksvoll<br />
demonstrieren. Für die Schüler ist es leicht einzusehen, dass auf die Haut getropfte<br />
Schwefelsäure der Haut auch Wasser entzieht, was zu hässlichen und schmerzhaften<br />
Brandblasen führt.<br />
Ein Wattetupfer, versetzt mit einem Tropfen konzentrierter Schwefelsäure bekommt<br />
schnell ein Loch. Dieser Versuch eignet sich dazu, den Schülern den Vorteil eines<br />
Kittels aufzuzeigen: besser diese Schutzkleidung geht kaputt, als die darunter liegende<br />
Kleidung oder sogar die Haut!<br />
Gefährliche Wärmetönung beim Verdünnen von Säuren und Laugen: „Erst das<br />
Wasser, dann die Säure - sonst passiert das Ungeheure“. Dies lässt sich gefahrlos (hinter<br />
einer Schutzscheibe) vorführen. In einem 500-mL-Einhalskolben werden 20 mL<br />
konzentrierte Schwefelsäure vorgelegt und über einen Tropftrichter mit Druckausgleich<br />
tropfenweise mit 20 mL Wasser versetzt, worauf es im Kolben brodelt und spritzt!<br />
In einem zweiten Versuch werden 20 mL Wasser in einem Trinkbecher aus<br />
dünnwandigem Polystyren, der in einem 1-L-Becherglas steht, vorgelegt und zügig mit<br />
20 mL konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Bedingt durch die Mischungswärme<br />
erweicht der Kunststoff, so dass der Becher zusammensinkt.<br />
Schließlich wird der Mischungsvorgang korrekt durchgeführt. In einem 100-mL-<br />
Becherglas werden 20 mL Wasser vorgelegt und magnetisch gerührt. Aus dem<br />
Messzylinder werden 20 mL konzentrierte Schwefelsäure in dünnem Strahl zulaufen<br />
gelassen. Gleichzeitig sollte der Temperaturanstieg auf ca. 110 °C mit einem<br />
Thermometer gemessen werden. (Die Reste aus den drei Versuchen werden gesammelt<br />
und als halbkonzentrierte Schwefelsäure weiterbenutzt.)
66<br />
Vor der Aggressivität heißer Natronlauge kann man durch folgen<strong>des</strong> Experiment<br />
besonderen Respekt gewinnen. In eine Alufolie (10 cm²) werden 10 NaOH-Pastillen,<br />
beträufelt mit 1 mL Wasser, schnell eingewickelt. Die Folie wird auf ein Uhrglas gelegt.<br />
Hinter der Schutzscheibe beobachtet man nach kurzer Zeit das Auszischen von<br />
Wasserdampf und Wasserstoff. Außerdem löst sich das Metall teilweise auf:<br />
2 Al + 2 NaOH + 6 H 2 O → 2 Na[Al(OH) 4 ] + 3 H 2<br />
Gefahr durch heißes Öl: In einem 2-L-Einhalskolben werden 20 mL Speiseöl (anstelle<br />
eines Silicon- oder Paraffinölba<strong>des</strong>) vorgelegt und auf 200-250 °C erwärmt. Dann<br />
werden über einen Tropftrichter mit Druckausgleich nur wenige Tropfen Wasser in das<br />
Öl getropft (Schutzscheibe). Es kommt zu heftigem Verspritzen, womit dem Schülern<br />
eine von Ölbädern, mit denen z. B. wassergekühlte Destillations- oder Rückflussapparaturen<br />
geheizt werden, ausgehende Gefahr verdeutlicht wird. Bestimmt fragt ein<br />
Schüler, ob es nicht auch zuhause beim Braten ratsam sei, eine Schutzbrille zu tragen!<br />
(Das Öl kann wiederverwendet werden.)<br />
Das Reagenzglas als Gefahrenquelle: Bei Schülerversuchen geht eine große Gefahr<br />
von Siedeverzügen beim Erhitzen im Reagenzglas aus. Deshalb sollte einmal im<br />
Vergleich vorgeführt werden, wie ein Reagenzglas falsch und richtig gefüllt und erhitzt<br />
wird. Zunächst wird ein Reagenzglas dreiviertel voll mit Wasser schräg an einem Stativ<br />
befestigt und mit untergestelltem Brenner erhitzt (Schutzscheibe). Nach kurzer Zeit<br />
spritzt der Inhalt aus dem Glas heraus, das dabei meistens zerspringt. Durch diese<br />
Demonstration lernen die Schüler vor allem, dass eine Reagenzglasöffnung niemals in<br />
Richtung auf eine andere Peron gerichtet sein darf! Anschließend wird das korrekte<br />
Arbeiten mit dem Reagenzglas gezeigt, indem dieses nur zu maximal einem Viertel<br />
gefüllt und in der Flamme ständig leicht geschüttelt wird.<br />
Die nächsten Experimente thematisieren die Gefährlichkeit von Über- und<br />
Unterdruck im Reagenzglas. Im ersten Versuch wird ein leeres Reagenzglas mit einem<br />
Gummistopfen verschlossen, am Stativ eingespannt und mit dem Brenner am unteren<br />
Ende kräftig erhitzt (Schutzscheibe). Der Überdruck baut sich ab, indem der Stopfen<br />
wegfliegt. Häufig passiert es aber auch, dass der Überdruck ein kleines Loch in das<br />
erweichende Glas bläst.<br />
Im zweiten Versuch wird ein leeres Reagenzglas mit durchbohrtem Siliconstopfen<br />
schräg am Stativ befestigt. Durch die Öffnung <strong>des</strong> Stopfens wird ein gebogenes Glasrohr<br />
gesteckt, das mit seinem anderen Ende in ein Gefäß mit Wasser mündet. Jetzt wird<br />
kräftig erhitzt (Schutzscheibe), womit z.B. eine Pyrolyse modelliert wird, bei der ein<br />
Gas entsteht und in einer geeigneten Lösung nachgewiesen wird. Nachdem keine<br />
Gasblasen mehr durch das Wasser blubbern, wird der Brenner entfernt. Der<br />
Experimentator tritt gleichzeitig zurück. Schon nach kurzem Abkühlen <strong>des</strong><br />
Reagenzglases entsteht darin ein ausreichender Unterdruck, so dass Wasser zurücksteigt<br />
und das immer noch heiße Glas zersprengt. Im Anschluss wird die richtige<br />
Vorgehensweise gezeigt. Zuerst wird die Verbindung zwischen dem heißen Reagenzglas<br />
und dem Gaseinleitungsrohr gelöst und dann der Brenner weggenommen. Alternativ<br />
kann auch eine Sicherheitswaschflasche zwischen Reaktionsgefäß und<br />
Absorptionsflüssigkeit geschaltet werden.<br />
Brennbare Lösungsmittel: Die Dämpfe zahlreicher organischer Lösungsmittel sind<br />
schwerer als Luft und können z.B. über eine Tischplatte „kriechen“ und sich <strong>des</strong>halb<br />
sogar an einer Flamme entzünden, die sich in einem deutlichen Abstand von der Quelle<br />
der Dämpfe, beispielsweise einer offenen Vorratsflasche oder einem Reaktionskolben,
67<br />
befindet. Dies lässt sich folgendermaßen demonstrieren. Ein Plastiktrichter mit<br />
angeschlossenem Gasschlauch (ca. 1 Meter) wird oben an einem Stativ befestigt. Am<br />
herunterhängenden Ende <strong>des</strong> Schlauches brennt im Abstand von 5-10 cm eine Kerze.<br />
Ein Wattetupfer wird mit Diethylether getränkt und in den Trichter gelegt. Nach einiger<br />
Zeit entzünden sich die Etherdämpfe am unteren Ende <strong>des</strong> Schlauches und brennen dort<br />
kontinuierlich ab. Als Versuchsvariante bietet sich folgende Vorgehensweise an. Die<br />
ethergetränkte Watte wird auf das obere Ende einer schräg aufgestellten Blechrinne<br />
(oder gefalteten Alufolie) gelegt. Am unteren Ende brennt die Kerze. Der abwärts<br />
strömende Etherdampf entzündet sich dort, und rasch breitet sich die Flamme über die<br />
ganze Rinne nach oben aus.<br />
Geruchsbelästigungen: Ein Becherglas mit einer stark riechenden Substanz, z.B.<br />
konzentrierte Ammoniaklösung, wird mitten in den Raum gestellt. Schon bald monieren<br />
die Schüler die Geruchsbelästigung. Mit derartigen Stoffen muss unter dem Abzug<br />
gearbeitet werden, <strong>des</strong>sen Wirkungsweise folgendermaßen nachempfunden werden<br />
kann. Über einen Trichter mit nachgeschalteter Waschflasche mit verdünnter<br />
Schwefelsäure und eine Wasserstrahlpumpe wird das entweichende NH 3 -Gas abgesaugt<br />
und in der Absorptionslösung neutralisiert.<br />
Beim Arbeiten im Reagenzglasmaßstab können Geruchsbelästigungen auch<br />
vermieden werden, indem die Gläser mit Aktivkohlestopfen [45] verschlossen werden.<br />
Von deren Effizienz sind die Schüler leicht zu überzeugen, indem man ihnen mit den<br />
Stopfen verschlossene Reagenzgläser mit z.B. konzentrierter Salzsäure oder<br />
Ammoniaklösung, schwefliger Säure, Aceton oder Ether reicht und sie um vorsichtige<br />
Geruchsproben vor und nach dem Lüften der Stopfen bittet. Eindrucksvoll ist es auch,<br />
zwei Reagenzgläser mit Ammoniak und Salzsäure nebeneinander zu halten und die<br />
NH 4 Cl-Rauchbildung zu beobachten, die sofort ausbleibt, nachdem die Gefäße mit<br />
Aktivkohlestopfen verschlossen wurden.<br />
Brandfördernde Stoffe: Beenden kann man die Sicherheitsbelehrung mit zwei<br />
motivierenden Schauversuchen, welche die Gefährlichkeit brandfördernder Stoffe, z. B.<br />
Kaliumchlorat beim Ansäuern oder Erhitzen, thematisieren (Abzug). Eine Mischung aus<br />
5 g trockenem Haushaltszucker, 5 g KClO 3 und 0.5 g Sr(NO 3 ) 2 wird auf eine feuerfeste<br />
Unterlage, auf der sich 0.5 mL konzentrierte Schwefelsäure befinden, gegeben. Nach<br />
kurzem Knistern bildet sich eine rote Stichflamme.<br />
Noch eindrucksvoller ist es, in einem Supremax-Reagenzglas 1 g KClO 3 zu<br />
schmelzen und einen Gummibären in die Schmelze zu werfen. Das „Tier“ verbrennt im<br />
hellen Feuerschein und unter heftigem „Fauchen“.<br />
Bei einer Sicherheitsbelehrung sollte auch ein Verständnis für die toxische Wirkung<br />
schulüblicher Chemikalien geweckt werden: Wieso ist ein Stoff giftig? Wie sieht eine<br />
Therapie aus, wenn es zu einer Vergiftung gekommen ist?<br />
Im folgenden werden einige Wechselwirkungen ausgewählter anorganischer<br />
Verbindungen und organischer Lösungsmittel mit dem menschlichen Organismus<br />
erläutert. Besonderer Wert wird dabei darauf gelegt, dass die diskutierten Zusammenhänge<br />
mit dem von den Schülern aus dem Chemieunterricht erworbenen Basiswissen<br />
verstanden werden können.<br />
Schwermetalle: Den Schülern ist bekannt, dass zahlreiche Schwermetallverbindungen<br />
mit Sulfid-, Hydroxid- oder Carbonatlösungen schwerlösliche Salze und mit Amminen<br />
oder Ammoniak stabile Komplexe bilden, z. B.
68<br />
Cu 2+ + S 2− → CuS<br />
Cu 2+ + 2 OH − → Cu(OH) 2<br />
Cu 2+ 2−<br />
+ CO 3 → CuCO 3 (meist basisches Carbonat)<br />
Cu 2+ + 4 NH 3 → [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />
Artverwandte Reaktionen spielen sich auch ab, wenn Schwermetallionen in einen<br />
lebenden Organismus eintreten. Hier liegen nämlich Biomoleküle mit Thiol-, Hydroxyl-,<br />
Carboxyl- und aminischen Funktionen vor, die ähnlich mit den aufgenommenen<br />
Schwermetallionen in Beziehung treten können wie die basischen Reagenzien in den<br />
angeführten Reaktionsgleichungen. Diese genannten Gruppen erfüllen als Strukturelemente<br />
wichtiger Biomoleküle lebenswichtige Aufgaben. So ist es einleuchtend, dass<br />
dies nach Komplexierung mit einem Metallion nicht mehr möglich oder beeinträchtigt<br />
ist.<br />
Das Prinzip der therapeutischen Behandlung ist recht einfach. Die Metallionen<br />
können aus der Komplexbindung mit den Biomolekülen abgelöst werden, wenn sie mit<br />
einem verabreichten Medikament eine stärkere Wechselwirkung eingehen als mit dem<br />
Biomolekül. Chelatkomplexbildner wie beispielsweise Ethylendiamintetraacetat sind<br />
hier die Medikamente der Wahl. EDTA ist den Schülern schon von der<br />
komplexometrischen Bestimmung von Metallionen, z. B. der Wasserhärte, her bekannt.<br />
Es resultiert ein ausgesprochen stabiler Komplex, weil das Ligandmolekül gleich<br />
mehrmals an das zu analysierende Kation anbindet.<br />
Abschließend zum Thema toxische Wirkung von Schwermetallen sei noch die<br />
chronische Vergiftung mit Blei angesprochen. Pb 2+ -Ionen lagern sich in der<br />
Knochensubstanz ab, wo sie die in vieler Hinsicht chemisch ähnlichen Ca 2+ -Ionen<br />
ersetzen:<br />
CaCO 3 + Pb 2+ → PbCO 3 + Ca 2+<br />
Diese Reaktion wird den Schülern leicht verständlich sein, wenn man ihnen die Fällung<br />
von Bleiionen mit Soda vorführt und außerdem etwas über das früher verwendete<br />
Malerpigment „Bleiweiß“ erzählt.<br />
Fluorid: Auch Fluorid-Ionen zerstören die Knochensubstanz. Sie verdrängen dort die<br />
Carbonationen nach folgender Reaktionsgleichung:<br />
CaCO 3 + 2 F −<br />
→ CaF 2 + CO 3<br />
2−<br />
Im Modellversuch versetzt man eine NaF- mit einer CaCl 2 -Lösung Sofort bildet sich ein<br />
weißer Niederschlag von Calciumfluorid. Dieses kommt als Flussspat auch in der Natur<br />
vor und ist Rohstoff für die gesamte Fluorchemie.<br />
Bei Unfällen mit Fluorid- oder bzw. Flusssäure(HF)-Lösungen ist schnelle Hilfe<br />
erforderlich. Die Fluorid-Ionen müssen durch Behandeln der benetzten Körperstellen<br />
mit einer Ca 2+ -haltigen Lösung (Calciumgluconat) in unlösliches CaF 2 übergeführt und<br />
so an der Diffusion durch Haut und Gewebe bis zu den Knochen gehindert werden.<br />
Mit dieser klassischen Fällungsreaktion lässt sich also sowohl die toxische Wirkung<br />
von Fluorid, als auch das Prinzip der Behandlung von Fluoridvergiftungen erklären.<br />
An dieser Stelle bietet es sich an, auf die Bildung und Vermeidung von Karies<br />
einzugehen [46]: Zucker wird von Mundbakterien zu Milchsäure abgebaut, die mit dem<br />
in der Zahnknochensubstanz enthaltenen CaCO 3 und 3Ca 3 (PO 4 ) 2 ⋅Ca(OH) 2 reagieren und<br />
dadurch den Zahn zerstören kann (Karies). Wenn die Zahnoberfläche hingegen mit einer<br />
CaF 2 -Schicht überzogen ist, bleibt der Zahn vor dem Angriff der Säure geschützt<br />
(Prophylaxe).
69<br />
Dazu ein Modellversuch: Am Abend vor der Unterrichtsstunde wird die Schale von<br />
einem halben Ei in eine gesättigte NaF-Lösung gelegt. An der Schalenoberfläche laufen<br />
folgende Austauschreaktionen ab:<br />
CaCO 3 + 2 NaF → CaF 2 + Na 2 CO 3 und Ca(OH) 2 + 2 NaF → CaF 2 + 2 NaOH<br />
In der Unterrichtsstunde wird die Schale aus der NaF-Lösung herausgenommen,<br />
abgespült und in 10%ige Milchsäurelösung gegeben. In einem Vergleichsversuch wird<br />
die andere Eierschalenhälfte, die nicht mit NaF präpariert wurde, in Milchsäure gelegt.<br />
An der gesamten Oberfläche der unbehandelten Eierschalenhälfte bilden sich rasch<br />
Gasbläschen (CO 2 ). Dies ist auf folgende Reaktion zurückzuführen:<br />
CaCO 3 + 2 HO 2 CCH(OH)CH 3 → Ca(O 2 CCH(OH)CH 3 ) 2 + CO 2 + H 2 O<br />
An der Oberfläche der mit NaF behandelten Eierschalenhälfte, an der sich praktisch<br />
keine Carbonationen mehr befinden, ist die Gasentwicklung hingegen erwartungsgemäß<br />
minimal.<br />
Säuren und Laugen: Nach Verschlucken von Säure, z. B. HCl, ist zunächst das Trinken<br />
von viel Wasser zwecks Verdünnung ratsam. Noch besser ist die Neutralisation z.B. mit<br />
Magnesia:<br />
MgO + 2 HCl → MgCl 2 + H 2 O<br />
Die Neutralisation darf hingegen nicht mit Soda oder Bicarbonat erfolgen, da<br />
freigesetztes CO 2 -Gas zu einer starken Schaumbildung (mit der Gefahr einer<br />
Perforation) im Körper führen würde!<br />
Auch bei der oralen Aufnahme von Laugen, z. B. Natronlauge, lässt man die<br />
betroffene Person zunächst viel Wasser und anschließend zur Neutralisation<br />
beispielsweise verdünnten Essig trinken:<br />
HAc + NaOH → NaAc + H 2 O<br />
Die Atemgifte Kohlenstoffmonoxid und Cyanid: Den Schüler ist bekannt, dass CO,<br />
das Produkt der unvollständigen Verbrennung von Kohle oder<br />
Kohlenstoffverbindungen, ein starkes Atemgift ist. Wenn ihnen außerdem im Chemieoder<br />
Biologieunterricht bereits die Bedeutung <strong>des</strong> Hämoglobins für den<br />
Sauerstofftransport aus der Luft in den Körper beigebracht wurde, wird ihnen die<br />
toxische Wirkung <strong>des</strong> CO leicht verständlich sein. CO bildet mit dem zweiwertigen<br />
Eisen im Hämoglobin einen mehr als 200mal stabileren Komplex als O 2 . Dies bedeutet,<br />
dass ein mit Kohlenstoffmonoxid blockiertes Hämoglobin für den Sauerstofftransport<br />
einfach nicht mehr zur Verfügung steht; die Atmung wird behindert und kommt bei<br />
hoher CO-Konzentration in der Luft schließlich ganz zum Erliegen.<br />
Eine Therapie muss schnell erfolgen, indem die mit CO vergiftete Person mit<br />
sauerstoffangereicherter Luft oder reinem Sauerstoff beatmet wird. Unter diesen<br />
Bedingungen liegt der Sauerstoff in einem so großen Überschuss vor, dass er das CO<br />
wieder von den Eisenzentralatomen <strong>des</strong> Hämoglobins verdrängt. Anders ausgedrückt:<br />
während das chemische Gleichgewicht zwischen dem CO- bzw. O 2 -komplexierten<br />
Hämoglobin bei hoher CO-Konzentration ganz auf der rechten Seite der obigen<br />
Reaktionsgleichung liegt (Vergiftung), erfolgt umgekehrt bei hoher O 2 -Konzentration<br />
eine Gleichgewichtsverschiebung nach links (Therapie).
70<br />
hohe CO-Konzentration<br />
Hb⋅Fe⋅O 2 + CO Hb⋅Fe⋅CO + O 2<br />
hohe O 2 -Konzentration<br />
Dieser Sachverhalt eignet sich dazu, in der Schulstunde die Diskussion <strong>des</strong><br />
Massenwirkungsgesetzes zu vertiefen.<br />
Cyankali ist den Schülern zumin<strong>des</strong>t aus den Romanen von Agatha Christie bekannt.<br />
Beim Verschlucken von KCN setzt die Magensäure die schwächere Blausäure frei,<br />
KCN + HCl → HCN + KCl<br />
die besonders schnell durch den Körper diffundiert und das dreiwertige Eisen in der<br />
Cytochromoxidase, einem wichtigen, dem Hämoglobin artverwandten Enzym in der<br />
Atmungskette unter Bildung eines stabilen Eisencyanokomplexes blockiert.<br />
(Eisencyano-komplexe können den Schülern in Form der Blutlaugensalze vorgestellt<br />
werden).<br />
Die Behandlung einer Cyanidvergiftung hat sehr rasch zu erfolgen. Sie basiert auf<br />
zwei chemisch einfachen Prinzipien. Noch freies Cyanid muss z. B. durch verabreichtes<br />
Thiosulfat oxidiert werden, wobei ein Schwefelatom auf das Cyanid übertragen wird, so<br />
dass dieses seine Eigenschaft als Ligandmolekül verliert.<br />
CN − + S 2 O 3<br />
2−<br />
→ SCN − + SO 3<br />
2−<br />
Bereits an die Cytochromoxidase gebundenes Cyanid muss von Eisen abgelöst werden.<br />
Dies geschieht durch Umkomplexierung, indem die Cyanid- auf z. B. in Form einer<br />
CoEDTA-Lösung verabreichte Cobalt-Ionen, die eine höhere Affinität zu dem Liganden<br />
besitzen als Eisen-Ionen, übertragen werden. Die Therapie wird zusätzlich durch<br />
Methämoglobinbildner (s.u.) unterstützt.<br />
Nitrit: Nachrichten über Nitrat im Gemüse oder Trinkwasser fordern den Lehrer dazu<br />
heraus, den Schülern die toxische Wirkung von Nitrit zu erklären, welches im Körper<br />
aus Nitrat entsteht. Der Stoff kann auf verschiedene Weise giftig wirken. Die<br />
Reaktionen von Nitrit mit Aminen (z.B. aus eiweißhaltiger Nahrung) in Gegenwart von<br />
Säure (z. B. Magensäure) unter Ausbildung von ihrerseits hochtoxischen Nitrosaminen<br />
sowie die Punktmutation von DNS-Basen durch Nitrit werden den Schülern mit ihren<br />
noch bescheidenen Grundkenntnissen der organischen Chemie nur schwer verständlich<br />
sein und daher hier nicht weiter erläutert werden. Lediglich die methämoglobinbildende<br />
Wirkung von Nitrit wird beschrieben.<br />
Diese beruht darauf, dass Nitrit vom sauerstoffhaltigen Hämoglobin unter Bildung<br />
von Nitrat und unter gleichzeitiger Erhöhung der Wertigkeit <strong>des</strong> Eisens oxidiert wird:<br />
2 Hb⋅Fe 2+ ⋅O 2 + NO 2 − + 2 H + → 2 Hb⋅Fe 3+ + NO 3 − + H 2 O<br />
Das dreiwertige Eisen im Hämoglobin (Methämoglobin) kann keinen weiteren<br />
Sauerstoff binden und steht damit für die Atmung nicht mehr zur Verfügung.<br />
Die Rückbildung zu normalem Hämoglobin erfordert ein geeignetes<br />
Reduktionsmittel (Fe 3+ + e − → Fe 2+ ), über das der menschliche Organismus in Form<br />
eines Enzyms, der sog. Methämoglobin-Reduktase, verfügt.<br />
Im Modellversuch wird einer FeSO 4 -Lösung etwas NH 4 SCN zugegeben. Die fast<br />
farblose Lösung wird nach Zugabe von KNO 2 tiefrot: Dies ist ein sicheres Indiz auf das<br />
Entstehen dreiwertigen Eisens. Mit Ascorbinsäure (Vitamin C) kann dieses wieder zu<br />
farblosem zweiwertigen Eisen reduziert und somit die „toxische Wirkung <strong>des</strong> Nitrits<br />
aufgehoben“ werden [47].
71<br />
Halogenierte Kohlenwasserstoffe: Aus der Diskussion der Ozonproblematik ist den<br />
Schülern bekannt, dass halogenierte Kohlenwasserstoffe umweltschädigende Stoffe sind.<br />
Auf das Wissen, dass die Verbindungen unter Einwirkung von Energie (Sonnenlicht) in<br />
Radikale zerfallen, die ihrerseits die Ozonzersetzung katalysieren, kann aufgebaut<br />
werden. Es wird den Schüler plausibel klingen, dass die halogenierten Kohlenwasserstoff<br />
auch im menschlichen Organismus, wo sie sich wegen ihrer fettlösenden<br />
Eigenschaften schnell verteilen, unter Mithilfe dort vorhandener Enzyme Dehalogenierungsreaktionen<br />
zu Radikalen unterliegen. Diese können z. B. unter<br />
Abstraktion von H-Atomen von Biomolekülen abreagieren und dabei wichtige<br />
Lebensfunktionen zerstören, gemäß folgendem Schema:<br />
CCl 4<br />
Enzym<br />
⎯⎯⎯⎯→ Cl 3 C• Cl 3 C-H<br />
↓<br />
Folgereaktionen unter<br />
Totalzerstörung <strong>des</strong> Biomoleküls<br />
Ethanol und Methanol: Ethanol ist gut wasserlöslich und verteilt sich <strong>des</strong>halb schnell<br />
im Körperwasser. Es wird enzymatisch zu Ethanal (Acetaldehyd)und dieses weiter zu<br />
Ethansäure (Essigsäure) oxidiert:<br />
CH 3 -CH 2 OH<br />
⎯<br />
Ox<br />
⎯→<br />
CH3-CHO ⎯<br />
Ox<br />
⎯→<br />
CH3-COOH<br />
Diese Reaktionssequenz ist für die Schüler leicht nachvollziehbar, da bekannte Stoffe<br />
und Stoffklassen (Alkohol, Aldehyd, Carbonsäure) auftauchen.<br />
Analog wird Methanol im Körper umgewandelt:<br />
CH 3 OH ⎯<br />
Ox<br />
⎯→<br />
HCHO ⎯<br />
Ox<br />
⎯→<br />
HCOOH<br />
Methanolvergiftungen kommen in der Regel durch Verwechslung von Ethanol mit den<br />
wesentlich toxischeren Methanol zustande. Der erste Metabolit Formaldehyd ist giftig,<br />
weil er besonders leicht mit funktionellen Gruppen der Proteine wie -NH 2 oder -OH zu<br />
Iminen bzw. Halbacetalen reagiert und die ursprünglichen Funktionen damit irreversibel<br />
zerstört.<br />
R-NH 2 + HCHO → R-N=CH 2 + H 2 O<br />
R-CH 2 OH + HCHO → R-CH 2 -O-CH 2 OH<br />
Bedeutender bei Methanolvergiftungen ist aber die Wirkung <strong>des</strong> zweiten<br />
Metaboliten, der Ameisensäure. Diese ist nur schwer ausscheidbar und führt wegen ihrer<br />
sauren Eigenschaft zu einer erheblichen Absenkung <strong>des</strong> pH-Wertes im Blut (Acidose).<br />
Die Therapie bei Methanolvergiftungen basiert auf einfachen chemischen Grundsätzen.<br />
Die Oxidation von Methanol läßt sich dadurch weitgehend unterdrücken, dass<br />
dem Patienten kontinuierlich etwas Ethanol verabreicht wird. Dieses ist leichter<br />
oxidierbar als Methanol. Die Konsequenz ist, daß das für die Oxidation verantwortliche<br />
Enzym ständig mit dem Abbau <strong>des</strong> nachgelieferten Ethanols beschäftigt ist und im<br />
wahrsten Sinne <strong>des</strong> Wortes keine Zeit hat, sich um den Abbau <strong>des</strong> Methanols zu<br />
kümmern (kompetitive Hemmung). Dieses kann dann abgeatmet werden. Bereits<br />
gebildete Methansäure wird durch Infusion geeigneter Basen im Sinne einer<br />
Neutralisationsreaktion abgefangen, z. B. gemäß:
72<br />
HCOOH + Na 2 HPO 4 → HCOONa + NaH 2 PO 4<br />
Wieso Methanolvergiftungen vor allem zur Erblindung führen, ist nicht genau bekannt.<br />
Ergänzende Versuche: Im Rahmen der Sicherheitsbelehrung für Studenten kann man<br />
vertieft auf die Therapie bei Schwermetallvergiftungen, z. B. <strong>des</strong> Kupfers (s. o.), Arsens<br />
oder Thalliums, eingehen [48].<br />
Bekannt geworden ist die Chelatkomplextherapie u. a. durch das als Antidot gegen<br />
den Kampfstoff Lewisit, ClCH=CHAsCl 2 , entwickelte 2,3-Dimercaptopropanol, genannt<br />
BAL (British Anti Lewisit).<br />
Heute wird bevorzugt das Natriumsalz der 2,3-Dimercaptopropansulfonsäure<br />
(DMPS) verwendet, welches besser wasserlöslich ist und <strong>des</strong>halb bessere galenische<br />
Eigenschaften aufweist. Andere gängige Medikamente in der Chelatkomplextherapie<br />
sind z. B. Ethylendiamintetraacetat (EDTA) und Penicillamin (s. Abb. 27).<br />
-<br />
H 2<br />
C CH CH H 2<br />
C CH CH 2<br />
(H 3<br />
C) 2<br />
C CH CO 2<br />
H O2 CCH<br />
2<br />
2<br />
N CH 2 CH 2 N<br />
SH SH OH SH SH OSO 3 Na SH NH -<br />
2<br />
O2 CCH 2<br />
BAL DMPS Penicillamin EDTA<br />
CH 2 CO 2<br />
-<br />
CH 2 CO 2<br />
-<br />
Abb. 27: In der Chelatkomplextherapie verwendete Ligandmoleküle<br />
Thalliumvergiftungen, z.B. mit dem klassischen Rattengift Tl 2 SO 4 , werden durch<br />
orale Gabe von Berliner Blau behandelt, einer Verbindung, die mit der bekannten<br />
Formel Fe III 4[Fe II (CN) 6 ] 3 nur unzureichend beschrieben ist. Das Eisen(III)-hexacyanoferrat(II)<br />
enthält nämlich sowohl stöchiometrisch als auch außerstöchiometrisch<br />
gebundene Kaliumionen, die gegen die vergleichbar großen Thallium(I)-Ionen ausgetauscht<br />
werden können. Der entstandene Komplex wird mit den Faeces ausgeschieden.<br />
Modellversuche im Reagenzglas:<br />
Wenn eine Eiweißlösung mit Kupfersulfat versetzt wird, entsteht die blaurote<br />
Lösung eines Einlagerungskomplexes (Biuretreaktion), der als Modell für ein vergiftetes<br />
Biomolekül angesehen werden kann. Bei Zugabe von Penicillamin oder DMPS werden<br />
die Kupferionen vom Protein entfernt. Es resultiert die rotbraune Lösung <strong>des</strong> Cu-<br />
Penicillamin- oder die gelbgrüne Lösung <strong>des</strong> Cu-DMPS-Komplexes:<br />
Eiwei<br />
+<br />
Kupfersulfat<br />
N<br />
R C<br />
HC<br />
O<br />
Cu<br />
O<br />
C<br />
C R<br />
N H<br />
Medikamente<br />
wie<br />
Penicillamin<br />
oder DMPS<br />
Eiweiß +<br />
(H 3 C) 2 C CH CO 2 H<br />
S NH 2<br />
Cu<br />
bzw.<br />
H 2 C CH CH 2<br />
S S OSO 3 Na<br />
Cu<br />
Die besondere Stabilität <strong>des</strong> As-BAL-Komplexes lässt sich dadurch demonstrieren,<br />
dass sogar das schwerlösliche Arsen(III)-sulfid mit BAL rasch in den weißen Komplex<br />
umgewandelt wird, bzw. dadurch, dass aus einer Arsenlösung, die außerdem das<br />
Ligandmolekül enthält, mit Schwefelwasserstoff kein Arsensulfid gefällt werden kann.<br />
Die Therapie bei einer Thalliumvergiftung lässt sich verdeutlichen, indem eine<br />
Tl 2 SO 4 -Lösung mit Berliner Blau behandelt wird. Im Filtrat lässt sich mit<br />
Natriumdiethyl-amidodithiocarbonat (DDTC) kein weißes Thalliumcarbat oder mit<br />
Kaliumiodid kein gelbes Thalliumiodid mehr fällen.
