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vielseitige Weiterentwicklung des Zürcher Modells - Hochschule ...

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Ausbildungsintegrierter<br />

Umweltschutz<br />

-<br />

<strong>vielseitige</strong> <strong>Weiterentwicklung</strong> <strong>des</strong><br />

Zürcher <strong>Modells</strong><br />

von<br />

Volker Wiskamp<br />

Fachhochschule Darmstadt, Fachbereich Chemie- und Biotechnologie<br />

1997<br />

Impressum:<br />

Prof. Dr. V. Wisskamp<br />

Fachhochschule Darmstadt, Fachbereich Chemie- und Biotechnologie<br />

Hochschulstraße 2, 64289 Darmstadt


2<br />

Abstract<br />

1991 publizierte H. Fischer ein umweltfreundlicheres Praktikum für Chemieanfänger an<br />

der Universität Zürich.<br />

Die wegweisende Bedeutung <strong>des</strong> Zürcher <strong>Modells</strong> für einen ökologisch orientierten<br />

Chemieunterricht an <strong>Hochschule</strong>n, Fachhochschulen, Berufs- und allgemeinbildenden<br />

Schulen, in der betrieblichen und in der Lehrerausbildung wird an zahlreichen<br />

Beispielen aufgezeigt.<br />

Es werden Experimente vorgestellt, die irgendwie sicherer und umweltfreundlicher sind<br />

als frühere, ohne dass tradierte Lehrinhalte verloren gehen, und beinhalten irgendeinen<br />

Aspekt <strong>des</strong> Umweltschutzes, womit sie zur Umwelt- und Allgemeinbildung der Schüler<br />

und Studenten beitragen.<br />

Ein Versuch ist umweltfreundlicher, wenn giftige Stoffe gegen mindergiftige<br />

ausgetauscht, Ansatzgrößen verkleinert, Einzelversuche zu Netzwerken verknüpft<br />

werden etc. Jeder neue Versuch muss erdacht, erprobt, optimiert und überprüft werden,<br />

womit die besondere Bedeutung der Forschung und Entwicklung für den Umweltschutz<br />

deutlich wird. Umweltbewusstes Handeln wird geübt, wenn die Auszubildenden ihre<br />

Versuchsprodukte an anderer Stelle weiterverwenden oder sich im Sinne <strong>des</strong><br />

Verursacherprinzips selbst um die fachgerechte Aufbereitung nicht mehr verwertbarer<br />

Abfälle kümmern. Die Qualitätskontrolle zurückgewonnener Ausgangsstoffe dient der<br />

kritischen Beurteilung von Recyclingverfahren.<br />

Neue Sicherheitsbelehrungen mit Experimenten, u. a. Modellversuchen zur Toxikologie,<br />

betonen den engen Zusammenhang zwischen Sicherheit und Umweltschutz.<br />

Eine Evaluierung <strong>des</strong> Zürcher und Darmstädter Anfängerpraktikums bestätigt den<br />

positiven Beitrag <strong>des</strong> neuen Ausbildungskonzeptes zum Umweltschutz und zur<br />

Umweltbildung.


3<br />

Inhalt<br />

Seite<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2 Umweltschutz und Sicherheit, Umweltbildung und<br />

Sicherheitserziehung in der Chemieausbildung . . . . . 7<br />

2.1 Aufbereitung nicht verwertbarer Versuchsreste . . . . . . 7<br />

2.1.1 Aufbereitung von Resten aus der Qualitativen Analyse . . . . 7<br />

2.1.2 Aufbereitung farbstoffhaltiger Abwässer . . . . . . . . 9<br />

2.2 Anwendung <strong>des</strong> Ersatzstoffprinzip . . . . . . . . . 10<br />

2.2.1 Ersatz von Diethylether durch tert.-Butylmethylether . . . . .<br />

10<br />

2.2.2 Ersatz von Bleiverbindungen . . . . . . . . . . 11<br />

2.2.3 Ersatzstoffe für Chlor und Brom . . . . . . . . . .<br />

12<br />

2.2.4 Ein ungefährlicher Nitrit- bzw. Nitrat-Nachweis . . . . . . 13<br />

2.3 Verkleinern von Ansatzgrößen . . . . . . . . . . 14<br />

2.3.1 Mikrotitrationen . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2.3.2 Arbeiten unter dem Mikroskop . . . . . . . . . . 16<br />

2.3.3 Metallnachweise durch Abreiben . . . . . . . . . .<br />

17<br />

2.4 Verfahrensoptimierung . . . . . . . . . . . . 18<br />

2.4.1 Verbesserte Herstellung von Thénards Blau . . . . . . . 18<br />

2.4.2 Verbesserte Herstellung von Kupfer(I)-chlorid . . . . . . 18<br />

2.4.3 Verbesserte Synthese von Siliconöl . . . . . . . . . 19<br />

2.4.4 Modifizierte Fehling-Probe . . . . . . . . . . . 20<br />

2.5 Versuchsumstellung . . . . . . . . . . . . .<br />

20<br />

2.5.1 Bromierung der C-C-Doppelbindung . . . . . . . . 20<br />

2.5.2 Umstellung präparativer Arbeiten auf chromatografische . . . . 21<br />

2.5.2.1 Chromatografische Trennung der Elemente der Kupfer-Gruppe . . 21<br />

2.5.2.2 Fotochemische Isomerisierung von Azobenzen auf der<br />

Dünnschichtplatte . . . . . . . . . . . . . 23<br />

2.6 Verknüpfte Einzelversuche . . . . . . . . . . . 25<br />

2.6.1 Anorganische Chemie in Kreisprozessen . . . . . . . .<br />

25<br />

2.6.1.1 Versuche für Praktika an der <strong>Hochschule</strong> . . . . . . . 25<br />

2.6.1.2 Versuche für den Schulunterricht . . . . . . . . . 39<br />

2.6.2 Chemie rund um die Benzoesäure . . . . . . . . . 41<br />

2.6.3 Aufbereitung anorganischer Reste aus der Organischen Synthese . . 43<br />

2.7 Recycling . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

2.7.1 Rückgewinnung anorganischer Grundchemikalien . . . . . 46<br />

2.7.2 Rückgewinnung von Lösungsmitteln . . . . . . . . .<br />

49<br />

2.7.3 Rückgewinnung von Methylmethacrylat durch Pyrolyse von<br />

Polymethylmethacrylat . . . . . . . . . . . . 50<br />

2.7.4 Qualitätskontrolle recycelter Stoffe . . . . . . . . . 50<br />

2.8 Naturstoffchemie . . . . . . . . . . . . . 55


4<br />

2.8.1 Zuckerchemie . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

2.8.2 Extraktion, Trennung und Charakterisierung von Blatt- und<br />

Möhrenfarbstoffen . . . . . . . . . . . . . 61<br />

2.8.3 Mineralien als Ausgangsstoffe für ein anorganisches Praktikum . . 62<br />

2.9 Sicherheitsbelehrung mit Experimenten . . . . . . . . 65<br />

2.10 Sonstige Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes und der Sicherheit . . . .<br />

73<br />

2.10.1 Demonstrationsversuche zur Wasser-, Luft- und Bodenreinigung . . 73<br />

2.10.2 Ein Umwelt-Praktikum für fortgeschrittene Studenten . . . . 78<br />

2.10.2.1 Modellversuche zur Umweltchemie . . . . . . . . . 78<br />

2.10.2.2 Umweltanalytik . . . . . . . . . . . . . .<br />

81<br />

2.10.2.3 Bodensanierung . . . . . . . . . . . . . 82<br />

2.10.3 Umweltfreundlichere Experimentalvorlesung für Studienanfänger . .<br />

84<br />

2.10.4 Praktische Ratschläge zum sicheren und umweltgerechten Umgang<br />

mit alten Chemikalien in der Schule . . . . . . . . . 85<br />

2.10.5 Ökologische Aspekte im Quantitativen Praktikum . . . . . 88<br />

2.10.5.1 Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

2.10.5.2 Wahlpflichtteil . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

2.10.6 Ökologische Aspekte in einem Anorganisch-Analytischen<br />

Fortgeschrittenenpraktikum . . . . . . . . . . . 93<br />

2.10.7 Ökologische Gesichtspunkte in einem Praktikum zur<br />

Abitur-Vorbereitung . . . . . . . . . . . . 97<br />

2.10.8 Ein Sicherheits- und Umweltschutz-Tutorium an der<br />

Fachhochschule Darmstadt . . . . . . . . . . . 100<br />

2.10.8.1 AUT I: Einführungspraktikum . . . . . . . . . . 101<br />

2.10.8.2 AUT II: Quantitativ-Analytisches Praktikum . . . . . . . 106<br />

2.10.8.3 AUT III: Organisch-Chemisches Praktikum . . . . . . . 107<br />

3 Evaluation <strong>des</strong> Einführungspraktikums an der<br />

Fachhochschule Darmstadt . . . . . . . . . . 110<br />

3.1 Fragebögen vor Praktikumbeginn . . . . . . . . . 111<br />

3.2 Fragebögen am Ende <strong>des</strong> Praktikums . . . . . . . . 112<br />

3.3 „Anerkannte“ . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 116<br />

3.5 Ergebnisse in Tabellenform . . . . . . . . . . . 117<br />

4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 119<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . 125


5<br />

1 Einleitung<br />

1991 publizierte Hanns Fischer ein neuartiges Konzept für ein Chemiepraktikum an der<br />

Universität Zürich [1], das dem Umweltschutz in besonderer Weise Rechnung trägt und<br />

auf folgenden Prinzipien basiert:<br />

• Ersatz hochgiftiger und umweltschädigender Stoffe<br />

• Verkleinern der Ansatzgrößen<br />

• Optimieren von Versuchsvorschriften<br />

• Verknüpfen von Einzelversuchen zu Netzwerken<br />

• Getrenntes Sammeln von Versuchsresten<br />

• Recyceln von Ausgangsstoffen<br />

• Fachgerechtes Entsorgen nicht mehr verwertbarer Reste.<br />

Der Sonderabfall im Zürcher Praktikum ist drastisch (über 90 %) reduziert, womit der<br />

Umwelt direkt gedient ist. Weniger Entsorgungskosten und Recycling-Maßnahmen<br />

wirken sich positiv auf das Budget der Universität aus [2]. Die Gefahrstoffverordnung<br />

lässt sich einfacher umsetzen. Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutz sind zusätzliche Lerninhalte.<br />

(Hinweis: Mit dem Zürcher Modell wurde der Umweltschutz bereits fest in einem<br />

Ausbildungsprogramm verankert, bevor er in Deutschland zum Staatsziel erklärt und<br />

danach auch als verbindliches Thema für den Schulunterricht in Lehrpläne eingeflossen<br />

ist.) In Hinblick auf die Erziehung der Auszubildenden zum sicheren und<br />

umweltgerechten Umgang mit der Chemie erfüllt der Praktikumleiter – allein schon<br />

durch die Tatsache, dass er sich der ökologischen Umgestaltung seines<br />

Zuständigkeitsbereiches angenommen hat –, eine wichtige (vielleicht die wichtigste)<br />

Funktion: er verhält sich vorbildlich.<br />

In meiner ersten Veröffentlichung [3] kurz nach dem Erscheinen der Fischer-<br />

Publikation behauptete ich, dass das Zürcher Modell richtungsweisend für die<br />

zukünftige Chemieausbildung sein werde. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese<br />

Behauptung mit überzeugenden Beispielen zu untermauern.<br />

Bislang ist mir zwar nicht bekannt, dass das Zürcher Modell an irgend einer<br />

<strong>Hochschule</strong> vollständig übernommen wurde. Doch dies überrascht nicht, weil das<br />

Zürcher Curriculum in der Tat eine Besonderheit darstellt. An der Universität Zürich<br />

gibt es nämlich ein großes Praktikum, das sich über die ersten beiden Fachsemester<br />

erstreckt und <strong>vielseitige</strong> Gebiete der Allgemeinen, Anorganischen, Organischen,<br />

Physikalischen und Analytischen Chemie sowie anwendungsorientierte Spezialgebiete<br />

wie Farbstoff- und Polymerchemie behandelt. Neben den angehenden Diplomchemikern<br />

durchlaufen auch Studenten das Praktikum, die Chemie als Nebenfach belegen, vor<br />

allem Biologen. Da an anderen <strong>Hochschule</strong> in der Regel die Fächer Allgemeine,<br />

Anorganische, Organische, Physikalische, Analytische etc. Chemie getrennt, häufig auch<br />

getrennt nach Kursen für Studierende <strong>des</strong> Haupt- und Nebenfaches, unterrichtet werden,<br />

ergeben sich dort ganz andere Organisationsformen für die Praktika, in die das Zürcher<br />

Modell als Ganzes gar nicht hinein passt.<br />

Meine zentrale These lautet: Um umweltfreundlichere praktische Chemieausbildung<br />

zu realisieren und Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes zu ihrem Bestandteil zu machen, ist eine<br />

Kopie <strong>des</strong> Zürcher <strong>Modells</strong> gar nicht erforderlich. Wenn aber <strong>des</strong>sen Prinzipien von den<br />

verantwortlichen Ausbildungsleiter verinnerlicht und für gut befunden sind, ist eine<br />

Umgestaltung einzelner Praktika jederzeit und mit vertretbarem Aufwand möglich, ohne<br />

dass tradierte Lerninhalte verloren gehen. Beim konstruktiven Umbau einzelner Praktika<br />

ergeben sich als positiver Begleiteffekt automatisch Neuentwicklungen, welch die Lehre


6<br />

in vielseitigster Weise befruchten. Dies gilt auch für die Chemieausbildung außerhalb<br />

der Universität, z. B. an Fachhochschulen, in der Ausbildung von Chemisch-<br />

Technischen Assistenten (CTA), Chemielaboranten, Chemielehrern und im<br />

Schulunterricht, wie ich anhand zahlreicher Beispiele aufzeigen werde.<br />

Warum treibe ich gerade in meiner Funktion als Fachhochschulprofessor die<br />

<strong>Weiterentwicklung</strong> <strong>des</strong> Zürcher <strong>Modells</strong> voran? Auf diese Frage möchte ich drei<br />

Antworten geben:<br />

1. Umweltschutz ist ein zentraler Punkt der modernen Chemischen Technologie.<br />

Deshalb muss industrieller Umweltschutz, der der Fachhochschule durch intensive<br />

Industriekontakte (insbes. Betreuung von Diplomarbeiten zu umweltrelevanten<br />

Fragestellungen) bestens bekannt ist, didaktisch reduziert und den angehenden<br />