73<br />
Wegen der hohen Stabilität der entstandenen Schwermetallverbindungen können die<br />
Versuchsreste im Chemiepraktikum nicht aufbereitet, sondern müssen als Sonderabfall<br />
entsorgt werden. Dies passt an sich nicht in unser Konzept einer ökologisch orientierten<br />
Chemieausbildung. Aber mit dem Ziel, die Bedeutung der Chemie für die Gesundheit<br />
herauszustellen, und in Hinblick auf die Tatsache, dass in einer humanen Gesellschaft<br />
Gesundheitsschutz Vorrang vor Umweltschutz hat, halten wir es für vertretbar, mit sehr<br />
kleinen Mengen hochtoxischer Verbindungen zu experimentieren, auch wenn diese nicht<br />
recycelt, sondern lediglich korrekt entsorgt werden.<br />
2.10 Sonstige Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes und der<br />
Sicherheit<br />
2.10.1 Demonstrationsversuche zur Wasser-, Luft- und<br />
Bodenreinigung<br />
Gelegentlich halte ich für Schüler Experimentalvorlesung, z. B. wenn Leistungskurse<br />
unsere Fachhochschule besuchen oder am sog. Tag der offenen Tür. Einmal habe ich<br />
auch eine zweiwöchige Vortragsreise in den Großkreis Wittenberg unternommen und<br />
dort mehrere Schulen besucht. Ziel der Vorlesung ist es, den Schülern Verfahren <strong>des</strong><br />
technischen Umweltschutzes näher zu ringen, sie vom umweltbewussten Verhalten der<br />
chemischen Großindustrie zu überzeugen und somit zur Verbesserung der Akzeptanz<br />
der Chemie in unserer Industriegesellschaft beizutragen.<br />
Behandelt und im Experiment vorgeführt werden Methoden der Abwasserreinigung<br />
(Schwermetalleliminierung, Oxidation und Reduktion von Schadstoffen bzw. ihre<br />
Adsorption an Aktivkohle) und Luftreinhaltung (Gaswäsche, Aktivkohlefilter [49]).<br />
Bezüge zu technischen Prozessen (Erzaufbereitung, Beizen, Galvanisieren, Textilfärbung,<br />
Rauchgasentschwefelung, Synthesechemie unter Verwendung leicht verdampfender<br />
Lösungsmittel) werden hergestellt, wobei explizit betont wird, dass in der<br />
chemischen Industrie jeder Produzent im Sinne <strong>des</strong> Verursacherprinzips für seine<br />
Produktion, Produkte, Reststoffe und Abfälle haftet. Reaktionsgleichungen werden an<br />
die Tafel geschrieben, und kurz Parallelen zu bereits bekanntem Unterrichtsstoff<br />
gezogen. Außerdem wird den Schülern folgen<strong>des</strong> Skript ausgehändigt (s. Abb. 28).<br />
Wasser- und Luftreinhaltung<br />
Sicherlich hat die Chemie zur Umweltverschmutzung beigetragen. Genauso gewiß ist es<br />
aber auch, daß Umweltschutz ohne Chemie unmöglich ist, denn die meisten Verfahren<br />
zum Umweltschutz sind chemische. Im folgenden werden Standardmethoden der<br />
Wasser- und Luftreinhaltung vorgestellt, die auf klassischen chemischen Reaktionen und<br />
Prinzipien beruhen.<br />
Entfernung von Schwermetallionen aus dem Wasser<br />
Schwermetallionen können dem Wasser nach verschiedenen Methoden entzogen<br />
werden.
74<br />
Versetzt man beispielsweise eine Kupfersulfatlösung mit Natronlauge, so bildet sich<br />
schwerlösliches, türkisblaues Kupferhydroxid:<br />
CuSO 4 + 2 NaOH → Cu(OH) 2 + Na 2 SO 4<br />
Nachteilig ist, dass dieses sehr feinteilig und daher schlecht filtrierbar ist. Erst nach<br />
längerem Stehen oder Aufkochen wandelt es sich in schwarzes CuO um, das dann gut<br />
abtrennbar ist:<br />
Cu(OH) 2 → CuO + H 2 O<br />
Die Hydroxidfällung hat ihre Grenzen, wenn Komplexbildner im Wasser vorliegen,<br />
die die Schwermetallionen maskieren. In diesem Fall ist eine Sulfidfällung vorteilhaft,<br />
denn die Metallsulfide sind meistens schwerer löslich als die entsprechenden -<br />
hydroxide. Versetzt man z. B. die tiefblaue Lösung <strong>des</strong> Kupfertetramminkomplexes mit<br />
Natriumsulfid, so flockt schwerlösliches, schwarzes Kupfersulfid aus:<br />
CuSO 4<br />
NH ⎯⎯⎯→ 3<br />
[Cu(NH3) 4 ]SO 4<br />
Na S 2 ⎯⎯⎯→ CuS<br />
Nach Filtration resultiert ein farbloses Wasser, das aber noch nicht verworfen werden<br />
darf, denn es enthält noch das zuvor im Überschuss verwendete und giftige<br />
Fällungsmittel Na 2 S. Dieses kann mit Wasserstoffperoxid zu ungiftigem Sulfat oxidiert<br />
werden:<br />
Na 2 S + 4 H 2 O 2 → Na 2 SO 4 + 4 H 2 O<br />
Der Sachverhalt der Metallsulfidfällung und anschließender Sulfidbeseitigung lässt<br />
sich am Beispiel <strong>des</strong> Bleis in einem Eintopfverfahren demonstrieren. Aus einer<br />
Bleinitratlösung wird mit Natriumsulfid schwarzes Bleisulfid ausgefällt.<br />
Wasserstoffperoxid wandelt dieses in weißes, ebenfalls schwerlösliches Bleisulfat um:<br />
Pb(NO 3 ) 2<br />
Na S 2 ⎯⎯⎯→<br />
PbS<br />
HO ⎯⎯2 ⎯2→<br />
PbSO 4<br />
Nach Filtration kann das schadstofffreie Filtrat verworfen werden.<br />
Schwermetalle lassen sich dem Wasser auch durch Ionenaustausch entziehen. Gibt<br />
man eine Kupfersulfatlösung auf ein iminodiacetatgruppenhaltiges Austauscherharz, so<br />
werden die Cu 2+ -Ionen dort festgehalten und Na + -Ionen in die Lösung abgegeben. Das<br />
Eluat ist farblos und kann weggeschüttet werden. Die Kupferionen können mit<br />
Schwefelsäure wieder von der Säule abgelöst (Methode der Metallanreicherung), und<br />
der Ionenaustauscher abschließend mit Natronlauge in seine ursprüngliche Form<br />
gebracht und mit Wasser neutral gewaschen werden.<br />
R-CH 2 N(CH 2 CO 2 Na) 2 + CuSO 4 → R-CH 2 N(CH 2 CO 2 ) 2 Cu + Na 2 SO 4<br />
(R = Polystyren)<br />
R-CH 2 N(CH 2 CO 2 ) 2 Cu + H 2 SO 4 → R-CH 2 N(CH 2 CO 2 H) 2 + CuSO 4<br />
R-CH 2 N(CH 2 CO 2 H) 2 + 2 NaOH → R-CH 2 N(CH 2 CO 2 Na) 2 + 2 H 2 O<br />
Eine weitere Methode der Schwermetalleliminierung aus Wasser ist die<br />
Zementation. Versetzt man eine Kupfersulfatlösung mit Eisenpulver, so bildet sich<br />
elementares Kupfer, und das Eisen geht als Eisensulfat in Lösung.<br />
CuSO 4 + Fe → Cu + FeSO 4<br />
Das giftige und wertvolle Cu 2+ wird gegen das ungiftige und billige Fe 2+ im Wasser<br />
ausgetauscht, ein Beispiel dafür, wie Ökologie und Ökonomie sich komplementär<br />
ergänzen können.
75<br />
Entfernung von Oxidationsmitteln aus dem Wasser<br />
Starke Oxidationsmittel wie KMnO 4 oder NaOCl dürfen nicht ins Abwasser gelangen<br />
und müssen vorab reduziert werden. Dies kann z.B. mittels SO 2 oder H 2 O 2 erfolgen:<br />
2 KMnO 4 + 5 H 2 SO 3 → 2 MnSO 4 + K 2 SO 4 + 2 H 2 SO 4 + 3 H 2 O<br />
NaOCl + H 2 O 2 + H 2 O → NaCl + O 2 + 2 H 2 O<br />
Im ersten Fall wird violettes Permanganat in farbloses und ungiftiges MnSO 4<br />
übergeführt, im zweiten Fall entsteht harmloses Kochsalz. Die Chlorbleichlauge hat<br />
erwartungsgemäß nach der H 2 O 2 -Zugabe ihre bleichende Wirkung, z. B. auf den<br />
Farbstoff Methylorange, verloren.<br />
Entfernung organischer Wasserinhaltsstoffe<br />
Organische Wasserinhaltsstoffe lassen sich dem Wasser häufig durch Adsorption an der<br />
Oberfläche einer Aktivkohle entziehen. Versetzt man z.B. eine tiefrote Fuchsinlösung<br />
mit Kohlepulver, schüttelt und filtriert, so läuft ein farbloses Filtrat ab, das verworfen<br />
werden kann. Durch Waschen <strong>des</strong> Filterrückstan<strong>des</strong> mit Ethanol können das Fuchsin<br />
und die Kohle gleichzeitig recycelt werden. Das Filtrat ist eine alkoholische<br />
Fuchsinlösung.<br />
Methoden der Luftreinhaltung<br />
Wasserlösliche Gase lassen sich einem Luftstrom durch Gaswäsche entziehen, z. B.<br />
kann verdampfen<strong>des</strong> Ammoniakgas in einer Waschflasche mit Schwefelsäure unter<br />
Salzbildung festgehalten werden.<br />
2 NH 3 + H 2 SO 4 → (NH 4 ) 2 SO 4<br />
Organische Lösungsmitteldämpfe lassen sich in der Regel gut an einem<br />
Aktivkohlefilter adsorbieren. Leitet man z. B. Luft durch eine Waschflasche mit<br />
Ethanol, so wird das Lösungsmittel verdampft. In einem nachgeschalteten Turm mit<br />
gekörnter Aktivkohle wird der Alkohol festgehalten, was an einer Erwärmung<br />
(Adsorptionswärme) und einer Gewichtszunahme der Kohle zu erkennen ist. Durch<br />
Ausheizen der Kohle auf ca. 300 °C kann das oberflächlich gebundene Lösungsmittel<br />
<strong>des</strong>orbiert und ab<strong>des</strong>tilliert werden. Die Kohle ist damit gleichzeitig regeneriert.
76<br />
Versuchsaufbau: Luftreinhaltung durch Gaswäsche<br />
Versuchsaufbau: Luftreinhaltung durch Adsorption<br />
Abb. 28: Skript zur Experimentalvorlesung über Wasser- und Luftreinhaltung<br />
Fragebogen zur Lehrveranstaltung<br />
Im Anschuss an die Vorlesungen im Umkreis Wittenberg wurde ein Fragebogen an die<br />
Schüler verteilt. Gut ein Drittel der Schüler gab an, später studieren zu wollen. (Davon<br />
wiederum ein Drittel möchte ein naturwissenschaftliches Fach studieren.) Schon allein<br />
<strong>des</strong>halb war es sinnvoll, den Schülern einmal eine Vorlesung in Hochschulstil<br />
anzubieten. Etwa ein Drittel der Zuhörer hatte sich diese so vorgestellt, ein anderes<br />
Drittel ganz anders und das letzte Drittel hat keine Vorstellung, wie eine Vorlesung
77<br />
überhaupt abläuft. Der Vortrag war nach der Meinung der Schüler weder zu lang, noch<br />
zu schwierig, die vorgeführten Versuche waren einwandfrei zu erkennen, und das Skript<br />
wurde als gut bezeichnet.<br />
Von den vorgestellten Methoden der Wasser- und Luftreinhaltung kannte die eine<br />
Hälfte der Schüler fast keine, die andere Hälfte einige. 50 % der Schüler wünschen sich<br />
ausdrücklich eine Fortführung <strong>des</strong> Vorlesungsstoffes im Chemieunterricht.<br />
Auf die prüfungsähnlichen Fragen „Wie kann man Schwermetalle bzw. organische<br />
Stoffe aus dem Wasser entfernen“ und „Welche Möglichkeiten der Luftreinhaltung<br />
kennen Sie“ wurden konkret die Antworten „Fällen, Ionenaustausch, Zementation,<br />
Adsorption, oxidative Zerstörung, Gaswäsche und -adsorption“ erwartet. Im<br />
Durchschnitt wurden immerhin 54 % der möglichen Antworten genannt, so dass<br />
vorsichtig behauptet werden darf, dass das Vermitteln von Fachwissen über<br />
Umweltschutz durch Chemie einigermaßen gelungen ist.<br />
Gefragt nach anderen Umweltschutzaspekten als Wasser- und Luftreinhaltung,<br />
nannten die Schüler sehr oft „Abfallverminderung und -sortierung“, „Recycling“,<br />
„Energiesparen und alternative Energiequellen benutzen“, „FCKW’s vermeiden“,<br />
„Mehrwegsysteme benutzen“; gelegentlich „Erhalt der Landschaft (insbesondere <strong>des</strong><br />
Regenwal<strong>des</strong>) und der Artenvielfalt“, „Bodensanierung“. Die Schüler sind also über die<br />
großen ökologischen Probleme auf unsere Erde gut aufgeklärt, wissen, wie sie als<br />
Bürger selbst zum Umweltschutz beitragen können, und machten diesbezüglich auch<br />
konkrete Vorschläge, beispielsweise „Heizenergie sparen durch bessere Isolation der<br />
Hauswände“, „beim Einkaufen auf umweltfreundliche Produkte achten, z. B. biologisch<br />
abbaubare Reinigungsmittel oder chlorfrei gebleichtes Papier verwenden“, „weniger<br />
Autofahren, dafür lieber öffentliche Verkehrsmittel benutzen, Fahrgemeinschaften<br />
gründen, Radfahren oder häufiger zu Fuß gehen“.<br />
Die Schüler glauben, dass die chemische Industrie dem Umweltschutz nur<br />
mittelmäßig Rechnung trägt, die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz sieht die<br />
Hälfte der Schüler eher positiv, ein Drittel eher negativ und der Rest hat dazu keine klare<br />
Einstellung. Einige Kommentare zeugen von einem durchaus hohen Maß an<br />
Betroffenheit über und Sensibilität für Umweltprobleme. Eine Schülerin und ein Schüler<br />
hatten richtig erkannt, dass Umweltschutz primär eine Frage der Einstellung ist. Sie<br />
denken positiv, dass „das Bewusstsein <strong>des</strong> einzelnen Menschen für die Belange der<br />
Umwelt heute geschärft ist“ und dass „die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,<br />
insbesondere finanzielle Förderungen, zum Schutz der Umwelt sehr gut sind“. Ein<br />
andere Schülerin ist eher pessimistisch und sieht im „Grundcharakter <strong>des</strong> Menschen, der<br />
immer zuerst an sich und seinen eigenen Vorteil denkt und wenig Gemeinschafts- und<br />
Verantwortungs-bewusstsein hat“, kein gutes Vorzeichen zum Schutz der Umwelt.<br />
Wieder ein anderer Schüler argumentiert, daß „Geld die Welt regiert“ und meint<br />
vermutlich, dass der Umweltschutz, der - zumin<strong>des</strong>t in seiner nachgeschalteten Form -<br />
Unmengen an Finanzmitteln verschlingt, in einer auf Profitstreben basierenden<br />
Gesellschaft auf der Strecke bleiben muß. Sein Mitschüler dreht das Argument „Geld“<br />
gerade herum, sieht, dass „innovative Umweltschutz-Technologien neue Arbeitsplätze<br />
schaffen“, dass sich „mit dem Export der neuen technischen Verfahren - für die<br />
Deutschland immerhin weltweit Marktführer ist - viel verdienen lässt“, und beurteilt die<br />
Zukunft der Umweltschutzes daher positiv. Von einer Schülerin wird die Automobilindustrie<br />
als eine „umweltschädigende Lobby“ massiv angegriffen, der nur durch<br />
„starkes Eingreifen <strong>des</strong> Staates“ Einhalt geboten werden kann. Ein Schüler differenziert,<br />
„dass man für die Entwicklung in Deutschland noch hoffen könne, während sich in<br />
anderen Ländern (Motorisierung der chinesischen Bevölkerung, Abholzung <strong>des</strong><br />
Regenwal<strong>des</strong>) vermutlich Katastrophen anbahnen“. Interessant ist, dass eine Schülerin<br />
die Zukunft der Umwelt positiv beurteilt, weil „sich die Forschung zu ihrem Schutz
78<br />
stark entwickelt hat“. Offensichtlich hat sie erkannt, dass Forschung grundsätzlich eine<br />
wichtige und nützliche Investition in die Zukunft ist.<br />
Auf die Frage, ob die Vorlesung sie in ihrem Umweltbewusstsein beeinflusst habe,<br />
antworteten 41 % der Schüler mit „nein“, 36 % mit „weiß nicht“ und 23 % mit „ja“.<br />
Viele Schüler fühlten sich nicht beeinflusst, da „nur vom Umweltschutz seitens der<br />
Industrie gesprochen wurde“ und die „technischen Methoden den einzelnen Menschen<br />
persönlich überhaupt nicht berühren“. Von den positiv beeinflussten Schülern sei einer<br />
zitiert: „Umweltbewusstsein schließt auch das Wissen um technische Prozesse mit ein,<br />
von denen ich vorher noch nicht viel kannte. Obwohl der einfache Bürger diese<br />
Vorgänge nicht zuhause nachvollziehen kann, wird man doch zum Nachdenken<br />
angeregt. Man achtet mehr darauf, was man wegschüttet ...“.<br />
In der Tat beginnt der Umweltschutz in den Köpfen der Menschen, seine<br />
Realisierung erfordert die Hilfe der Technik, wobei die Chemie eine zentrale Rolle<br />
spielt. Dies sollte den Schülern vermittelt werden.<br />
2.10.2 Ein Umwelt-Praktikum für fortgeschrittene Studenten [50]<br />
Nicht alle Themen <strong>des</strong> Umweltschutzes lassen sich in die klassischen Praktika der<br />
Allgemeinen, Anorganischen und Organischen Chemie integrieren. Deshalb wurde an<br />
der Fachhochschule Darmstadt ein spezielles Umweltchemie-Praktikum konzipiert, das<br />
sich in drei Teile gliedert, die von Studierenden nach dem Vordiplom unabhängig<br />
voneinander als zweiwöchige Blockkurse durchgeführt werden können.<br />
Der erste Teil beinhaltet Modellversuche zur Luft- und Wasserreinhaltung, zum<br />
Metall- und Polymerrecycling und zur Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Der<br />
zweite Teil bringt den Studierenden einige analytische Standardmethoden zur Untersuchung<br />
von Umweltbelastungen nahe. Im dritten Teil schließlich werden<br />
Modellversuche und kleine Forschungsprojekte zum Thema Bodensanierung bearbeitet.<br />
2.10.2.1 Modellversuche zur Umweltchemie<br />
Vor Beginn <strong>des</strong> Praktikums müssen sich die Studenten z.B. anhand der Fachliteratur in<br />
verschiedene Themen <strong>des</strong> Umweltschutzes einarbeiten und darüber ein Kolloquium<br />
ablegen. Dann führen sie die im folgenden beschriebenen Versuche durch und recyclen<br />
ihre Versuchsreste bzw. entsorgen sie fachgerecht im Sinne <strong>des</strong> praktikumintegrierten<br />
Umweltschutzes, denn ein Umweltchemie-Praktikum wäre didaktisch wenig sinnvoll,<br />
wenn es selbst zur Umweltverschmutzung beitrüge. Abschließend schreiben die<br />
Studenten einen Bericht über die erzielten Ergebnisse.<br />
Luftreinhaltung: Die Methode der Wahl zur Entfernung anorganischer Gase aus einem<br />
Luftstrom ist die Gaswäsche. Die Studenten erzeugen z. B. Cl 2 (aus KMnO 4 und HCl),<br />
SO 2 (aus Na 2 SO 3 und H 2 SO 4 ), H 2 S (aus FeS und H 2 SO 4 ) oder NH 3 (aus NH 4 Cl und<br />
NaOH oder aus dem im anorganischen Grundpraktikum anfallenden [Cu(NH 3 ) 4 ]SO 4 ⋅<br />
H 2 O und NaOH) und absorbieren es in einer geeigneten Waschflüssigkeit (NaOH für<br />
Cl 2 , SO 2 und H 2 S, Bildung von NaOCl/NaCl, Na 2 SO 3 , Na 2 S; H 2 SO 4 für NH 3 , Bildung<br />
von (NH 4 ) 2 SO 4 ). Die absorbierte Gasmenge wird iodometrisch oder acidimetrisch<br />
bestimmt. In der Regel wird mehr als 95 % der theoretisch möglichen Gasmenge in der<br />
Waschlösung wiedergefunden, womit die Effektivität der Gaswäsche bewiesen ist.
79<br />
Cyanidentgiftung: Cyanide spielen in der Technik eine große Rolle, z. B. bei der Goldund<br />
Silberlaugung oder in der Galvanikindustrie. Freies Cyanid lässt sich mit H 2 O 2 glatt<br />
zerstören:<br />
KCN + H 2 O 2 → KOCN + H 2 O<br />
Es bildet sich zunächst das etwa tausendmal weniger giftige Cyanat, das dann langsam<br />
zu Carbonat hydrolysiert. Im Modellversuch lässt sich im Eindampfungsrückstand einer<br />
mit H 2 O 2 behandelten Cyankalilösung IR-spektroskopisch kein Cyanid mehr<br />
nachweisen. (Wir ziehen die IR-Spektroskopie zur Analyse heran, um das Praktikum<br />
methodisch zu bereichern.)<br />
Genauso gut lässt sich Cyanid mit Hypochlorit zerstören:<br />
− NaOCl<br />
HO<br />
CN ⎯⎯⎯ → ClCN ⎯ ⎯ 2 → OCN<br />
Probleme können dabei allerdings auftreten, wenn das cyankalihaltige Wasser zusätzlich<br />
gelöste organische Stoffe enthält, die vom intermediär gebildeten Chlorcyan chloriert<br />
werden können, so dass toxische Folgeprodukte entstehen. Am Beispiel der Behandlung<br />
einer resorcinhaltigen KCN-Lösung mit NaOCl erkennen die Studenten, daß zwar mit<br />
der Cyanidoxidation ein Umweltproblem gelöst, dafür aber ein anderes kreiert wird,<br />
denn das zuvor an chlororganischen Verbindungen freie Wasser enthält nun signifikante<br />
Mengen davon, was durch eine AOX-Messung bestätigt wird. Dies kommt der Umwelt<br />
insgesamt natürlich nicht zugute. Die Entgiftung der resorcinhaltigen KCN-Lösung mit<br />
H 2 O 2 ist also das eindeutig bessere Verfahren, da hierbei überhaupt keine<br />
Chlorierungsprodukte entstehen können.<br />
An Schwermetallionen gebundenes Cyanid erfordert häufig den Einsatz eines<br />
Katalysators, um mit H 2 O 2 oxidiert werden zu können. Dies wird folgendermaßen<br />
demonstriert: Versetzt man eine ZnCl 2 - oder CdCl 2 -Lösung mit Soda, so fallen die<br />
Metallcarbonate aus. Die Fällung bleibt erwartungsgemäß aus, wenn die Metallkationen<br />
zuvor mit Cyanidionen unter Ausbildung der Komplexe [M(CN) 4 ] 2− maskiert wurden.<br />
Gibt man zu den sodahaltigen Komplexlösungen H 2 O 2 , passiert zunächst nichts. Erst<br />
nach Zugabe eines Tropfens CuSO 4 -Lösung setzt spontan eine Carbonatfällung ein. Dies<br />
kann dadurch erklärt werden, dass Cyanidionen auf das zweiwertige Kupfer übertragen<br />
werden, welches in einwertiges unter gleichzeitiger Bildung von Dicyan übergeht.<br />
Dieses wird von H 2 O 2 weiter- und das einwertige Kupfer zu zweiwertigem rückoxidiert,<br />
womit der Katalysezyklus geschlossen ist.<br />
Die ausgefallenen Metallcarbonate werden abfiltriert und mit HCl in die<br />
Ausgangsverbindungen ZnCl 2 und CdCl 2 übergeführt, so dass kein zu entsorgender<br />
Giftmüll übrig bleibt.<br />
5 [M(CN) 4 ] 2− + 4 Cu 2+ ⎯→⎯<br />
5 M<br />
2+ + 4 [Cu(CN) 4 ] 3− + 2 (CN) 2<br />
5 M 2+ 2−<br />
+ 5 CO 3 ⎯→⎯<br />
5 MCO3 ↓<br />
2 (CN) 2 + 2 H 2 O 2 + 4 OH − ⎯→⎯<br />
4 OCN<br />
− + 4 H 2 O<br />
4 [Cu(CN) 4 ] 3− 2+<br />
+ 18 H 2 O 2 ⎯→⎯<br />
4 Cu + 4 OH − + 16 OCN − + 16 H 2 O<br />
_____________________________________________________________<br />
[M(CN) 4 ] 3− 2−<br />
+ 4 H 2 O 2 + CO<br />
Cu 2+<br />
3 ⎯⎯⎯→ MCO 3 ↓ + 4 OCN − + 4 H 2 O<br />
Fotochemische Abwasserbehandlung: Besonders schwer abbaubare Verbindungen<br />
wie chlorierte Kohlenwasserstoffe oder Metall-EDTA-Komplexe können nur mit sehr<br />
-
80<br />
drastischen Oxidationsmethoden wie z. B. mit Ozon, UV-Licht, H 2 O 2 , Fotohalbleitern<br />
sowie Kombinationen davon zerstört werden. Die Studenten führen dazu drei Modellversuche<br />
durch. Zunächst versuchen sie, CaEDTA 2- in einer sodahaltigen Lösung mit<br />
H 2 O 2 zu zerstören. Dies gelingt erst nach mehreren Stunden und ist an einer leichten<br />
Trübung der Reaktionsmischung durch ausfallen<strong>des</strong> CaCO 3 zu erkennen. Wenn die<br />
H 2 O 2 /CaEDTA 2- -Mischung aber in einem UV-Tauchlampenreaktor mit einem<br />
Quecksilber-Hochdruckbrenner bestrahlt wird, bilden sich aus H 2 O 2 OH-Radikale, die<br />
aufgrund ihres großen Oxidationspotentials von 2.8 V das komplexgebundene EDTA<br />
zerstören, wodurch die Maskierung <strong>des</strong> Calciums aufgehoben und die Kalksteinbildung<br />
schon nach kurzer Zeit sichtbar wird.<br />
Eine mit CH 2 Cl 2 gesättigte wässrige Lösung (bereitet durch Schütteln von Wasser<br />
mit CH 2 Cl 2 und anschließender Phasentrennung) wird mit H 2 O 2 versetzt und bestrahlt.<br />
Nach wenigen Minuten lässt sich die beginnende Mieralisierung <strong>des</strong> chlorierten<br />
Kohlenwasserstoffs dadurch beweisen, dass bei Zugabe von AgNO 3 -Lösung weißes<br />
AgCl ausfällt.<br />
Abschließend zum Thema fotochemische Abwasserbehandlung verfolgen die<br />
Studenten den Abbau der Wasserinhaltsstoffe Phenol oder p-Toluensulfonsäure in<br />
Gegen-wart <strong>des</strong> Fotohalbleiters TiO 2 (P 25, Degussa und durchgeleiteter Luft in Abhängigkeit<br />
von der Bestrahlungsdauer. Der chemische Sauerstoffbedarf der Lösungen ist<br />
nach vierstündiger Bestrahlung auf etwa 50% der Ausgangswerte gesunken. Nur noch<br />
ca. 20 % <strong>des</strong> ursprünglich eingesetzten Phenols ist vorhanden bzw. der theoretisch<br />
möglichen Menge Sulfat (Spaltung der p-Toluensulfonsäure) ist entstanden.<br />
Der Abbau kann folgendermaßen erklärt werden: Durch Einwirkung von UV-Licht<br />
werden Elektronen aus dem Valenzband <strong>des</strong> TiO 2 in das Leitungsband angehoben. Die<br />
dadurch im Valenzband entstehenden positiven Löcher werden durch Elektronen aus<br />
dem Wasser aufgefüllt, wodurch Wasserradikale und durch anschließende Dissoziation<br />
Protonen und OH-Radikale entstehen. Diese bauen die organischen Wasserinhaltsstoffe<br />
dann über mehrere Zwischenstufen zu CO 2 und H 2 O ab. Luftsauerstoff begünstigt den<br />
Prozeß, indem er die angeregten Valenzelektronen abfängt.<br />
Den Studenten wird klargemacht, dass die Versuche zum fotochemischen Abbau<br />
von CH 2 Cl 2 , Phenol und p-Toluolsulfonsäure lediglich Modellcharakter haben. Will man<br />
die Wässer vollständig und schnell entgiften, wird man sicherlich auf die Methode der<br />
Adsorption an Aktivkohle zurückgreifen. Diese nutzen die Praktikanten auch aus, um<br />
die Versuchsreste zu konditionieren. Nach zehnminütigem Rühren mit pulverförmiger<br />
Aktivkohle weisen die klaren Filtrate praktisch keinen CSB mehr auf.<br />
Rückgewinnung von Metallen: Zum Thema Metallrecycling wird aus einer<br />
Röntgenplatte Silber gewonnen [51]. Zunächst wird die silberhaltige Gelatineschicht mit<br />
NaOH von der Trägerfolie abgespült. Die feinteilige Silbersuspension wird gekocht, um<br />
das Silber zu koagulieren und danach abzusaugen und zu waschen. Das Rohsilber wird<br />
zwecks Reinigung mit HNO 3 zu AgNO 3 gelöst, mit HCl zu AgCl gefällt und dieses,<br />
suspendiert in NaOH, mit Formaldehydlösung zu reinem Silber reduziert. Das<br />
formaldehydhaltige Filtrat wird mit H 2 O 2 entgiftet.<br />
Polymerrecycling: Drei polymere Gegenstände <strong>des</strong> täglichen Lebens werden nach vier<br />
verschiedenen Verfahren aufbereitet, um den Studierenden einige der zahlreichen<br />
Möglichkeiten der Polymerverwertung aufzuzeigen.
81<br />
Eine Polyethylenterephtalat-Getränkeflasche wird in kleine Stücke geschnitten und<br />
mit alkoholischer NaOH gekocht. Die starke Base zerlegt den Polyester in seine<br />
Grundbausteine, und Terephtalsäure und Ethylenglycol können in hoher Ausbeute<br />
isoliert werden [52].<br />
Ein Polystyren-Joghurtbecher wird in Toluen gebracht, worin sich das<br />
Grundpolymer löst, die aufgedruckten Farben jedoch unlöslich sind. Nach Filtration<br />
erhält man eine farblose Polystyrenlösung. Diese wird in Wasser dispergiert und die<br />
Dispersion <strong>des</strong>tilliert. Ein Wasser/Toluen-Azeotrop geht über, wodurch dem Polystyren<br />
das Lösungsmittel entzogen wird, so dass es agglomeriert und im Destillationskolben<br />
zusammen mit überschüssigem Wasser zurückbleibt. Es kann leicht isoliert und<br />
getrocknet werden.<br />
Zeitungspapier wird nach dem De-Inking-Verfahren mit H 2 O 2 gebleicht. Es<br />
resultiert eine breiige Masse, die nach dem Ausstreichen und Trocknen wie<br />
Sanitärpapier aussieht.<br />
In einem zweiten Versuch wird Zeitungspapier mit H 2 SO 4 behandelt, wobei es durch<br />
hydrolytische Spaltung der glycosidischen Bindungen <strong>des</strong> Cellulose-Grundpolymers zu<br />
einer Verzuckerung kommt. Der Zuckergehalt der Reaktionslösung wird iodometrisch<br />
bestimmt.<br />
2.10.2.2 Umweltanalytik<br />
Ziel <strong>des</strong> Teilpraktikums Umweltanalytik ist, den Studenten mit der Atomabsorptionsspektrometrie,<br />
UV-VIS-Spektralfotometrie und Polarografie drei instrumentellanalytische<br />
Methoden vorzustellen, die oft bei Routineuntersuchungen von Umweltproben<br />
eingesetzt werden. Die AAS ist ein universelles Verfahren, das vorwiegend zur<br />
Serienbestimmung von Schwermetallen verwendet wird und sich durch Einfachheit und<br />
Universalität auszeichnet. Die UV-VIS-Spektralfotometrie, ein dafür ebenfalls<br />
altbewährtes Verfahren, wird insbesondere im theoretischen Zusammenhang mit der<br />
AAS betrachtet. Die Polarografie unterscheidet sich prinzipiell von den anderen beiden<br />
Verfahren, wird ebenfalls häufig angewendet und kann vor allem zur Bestimmung<br />
mehrerer Elemente nebeneinander eingesetzt werden.<br />
Nachdem die Studenten ein Kolloquium über die theoretischen Hintergründe der<br />
Verfahren und die Bestimmungsmethoden abgelegt haben, werden sie in die<br />
Gerätetechnik eingeführt und bestimmen dann überwiegend Schwermetalle im ppm-<br />
Bereich. Zunächst werden einfache wässrige Lösungen, z. B. von Cu oder Pb, mit Hilfe<br />
<strong>des</strong> Standard-Eichkurvenverfahrens analysiert und daran anschließend Proben mit<br />
komplizierter Matrix auf ihren Schwermetallgehalt untersucht. Diese sind Abwasserproben<br />
vom Ein- und Auslauf der institutseigenen Kläranlage oder der konditionierten<br />
Restlösungen aus der Qualitativen Analyse (s. 2.1.1), die mit Hilfe <strong>des</strong> Additionsverfahrens<br />
bestimmt werden. Ferner sind Löslichkeitsprodukte schwerlöslicher Schwermetallverbindungen<br />
durch Restkonzentrationsmessungen zu berechnen und mit den<br />
theoretischen Werten zu vergleichen. Dies dient dazu, den Studierenden die<br />
Möglichkeiten und Grenzen der Fällungstechnik bei der Abwasserklärung zu<br />
verdeutlichen.
82<br />
2.10.2.3 Bodensanierung<br />
In einem Umweltchemie-Praktikum darf der Lebensbereich Boden nicht ausgespart<br />
werden, insbesondere da in letzter Zeit immer mehr Altlasten aufgedeckt werden, die<br />
eine Reinigung <strong>des</strong> Bodens erforderlich machen. Dies kann nur dann effektiv geschehen,<br />
wenn die Kontaminationen und der Fortgang der Sanierungsschritte analytisch genau<br />
bestimmbar sind. Standardisierte Verfahren dazu gibt es bislang allerdings nicht.<br />
Differenzen in der Analytik belasteter Böden führten sogar zu erheblichen<br />
Unsicherheiten bezüglich berichteter Schadstoffwerte und der Bewertung <strong>des</strong><br />
Untersuchungsgutes. Ziel eines Projektes an der Fachhochschule Darmstadt ist es daher,<br />
die Genauigkeit der Analytik durch automatisierte Bodenextraktion zu verbessern.<br />
Zweiergruppen von Studenten bearbeiten innerhalb von jeweils zwei Wochen<br />
Teilaspekte <strong>des</strong> Forschungsvorhabens. Dies ist didaktisch sinnvoll, zumal es primäres<br />
Ziel der <strong>Hochschule</strong> ist, die Auszubildenden zu selbständigem Problemlösen zu<br />
befähigen.<br />
Untersucht werden Standardböden der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland (Braunerde,<br />
Podsol), die zunächst durch Beregnungen mit kondensierten Aromaten, z.B. Anthracen<br />
oder Pyren, halogenierten Kohlenwasserstoffen (Lösungsmitteln), BTX-Aromaten und<br />
Phenolen, organischen Säuren, Nitroaromaten, Aminen und Heterocyclen gezielt<br />
kontaminiert und (zwecks besserer Benetzbarkeit) vermahlen mit Inertstoffen wie<br />
Kieselgel, Na 2 SO 4 oder CaF 2 in die Säule einer präparativen Mitteldruckchromatographieanlage<br />
gegeben werden. Es wird mit einer weiteren Säule mit der stationären<br />
Phase (Kieselgel Lichroprep Si 60 oder Al 2 O 3 ) verbunden und z. B. mit einem<br />
Dioxan/Wasser-Gemisch, <strong>des</strong>sen Zusammensetzung durch einen Graduentenmischer<br />
kontinuierlich beginnend mit reinem Dioxan und endend mit reinem Wasser geändert<br />
wird, eluiert. Die Bodenkontaminationen werden dabei in Abhängigkeit von ihren<br />
Polaritäten eluiert: zunächst die unpolaren kondensierten Aromaten, polychlorierten<br />
Biphenyle oder Hexachlorbenzen, später die polaren Stoffe wie Nitrobenzen oder<br />
Phenol. Die Eluate werden mit einem Fraktionssammler gesammelt, die einzelnen<br />
Fraktionen dann mittels Chromatographie (GC-ECD), UV-Spektroskopie oder<br />
Fluoreszenzspektrometrie auf ihre Inhaltsstoffe untersucht. Diese können abschließend<br />
auf definierten Festphasen abgestufter Polarität resorbiert werden.<br />
Die Studenten variieren Art und Menge der Kontamination(en) und die Extraktionsparameter<br />
und vergleichen die Effizienz der automatisierten Bodenextraktion mittels<br />
MPLE mit der der konventionellen Soxhlet- und Schüttelextraktion (Extraktions-mittel<br />
Toluen). Die Gruppen sind darauf angewiesen, die Erfahrungen der Vorgängergruppe zu<br />
erfragen und weiterzuverwerten. Da sie sich in kurzer Zeit in die Gedankenwelt der<br />
Projektproblemlösung einarbeiten müssen, sollten sie bereits über ausreichen<strong>des</strong> handwerkliches<br />
Können und Wissen verfügen, sich also im fortgeschrittenen Stadium ihrer<br />
Ausbildung befinden. Gelegentlich gehen die Projektarbeiten auch direkt in eine<br />
Diplomarbeit über. Über die Ergebnisse schreiben die Studenten einen Bericht im Stil<br />
einer Publikation. Besonderer Wert ist dabei darauf zu legen, die Ergebnisse kritisch in<br />
den Gesamtrahmen <strong>des</strong> Projektes einzuordnen.<br />
Ergänzend zu den Projektarbeiten können die Studenten auch folgernde<br />
Modellexperimente zur Bodensanierung durchführen [53].<br />
Bodenluftabsaugung: In eine Waschflasche wird Boden gegeben, der zuvor mit<br />
Benzin, Chlorbenzen oder Dichlormethan gemischt wurde. Der Ausgang der Waschflasche<br />
wird an das untere Ende eines Rohres angeschlossen, das mit gekörnter<br />
Aktivkohle gefüllt ist. Am oberen Ende <strong>des</strong> Rohres wird ein Schlauch zur
83<br />
Wasserstrahlpumpe befestigt, mit deren Hilfe Luft durch den kontaminierten Boden<br />
gesaugt wird. Die verdampfenden Lösemittel werden an der Kohle adsorbiert, was an<br />
deren Gewichtszunahme und Erwärmung der Adsorptionsrohres (Adsorptionswärme)<br />
sowie Abkühlung der Wasch-flasche mit Boden (Verdunstungskälte) zu erkennen ist.<br />
Bereits nach 10 Minuten ist etwa die Hälfte <strong>des</strong> Benzins bzw. Chlorbenzens und das<br />
gesamte Dichlormethan vom Boden entfernt und an der Kohle adsorbiert. Letzte Reste<br />
Lösungsmittel abzusaugen ist hingegen sehr zeitaufwendig und vielleicht wegen der<br />
aufzubringenden Pumpleistung schon mit einer negativen Ökobilanz behaftet.<br />
Hier lohnt es sich, die Studenten für Sinn und Unsinn <strong>des</strong> Beseitigens letzter<br />
Schadstoffreste zu sensibilisieren. Wir enden mit dem Fazit, dass es global gesehen<br />
günstiger wäre, unterentwickelte Länder mit Min<strong>des</strong>tstandards <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />
auszustatten, als in den modernen Industrienationen Emissionsgrenzen für Schadstoffe,<br />
die schon sehr niedrig liegen, immer noch weiter herabzusetzen.<br />
Thermische Bodenreinigung:<br />
Durch Destillation: In einen Kolben mit Destillationsbrücke und Vorlage wird Boden,<br />
der zuvor mit Benzin, Dichlormethan oder Chlorbenzen gemischt wurde, gegeben. Mit<br />
einem Ölbad oder Heizpilz wird erwärmt, so dass die Bodenkontamination verdampft<br />
und im Kühler wieder kondensiert. Die Lösemittel werden zu über 90 % recycelt.<br />
Durch Sublimation: In einem Kolben mit Sublimationsrohr wird Boden, der zuvor mit<br />
Naphthalin gemischt wurde, vorgelegt. Unter leichtem Vakuum wird mit einem Ölbad<br />
oder Heizpilz erwärmt, so dass die Bodenkontamination fast quantitativ sublimiert und<br />
im Kühler resublimiert.<br />
Heißdampfstrippen: In einem Kolben mit Destillationsbrücke und Vorlage wird<br />
Sandboden, der zuvor mit Phenol verrieben wurde, vorgelegt und mit Wasser versetzt.<br />
Dann wird die Flüssigkeit weitgehend über<strong>des</strong>tilliert. Mit einem Küvettentest wird die<br />
mit dem Wasserdampf übergetriebene Phenolmenge (min<strong>des</strong>tens 90 % <strong>des</strong> ursprünglich<br />
im Boden enthaltenen Phenols) bestimmt.<br />
Bodenverbrennung: In einer Porzellanschale wird Sandboden, der zuvor mit Phenol<br />
kontaminiert wurde, mit Petrolether versetzt und unter dem Abzug verbrannt. Die<br />
Verbrennungsgase werden über einen Glastrichter und mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe<br />
in eine Waschflasche mit Natronlauge gesaugt. Die Waschlösung wird dann mit<br />
Schwefelsäure leicht angesäuert, einer Wasserdampf<strong>des</strong>tillation unterzogen und das<br />
Destillat auf Phenol untersucht. Da kein und nur sehr wenig Phenol gefunden wird, kann<br />
geschlossen werden, dass dieses verbrannt und nicht nur durch die Wärmeentwicklung<br />
beim Verbrennen <strong>des</strong> Petrolethers verdampft ist. Der verbrannte Boden wird einer<br />
Wasserdampf<strong>des</strong>tillation unterzogen und das Destillat auf Phenol untersucht. Es sind<br />
noch 10-20 % der ursprünglichen Phenolmenge vorhanden. (Wenn dem Boden nach<br />
dem Abbrennen der ersten Portion Petrolether eine zweite zugegeben und erneut<br />
verbrannt wird, ist das Phenol fast quantitativ entfernt.)<br />
Entfernen einer Kupferkontamination durch Bodenwäsche: Waldboden oder<br />
Blumenerde (Hinweis: mit Sandboden funktioniert der Versuch nicht, da dieser kaum<br />
über schwermetallkomplexierende Huminsäuren verfügt) wird mit CuSO 4 -Lösung<br />
verrührt und an der Luft getrocknet. Ein Drittel <strong>des</strong> Bodens wird mit Wasser, ein Drittel<br />
mit Salzsäure und das letzte Drittel mit EDTA-Lösung 10 Minuten gerührt. Dann wird<br />
filtriert. Das erste Filtrat ist farblos, das zweite grün, das dritte blau. Dies bedeutet, dass<br />
Wasser allein die in Boden komplexierten Kupferionen nicht auswaschen kann. Säure<br />
führt hingegen zur Solubilisierung der Schwermetallionen, hier unter Bildung eines
84<br />
Cu(II)-Chlorokomplexes, und EDTA reinigt den Boden unter Bildung <strong>des</strong> löslichen<br />
CuEDTA 2− .<br />
Immobilisierung einer Kupferkontamination: Sandboden wird mit CuSO 4 -Lösung<br />
gemischt und getrocknet.<br />
Vergleichsversuch: Die Hälfte <strong>des</strong> kontaminierten Bodens wird 10 Minuten mit Wasser<br />
gerüht. Dann wird filtriert. Schon die blaue Farbe <strong>des</strong> Filtrates beweist die<br />
Auswaschbarkeit der Kupferionen.<br />
Immobilisierungsversuch: Die andere Hälfte <strong>des</strong> kontaminierten Bodens wird mit einer<br />
Suspension von CaO und Zement in Wasser gemischt. Dann wird an der Luft<br />
getrocknet, das trockene Material zermörsert und 10 Minuten mit Wasser gerührt. Dann<br />
wird filtriert. Im farblosen Filtrat sind keine Kupferionen nachweisbar.<br />
2.10.3 Umweltfreundlichere Experimentalvorlesung für<br />
Studienanfänger (in [54])<br />
Die Chemieausbildung an der Fachhochschule Darmstadt beginnt mit ihrem praktischen<br />
Pflichtteil erst im zweiten Semester. Im ersten Semester steht schwerpunktmäßig die<br />
Experimentalvorlesung in Anorganischer Chemie auf dem Programm. Da es ein<br />
wichtiges Anliegen ist, den Auszubildenden umweltbewusstes Verhalten und<br />
Fachkenntnisse zum Thema Chemie und Umweltschutz beizubringen, habe ich als der<br />
die Vorlesung haltende Dozent eine ganz besondere Vorbildfunktion in der Hinsicht,<br />
dass auch ich mich konsequent an das Verursacherprinzip halten muss und für die<br />
Aufbereitung der von mir während der Vorlesung produzierten Reste aus über 70<br />
Versuchen hafte. Wie dies geschieht, wird im folgenden beschriebenen.<br />
Die meisten Versuchsreste sind ökologisch unbedenklich und können verworfen<br />
werden. (Dies ist auch in Hinblick auf den Zeitaufwand <strong>des</strong> Experimentators wichtig!)<br />
Z. B. wird die Wasserstoffgewinnung aus Salzsäure und einem unedlen Metall nicht<br />
mehr wie früher unter Verwendung von Zink sondern von Magnesium durchgeführt. Die<br />
resultierende MgCl 2 -Lösung ist ungiftig und kann kanalisiert werden, während die<br />
ZnCl 2 -Lösung früher Sondermüll darstellte.<br />
Giftige Reste werden möglichst direkt im Anschluss an die Versuche aufbereitet,<br />
womit ganz klar zum Ausdruck gebracht wird, dass Chemie und Umweltschutz<br />
untrennbar zusammengehören.<br />
Beispielsweise werden ausgefällte Schwermetallsulfide abfiltriert und das noch<br />
sulfidhaltige Wasser mit H 2 O 2 entgiftet und dann weggeschüttet. (Das Wegschütten<br />
eines nach dem Stand der Technik behandelten Versuchsrestes in Gegenwart der<br />
Auszubilden-den halte ich für erzieherisch wichtig: Es wird Vertrauen in die Chemie zur<br />
Lösung von Umweltproblemen geschaffen und Handlungskompetenz vermittelt.)<br />
Wenn direktes Aufbereiten der Versuchsreste nicht möglich ist, wird zunächst<br />
sortenrein gesammelt. Am Ende <strong>des</strong> Kurses findet eine spezielle<br />
Recycling/Entsorgungs-Stunde statt, in der alle angefallenen Reste auf den<br />
Experimentiertisch gestellt und den Zuhörern die durchgeführten Versuche in<br />
Erinnerung gerufen werden (Repetitorium). Dann werden Aufarbeitungsschritte<br />
durchgeführt und daran Prinzipien der Abwasser-reinigung und <strong>des</strong> Recyclings<br />
vermittelt. Lediglich einige abfiltrierte, kompakte Schlämme, jedoch keine Lösungen,<br />
müssen als Sondermüll entsorgt werden. Die den Methoden zugrundeliegenden<br />
chemischen Prinzipien sind den Zuhörern aus voran-gegangenen Vorlesungen bekannt.<br />
Sie werden jetzt in den Dienst <strong>des</strong> Umweltschutzes gestellt (Transfer).<br />
Beispielsweise wird Petrolether, mit dem zuvor Iod extrahiert wurde und der<br />
<strong>des</strong>halb violett gefärbt ist, mit Thiosulfatlösung ausgeschüttelt. Die danach farblose
85<br />
organische Phase wird abgetrennt und kann im nächsten Jahr wiederverwendet werden.<br />
Reste aus der Demonstration <strong>des</strong> Chromat-Dichromat-Gleichgewichtes werden mit<br />
überschüssigem FeSO 4 versetzt, um das hochgiftige sechswertige Chrom zu reduzieren<br />
und das resultierende mindergiftige dreiwertige Chrom anschließend gemeinsam mit<br />
dem Eisen als Hydroxid auszufällen. Nach Filtration wird das schwermetallfreie Filtrat<br />
weggschüttet. Reste von elementarem Silber werden mit Salpetersäure in<br />
wiederverwertbares Silbernitrat übergeführt. Dazu wird die in Abbildung 29 gezeigete<br />
Apparatur verwendet, mit der die entstehenden nitrosen Gase aufgefangen und<br />
unschädlich gemacht werden können.<br />
zur Wasserstrahlpumpe<br />
Waschlösung (10%ige NaOH und etwas H 2 O 2 )<br />
Reaktionsmischung (Silber und konzentrierte Salpetersäure)<br />
Abb. 29: Recycling von Silbernitrat und Luftreinhaltung durch Gaswäsche<br />
Überrascht sind die Studenten auch, wenn sie sehen, dass das Wasser der Kupfersulfatlösung,<br />
die zu Beginn <strong>des</strong> Semesters zur Untersuchung von Kristallisationsvorgängen<br />
benutzt wurden, inzwischen verdunstet ist, so dass die schönen Kupfervitriolkristalle nur<br />
zusammengekratzt und in ein Präparategläschen abgefüllt werden müssen, um im<br />
nächsten Jahr erneut zum Einsatz zu kommen.<br />
Wenige Reste, deren Aufbereitungen im Rahmen der Vorlesung technisch zu<br />
kompliziert sind oder zu lange dauern, werden in die Stoffflüsse <strong>des</strong> anorganischen<br />
Praktikums eingeschleust und dort weiterverarbeitet.<br />
Z. B. wird das in der Vorlesung durch Zementation gewonnene Kupfer bei einer der<br />
zahlreichen Kupferaufbereitungen im Grundpraktikum mit verwertet.<br />
2.10.4 Praktische Ratschläge zum sicheren und umweltgerechten<br />
Umgang mit alten Chemikalien in der Schule [55]<br />
Der Chemielehrer hat die wichtige Aufgabe, jungen Menschen die Chemie als eine<br />
Wissenschaft nahezubringen, die sich naturgemäß mit vielen Gefahrstoffen beschäftigt,<br />
dies aber besonders sicherheits- und umweltbewusst tut.<br />
Wie jeder Ausbilder, hat auch der Chemielehrer eine Vorbildfunktion. Nur wenn er<br />
alle beim Experimentieren verwendeten Gefäße mit Reagenzien ordnungsgemäß nach<br />
der Gefahrstoffverordnung beschriftet, persönlichen Arbeitsschutzmaßnahmen wie<br />
Tragen von Kittel, Schutzbrille und Handschuhen Rechnung trägt und anfallende<br />
Versuchsreste fachgerecht behandelt, kann er den Auszubildenden glaubhaft machen,<br />
dass Chemie, Sicherheit und Umweltschutz zusammenpassen und auch zusammen<br />
gehören.
86<br />
Zum idealen Chemieunterricht gehört es konsequenterweise auch, dass der<br />
Vorbereitungsraum und die Chemikaliensammlung in einem einwandfreien Zustand<br />
sind, selbst wenn die Schüler hierzu nur selten Zugang haben. Ungeeignete, unkorrekt<br />
verschlossene oder fehlerhaft bzw. unbeschriftete Flaschen mit Inhalt darf es nicht<br />
geben. Alle Chemikalien müssen sorgfällig sortiert sein, getrennt nach Feststoffen und<br />
Flüssigkeiten, Anorganika und Organika, Säuren und Laugen etc.. Sie müssen<br />
inventarisiert sein und dürfen nur den Chemielehrern der Schule zugänglich sein.<br />
Ähnliches gilt für die Geräte. Auch diese müssen tadellos, sauber und aufgeräumt sein.<br />
Von diesem paradiesischen Zustand träumt wohl jeder Lehrer, doch klafft zwischen<br />
Wunsch und Wirklichkeit meistens eine große Lücke.<br />
Da ist die Natriumstange, vor einem Jahr erst gekauft, jetzt von einer dicken<br />
Oxid-/Carbonat-Kruste überzogen. Der rote Phosphor ist im Laufe der Zeit klebrig<br />
geworden, das Zinkchlorid-Hydrat zerlaufen. Verdächtig ist es auch, dass die Flasche<br />
mit dem Etikett „konz. HCl“ gar nicht mehr so stechend riecht. Ob das H 2 O 2 noch<br />
brauchbar ist, oder das Fixierbad aus der letzen Foto-AG? In der Abzugsecke steht eine<br />
1-L-Polyethenflasche, unbeschriftet, noch fast voll mit einer türkisblauen Lösung. War<br />
das nicht die CuSO 4 -Lösung, die im letzten Leistungskurs für einen Elektrolyseversuch<br />
gebraucht wurde. Wie war noch die Konzentration der Lösung?<br />
Weitere Beispiele für die kleinen Überraschungen im Schullabor ließen sich<br />
mühelos nennen.<br />
Hier setzte ein von der Deutschen Bun<strong>des</strong>stiftung Umwelt gefördertes Projekt zum<br />
Umweltschutz im Chemieunterricht an Schulen an. Es werden Möglichkeiten<br />
vorgeschlagen, wie alte Chemikalien aus Chemiesammlungen mit schulischen Mitteln<br />
auf ihre Qualität hin untersucht, ggf. gereinigt und dann - mit einer Spezifikation<br />
versehen - zur Weiterverwendung freigegeben werden können.<br />
Damit soll zunächst einmal dem Verursacherprinzip Rechnung getragen werden:<br />
Der Lehrer bringt im Unterricht Chemikalien in den Verkehr, also haftet er auch dafür.<br />
Sicherlich besteht die Möglichkeit, die angefallenen Reste nach bestimmten<br />
Kategorien zu sortieren und der Sondermüllentsorgung zu übergeben. Dies ist in den<br />
meisten Fällen die niedrigste Stufe <strong>des</strong> Umweltschutzes. Da der Lehrer es seinen<br />
Schülern beibringt, dass das direkte Verwerten von Resten heute vor dem stofflichen<br />
Recycling und dieses wiederum vor der Entsorgung rangiert, sollte er auch selbst<br />
entsprechend mit seinem angegammelten Natrium, der angebrochenen Salzsäure oder<br />
Kupfersulfatlösung verfahren.<br />
Dies spart zusätzlich Kosten für die Entsorgung und die Anschaffung neuer<br />
Chemikalien.<br />
In Anbetracht <strong>des</strong> hohen Lehrdeputats und der vielen sonstigen Verpflichtungen ist<br />
es auf jeden Fall verständlich, dass ein Lehrer den im folgenden beschriebenen,<br />
manchmal nicht unerheblichen Aufwand zur Aufbereitung und Qualitätskontrolle alter<br />
Chemikalien scheut.<br />
In dem Fall kann er „die Flucht nach vorne antreten“, „aus der Not eine Tugend<br />
machen“ und die Arbeiten geschickt in den Unterricht verlagern. Beispielsweise kann er<br />
seine alte Salzsäure titrieren, wenn er sowieso die Alkalimetrie behandelt. Er nutzt damit<br />
die Chance, den Schülern zu demonstrieren, dass das maßanalytische Verfahren nicht<br />
nur theoretisch interessant ist, sondern auch in den Dienst <strong>des</strong> Umweltschutzes gestellt<br />
werden kann, hier nämlich, um aus einer Altchemikalie eine Wertchemikalie zu machen.<br />
Sehr eindrucksvoll ist es für die Schüler sicherlich auch, wenn im Anschluss an die<br />
Besprechung der Schwarz-Weiß-Fotografie aus dem verwendeten Fixierbad elementares<br />
Silber recycelt wird. Hier lässt sich die Aufarbeitung eines Versuchsrestes ganz<br />
zwanglos damit verbinden, den Schülern die Fotobranche als Vorreiter sowohl der<br />
Aufbereitung schwermetallhaltiger Abwässer, als auch <strong>des</strong> Recyclings von Metallen
87<br />
vorzustellen, und ihnen gleichzeitig zu vermitteln, wie Ökonomie und Ökologie sich<br />
sinnvoll ergänzen können. Denn bei dem Versuch wird ein Wertstoff gewonnen und<br />
gleichzeitig ein Abwasser entgiftet. Nicht hoch genug einzuschätzen ist es schließlich,<br />
dass die Schüler unwillkürlich mitbekommen, dass Chemie und Umweltschutz<br />
irgendwie zusammen gehören.<br />
Besonders gut lassen sich Recyclingmethoden und solche der Qualitätskontrolle in<br />
Arbeitsgemeinschaften oder an Projekttagen verwirklichen. Kurz: mit etwas Phantasie<br />
wird jeder Lehrer einen Weg finden, wie aus der auf den ersten Blick lästigen<br />
Aufbereitung von Altchemikalien ein inhaltlicher, methodischer und didaktischer<br />
Gewinn für seinen Unterricht erzielt werden kann.<br />
Von den zahlreichen „Praktischen Ratschlägen“, die wir publiziert haben, seinen<br />
hier exemplarisch nur einige angeführt.<br />
Reste von rotem Phosphor: Wenn Phosphor nicht luftdicht verschlossen aufbewahrt<br />
wird, bildet sich an seiner Oberfläche allmählich P 4 O 10 . Dieses bekanntermaßen sehr<br />
hygroskopische Oxid zieht Luftfeuchtigkeit an und geht dabei in Oligo- und<br />
Polyphosphorsäuren und schließlich in ortho-Phosphorsäure über, die das gesamte<br />
Material verkleben, so dass es sich bei den geplanten Verbrennungsversuchen nur noch<br />
schwer oder gar nicht mehr entzünden lässt. Die Aufbereitung eines pampigen roten<br />
Phosphors ist recht einfach. Er wird mit Wasser gewaschen, ggf. in einer Reibschale mit<br />
Wasser verrieben, um die Phosphorsäuren abzulösen. Der Phosphor wird abgesaugt und<br />
im Exsikkator im Vakuum über wasserfreiem CaCl 2 getrocknet. Der trockene Phosphor<br />
ist pulvrig, wird in einem gut verschlossenen Glasgefäß aufbewahrt und ist im Unterricht<br />
wieder universell einsetzbar.<br />
Silbergewinnung aus gebrauchten Fixierbädern: Ein gebrauchtes Fixierbad wird mit<br />
überschüssiger Natriumdithionit-Lösung versetzt. Es entstehen Natriumsulfit und<br />
elementares Silber, das sich langsam am Boden <strong>des</strong> Reaktionsgefäßes absetzt. Die<br />
Vollständigkeit der Reaktion wird geprüft, indem 1 mL <strong>des</strong> überstehenden Wassers<br />
entnommen und mit einem Tropfen Na 2 S-Lösung versetzt wird. Es darf sich kein<br />
grauschwarzes Silbersulfid bilden. Sonst muss weiteres Na 2 S 2 O 4 zu dem Fixierbad<br />
gegeben werden. Das Silber wird abfiltriert, gründlich mit Wasser gewaschen und weiter<br />
verwendet, z. B. mit HNO 3 in AgNO 3 übergeführt. Das silberfreie Filtrat wird<br />
weggeschüttet.<br />
Aufbereitung zerflossener bzw. steinharter Salze: Salzhydrate wie CaCl 2 ⋅6H 2 O oder<br />
MgCl 2 ⋅6H 2 O oder stark hygroskopische Salze wie ZnCl 2 oder NH 4 OAc neigen dazu, im<br />
Laufe der Zeit zu zerfließen. Der Direkteinsatz derartig matschiger Materialien ist zwar<br />
möglich, aber wenig motivierend. Besser ist es daher, die zerlaufenen Massen mit<br />
möglichst wenig Wasser vollständig aufzulösen, die Lösungen in passende Messkolben<br />
zu spülen und diese bis zur Eichmarke aufzufüllen. Cu(NO 3 ) 2 ⋅3H 2 O bildet bei langen<br />
Stehen häufig eine steinharte Masse, die aus dem Vorratsgefäß kaum herausgekratzt<br />
werden kann, die gelegentlich sogar das Vorratsgefäß sprengt. Auch hier ist es das<br />
Beste, das Salz aufzulösen und die Lösung in einem Messkolben auf ein definiertes<br />
Volumen zu bringen. Nach ihren Gehaltsbestimmungen können die Lösungen verwendet<br />
werden.<br />
Lösungen mit begrenzter Haltbarkeit: Schweflige Säure verliert in nicht vollständig<br />
dichten Flaschen durch Ausdampfen von SO 2 und Oxidation mit Luftsauerstoff zu<br />
Schwefelsäure an Gehalt. Wenn kein stechender Geruch mehr vorhanden ist und
88<br />
Iod/Kaliumiodid/Stärke-Lösung nicht entfärbt wird, ist die Lösung unbrauchbar und<br />
wird ins Abwasser gegeben. Eine Chlorbleichlauge zersetzt sich im Laufe der Zeit zu<br />
NaCl und Sauerstoff. Wenn 3 mL einer mit Schwefelsäure angesäuerten Methylorange-<br />
Lösung durch 1 mL der Lauge nicht mehr entfärbt (gebleicht) wird, ist diese<br />
unbrauchbar und wird ins Abwasser gegeben. Wasserstoffperoxid zersetzt sich<br />
allmählich zu Wasser und Sauerstoff. Als Funktionstest eignet sich folgende<br />
Vorgehensweise: In einem 50-mL-Becherglas wird eine Spatelspitze Braunsteinpulver<br />
vorgelegt und tropfenweise mit der zu prüfenden Lösung versetzt. Kommt es zu keiner<br />
oder nur zu einer sehr schwachen Gasentwicklung, so ist die Lösung nicht mehr zu<br />
gebrauchen und wird weggeschüttet.<br />
2.10.5 Ökologische Aspekte im Quantitativen Praktikum [56]<br />
Das Konzept <strong>des</strong> neuen, bis auf wenige Feststoffe abfallfreien Praktikums basiert auf<br />
folgenden Überlegungen:<br />
• Hauptziel der Quantitativen Analyse ist das Erlernen analytischer Methoden,<br />
Arbeitstechniken und Denkweisen, weniger (wie in der Qualitativen Analyse) das<br />
Kennenlernen von Stoffen, ihrer Eigenschaften und Reaktionen. Die Versuche<br />
können daher häufig mit ungiftigen oder zumin<strong>des</strong>t leicht zu entsorgenden oder zu<br />
recyclierenden Chemikalien durchgeführt werden, ohne dass methodische und<br />
affektive Lernziele beeinträchtigt werden (Ersatzstoffprinzip).<br />
• Unverbrauchte Proben- und Maßlösungen werden an die Analysenausgabe<br />
zurückgegeben und auf Wiedereinsetzbarkeit geprüft (Verwertungsprinzip).<br />
• Anfallende Reste werden getrennt gesammelt. Feststoffe können - wenn ausreichende<br />
Mengen zusammengekommen sind - weiterverwendet oder in gängige<br />
Ausgangschemikalien rückverwandelt werden (Recycling; dies erfolgt in der Regel<br />
im Anorganisch-Präparativen Praktikum). Filtrate und Reaktionslösungen werden<br />
weiterbehandelt. Die nötigen Verfahrensschritte sind für die jeweiligen Inhaltsstoffe<br />
maßgeschneidert (Entsorgung).<br />
• Die Studenten führen die Aufarbeitungs- und Entsorgungsarbeiten selbst durch<br />
(Verursacherprinzip). Dafür ist ausreichend Zeit reserviert.<br />
Im folgenden wird das Konzept <strong>des</strong> Praktikums, das sich in einen Pflicht- (Tabelle 4)<br />
und einen Wahlpflichtteil (Tabelle 5) gliedert, an einzelnen Beispielen näher erläutert.<br />
2.10.5.1 Pflichtteil<br />
Jeder Praktikumsteilnehmer muss zunächst die wichtigsten Standardmethoden der<br />
Quantitativen Analyse kennen lernen (Tabelle 4). Er erhält Proben, deren Gehalt er<br />
bestimmen muss. Die Analysenergebnisse werden benotet.