Chemie-Ingenieuren in ihrer Ausbildung präsentiert werden.<br />

2. Der Arbeitsauftrag der Fachhochschulen ist vor allem entwicklungs- und<br />

anwendungsorientiert. Eine <strong>Weiterentwicklung</strong> <strong>des</strong> in den Grundzügen bereits<br />

definierten Zürcher <strong>Modells</strong> passt <strong>des</strong>halb besonders gut zur Fachhochschularbeit.<br />

Kurze Wege von der Entwicklung z. B. eines neuen umweltfreundlicheren Versuches<br />

bis zur Durchführung im laufenden Praktikumbetrieb charakterisieren die<br />

Arbeitsweise der Fachhochschule. Praktikabilität spielt ganz selbstverständlich eine<br />

große Rolle. Die Entwicklungsarbeiten werden überwiegend von Studenten im<br />

Rahmen kleiner Projektarbeiten, einer Unterrichtsform, die an der Fachhochschule<br />

dominant ist, durchgeführt. Die Motivation der Studenten ist hoch, und viele sind<br />

stolz, am Ende ihrer Arbeit an einer Publikation beteiligt zu sein. (Die Arbeit eines<br />

Studenten wurden sogar mit einem erstem Preis beim Wettbewerb „Abfallfreier<br />

Chemieunterricht 1993“ ausgezeichnet [4].)<br />

3. Da ich schwerpunktmäßig für die Ausbildung von Studienanfängern verantwortlich<br />

bin, interessiere ich mich besonders für Vorkenntnisse und Fähigkeiten, welche die<br />

Studenten von der Schule bzw. der Ausbildung als CTA oder Chemielaborant<br />

mitbringen. Zahlreiche Kontakte zu Schulen und Lehrern (Lehrauftrag an der<br />

Lichtenbergschule in Darmstadt, Leitung einer GDCh-Lehrerfortbildung<br />

„Umweltfreundliches Experimentieren und Versuche zum Umweltschutz durch<br />

Chemie“, Leitung eines von der Deutschen Bun<strong>des</strong>stiftung Umwelt geförderten<br />

Projektes „Umweltfreundlicher Chemieunterricht an Schulen“ in Zusammenarbeit mit<br />

dem Schulumweltzentrum in Wittenberg) und Chemie-Ausbildern in der Industrie<br />

(insbes. Merck-Darmstadt, Degussa-Hanau, Boehringer Mannheim) geben mir<br />

weitere Entwicklungs- und Umsetzungsmöglichkeiten, d. h., die Arbeiten an der<br />

Fachhochschule strahlen teilweise in die schulische und berufliche Chemieausbildung<br />

aus bzw. werden von dieser angeregt.


7<br />

2 Umweltschutz und Sicherheit,<br />

Umweltbildung und Sicherheitserziehung<br />

in der Chemieausbildung<br />

In diesem Kapitel werden Experimente vorgestellt, die irgendwie umweltfreundlicher<br />

und sicherer sind als frühere und die auf irgendeine Art zur Umweltbildung und<br />

Sicherheitserziehung beitragen.<br />

Die Reihenfolge der einzelnen Kapitel orientiert sich an den Leitlinien <strong>des</strong> Fischer-<br />

Konzeptes zum Ausbildungsintegrierten Umweltschutz.<br />

2.1 Aufbereitung nicht verwertbarer Versuchsreste<br />

2.1.1 Aufbereitung von Resten aus der Qualitativen Analyse [5]<br />

In der Chemieausbildung an der <strong>Hochschule</strong> und in der Industrie hat der Trennungsgang<br />

nach wie vor einen hohen Stellenwert. Chemieanfänger lernen in einfachen<br />

Reagenzglas-versuchen wichtige Reaktionen der anorganischen Chemie und viele<br />

verschiedene Stoffe kennen.<br />

Die Ausbildung trägt den Widerspruch in sich, dass die Praktikanten einerseits<br />

durch chemische Methoden komplizierte Stoffgemische trennen, andererseits große<br />

Mengen vermischter Analysenreste produzieren, die üblicherweise einer Verbrennung<br />

als Sondermüll zugeführt werden.<br />

An der Fachhochschule Darmstadt wird ein anderer Weg beschritten, welcher der<br />

Konditionierung der Trennungsgangsreste Rechnung trägt und zu einer umweltgerechteren<br />

Gestaltung <strong>des</strong> Praktikums führt.<br />

Jeder Student sammelt seine Analysenreste an seinem Arbeitsplatz und führt<br />

unmittelbar nach Abschluss einer Analyse eine Aufbereitung der Reste durch, die sich<br />

an gängigen Methoden der Abwassertechnologie orientiert und ein Wasser mit<br />

Schadstoffkonzentrationen unterhalb der erlaubten Einleitgrenzen liefert (mehrfach<br />

überprüft durch ICP-AES-Multielementanalyse). Die Aufbereitung umfasst folgende<br />

Schritte:<br />

• Chromatreduktion mit FeSO 4<br />

• Zusatz von Flockungshilfsmitteln (Polyacrylamid mit wenigen freien Carbonsäurefunktionen<br />

• Hydroxidfällung bei pH 8 bis 9 mit NaOH, Filtration<br />

• Sulfidfällung mit Na 2 S, Filtration<br />

• Beseitigung <strong>des</strong> Sulfidüberschusses mit FeCl 3 oder H 2 O 2 , Filtration<br />

• ggf. Aktivkohlebehandlung, Filtration<br />

• Nachbehandlung mit eingerührtem Ionenaustauscher (an Polystyren fixierte Iminodiessigsäure<br />

oder Zeolith A), Filtration.<br />

Das so nachbehandelte Abwasser wird vom Laborpersonal stichprobenweise auf<br />

Schwermetallfreiheit getestet. Hatte ein Student z. B. Nickelionen in seiner Analyse, so<br />

wird 1 mL seines konditionierten Wassers mit Diacetyldioxim geprüft. Die Bildung<br />

eines roten Niederschlages muss ausbleiben. Außerdem wird das Abwasser im Rahmen


8<br />

<strong>des</strong> sowieso zum Praktikumprogramm gehörenden Versuches zur Atomabsorptionsspektroskopie<br />

routinemäßig auf Kupferfreiheit untersucht. Bislang konnten wir noch<br />

keinem Studenten eine unkorrekte Aufbereitung seiner Trennungsgangsreste<br />

nachweisen, so dass alle Abwässer in den Ausguss gegeben werden konnten. Die<br />

Studenten werden darauf hingewiesen, dass wir die Kontrolle ihrer Abwässer sehr ernst<br />

nehmen, weil auch das Abwasser, welches das Chemieinstitut verlässt, gelegentlich<br />

durch die Umwelt-behörde kontrolliert wird. Überschreitungen von Grenzwerten von<br />

Metallionen wurde dabei bislang nicht festgestellt.<br />

Didaktisch wertvoll an der gesamten Vorgehensweise ist, dass die Studenten sich im<br />

Sinne <strong>des</strong> Verursacherprinzips selbst um die von Ihnen verursachten Abfälle kümmern.<br />

Sie übernehmen damit Verantwortung (affektives Lernziel). Weiterhin bedeutungsvoll<br />

ist, dass sie die Prinzipien der Chemie, die sie in der Qualitativen Analyse gelernt haben<br />

(Fällungsreaktionen, Oxidationen, Reduktionen etc.), auch bei der Abwasserkonditionierung<br />

anwenden (Transferleistung; Anwendungsorientierung der Fachhochschulausbildung)<br />

und so durch Chemie einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die<br />

Abwassertechnologie ist zum zusätzlichen Lerninhalt <strong>des</strong> Praktikums geworden<br />

(kognitives Lernziel).<br />

Die Aufbereitung der Versuchsreste hat im Praktikum den Charakter eines neuen<br />

Versuches, für den ausreichend Zeit (etwa ein Tag) reserviert ist. Durch diese<br />

organisatorische Maßnahme wird von vornherein verhindert, dass Entsorgung<br />

gleichgesetzt wird mit lästigen Zusatzaufgaben wie Spülen und Aufräumen.<br />

Ein interessanter aufklärender Effekt ergibt sich bei den Aufarbeitungen. Viele<br />

Studenten möchten später als Chemiker im Umweltschutz tätig werden. Sie assoziieren<br />

mit diesem Wunsch nicht selten z.B. das Fahren mit einem Ökomobil in ein<br />

Naturschutzreservat, Probennahme, Analyse in einem zertifizierten Labor und Schreiben<br />

eines Berichtes. Dass diese Tätigkeit sinnvoll und notwendig ist, steht gar nicht zur<br />

Diskussion. In unserem Praktikum bekommen die Studenten aber einen Vorgeschmack<br />

darauf, was aktiver Umweltschutz in der Realität am häufigsten bedeutet, nämlich<br />

Arbeiten mit dreckigem Wasser, kontaminiertem Boden und stinkender Luft. Studenten,<br />

die sich aus Liebe zur Umwelt im Studium das nötige Fachwissen aneignen und später<br />

bereit sind, selbst unangenehmste Arbeiten durchzuführen, sind für eine ökologisch<br />

bedrohte Welt sicherlich ein großer Gewinn.<br />

Dass es für die Studenten dennoch motivierend ist, sich ihrer übel riechenden,<br />

trüben Trennungsgangsreste anzunehmen, mag folgende Anekdote belegen. Einer der<br />

ersten Studenten, der das umgestaltetes Praktikum absolvierte, kam nach Durchführung<br />

der oben beschriebenen Reinigungsoperationen zu mir um präsentierte mir stolz ein ganz<br />

klares, farb- und geruchsloses Wasser und fragte, was er nun damit machen solle. Meine<br />

Antwort lautete: „Wegschütten.“ Sichtlich enttäuscht, dass sein mit viel Engagement<br />

erzeugtes Praktikumprodukt reif für die Kanalisation war, folgte der Student meiner<br />

Aufforderung. (Um wie viel mehr mussten in früheren Praktika Studenten wohl frustriert<br />

gewesen sein, die selbst wunderschön gezüchtete Kristalle in dem Kontainer für<br />

Sondermüll geben mussten, weil für die Stoffe keine weitere Verwendung bestand?)<br />

Gerade in der Ingenieurausbildung ist die Frage nach der Umsetzung von<br />

Laborexperimenten in den halbtechnischen und später großtechnischen Maßstab<br />

wichtig. Deshalb wurde exemplarisch gezeigt, dass sich Trennungsgangsreste auch im<br />

100-L-Rührkessel aufbereiten lassen. Wir hatten nämlich noch 26 L Reste aus einem<br />

früheren Praktikumkurs, die wir bei einer Exkursion im Ausbildungstechnikum der<br />

Firma Degussa in Hanau-Wolfgang (die Fachhochschule Darmstadt besitzt selbst keinen<br />

geeigneten Reaktor) aufbereiteten.<br />

In der Firma Degussa werden Reste aus der Qualitativen Analyse, die von<br />

angehenden Chemielaboranten (labororientierte Ausbildung) bearbeitet werden, zentral


9<br />

gesammelt und an zukünftige Chemikanten (betriebs- und technikumorientierte<br />

Ausbildung) weiter gegeben, welche die Konditionierung im großen Maßstab<br />

durchführen Die Verfahrensschritte umfassen Hydroxid- und Carbonatfällungen,<br />

Filtration, Nachbe-handlung <strong>des</strong> Filtrates mit Trimercaptotriazin (Handelsprodukt der<br />

Firma; sulfidähnliche Fällung) und Sedimentation.<br />

Genau wie die Fachhochschulstudenten lernen die Auszubildenden in der Industrie,<br />

dass Chemie und Umweltschutz untrennbar zusammengehören. Während die Studenten<br />

nach dem Verursacherprinzip individuell Verantwortung übernehmen, arbeiten die<br />

Auszubildenden bei der Firma Degussa arbeitsteilig. Eine Gruppe, die Chemikanten,<br />

verarbeitet Reste aus einem anderen Praktikum, dem der Laboranten. Beide Gruppen<br />

lernen dadurch verantwortungsvoll zu kooperieren, was im späteren Berufsleben von<br />

fundamentaler Bedeutung ist (Basisqualifikation: kooperatives Verhalten).<br />

2.1.2 Aufbereitung farbstoffhaltiger Abwässer<br />

An der Fachhochschule Darmstadt wird eine Wahlpflicht-Vorlesung „Farbstoffe und<br />

Pigmente“ mit einem begleitenden Kurzpraktikum [6] angeboten. Die meisten<br />

Versuchsvorschriften sind dem Buch von Wittke [7] entnommen, die Ansatzgrößen<br />

allerdings deutlich, teilweise bis auf ein Zehntel, verringert worden. Das Erkennen von<br />

Farbvorgängen wird dadurch keineswegs beeinträchtigt. Vorteilhaft ist vielmehr, dass<br />

Chemikalien gespart werden und weniger Abfälle anfallen. Außerdem lassen sich die<br />

Versuche im kleinen Maßstab rasch durchführen, da als Geräte Reagenz- und<br />

Bechergläser ausreichen. Das Praktikum erhebt nicht den Anspruch, präparativ<br />

anspruchsvoll zu sein. Es soll in der vorgesehenen Zeit von nur zwei Tagen lediglich<br />

viele interessante Farbreaktionen kurz vorstellen.<br />

So beschränken sich u. a. die Synthesen von Phenolphthalein und Fluoreszein<br />

darauf, Phthalsäureanhydrid unter oxidierenden Bedingeungen mit Phenol bzw.<br />

Resorcin im Tiegel durch Erwärmen zur Reaktion zu bringen. Nach Zugabe von NaOH<br />

zum Schmelzkuchen lässt sich anhand der roten Farbe bzw. grünen Fluoreszenz<br />

qualitativ beweisen, dass die Phthaleine entstanden sind. Auf eine weitere Aufarbeitung<br />

wird verzichtet. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - der Einfachheit der Versuche sind<br />

die Studenten davon beeindruckt, wie leicht die auf dem Papier so kompliziert<br />

aussehenden Moleküle entstehen und welch große Triebkraft hinter der Ausbildung <strong>des</strong><br />

konjugierten π-Elektronensystems <strong>des</strong> Chromophors stehen muss.<br />

Dank der kleinen Ansätze fallen bei den Synthesen der organischen Farbstoffe und<br />

anschließenden Färbeversuche lediglich 500-700 mL Abwasser pro Studentengruppe<br />

(zwei Personen) an. Dieses ist nicht weiter verwertbar, kann aber im 1-L-Becherglas<br />

problemlos konditioniert werden. Die Studenten folgen damit - wie sie es bereits im<br />

Grundpraktikum bei der Aufbereitung der Trennungsgangsreste kennen gelernt haben -<br />

dem Verursacherprinzip und wenden Methoden an, die in der farbstoffverarbeitenden<br />