89<br />
Tabelle 4: Pflichtprogramm Quantitative Analyse<br />
Pflichtprogramm Quantitative Analyse<br />
_______________________________________________________________________<br />
1. Säure/Base-Titrationen<br />
- NaOH oder Na 2 CO 3 mit HCl, Farbindikation<br />
- HCl und HAc mit NaOH, konduktometrische Auswertung<br />
- H 3 PO 4 mit NaOH nach vorausgegangenem Ionenaustausch<br />
- Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl<br />
2. Gravimetrie<br />
- Veraschen und Glühen: Eisen als Fe 2 O 3 oder Barium als BaSO 4<br />
- organische Fällungsreagenzien:<br />
Ca als Oxalat, Al als Oxinat, Zn als Anthranilat oder Ni als Ni(dmglH) 2<br />
3. Fällungstitrationen<br />
- Chlorid nach Fajans<br />
- Iodid/Chlorid potentiometrisch<br />
4. Redoxtitrationen<br />
- Perborat oder Percarbonat iodometrisch<br />
- Perborat oder Percarbonat permanganometrisch<br />
5. Komplexometrie<br />
- Ca/Mg mit EDTA<br />
6. Fotometrie<br />
- Cu als [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />
7. Elektrogravimetrie<br />
- Cu durch kathodische Abscheidung<br />
Säure/Base-Titrationen: Titrationen von NaOH oder Na 2 CO 3 mit HCl-Maßlösung in<br />
Gegenwart geeigneter Farbindikatoren oder von HCl und HAc mit NaOH-Maßlösung<br />
mit konduktometrischer Auswertung sind besonders einfach durchzuführen und sollten<br />
daher zu Beginn <strong>des</strong> Praktikums durchgeführt werden. Die austitrierten Lösungen<br />
enthalten ökologisch unbedenkliche Salze (NaCl, NaAc) und können verworfen werden.<br />
Dies gilt auch für Reste aus der alkalimetrischen Bestimmung von Phosphorsäure nach<br />
voraus-gegangenem Ionenaustausch sowie der Bestimmung von Ammoniak nach<br />
voraus-gegangenem Kjeldahl-Aufschluß einer organischen Verbindung. Im ersten Fall<br />
wird zum Schluß <strong>des</strong> Versuchs das mit Natriumionen beladene Austauscherharz mit ca.<br />
3-molarer Salzsäure regeneriert, im zweiten Fall wird die alkalisierte Aufschlusslösung<br />
von ausge-fällten Kupferverbindungen (Katalysator) durch Filtration befreit und<br />
verworfen. Der Filterrückstand wird gewaschen und mit Schwefelsäure zu CuSO 4 gelöst<br />
und als Kupfervitriol kristallisiert.<br />
Gravimetrie: Die gravimetrische Bestimmung von Eisen als Fe 2 O 3 oder von Barium als<br />
BaSO 4 sind geeignet, um die Auszubildenden mit den Arbeitstechniken Veraschen und<br />
Glühen vertraut zu machen. Die dabei anfallenden Endprodukte sind hochrein und<br />
können z. B. in der Qualitativen Analyse zum Üben <strong>des</strong> sauren bzw. basischen<br />
Aufschlusses weiterverwendet werden. Die Filtrate sind metallionenfrei und können in<br />
den Ausguss geschüttet werden. (Soll Sulfat als BaSO 4 bestimmt werden, muss das
90<br />
Filtrat mit Schwefelsäure oder Soda nachbehandelt werden, um die überschüssigen<br />
Bariumionen - aus dem Fällungsmittel BaCl 2 - zu entfernen.)<br />
Eine grundsätzlich andere Art gravimetrischer Analyse kann am Beispiel der<br />
Bestimmung von Calcium als -Oxalat, Aluminium als -Oxinat, Zink als -Anthranilat<br />
oder Nickel als Nickeldiacetyldioximat, Ni(dmglH) 2 , vermittelt werden. Hier werden<br />
organische Reagenzien als Fällungsmittel verwendet. Die erhaltenen Produkte können<br />
im Präparativen Praktikum verwendet werden: CaC 2 O 4 kann über CaCO 3 zu CaO<br />
pyrolysiert (Kalkbrennen) und danach in Wasser suspendiert als Kalkmilch verwendet<br />
oder mit Salzsäure zu CaCl 2 gelöst werden. Aluminiumoxalat und Zinkanthranilat lassen<br />
sich in Gegenwart von Cobaltverbindungen bei Temperaturen zwischen 600 und 1000<br />
°C in Thénards Blau, CoAl 2 O 4 , bzw. Rinmanns Grün, ZnCo 2 O 4 überführen. Ni(dmglH) 2<br />
zerfällt mit Salzsäure in Nickelchlorid und Diacetyldioxim. Beide Stoffe können isoliert<br />
werden, was präparativ sehr anspruchsvoll ist. Die überschüssigen organischen<br />
Fällungsmittel befinden sich am Ende der Analyse im jeweiligen Filtrat.<br />
Oxalsäurehaltiges Wasser kann verworfen werden, da der Stoff gut abbaubar ist. 8-<br />
Hydroxichinolin und Anthranilsäure lassen sich dem angesäuerten Wasser durch<br />
Adsorption an eingerührter Aktivkohle quantitativ entziehen. Zur vollständigen<br />
Entfernung von Diacetyldioxim aus dem angesäuerten Filtrat ist der Einsatz von H 2 O 2<br />
und Aktivkohle erforderlich (Kombination von oxidativer Zerstörung <strong>des</strong> Moleküls und<br />
Adsorption). Die Abwasserbehandlungen lassen sich problemlos im 4-5 Liter-Maßstab<br />
durchführen, wenn mehrere Studenten ihre Versuchsreste gesammelt haben.<br />
Fällungstitrationen: Schon aus der Qualitativen Analyse ist den Studenten die Fällung<br />
von Chlorid, Bromid und Iodid mit Silberionen bekannt. Es ist daher didaktisch sinnvoll,<br />
diese auch zur quantitativen Bestimmung der Ionen heranzuziehen. Geeignet ist die<br />
Fällungstitration (AgNO 3 -Maßlösung) der Halogenide nach Fajans oder die<br />
Parallelbestimmung von Iodid und Chlorid mit potentiometrischer Indikation. Die<br />
Reaktionslösungen werden mit etwas Salzsäure versetzt, um überschüssige Ag + -Ionen<br />
zu fällen, die Niederschläge werden abgesaugt, gewaschen und mit Soda als Flußmittel<br />
und Kohle als Reduktionsmittel bei 1100 °C zu einem Silberregulus niedergeschmolzen,<br />
der anschließend mit Salpetersäure in wiederverwertbares AgNO 3 übergeführt werden<br />
kann.<br />
Redoxtitrationen: Die vielseitigste Redoxtitrationsmethode ist die Iodometrie. Sie kann<br />
den Studierenden z. B. durch eine Chromat- oder Peroxid-Bestimmung vermittelt<br />
werden. Aus ökologischen Gründen sollte im Standardprogramm <strong>des</strong> Praktikums auf die<br />
Analyse hochgiftiger Chromverbindungen verzichtet werden. Bei der Ermittlung <strong>des</strong><br />
Aktivsauerstoffgehalts von Natriumperborat oder -percarbonat kommen hingegen nur<br />
Oxidationsmittel zum Einsatz, die den Studenten auch im täglichen Leben als<br />
Waschmittelinhaltsstoffe begegnen. Ökologisch sinnvoll und präparativ lehrreich ist die<br />
Rückgewinnung <strong>des</strong> teuren Iods aus den austitrierten Reaktionslösungen. Diese werden<br />
mit Schwefelsäure leicht angesäuert und mit H 2 O 2 versetzt, wobei Iodid zu Iod oxidiert<br />
wird. Die Studenten erkennen hier, dass die gleiche Reaktion, die der H 2 O 2 -Bestimmung<br />
dient, auch zum Iodrecycling verwendet werden kann (Transfer). Das ausgefallene Iod<br />
wird abgesaugt, getrocknet und durch Sublimation gereinigt. Abschließend werden dem<br />
Filtrat die geringen Mengen noch gelösten Iods durch Adsorption an eingerührter<br />
Pulver-kohle entzogen. Diese Verfahrensschritte führt jeder Student direkt nach<br />
Beendigung der Analyse selbst durch.<br />
Die Perborat- oder Percarbonat-Bestimmung kann auch permanganometrisch<br />
erfolgen. Das siebenwertige Mangan oxidiert den peroxidischen zum elementaren<br />
Sauerstoff und geht dabei selbst ins zweiwertige über. Die austitrierten Reaktions-
91<br />
lösungen werden gesammelt und im 4-5-Liter-Maßstab mit Natronlauge und etwas H 2 O 2<br />
versetzt, um Braunstein auszufällen. Die zum anschließenden Absaugen verwendete<br />
Nutsche wird vorab mit einer Schicht Kieselgur belegt, die das Durchlaufen <strong>des</strong><br />
feinteiligen MnO 2 -Schlamms durch das Filterpapier und ein Verstopfen der Filterporen<br />
verhindert.<br />
Komplexometrie: Eine wichtige komplexometrische Bestimmung ist die Ermittlung der<br />
Wasserhärte. Zunächst wird der Gesamtgehalt der Wasserprobe an Ca- und Mg-Ionen<br />
durch Titration mit EDTA-Maßlösung unter Verwendung einer Indikatorpuffertablette<br />
ermittelt. In einem zweiten Versuch wird Magnesium mit Natronlauge als Hydroxid<br />
gefällt und Calcium mit EDTA-Maßlösung und Calconcarbonsäure als Indikator<br />
bestimmt. Der Mg-Gehalt ergibt sich aus der Differenz beider Ergebnisse. Im Hinblick<br />
auf die großen Mengen EDTA, die täglich mit Reinigungsmitteln in das Abwasser<br />
gelangen, ist es zu verantworten, alle Versuchsreste in den Ausguss zu schütten.<br />
Fotometrie: Die Reaktion von Cu 2+ -Ionen mit Ammoniak zu tiefblauem [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />
ist aus der Qualitativen Analyse als Kupfernachweis bekannt und eignet sich auch zur<br />
fotometrischen Bestimmung <strong>des</strong> Kupfergehalts einer Lösung. Die Extinktion der<br />
Probelösung wird gemessen und anhand einer Eichgeraden mit einer Cu-Konzentration<br />
korreliert. Die Komplexlösungen werden an Ende <strong>des</strong> Versuchs vereinigt und mit<br />
Schwefelsäure soweit angesäuert, daß die tiefblaue Farbe verschwindet (Protonierung<br />
der Ligandmoleküle, dadurch Zerstörung <strong>des</strong> Komplexes) und die für Kupfervitriol<br />
typische Farbe resultiert. (So wird auch das Ausdampfen von Ammoniak verhindert).<br />
Wenn 4-5 Liter zusammengekommen sind, wird die CuSO 4 -Lösung mit überschüssigem<br />
Eisenpulver versetzt, um elementares Kupfer zu zementieren. Das Abwasser wird<br />
dadurch von den giftigen Schwermetallionen befreit und kann verworfen werden.<br />
(Dieser Versuch zeigt außerdem, dass sich Ökologie und Ökonomie durchaus positiv<br />
ergänzen können: Im Wasser werden giftige Kupferionen gegen ungiftige Eisenionen<br />
ausgetauscht; aus dem billigen Eisen wird wertvolles Kupfer gewonnen!) Die<br />
Kupferflocken werden später in CuSO 4 ⋅5H 2 O umgewandelt.<br />
Elektrogravimetrie: Um das Praktikum methodisch zu erweitern, wird die elektrogravimetrische<br />
Bestimmung von Kupfer durchgeführt. Das Element wird aus einer<br />
CuSO 4 -Lösung katodisch abgeschieden und die Elektrode gewogen. Das Metall wird<br />
anschließend mit Salpetersäure von dieser wieder abgelöst. Die resultierende<br />
Kupfernitratlösung wird in die Stoffflüsse <strong>des</strong> Präparativen Praktikums eingeschleust<br />
und mit anderen Kupferresten auf Kupfervitriol aufbereitet.<br />
2.10.5.2 Wahlpflichtteil<br />
Nach Abschluss <strong>des</strong> Pflichtteils müssen die Praktikanten die Analyse eines technischen<br />
Produktes oder Minerals durchführen, dazu wahlweise die Elementaranalyse eines<br />
recycelten Präparates erstellen oder an einem Ringversuch teilnehmen (Tabelle 5).
92<br />
Tabelle 5: Wahlpflichtprogramm Quantitative Analyse<br />
Wahlpflichtprogramm Quantitative Analyse<br />
_______________________________________________________________________<br />
1. Analyse eines technischen Produkts oder Minerals<br />
z. B. Stahl, Messing, Bronze, Eisenerz, Dolomit<br />
2. Erstellung einer Elementaranalyse<br />
z. B. von recyceltem CuSO 4 , AgNO 3 , MnO 2 , PbCl 2 , NiCl 2 , CoCl 2<br />
3. Teilnahme an einem Ringversuch<br />
z. B. Bestimmung von NH 3 , NaOH, HCl, H 2 O 2 , SO 2 , H 2 S, NaOCl<br />
Analyse eines technischen Produktes oder Minerals: Zur Analyse eines Stahls,<br />
Messings oder einer Bronze oder eines Eisenerzes oder Dolomitgesteins müssen<br />
spezielle Trenn- und Bestimmungsverfahren erarbeitet werden. Dabei ist gelegentlich<br />
der Einsatz von Analysemethoden erforderlich, die aus dem Pflichtteil <strong>des</strong> Praktikums<br />
noch nicht bekannt sind. Dies führt nicht nur zu einer methodischen Erweiterung <strong>des</strong><br />
Gesamt-praktikums, sondern ist auch erzieherisch wichtig, da die Studenten sich jetzt<br />
eigenver-antwortlich überlegen müssen, wie sie der Aufarbeitung der anfallenden<br />
Versuchsreste Rechnung tragen. (Die Analyse wird vom Laborleiter erst zur Bearbeitung<br />
freigegeben, wenn ein detaillierter Analysen- und Entsorgungs- bzw. Recyclingplan<br />
vorliegt). Dies sei an zwei Beispielen erläutert.<br />
Eisengehalte können permanganometrisch oder fotometrisch bestimmt werden, je<br />
nachdem, ob das Eisen als Haupt- oder Nebenbestandteil vorliegt. Im ersten Fall muss<br />
dreiwertiges Eisen mit schwefliger Säure in zweiwertiges übergeführt und das überschüssige<br />
Reduktionsmittel verkocht werden, bevor in Gegenwart von Reinhardt-<br />
Zimmermann-Lösung (enthält H 3 PO 4 und MnSO 4 ) mit KMnO 4 -Maßlösung wieder<br />
oxidiert wird. Die austitrierte Lösung, die Mn 2+ - und Fe 3+ -Ionen enthält, wird<br />
anschließend mit Natronlauge versetzt, um die Metallhydroxide auszufällen und durch<br />
Filtration über Kieselgur dem Abwasser zu entziehen (s.o.).<br />
Fotometrisch kann dreiwertiges Eisen (ggf. muss zweiwertiges vorab mit Salpetersäure<br />
oxidiert werden) z.B. mit 5-Sulfosalicylsäure bestimmt werden. In alkalischer<br />
Lösung bildet sich ein gelber Komplex mit einem Absorptionsmaximum bei 430 nm.<br />
Die Giftigkeit <strong>des</strong> Ligandmoleküls (Wassergefährdungsklasse 2) und seine hohe<br />
Stabilität machen eine Nachbehandlung <strong>des</strong> Abwassers mit recht drastischen Mitteln<br />
erforderlich: Ansäuern mit Schwefelsäure auf pH 1-2, Zugabe von Aktivkohle und H 2 O 2<br />
und Aufkochen, was in Anbetracht der recht großen Flüssigkeitsmenge von ca. 700 mL<br />
pro Analyse recht energieintensiv ist. Nach Filtration darf das Filtrat beim Alkalisieren<br />
nicht mehr gelb werden.<br />
Chromgehalte können z. B. iodometrisch ermittelt werden. Vorab ist sicherzustellen,<br />
dass das Chrom in der sechswertigen Form vorliegt (ggf. Oxidation von Cr 3+ mittels<br />
H 2 O 2 im alkalischen oder mit (NH 4 ) 2 S 2 O 8 im sauren Medium) Bei der iodometrischen<br />
Analyse liegen am Ende Cr 3+ - neben I − - und S 4 O 2− 6 -Ionen in saurer Lösung vor. Durch<br />
Neutralisation (pH 7-8) kann das Chrom als Cr(OH) 3 gefällt und über Kieselgur<br />
abfiltriert, aus dem Filtrat mit H2O 2 elementares Iod gewonnen werden (s. o).<br />
Qualitätskontrolle recycelter Chemikalien: Die Wiedergewinnung gebräuchlicher<br />
Ausgangsverbindungen aus Praktikumpräparaten, Filtraten und Mutterlaugen ist - wie<br />
bereits erwähnt - Bestandteil unserer Praktika. Bevor ein recycliertes CuSO 4 , AgNO 3 ,<br />
MnO 2 , PbCl 2 , NiCl 2 oder CoCl 2 jedoch für eine Wiederverwendung im Präparativen
93<br />
Praktikum freigegeben wird, muß es einer sorgfältigen Qualitätskontrolle unterzogen<br />
werden. Hier bieten sich Metallgehaltsbestimmungen mit Methoden der Quantitativen<br />
Analyse geradezu an, und die ausführenden Studenten übernehmen eine persönliche<br />
Haftung für das recycelte Produkt (s. 2.7.4).<br />
Ringversuche und statistische Versuchsauswertung: Im Praktikum fallen immer<br />
wieder Reste von Säuren und Basen an, deren Gehalte vor einer Weiterverwertung<br />
bekannt sein sollten und alkalimetrisch bzw. acidimetrisch bestimmbar sind. Außerdem<br />
werden für Abwasserbehandlungen häufig Lösungen von H 2 O 2 , SO 2 , H 2 S oder NaOCl<br />
benötigt. Da diese nicht beständig sind, müssen sie von Zeit zu Zeit auf ihren Restgehalt<br />
hin untersucht werden. Dies kann iodometrisch erfolgen. Entsprechende Versuche<br />
werden von 5-10 Studenten nach vorgegebenen Vorschriften durchgeführt. Die<br />
Ergebnisse werden gesammelt und interpretiert. Durch diese Vorgehensweise wird die<br />
Ausbildung um das in der chemischen Industrie zunehmend wichtige Element<br />
‘Ringversuch’ erweitert, und die Studenten werden mit Methoden der statistischen<br />
Versuchsauswertung (Messwertverteilung, -streuung, Mittelwertbildung, Berechnung<br />
der Standardabweichung, Beurteilen von Ausreißern, etc.) vertraut [57].<br />
2.10.6 Ökologische Aspekte in einem Anorganisch-Analytischen<br />
Fortgeschrittenenpraktikum [58]<br />
Im Folgenden werden zwei Versuche für fortgeschrittene Studenten an der Universität,<br />
die die Grundlagen der qualitativen und quantitativen Analyse und anorganischpräparative<br />
Arbeitstechniken beherrschen, beschrieben. Zum Nachstellen der recht<br />
schwierigen experimentellen Arbeiten sind jeweils 7-8 Praktikumstage erforderlich.<br />
Die Bleigewinnung aus Bleiglanz ist als Beispiel für ein carbothermisches<br />
Röstreduktionsverfahren gewählt, die Kupfergewinnung aus Kupferkies durch<br />
Zementation nach vorherigem Schwefelsäure-Aufschluss als Beispiel für ein<br />
hydrometallurgisches Verfahren.<br />
Die beschriebenen Versuche vermitteln den Studenten nicht nur anspruchsvolle<br />
analytische und präparative anorganische Chemie, sondern auch ein tieferes Verständnis<br />
für die Denkweise in der chemischen Industrie. Eine Produktion kann nur gestartet<br />
werden, wenn die Qualität der Rohstoffe gesichert ist. Deshalb ist deren Eingangskontrolle<br />
zwingend erforderlich. Das Verfahren selbst muss den Belangen <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />
gerecht werden. Schadstoffemissionen in Luft und Wasser sind verboten und<br />
entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Schließlich steht und fällt ein Herstellungsverfahren<br />
mit der Ausbeute und Qualität <strong>des</strong> erzeugten Produktes. Erste ist notfalls zu<br />
optimieren, letztere mit analytischen Methoden zu bestimmen. Erst wenn ein Produkt die<br />
geforderte Spezifikation erfüllt, darf es für den Verbrauch freigegeben werden. Und so,<br />
wie in der chemischen Industrie das Verursacherprinzip gilt, nach dem der Produzent für<br />
seine Produktion und seine Produkte haftet, haben sich auch die Studenten um die<br />
fachgerechte Aufbereitung aller anfallenden Versuchsreste konsequent zu kümmern.<br />
Analyse eines Bleierzes: In dem verwendeten Bleiglanz (Galenit) aus dem ehemaligen<br />
Blei-Zink-Revier Bad Ems (Rheinland-Pfalz) lassen sich mit Methoden der Qualitativen<br />
Analyse neben den Hauptbestandteilen Pb und S die Elemente Fe, Zn und Mn eindeutig<br />
nachweisen. Für die quantitative Bestimmung der einzelnen Metalle wird folgender<br />
Analysengang beschritten:
94<br />
- Aufschluss mit HCl, Rückstandsbestimmung ⇒ 2.9 % Rückstand<br />
- gravimetrische Bestimmung von Pb als PbSO 4 ⇒ 76.6 % Pb<br />
- gravimetrische Bestimmung von Fe als Fe 2 O 3<br />
im Filtrat der Bleibestimmung ⇒ 1.8 % Fe<br />
- gravimetrische Bestimmung von Zn als Oxinat<br />
im Filtrat der Eisenbestimmung ⇒ 0.5 % Zn<br />
- gravimetrische Bestimmung von Mn als Oxinat<br />
im Filtrat der Zinkbestimmung ⇒ 0.6 % Mn<br />
Bleigewinnung: Zunächst wird der Bleiglanz zu PbO abgeröstet:<br />
2 PbS + 3 O 2 → 2 PbO + 2 SO 2<br />
Das Kernstück der dazu nötigen Apparatur ist ein min<strong>des</strong>tens 35 cm langes<br />
Quarzglasrohr, in dem über eine Strecke von etwa 10 cm 12 g <strong>des</strong> Minerals verteilt<br />
werden und das dort, wo die Substanz liegt, von außen mit dem Brenner zur Rotglut<br />
erhitzt wird. An der Einlassseite ist über einen Gummistopfen ein Glasrohr mit einem<br />
Verteilerstück angebracht, von dem ein Schenkel offen und der andere mit einer<br />
Sauerstoffflasche verbunden ist. Auf diese Weise kann mit Sauerstoff angereicherte Luft<br />
in das Verbrennungsrohr eingeleitet werden. An der Auslassseite <strong>des</strong> Quarzrohres wird<br />
über einen Gummistopfen ein 40 cm langes Glasrohr angebracht, in dem die Röstgase<br />
vorgekühlt werden, bevor sie mittels zweier parallel geschalteter (Umlauf)-<br />
Wasserstrahl-pumpen durch zwei hintereinander geschaltete Waschflaschen mit Fritten<br />
gesaugt werden, die mit jeweils 200 mL 1 molarer NaOH zur Absorption <strong>des</strong><br />
entstandenen SO 2 /SO 3 -Gemisches gefüllt sind.<br />
Das einmal entzündete Erz brennt zwar selbständig weiter, es kommt aber durch die<br />
dabei entstehende hohe Temperatur zum Schmelzen bzw. Sintern, so dass die unteren<br />
Schichten selbst nach längerer Reaktionszeit noch stark PbS-haltig sind. Nach<br />
jeweiligem Abklingen der Reaktion wird der Röstvorgang dreimal unterbrochen, das<br />
PbS/PbO-Gemisch im Luftstrom abgekühlt, zerrieben, wieder in das Verbrennungsrohr<br />
gebracht und weiter abgeröstet. Der Fortgang der Reaktion kann daran erkannt werden,<br />
dass das Röstgut zunehmend die gelbe Farbe <strong>des</strong> PbO annimmt.<br />
Die carbothermische Reduktion wird in einem Porzellantiegel durchgeführt, <strong>des</strong>sen<br />
Boden mit einem Flussmittelgemisch aus Pottasche und Soda ausgelegt ist.<br />
PbO + C → Pb + CO<br />
Darauf gibt man das gesamte, mit Holzkohle innig verriebene Röstgut und deckt es mit<br />
einer dünnen Schicht Holzkohlepulver ab. Der Tiegel wird mit einem Deckel<br />
verschlossen und mit dem Brenner 30-40 Minuten auf Rotglut erhitzt. Der noch heiße<br />
Tiegelinhalt wird in ein mit 500 mL Wasser gefülltes Becherglas gegossen, wobei das<br />
Blei erstarrt. Durch den feinteiligen, suspendierten Kohlenstoff erscheint das Wasser<br />
schwarz. Nach 5 Minuten dekantiert man durch ein Filter und sortiert die größeren<br />
Bleistücke aus dem Rückstand mit einer Pinzette aus. Den Rest trocknet man im<br />
Trockenschrank bei 100 °C und zerstößt ihn vorsichtig in einer Porzellanschale, ohne<br />
die kleineren Bleiklümpchen zu zerreiben. Durch Zugabe von Wasser und kreisende<br />
Bewegungen werden die leichteren (Kohle)-Bestandteile in die Schwebe gebracht und<br />
durch das bereits zuvor benutzte Filter abdekantiert („Goldwäscherverfahren“). Nach<br />
erneutem Trocknen lassen sich nun auch die kleineren Bleikügelchen leicht erkennen<br />
und mit der Pinzette abtrennen. Insgesamt werden 5.7 g Werkblei erhalten.