Industrie Stand der Technik sind.<br />

Zunächst werden die gesamten Reste mit H 2 O 2 versetzt, um Sulfit (aus der<br />

Fuchsinbleiche) und Dithionit (aus der Küpenfärbung) zu Sulfat zu oxidieren. Dann wird<br />

mit NaOH neutralisiert, wobei Eisen und Aluminium (aus der Beizenfärbung) als<br />

Hydroxide ausfallen. Durch den Flockungseffekt werden bereits einige organische<br />

Stoffe mitgefällt. Nach Filtration wird das Filtrat mit Pulveraktivkohle, die einen hohen<br />

Anteil Mesoporen besitzt, und H 2 O 2 gekocht. Lerninhalte dieses Teils <strong>des</strong> Versuches<br />

sind, dass H 2 O 2 organische Wasserinhaltsstoffe, z. B. Phenole (aus der Phenolphthalein-<br />

Herstellung) oxidativ zerstören kann, insbesondere in Gegenwart von Aktivkohle,<br />

welche die Zersetzung <strong>des</strong> Reagenzes zu Wasser und aktivem Sauerstoff katalysiert, und


10<br />

dass Aktivkohle der Feststoff der Wahl zur Adsorption organischer Farbstoffe ist. Nach<br />

Filtration resultiert ein klares Wasser.<br />

Nach folgenden Analysedaten spricht nichts dagegen, das gereinigte Wasser<br />

wegzuschütten: Der chemische Sauerstoffbedarf eines unbehandelten Abwassers betrug<br />

23200 mg O 2 /L, nach Neutralisation und Flockung 17800 mg O 2 /L und nach<br />

Aktivkohle/H 2 O 2 -Behandlung 5430 mg O 2 /L. Der hohe Endwert ist auf eine hohen<br />

Ethanolgehalt (Hilfslösemittel bei vielen Färbeprozessen) <strong>des</strong> Wassers zurückzuführen.<br />

Durch einen statischen Test wurde gezeigt, dass das Abwasser biologisch gut abbaubar<br />

ist, so dass es bedenkenlos in den Ausguss gegeben werden kann.<br />

Die Aufbereitung farbstoffhaltiger Abwässer kann auch im Schulunterricht zur<br />

Umwelterziehung eingesetzt werden [8]. Im Schuljahr 1996/97 leitete ich am<br />

Lichtenberg-Gymnasium in Darmstadt im Rahmen einer Projektwoche einen Kurs „Wir<br />

modellieren die Farbstoffindustrie“ [9]. Die Schüler wurden in verschiedene Gruppen<br />

eingeteilt, die anhand von Experimenten jeweils Teilgebiete der Farbstoffchemie<br />

bearbeiteten. Neben Gruppen für Produktion, Forschung, Entwicklung, Anwendungstechnik,<br />

Analytik, Werbung und Marketing gab es auch eine Umweltschutzgruppe.<br />

(Auch Schülern kann also leicht klar gemacht werden, dass Umweltschutz heute<br />

selbstverständlich integraler Bestandteil der Chemie ist.) Diese arbeitete die bei<br />

Färbeversuchen übrig gebliebenen Flotten fachgerecht auf. Bei der<br />

Abschlusspräsentation führte eine Schülerin den Zuschauern sogar die Entfärbung eines<br />

farbigen Abwassers mit Aktivkohle vor.<br />

2.2 Anwendung <strong>des</strong> Ersatzstoffprinzip<br />

Wenn ein Lernziel durch ein Experiment mit einen ungefährlicheren und umweltfreundlicheren<br />

Stoff erreicht werden kann, so ist dieser zu verwenden. (Laborleiter<br />

müssen, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich mit gefährlichen Stoffen arbeiten<br />

(lassen), nachweisen, dass sie eine Ersatzstoffprüfung erfolglos vorgenommen haben.)<br />

2.2.1 Ersatz von Diethylether durch tert.-Butylmethylether [10]<br />

Da wir in unseren Praktika aus ökologischen und sicherheitstechnischen Gründen<br />

Diethylether durch den weniger flüchtigen, keine Peroxide bildenden und <strong>des</strong>halb<br />

gefahrlos durch Destillation recycelbaren tert.-Butylmethylether (MTBE) ersetzen<br />

wollten, galt es vorab zu prüfen, ob die bislang mit Diethylether durchgeführten<br />

Versuche mit dem neuen Lösemittel analog funktionieren oder ob ggf. Änderungen<br />

vorzunehmen sind.<br />

Im anorganisch-analytischen Praktikum kommt z. B. die Extraktion von<br />

dreiwertigem Eisen aus salzsaurer Lösung vor.<br />

Diese gelingt mit Diethylether am besten bei einer HCl-Konzentration von 6.0<br />

mol/L. Aus der Etherphase kann das Eisen mit Wasser quantitativ rückextrahiert werden.<br />

Mit MTBE verläuft die Eisenextraktion optimal bei einer HCl-Konzentration von<br />

5.2 mol/L, was bei der Versuchsvorschrift zu berücksichtigen ist. Der signifikant etwas<br />

niedrigere Wert gegenüber dem bei der Extraktion mit Diethylether ist vermutlich auf<br />

die geringere Löslichkeit von MTBE in HCl zurückzuführen.<br />

Die Bestimmung erfolgte, indem wässrige Lösungen mit FeCl 3 -Konzentrationen<br />

zwischen 1-8 mmol/L und HCl-Konzentrationen zwischen 0-10 mol/L bereitet und mit<br />

gleichen Volumina MTBE ausgeschüttelt und nach den Phasentrennungen die


11<br />

Eisengehalt der wässrigen Phasen komplexometrisch bestimmt wurden. Ergänzend<br />

wurden die MTBE-Phasen mit Wasser rückextrahiert. Die Eisengehalte der wässrigen<br />

Extrakte wurden ebenfalls komplexometrisch ermittelt.<br />

Die Studentin, die die Ersatzstoffprüfung vornahm, führte damit eine<br />

Forschungsarbeit für den Umweltschutz durch. Erst nachdem der als Ersatzstoff in<br />

Erwägung gezogene MTBE sorgfältig auf seine Einsetzbarkeit geprüft und eine<br />

modifizierte Versuchsvorschrift erstellt wurde, kam er im laufenden Praktikumbetrieb<br />

zum Einsatz und hat sich dort aufgrund der oben genannten Vorteile bewährt.<br />

2.2.2 Ersatz von Bleiverbindungen [11, 12]<br />

Auf dem Programm der 11. Klasse, die ich 1996 in Darmstadt unterrichtete, standen<br />

zwei Versuche mit Bleiverbindungen: die Diffusion von Iodidionen, die in Form von KI<br />

rechts in eine wassergefüllte Petrischale gegeben werden, und von Bleiionen, die in<br />

Form von Pb(NO 3 ) 2 links in die Schale gegeben werden, die zur Bildung von gelbem (in<br />

der Overhead-Projektion schwarzem) PbI 2 führt, und die Schmelzflusselektrolyse von<br />

PbCl 2 . Da bei beiden Versuchen nicht chemische Reaktionen <strong>des</strong> Bleis als Lernziele im<br />

Vordergrund standen, sondern das Verstehen der Diffusion und der Schmelzflusselektrolyse,<br />

stellte ich die Versuche auf solche mit ungiftigeren Chemikalien um.<br />

Der Versuch zur Diffusion in der Petrischale lässt sich mit einer ganzen Reihe<br />

harmloser Systeme durchführen, die in Tabelle 1 zusammengestellt sind.<br />

Tabelle 1: Diffusion in der Petrischale<br />

Nr. Substanz A Substanz B Reaktionsmedium<br />

(rechts aufgeben) (links aufgeben) (Petrischale)<br />

1 CaCl 2 Na 2 CO 3 H 2 O<br />

2 MgCl 2 NaOH H 2 O<br />

3 MgCl 2 KH 2 PO 4 H 2 O, 10 Tr. NH 3<br />

4 FeCl 3 NaOH H 2 O<br />

5 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 NaOH H 2 O<br />

6 FeCl 3 NH 4 SCN H 2 O<br />

7 FeCl 3 K 4 [Fe(CN) 6 ] H 2 O<br />

8 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 Na 2 O 2 H 2 O<br />

9 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 (NH 4 ) 2 S 2 O 8 H 2 O, 5 Tr. HCl, 10 Tr. NH 4 SCN<br />

10 MnCl 2 Na 2 O 2 H 2 O<br />

11 FeCl 3 MnCl 2 H 2 O, 5 Tr. HCl<br />

12 FeCl 3 MnCl 2 H 2 O, 5 Tr.HCl, 10 Tr. NH 4 SCN<br />

13 FeCl 3 Ascorbinsäure H 2 O<br />

14 FeCl 3 Ascorbinsäure H 2 O, 10 Tr. NH 4 SCN<br />

Beim Zusammentreffen von Calcium- und Carbonationen bildet sich eine Schicht<br />

schwerlösliches, weißes CaCO 3 (1), beim Zusammentreffen von Magnesiumionen und<br />

Hydroxidionen schwerlösliches, weißes Mg(OH) 2 (2). Magnesium- und Phosphationen<br />

ergeben im ammoniakalischen Medium schwerlösliches, weißes MgNH 4 PO 4 (3).<br />

Hydroxidionen fällen Eisenionen zu braunem Fe(OH) 3 (4) bzw. bläulichem Fe(OH) 2 (5).<br />

Aus Eisen(III)- und Thiocyanationen entsteht in der Kontaktzone lösliches, rotes<br />

Fe(SCN) 3 (6), aus Eisen(III)- und Hexacyanoferrat(II)-Ionen Berliner Blau (7).<br />

Zweiwertiges Eisen wird von Peroxid oxidiert. Im alkalischen Medium bildet sich ein<br />

Streifen rostbraunes Fe(OH) 3 (8), im sauren, thiocyanathaltigen Medium entsteht rotes


12<br />

Fe(SCN) 3 (9). Auch zweiwertiges Mangan lässt sich mit Na 2 O 2 oxidieren. In der<br />

Berührungszone fällt Braunstein aus (19). An <strong>des</strong>sen Oberfläche wird überschüssiges<br />

Peroxid katalytisch zersetzt, was an der Bildung von Gasblasen (O 2 ) zu erkennen ist.<br />

Dreiwertiges Eisen oxidiert zweiwertiges Mangan zu farblosem Mn(III). Bedingt durch<br />

die gleichzeitige Bildung von fast farblosem Fe(II) verschwindet die gelbe Zone <strong>des</strong><br />

ursprünglichen FeCl 3 (11) bzw. die rote <strong>des</strong> Fe(SCN) 3 (12). Auch Ascorbinsäure<br />

reduziert die ihr entgegen diffundierenden Eisen(III)-Ionen, was an der Entfärbung der<br />

gelben FeCl 3 - bzw. Fe(SCN) 3 -Lösung zu erkennen ist (13 bzw. 14).<br />

Alle Versuchsreste können weggeschüttet werden, während dies bei dem früher<br />

durchgeführten Versuch nicht geht. Die Umstellung <strong>des</strong> Versuches nach dem<br />

Ersatzstoffprinzip trägt zwar direkt zum Umweltschutz bei und ist <strong>des</strong>halb wertvoll, aber<br />

kein Beitrag zur Umweltbildung der Schüler. Diesen wird nämlich im Unterricht das<br />

Phänomen der Diffusion beigebracht und nicht, dass giftiges Bleisalz durch harmlose<br />

Stoffe ersetzt wurde. Diese Tatsache sollte man höchstens am Rande erwähnen.<br />

Die früher durchgeführte Elektrolyse von geschmolzenem Bleichlorid wurde durch<br />

die <strong>des</strong> mindergiftigen Zinkchlorids ersetzt. Wenn man an den Anoderaum zusätzlich<br />

eine Waschflasche mit Natronlauge anschließt, kann das entwickelte Chlorgas<br />

aufgefangen werden, so dass nicht unter dem Abzug gearbeitet werden muss. Die<br />

Schüler lernen ergänzend zum Hauptthema Schmelzflusselektrolyse eine effektive<br />

Methode der technischen Luftreinhaltung, die Gaswäsche, kennen. Nach dem Versuch<br />

wird das Hypochlorit in der Waschflasche mit H 2 O 2 vernichtet. Zusätzlich wird die an<br />

der Katode erhaltene Zinkperle in Salzsäure gegeben und das Recycling von Zinkchlorid<br />

thematisiert. Bei der Elektrolyse nicht verbrauchtes Zinkchlorid ist selbstverständlich<br />

wieder verwertbar.<br />

2.2.3 Ersatzstoffe für Chlor und Brom (in [13])<br />

Die wichtige Stoffklasse der Halogene und ihre <strong>vielseitige</strong> Redoxchemie darf im<br />

Chemieunterricht nicht ausgespart werden. Nachteilig ist, dass der Umgang mit Chlor<br />

aus einer Druckflasche oder mit flüssigem Brom ein erhebliches Sicherheitsrisiko<br />

darstellt. Im folgenden werden Versuche mit Chlor- und Bromwasser beschrieben, bei<br />

denen die Halogene durch Ansäuern stabiler wäßriger Ausgangslösungen von Chloramin<br />

T bzw. einer Bromat/Bromid-Mischung erzeugt und direkt in Folgereaktionen<br />

verbraucht werden. Die Konzentrationen sind so eingestellt, daß keine nennenswerten<br />

Chlor- und Brommengen entweichen, so daß die Versuche sogar von Schüler am<br />

Arbeitsplatz durchgeführt werden können.<br />

Chloramin-T (Natrium-N-Chlor-4-toluensulfonamid) ist als Pulver und in Tabletten<br />

handelsüblich und wird als Desinfektionsmittel in Krankenhäusern und Schwimmbädern<br />

verwendet. Es ist ungiftig, in Wasser leicht, in organischen Lösungsmitteln nicht löslich.<br />

Der Stoff wird durch Wasser hydrolysiert. Dabei entsteht Natriumhypochlorit, das mit<br />

Salzsäure zu elementarem Chlor komproportioniert werden kann:<br />

H 3 C-C 6 H 4 -SO 2 NClNa + H 2 O → H 3 C-C 6 H 4 -SO 2 NH 2 + NaOCl<br />

NaOCl + 2 HCl → Cl 2 + NaCl + H 2 O<br />

Aus einer wässrigen Bromat/Bromid-Mischung bildet sich im sauren Medium durch<br />

Komproportionierung elementares Brom:<br />

BrO 3 − + 5 Br − + 6 H + → 3 Br 2 + 3 H 2 O<br />

Die wässrige (nicht angesäuerte) Chloramin-T- bzw. Bromat/Bromid-Lösung ist haltbar<br />

und nicht korrosiv.