95<br />
Analyse <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> der Bleigewinnung: Um den Herstellungsprozess zu überwachen<br />
und ggf. zu optimieren, wird der getrocknete Rückstand (zufälligerweise auch<br />
5.7 g) der carbothermischen Bleigewinnung analysiert. Dies geschieht wie bei der<br />
Analyse <strong>des</strong> Ausgangserzes. Zuvor muss allerdings noch das nicht vollständig<br />
abgetrennte elementare Blei mit Salpetersäure in Lösung gebracht werden. Der<br />
Rückstand enthält 54.6 % Pb, 3.2 % Fe, 0.4 % Cu, 0.5 % Zn und 1.0 % Mn. Der noch<br />
recht hohe Bleigehalt ist auf unvollständiges Abrösten <strong>des</strong> Erzes zurückzuführen und<br />
nicht auf eine unvollständige carbothermische Reduktion. Durch einen Kontrollversuch<br />
kann nämlich gezeigt werden, dass reines PbO mit Kohlenstoff praktisch quantitativ in<br />
elementares Blei übergeführt wird. Bei den gegebenen experimentellen Möglichkeiten<br />
kann der Versuch nur optimiert werden, indem der Röstvorgang noch öfters<br />
unterbrochen und das Röstgut zwischendurch vermahlen wird. Alternativ kann der<br />
Rückstand aber auch als Edukt für einen kompletten neuen Versuch dienen.<br />
Qualitätskontrolle <strong>des</strong> Werkbleis: Nach Auflösen von ca. 600 mg genau<br />
eingewogenem Werkblei in Salpetersäure und Abrauchen mit Schwefelsäure erfolgt die<br />
quantitative Bestimmung der Metalle wie oben beschrieben. Cu, Zn und Mn werden<br />
nicht gefunden, der Gehalt an Fe beträgt nur 0.2 %, der an Pb 99.4 %, so dass das<br />
erhaltene Produkt als sehr rein angesehen werden darf. Aus den Ergebnissen der<br />
Bleianalysen von Edukt und Produkt und aus der Einwaage an Erz und der Auswaage an<br />
Werkblei lässt sich die Ausbeute beim Versuch, hier 62 % d.Th., recht genau berechnen.<br />
Analyse <strong>des</strong> Kupfererzes: Der verwendete Kupfereisenkies (Chalkopyrit), bezogen<br />
von der Firma Krantz, Bonn, wird zunächst durch Zerschlagen und mechanisches<br />
Auslesen vom tauben Gestein getrennt und dann im Mörser weiter zerkleinert. Ein<br />
Großteil <strong>des</strong> im Kupferkies enthaltenen Magnetits wird mit einem Magneten entfernt. In<br />
den so aufbereiteten Material lassen sich neben Cu, Fe und S deutliche Mengen Zn, Ca<br />
und K sowie Spuren Pb, Mn und Mg nachweisen. Für die quantitative Bestimmung<br />
der mengenmäßig bedeutenden Metalle wird folgendermaßen vorgegangen:<br />
- Aufschluss mit Königswasser, Rückstandsbestimmung ⇒ 5.3 % Rückstand<br />
- Sulfidfällung von Pb und Cu,<br />
Lösen <strong>des</strong> Niederschlages in HNO 3 , Fällen von PbSO 4 ,<br />
elektrogravimetrische Bestimmung von Cu<br />
im Fitrat der Bleifällung ⇒ 16.8 % Cu<br />
- gravimetrische Bestimmung von Fe als Fe 2 O 3<br />
in der kupferfreien Lösung ⇒ 30.3 % Fe<br />
- Sulfidfällung von Zn und Mn<br />
im Filtrat der Eisenbestimmung,<br />
Lösen <strong>des</strong> Niederschlages in HCl,<br />
gravimetrische Bestimmung von Zink als Oxinat ⇒ 1.4 % Zn<br />
- gravimetrische Bestimmung von Ca als Oxalat<br />
im Filtrat der Zinkfällung ⇒ 1.2 % Ca<br />
Kupfergewinnung: Der Kupferkies wird unter oxidierenden Bedingungen sauer<br />
aufgeschlossen. Dazu werden 15 g Erz mit 20 mL Wasser, 30 mL konzentrierter<br />
Schwefelsäure und 5 g Eisen(III)sulfat versetzt und 3 Stunden bei 70-80 °C gerührt. Das<br />
im großen Überschuss vorliegende dreiwertige Eisen oxidiert das einwertige Kupfer<br />
zum zweiwertigen, das als CuSO 4 in Lösung geht. Das dabei gleichzeitig entstehende<br />
zwei-wertige Eisen wird durch die über eine Pasteurpipette eingeblasene Luft zum<br />
dreiwertigen rückoxidiert:
96<br />
4 CuFeS 2 + 10 H 2 SO 4 + 5 O 2 → 4 CuSO 4 + 2 Fe 2 (SO 4 ) 3 + 8 S + 10 H 2 O<br />
Abweichend von den Bedingungen <strong>des</strong> technischen Verfahrens kann der Aufschluss<br />
wesentlich beschleunigt werden, wenn zu Beginn und nach jeweils 30 Minuten weitere<br />
1.5 mL konzentrierte Salpetersäure zugegeben werden.<br />
Die Reaktionsmischung wird mit Wasser verdünnt und eine halbe Stunde nachgerührt.<br />
Der unlösliche Rückstand wird abfiltriert und zu den Feststoffabfällen gegeben.<br />
Das Filtrat wird mit 3 g Eisenwolle versetzt, eine Stunde stehengelassen und<br />
gelegentlich mit einem Glasstab umgerührt. Dabei scheidet sich elementares Kupfer ab:<br />
CuSO 4 + Fe → Cu + FeSO 4<br />
Üerschüssiges Eisen löst sich in der Schwefelsäure auf. Dann wird noch etwas<br />
Eisenwolle nachdosiert, um zu prüfen, ob die Kupferabscheidung vollständig ist. Das<br />
„Zementkupfer“ wird abgesaugt, gewaschen und getrocknet.<br />
Es enthält Eiseneinschlüsse und kann durch elektrolytische Raffination gereinigt<br />
werden. Vorab muß das pulverförmige Rohmetall zu einer Elektrode verarbeitet werden.<br />
In der Technik geschieht dies durch Gießen von erschmolzenem Kupfer. Da im hier<br />
beschriebenen Experiment aber nur 2.5 g Rohkupfer anfallen, ist dies experimentell<br />
kaum möglich, so dass ein anderer Weg beschritten wird. Das Zementkupfer wird mit<br />
einigen Tropfen 2%iger Mowiollösung zu einem Brei verrührt und auf ein feines<br />
Kupferdrahtnetz aufgetragen. Das so vorbereitete Netz wird zwischen ein gefaltetes<br />
Kupferblech gelegt, welches anschließend in einem Schraubstock 2 Minuten<br />
zusammengepreßt wird. Danach wird das gepreßte Netz in eine Kupferfolie<br />
(Oxidationsschutz) eingeschlagen und 8 Minuten in einen auf 1050 °C vorgeheizten<br />
Ofen gelegt. Bei dieser Temperatur beginnt das verunreinigte Kupfer aufgrund der<br />
Schmelzpunktserniedrigung bereits zu sintern/schmelzen, während das hochreine Kupfer<br />
<strong>des</strong> Drahtnetzes noch fest bleibt (Smp. Cu = 1083 °C). Nach dem Abkühlen hat man eine<br />
feste Elektrode, die als Anode bei der folgenden Elektrolyse geschaltet wird. Als<br />
Kathode dient ein Kupferblech, als Elektrolyt eine schwefelsaure CuSO 4 -Lösung.<br />
Elektrolysiert wird bei 60 °C und 0.8 - 1.0 V bis die Anode völlig abgetragen ist.<br />
Qualitätskontrolle <strong>des</strong> Kupfers: Ca. 500 mg genau eingewogenes Zementkupfer bzw.<br />
Elektrolytkupfer werden in 15 mL halbkonzentrierter Salpetersäure unter gelindem<br />
Erwärmen aufgelöst. Nach Verdünnen mit Wasser wird der Kupfergehalt der Lösung<br />
elektrogravimetrisch bestimmt.<br />
Das Zementkupfer weist eine Reinheit von 96 % auf, womit die Ausbeute an Kupfer<br />
bei der Gewinnung aus dem Kupferkies berechnet werden kann. Die Ausbeute ist mit 96<br />
% sehr hoch. Das elektrolytisch raffinierte Kupfer ist erwartungsgemäß praktisch<br />
100%ig rein.<br />
Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes bei den präparativen und analytischen Arbeiten: Das<br />
beim Abrösten <strong>des</strong> Bleisulfids enstehende SO 2 /SO 3 -Gemisch wird fachgerecht in<br />
Natron-lauge absorbiert, um eine Emission der sauren Gase in die Abluft zu vermeiden.<br />
Dadurch, dass in den Waschflaschen eine definierte Menge NaOH vorgelegt wird, kann<br />
die dort gebundene Menge SO 2 bzw. durch Weiteroxidation <strong>des</strong> SO 2 entstandene Menge<br />
SO 3 quantitativ bestimmt und der Umsatz <strong>des</strong> ursprünglich sulfidischen Schwefels<br />
berechnet werden. Sulfit (93 % <strong>des</strong> absorbierten Röstgases) wird iodometrisch, Sulfat (7<br />
%) gravimetrisch als BaSO 4 bestimmt. Insgesamt werden 70 % <strong>des</strong> eingesetzten<br />
sulfidischen Schwefels in Form seiner Oxidationsprodukte wiedergefunden. Dies<br />
korreliert in etwa mit der Bleiausbeute von 62 % (s.o.). Da praktisch das gesamte
97<br />
SO 2 /SO 3 bereits in der ersten Waschflasche festgehalten wird und in der zweiten nur<br />
noch ganz geringe Mengen zu finden sind, ist die Gaswäsche in der Tat eine sehr<br />
effektive Methode zur Luftreinhaltung. Die Waschlösungen werden abschließend mit<br />
H 2 O 2 versetzt, um Sulfit zu ungiftigem Sulfat zu oxidieren, und dann - nach<br />
Neutralisation - weggeschüttet.<br />
Reste aus der iodometrischen Bestimmung werden ebenfalls mit H 2 O 2<br />
nachbehandelt, um Iodid zu wertvollem Iod zu oxidieren, das isoliert und<br />
weiterverwendet wird, während das iodfreie Wasser verworfen werden kann.<br />
Auch bei den analytischen Arbeiten, insbesondere den Abrauchvorgängen, entstehen<br />
saure Abgase (H 2 S, HCl, SO 3 , NO x ). Diese werden über einen Glastrichter, der<br />
unmittelbar über dem Entstehungsort (Becherglas oder Tiegel) montiert ist, mittels einer<br />
Pumpe in eine Waschflasche mit Natronlauge gesaugt und dort absorbiert.<br />
Abwässer aus den qualitativen Analysen werden gesammelt und gemeinsam mit<br />
dem Spülwasser der carbothermischen Bleireduktion bzw. dem Filtrat der<br />
Kupferzementation durch Hydroxid- und Sulfidfällung, nachgeschaltete Beseitigung <strong>des</strong><br />
Sulfidüberschusses mit FeCl 3 , Aktivkohlebehandlung und Ionenaustausch vollständig<br />
entgiftet und können verworfen werden (vgl. 2.1.1).<br />
Der Aufbereitung von Resten bei den quantitativen Analysen wird bereits bei der<br />
Planung <strong>des</strong> Analysenganges Rechnung getragen. Der Trennungsgang der Metalle <strong>des</strong><br />
Bleierzes ist so konzipiert, dass ein zu bestimmen<strong>des</strong> Element jeweils im Filtrat <strong>des</strong><br />
zuvor bestimmten Elementes entfernt wird: Fe im Filtrat der Blei-, Cu im Filtrat der<br />
Eisenfällung, etc.. Bis auf die abfiltrierten Feststoffe bleiben also keine Reste. Das letzte<br />
Filtrat der Manganoxinat-Fällung ist schwermetallfrei. Nach Neutralisation wird das im<br />
Überschuss verwendete 8-Hydroxychinolin an der Oberfläche eingerührter Aktivkohle<br />
gebunden und mit dieser abfiltriert, das Filtrat verworfen. Ähnlich konzipiert ist der<br />
Trennungsgang <strong>des</strong> Kupferkieses.<br />
Das anfallende PbSO 4 und das durch elektrolytische Raffination gewonnene Kupfer<br />
sind hochrein, so dass sie ohne weiteres im anorganischen Praktikum weiterverwendet<br />
werden können. Die mengenmäßig sehr geringen Gravimetrie-Rückstände werden zu<br />
den Feststoffabfällen gegeben. Das elektrogravimetrisch abgeschiedene Kupfer wird von<br />
der Pt-Elektrode mit Salpetersäure abgelöst, die resultierende Kupfernitratlösung zu<br />
anderen Kupferresten gegeben und - wenn eine ausreichende Menge zusammen<br />
gekommen ist - auf wiederverwertbares Kupfervitriol aufbereitet.<br />
2.10.7 Ökologische Gesichtspunkte in einem Praktikum<br />
zur Abitur-Vorbereitung [59]<br />
In Sachsen-Anhalt wird am Ende <strong>des</strong> 12. Schuljahres das Regelabitur (Zentralabitur)<br />
abgelegt. Die zweite Hälfte <strong>des</strong> letzten Schuljahres dient vor allem der vertiefenden<br />
Wiederholung <strong>des</strong> bis dahin obligatorischen Lernstoffes, mit dem Ziel, die Schüler<br />
optimal auf die in der anstehenden Abiturprüfung zu bewältigenden praktischen und<br />
theoretischen Aufgaben vorzubereiten.<br />
Am Lucas-Cranach-Gymnasium in Wittenberg wurde <strong>des</strong>halb in Zusammenarbeit<br />
mit der Fachhochschule Darmstadt ein Praktikum konzipiert und erprobt, in dem die<br />
Schüler in 10 Einheiten zentrale und prüfungsrelevante Themen <strong>des</strong> Chemieunterrichtes<br />
selbständig in Experimenten bearbeiten. Das Praktikum ist sowohl für den Leistungskurs<br />
als auch für den Grundkurs vorgesehen, wobei die Grundkursteilnehmer pro Woche eine<br />
reduzierte Praktikumeinheit bearbeiten müssen. Die Schülerinnen und Schüler <strong>des</strong><br />
Leistungskurses bearbeiten hingegen in einer Doppelstunde pro Woche eine vollständige<br />
Praktikumeinheit, so daß das Praktikum nach zehn Wochen abgeschlossen werden kann.<br />
Die Praktikumeinheiten umfassen:
98<br />
• V 1: Säure-Base-Titration<br />
• V 2: Qualitative und quantitative Redoxchemie<br />
• V 3: Komplexometrische Titration<br />
• V 4: Reaktionsarten der Organischen Chemie<br />
• V 5: Recycling von Kunststoffen<br />
• V 6: Qualitative Analyse - Bestimmung von Ionen in einem Salzgemisch<br />
• V 7: Experimentelle Bestimmung von Reaktionsenthalpien<br />
• V 8: Untersuchung von Reaktionsgeschwindigkeiten<br />
• V 9: Das chemische Gleichgewicht<br />
• V 10: Elektrochemische Reaktionen<br />
Die Schülerinnen und Schüler werden in Zweiergruppen eingeteilt und durchlaufen<br />
das Praktikum im Stationsbetrieb. Zur Vorbereitung auf die jeweilige Praktikumeinheit<br />
werden ihnen Arbeitsbögen ausgehändigt, auf denen das Thema für das nächste<br />
Praktikum, die durchzuführenden Experimente und Fragen zu theoretischen Grundlagen<br />
aufgeführt sind. Die Bearbeitung der Fragen ist als Hausaufgabe zu verstehen und wird<br />
entweder in ca. zehnminütigen Arbeitsgesprächen vom Lehrer während <strong>des</strong> nächsten<br />
Praktikumtages überprüft oder von ihm eingesammelt und bewertet. Abläufe der<br />
Versuche, Beobachtungen und Meßwerte sowie die Antworten zu den Auswertungsfragen<br />
der Experimente werden protokolliert und am Ende der Versuche dem Lehrer<br />
übergeben. Sie werden von Ihm korrigiert und später ausführlich kommentiert an die<br />
Schülerinnen und Schüler zurückgegeben. Es bleibt außerdem im Unterricht noch<br />
genügend Zeit, um besonders interessante oder Verständnisschwierigkeiten bereitende<br />
Versuchsinhalte zu besprechen.<br />
Ökologische Gesichtspunkte der Versuche<br />
Unser besonderes Anliegen ist es, den Schülern über die tradierten Lehrinhalte hinaus<br />
auch zu vermitteln, dass Chemie und Umweltschutz keine Gegensätze sind, sondern - im<br />
Gegenteil - untrennbar zusammengehören. Deshalb ziehen sich Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />
wie ein roter Faden durch das Praktikum. Dies wird im folgenden näher<br />
erläutert.<br />
Im ersten Versuch „Säure-Base-Reaktionen“ wird der Gehalt an Essigsäure im<br />
Speiseessig und Gurkenwasser durch Titration mit Natronlauge ermittelt. Vorteilhaft ist,<br />
dass die untersuchten Stoffe Lebensmittel und keine Gefahrstoffe nach der Gefahrstoffverordnung<br />
sind und dass die Titrationen im Halbmikromaßstab durchgeführt werden,<br />
um Maßlösung zu sparen (vgl. 2.3.1).<br />
Im zweiten Versuch „Redoxreaktionen“ wird u. a. der Gehalt einer alten Flasche mit<br />
Wasserstoffperoxid permanganometrisch bestimmt. Den Schülern wird nicht nur eine<br />
interessante Redoxtitration vermittelt, sondern diese gleichzeitig in den Dienst <strong>des</strong><br />
Umweltschutzes gestellt: Qualitätskontrolle zwecks Weiterverwendung (vgl. 2.7.4).<br />
Außerdem wird bei den Versuchen die besondere und zunehmende Bedeutung von H 2 O 2<br />
im Umweltschutz betont.<br />
Objekt der Untersuchung im dritten Versuch ist Leitungswasser, <strong>des</strong>sen Härte<br />
komplexometrisch bestimmt wird. Wieder kommt eine Halbmikrotitration als<br />
chemikaliensparende und daher umweltfreundlichere Analysenmethode zur Geltung.<br />
Die Versuche 4 und 5 befassen sich mit der Organischen Chemie. Hier wird die<br />
Synthese von Butan-2-ol aus 2-Brombutan durchgeführt, die in der Hinsicht ökologisch<br />
optimiert ist, dass organische Inhaltsstoffe dem Abwasser durch Adsorption an<br />
Aktivkohle entzogen werden. Die basische Spaltung <strong>des</strong> Polyethylenterephthalats einer<br />
Getränkeflasche dient als Beispiel für eine Methode <strong>des</strong> Kunststoffrecyclings (vgl.
99<br />
2.10.2.1). Die Ethen-Gewinnung durch Dehydratisierung von Ethanol am Al 2 O 2 -Kontakt<br />
ist schließlich dahingehend umweltfreundlich, dass der Nachweis von entstandenem und<br />
pneumatisch aufgefangenen Ethen nicht durch Entfärben von Bromwasser unter gleichzeitiger<br />
Bildung von hochtoxischen Dibromethan, sondern durch Reduktion von<br />
Permanganat (Bayer-Reagenz) zu Braunstein und unter Bildung von mindergiftigen<br />
Ethylenglycol erfolgt, das biologisch abbaubar ist und <strong>des</strong>halb kanalisiert werden darf.<br />
Versuch 6, die „Qualitative Analyse“, beschränkt sich auf die Nachweise ökologisch<br />
weitgehend unbedenklicher Ionen bzw. trägt der Sammlung von Niederschlägen von<br />
Schwermetallsalzen, z. B. der Silberhalogenide, zwecks späteren Recyclings Rechnung.<br />
Der siebte Versuch führt in die „Chemische Thermodynamik“ ein. Am Beispiel <strong>des</strong><br />
Auflösens von CaCl 2 , eines ökologisch harmlosen Stoffes, in Wasser wird eine<br />
Reaktions- und Lösungsenthalpie anschaulich bestimmt. Die resultierende CaCl 2 -<br />
Lösung wird aufgehoben und an anderer Stelle im Unterricht weiterverwendet.<br />
Anhand der Umsetzung von Oxalsäure mit Kaliumpermanganat wird im achten<br />
Versuch „Reaktionskinetik“ eine Reaktionsgeschwindigkeit untersucht. Obwohl mit<br />
dem starken Oxidationsmittel Permanganat (bewusst) ein Gefahrstoff zum Einsatz<br />
kommt, ist der Versuch als umweltfreundlich anzusehen, denn am Ende liegt das<br />
Mangan in der ungiftigen zweiwertigen Stufe vor und kann weggeschüttet werden. Über<br />
den reinen physikochemischen Lehrinhalt hinaus lernen die Schüler die Toxizität eines<br />
Metalls in Abhängigkeit von seiner Oxidationsstufe kritisch zu beurteilen (vgl. 2.10.1).<br />
Der neunte Versuch thematisiert mit dem Propansäure/Propanol/Propansäurepropylester-Gleichgewicht<br />
das „Chemische Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz“.<br />
Vorteilhaft an dem Versuch ist, daß keine gefährlichen Stoffe benötigt werden und dass<br />
der entstandene Ester sogar isoliert und für spätere Versuche aufgehoben werden kann.<br />
Der letzte Versuch zur „Elektrochemie“ behandelt das Thema Recycling auf eine<br />
besondere Art. Er macht den Schülern klar, daß beim Wiederaufladen eines Bleiakkus<br />
reaktives Pb und PbO 2 recycliert werden (Sekundärelement). Der Versuch wird ergänzt,<br />
indem vergleichend das Daniell-Element behandelt wird und von dort aus Parallelen zur<br />
Kupfergewinnung bzw. Entgiftung kupferionenhaltiger Lösungen durch Zementation<br />
mit Eisen gezogen werden.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das auf das Abitur vorbereitende<br />
Repetitorium um folgende wesentliche Elemente <strong>des</strong> Umweltschutzes inhaltlich und<br />
methodisch bereichert wurde:<br />
• Nach dem Verursacherprinzip arbeiten die Schüler ihre Versuchsreste selbst auf<br />
• Sparen von Chemikalien und Verringern von Resten durch Arbeiten im kleinen<br />
Versuchsmaßstab<br />
• Ersetzen giftiger und ökologisch bedenklicher Stoffe durch weniger gefährliche<br />
• Verwerten von Versuchsresten statt Entsorgen<br />
• Qualitätskontrolle alter Chemikalien zwecks Weiterverwendung<br />
• Recyclieren gängiger Ausgangschemikalien aus Versuchsresten<br />
• Schadstoffeliminierung aus dem Wasser durch Oxidation, Reduktion, Fällung und<br />
Adsorption
100<br />
2.10.8 Ein Sicherheits- und Umweltschutz-Tutorium<br />
an der Fachhochschule Darmstadt [60]<br />
Gesetze und technische Regeln schreiben die Unterweisung von Studenten im sicheren<br />
und umweltgerechten Umgang mit Chemikalien zu Beginn eines jeden neuen<br />
Praktikums vor. Ein dauern<strong>des</strong> Auffordern zum Tragen von Schutzbrille, Kittel und<br />
Handschuhen sowie Hinweisen auf MAK-Werte, Wassergefährdungsklassen und R- und<br />
S-Sätze ist zwar notwendig, birgt aber die Gefahr in sich, für die zu Unterweisenden<br />
rasch langweilig zu werden, so dass wichtige Inhalte gar nicht recht wahrgenommen<br />
werden. Ein schul-meisterliches Verordnen von ständigem Arbeiten unter dem Abzug<br />
kann sogar lächerlich und kontraproduktiv wirken, spätestens wenn die Praktikanten im<br />
Labor feststellen, dass eindeutig zu wenig Abzugsfläche vorhanden ist, es demzufolge<br />
doch nach H 2 S oder Ether stinkt und notgedrungen Fenster und Türen aufgerissen<br />
werden.<br />
Sicherheits- und Umweltschutzbelehrungen können ihren Sinn nur erfüllen, wenn<br />
sie inhalts- und abwechslungsreich und möglichst spannend sind und didaktisch<br />
geschickt durchgeführt werden (vgl. 2.9). Deshalb wurde an der Fachhochschule<br />
Darmstadt ein sich über drei Semester erstrecken<strong>des</strong> Arbeits- und Umweltschutztutorium,<br />
kurz AUT, entwickelt, um Lerninhalte aus der GefStoffV und TRGS 451<br />
fächerübergreifend mit den Inhalten der einzelnen Praktika <strong>des</strong> Grundstudiums zu<br />
korrelieren und in den Rahmen unserer ökologisch orientierten Chemieingenieur-<br />
Ausbildung einzupassen. Die drei ca. zweistündigen Einzeltutorien werden zu Beginn<br />
<strong>des</strong> Einführungspraktikums (AUT I), <strong>des</strong> Quantitativ-Analytischen Praktikums (AUT II)<br />
und <strong>des</strong> Organischen Praktikums (AUT III) abgehalten und bauen im Sinne eines<br />
Spiralcurriculums aufeinander auf. Das AUT I soll die Studenten zunächst für den<br />
Arbeits- und Umweltschutz sensibilisieren und Grundbegriffe dazu nach der Brain-<br />
Storm-Methode erarbeiten. Im AUT II werden Inhalte <strong>des</strong> ersten Tutoriums in<br />
verkürzter Form wiederholt und die bereits bekannten Prinzipien auf konkrete Fälle der<br />
Quantitativen Analyse angewendet. Im AUT III schließlich werden wiederum<br />
reproduktiv zunächst allgemeine und dann konkret Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen<br />
der Organischen Chemie zusammengetragen, bevor auf die<br />
praktikumbetreffende Entsorgungsproblematik genauer eingegangen wird und an dieser<br />
Stelle Querbeziehungen zum Anorganischen Praktikum, insbesondere Möglichkeiten der<br />
Aufarbeitung anorganischer Reste aus der organischen Synthese aufgezeigt werden.<br />
Ferner wird der Umgang mit Sicherheitsdatenblättern und das Erstellen von<br />
Betriebsanweisungen geübt sowie der Aspekt Toxikologie eingeführt.<br />
Insgesamt lässt sich bzgl. <strong>des</strong> Niveaus der einzelnen Tutorien eine klare Abstufung<br />
erkennen: Während es im ersten AUT primär darum geht, Aspekte nur zu sammeln und<br />
entsprechenden Kategorien zuzuordnen, steht im zweiten Tutorium die Anwendung<br />
gelernter Arbeits- und Umweltschutz-Prinzipien auf konkrete Beispiele im Vordergrund<br />
(erst Reproduktion, dann Transfer). Das dritte AUT zeichnet sich in<strong>des</strong> dadurch aus,<br />
dass neben der Anwendung bekannter Prinzipien (aus der Anorganik) auf neue Beispiele<br />
(Organik) auch übergreifende Aspekte behandelt werden. Insbesondere zu letzterem<br />
Punkt wird von den Studierenden eine intensive Vorbereitung auf die Veranstaltung<br />
erwartet.<br />
Methodisch zeichnet sich das AUT dadurch aus, dass ein Vortragsstil durch den<br />
Veranstalter weitestgehend vermieden wird. Wichtige Punkte sollen von den<br />
Studierenden selbst dargestellt oder gemeinsam erarbeitet werden, bevor sich durch<br />
anschließende Diskussionen die Themen vertiefen und die Erkenntnisse festigen sollen.<br />
Inzwischen wurde das dreigliedrige AUT mit 40 Personen, die ihr Studium im<br />
Wintersemester 1993/94 begonnen hatten, durchgeführt. Bei einer abschließenden
101<br />
Befragung bezeichneten 80 % der Teilnehmer die Veranstaltung als die beste zum<br />
Thema Sicherheit und Umweltschutz im Rahmen ihrer gesamten bisherigen Ausbildung<br />
und 90 % wünschten sich sogar eine Fortsetzung in ihrer Fortgeschrittenenausbildung.<br />
2.10.8.1 AUT I: Einführungspraktikum<br />
Zum Einstieg wurde die Frage „Was werden Sie Ihrer Meinung nach im<br />
Einführungspraktikum lernen?“ gestellt. Die geäußerten Vorstellungen und Wünsche<br />
wurden an der Tafel gesammelt. Hierbei handelte es sich übereinstimmend um die<br />
Aussagen „Umsetzung der theoretischen Vorlesungsinhalte in die Praxis“ und „Umgang<br />
mit Chemikalien Geräten“. Die Aussage „Umweltschutz/fachgerechte Entsorgung<br />
umweltgefährdender Chemikalien“ erfolgte zumeist nicht. Vermutlich wird Umweltschutz<br />
von vielen Studierenden bislang nicht als fest integrierter Bestandteil chemischer<br />
Praktika verstanden, sondern als zwar notwendiger, aber eher separat und nicht<br />
unmittelbar zu Praktikuminhalten zugehöriger Aspekt aufgefasst. Vor dem Hintergrund<br />
<strong>des</strong> im ersten Praktikum zu absolvierenden Programms mussten folglich hiernach<br />
diesbezüglich Bewußtseinsänderungen festzustellen sein, was auch der Fall war (s.u.).<br />
Insgesamt lassen sich die gesammelten Äußerungen den Kategorien Wissenschaftlichkeit<br />
(praktikumbezogene Theorie), Arbeitssicherheit (Umgang mit Geräten und<br />
Chemikalien) und Umweltschutz zuordnen. Beim Punkt „Wissenschaftlichkeit“ wurde<br />
auf das praktikumbegleitende Seminar verwiesen.<br />
Arbeitssicherheit: Beginnend mit dem Thema Arbeitssicherheit wurden über die<br />
Methode <strong>des</strong> Erarbeitenden Gesprächs die Unterpunkte Versuchsplanung und -vorbereitung,<br />
laborinterne Arbeitsschutzeinrichtungen, persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen<br />
und sicheres Arbeiten zusammengetragen und an der Tafel notiert.<br />
Ergänzend wurden einige Zusammenhänge zwischen Arbeits- und Umweltschutz<br />
aufgezeigt. Z. B. wurde erörtert, dass Arbeitsschutz und Umweltschutz bereits bei der<br />
Versuchsplanung beginnen, denn persönlicher Schutz und Umweltschutz sind nur dann<br />
gewährleistet, wenn mit den zu verwendenden Chemikalien sachgemäß umgegangen<br />
und mit den anfallenden Resten bzw. den hergestellten Produkten eine vorschriftsmäßige<br />
und gewissenhafte Entsorgung oder Aufarbeitung vorgenommen wird und wenn dies<br />
vorab gründlich geplant wurde.<br />
Um die Veranstaltung methodisch aufzulockern, wurden an dieser Stelle Dias aus<br />
dem von der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie herausgegebenen Lernprogramm<br />
„Sicheres Arbeiten im Laboratorium“ gezeigt. Diese behandelten laborrelevante<br />
Situationen, die Fehler enthielten. Das Aufspüren der Fehler und das Beschreiben<br />
der entsprechenden Situation in korrekter Form machte den Auszubildenden<br />
viel Spaß. Abschließend wurde eine vollständige Liste arbeitsschutzrelevanter Aspekte<br />
auf einer Overhead-Folie präsentiert und den Studenten als Merkblatt mitgegeben (s.<br />
Abb. 29).
102<br />
Arbeitsschutz im Anorganischen Praktikum<br />
Versuchsplanung und -vorbereitung<br />
- Betriebsanweisung/GefStoffV und Laborordnung/Richtlinien beachten<br />
- Versuchsanleitungen genau studieren, ggf. Fragen stellen! Wo können Gefahren entstehen?<br />
- Informationen über die zu benutzenden Geräte und Chemikalien einholen<br />
(R- und S-Sätze, Wassergefährdungsklassen, Entsorgungshinweise)<br />
- Verantwortung der Laborleitung: Aufsicht, Versuchskonzeption, technische Dinge ...<br />
Laborinterne Arbeitsschutzeinrichtungen<br />
- Fluchtwege, Notausgänge<br />
- Brandschutz: Feuerlöscheinrichtungen (Wo? Bedienung?), Verhalten bei Bränden<br />
- Notduschen<br />
- Augenwaschflaschen<br />
- Erste Hilfe<br />
- Telefon, Notruf, wichtige Telefonnummern<br />
- Aufenthalts- und Ablagemöglichkeiten<br />
- Absaugeinrichtungen/Abzüge<br />
Persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen<br />
- Augenschutz: Schutzbrille<br />
- Kittel<br />
- geschlossenes Schuhwerk, feste Sohle<br />
- Handschutz: Handschuhe<br />
- Atemschutz<br />
Sicheres Arbeiten<br />
- Absaugeinrichtungen: Abzug (Funktion?)<br />
- Grundlagen der Glasbearbeitung<br />
- Umgang mit heißen Gegenständen<br />
- Siedeverzüge: Verwendung von Rührern oder Sie<strong>des</strong>täben beim Erhitzen von Flüssigkeiten<br />
- Handhabung gebräuchlicher Laborbrenner<br />
- vorschriftgemäßer Umgang mit Geräten aller Art (Elektrogeräte!)<br />
- keine Hast beim Arbeiten im Labor<br />
- nicht mehr benötigte Vorratsflaschen mit Chemikalien sofort entfernen, um Verwechslungen<br />
und Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen<br />
Abb. 29: Folie und Merkblatt „Arbeitsschutz im Anorganischen Praktikum“<br />
Umweltschutz: Zum Einstieg in das zweite Kernthema wurden die in Abbildung 30<br />
zusammengestellten Arbeitsblätter verteilt und von den Studenten innerhalb von 20-25<br />
Minuten schriftlich bearbeitet.
103<br />
Arbeitsblätter „Praktikumintegrierter Umweltschutz“<br />
Arbeitsblatt 1:<br />
Um den Umweltschutz auch in der praktischen Chemieingenieurausbildung fest zu verankern bieten sich<br />
folgende zwei Möglichkeiten an:<br />
A) Unabhängig von den jeweiligen Lehrinhalten zieht sich der Umweltschutz-Aspekt durch alle Praktika<br />
wie ein roter Faden hindurch als fester und voll integrierter Bestandteil, d.h. ein je<strong>des</strong> Praktikum besteht<br />
aus den klassischen Analysen und Präparaten inklusive der Aufarbeitung der Versuchsprodukte und<br />
Abwässer.<br />
B) Die tradierte Konzeption der Praktika bleibt von inhaltlicher und organisatorischer Seite her bestehen.<br />
Zur Aufarbeitung der Versuchsprodukte und Abwässer wird ein eigenständiges Wahlpflicht- oder Projekt-<br />
Praktikum angeboten, so daß man den Aufarbeitungsaspekt bei dieser Variante vollständig aus den<br />
traditionellen Praktikuminhalten heraushalten und die verfügbare Zeit ausschließlich den klassischen<br />
Lehrinhalten widmen könnte.<br />
Arbeitsblatt 2:<br />
In einem Anorganik-Praktikum A werden nur Verbindungen der Elemente Mg, Ca, B und Al behandelt,<br />
in einem Anorganik-Praktikum B nur Verbindungen der Elemente Co, Ni, Cd und Hg.<br />
Arbeitsblatt 3:<br />
Praktikum A: Die Versuche sind gemäß folgendem Schema konzipiert:<br />
A 1 → A 2<br />
B 1 → B 2<br />
C 1 → C 2<br />
D 1 → D 2<br />
Praktikum B: Die Versuche sind gemäß folgendem Schema konzipiert:<br />
A 2<br />
A 1 A 3<br />
A 4
104<br />
Arbeitsblatt 4:<br />
Zur Aufarbeitung aller in einem Praktikum angefallenen vereinigten Versuchsprodukte bzw.<br />
Versuchsabwässer besteht für den Fachbereich zum einen die Möglichkeit, einen qualifizierten<br />
Laboringenieur einzustellen. Andererseits bietet sich die Möglichkeit an, die Studenten die Aufarbeitung<br />
ihrer Versuchsprodukte und Versuchsabwässer selbst vornehmen zu lassen. Des weiteren besteht die<br />
Möglichkeit, alle Versuchsreste zur Sondermüllverbrennung zu geben.<br />
Arbeitsblatt 5:<br />
Versuchsvariante A: In ein kleines Reagenzglas werden ca. 0,5 mL Wasser gegeben, hierzu gibt man 5<br />
Tropfen einer 1-molaren CaCl 2 -Lösung und danach 10 Tropfen einer 1-molaren Na 2 CO 3 -Lösung. Der<br />
gebildete Niederschlag wird abfiltriert. Das Filtrat wird mit einem weiteren Tropfen Na 2 CO 3 -Lösung<br />
versetzt und so auf Vollständigkeit der Fällung geprüft.<br />
Versuchsvariante B: In einem 2-L-Einhalskolben werden 600 mL einer 1-molaren CaCl 2 -Lösung<br />
vorgelegt und magnetisch gerührt. Über einen Tropftrichter mit Druckausgleich werden innerhalb von 20<br />
Minuten 800 mL einer 1-molaren Na 2 CO 3 -Lösung zugetropft. Es wird 10 Minuten nachgerührt, dann der<br />
gebildete Niederschlag abgesaugt, gründlich mit Wasser gewaschen und schließlich bei 150°C im<br />
Trockenschrank getrocknet.<br />
Abb. 30: Arbeitsblätter „Praktikumintegrierter Umweltschutz“<br />
Es wurden jeweils zwei konträre Lösungsmöglichkeiten eines praktikumbetreffenden<br />
Problems angeboten, wobei für beide Varianten Vor- und Nachteile genannt,<br />
Kompromissvorschläge erarbeitet und wichtige Prinzipien umweltorientierter<br />
Ausbildungskonzepte eruiert werden sollten. Dies sind das Verursacherprinzip<br />
(s. Arbeitsblätter 1 und 4), das Ersatzstoffprinzip (s. Arbeitsblatt 2), das<br />
Minimierungsprinzip (s. Arbeitsblatt 5) und das Verwertungs- und Recyclingprinzip (s.<br />
Arbeitsblatt 3), was an der Tafel notiert wurde.<br />
Im Arbeitsblatt 1 wurde bei der Integrierten Umweltschutz-Variante A als Vorteil<br />
der direkte Bezug <strong>des</strong> Praktikanten zu seinen Versuchsprodukten und der Aspekt der<br />
Verantwortlichkeit dafür (Verursacherprinzip) erkannt. Dem steht bei Variante B der<br />
Nachteil gegenüber, den Versuch mit Erhalt eines Produktes als beendet anzusehen, da<br />
ja die Aufarbeitung der Versuchsreste in andere Praktika und an andere Personen<br />
delegiert wird. Der persönliche Bezug zu den selbst verursachten Abfallstoffen geht hier<br />
also verloren. Vorteilhaft ist allerdings, dass die verfügbare Zeit ausschließlich den<br />
traditionellen Lehrinhalten gewidmet werden kann. Bei der Variante <strong>des</strong> Integrierten<br />
Umweltschutzes kam von den Studierenden selbst die Idee, das konventionelle<br />
Praktikumprogramm an geeigneter Stelle zu kürzen, um einen zeitlichen Mehraufwand<br />
zu vermeiden. Folgende Kompromisslösungen wurden angeboten: Leicht und schnell<br />
aufzuarbeitende Versuchsprodukte sollten von den Studierenden im Praktikum selbst<br />
behandelt, technisch oder zeitlich aufwendigere Aufarbeitungen in andere Praktika<br />
verlegt werden. Hierbei wurde auch der Vorschlag gemacht, kleinere Ansätze zu<br />
größeren zu vereinigen und diese von verschiedenen Gruppen oder Einzelpersonen<br />
aufarbeiten zu lassen, so dass jeder mit nur einer Aufarbeitung betraut wird. Des<br />
Weiteren wurde mehrfach geäußert, dass Aufarbeitungsarbeiten auf jeden Fall zum<br />
Pflichtprogramm der Ausbildung gehören sollten.
105<br />
Mit dem Arbeitsblatt 2 sollte das Ersatzstoffprinzip angesprochen werden. Die<br />
Auszubildenden erkannten problemlos, dass der Umgang mit Gift- und Gefahrstoffen<br />
notwendig ist, da gerade der Chemiker damit umgehen können muss. Wann immer es<br />
möglich ist, sollte jedoch auf ungiftige und umweltfreundliche Stoffe zurückgegriffen<br />
werden, falls die zu vermittelnden Lehrinhalte hierdurch nicht beeinträchtigt werden.<br />
Im Arbeitsblatt 3 sollte deutlich werden, dass Kreislauf-Versuche insofern<br />
vorteilhaft sind, als sie mit einem wesentlich kleineren Chemikalienbedarf auskommen<br />
und die Umwelt stark entlasten. Das Entfallen vieler verschiedenartiger Entsorgungskategorien<br />
spart Platz (Lagerhaltung) und Kosten. Von Nachteil ist, dass hier eine etwas<br />
einseitige Sichtweise resultiert insofern, als verschiedene Themen der Chemie anhand<br />
nur eines Elementes behandelt werden. Vorteilhaft ist jedoch, exemplarisch in die Tiefe<br />
gehen und die forschungsorientierte Arbeitsweise an konkreten Spezialthemen aufzeigen<br />
zu können. Demgegenüber wird mit der Praktikumvariante A ein sehr viel größerer<br />
Überblick über viele verschiedene Elemente, ihre Verbindungen und Eigenschaften<br />
vermittelt, was über den Nachteil eines umfangreichen Entsorgungskonzeptes erkauft<br />
werden muss. Ein Student nannte diesbezüglich gerade als Vorteil, durch die<br />
Vielfältigkeit chemischer Abfallstoffe auch die Vielfältigkeit möglicher Aufarbeitungsmethoden<br />
kennen lernen zu können. Hierzu protestierte die Gruppe jedoch, die<br />
Entsorgungsproblematik dürfe nicht Mittel zum Zweck werden. Oberstes Gebot müsse<br />
es sein, die Abfallengen und die Anzahl der Abfallkategorien möglichst klein zu halten;<br />
Vermeidung gehe immer vor Entsorgung. Die Richtigkeit und Wichtigkeit dieser<br />
Aussage konnte an keiner anderen Stelle <strong>des</strong> Tutoriums so anschaulich verdeutlicht<br />
werden.<br />
Mit dem Arbeitsblatt 4 sollte noch einmal das Verursacherprinzip angesprochen<br />
werden. Es war in jedem Falle als schlechteste Lösung <strong>des</strong> geschilderten Problems die<br />
Möglichkeit genannt worden, die entstandenen Versuchsreste an die Müllverbrennung<br />
abzugeben, da dies zu teuer sei und man außerdem wichtige Lehrinhalte von sich<br />
schiebe. Einigkeit bestand in der Auffassung, die Aufarbeitungen angefallener<br />
Versuchsreste müssten im Praktikum selbst oder zumin<strong>des</strong>t im Fachbereich vorgenommen<br />
werden, da dieser als Abfallerzeuger auch für eine entsprechende Entsorgung<br />
verantwortlich sei. Als Vorschlag wurde genannt, die Studierenden sollten die Abfallentsorgung<br />
- soweit dies technisch und zeitlich zu vertreten sei - selbst vornehmen, und<br />
für die aufwendigeren und wenig lehrreichen Aufarbeitungsschritte müsse ein<br />
Laboringenieur eingestellt werden.<br />
Mit dem Arbeitsblatt 5 wurde das Minimierungsprinzip angesprochen. Soll als<br />
Lernziel „Verstehen <strong>des</strong> Löslichkeitsproduktes“ oder „qualitativ-analytisches Arbeiten“<br />
vermittelt werden, so ist nur der chemiekaliensparende Versuch im Halbmikromaßstab<br />
zu verantworten, bei dem nur winzige Restmengen anfallen. Soll jedoch das präparative<br />
Arbeiten oder das für angehende Chemieingenieure später im Beruf wichtige Scale-Up<br />
von Versuchen geübt werden, so ist der Großansatz gerechtfertigt. Ein solcher sollte<br />
aber möglichst mit ökologisch unbedenklichen oder zumin<strong>des</strong>t gut recycelbaren Stoffen<br />
auskommen, wie dies im vorliegenden Beispiel der Fall ist.<br />
Die bei der Besprechung der Arbeitsblätter diskutierten Umweltschutzaspekte und<br />
einige zusätzliche Hinweise zum Entgiften bestimmter Chemikalien und Gase wurden<br />
abschließend auf einer Folie an die Wand projiziert und den Studierenden als Merkblatt<br />
mitgegeben (s. Abb. 31).
106<br />
Umweltschutz-Prinzipien<br />
(1) Verursacherprinzip<br />
Die Verantwortung für die vorschriftsmäßige Entsorgung oder Aufarbeitung anfallender Reststoffe<br />
obliegt den Studierenden selbst. Das Laborpersonal gibt Hilfestellungen.<br />
Grundsätzlich hat Abfallvermeidung Vorrang vor Abfallverminderung und -verwertung.<br />
(2) Ersatzstoffprinzip<br />
Soweit möglich sollen für die Vermittlung entsprechender Lehrinhalte giftige und umweltgefährdende<br />
Stoffe durch ungiftige und ökologisch unbedenkliche Stoffe ersetzt werden. Dies liegt in der Regel nicht<br />
im Ermessen der Studierenden, sondern der Laborleitung.<br />
(3) Minimierungsprinzip<br />
Es sollen möglichst kleine Ansätze gewählt und dadurch Chemikalien gespart werden. Entsprechend<br />
fallen weniger Abfälle an.<br />
(4) Verwertungs- und Recycling-Prinzip<br />
Wenn möglich, sollen Versuche so konzipiert sein, dass Versuchsprodukte als Edukte eines<br />
Folgeversuchs eingesetzt werden können. Dies reduziert Abfallmengen und spart Chemikalien. Getrenntes<br />
Sammeln von Resten ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufarbeitung auf wiedereinsetzbare<br />
Wertstoffe. Aufbereitungen haben stets unter Berücksichtigung von Ökobilanzen zu erfolgen und dürfen<br />
nicht zu Problemverlagerungen führen. Aufbereitete Produkte sind Qualitätskontrollen zu unterziehen, die<br />
Aufschluss geben über ihre Reinheit und Wiederverwertbarkeit.<br />
(5) Sonstige Grundlagen umweltorientierten Arbeitens in Praktikum und Labor<br />
Giftige und umweltgefährdende Stoffe sollen vor einer weiteren Behandlung in mindergiftige und<br />
umweltfreundlichere übergeführt (z.B. Nitrit zu Nitrat oxidiert oder Iod zu Iodid reduziert) und giftige<br />
und umweltbedenkliche Gase - soweit möglich - absorbiert werden. Grundsätzlich ist bei Aufarbeitungen<br />
der aufzuwendende Energieeinsatz zu berücksichtigen (Ökobilanzen).<br />
Abb. 31: Folie und Merkblatt „Umweltschutz-Prinzipien“<br />
2.10.8.2 AUT II: Quantitativ-Analytisches Praktikum<br />
Mit Beginn <strong>des</strong> Quantitativen Praktikums nehmen die Studierenden an dem zweiten<br />
Arbeits- und Umweltschutz-Tutorium teil. Sie sollten zunächst frei heraus äußern, was<br />
Ihnen im vorangegangenen Einführungspraktikum am meisten oder am wenigsten Spaß<br />
machte und was ihrer Meinung nach fehlte oder zu kurz kam. Insgesamt erfuhr der erste<br />
Praktikumsteil eine positive Beurteilung. Als besonders gut wurde bewertet, daß der<br />
Umweltschutz in starkem Maße im Praktikum vertreten war; man lerne gleich, daß<br />
„Umweltschutz irgendwie dazugehört“, dass er „nicht nur Ballast behandelter Stoffe,<br />
sondern im Gegenteil selbst Stoff“ sein könne. Darüber hinaus wurde <strong>des</strong> öfteren<br />
geäußert, es mache sehr viel Spaß und es sei besonders lehrreich, Versuche ganzheitlich<br />
zu betrachten, also auch die Frage zu berücksichtigen, was mit den entstandenen<br />
Reststoffen geschehen solle. So sei man schließlich auch gut vorbereitet, wenn in der<br />
Industrie später ähnliche Betrachtungen anzustellen seien.<br />
Die hier gesammelten Äußerungen lassen also den Schluss zu, dass Umweltschutz<br />
bereits nach Absolvieren <strong>des</strong> Einführungspraktikums als voll integrierter und völlig<br />
gleichberechtigter Lehrinhalt verstanden wird (vgl. 3).<br />
Anschließend an die erste und sehr aufschlussreiche Phase der Veranstaltung<br />
wurden arbeitsschutzspezifische Inhalte <strong>des</strong> AUT I noch einmal aufgegriffen und kurz<br />
erläutert, bevor die hierbei genannten Punkte um speziell den Quantitativen
107<br />
Praktikumsteil betreffende Inhalte erweitert wurden, z. B. Umgang mit Pipetten,<br />
Büretten, Exsikkatoren, Tiegeln etc.<br />
Etwa nach der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit wurde mit der Frage nach<br />
dem Aussehen eines Entsorgungskonzeptes für das Quantitative Praktikum zum Thema<br />
Umweltschutz übergeleitet. Anhand dieser Frage sollte indirekt überprüft werden,<br />
inwieweit wichtige Umweltschutz-Prinzipien aus dem Einführungspraktikums reproduziert<br />
werden konnten. Wider Erwarten war die Beteiligung in dieser Phase <strong>des</strong><br />
Gesprächs gering. Viele der in Abbildung 29 aufgeführten Punkte wurden entweder gar<br />
nicht genannt oder erst, nachdem Hilfestellungen gegeben worden waren. Offensichtlich<br />
hatten sich die Studenten auf das AUT II nicht vorbereitet und sich mit den Anleitungen<br />
zum Quantitativen Praktikum bis zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Gespräches auch noch nicht vertieft<br />
auseinandergesetzt. Bei der Aufforderung, konkrete Beispiele der quantitativen Analyse<br />
im Hinblick auf die Entsorgungsproblematik einmal durchzugehen (s. Abb. 32) und<br />
dabei auch an den ersten Teil <strong>des</strong> Anorganischen Praktikums zu denken, wurden aber<br />
doch viele richtige Antworten spontan genannt (vgl. 2.10.5).<br />
Reste aus der Quantitativen Analyse<br />
Frage:<br />
Antwort:<br />
„Wie / zu welchen Stoffen kann ...<br />
aufgearbeitet werden<br />
CuI-Reste aus der iodometrischen Oxidation mit H 2 SO 4 /H 2 O 2 zu CuSO 4 und I 2<br />
Cu-Bestimmung<br />
Ba 2+ -haltige Filtrate aus der<br />
gravimetrischen Sulfat-Bestimmung<br />
8-Hydroxichinolin-haltige Filtrate aus<br />
der gravimetrischen Mg-Bestimmung<br />
[Cu(NH 3 ) 4 ] 2+ -Lösungen aus der<br />
fotometrischen Cu-Bestimmung<br />
Ag + -haltige Reste aus der<br />
potentiometrischen Halogenid-Bestimmung<br />
Fällen als BaCO 3 , Filtration<br />
Adsorption der organischen Wasserinhaltsstoffe an<br />
Aktivkohle<br />
Zementation von elementarem Kupfer mit Eisen im<br />
sauren Medium<br />
Fällen als AgCl, dann Aufbereiten auf Silbernitrat<br />
Abb. 32: Aufarbeitungsmöglichkeiten von Resten aus der Quantitativen Analyse<br />
2.10.8.3 AUT III: Organisch-Chemisches Praktikum<br />
Bei der Terminvereinbarung zum AUT III wurde zur Vorbereitung jeder Teilnehmer mit<br />
einer der folgenden Aufgaben betraut:<br />
- Recherche wichtiger Begriffe / Abkürzungen aus dem Bereich <strong>des</strong> Arbeits- und<br />
Umweltschutzes und deren Erklärung (z.B. MAK-Wert, R- und S-Sätze,<br />
Flammpunkt, Wassergefährdungsklassen)<br />
- Anfertigung eines Kurzreferates zum sachgerechten Umgang mit DIN-<br />
Sicherheits-datenblättern, Erläuterungen<br />
- Erstellung einer Betriebsanweisung gemäß GefStoffV bzw. TRGS 451 zu<br />
einzelnen Stoffen oder Stoffgruppen, Erläuterungen<br />
- Anfertigung eines Kurzreferates zur Toxikologie einer im Praktikum<br />
verwendeten Substanz bzw. Substanzklasse
108<br />
- Anfertigung eines Kurzreferates zur Aufarbeitungsmöglichkeit anorganischer<br />
Reste aus der Organischen Synthese<br />
Durch das Delegieren derartiger Arbeitsaufträge an die Studierenden wurde von<br />
vornherein deutlich gemacht, dass es sich beim AUT III um eine seminarähnliche<br />
Veranstaltung handelt, deren Verlauf und Ergiebigkeit entscheidend vom Mitwirken der<br />
Studierenden abhängt. Außerdem mussten sich die Veranstaltungsteilnehmer durch diese<br />
„Hausaufgaben“ schon vorab mit im Tutorium dann eingehend zu behandelnden und zu<br />
vertiefenden Inhalten auseinandersetzen, was das Niveau der Veranstaltung insgesamt<br />
steigern sollte.<br />
Das AUT III wurde wie auch die beiden vorangegangenen Tutorien mit der<br />
Sammlung und Reflexion arbeitsschutzspezifischer Prinzipien nach der Brain-Storm-<br />
Methode eingeleitet. Daran anschließend erfolgte die Erarbeitung der Relevanz der<br />
genannten Punkte für das Organische Praktikum. Von den Studierenden nicht genannte<br />
Punkte wurden vom Veranstaltungsleiter ergänzt und erläutert, abschließend auf einer<br />
Folie präsentiert und den Teilnehmern als Merkblatt mitgegeben (s. Abb. 33).<br />
Arbeitsschutz im Organischen Praktikum<br />
Versuchsplanung und -vorbereitung<br />
- Informationen über die zu benutzenden Geräte und Chemikalien einholen (R- und S-Sätze,<br />
Flammpunkte, Explosionsgrenzen, MAK-Werte, Wassergefährdungsklassen,<br />
Entsorgungshinweise)<br />
Laborinterne Arbeitsschutzeinrichtungen<br />
- Brandschutz: Feuerlöscheinrichtungen (Feuerlöscher, Fluchtwege, Notduschen: Wo?<br />
Bedienung?), Verhalten bei Bränden; Natrium-Brände nur mit Sand löschen! Ölbadbrände<br />
unter Aufsicht abbrennen lassen, Pulverlöscher bereithalten<br />
Persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen<br />
- Handschutz: Aufgrund der guten Hautresorption vieler organischer Stoffe (vor allem<br />
Lösungsmittel) sind im OC-Praktikum grundsätzlich Handschuhe zu tragen!<br />
- Augenschutz<br />
- Schutzkittel<br />
Sicheres Arbeiten<br />
- mit brennbaren Lösungsmitteln getränkte Feststoffe (Trockenmittel) sowie Filterkuchen<br />
gebrauchter Katalysatoren nicht direkt zu den in Feststoffabfällen geben (Brandgefahr!)<br />
- als Etherersatz wenn möglich Cyclohexan/Essigester-Mischungen verwenden<br />
- bei Arbeiten mit Ether Kollegen informieren (keine offenen Flammen!)<br />
- vor Destillationen sind diverse Stoffe (vor allem Ether) auf Peroxide zu testen<br />
- bei Tischbränden sofort sämtliche Gashähne schließen und Stecker ziehen<br />
- Vorsicht bei der Reinigung nicht etikettierter Gefäße mit unbekanntem Inhalt!<br />
- Arbeiten mit Heizpilzen: Erhitzen nur reiner Lösungsmittel; Kolben bis zur Höhe <strong>des</strong><br />
Heizpilzran<strong>des</strong> mit Flüssigkeit füllen<br />
- Natriumreste mit Ethanol in offener Schale vernichten<br />
- Ölbäder nicht über 180 °C erhitzen<br />
- wenn überhaupt, nur Aceton (kleine Mengen) als organisches Reinigungsmittel verwenden<br />
- Vakuum<strong>des</strong>tillation: Informieren über Arbeiten unter vermindertem Druck<br />
Abb. 33: Folie und Merkblatt „Arbeitsschutz im Organischen Praktikum“
109<br />
Die Hausaufgaben „Umgang mit bzw. Erstellen von DIN-Sicherheitsdatenblättern<br />
und Betriebsanweisungen anhand ausgewählter Beispiele“ wurden präsentiert und mit<br />
der Gruppe diskutiert. An alle Studenten wurde ein DIN-Sicherheitsdatenblatt (Merck),<br />
ein Merkblatt „Gefährliche Arbeitsstoffe“ (Kühn · Birett) und die Broschüre „Umgang<br />
mit Gefahrstoffen an der Fachhochschule Darmstadt“ ausgehändigt und auf die in den<br />
Laborräumen ausliegende oder bei der Laborleitung einseh- und ausleihbare<br />
arbeitsschutzrelevante Schriften verwiesen. Um das Kapitel Arbeitsschutz abzuschließen<br />
und die Veranstaltung aufzulockern, wurden - wie bereits beim AUT I - Dias vorgeführt,<br />
die jetzt ausschließlich organisch-chemische Themen zum Inhalt hatten.<br />
Als Übergang vom Arbeits- zum Umweltschutz bot sich die Behandlung der<br />
Thematik Toxikologie an. Ein Referent stellte eine ausgewählte Praktikumchemikalie<br />
(Methanol, Ethanol, Formaldehyd, Nitrit) oder eine häufig benutzte Stoffgruppe<br />
(Aromaten, halogenierte Kohlenwasserstoffe) mit ihrer toxischen Wirkung auf den<br />
Menschen vor, zeigte Möglichkeiten der Therapie auf und gab Gelegenheit zur<br />
Diskussion und <strong>Weiterentwicklung</strong> der vorgestellten Fakten anhand einfacher<br />
(bio)chemischer Überlegungen (vgl. 2.9). Hieraus resultierte fast immer ein hohes Maß<br />
an Motivation, und meist wurde nach weiteren Beispielen zur Toxikolgie praktikumrelevanter<br />
Substanzen gesucht. Es ist daher wenig erstaunlich, dass das Thema<br />
Toxikologie nur in den wenigsten Fällen ohne größere Mühe wieder zu verlassen war.<br />
Der Punkt Umweltschutz wurde mit der Vorstellung der an der Fachhochschule<br />
Darmstadt vorhandenen Abfallkategorien eingeleitet, wobei die „Betriebsanweisung zur<br />
Behandlung und Entsorgung von Sonderabfällen“ als Vorlage diente. Die Studenten<br />
erkannten schnell, dass ein Großteil Abfall schon alleine dadurch vermieden werden<br />
kann, dass Lösungsmittel durch einfache Destillation am Rotavapor zurückgewonnen<br />
werden (vgl. 2.7.2). Besonders thematisiert wurde die Problematik halogenierter<br />
Kohlenwasserstoffe, die unter keinen Umständen ins Abwasser gelangen dürfen, worauf<br />
vor allem beim Ausspülen der Reaktionsgefäße nach Abschluss eines Versuches zu<br />
achten ist.<br />
Anschließend wurde von einem Studierenden referiert, dass in der Organischen<br />
Synthese auch zahlreiche anorganische Stoffe als Reduktions- und Oxidationsmittel<br />
sowie Katalysatoren zum Einsatz kommen, die Abwasserprobleme bereiten, so dass<br />
entsprechende Entsorgungsmaßnahmen oder Recycling-Arbeiten erforderlich werden.<br />
Hier konnte direkt an die Inhalte <strong>des</strong> Anorganischen Praktikums angeknüpft und z.B.<br />
erarbeitet werden, dass resultierende Cr 3+ -Ionen aus Jones-Oxidationen durch eine<br />
Hydroxidfällung dem Abwasser entzogen, restliches KMnO 4 aus Oxidationsprozessen<br />
zu ungiftigem Braunstein reduziert oder Iodid-Reste aus Williamsonschen Ethersynthesen<br />
mit H 2 O 2 auf direkt im Organischen Praktikum wiederverwertbares<br />
elementares Iod aufbereitet werden können. Kleine Mengen wässriger aluminium- bzw.<br />
zinkhaltiger Reste aus Friedel-Crafts-Reaktionen bzw. Clemmensen-Reduktionen<br />
können an das Einführungspraktikum weitergegeben werden. Dort werden die<br />
Metallkationen dann ausgefällt und mit Cobaltverbindungen zu den Pigmenten Thénards<br />
Blau bzw. Rinmanns Grün pyrolysiert. Besonders beeindruckend war es für die<br />
Studenten zu erkennen, dass eine Verknüpfung der Stoffflüsse <strong>des</strong> Organischen und <strong>des</strong><br />
Anorganischen Praktikums einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz im Fachbereich<br />
leisten kann, womit gleichzeitig Gesichtspunkte <strong>des</strong> in der Industrie zunehmend<br />
wichtigen produktions-integrierten Umweltschutzes widergespiegelt werden (vgl. 2.6.3).
110<br />
3 Evaluation <strong>des</strong> Einführungpraktiums an der<br />
Fachhochschule Darmstadt [61]<br />
Zweifellos vereinfacht das neue Ausbildungskonzept an der Universität Zürich und an<br />
der Fachhochschule Darmstadt die gesetzlich vorgeschriebene Umsetzung der<br />
Gefahrstoff-verordnung, führt zum Einsparen von Ausgangschemikalien und vor allem<br />
zu einer erheblichen Reduktion (über 90 %) der Abfallmenge, womit dem Budget <strong>des</strong><br />
Fach-bereichs und der Umwelt gleichermaßen gedient ist. Schon allein aus diesen<br />
Gründen ist es einem Praktikum, in dem anfallende Versuchsreste lediglich nach<br />
verschiedenen Kategorien sortiert und dann als Sondermüll verbrannt werden,<br />
überlegen. Es erhebt aber auch - wie bereits mehrfach erwähnt - den Anspruch, den<br />
Studenten klarzumachen, dass Chemie und Umweltschutz heute untrennbar<br />
zusammengehören und das jeder Chemiker, der Reste produziert, sich im Sinne <strong>des</strong><br />
Verursacherprinzips auch darum kümmern muss (affektive Lernziele), und ihnen<br />
außerdem das nötige Fachwissen zum Lösen von Umweltproblemen zu liefern<br />
(kognitive Lernziele), ohne dass tradierte Lernziele verloren gehen.<br />
Dass diese Ziele erreicht werden, lässt sich dadurch belegen, dass sich viele<br />
Studenten auch in späteren Praktika nicht nur konsequent an die Betriebsanweisungen<br />
zum Umweltschutz und zur Entsorgung halten (ein gedankenloses Wegschütten von<br />
Resten in den Ausguss ist bislang nicht beobachtet worden), sondern diese vor allem<br />
auch in Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten kritisch hinterfragen. Im praktikumbegleitenden<br />
Kolloquien wurde außerdem festgestellt, dass die meisten Studenten Verfahren<br />
zur Abwasserbehandlung, zum Recycling und Elemente einer<br />
Kreislaufwirtschaft, also die zusätzlichen Lerninhalte, nennen und beschreiben können<br />
und dabei die Grund-lagen klassischer Themen wie Komplexchemie oder<br />
Trennungsgang nach wie vor beherrschen.<br />
Um das Ausbildungskonzept weiter zu verbessern, wurde die Meinung der<br />
Studenten dazu durch Fragebögen (s.u.) ermittelt.<br />
Die gestellten Fragen sollten natürlich nicht auf Praktikumvergleiche abzielen, da<br />
die befragten Studierenden nur ein Praktikum kennen, sondern vielmehr deren<br />
Interessens-schwerpunkte (präparative Chemie, Analytik, Projektarbeiten, Umweltchemie)<br />
vor und nach dem Praktikum, Erwartungshaltungen bezüglich der<br />
Praktikuminhalte vor Praktikumbeginn und danach, in wie weit die Erwartungen im<br />
Praktikum erfüllt wurden, Meinungen zum Praktikumkonzept und zu den schriftlichen<br />
Anleitungen und insbesondere zum Umweltschutz in Industrie, Ausbildung und Beruf<br />
eruieren.<br />
Zu berücksichtigen ist, dass alle Darmstädter Fachhochschul-Studenten das Fach<br />
Chemische Technologie studieren, der kleinere Teil (etwa ein Viertel) der Zürcher<br />
Universitäts-Studenten (promovierter) Diplom-Chemiker werden möchte, während die<br />
meisten Zürcher Studenten sich mit Chemie als Nebenfach beschäftigen und später vor<br />
allem in der Biologie tätig sein werden.