13<br />

Die Schüler erzeugen aus der Chloramin-T-Lösung durch Ansäuern Chlorwasser<br />

und geben eine KBr- bzw. KI-Lösung zu. Das starke Oxidationsmittel Chlor setzt die<br />

schwächeren Oxidationsmittel Brom bzw. Iod aus ihren Salzen frei, was an einer Braunbzw.<br />

Graufärbung der Reaktionslösungen zu beobachten ist. Analog setzt das aus der<br />

Bromat/Bromid-Lösung durch Ansäuern erzeugte Brom das schwächere<br />

Oxidationsmittel Iod aus zugesetztem Kaliumiodid frei. Die Halogene können mit<br />

Petrolether extrahiert werden. Brom färbt das Lösungsmittel gelb, Iod violett.<br />

Anschließend erproben die Schüler die Bleichwirkung von Chlor und Brom, indem<br />

sie eine angesäuerte Methylorangelösung mit Chloramin-T- bzw. Bromat/Bromid-<br />

Lösung tropfenweise bis zur Entfärbung versetzen (oxidative Zerstörung <strong>des</strong><br />

Farbstoffes).<br />

Die Reste der Extraktionsversuche werden gesammelt und im Unterricht vom Lehrer<br />

aufgearbeitet. Durch Schütteln mit Thiosulfatlösung wird noch vorhandenes Halogen zu<br />

ungiftigem Halogenid reduziert (Entfärbung). Nach der Phasentrennung wird die<br />

wässrige Phase weggeschüttet und die organische Phase über wasserfreiem<br />

Natriumsulfat getrocknet. Nach Filtration kann das organische Lösungsmittel<br />

wiederverwendet werden.<br />

Durch diese Vorgehensweise wird den Schülern klargemacht, dass die fachgerechte<br />

Aufbereitung der Versuchsreste (hier Wasserentgiftung und Lösungsmittelrecycling)<br />

zum Versuch dazugehört.<br />

Die gelegentlich von Schülern gestellte Frage, ob man das weggeschüttete Wasser<br />

hätte trinken können, imitiert eine weitergehende, interessante Diskussion. Abwasserentgiftung<br />

führt - wie der Name schon sagt - dazu, dass das Wasser nicht mehr giftig ist.<br />

Die Behandlung führt aber in der Regel zu einer Aufsalzung, so dass das Wasser von<br />

Trinkwasserqualität noch weit entfernt ist.<br />

2.2.4 Ein ungefährlicher Nitrit- bzw. Nitrat-Nachweis (in [13])<br />

Für den Nitratnachweis durch die „Ringprobe“ wird konzentrierte Schwefelsäure<br />

benötigt, die bei Schülerversuchen ein erhebliches Gefährdungspotential darstellt. Der<br />

folgende Nitrit- bzw. Nitrat-Nachweis kommt mit winzigen Mengen ungefährlicher<br />

Nachweisreagenzien aus, ist zuverlässig und kann leicht von Schülern ausgeführt<br />

werden. Er ähnelt dem „Lunge“-Test und basiert darauf, dass Nitrit das aromatische<br />

Amin Sulfanilsäure diazotieren und das resultierende Diazoniumsalz mit der<br />

aromatischen Verbindung Naphtylethylendiamin einen roten Azofarbstoff bilden kann:


14<br />

HO 3<br />

S NH 2<br />

+ HNO 2 - O 3<br />

S N 2<br />

+<br />

+ 2 H 2<br />

O<br />

H<br />

NHCH 2<br />

CH 2<br />

NH 2<br />

HO 3<br />

S N=N NHCH 2<br />

CH 2<br />

NH 2<br />

Wenn Nitrat vorab mit einem unedleren Metall (Magnesium) zu Nitrit reduziert<br />

wird, kann es indirekt als Nitrit nachgewiesen werden.<br />

(Nach den hier beschriebenen Reaktionen funktionieren auch handelsübliche Nitritbzw.<br />

Nitrat-Schnellteststreifen).<br />

Nitrit-Nachweis (Blindprobe): Etwas KNO 2 und Nitrit-Nachweisreagenz (Mischung aus<br />

100 g NaCl, 1.5 g Sulfanilsäure und 0.3 g Naphthylethylendiammoniumdichlorid)<br />

werden auf der Tüpfelplatte vermischt und mit 3 Tropfen Essigsäure versetzt. Es tritt<br />

eine Rotfärbung auf.<br />

Nitrat-Nachweis (Blindprobe): Etwas KNO 3 und Nitrit-Nachweisreagenz vermischt und<br />

mit 3 Tropfen Essigsäure versetzt. Es kommt zu keiner Reaktion. Wenn nun zusätzlich<br />

ein Stückchen Magnesiumband in die Mischung gelegt wird, tritt nach 1-2 Minuten eine<br />

Rotfärbung ein.<br />

Unbekannte Feststoffproben: Die zu untersuchende Substanz wird wie beschrieben mit<br />

dem Nitrit-Nachweisreagenz und Essigsäure versetzt und somit zunächst auf Nitrit und<br />

bei einem negativen Befund anschließend durch Zugabe eines Stückchens<br />

Magnesiumband auf Nitrat geprüft.<br />

In Anbetracht der winzigen Substanzmengen, die für die Nachweise benötigt<br />

werden, ist es zu verantworten, die Versuchsreste wegzuspülen.<br />

2.3 Verkleinern von Ansatzgrößen<br />

2.3.1 Mikrotitrationen [14, 15]<br />

In einem ökologisch orientierten Chemie- und Biologieunterricht spielt die Beurteilung<br />

der Güte von Gewässern eine große Rolle. Zuverlässige Ergebnisse erzielt man nur,<br />

wenn die Wasserproben direkt an Ort und Stelle analysiert werden, denn nur so kann ein<br />

möglicher Fehler durch Veränderung der Zusammensetzung der Probe zwischen dem<br />

Zeitpunkt der Probennahme und der Analyse im Schullabor vermieden werden. Die Vor-<br />

Ort-Analysen können mit analytischen Schnelltests erfolgen, die in der Handhabung<br />

einfach sind und gute und reproduzierbare Ergebnisse liefern. Ihr Einsatz ist aber nur<br />

sinnvoll, solange das Lernziel allein die Beurteilung der Wasserqualität ist. Sollen<br />

hingegen außerdem Methoden der Wasseranalytik und die damit verbundenen<br />

chemischen Grundlagen vermittelt werden, muss auf klassische Verfahren der<br />

Maßanalyse zurückgegriffen werden.<br />

Nachteilig beim Arbeiten mit Büretten, Pipetten, Mess- und Erlenmeyerkolben vor<br />

Ort ist, dass der Transport der Glasgeräte problematisch und wegen nicht auszuschließendem<br />

Glasbruch auch nicht ungefährlich und der Zeitaufwand für die


15<br />

Titrationen recht groß ist. Außerdem ist es gerade in einem Ökologie-Praktikum<br />

didaktisch wenig sinnvoll, große Mengen an Maßlösung zu verbrauchen (was zusätzlich<br />

teuer ist!) und entsprechend große Mengen Analysenabwässer zu produzieren.<br />

Günstiger ist es <strong>des</strong>halb, die Titrationen im Halbmikromaßstab unter Verwendung<br />

einer 10-mL-Injektionsspritze zur Probennahme, einer 1-mL-Tuberkulinspritze mit<br />

0.01-mL-Teilung und dünner Kanüle als „Bürette“ durchzuführen.<br />

Im folgenden wird die halbmikroanalytische Bestimmung wichtiger<br />

Wasserparameter wie Carbonat- und Gesamthärte, Chlorid- und Sauerstoffgehalt<br />

beschrieben.<br />

Die Bestimmung der Carbonathärte erfolgt durch Titration mit einer Salzsäure-<br />

Maßlösung. Im pH-Bereich 8.3 (Umschlag von Phenolphthalein) bis 4.3 (Umschlag<br />

eines Methylrot/Bromcresolgrün-Mischindikators) laufen folgende Reaktionen ab:<br />

CO 3 2− + 2 HCl → 2 Cl − + H 2 O + CO 2<br />

HCO 3 − + HCl → Cl − + H 2 O + CO 2<br />

Bei der Gesamthärtebestimmung wird die Summe der Konzentrationen an<br />

Magnesium- und Calciumionen im Wasser durch komplexometrische Titration bei pH<br />

10 gegen Erio T (Indikatorpuffertablette) bestimmt. Der Calciumgehalt alleine wird<br />

bestimmt, nachdem das Magnesium mit Natronlauge als Mg(OH) 2 ausgefällt wurde. Als<br />

calciumspezifischer Indikator dient dabei Calconcarbonsäure.<br />

Die Chloridbestimmung nach Mohr erfolgt durch Fällungstitration mit einer<br />

AgNO 3 -Maßlösung.<br />

Die Bestimmung von im Wasser gelösten Sauerstoff beruht auf einer Folge von<br />

Redoxreaktionen. Zunächst oxidiert der Sauerstoff zugesetztes zweiwertiges Mangan im<br />

alkalischen Medium zum vierwertigen. Beim Ansäuern komproportioniert der gebildete<br />

Braunstein mit überschüssigem zweiwertigen Mangan zum dreiwertigen, das zugesetztes<br />

Iodid zu elementarem Iod oxidieren kann. Die entstandene Menge Iod korrespondiert<br />

also mit der ursprünglich im Wasser vorhandenen Menge Sauerstoff und kann mit einer<br />

Thiosulfat-Maßlösung titrimetrisch erfaßt werden.<br />

2 Mn 2+ + O 2 + 4 OH − → 2 MnO(OH) 2<br />

MnO(OH) 2 + Mn 2+ + 4 H + → 2 Mn 3+ + 3 H 2 O<br />

2 Mn 3+ + 2 I − → 2 Mn 2+ + I 2<br />

2−<br />

I 2 + 2 S 2 O 3 → 2 I −<br />

2−<br />

+ S 4 O 6<br />

Ein weiterer wichtiger Summenparameter zur Beurteilung der Wassergüte ist der<br />

chemische Sauerstoffbedarf (CSB). Nach DIN 38409 wird die zu untersuchende<br />

Wasserprobe mit einer definierten Menge Chromschwefelsäure 2 Stunden bei 148 °C<br />

behandelt, wobei nahezu alle organischen Wasserinhaltsstoffe oxidiert werden. Größere<br />

Mengen an Chlorid stören und werden <strong>des</strong>halb mit Quecksilber(II)-Ionen maskiert.<br />

Abschließend wird das überschüssige sechswertige Chrom mit Eisen(II)-Lösung zurück<br />

titriert.<br />

Cr 2 O 7 2− + 6 e − + 14 H + → 2 Cr 3+ + 7 H 2 O (1 mol K 2 Cr 2 O 7 = 1.5 mol O 2 )<br />

Cr 2 O 7 2− + 6 Fe 2+ + 14 H + → 2 Cr 3+ + 6 Fe 3+ + 7 H 2 O<br />

Für den Schulunterricht ist die DIN-Methode zu arbeits- und zeitaufwendig, wegen<br />

<strong>des</strong> Einsatzes größerer Mengen Chromschwefelsäure zu gefährlich und wegen <strong>des</strong><br />

Quecksilbergehaltes in Hinblick auf die Entsorgung der Versuchsreste problematisch.<br />

Deshalb haben wir nach einer alternativen Methode gesucht.<br />

Ein CSB-Küvettentest (Merckoquant ® CSB-Test 14541) mit fotometrischer<br />

Auswertung kommt kaum in Betracht. Der Test ist zwar ungefährlich und Reste können


16<br />

zwecks Recycling an den Hersteller zurückgegeben werden, aber die Anschaffung der<br />

erforderlichen Geräte (Thermostat, Fotometer) dürfte für die meisten Schulen zu teuer<br />

sein.<br />

Geeignet ist hingegen folgende Halbmikroschnellmethode, bei der auf den Zusatz<br />

von Quecksilbersalz verzichtet und die erforderliche Reaktionstemperatur in Sekundenschnelle<br />

durch Ausnutzung der Wärmeenergie erreicht wird, die beim Mischen der mit<br />

Kaliumdichromat-Lösung versetzten Wasserprobe und konzentrierter Schwefelsäure frei<br />

wird (günstige Energiebilanz):<br />

Zu 5 mL Wasserprobe werden 3 mL 0.0417 molare Kaliumdichromat-Lösung und in<br />

einem Strahl 15 mL konzentrierte Schwefelsäure gegeben (Vorsicht: starkes<br />

Erwärmen!). Nach genau 2 Minuten werden 25 mL Wasser und 3 Tropfen Ferroin-<br />

Indikatorlösung zugesetzt. Dann wird mit 0.25 molarer Ammoniumeisen(II)-sulfat-<br />

Lösung bis zum Umschlag von Grün nach Rot titriert.<br />

Es werden reproduzierbare und für den Schulunterricht ausreichend genaue<br />

Ergebnisse erzielt. Bei den von uns durchgeführten Kontrollmessungen der CSB-Werte<br />

von Proben mit definierten Konzentrationen an Phenol bzw. Glucose nach der<br />

Halbmikroschnellmethode und mit dem Küvettentest wurden nämlich vergleichbare<br />

Ergebnisse erzielt. Und auch die CSB-Werte von Sickerwasserproben (verschiedene<br />

Böden wurden mit Wasser gewaschen, die Filtrate direkt bzw. nach Zusatz einer<br />

definierten Menge Glucose gemessen) nach den beiden Untersuchungsmethoden zeigten<br />

für Schulzwecke ausreichende Übereinstimmungen. (Ähnlich wie bei der Prüfung von<br />

MTBE als Ersatzstoff für Diethylether erforschte und bestätigte eine Studentin die<br />

Zuverlässigkeit einer neuen, vereinfachten Analysemethode und leistete dadurch einen<br />

Beitrag zum Umweltschutz.)<br />

Gerade bei Ökologieprojekten ist es für sinnvoll, dass sich die Schüler auch um die<br />

fachgerechte Aufbereitung ihrer Versuchsreste kümmern (Verursacherprinzip). Die hier<br />

vorgeschlagene Entsorgung der austitrierten Lösungen ist sehr lehrreich, weil einige<br />

Standardmethoden der Abwasserreinigung zum Einsatz kommen. Schon bei der<br />

Titration wird das hochgiftige sechswertige Chrom zum mindergiftigen dreiwertigen<br />

reduziert. Durch Zugabe von Natronlauge (Neutralisation) und Ammoniak (Bildung <strong>des</strong><br />

NH 3 /(NH 4 ) 2 SO 4 -Puffers) wird der für die Chrom- und Eisenhydroxid-Cofällung<br />

(Flockung) günstige pH-Wert 8 eingestellt. Der koagulierte Niederschlag lässt sich gut<br />

abfiltrieren und wird zu den Feststoffabfällen gegeben. Das Filtrat ist durch den<br />

Redoxindikator rot gefärbt, der sich aber an Aktivkohle adsorbieren und so dem Wasser<br />

entziehen lässt. Das danach farblose Filtrat kann weggeschüttet werden.<br />

Die Methode ähnelt der von Aufbereitung von Trennungsgangsresten an der<br />

Fachhochschule Darmstadt (s. 2.1.1), ist aber arbeitstechnisch viel weniger<br />

anspruchsvoll und zeitaufwendig und kann <strong>des</strong>halb bereits Schülern bewältigt werden.<br />

2.3.2 Arbeiten unter dem Mikroskop (in [13])<br />

Besonders faszinierend ist es, unter dem Mikroskop zuzusehen, wie Stoffe<br />

kristallisieren. Da nur winzige Substanzmengen benötigt werden, ist die Mikroskopie<br />

außerdem eine besonders umweltfreundliche Experimentiermethode. Die folgenden<br />

Versuche sollten jeweils von einer Zweiergruppe durchgeführt werden. Während der<br />

eine Schüler durch das Mikroskop schaut, führt der andere die nötigen Operationen auf<br />

dem Objektträger durch. Anschließend wird der Versuch wiederholt, wobei die Schüler<br />

ihre Rollen tauschen.