111<br />
3.1 Fragebögen vor Praktikumbeginn<br />
Vor Praktikumbeginn im 2. Semester erwarteten die Darmstädter Studenten (Zürcher<br />
Studenten wurden nicht befragt), dass sich die Inhalte der Vorlesungen im ersten<br />
Semester bezüglich präparativer Chemie (77 %), analytischer Chemie (89 %),<br />
Stöchiometrie (89 %), Toxikologie (83 %) und Umweltschutz (83 %) im Praktikum<br />
widerspiegeln. Ihre Erwartungshaltung ist berechtigt, denn die Vorlesungen sollen nach<br />
Intention <strong>des</strong> verantwortlichen Dozenten die Studenten in der Tat auf das Praktikum<br />
vorbereiten. Das Bestehen der Abschlussklausuren ist sogar Voraussetzung, um zum<br />
Praktikum zugelassen zu werden.<br />
Dass die Studenten im Praktikum nicht ganz so viel Synthese- wie analytische<br />
Chemie erwarten, ist verständlich, da sich die zahlreichen in der Vorlesung über<br />
anorganische Chemie vorgestellten großtechnischen Syntheseprozesse, z. B. Ammoniak-<br />
, Chlor- oder Schwefelsäureproduktion, im Praktikum gar nicht realisieren lassen, die<br />
qualitativen Analysen hingegen in vollem Umfang durchführbar sind. Da bereits in der<br />
Experimentalvorlesung konsequent auf die Aufbereitung anfallender Versuchsreste<br />
hingewiesen wird oder diese zum Teil direkt vorgeführt wird (s. 2.10.3), ist die<br />
Erwartungshaltung der Studenten bezüglich Gesichtspunkten <strong>des</strong> Umweltschutzes im<br />
Praktikum sehr hoch. Ihre ebenfalls hohe Erwartungshaltung bezüglich Elementen der<br />
Toxikologie (s. 2.9) im Praktikum wird allerdings erst im Fortgeschrittenenpraktikum<br />
erfüllt.<br />
Vor Praktikumbeginn dominiert bei den Auszubildenden das Interesse an Fragen zur<br />
Umweltchemie (49 %) deutlich vor dem an präparativer (15 %) und analytischer Chemie<br />
(19 %).<br />
Von der chemischen Industrie haben die Studenten vor Praktikumbeginn die<br />
schlechte Meinung, dass sie nur in befriedigendem bis ausreichenden Maße (3.5) dem<br />
Umweltschutz Rechnung trägt. Die Hälfte der Studenten sieht die Zukunft für<br />
Umwelt/Umweltschutz eher optimistisch (52 %), ein Viertel eher pessimistisch (26 %),<br />
und zwei Drittel der Studenten meint, später im Beruf zum Umweltschutz beitragen zu<br />
können, und wünscht sich dies auch, wie aus einer Frage nach dem gewünschten<br />
Einsatzbereich nach Abschluss <strong>des</strong> Studiums klar hervorgeht.<br />
Die Studenten gehen wenig vorbereitet ins Praktikum. Mit der ihnen im ersten<br />
Semester ausgehändigten Betriebsanweisung und den im Labor hängenden Wandtafeln<br />
zum sicheren und umweltgerechten Arbeiten haben sie sich praktisch nicht auseinandergesetzt.<br />
Lediglich die vom Laborleiter sehr witzig und humorvoll geschriebenen<br />
Richtlinien zum Experimentieren sind von einigen Studenten gelesen worden, ein Indiz<br />
dafür, dass trockene Gesetze und Verordnungen nur dann eine Chance haben, bewusst<br />
aufgenommen zu werden, wenn sie anschaulich und spannend aufbereitet sind. Das<br />
Defizit der Studenten im Kennen von Sicherheits- und Umweltschutzauflagen und im<br />
Umgang mit Betriebsanweisungen kann durch ein kurzes Seminar zu Beginn <strong>des</strong><br />
Praktikums beseitigt werden, in dem in Gruppen von jeweils 5-6 Studenten nach der<br />
Brain-Storm-Methode Grundbegriffe zum Arbeits- und Umweltschutz erarbeitet und in<br />
Hinblick auf das Praktikum kritisch reflektiert werden (s. 2.10.8.1). Die neue Veranstaltung<br />
wurde von den Studenten mit großer Mehrheit als die bislang beste zu dem<br />
Themenkomplex bezeichnet.<br />
Auch die Anleitungen zu den anstehenden Experimenten sind kaum einstudiert<br />
worden. Dies darf nicht sein, so dass die Studenten in Zukunft durch Antestate oder eine<br />
Vorbesprechung im Rahmen <strong>des</strong> praktikumbegleitenden Seminars zum intensiveren<br />
Befassen mit der Theorie und Praxis der Versuche vor deren Beginn angehalten werden<br />
müssen. Auch das von Tietze und Eicher vorgeschlagene Erfassen der Stoffflüsse von
112<br />
Versuchen in Fließdiagrammen [62] kann hier hilfreich sein. Schließlich müssen<br />
chemische Reaktionen sorgfältig geplant werden, vor allem auch in Hinblick auf<br />
umweltrelevante Fragestellungen!<br />
3.2 Fragebögen am Ende <strong>des</strong> Praktikums<br />
Besonders interessant ist es, ob sich die Erwartungen der Studenten am Praktikumende<br />
erfüllt und ob sich ihre Interessensschwerpunkte und Meinungen bezüglich<br />
Umweltschutz in Industrie, Studium und Beruf geändert haben.<br />
Der Praktikumstoff war für die Darmstädter Studenten bezüglich Umfang,<br />
Vorwissen, Theorie und Praxis gut zu verkraften. Die meisten Zürcher Studenten fühlten<br />
sich hingegen schon leicht überfordert. Dies ist verständlich, da - wie eingangs erwähnt -<br />
der Großteil der Teilnehmer am Zürcher Praktikum Chemie als Nebenfach studiert und<br />
daher geringere Vorkenntnisse mitbringt. Das Zürcher Praktikum ist daher gerade für<br />
diesen Personenkreis besonders anspruchsvoll.<br />
Die Erwartungen der Studierenden bezüglich theoretischer Lehrinhalte im<br />
Praktikum wurde in Darmstadt gut, in Zürich befriedigend erfüllt. Die schlechtere<br />
Beurteilung durch die Zürcher Studenten liegt wahrscheinlich daran, dass die vielen<br />
Nebenfächler an chemietypischen Lehrinhalten weniger Interesse haben.<br />
Mit dem Erlernen handwerklicher Dinge sind die Darmstädter Studenten<br />
unzufriedener als die Zürcher. Dies kann sowohl an einer zu schlechten Platzausrüstung<br />
in Darmstadt, die von 61 % der Studenten als weniger gut und von 28 % der Studenten<br />
sogar als schlecht bezeichnet wurde, liegen, als auch daran, dass einfache handwerkliche<br />
Operationen vom Aufsichtspersonal nicht richtig vermittelt wurden, was auch mehrmals<br />
von Studenten in Gesprächen und als Kommentare auf dem Fragebogen geäußert wurde.<br />
Hier sollte Abhilfe geschaffen werden können: Für das folgende Semester wurde die<br />
Ausrüstung der Arbeitsplätze um einige Geräte ergänzt; außerdem wurde ein eintägiges<br />
Vorpraktikum konzipiert, in dem elementare handwerkliche Dinge vorgeführt und geübt<br />
werden.<br />
Die Betreuung im Praktikum wurde als gut bewertet. Nach Kriterien für eine gute<br />
Betreuung gefragt, nannten die Studenten die stete Ansprechbarkeit <strong>des</strong> Personals bei<br />
Fragen aller Art an erster Stelle, knapp vor der fachlichen Kompetenz <strong>des</strong> Personals und<br />
deutlich vor <strong>des</strong>sen pädagogisch-psychologischen Fähigkeiten.<br />
Die Erwartung der Studenten bezüglich Umweltschutz im Praktikum ist voll erfüllt<br />
worden und korreliert mit der Meinung, dass das Praktikumkonzept dem Umweltschutz<br />
gut Rechnung trägt (Korrelationskoeffizient 0.54). Diese Anerkennung kann nicht hoch<br />
genug bewertet werden in Anbetracht der häufigen Klagen von Studenten in anders<br />
organisierten Praktika, wo Ausgangsstoffe nicht recycelt oder Reste nicht aufbereitet,<br />
sondern lediglich gesammelt und verbrannt werden.<br />
Die Erwartung bezüglich <strong>des</strong> Erlernens eines sicheren Umgangs mit Gefahrstoffen<br />
wurde bei den Studenten gut, aber nicht ganz so gut erfüllt wie bezüglich <strong>des</strong><br />
Umweltschutzes. Entsprechend fallen auch die Noten bei den Fragen, ob das Praktikumkonzept<br />
der Gefahrstoffverordnung bzw. dem Arbeitsschutz ausreichend Rechnung<br />
trägt, etwas schlechter, aber immer noch durchaus gut, aus. Dass die Beurteilung der<br />
Belange <strong>des</strong> Arbeitsschutzes in Darmstadt schlechter ausfällt als in Zürich, korreliert mit<br />
der Tatsache, dass die Raumluft in Darmstädter Praktikum als viel schlechter bezeichnet<br />
wird und dass sich im Darmstädter Praktikum <strong>des</strong>halb auch deutlich mehr Studenten<br />
gefährdet fühlen als im Zürcher. Dies ist auf den geringen Arbeitsplatz pro Student und<br />
vor allem auf die kleinere Abzugskapazität und das in Evaluations-zeitraum mehrmalige
113<br />
Ausfallen der Abzuganlage in Darmstadt gegenüber Zürich zurückzuführen. Außerdem<br />
ist es für die Studenten unschwer zu erkennen, dass die Umsetzung der<br />
Gefahrstoffverordnung in Darmstadt noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in Zürich.<br />
Es fehlen z. B. ausreichend Spezialschränke für Säuren und Laugen sowie<br />
Sicherheitsschränke für andere Chemikalien. Erst wenn diese Defizite behoben sind -<br />
was Finanzmittel erfordert - ist mit einer besseren Beurteilung <strong>des</strong> gesamten Praktikums<br />
durch die Studierenden zu rechnen.<br />
Die schriftlichen Praktikumunterlagen werden von den Studierenden nur als gut bis<br />
befriedigend angesehen. Dies ist zunächst überraschend, zumal die Studenten die<br />
Versuche in der Regel problemlos nach den Vorschriften durchführen können und in<br />
Gesprächen auch immer wieder betonen, dass die Vorschriften klappen. Uns ist auch<br />
nicht bekannt, dass an anderen Universitäten bei der Nacharbeitung ausgewählter<br />
Vorschriften Probleme auftraten. Nicht ganz klar ist es, welche Erwartungen die<br />
Studenten an die Praktikumunterlagen haben. Die in Darmstadt sind kurz gehalten, fast<br />
ohne Theorie und ohne Arbeitsblätter, die in Zürich erhalten hingegen auch ausführliche<br />
Kapitel zur Theorie und von den Studenten auszufüllende Arbeitsblätter. Obwohl in<br />
ihrer äußeren Form unterschiedlich, werden die Begleitmaterialien in Darmstadt und<br />
Zürich in etwa gleich und nicht viel besser als befriedigend beurteilt. Vermutlich liegt es<br />
daran, dass die Studenten noch keine anderen Praktikumunterlagen kennen. Studenten in<br />
Praktika, in denen z.B. nach Standardlehrbüchern oder nach Vorschriften aus der<br />
chemischen Primärliteratur gearbeitet wird, klagen nämlich häufig darüber, dass sie mit<br />
diesen Unterlagen allein nicht zurecht kommen. Offensichtlich ist eine Unzufriedenheit<br />
mit dem Praktikumskript auch auf ein mangeln<strong>des</strong> Verständnis der theoretischen<br />
Hintergründe der Versuche zurückzuführen. Bei einer gezielten Befragung beurteilten<br />
nämlich die leistungsschwächeren Studenten tendenziell die Anleitungen schlechter als<br />
ihre leistungs-stärkeren Kommilitonen.<br />
Zum Thema „Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?“ wurden zwei Fragen<br />
gestellt. In der einen war zu differenzieren zwischen „Präparate“ (38 %), „Analysen“ (38<br />
%), „Recycling/Abwasserbehandlung“ (14 %) und „indifferent“ (11 %), in der anderen<br />
zwischen „Standardprogramm Präparate“ (11 %), „Qualitative Analysen“ (22 %),<br />
„Demonstrationskurse zur IR-, UV/VIS- und AAS-Spektroskopie“ (14 %) und<br />
„Projektarbeit“ (53 %).<br />
Im Sommersemester 1994 führten die Praktikanten in Darmstadt erstmals selbstgewählte<br />
Projekte, zum größten Teil mit Umweltchemie-Aspekten, im Umfang von etwa<br />
10 % der gesamten Praktikumzeit durch [63]. Da hier vor allem Eigeninitiative und<br />
persönliches Identifizieren mit dem gewählten Projekt gefordert waren, verwundert es<br />
nicht, dass die Projektarbeit von den meisten Studenten besonders positiv bewertet<br />
wurde. Auch die im Sommersemester 1994 erstmals durchgeführten<br />
Demonstrationskurse in instrumenteller Analytik schneiden in der Beurteilung der<br />
Studenten positiv ab, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Praktikumzeit in Anspruch<br />
nahmen. Auf jeden Fall sollten die Demonstrationskurse und eine kleine Projektarbeit<br />
zur Bereicherung <strong>des</strong> Praktikums in Zukunft erhalten bleiben.<br />
An Versuchen zum Recycling und zur Abwasserbehandlung haben nur 14 % der<br />
Studenten besonderen Spaß. Präparative und analytische Arbeiten werden viel lieber<br />
durchgeführt (jeweils 38 %). Dies bedeutet nicht, dass die Studenten von der<br />
Notwendigkeit <strong>des</strong> Recyclings und der Abwasserbehandlung nicht überzeugt sind, denn<br />
sonst hätten sie die Frage, ob das Praktikumkonzept dem Umweltschutz ausreichend<br />
Rechnung trägt, nicht so positiv beurteilt (s.o.). Es ist aber nachzuvollziehen, dass die<br />
Studenten wenig Spaß daran finden, eine übel riechende, dunkle und trübe Brühe mit<br />
Natriumsulfid zu versetzten, um Schwermetallionen als Sulfide auszufällen,<br />
abzufiltrieren und so dem Wasser zu entziehen, selbst wenn ein klares, schadstofffreies
114<br />
Filtrat abläuft, das bedenkenlos verworfen werden kann. Sonderlich attraktiv ist es auch<br />
nicht, aus einem bräunlichen Manganhydroxidschlamm wiederverwertbares<br />
Mangansulfat zu recyceln. Optisch ansprechender ist es sicherlich, zertifizierte<br />
Ausgangschemikalien aus dem Chemikalienschrank zu entnehmen und in sauberen<br />
Apparaturen in andere Stoffe umzu-wandeln, genauso wie es im Berufsleben<br />
angenehmer ist, im Vorfeld <strong>des</strong> Umweltschutzes in akkreditierten und mit High-Tech-<br />
Geräten ausgerüsteten Laboratorien Abwasser-proben zu analysierten, als in einer<br />
Kläranlage Filterpressen zu installieren und zu reinigen und dadurch aktiven<br />
Umweltschutz zu betreiben. Während es für den Schulunterricht eher gilt, „schöne“<br />
Versuche zu zeigen, welche die Schüler optisch ansprechen und motivieren, müssen<br />
Chemiestudenten hingegen auch lernen, dass Chemie oft alles andere als „schön“<br />
aussieht. Vermutlich hat die Aufbereitung anfallender Reste den Studenten etwas von<br />
ihrer idealistischen Vorstellung genommen, dass Umweltchemie „saubere“ Chemie ist.<br />
Hier lernen sie die Wirklichkeit kennen, dass Umweltchemie, insbesondere die<br />
Abwasserchemie, sich im Gegenteil meistens mit schmutzigen und hochkontaminierten<br />
Stoffen beschäftigt (vgl. 2.1.1).<br />
Die meisten Studenten geben an, sich an die Arbeits- und Sicherheitsvorschriften<br />
und die Umweltschutzauflagen gehalten zu haben, was auch mit den Beobachtungen <strong>des</strong><br />
Laborpersonals in Einklang steht. Warum beurteilen die Studenten Ihr Verhalten aber<br />
nur mit „gut“ und nicht mit „sehr gut“? Haben sie vielleicht ein schlechtes Gewissen, die<br />
eine oder andere unbekannte Probe nicht wie vorgesehen systematisch nach dem<br />
Trennungs-gang bearbeitet, sondern nur schnell durch Vorproben analysiert und doch<br />
einmal Ammoniak oder Salzsäure am Platz, und nicht wie vorgeschrieben unter dem<br />
Abzug abgefüllt zu haben? Haben sie wirklich jeden Reagenzglasinhalt aus den<br />
qualitativen Analysen in ihr Sammelgefäß zwecks anschließender<br />
Abwasserkonditionierung und nicht gelegentlich in das Entsorgungsgefäß für<br />
unverwertbare Abfälle gegeben? Es muß wohl so sein, denn die Laborsünderkasse, in<br />
die jeder, der gegen die Laborordnung verstößt, einen kleinen Obulus zu entrichten hat,<br />
war am Ende <strong>des</strong> Praktikums auch nicht ganz leer. Aus der Sicht der Laborleitung ist das<br />
i.a. aber sehr disziplinierte Verhalten der Studierenden zu loben, grob fahrlässige<br />
Verstöße gegen Sicherheits- und Umweltschutz-auflagen kamen nicht vor.<br />
Erfreulich ist auch, dass das Praktikum bei den meisten Auszubildenden das<br />
Interesse am weiteren Studium gefördert hat. Die Studenten sehen einen direkten<br />
Zusammenhang zwischen Praktikum, weiterem Studium und späterem Beruf<br />
(Korrelationskoeffizient 0.64). Dies ist besonders positiv zu werten, vor allem, wenn<br />
man die häufig geäußerte Meinung von Studenten in Praktika, in denen ein halbes Jahr<br />
lang in tradierter Form nur qualitative Analysen gekocht werden, bedenkt, dass diese Art<br />
der Chemie nicht mehr ganz zeitgemäß sei. Darmstädter Studenten haben offensichtlich<br />
erkannt, dass die im Praktikum integrierten Recycling- und Abwasserbehandlungsmethoden<br />
und Elemente einer Kreislaufwirtschaft sich nicht nur wie ein<br />
roter Faden durch ihre weitere Ausbildung ziehen, sondern auch in der industriellen<br />
Chemie und anderen Zweigen unserer Industrie-gesellschaft hochaktuell sind. Die<br />
Vernetzung einiger Stoffflüsse <strong>des</strong> Darmstädter Anfängerpraktikums mit anderen<br />
Praktika trägt dazu bei, dass die Studierenden in anderen Stadien ihrer Ausbildung in der<br />
Tat öfters an das Grundpraktikum zurückdenken werden. Wenn sie z. B. im organischen<br />
Praktikum Friedel-Crafts-Reaktionen durchführen, sollten sie sich daran erinnern, dass<br />
ein Teil der anfallenden aluminiumhaltigen wässrigen Reste als Edukt für das<br />
Blaupigment CoAl 2 O 4 im Grundpraktikum dient, oder wenn sie im anorganischen<br />
Fortgeschrittenenpraktikum Ferrocen herstellen, sollte ihnen das dafür nötige Edukt<br />
Eisentrisacetylacetonat aus dem Grundpraktikum bekannt vorkommen, wo sie es selbst<br />
synthetisiert haben (vgl. 2.6.1.1).
115<br />
Die Zürcher Studenten sehen den Zusammenhang zwischen Praktikum, weiterem<br />
Studium und Beruf nicht so deutlich wie die Darmstädter. Dies ist verständlich, da - wie<br />
bereits erwähnt - viele von ihnen Chemie als Nebenfach studieren.<br />
Der letzte Themenblock <strong>des</strong> Fragebogens versucht zu eruieren, ob sich das Umweltbewusstsein<br />
der Studierenden, ihre Einstellung zum Umweltschutz in Industrie und<br />
Beruf und ihre Interessensschwerpunkte an den verschiedenen Teilgebieten der Chemie<br />
im Laufe <strong>des</strong> Praktikums geändert haben.<br />
Die Darmstädter Studenten stimmen der Frage zu, ob das Praktikum ihr Umweltbewusstsein<br />
beeinflusst hat, die Zürcher Studenten sind unentschieden. Der Unterschied<br />
ist dadurch zu erklären, dass die Darmstädter Studenten im Sinne <strong>des</strong><br />
Verursacherprinzips stärker in die Verantwortung für die Aufbereitung anfallender Reste<br />
genommen werden als die Zürcher, die sich zwar streng an das getrennte Sammeln der<br />
Reste halten, von denen aber nur knapp jeder zweite Student selbst einen Versuch zur<br />
Chemikalienrückgewinnung durchgeführt hat. (Es fallen einfach nicht genügend Reste<br />
an, um allen Studenten eine entsprechende Aufgabe zuteilen zu können!) Als<br />
Praktikuminhalte, die ihr ökologisches Bewusstsein besonders beeinflusst haben, nennen<br />
36 % der Darmstädter Studenten die Recyclingversuche, 17 % die<br />
Abwasserkonditionierung und 8 % Gesichtspunkte <strong>des</strong> Arbeitsschutzes und der<br />
Toxikologie.<br />
Auf die gezielte Frage, was sie unter „Chemie und Umwelt“ verstehen, gaben<br />
einzelne Studenten folgende Antworten: verantwortungsvoller Umgang mit Chemikalien<br />
und Energie, Vermeiden von Abfällen bzw. deren fachgerechte Entsorgung, Recycling,<br />
Optimieren von chemischen Prozessen in Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit,<br />
Abwasseranalytik, Forschung für den Umweltschutz, Verständnis für und Aufklärung<br />
über die Auswirkungen der Chemie auf die Umwelt. Aus der Sicht <strong>des</strong> Laborleiters ist es<br />
erfreulich, dass die Antworten umfassend und genau die angestrebten Lernziele<br />
benennen.<br />
Die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz wird am Ende <strong>des</strong> Praktikums von den<br />
Studenten deutlich optimistischer gesehen als zu Praktikumbeginn, und auch die<br />
Meinung von der chemischen Industrie in Hinblick auf das Beachten <strong>des</strong><br />
Umweltschutzes ist etwas besser geworden (3.3). Offensichtlich haben die Studenten<br />
gelernt, dass die Chemie erheblich zum Umweltschutz beitragen kann, weil einfach viele<br />
Methoden zum Umweltschutz chemische sind. Das Interesse an der Umweltchemie ist<br />
zwar noch groß (36 %), hat aber doch signifikant nachgelassen gegenüber dem<br />
Zeitpunkt <strong>des</strong> Praktikumbeginns (49 %). Damit korreliert auch, dass etwas weniger<br />
Studenten als zu Anfang gute Möglichkeiten zum persönlichen Beitrag zum<br />
Umweltschutz im späteren Beruf sehen. Dies ist vermutlich mit dem bereits genannten<br />
Argument zu begründen, daß viele Studenten eingesehen haben, dass eine Arbeit im<br />
Umweltschutzbereich zwar unbedingt notwendig und ehrenhaft, aber auch nicht die<br />
angenehmste ist.<br />
Die Zürcher, vermutlich besonders die Biologie-Studenten, sind bezüglich der<br />
Zukunft von Umwelt und Umweltschutz deutlich pessimistischer als die Darmstädter<br />
Studenten, beurteilen die Möglichkeit, im Beruf zum Umweltschutz beitragen zu können<br />
aber viel besser, da die meisten Einsatzgebiete für Biologen von der Sache her<br />
umweltnäher sind als die der Chemiker und Chemieingenieure.<br />
Insgesamt sind die Darmstädter Studenten mit ihrer bisherigen Umweltbildung nach<br />
zwei Semestern zufrieden, was im wesentlichen auf das Praktikum zurückzuführen ist,<br />
denn die anderen Lehrveranstaltungen im ersten und zweiten Semester thematisieren<br />
Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes nur am Rande. Dies ist nicht schlimm, da noch zahlreiche<br />
Lehrveranstaltungen mit Umweltbezug folgen werden. Schwerpunkte sollten nach<br />
Meinung von 17 % der Studierenden die Abwassertechnik und nach 25 % der
116<br />
Studierenden auch andere technische Verfahren zum Umweltschutz, z.B.<br />
Luftreinhaltung, sein (und sind es auch).<br />
3.3 „Anerkannte“<br />
Studenten mit einer abgeschlossenen Ausbildung als Chemielaborant, Chemotechniker<br />
oder Chemisch-Technischer Assistent brauchen an der Fachhochschule Darmstadt im<br />
Grundpraktikum keine experimentellen Arbeiten durchzuführen, müssen aber am<br />
praktikumbegleitenden Seminar teilnehmen und die Kolloquien ablegen. Interessant war<br />
es, die Meinung dieses Personenkreises bezüglich der Lehrinhalte <strong>des</strong> Praktikums im<br />
Vergleich zu denen in ihrer Berufsausbildung und die Einstellung zu Industrie, Beruf<br />
und Umwellschutz zu erfahren.<br />
Bei der Beurteilung von Umweltschutzgesichtspunkten und der Umsetzung der<br />
Gefahrstoffverordnung im Praktikum schneidet das Darmstädter viel besser bzw. etwas<br />
besser ab als die Praktika in der Berufsausbildung. Dies ist zunächst überraschend, da<br />
sich in der chemischen Industrie die Berufsgenossenschaft besonders für den<br />
Arbeitsschutz einsetzt und es für eine Firma insgesamt ausgesprochen nachteilig ist,<br />
wenn dem Umweltschutz nicht vorbildlich Rechnung getragen wird. Unsere<br />
Beobachtungen bei häufigen Exkursionen ist, dass die Ausbildungslaboratorien in der<br />
chemischen Industrie in der Tat eine in Hinblick auf Arbeits- und Umweltschutz besser<br />
ausgerichtete Infrastruktur besitzen, als unsere Fachhochschule. Dies fällt den<br />
Auszubildenden aber offensichtlich nicht so sehr auf wie Lehrinhalte <strong>des</strong> Praktikums<br />
selbst. Dass das Darmstädter Praktikumprogramm Aspekte <strong>des</strong> Arbeits- und vor allem<br />
<strong>des</strong> Umweltschutzes viel stärker betont als die Programme in der beruflichen<br />
Ausbildung, sehen die Studenten auch so.<br />
Mehr mit industrieller Chemie vertraut, meinen die „Anerkannten“ anders als ihre<br />
Kommilitonen im Praktikum (3.3), dass die chemische Industrie dem Umweltschutz gut<br />
(2.1) Rechnung trägt. Die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz beurteilen sie etwas<br />
pessimistischer, die Möglichkeit, später im Beruf selbst zum Umweltschutz beitragen zu<br />
können, hingegen etwas optimistischer als ihre Mitstudierenden im Praktikum.<br />
3.4 Zusammenfassung<br />
Von den Studenten wird gewürdigt, dass das Zürcher Modell und seine<br />
<strong>Weiterentwicklung</strong> in Darmstadt dem Umweltschutz in besonderem Maße Rechnung<br />
trägt. Dass die Auszubildenden einen deutlichen Zusammenhang zwischen Praktikum,<br />
weiterem Studium und späterem Beruf sehen, ist auf die aktuellen, praxis- und<br />
lebensnahen Lehrinhalte zurückzuführen. Mit dominierendem Interesse an umweltrelevanten<br />
Fragestellungen ins Praktikum gegangen, werden die Studierenden dort aber<br />
auch für klassische präparative und analytische Chemie interessiert, die keineswegs zu<br />
kurz kommt. Die gelernten und im Sinne <strong>des</strong> Verursacherprinzips selbst durchgeführten<br />
Recycling- und Abwasserbehandlungsmethoden, überzeugen die Studenten davon, dass<br />
die Chemie erhebliche Beiträge zum Umweltschutz leisten kann und auch leistet, so dass<br />
sie die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz am Ende <strong>des</strong> Praktikums optimistischer<br />
als zu Praktikumbeginn sehen. Sie wissen jetzt auch, was aktiver Umweltschutz wirklich<br />
bedeutet, nämlich: sich oft um hochkontaminierte, übel riechende und ästhetisch unansehliche<br />
Reste zu kümmern. Diese Erkenntnis hat der anfänglichen Begeisterung
117<br />
zahlreicher Studenten für den Umweltschutz zwar einen leichten Dämpfer versetzt, aber<br />
bei Ihnen auch das Falschbild von Umweltchemie als besonders „sauberer“ Chemie<br />
korrigiert, so dass die Studenten nun die Möglichkeiten zum Umweltschutz durch<br />
Chemie fair beurteilen können.<br />
3.5 Ergebnisse in Tabellenform<br />
Im folgenden sind die hier diskutierten Fragen stichwortartig und die<br />
Antworthäufigkeiten in % bzw. die Durchschnittsnoten (in Klammern: Ergebnisse aus<br />
Zürich) angegeben. Darmstädter Studenten konnten Noten zwischen 1-5 erteilen, wobei<br />
1 sehr gut und 5 sehr schlecht bedeutet, Zürcher Studenten orientierten sich an der in der<br />
Schweiz üblichen Notengebung zwischen 1-6, wobei 1 sehr schlecht und 6 sehr gut<br />
bedeutet.<br />
In Darmstadt wurden 50, in Zürich 125 Studenten befragt. Die Rücklaufquote in<br />
Darmstadt betrug 72 %.<br />
Die Darmstädter Fragebögen wurden über das Computerprogramm Statgraphics<br />
ausgewertet.<br />
Befragung der Praktikumanfänger im Sommersemester 1994 in Darmstadt<br />
1. Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, Semesterzahl, berufliche Vorbildung)<br />
2.1. Intensität der Vorbereitung auf das Praktikum<br />
Skript: 3.7; Betriebsanweisungen: 3.9; Wandtafeln: 3.9;<br />
Wiskamps Sicherheitsfibel: 3.2<br />
2.2. Interessensschwerpunkt vor Praktikumbeginn<br />
Analytik: 19 %; Präparate: 15 %; Umwelt: 49 %; indifferent: 17 %<br />
2.3. Wie war der Vorlesungsstoff zu verkraften bezüglich<br />
Umfang: 2.9; Vorwissen: 2.8; theoretischer Anforderung: 2.5<br />
2.4. Erwarten Sie eine Widerspiegelung der Vorlesungsinhalte im Praktikum (ja)<br />
präparative Chemie: 77 %, analytische Chemie: 89 %, Stöchiometrie: 89 %<br />
Toxikologie: 83 %; Umweltschutzaspekte: 83 %<br />
3.1. Wie trägt die chemische Industrie dem Umweltschutz Rechnung: 3.5<br />
3.2. Beurteilung der Zukunft von Umwelt/Umweltschutz<br />
optimistisch: 52 %; pessimistisch: 26 %; indifferent: 22 %<br />
3.3. Wie beurteilen Sie die Möglichkeit, im späteren Beruf zum Umweltschutz<br />
beizutragen<br />
optimistisch: 65 %; pessimistisch: 10 %; indifferent: 25 %
118<br />
Befragung der Praktikumabsolventen 1994 in Darmstadt (in Zürich)<br />
1. Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, Semesterzahl, berufliche Vorbildung)<br />
2.1. Betreuung: 2.3 (92 % kompetent)<br />
2.2. Räumliche Bedingungen<br />
a) Personenzahl:<br />
angemessen: 81 % ( 69 %); zu groß: 8 % (11 %); zu klein 11 % (20 %)<br />
b) Raumluft: gut: 3 % (47 %); weniger gut: 58 % (48 %); schlecht: 39 % (5 %)<br />
c) Gefährdung Ihrer Person: stark: 3 % (2 %); mittel: 70 % (54 %); keine 28 % (44 %)<br />
d) Platzausstattung<br />
gut: 11 % (15 %); weniger gut: 61 % (71 %); schlecht: 28 % (14 %)<br />
2.3. Schriftliche Praktikumanleitungen: 2.8 (4.6)<br />
3.1. Zusammenhang zwischen Praktikum und<br />
weiterem Studium: 2.3 (4.1); Prüfungen: 2.5 (4.0); Beruf: 2.8 (3.9)<br />
3.2. Wie war das Praktikum zu verkraften bezüglich<br />
Umfang: 2.3 (4.0); Vorwissen: 2.7 (3.6); Theorie: 2.4 (3.9); Praxis: 2.3 (4.6)<br />
3.3. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt bezüglich<br />
handwerklicher Dinge: 3.2 (4.7); Umweltschutz/Entsorgung: 1.9 (5.0);<br />
Theorie: 2.3 (4.2); sicherer Umgang mit Gefahrstoffen: 2.6 (4.3)<br />
3.4. Was hat mehr Spaß gemacht<br />
Präparate: 38 % (22 %), Analysen: 38 % (37 %);<br />
Recycling/Abwasserkonditionierung: 14 % (15 %); indifferent: 11 % (17 %)<br />
(instrumentelle Versuche: 9 %)<br />
3.5. Praktikumkonzept trägt dem Umweltschutz Rechnung: 2.1 (4.9)<br />
3.6. Praktikumkonzept trägt der Gefahrstoffverordnung Rechnung: 2.5 (4.6)<br />
3.7. Praktikumkonzept trägt dem Arbeitsschutz Rechnung: 2.6 (4.8)<br />
3.8. Beurteilen Sie Ihr persönliches Verhalten bezüglich<br />
Arbeiten nach Vorschrift: 2.2 (4.7)<br />
Beachten der Sicherheitsvorschriften: 2.4 (4.6)<br />
Beachten der Umweltschutzauflagen: 2.2 (4.8)<br />
3.9. Haben Sie den sicheren und verantwortungsbewussten Umgang mit Chemikalien<br />
gelernt: 2.2<br />
3.10. Hat das Praktikum Ihr Interesse am weiteren Studium gefördert: 2.2<br />
3.11. Interessensschwerpunkte am Ende <strong>des</strong> Praktikums:<br />
Präparate: 21 %; Analytik: 27 %; Umweltchemie: 36 %; indifferent: 16 %<br />
4.1. Hat das Praktikum Ihr Bewusstsein gegenüber der Umwelt beeinflusst: 2.2 (3.6)<br />
4.2. Zufriedenheit mit der Umweltbildung im bisherigen Studium: 2.6 (3.7)<br />
4.3. Wie trägt die chemische Industrie dem Umweltschutz Rechnung: 3.3 (2.9)<br />
4.4. Zukunft von Umwelt/Umweltschutz<br />
optimistisch: 69 % (24 %); pessimistisch: 11 % (57 %); indifferent: 19 % (19 %)<br />
4.5. Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, im Beruf zum Umweltschutz beitragen zu<br />
können: gut: 56 % (70 %), schlecht: 9 % (10 %); indifferent: 33 % (20 %)<br />
5. Fragen zu den Projekten und Demonstrationskursen<br />
6. Was hat mehr Spaß gemacht: Standardprogramm Präparate: 11 %;<br />
Qualitative Analysen: 22 %; Demonstrationskurse: 14 %; Projekte: 53%
119<br />
4 Zusammenfassung<br />
Das Zürcher Modell eröffnet einen weiten Raum für Neuentwicklungen von Einzel- und<br />
vernetzten Experimenten und ganzen Lehreinheiten für einen zeitgemäßen, ökologisch<br />
orientierten Chemieunterricht auf verschiedenen Niveaus.<br />
Für Schüler und Studenten gleichermaßen wichtig ist es zu erfahren, dass Umweltschutz<br />
und Chemie untrennbar zusammengehören. Alle hier vorgestellten Versuche beinhalten<br />
<strong>des</strong>halb irgendeinen ökologischen Aspekt.<br />
Der Umweltschutz zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Chemieausbildung.<br />
Wie eine Evaluation zeigt, wird dies auch von den Studenten in Zürich und<br />
Darmstadt so gesehen und geschätzt. Auch an anderen Stellen findet das Zürcher und<br />
Darmstädter Ausbildungskonzept inzwischen Beachtung. Erwähnt wurden z.B. unsere<br />
Entwicklungsarbeiten für die Universität Tsukuba, Japan, und die Laborantenausbildung<br />
bei Boehringer, Mannheim. Ergänzend möchte ich das neue Anorganische Praktikum an<br />
der Universität Rostock nennen, in dem zahlreiche Versuche aus den Darmstädter<br />
Praktika direkt übernommen wurden [64].<br />
Die Studierenden, die sich im Rahmen von Projektarbeiten mit der Neugestaltung<br />
von Versuchen beschäftigen, führen Forschung und Entwicklung für den Umweltschutz<br />
durch. Die Ergebnisse der Arbeiten werden direkt im Chemiepraktikum oder Schulunterricht<br />
für Ausbildungszwecke genutzt. So verwirklichen wir an der Fachhochschule<br />
die Einheit von Forschung und Lehre im Humboldtschen Sinne [65].<br />
Ein großer Teil der hier vorgestellten Experimente ist für die Fachhochschule<br />
konzipiert und kommt dort zum Einsatz. Viel Industrie-Know How ist dabei in die Lehre<br />
eingeflossen, z.B. die Anwendung eines Katalysators bei der Siliconölherstellung, die<br />
Cofällung von Cobalt und Aluminium bzw. Zink zur Erzeugung kleinster Teilchen zur<br />
anschließenden Herstellung hochwertiger Pigmente, die Standardmethoden zur Abwasserreinigung,<br />
insbesondere die Wahl der richtigen Aktivkohle zur Farbstoffadsorption,<br />
die Techniken zur weitergehenden Abwasserbehandlung wie fotochemische<br />
Zerstörung von Inhaltsstoffen oder kupferkatalysierte Cyanidentgiftung, moderne<br />
Verfahren zur Luftreinhaltung und Bodensanierung, neue Trends wie die Chemie der<br />
nachwachsenden Rohstoffe (Naturstoffchemie) etc. Dem Bildungsauftrag der Fachhochschule<br />
zur praxis- und industrieorientierten Ausbildung wird dadurch in besonderem<br />
Maße Rechnung getragen.<br />
Umweltschutz beginnt in der Seele <strong>des</strong> Menschen. Wer etwas in seiner Umwelt für<br />
schön hält, wird es auch für schützenswert erachten und sich entsprechend verhalten.<br />
Sicherlich hat ein Fach wie Biologie mehr Möglichkeiten, die Schönheit der Natur<br />
aufzuzeigen als die Chemie, dennoch kann in keinster Weise abgestritten werden, dass<br />
die hier beschriebenen umweltfreundlicheren Versuche und Konzepte unter<br />
verschiedenen Gesichtspunkten einen großen Bildungswert besitzen:<br />
• Sich mit ökologischen Gesichtpunkten in der Chemie zu beschäftigen, führt<br />
automatisch zu einem vertieften Nachdenken über unsere Umwelt und damit zur<br />
Menschenbildung im allgemeinen Sinne.<br />
• Es sollte selbstverständlich sein, das jeder Mensch für das, was er tut, die<br />
Verantwortung übernimmt. Kants kategorischer Imperativ wird in der Chemie mit<br />
dem Wort Verursacherprinzip bezeichnet. Lehrer und Dozenten müssen in ihrem<br />
Unterricht das Sorge-Tragen für die von ihnen verursachten Versuchsreste vorleben.<br />
Schüler und Studenten müssen sich entsprechend um die Reste aus Schülerexperimenten<br />
bzw. Praktikumversuchen kümmern, selbstverständlich nach
120<br />
vorgegebenen Hilfestellungen. Verantwortliches Handeln ist also eine<br />
Basisqualifikation, die der Chemieunterricht in besonderem Maße vermitteln kann.<br />
• Wenn der Volksmund das Verursacherprinzip z.B. mit „Kümmere dich selbst um<br />
deinen Mist“ umschreibt, sollte jeder Auszubildende hellhörig werden und sich die<br />
Frage stellen, ob der „Mist“ nicht von vornherein vermeidbar ist. Mit diesem deftigen<br />
Worten kann Schülern das Ersatzstoffprinzip überzeugend nahegebracht werden. Die<br />
Motivation, nach Versuchen Ausschau zu halten, die abfallfrei sind, stellt geradezu<br />
eine Herausforderung dar. In einer Zeit, in der unsere Gesellschaft an gewisse<br />
Grenzen stößt, fördert das Ersatzstoffprinzip das kreative Suchen nach Neuem und<br />
Besserem.<br />
• Aufklärend ist das Arbeiten mit unansehlichen und stinkenden Versuchsresten in der<br />
Hinsicht, dass deutlich herauskommt, was Umweltschutz sehr oft bedeutet: sich mit<br />
Altlasten zu beschäftigen. Dies ist eine ausgesprochen wertvolle, aber nicht immer<br />
angenehme Arbeit.<br />
• Ist das, was bei einem Versuch übrig bleibt, wirklich „Abfall“ und nicht doch in<br />
irgendeiner Weise verwertbar? In unsere Gesellschaft haben wir längst eine „Abfall“-<br />
Wirtschaft. Das Weiterverwerten von Versuchsresten - im gleichen oder in einem<br />
anderen Praktikum - fördert das kritische Hinterfragen der sog. Wegwerfgesellschaft<br />
und zeigt vernünftige Alternativen auf.<br />
• Vernetzen<strong>des</strong> Denken lässt sich anhand von Experimenten in geschlossenem Zyklen<br />
üben. Die großen und perfekten Kreisläufe der Natur können natürlich nur stark<br />
vereinfacht modelliert werden, zeigen aber Wesentliches, nämlich, dass die meisten<br />
Prozesse umkehrbar sind, wenn nur die Randbedingungen stimmen. Wenn z.B. eine<br />
Reaktion in die eine Richtung freiwillig abläuft, muss sie in die umgekehrte Richtung<br />
unter (zum Teil erheblichem) Energieaufwand erzwungen werden. Kreisprozesse und<br />
Recycling öffnen <strong>des</strong>halb die Diskussion von Ökobilanzen.<br />
• Die Qualitätskontrolle recycelter Stoffe dient vor allen der kritischen Betrachtung <strong>des</strong><br />
Begriffs Recycling. Meistens weisen „recycelte“ Stoffe nämlich eine verminderte<br />
Qualität auf und müssen für limitierte Anwendungen spezifiziert werden. Anhand<br />
der Qualitätskontrolle lässt sich das Verantwortungsbewusstsein der Auszubildenden<br />
weiter fördern: Genauso wir ein Produzent für die Reste bei der Produktion (ein<br />
Student für Reste im Praktikum) haftet, so haftet er auch für das eigentliche<br />
Verkaufsprodukt (das an andere Studierende weiterzureichende Präparat).<br />
• Chemie ist definitionsgemäß die Wissenschaft, die sich mit Stoffen, ihren Eigenschaften<br />
und Umwandlungen beschäftigt. So wie der Siedepunkt und die Farbe für<br />
einen Stoff charakteristisch sind, so sind es auch seine toxischen und ökotoxikologischen<br />
Wirkungen. Die Chemie befasst sich naturgemäß auch mit giftigen und<br />
umweltschädlichen Stoffen. Gefährlichkeit, wie auch immer geartet, ist eine Stoffeigenschaft,<br />
die nicht ignoriert werden darf. Dies zu vermitteln, ist Aufgabe eines<br />
fairen Chemieunterrichtes. Aus dem Gefahrenpotential bestimmter Stoffe ergibt sich<br />
gerade die besondere und reizvolle Verantwortung <strong>des</strong> Chemikers. Er ist es, der am<br />
meisten zum Umweltschutz beitragen kann. Er ist es, der die Fachkompetenz besitzt<br />
und weiß, daß alle Verfahren der Wasser-, Luft- und Bodenreinhaltung auf<br />
chemischen Prinzipien basieren. Wenn gerade Schülern überzeugend vermittelt wird,<br />
dass die Chemie in der Tat sehr viel im Umweltschutz bewirkt, kann ein Beitrag zur<br />
Ver-besserung der Akzeptanz dieser Wissenschaft in unsere stark chemieabhängigen<br />
Industriegesellschaft geleistet werden. Der hier vorgestellte Ansatz bietet dazu eine<br />
Hilfestellung.<br />
• Für Studenten ist es ganz wichtig, daß sie Fachwissen erwerben, wie Chemie zum<br />
Umweltschutz beitragen kann. Denn fundiertes Wissen (kognitive Lerninhalte) ist die
121<br />
entscheidende Grundlage, um später im Beruf kompetent handeln zu können. Vor<br />
allem durch Klausuren und Kolloquien wissen wir, dass unsere Studenten heute viel<br />
mehr über Chemie und Umwelt wissen, als zur Zeit vor der Einführung der Zürcher<br />
Praktikumrichtlinien.<br />
• Eng verbunden mit Fragen <strong>des</strong> Umweltschutzes sind solche der Sicherheit und <strong>des</strong><br />
Gesundheitsschutzes. Wer sicheres Arbeiten im Chemieunterricht gelernt hat und<br />
Gefahren für sich und die Umwelt erkennen und <strong>des</strong>halb Vorsichtsmaßnahmen<br />
treffen kann, ist automatisch auch für Gefahren im täglichen Leben, speziell im<br />
Haushalt, sensibilisiert. Z.B. wird jemand, der mit heißen Ölbädern korrekt umgehen<br />
kann, auch beim Frittieren in der Küche vorsichtig sein! Aspekte der Toxikologie in<br />
eine ökologisch orientierte Chemieausbildung zu integrieren, fördert das Transferdenken.<br />
Denn die schädlichen Wirkungen bestimmter Stoffe auf den menschlichen<br />
Organismus lassen sich mit den gleichen chemischen Prinzipien (Redoxprozesse,<br />
Säure/Base-Wechselwirkungen, Komplexchemie etc.) erklären wie ihre schädliche<br />
Wirkung auf die Umwelt (denn der Mensch ist Teil davon!). Querbeziehungen<br />
zwischen Medizin und Umweltschutz lassen sich mühelos aufzeigen: Medizin ist in<br />
starkem Maße Chemie zur Heilung bzw. Verhütung von Schäden am menschlichen<br />
Körper; für den Umwelt-schutz gilt analog, dass er sich die Chemie zu Nutze macht<br />
zur Beseitigung bzw. Vermeidung von Schäden an Natur und Umwelt.
122<br />
Literatur<br />
[1] H. Fischer: Ausbildungsintegrierter Umweltschutz durch Chemie. -<br />
Chem. unserer Zeit 25 (1991) 249-256;<br />
H. Fischer: Wege zur Sonderabfallreduktion in einem Chemieanfängerpraktikum. -<br />
Chimia 45 (1991) 77;<br />
H. Fischer: Praktikum in Allgemeiner Chemie, Teil 1 und Teil 2. -<br />
VHCA und VCH, Basel und Weinheim, 2. Aufl., 1994 bzw. 1995<br />
[2] P. Kating, H. Fischer: Ausbildungsintegrierter Umweltschutz - Erfahrungen mit der<br />
Sonderabfallreduktion in einem Chemieanfängerpraktikum. -<br />
Chem. unserer Zeit 29 (1995) 101-106<br />
[3] V. Wiskamp, M. Hörter, B. Köhler, B. Nau:<br />
Abfallfreie Versuche zur Polymerchemie. - Chem. unserer Zeit 26 (1992) 232-234<br />
[4] V. Wiskamp, K. Trageser: Kombination von Experimenten der Kupferchemie zu<br />
einem Kreislauf. - Chem. Sch. 40 (1993) Beiheft 20-24<br />
[5] V. Wiskamp, D. Rohrer, P. Kunz, A. Sunur: Konditionierung von Abwässern aus<br />
der qualitativen Analyse. - CLB (Beilage Memory) 44 (1993) 18-20<br />
[6] V. Wiskamp: Farbstoffe und Pigmente: Eine neue Lehrveranstaltung in der<br />
Chemieingenieurausbildung der Fachhochschule Darmstadt. -<br />
Die Farbe 38 (1991/1992) 179-187<br />
[7] G. Wittke: Farbstoffchemie.- Diesterweg Salle Sauerländer, 1984<br />
[8] V. Wiskamp, V. Kramb, W. Proske: Färben und Umwelterziehung. -<br />
MNU 48 (1995) 493-494<br />
[9] V. Wiskamp, H. Ritter: Wir modellieren die Farbstoffindustrie. -<br />
Chem. & Sch., eingereicht<br />
[10] V. Wiskamp, S. Zenker: Eisenextraktion mit tertiärem Butylmethylether. -<br />
CLB (Beilage Memory) 48 (1997) 22<br />
[11] V. Wiskamp, W. Proske: Das erprobte Experiment: Diffusion in der Petrischale.-<br />
Chem. Sch. 43 (1996) 373-374<br />
[12] V. Wiskamp: Das erprobte Experiment: Elektrolysen von Zinkchlorid- und<br />
Zinn(II)- Chlorid-Schmelzen. - Chem. Sch. 43 (1996) 461-462<br />
[13] V. Wiskamp, W. Proske: Umweltbewußtes Experimentieren im Chemieunterricht. -<br />
VCH, Weinheim, 1996<br />
[14] V. Wiskamp, W. Proske: Maßanalytische Wasseranalysen im Halbmikromaßstab. -<br />
Chem. & Sch. 2/1995 16-17<br />
[15] V. Wiskamp, W. Proske, U. Elgert: Eine Halbmikroschnellmethode zur<br />
CSB-Bestimmung. - Chem. & Sch., im Druck<br />
[16] D. Braun, H, Cherdron, W. Klein:<br />
Praktikum der makromolekularen organischen Chemie. - Hüthig, Stuttgart, 1979<br />
[17] V. Wiskamp, J. Röder, W. Proske: Reagenzglasversuche zur Organischen Chemie -<br />
vielseitig, lehrreich und umweltfreundlich. - c+b 2/1996 24-38<br />
[18] V. Wiskamp, A. Brietzke, K. Trageser: Schadstoffreduzierung in der Qualitativen<br />
Analyse. - PdN-Chemie 43 (1994) 42-45<br />
[19] V. Wiskamp: Fotochemische cis-trans-Isomerisierung von Azobenzol auf der<br />
Dünnschichtplatte. - PdN-Chemie 43 (1994) 26-28<br />
[20] M. Tausch: Photochemische cis-trans-Isomerisierungen. - MNU 40 (1987) 92-103<br />
[21] V. Wiskamp, R. Bauer, K. Trageser, V. Wenzel: Geschlossene Kreisläufe. -<br />
Chem. unserer Zeit 27 (1993) 48-51
123<br />
[22] V. Wiskamp: Umweltfreundlichere Versuche im Anorganisch-Analytischen<br />
Praktikum. - VCH, Weinheim, 1995<br />
[23] H. Schmidkunz, D. Büttner, H. Lindemann: Darstellen und Denken in<br />
Kreisprozessen. - NiU-Chemie 1 (1990), Heft 4;<br />
H. Schmidkunz: Die Entwicklung und die Erörterung von Kreisprozessen -<br />
ein didaktisches Prinzip einer Umwelterziehung im Chemieunterricht. -<br />
NiU-Chemie 4 (1993), Heft 16;<br />
H. Schmidkunz: Kreisprozesse und Unterricht. - NiU-Chemie 7 (1996) 4-8<br />
[24] V. Wiskamp, W. Fichtner, V. Kramb, A. Nintschew, J. S. Schneider:<br />
Infrared Spectroscopy: A Versatile Tool in Practical Chemistry Courses. -<br />
J. Chem. Educ. 72 (1995) 952-954<br />
[25] V. Wiskamp, D. Schneider: Versuchsoptimierung als Lernziel. -<br />
CLB 46 (1995) 220-222<br />
[26] V. Wiskamp, V. Kramb, W. Proske: Eisen-, Calcium- und Kupfer-Kreisläufe.-<br />
NiU-Chemie 7 (1996) 9-11<br />
[27] V. Wiskamp, D. Flassak, E. Schüler, D. Werle: Chemie rund um die Benzoesäure -<br />
ein abfallreduziertes Praktikum in der Chemielaborantenausbildung. -<br />
CLB (Beilage Memory) 48 (1997) 34-36<br />
[28] V. Wiskamp: Aufarbeitung anorganischer Reste aus der organischen Synthese. -<br />
Chem. unserer Zeit 29 (1995) 211-213<br />
[29] V. Wiskamp, T. Konno, K. Okamoto, V. Kramb, P. Lima, X. Morel:<br />
Recycling von Kupfer aus Praktikumsresten im halbtechnischen Maßstab. -<br />
CLB (Beilage Memory) 45 (1994) 53-54<br />
[30] V. Wiskamp, W. Ando, H. Aoyama, T. Konno, K. Okamoto, T. Tesuka:<br />
Eine japanisch.deutsche Zusammenarbeit in der Chemieausbildung. -<br />
CLB 45 (1994) 76-79<br />
[31] V. Wiskamp R. Bauer, P. Kunz, J. Nink, A. Nintschew, D. Rohrer, A. Sunur:<br />
Abwasserbehandlung und Lösungsmittel-Rückgewinnung im Rahmen der<br />
Chemieingenieur-Ausbildung. - Chimia 47 (1993) 424-428<br />
[32] V. Wiskamp: Kleines Polymerchemisches Praktikum für Ingenieure. -<br />
CLB (Beilage Memory), im Druck<br />
[33] V. Wiskamp, W. Ando, Y. Kabe: Buckminsterfullerene in undergraduate<br />
practicals. - Educ. in Chemistry 31 (1994) 162-164<br />
[34] H.-J. Bader: Kunststoff-Recycling (Praxis Schriftreihe Chemie, Band 40). -<br />
Aulis Verlag, Köln, 1983<br />
[35] V. Wiskamp, R. Bauer, M. Gittel, A. Lukas, D. Schneider, V. Wenzel:<br />
Qualitätskontrolle recycelter Praktikumspräparate. -<br />
CLB (Beilage Memory) 44 (1993) 73-75 und 90- 91<br />
[36] V. Wiskamp, A. Nintschew, D. Radsziwill, D. Schoepe, A. Trizzino:<br />
Zuckerchemie im Rahmen einer ökologisch orientierten Chemieausbildung. -<br />
CLB (Beilage Memory) 48 (1997) 18-19, 44-46, 62 und<br />
[37] H. Sommerfeld: Modellreaktionen zur Technologie nachwachsender Rohstoffe. -<br />
Shaker, Aachen, 1993<br />
[38] V. Wiskamp, V. Kramb: Nachwachsende Rohstoffe - eine neue Lehrveranstaltung<br />
an der Fachhochschule Darmstadt und ihre Evaluierung. -<br />
chimica didactica 22 (1996) 67- 83<br />
[39] V. Wiskamp, Torsten Felbinger, Ulf Schubert: Isolierung und spektroskopische<br />
Untersuchung von Blatt- und Möhrenfarbstoffen. - in Vorbereitung<br />
[40] V. Wiskamp, B. Schmidkonz, S. Zenker: Mineralien als Edukte im Anorganischen<br />
Praktikum. - PdN-Chemie, im Druck<br />
[41] B. Schmidkonz: Betrachtungen an Gesteinen und Mineralien. -
124<br />
Chemkon 4 (1997) 129-133<br />
[42] V. Wiskamp, W. Proske, J. Röder: Sicherheitsbelehrung mit Experimenten. -<br />
Chem. Sch. 44 (1997) 190-192<br />
[43] V. Wiskamp, V. Kramb, W. Proske: Über die toxische Wirkung einiger im<br />
Schulunterricht häufig verwendeter bzw. besprochener Stoffe. -<br />
NiU-Chemie 7/Nr.31 (1996) 35-37<br />
[44] H. Kruse: Laborfibel. - 2. Aufl. - VCH, Weinheim, 1989<br />
[45] P. Menzel: Versuche mit Adsorptionsstopfen. - Chem. Sch. 42 (1995) 151-152<br />
[46] V. Wiskamp, W. Proske: Modellversuch zur Bildung und Vermeidung von Karies. -<br />
NiU-Chemie 8 (1997) 29-30<br />
[47] V. Wiskamp, W. Proske: Das erprobte Experiment: Die toxische Wirkung von<br />
Nitrit, „aufhebbar“ durch Vitamin C. - Chem. Sch. 43 (1996) 285-286<br />
[48] V. Wiskamp, W. Proske:<br />
Modellversuche zur Therapie bei Schwermetallvergiftungen. - CLB 48 (1997)<br />
[49] V. Wiskamp, , V. Kramb, A. Nintschew, W. Proske:<br />
Modellversuche zur Luftreinhaltung. - Chem. & Sch. 4/1995 16-19<br />
[50] V. Wiskamp, P. Fischer, S. Hüttenhain, V. Kramb: Ein Umweltchemie-Praktikum<br />
an der Fachhochschule Darmstadt. - Chimia 48 (1994) 475-478<br />
[51] V. Wiskamp, A. Nickel, V. Kramb: Das Experiment:<br />
Silberrückgewinnung aus Röntgenfilmen. - Chemkon 1995, 113<br />
[52] H.-J. Bader: PET. - NiU-Chemie 7 (1996)<br />
[53] V. Wiskamp, S. Hüttenhain, R. Lehr, G. Paffrath: Bodensanierung. -<br />
Chem. Sch., im Druck<br />
[54] V. Wiskamp: Anorganische Chemie - ein praxisbezogenes Lehrbuch. -<br />
Verlag Harri Deutsch, Frankfurt, 1996<br />
[55] V. Wiskamp, W. Proske: Praktikables Konzept zur Aufarbeitung alter<br />
Chemikalienbestände. - Chem. Sch. 43 (1996) 19-20<br />
[56] V. Wiskamp, W. Klug, V. Kramb, M. Schröder:<br />
Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes in einem Praktikum ‘Quantitative Analyse’. -<br />
CLB (Beilage Memory) 47 (1996) 9-11 und 33-35<br />
[57] V. Wiskamp, V. Kramb, F. Mengler: - Der Ringversuch - ein neuer Lerninhalt in<br />
der Chemieausbildung. - GIT Fachz. Lab. 39 (1995) 1055-1056<br />
[58] V. Wiskamp, H. Lüdtke, R. Gruehn: Blei- und Kupfergewinnung im Rahmen eines<br />
anorganischen Praktikums. - Chem. unserer Zeit 30 (1996) 19-22<br />
[59] V. Wiskamp, J. Röder, W. Proske:<br />
Umweltschutzorientiertes Praktikum zur Abiturvorbereitung. -<br />
Chem. Sch. 44 (1997) 15-16 und 20, Arbeitsblätter: 36-38, 168-171, im Druck<br />
[60] V. Wiskamp, V. Kramb: Ein Arbeits- und Umweltschutz-Tutorium für die<br />
praktische Chemie-Grundausbildung“, GIT Fachz. Lab., im Druck<br />
[61] V. Wiskamp, M. Deneke, V. Kramb: Praktikumsintegrierter Umweltschutz -<br />
Evaluation eines neuen Konzeptes zur Ausbildung von Chemieanfängern. -<br />
Das Hochschulwesen 1996/4 257-261<br />
[62] T. Eicher, L. F. Tietze: Organisch-chemisches Grundpraktikum. -<br />
Thieme Verlag, Stuttgart, 1993<br />
[63] V. Wiskamp, V. Kramb, C. Buschmann, I. Kunte: Projektarbeiten im<br />
Chemieanfängerpraktikum. - chimica didactica 21 (1995) 228-243<br />
[64] H. Oehme, J. Stelter, P. Hansen: Allgemeines Anorganisch-Chemisches<br />
Grundpraktikum, Teil 2 und Teil 2. - Universität Rostock, Rostock, 1995 bzw. 1996<br />
[65] V. Wiskamp: Aspekte einer Einheit von Forschung und Lehre an Fachhochschulen.<br />
Das Hochschulwesen 1995/1 47-48
125<br />
Danksagungen<br />
An erster Stelle möchte ich Prof. Hanns Fischer danken. Er hat mich immer unterstützt<br />
und sich sehr für meine Arbeiten interessiert. Am wichtigsten ist, dass er mich für sein<br />
Zürcher Modell begeistert und mir damit ein Arbeitsgebiet geschenkt hat, dem ich mich<br />
mit Engagement und mit innerer Überzeugung während eines nicht unerheblichen Teils<br />
meines Berufslebens widmen durfte.<br />
Die Vielzahl von Publikationen, auf denen die vorliegende Arbeit basiert, wäre ohne die<br />
konstruktive Mithilfe und Unterstützung vieler Studenten, Kollegen und Freunde nicht<br />
möglich gewesen. Allen Coautoren gilt <strong>des</strong>halb mein aufrichtiger Dank.<br />
Für sehr lange Zusammenarbeit danke ich dem Doktoranden Volker Kramb, dem<br />
Lehramtsstudenten Harald Lüdkte, meinem Mitpreisträger Klaus Trageser sowie den<br />
studentischen Hilfskräften Andreas Brietzke, Ralf Bauer, Alexander Nintschew und<br />
Simone Zenker sowie dem Kern meines Projekteams Wolfgang Proske, Johannes Röder,<br />
Bertram Schmidkonz und Viktor Obendrauf.<br />
Meinen Kollegen an der Fachhochschule Darmstadt danke ich dafür, dass sie mir die<br />
Möglichkeit für die <strong>vielseitige</strong>n und aufwendigen Entwicklungsarbeiten gegeben haben.<br />
Weiterhin bin ich zahlreichen Chemikern in Industrie, Ökoinstituten und Wasserwerken,<br />
Dozenten an <strong>Hochschule</strong>n, Chemiedidaktikern und -lehrern sowie Redakteuren<br />
fachdidaktischer Zeitschriften und Verlage für <strong>vielseitige</strong> Unterstützung und Beratung<br />
dankbar.<br />
Dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Deutschen<br />
Bun<strong>des</strong>stiftung Umwelt danke ich für zusätzliche finanzielle Unterstützung in der<br />
Größenordnung von 100.000 DM zur Durchführung der hier beschriebenen Projekte.<br />
Der Universität Tsukuba, Japan, und der Lichtenbergschule in Darmstadt danke ich<br />
dafür, mir die Gelegenheit zu Forschungs- und Praxissemestern gegeben zu haben.<br />
Frau Prof. Christiane Reiners danke ich für die gute Zusammenarbeit von Seiten der<br />
Universität zu Köln.<br />
Schließlich danke ich meiner Familie für Geduld, Verständnis und Unterstützung.