17<br />

• Na 2 S 2 O 3 ⋅5H 2 O: Der Stoff wird geschmolzen und eine kleine Menge der Schmelze auf<br />

den Objektträger <strong>des</strong> Mikroskops gebracht. Beim Eintragen eines Impfkristalls<br />

beginnt die Kristallisation, die durch das eingestellte Objektiv beobachtet wird.<br />

• Na 2 SO 4 : Durch Erwärmen von 6 g Na 2 SO 4 ⋅10H 2 O in 5 mL Wasser wird eine Lösung<br />

erzeugt und davon eine kleine Menge auf den Objektträger gegeben. Aus der<br />

übersättigten Lösung kristallisiert beim Einwerfen eines Impfkristalls Natriumsulfat<br />

aus.<br />

• KNO 3 ; MgSO 4 : Durch Erwärmen von 3 g KNO 3 in 5 mL Wasser bzw. 8 g<br />

MgSO 4 ⋅7H 2 O in 5 mL Wasser werden gesättigte Lösungen hergestellt und kleine<br />

Mengen davon auf den Objektträger getropft. Bedingt durch die Abkühlung, setzen<br />

die Kristallisationen sofort ein.<br />

• CuSO 4 : 3 g CuSO 4 ⋅5H 2 O in 5 mL Wasser werden erwärmt, und eine kleine Menge<br />

der Lösung wird auf den Objektträger aufgetragen. Dann wird direkt neben die<br />

wäßrige Lösung etwas Ethanol getropft. Die Kristallisation beginnt an der Stelle, wo<br />

Wasser und Alkohol zusammenkommen (Aussüßen).<br />

• Benzoesäure: Ein Tropfen einer Lösung von 0.5 g Benzoesäure in 5 mL Aceton oder<br />

Ethanol wird auf den Objektträger gegeben. Bedingt durch das Verdampfen <strong>des</strong><br />

organischen Lösungsmittels, setzt die Kristallisation ein.<br />

• Mg(NH 4 )PO 4 : Ein Tropfen der salzsauren Lösung <strong>des</strong> Salzes (1 g MgCl 2 ⋅ 6 H 2 O<br />

werden in 5 mL Wasser gelöst, mit 2 Tropfen 5%iger Salzsäure angesäuert und mit<br />

einer Lösung von 1 g (NH 4 ) 2 HPO 4 in 5 mL Wasser versetzt. Nach Zugabe von 2<br />

Tropfen konzentrierter Ammoniaklösung bildet sich ein weißer Niederschlag, der<br />

abfiltriert, mit wenig Wasser gewaschen und dann mit 5 mL 5%iger Salzsäure<br />

aufgenommen wird) wird auf den Objektträger gegeben. Dieser wird umgekehrt, d.h.<br />

mit der benetzten Seite nach unten, auf einen kleinen Tiegel gelegt, in dem sich 5<br />

Tropfen konzentrierter Ammoniaklösung befinden. Der aufsteigende NH 3 -Dampf<br />

neutralisiert die Salzsäure, so dass das Magnesiumammoniumphosphat<br />

auskristallisiert. Sobald eine beginnende Trübung zu beobachten ist, wird<br />

mikroskopiert.<br />

Am Ende der Unterrichtseinheit übrig gebliebene Reste werden aufgehoben.<br />

2.3.3 Metallnachweise durch Abreiben<br />

Einige charakteristische Nachweise von Metallionen lassen sich studieren, indem<br />

Metallbleche mit Wattestäbchen, die mit den entsprechenden Nachweisreagenzien<br />

benetzt sind, abgerieben werden (s. Tabelle 2). Vorteilhaft dabei ist es, dass keine<br />

giftigen Metallsalzlösung benötigt werden und dass die Metallbleche immer wieder<br />

verwendet werden können. Die gefärbte Watte wird zu den Feststoffabfällen gegeben.<br />

Tabelle 2: Abreiben von Metallblechen mit Nachweisreagenzien<br />

Metall Reagenz (auf die Watte tropfen) Formel und Farbe<br />

Ni Diacetyldioxim (2%ig) und NH 3 (10%ig) Ni(dmglH) 2 , himbeerrot<br />

Pb KI (5%ig) und HOAc (konz.) PbI 2 , gelb<br />

Fe K 4 [Fe(CN) 6 ] (3%ig) und HCl (5%ig) K[Fe III Fe II (CN) 6 ], blau<br />

Cu NH 3 (10%ig) [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+ , blau


18<br />

2.4 Verfahrensoptimierung<br />

2.4.1 Verbesserte Herstellung von Thénards Blau [6]<br />

Während die tradierte Vorschrift von Thénards Blau das gemeinsame Erhitzen von<br />

Aluminiumsulfat und Cobaltchlorid mit dem Gebläsebrenner vorsieht, gehen die<br />

Studenten an der Fachhochschule Darmstadt von den frisch gefällten Metallhydroxiden<br />

aus. Da die Spinellbildung eine diffusionskontrollierte Festkörperreaktion ist, verläuft<br />

sie begünstigt ab, wenn die Ausgangsstoffe ideal durchmischt sind. Da die Studenten<br />

aber in der Regel die Notwendigkeit eines intensiven Verreibens der eingewogenen<br />

Salze übersehen und ein noch recht heterogenes Gemisch erhitzen, erzielen sie<br />

erwartungsgemäß nur geringe Spinellausbeuten, und nicht eingebaute Cobaltionen<br />

gelangen in die zum Waschen verwendete Salzsäure. Wenn aber aus den Salzen<br />

zunächst die Metallhydroxide gefällt werden, liegen sehr kleine, hoch reaktive Partikel<br />

vor, die durch mehrfaches gemeinsames Suspendieren in Wasser ideal vermischt nach<br />

Verdunsten <strong>des</strong> anhaftenden Wassers und anschließendem Erhitzen mit dem Brenner ein<br />

Thénards Blau liefern, aus dem kein Cobalt mehr ausgewaschen werden kann:<br />

Co(OH) 2 + 2 Al(OH) 3 → CoAl 2 O 4 + 4 H 2 O<br />

An diesem Beispiel lernen die Auszubildenden, wie wichtig ein fundamentales<br />

Verständnis der Chemie ist, um Synthesen so optimal zu gestalten, dass Abfallprobleme<br />

gar nicht erst entstehen. Dies ist grundsätzlich der beste Beitrag zum Umweltschutz.<br />

2.4.2 Verbesserte Herstellung von Kupfer(I)-chlorid<br />

Kupfer(I)-chlorid kann u.a. durch Synproportionierung von Kupfer(II)-chlorid und<br />

elementarem Kupfer hergestellt werden:<br />

CuCl 2 + Cu → 2 CuCl<br />

Dazu gibt man die Ausgangsstoffe in halbkonzentrierte Salzsäure und muss etwa 20<br />

Minuten erhitzen. Die Ausbeute an weißem CuCl beträgt in der Regel weniger als 30 %.<br />

Offensichtlich stört Luftsauerstoff, der beim Arbeiten im offenen Becherglas<br />

unwillkürlich in das Reaktionsmedium diffundieren kann und die Rückoxidation <strong>des</strong><br />

einwertigen Kupfers bewirkt, so dass die geringe Ausbeute verständlich ist. Wenn man<br />

die Reaktion unter durchführt, liegt die Ausbeute über 90 %. Da Chemieanfänger mit<br />

dem Arbeiten mit einer Druckgasflasche und der üblichen Schutzgastechnik<br />

experimentell überfordert wären, haben wir nach einer anderen Möglichkeit gesucht,<br />

Schutzgasatmosphäre zu erzeugen und sind auf folgende Idee gekommen: Wenn man<br />

dem stark salzsauren Ansatz gelegentlich eine Spatelspitze Soda zusetzt entsteht CO 2 .<br />

(Der pH-Wert wird wegen <strong>des</strong> großen Säureüberschusses praktisch nicht beeinflusst.)<br />

Dieses ist schwerer als Luft und füllt das Becherglas, das zusätzlich mit einem Uhrglas<br />

abgedeckt wird, um den Gasaustausch mit der umgebenden Raumluft weiter zu<br />

erschweren. Durch Anwendung dieses sehr einfachen Tricks wird die Ausbeute an CuCl<br />

auf min<strong>des</strong>tens 80 % gesteigert.<br />

Wie bei der in 2.4.1 beschriebenen verbesserten Herstellung von Thénards Blau<br />

führte auch hier tiefes Chemieverständnis zur Verfahrensoptimierung in Hinblick auf<br />

höhere Produktausbeute (Ökonomie) und entsprechend weniger Abfall (Ökologie).


19<br />

2.4.3 Verbesserte Synthese von Siliconöl [3]<br />

Eine zentrale Stellung in der Siliconchemie nimmt die Verbindung<br />

Cyclooctamethyltetrasiloxan (D 4 ) ein. Sie kann ringöffnend zu Siliconölen mit OH-<br />

Endgruppen polymerisiert werden, aus denen sich dann durch geeignete Vernetzer wie<br />

Tetraethoxysilan gummiartige Massen herstellen lassen.<br />

D 4 kann nach der Vorschrift von Braun [16] synthetisiert werden:<br />

Dichlordimethylsilan wird zu einer Mischung von cyclischen und linearen<br />

Oligosiloxanen hydrolysiert. Die Mischung wird <strong>des</strong>tilliert, wobei D 4 als flüchtige<br />

Komponente übergeht.<br />

Ein Nachteil bei dieser Versuchsvorschrift ist, dass man aus 200 g Me 2 SiCl 2 nur ca.<br />

50 g D 4 erhält und dass ca. 100 g Oligosiloxane, die im Destillationssumpf verbleiben,<br />

als Ölabfall entsorgt werden müssen.<br />

Der Ölabfall kann jedoch fast vollständig vermieden werden, wenn man das<br />

Produktgemisch der Kondensationsreaktion von Me 2 SiCl 2 und Wasser nicht einfach<br />

<strong>des</strong>tilliert, sondern ähnlich wie bei der technischen Herstellung von Siliconöl einer<br />

„Äquilibrierung“ unterzieht. Man erwärmt es mit Kaliumhydroxid, wobei zunächst eine<br />

anionische Polymerisation einsetzt (Viskositätszunahme). Nach einiger Zeit wird das<br />

Polymer jedoch wieder basenkatalysiert abgebaut. Es stellt sich ein Gleichgewicht<br />

zwischen Polymerisation und Depolymerisation ein. Wenn man das gewünschte D 4 als<br />

flüchtige Komponente ständig aus dem Reaktionskolben ab<strong>des</strong>tilliert, erreicht man eine<br />

Gleichgewichtsverschiebung in Richtung D 4 , das tatsächlich in mehr als 90%iger<br />

Ausbeute gewonnen wird. Der Siliconölabfall ist entsprechend gering (s. Abb. 1).<br />

Me 2 SiCl 2<br />

H 2 O<br />

- HCl<br />

Me<br />

HO Si O<br />

Me<br />

n<br />

H +<br />

Me<br />

Si<br />

Me<br />

O<br />

n<br />

n = 4; D 4<br />

bisherige Aufarbeitung: Oligosiloxane<br />

Destillation D 4 im Destillat ca. 30 %<br />

höhere Siloxane im Sumpf (Abfall) ca. 70 %<br />

neue Aufarbeitung:<br />

Oligosiloxane<br />

Destillation<br />

in Gegenwart<br />

von KOH<br />

D 4 im Destillat > 90 %<br />

höhere Siloxane im Sumpf (Abfall) < 10 %<br />

Abb. 1: Gewinnung von D 4<br />

Interessant ist nicht nur, dass die Abfallmenge erheblich reduziert wird, sondern<br />

auch, dass ca. 60 % der Ausgangsverbindung eingespart werden. Brauchte man nach der<br />

alten Literaturvorschrift 200 g Me 2 SiCl 2 , um ca. 50 g D 4 herzustellen, so braucht man<br />

jetzt nur noch 70 g Me 2 SiCl 2 .<br />

Besonders wichtig im Zusammenhang mit der hier beschriebenen neuen<br />

Praktikumsynthese von D 4 ist sicherlich auch - ähnlich wie bei der verbesserten<br />

Herstellung von Thénards Blau -, dass den Studierenden gezeigt wird, wie durch<br />

fundierte Kenntnisse der Chemie eine Synthese gezielt optimiert werden und durch das<br />

Vermeiden von Nebenprodukten (Abfall) ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet und


20<br />

gleichzeitig das Budget <strong>des</strong> Fachbereichs entlastet werden kann (positives<br />

Zusammenspiel von Ökologie und Ökonomie).<br />

2.4.4 Modifizierte Fehling-Probe [17]<br />

Häufig führt eine geringfügige Abwandlung tradierter Schulexperimente zu deren<br />

sichereren und umweltgerechterer Gestaltung. Hierzu ein Beispiel.<br />

Bei der klassischen Fehling-Probe wird die zu prüfende Lösung mit CuSO 4 -Lösung<br />

und stark alkalischer Tartratlösung versetzt. Sehr häufig muss zum Sieden erhitzt<br />

werden, um die Probe eindeutig interpretieren zu können. Bei ungeschicktem Arbeiten<br />

kommt es dabei leicht zum Siedeverzug, womit von dem Versuch ein erhebliches<br />

Gefährdungs-potential ausgeht. Ein Siedeverzug kann bei folgender modifizierter<br />

Fehling-Probe sicher verhindert werden: 1 mL der zu prüfenden Lösung wird mit einer<br />

reichlichen Spatelspitze einer Verreibung von Kupfervitriol und Weinsäure (1:2-<br />

Massenteile) versetzt. Zu der Mischung werden dann 3 NaOH-Pastillen gegeben,<br />

wonach automatisch eine starke Erwärmung (Lösungswärme) auftritt, so daß gar nicht<br />

mehr mit dem Brenner erwärmt werden muss. Nach kurzer Zeit scheidet sich gelbrotes<br />

Cu 2 O ab.<br />

Die Schüler sollten unbedingt auf die gegenüber der klassischen Fehling-Probe<br />

günstigere Energiebilanz der hier beschriebenen Erkennungsreaktion hingewiesen<br />

werden.<br />

2.5 Versuchsumstellung<br />

2.5.1 Bromierung der C-C-Doppelbindung [17]<br />

Die Bromierung eines Alkens als Prototyp einer Additionsreaktion darf in einem<br />

organischen Praktikum nicht fehlen. Nachteilig ist das Entstehen giftiger und stark<br />

wassergefährdender Bromalkane. Unser Verbesserungsvorschlag lautet: Verzicht auf die<br />

üblicherweise verwendeten kleinen, flüssigen Alkene (wie beispielsweise Cyclohexen)<br />

in einem organischen Lösemittel (z.B. Benzin) und statt<strong>des</strong>sen Benutzen einer Emulsion<br />

von Ölsäure in Wasser, bereitet durch Ansäuern einer Lösung von Natriumoleat in<br />

Wasser. Die Entfärbung <strong>des</strong> zugesetzten Bromwassers ist deutlich zu erkennen. Der<br />

Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass das bromierte Produkt dem Wasser durch<br />

Adsorption an eingerührter pulverförmiger Aktivkohle und Filtration entzogen werden<br />

und das dann schadstofffreie Filtrat weggeschüttet werden kann. Lediglich die beladene<br />

Kohle muss der Sondermüllverbrennung zugeführt werden.<br />

Das Gefahrenpotential <strong>des</strong> Versuches ist noch geringer, wenn statt <strong>des</strong> Bromwassers<br />

eine NaBr/NaBrO 3 -Mischung verwendet wird, aus der durch Ansäuern mit<br />

Schwefelsäure elementares Brom generiert werden kann (vgl. 2.2.3), das sofort mit der<br />

vorliegenden Ölsäure abreagiert.


21<br />

2.5.2 Umstellung präparativer Arbeiten auf chromatografische<br />

2.5.2.1 Chromatografische Trennung der Elemente der Kupfer-Gruppe [18]<br />

Bei der Qualitativen Analyse erweisen sich die hochtoxischen Verbindungen <strong>des</strong><br />

Quecksilbers, Cadmiums und Arsens unter Sicherheits- und Umweltschutzgesichtspunkten<br />

als besonders problematisch. Chemieanfänger dürfen laut Gefahrstoffverordnung<br />

nur nach eingehender Sicherheitsbelehrung und unter ständiger Aufsicht<br />

damit arbeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass quecksilber- und arsenhaltige Reste<br />

nach den bei uns geltenden Betriebsanweisungen getrennt von anderen Stoffen<br />

gesammelt werden müssen, um später fachgerecht entsorgt werden zu können.<br />

Da die drei Problemstoffe alle der Hydrogensulfid-Gruppe angehören, haben wir uns<br />

entschlossen, die Trennung dieser Elemente als Übungsanalyse nicht mehr durchzuführen<br />

und uns bei Vollanalysen auf die Ausgabe der weniger problematischen Elemente<br />

Blei, Kupfer und Zinn als Vertreter der Hydrogensulfid-Gruppe zu beschränken.<br />

Dies kann zunächst als eine Kapitulation vor den gesetzlichen Vorschriften und auch<br />

als ein Verstoß gegen die Verpflichtung, angehende Chemiker im Umgang mit<br />

Giftstoffen zu schulen, aufgefasst werden. Um dieser Kritik zu begegnen, haben wir<br />

nach Lehr-inhalten gesucht, welche die bisherigen durch min<strong>des</strong>tens gleichbedeutende<br />

und didaktisch gleichwertige ersetzen, und sie in der papierchromatografischen<br />

Trennung der Elemente der Kupfer-Gruppe (Blei, Kupfer, Cadmium, Bismut,<br />

Quecksilber) gefunden.<br />

Der große Vorteil dieser Methode der Spurenanalyse ist, dass winzige Substanzmengen<br />

(1-5 mg) ausreichen. Dadurch kann einer Forderung <strong>des</strong> praktikumintegrierten<br />

Umweltschutzes, der Verminderung der Stoffmengen, leicht Rechnung getragen werden.<br />

Die anfallenden Reste sind entsprechend minimal und vernachlässigbar.<br />

Die neuen Lehrinhalte sind durch die Begriffe Nernstsches Verteilungsgesetz,<br />

Verteilungskoeffizient, theoretischer Boden, Retentionszeit (Rf-Wet) bezeichnet.<br />

Chromatografische Methoden sind aus der modernen analytischen Chemie nicht<br />

mehr fortzudenken. Deshalb sollten sie möglichst früh eingeführt werden. Haben die<br />

Praktikanten die Papierchromatografie verstanden, sind die theoretischen Grundlagen<br />

für die Gaschromatografie, die Hochdruckflüssigchromatografie, die Gelpermeationschromatografie,<br />

die Elektrophorese etc. geschaffen. In späteren Stadien der Analytik-<br />

Ausbildung kann die Papierchromatografie dann als die Urform aller chromatografischen<br />

Methoden zitiert werden. Der Vorteil ihrer Einführung in die Qualitative<br />

Analyse ist also nicht zu bestreiten. Verloren geht das Erlernen eines Teils der<br />

Stoffchemie <strong>des</strong> Quecksilbers, Cadmiums und Arsens. Nicht verloren gehen hingegen<br />

Ziele der Qualitativen Analyse, denn beim Trennen der verbleibenden Ionen der<br />

Ammoniumsulfid-, Ammoniumcarbonat- und löslichen Gruppe bleiben noch genügend<br />

Möglichkeiten, Redoxprozesse, Löslichkeitsprodukte, Farben etc. zu studieren.<br />

Und darf nicht provozierend gefragt werden, ob die im klassischen Trennungsgang<br />

vermittelte Stoffchemie von Quecksilber, Cadmium und Arsen nicht zu sehr von<br />

theoretischer Bedeutung ist und die technische Relevanz der Elemente, die insbesondere<br />

in der praxisbezogenen Fachhochschulausbildung hervorgehoben werden sollte, kaum<br />

widerspiegelt.<br />

Werden mit rotem Quecksilber(II)-iodid und Neßlers Ammoniak-Nachweisreagenz<br />

nicht exotische Verbindungen gewürdigt, wo hingegen das Amalgamverfahren der<br />

Chloralkalielektrolyse, bei dem das Element Quecksilber eine ganz zentrale Rolle in der<br />

chemischen Industrie spielt, nicht behandelt wird.


22<br />

Wenn dem Element Arsen in Zukunft eine Bedeutung zukommt, dann vermutlich in<br />

Form <strong>des</strong> Galliumarsenids in der Halbleitertechnik, aber wohl kaum in Form seiner Oxound<br />

Thiooxosäuren.<br />

Ist es schließlich nicht nur noch eine Frage der Zeit, bis die Nickel-Cadmium-<br />

Batterie durch umweltfreundlichere Zellen ersetzt wird und auch in der<br />

Galvanikindustrie auf Cadmium verzichtet, so dass das Element seine jetzige technische<br />

Relevanz verliert? Und steht das immer stärker werdende Umweltbewusstsein unserer<br />

Gesellschaft neuen Cd-Technologien nicht sowieso prohibitiv im Wege, so dass nur<br />

noch Nostalgiker vom postkastengelben Cadmiumsulfid schwärmen?<br />

Die papierchromatografische Analyse vermittelt, über die typischen Lerninhalte der<br />

Chromatographie hinaus, auch einige Aspekte der Stoffchemie, wenn man die<br />

Wechselwirkungen der ausgegebenen Salze mit dem Lösungs- und Laufmittel und die<br />

Entwicklung der Chromatogramme näher beleuchtet.<br />

Gemischt und als unbekannte Probe ausgegeben werden 3-4 Salze (HgCl 2 , CdCl 2 ,<br />

CuCl 2 ⋅2H 2 O. Bi 2 O 3 , Pb(NO 3 ) 2 ). Die Mischung wird mit einem Tropfen Salpetersäure<br />

behandelt. Dabei kann es sein, dass sich weißes PbCl 2 bildet, z.B. durch Umsalzung von<br />

Bleinitrat mit Quecksilberchlorid. Dieser Niederschlag, der im klassischen<br />

Trennungsgang in der Salzsäuregruppe auch anfällt, wird vernachlässigt, denn trotz <strong>des</strong><br />

kleinen Löslichkeitsproduktes befindet sich eine für die folgende Analyse noch<br />

ausreichende Menge Blei im überstehenden Tropfen Lösung.<br />

Die Lösung wird auf das Chromatografiepapier aufgetüpfelt und eingetrocknet.<br />

Danach treten die Salze mit dem Laufmittel, einer Mischung aus tert.-Butanol, Aceton,<br />

Acetylaceton, Wasser und Salpetersäure in Wechselwirkung. Es bilden sich<br />

Metallacetyl-acetonate, die unterschiedlich weit mit dem aufsteigenden Laufmittel auf<br />

dem Papier wandern und so scharf voneinander getrennt werden. Die Acetylacetonate<br />

sind interessante Chelatkomplexe, die den Studenten aus dem präparativen Teil <strong>des</strong><br />

Praktikums bereits bekannt sind. Das getrocknete Chromatogramm wird mit H 2 S-<br />

Lösung entwickelt. Es entstehen charakteristisch gefärbte Sulfide (s. Tabelle. 3).<br />

Tabelle 3. Papierchromatografische Trennung der Elemente der Kupfergruppe<br />

Ion R f -Wert Farbe <strong>des</strong> Sulfids<br />

_______________________________________________________________________<br />

Pb 2+ 0.05 schwarz<br />

Cd 2+ 0.12 gelb<br />

0.70 gelb<br />

Cu 2+ 0.22 braunschwarz<br />

Bi 3+ 0.85 hellbraun<br />

Hg 2+ 0.95 schwarz<br />

Falls Cadmium in der Probe ist, beobachtet man gelegentlich zwei gelbe<br />

Cadmiumsulfid-Flecken auf dem entwickelten Chromatogramm. Dieses Phänomen ist<br />

darauf zurückzuführen, dass das Cadmiumion in Abhängigkeit von der Chlorid- bzw.<br />

Acetylacetonkonzentration sowohl als Chlorokomplex (R f = 0.70), als auch als<br />

Acetylacetonat (R f = 0.12) wandern kann. (Eine erhöhte Chloridionenkonzentration<br />

resultiert automatisch, wenn die Probe neben CdCl 2 noch andere Metallchloride enthält).<br />

Der CdS-Fleck bei R f = 0.70 wird aber auch intensiver, wenn dem Laufmittel vorab<br />

etwas Salzsäure zugegeben wird.<br />

Ein didaktischer Aspekt der papierchromatografischen Trennung gerade der<br />

Elemente der Kupfergruppe sei noch hervorgehoben. Wie bereits erwähnt, entwickeln<br />

die Praktikanten das getrocknete Chromatogramm mit H 2 S, einer Chemikalie, die ihnen


23<br />

aus dem nasschemischen Trennungsgang vertraut ist. Sie führen dabei typische<br />

Fällungen der Metallsulfide direkt auf dem Papier durch; die Entwicklungsreaktion ist<br />

also leicht verständlich. Dieser Vorteil wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass<br />

sich die anderen Elemente <strong>des</strong> Trennungsgangs zwar auch ohne weiteres<br />

papierchromatografisch trennen lassen, die Entwicklung der Chromatogramme aber<br />

spezielle organische Sprüh-reagenzien erfordert, die den Chemieanfängern in ihrer<br />

Struktur und Wirkungsweise noch nicht verständlich sind.<br />

2.5.2.2 Fotochemische Isomerisierung von Azobenzen auf der Dünnschichtplatte<br />

[19]<br />

Genauso wie die Papierchromatografie zeichnet sich die Dünnschichtchromatografie<br />

dadurch aus, dass mit äußerst geringen Substanzmengen aussagekräftige Ergebnisse<br />

erzielt werden können. Sie ist daher für einen gefahrlosen und umweltgerechten<br />

Chemie-unterricht bestens geeignet. Während eines Forschungsaufenthaltes an der<br />

Universität Tsukuba, Japan, bin ich im dort stattfindenden Anfängerpraktikum auf einen<br />

m. E. faszinierenden Versuch aufmerksam geworden, den ich nicht nur in dem von mir<br />

an der Fachhochschule Darmstadt geleiteten Praktikum eingeführt habe, sondern auch<br />

als Schülerversuch empfehlen kann: die Verfolgung der Einstellung <strong>des</strong> fotostationären<br />

Gleichgewichts zwischen trans- und cis-Azobenzen mittels Dünnschichtchromatografie:<br />

Ph<br />

N<br />

N<br />

Ph<br />

hv<br />

hv<br />

Ph<br />

N<br />

N<br />

Ph<br />

Die theoretischen Grundlagen der Isomerisierung und ihre didaktische und<br />

methodische Verwertbarkeit im Unterricht wurde von Tausch diskutiert [20]. Der Autor<br />

beschreibt die Durchführung <strong>des</strong> Versuchs im präparativen Maßstab und die Säulenbzw.<br />

dünnschichtchromatografische Auftrennung <strong>des</strong> erhaltenen Isomerengemisches.<br />

Nachteilig bei dieser Vorgehensweise ist, dass pro Versuch mehrere Gramm<br />

Azobenzen und recht viel Lösungsmittel verbraucht werden.<br />

Wenige Milligramm Substanz für eine ganze Schülergruppe reichen hingegen aus,<br />

wenn eine trans-Azobenzen-Lösung auf eine DC-Platte getüpfelt (s. Abb. 2), der<br />

Substanzfleck einige Zeit dem Sonnen- oder Neonlicht ausgesetzt und das resultierende<br />

cis-trans-Gemisch chromatografiert wird. Zwei gelbe Flecken werden sichtbar, wobei<br />

der mit dem größeren R f -Wert durch parallel mitlaufen<strong>des</strong> unbelichtetes trans-<br />

Azobenzen als solches identifiziert wird. Für die Schüler ist es unschwer einzusehen,<br />

dass der andere Fleck mit dem kleineren R f -Wert als photochemisch erzeugtes cis-<br />

Azobenzen zu deuten ist (s. Abb. 3).<br />

Dass die trans-cis-Isomerisierung von Azobenzen tatsächlich ein fotostätionäres<br />

Gleichgewicht ist, wird im weiteren Verlauf <strong>des</strong> Versuches folgendermaßen bewiesen:<br />

Die entwickelte DC-Platte wird einige Zeit dem Licht ausgesetzt und danach, um 90<br />

Grad gedreht, erneut mit aufsteigendem Lösungsmittel behandelt (vgl. zweidimensionale<br />

Chromatografie). Dabei werden auf der Platte insgesamt vier Flecken sichtbar (s. Abb.<br />

4). Dies ist verständlich, denn sowohl aus dem im ersten Teil <strong>des</strong> Versuches getrennten<br />

reinen trans- als auch cis-Azobenzen ist bei der weiteren Belichtung ein<br />

cis-trans-Gemisch entstanden.


24<br />

8 cm<br />

6 cm<br />

B<br />

A<br />

Punkt A:<br />

Punkt B:<br />

hier trans-Azobenzenlösung auftragen,<br />

20-30 Minuten belichten<br />

hier nach der vorangegangenen Belichtung von Fleck A<br />

trans-Azobenzenlösung auftüpfeln,<br />

dann das Chromatogramm sofort entwickeln<br />

: mit Bleistift leicht markierte Linie<br />

Abb. 2: Probenauftragung und Belichtung von trans-Azobenzen<br />

Laufmittelfront<br />

gelbes trans-Azobenzen<br />

gelbes cis-Azobenzen<br />

hier abschneiden<br />

Abb. 3: Entwickeltes Chromatogramm nach dem ersten Versuchsteil


25<br />

Laufmittelfront<br />

1. Belichten trans-Azob.<br />

⎯⎯⎯⎯⎯ ⎯→<br />

2. Chromatographie<br />

cis-Azob.<br />

trans-Azob.<br />

cis-Azob.<br />

Abb. 4: Belichtung von cis- und trans-Azobenzen und entwickeltes Chromatogramm nach dem zweiten<br />

Versuchsteil (maßstäblich verkleinert)<br />

2.6 Verknüpfte Einzelversuche<br />

2.6.1 Anorganische Chemie in Kreisprozessen<br />

2.6.1.1 Versuche für Praktika an der <strong>Hochschule</strong> [21, 22]<br />

In einem Anorganisch-Präparativen Praktikum sollen wichtige Prinzipien der Synthese<br />

und Komplexchemie sowie Stoffkenntnisse der Elemente und ihrer Verbindungen<br />

vermittelt werden. Bei einer Vielzahl von Einzelversuchen werden recht große Mengen<br />

an Ausgangsverbindungen benötigt und entsprechende Mengen an Chemikalienresten<br />

fallen an, die in der Regel gesammelt, zwischengelagert und später als Sondermüll<br />

verbrannt werden müssen.<br />

Der Chemikalienverbrauch und -abfall kann erheblich reduziert werden, wenn die<br />

Stoffflüsse von Einzelexperimenten konsequent zu Netzwerken verknüpft und<br />

Recyclingversuche ins Praktikum integriert werden. Diese Vorgehensweise führt nicht<br />

nur zu niedrigeren Praktikumkosten, sondern dient auch dem Umweltschutz und fördert<br />

das zusammenhängende und vernetzende Denken der Auszubildenden, wie vor allem<br />

Schmidkunz herausgestellt hat, z. B. in [23].<br />

Ein nach dem allgemeinen Schema<br />

A → B<br />

↑<br />

↓<br />

D ← C<br />

aus dem Ausgangsstoff A hergestelltes Produkt B wird in einem Folgeversuch (in der<br />

Regel zusammen mit seiner Mutterlauge) in ein weiteres Produkt C überführt. Dieses<br />

wiederum dient nach Isolierung und Charakterisierung als Ausgangsstoff für den<br />

nächsten Stoff D etc. Wenn Verbindung D durch eine geeignete chemische Reaktion in<br />

den Ausgangsstoff A rückverwandelt werden kann, ist der Zyklus geschlossen. Bis auf<br />

verfahrensbedingte Ausbeuteverluste fallen keinerlei Abfälle an.


26<br />

Herkömmliche Lerninhalte gehen keineswegs verloren. Vielmehr werden chemische<br />

Zusammenhänge deutlich, die bei den bislang durchgeführten Einzelversuchen nicht zu<br />

erkennen waren. Außerdem werden weitere Aspekte <strong>des</strong> in der chemischen Industrie<br />

zunehmend wichtigen produktionsintegrierten Umweltschutzes ins Praktikum integriert.<br />

Im folgenden werden verschieden große und teilweise verzweigte Ketten und<br />

Zyklen vorgestellt. Die zugrundeliegenden Einzelversuche sind in Standardlehr- und<br />

Praktikumbüchern der Anorganischen Chemie beschrieben.<br />

Chemie <strong>des</strong> Iods: Zunächst wird die Interhalogenverbindung Iodtrichlorid aus Iod und<br />

Chlor, welches in situ aus Kaliumchlorat und Salzsäure generiert wird, hergestellt. Die<br />

Interhalogenverbindung kann mit Salpetersäure zu Iodsäure oxidiert werden. Diese lässt<br />

sich mit Sulfit glatt zum Ausgangsstoff Iod reduzieren. Durch Sublimation erhält man<br />

ein hochreines Produkt, und der Synthesekreislauf ist geschlossen (s. Abb. 5).<br />

Die letzte Reaktion vermittelt außerdem einen zusätzlichen Lerninhalt, nämlich die<br />

klassische Iodgewinnung aus dem Iodatanteil <strong>des</strong> Chilesalpeters.<br />

KClO 3<br />

I 2 I 2 Cl 6<br />

HCl<br />

Na 2 SO 3 HNO 3<br />

HIO 3<br />

Abb. 5: Geschlossener Kreislauf zur Chemie <strong>des</strong> Iods ohne iodhaltige Abfälle<br />

Chemie <strong>des</strong> Eisens: Die Versuchskette zur Eisenchemie wird mit der Reaktion von<br />

technischem Eisen mit Schwefelsäure begonnen. Das unedle Metall wird von der<br />

Mineralsäure oxidiert, wobei gleichzeitig ein Äquivalent H 2 entsteht. Die resultierende<br />

FeSO 4 -Lösung wird von unlöslichem Kohlenstoff (Roheisen enthält 1-3 % Kohlenstoff)<br />

durch Filtration befreit und das Filtrat in der Siedehitze mit Ammoniumsulfat versetzt.<br />

Beim Abkühlen bildet sich Mohrsches Salz, ein repräsentatives Doppelsalz <strong>des</strong><br />

zweiwertigen Eisens. Die isolierten Kristalle werden wieder in ihrer Mutterlauge gelöst.<br />

(So wird sichergestellt, dass keine Stoffmenge verloren geht!). Zugabe von H 2 O 2<br />

bewirkt die Überführung <strong>des</strong> Eisens in den dreiwertigen Zustand. Nach Verkochen <strong>des</strong><br />

überschüssigen H 2 O 2 wird konz. Salzsäure zugegeben. Im stark salzsauren Medium liegt<br />

das Eisen als Hexachlorokomplex vor und kann mit tert.-Butylmethylether (MTBE)<br />

unter Verdrängung von drei Chloro- gegen drei Etherliganden in einen Neutralkomplex<br />

der Zusammensetzung [Fe(MTBE) 3 Cl 3 ] umgewandelt werden, der aufgrund der<br />

hydrophoben Alkylketten, die den Oktaederkomplex nach außen hin abschirmen, in der<br />

Etherphase besonders gut löslich ist. Nach Abtrennen der organischen Phase wird der<br />

Eisenkomplex aus dieser mit reinem Wasser unter Ausbildung <strong>des</strong> Hexaquokomplexes<br />

rückextrahiert vgl. 2.2.1).<br />

Durch die Hin- und Rückextraktion ist die Trennung von FeCl 3 und (NH 4 ) 2 SO 4<br />

gelungen. (Diese hätte natürlich auch über eine Fällung von Fe(OH) 3 , Filtration und<br />

Lösen <strong>des</strong> Filterkuchens in Salzsäure erfolgen können. Hier wird aber bewusst die<br />

Extraktion gewählt, um das Praktikum methodisch und inhaltlich zu bereichern).<br />

Die Eisenchloridlösung gibt mit Acetylaceton und Natronlauge tiefrotes, schwerlösliches<br />

Eisentrisacetylacetonat, ein Paradebeispiel für einen oktaedrisch aufgebauten<br />

Chelatkomplex mit Sechsringmetallacyclen als sehr stabile Struktureinheiten.<br />

Hier kann im Anfängerpraktikum die Kette von Versuchen zur Eisenchemie<br />

abgebrochen werden. Das isolierte Fe(acac) 3 ist nun keineswegs Abfall. Es kann nämlich


27<br />

im Fortgeschrittenenpraktikum als Edukt für die Herstellung von Ferrocen, einer<br />

sandwichartig aufgebauten Verbindung <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens, weiterverwendet<br />

werden. Die Praktikanten werden positiv überrascht sein, wenn sie im späteren Stadium<br />

ihrer Ausbildung eine Verbindung einsetzen dürfen, die sie zuvor selbst hergestellt<br />

haben.<br />

Das Laborpersonal muss nur darauf achten, dass im Anfängerpraktikum nicht mehr<br />

Fe(acac) 3 produziert als im F-Praktikum auch tatsächlich verbraucht wird, d. h., die<br />

Stoffstrombilanz muss stimmen! Falls sich abzeichnet, dass zuviel Fe(acac) 3 hergestellt<br />

wird, sollte die FeCl 3 -Lösung besser anders weiterverwendet werden: Fällen von<br />

Fe(OH) 3 und Behandeln <strong>des</strong> Hydroxidschlamms mit Kaliumhydrogenoxalat liefert<br />

grünes K 3 [Fe(C 2 O 4 ) 3 ]. Dieses ist lichtempfindlich und geht beim Liegenlassen im Tagesoder<br />

Neonlicht langsam, in einem Photoreaktor beim Bestrahlen mit UV-Licht innerhalb<br />

weniger Minuten in schwerlösliches gelbes [FeC 2 O 4 ] n über.<br />

Die Studenten lernen hier eine interessante Photoreaktion kennen: Durch Lichteinwirkung<br />

wird der Übergang eines Elektrons vom Liganden zum dreiwertigen<br />

Zentralatom induziert. Das Eisen wird auf die zweiwertige Stufe gebracht, der<br />

Oxalatligand oxidiert, so dass schließlich CO 2 resultiert.<br />

Das getrocknete Eisen-(II)-oxalat kann unter Sauerstoffausschluss zu CO 2 und<br />

elementarem Eisen pyrolysiert werden. Damit ist die Eisenchemie eigentlich zu einem<br />

Kreislauf geschlossen. Das erhaltene Eisen liegt aber in einer so feinteiligen und daher<br />

hochreaktiven Form vor, dass es beim Kontakt mit der Luft spontan unter<br />

Feuererscheinung zu Fe 2 O 3 verbrennt (s. Abb. 6).


28<br />

H 2 SO 4 (NH 4 ) 2 SO 4 1. H 2 O 2<br />

Fe FeSO 4 (NH 4 ) 2 Fe(SO 4 ) 2 [FeCl 6 ] 3-<br />

2. HCl<br />

MTBE<br />

H 2 O<br />

[Fe(H 2 O) 6 ]Cl 3 [Fe(MTBE) 3 Cl 3 ]<br />

KOH<br />

Naacac<br />

Fe(OH) 3 Fe(acac) 3<br />

KHC 2 O 4<br />

NaCp<br />

K 3 [Fe(C 2 O 4 ) 3 ]<br />

Cp 2 Fe<br />

h ⋅ ν<br />

MeCOCl<br />

∆ T<br />

Fe [FeC 2 O 4 ] n acetylierte<br />

Ferrocene<br />

O 2<br />

Fe 2 O 3<br />

Abb. 6: Versuchsketten zur Chemie <strong>des</strong> Eisens<br />

Chemie <strong>des</strong> Chroms: Die Chromchemie wird durch die Reaktionssequenz in<br />

Abbildung 7 vorgestellt. Der „Zimmervulkan“ ist auch im 1 g Maßstab ein spektakulärer<br />

Schauversuch. (Er wird unter einem Becherglas durchgeführt, um Staubemissionen sich<br />

zu vermeiden.) Aus Ammoniumdichromat entsteht beim Erwärmen Stickstoff, Wasser<br />

und das Oxid <strong>des</strong> dreiwertigen Chroms. Der austretende Stickstoff und das<br />

verdampfende Wasser wirken als Treibgase, die das Grünpigment zu einem lockeren<br />

Pulver aufblähen. In dem Versuch werden den Studierenden bereits die beiden<br />

bedeutenden Oxidationsstufen + VI und + III <strong>des</strong> Chroms vorgestellt. Mit dem Produkt<br />

lernen sie gleichzeitig ein wichtiges anorganisches Grünpigment kennen.<br />

Das hochreine Pulver wird durch ein geeignetes Aufschlussverfahren in eine<br />

lösliche Chromverbindung übergeführt, die mit Oxalat zu einem oktaedrisch<br />

aufgebauten Chelatkomplex <strong>des</strong> dreiwertigen Chroms reagiert, der in Form seines<br />

Kaliumsalzes, K 3 [Cr(C 2 O 4 ) 3 ], isoliert und IR-spektroskopisch identifiziert wird [24]. Der<br />

Stoff wird gemeinsam mit seiner Mutterlauge auf an anderer Stelle im Praktikum<br />

einsetzbares Kalium(di)chromat aufbereitet.


29<br />

∆T<br />

Aufschluss<br />

(NH 4 ) 2 Cr 2 O 7 Cr 2 O 3 lösliche Chrom-Verbindung<br />

- N 2 ; - 4 H 2 O<br />

K 2 C 2 O 4<br />

Oxidation<br />

K 2 Cr 2 O 7 K 2 CrO 4 K 3 [Cr(C 2 O 4 ) 3 ]<br />

- H 2 O<br />

Abb. 7: Versuche zur Chemie <strong>des</strong> Chroms, verknüpft zu einer Kette<br />

H +<br />

Für den Aufschluss <strong>des</strong> unlöslichen Cr 2 O 3 und die oxidative Gewinnung von<br />

Kalium(di)chromat bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Die Besonderheit <strong>des</strong><br />

Darmstädter Praktikums besteht darin, dass die Studenten keine detaillierte<br />

Versuchsvorschrift, sondern nur verschiedene Vorschläge zur -durchführung bekommen<br />

und selbst den besten Syntheseweg in Hinblick auf Chemikalien-, Energie- und<br />

Zeitaufwand, Produktausbeute und -reinheit und Gesichtspunkte <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />

suchen sollen. Da es eine typische Aufgabe in ihrem späteren Berufsleben ist, Verfahren<br />

zu optimieren, sollte es u. a. auch ein Ziel der Ausbildung der angehenden Chemieingenieure<br />

sein, sie in der kritischen Beurteilung der Vor- und Nachteile möglicher<br />

Herstellungsverfahren zu schulen und sie davon zu überzeugen, dass eine optimierte<br />

Synthese der Ökonomie und Ökologie gleichermaßen zugute kommt<br />

(Versuchsoptimierung als Lernziel, [25]).<br />

Aufgrund seines amphoteren Charakters kann Cr 2 O 3 grundsätzlich sauer und basisch<br />

aufgeschlossen werden.<br />

Der saure Aufschluss erfolgt in einer KHSO 4 -Schmelze und liefert wasserlösliches<br />

Chrom(III)-sulfat. Der Umsatz ist allerdings gering. Der Großteil <strong>des</strong> Grünpigments<br />

reagiert selbst nach langer Schmelzdauer nicht ab und bleibt beim Auswaschen <strong>des</strong><br />

Schmelzkuchens mit Wasser unverändert als Rückstand. Auch der Aufschluss mit heißer<br />

konzentrierter Schwefelsäure liefert kein besseres Ergebnis. Da es hierbei durch Siedeverzüge<br />

leicht zum Verspritzen der Flüssigkeit kommen kann, ist die Vorgehensweise<br />

außerdem schon aus Sicherheitsgründen abzulehnen.<br />

Der basische Aufschluss, der mit einer 1:1-Mischung von Soda und Pottasche<br />

durchgeführt wird, hat ebenfalls Nachteile. Da der Einsatz eines Gebläsebrenners zum<br />

Erzielen einer Schmelze erforderlich ist, ist der Aufschluss sehr energieintensiv.<br />

Außerdem verläuft er wie der saure Aufschluss nicht vollständig, d.h., etwas Cr 2 O 3<br />

bleibt nach dem Auswaschen <strong>des</strong> Schmelzgutes mit Wasser unverändert zurück.<br />

Schließlich liegt das aufgeschlossene Chrom im Filtrat nicht in einheitlicher Form vor,<br />

sondern als [Cr(OH) 4 ] − und CrO 4 2− . Letzteres bewirkt die gelbe Farbe <strong>des</strong> Wassers und<br />

ist auf die Oxidation <strong>des</strong> dreiwertigen Metalls durch Sauerstoff an der<br />

Phasengrenzfläche zwischen Schmelze und Luft zurückzuführen. (Vgl.: In der Technik<br />

werden Chrom(III)-Erze, z. B. Chromeisenstein, in einem Drehrohrofen in der<br />

Carbonatschmelze durch eingeblasenen Sauerstoff in Chromat(VI) übergeführt.)<br />

Die Aufschlussmethode der Wahl ist die Oxidationsschmelze <strong>des</strong> Grünpigments mit<br />

KNO 3 . Anders als beim sauren und basischen Aufschluss ist der tiefrote Schmelzkuchen<br />

in Wasser vollständig löslich, das dreiwertige Chrom also quantitativ in lösliches<br />

Chromat(VI) übergeführt worden:


30<br />

Cr 2 O 3 + 3 KNO 3 → 2 CrO 3 + 3 KNO 2<br />

Der in Wasser gelöste Kuchen der Oxidationsschmelze wird mit einer<br />

Kaliumoxalat/Oxalsäure-Mischung versetzt, wobei sechswertiges Chrom zu<br />

dreiwertigem reduziert, gleichzeitig Oxalat zu Carbonat oxidiert und anschließend das<br />

dreiwertige Metall durch überschüssiges Oxalat komplexiert wird:<br />

K 2 Cr 2 O 7 + 5 K 2 C 2 O 4 + 4 H 2 C 2 O 4 → 2 K 3 [Cr(C 2 O 4 ) 3 ] + 6 KHCO 3 + H 2 O<br />

Beim Abkühlen der eingeengten Reaktionslösung kristallisiert schwarzgrünes<br />

Oxalatochromat(III) aus. Es erfordert von den Praktikanten etwas Fingerspitzengefühl,<br />

die gebildeten Kristalle rechtzeitig zu isolieren. Wenn nämlich zu lange gewartet wird,<br />

fällt auch das in der Reaktionslösung noch in großen Mengen vorhandene<br />

Aufschlussmittel KNO 3 aus und verunreinigt das Wunschprodukt.<br />

Nach der IR-spektroskopischen Untersuchung <strong>des</strong> Komplexes wird dieser in seine<br />

Mutterlauge zurückgegeben und auf Kalium(di)chromat aufgearbeitet. Hierzu gibt es<br />

verschiedene Möglichkeiten.<br />

Durch Eindampfen der Lösung und Aufschmelzen <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> mit KNO 3<br />

gelingt zwar eine quantitative Oxidation <strong>des</strong> dreiwertigen Chroms unter gleichzeitiger<br />

Zerstörung der Ligandmoleküle, doch lässt sich aus der wässrigen Lösung <strong>des</strong><br />

Schmelzkuchens nur ein K 2 Cr 2 O 7 kristallisieren, das mit KNO 3 stark verunreinigt und<br />

<strong>des</strong>halb für präparative Anwendungen nicht geeignet ist.<br />

Alternativ ermöglicht eine Behandlung <strong>des</strong> wässrigen Syntheserestes mit<br />

KOH/H 2 O 2 die Gewinnung von sechswertigem Chrom. Eine Aufarbeitung der<br />

Reaktionslösung ist aber mit den gleichen Schwierigkeiten verbunden wie die oben<br />

beschriebene <strong>des</strong> aufgelösten Kuchens der Oxidationsschmelze: das mit Methanol<br />

ausgefällte K 2 CrO 4 bzw. das nach Ansäuern mit Schwefelsäure und Kristallisation<br />

erhaltene K 2 Cr 2 O 7 ist stark KNO 3 -haltig.<br />

Besser ist es, die wässrigen Synthesereste zunächst nicht oxidierend zu behandeln<br />

und mit Kalilauge nur leicht zu alkalisieren, um Cr(OH) 3 auszufällen. Das Absaugen<br />

und Auswaschen <strong>des</strong> Hydroxidschlammes ist zwar sehr zeitaufwendig und liefert in der<br />

Regel ein Filtrat, das durch besonders kleine durchs Filterpapier gelaufene<br />

Hydroxidpartikel trübe ist und zwecks Reinigung noch mit Aktivkohle nachbehandelt<br />

werden muss bevor es verworfen werden darf, hat aber den großen Vorteil, eine<br />

Chrom(III)-Verbindung zu liefern, die frei von anderen Salzen (Nitrat, Nitrit, Oxalat) ist.<br />

Wenn man den Filterkuchen in Kalilauge mit H 2 O 2 versetzt, resultiert eine gelbe<br />

Chromat(VI)-Lösung, aus der durch Zugabe von Methanol für präparative Zwecke<br />

ausreichend reines K 2 CrO 4 (95 % Reinheit) ausgefällt werden kann. Dieses kann dann in<br />

verdünnter Schwefelsäure gelöst und als K 2 Cr 2 O 7 (90 % Reinheit) auskristallisiert<br />

werden.<br />

Diese Vorgehensweise ist besser, als wenn die KOH/H 2 O 2 -Oxidationslösung direkt,<br />

d.h. ohne Fällen und Isolieren <strong>des</strong> K 2 CrO 4 , mit Schwefelsäure angesäuert und abgekühlt<br />

wird. In diesem Fall führt nämlich erneut das Mitkristallisieren anderer Salze zu ganz<br />

erheblichen Verunreinigungen <strong>des</strong> resultierenden Dichromats. Nachteilig ist lediglich,<br />

dass durch die Verwendung von Alkohol als Fällungsmittel ein Alkohol/Wasser-<br />

Gemisch übrigbleibt, das in einem zusätzlichen Verfahrensschritt <strong>des</strong>tillativ auf<br />

wiederverwertbaren Alkohol aufbereitet werden muss. Wichtig ist es <strong>des</strong>halb, als<br />

Fällungsmittel nicht Ethanol, sondern Methanol zu verwenden. Dieser ist zwar giftiger,<br />

aber aufgrund seines niedrigeren Siedepunktes leichter vom Wasser trennbar als das<br />

höhersiedende Ethanol. Die Grob<strong>des</strong>tillation kann einfach und schnell am<br />

Rotationsverdampfer durchgeführt werden, während bei Verwendung von Ethanol eine


31<br />

zeit- und energieaufwendige Rektifikation über eine Vigreux-Kolonne nötig wäre (vgl.<br />

2.7.2).<br />

Chemie <strong>des</strong> Nickels: Grünes Hexaquonickelchlorid reagiert mit Ammoniak zu blauem<br />

Hexamminnickelchlorid, dieses mit Kaliumoxalat zu türkisblauem Nickeloxalat<br />

(Chelateffekt), das beim Abkühlen der Lösung als [NiC 2 O 4 ⋅2H 2 O] n auskristallisiert. Bei<br />

Zugabe von Aminoessigsäure bildet sich ein blassblauer löslicher Nickel-Glycin-<br />

Neutralkomplex. Aus <strong>des</strong>sen Lösung fällt mit Acetylaceton Ni(acac) 2 ⋅2H 2 O aus, ein<br />

Oktaederkomplex mit trans-stehenden Aquoliganden. Besonders faszinierend ist es<br />

zuzusehen, wie sich dieser hellblaue Feststoff mit Diacetyldioxim innerhalb von knapp<br />

10 Minuten in himbeerrotes festes Ni(dmglH) 2 umwandelt. Mit dem sechszähnigen<br />

Chelatliganden EDTA lässt sich das Nickel als blassblaues NiEDTA 2− wieder in Lösung<br />

bringen (s. Abb. 8).<br />

Wie man sieht, ist die Versuchskette so konzipiert, dass in der Folgereaktion<br />

entweder ein basischerer Ligand einen vorliegenden weniger basischen oder ein mehrzähniger<br />

Ligand vorliegende weniger-zähnige Liganden vom zentralen Nickelion<br />

verdrängt.<br />

Am Ende der Kette liegt der besonders stabile Ni-EDTA-Komplex in einer Lösung<br />

vor, die gleichzeitig durch die zuvor verwendeten Ligandmoleküle stark organisch<br />

belastet ist. Die Rückgewinnung von Nickelchlorid ist experimentell anspruchsvoll,<br />

verlangt sorgfältiges Arbeiten und vermittelt gleichzeitig Grundregeln <strong>des</strong> Recyclings<br />

und der Abwassertechnik (s. Abb. 9).<br />

[Ni(H 2 O) 6 ]Cl 2<br />

NH 3<br />

[Ni(NH 3 ) 6 ] 2+<br />

C 2 O 4<br />

2−<br />

[NiC 2 O 4 ⋅ 2 H 2 O] n<br />

H 2 NCH 2 COO −<br />

Ni(H 2 NCH 2 COO) 2<br />

acac −<br />

Ni(acac) 2 ⋅ 2 H 2 O<br />

dmglH −<br />

Ni(dmglH) 2<br />

EDTA<br />

[NiEDTA] 2−<br />

Abb. 8: Komplexchemie <strong>des</strong> Nickels in einer Versuchskette


32<br />

Die Nickelkomplexlösung wird mit Schwefelsäure angesäuert. Dabei werden die<br />

Liganden protoniert und verlieren die Fähigkeit, sich an das Übergangsmetallion zu<br />

binden. Dies ist optisch daran zu erkennen, dass die angesäuerte Reaktionsmischung die<br />

für Hexaquonickelchlorid typische giftgrüne Farbe annimmt. Einige der protonierten<br />

Ligandmoleküle sind schlecht löslich, z. B. H 4 EDTA und Diacetyldioxim, und fallen als<br />

Feststoffe aus. Andere bleiben gelöst, z. B. Glycin und Oxalsäure. Acetylaceton ist<br />

flüssig, mit Wasser nicht mischbar und bildet daher auf der Oberfläche einen öligen<br />

Film. Durch Filtration gelingt bereits die Abtrennung einiger der organischen Stoffe.<br />

Durch Zusatz von Aktivkohle ist eine weitere Reinigung <strong>des</strong> Filtrats möglich. Einige der<br />

gelösten Organika werden an der Kohlenoberfläche adsorbiert und mit dieser abfiltriert.<br />

Zusatz von Aktivkohle und H 2 O 2 (Kombination von Adsorption und oxidativer<br />

Zerstörung von Wasserinhaltsstoffen), Aufkochen und Filtration führen zu einer<br />

Nickelchloridlösung, die frei von organischen Ligandmolekülen ist. Aus dieser kann<br />

Ni(OH) 2 ausgefällt und mit Salzsäure in NiCl 2 rückverwandelt werden, womit der<br />

Synthesekreislauf geschlossen ist.<br />

NiEDTA 2− H 2 SO 4<br />

+ NiSO 4 + protonierte Ligandmoleküle<br />

diverse Ligandmoleküle<br />

1. Abfiltrieren<br />

2. Adsorption an Aktivkohle<br />

3. Oxidative Zerstörung mit H 2 O 2<br />

4. Fällen von Ni(OH) 2<br />

HCl<br />

Abb. 9: Recycling von Nickelchlorid<br />

NiCl 2<br />

Ein weiterer Versuchszyklus (s. Abb. 10) zur Nickel-Chemie beginnt mit der<br />

Reaktion von Nickelchlorid mit Ammoniak. Das tiefblaue Produkt wird isoliert, durch<br />

komplexometrische oder gravimetrische Bestimmung seines Ni- und durch<br />

acidimetrische Bestimmung seines NH 3 -Gehaltes charakterisiert und dann mit<br />

Natronlauge zu Nickelhydroxid verkocht. Dabei frei werden<strong>des</strong> Ammoniakgas wird in<br />

Schwefelsäure aufgefangen, so dass eine Emission in die Luft vermieden wird<br />

(Umweltschutz durch Abgaswäsche). Da die in den Waschflaschen vorgelegte<br />

überschüssige Menge an H 2 SO 4 bekannt ist, kann durch Rücktitration bestätigt werden,<br />

dass die theoretisch zu erwartende Menge Ammoniak auch tatsächlich freigesetzt und<br />

danach absorbiert wurde.<br />

Das Nickelhydroxid lässt sich mit Säure problemlos in gängige Nickelsalze<br />

überführen. Mit Salzsäure wird das anfangs eingesetzte Nickelchlorid direkt recycelt.<br />

Im Praktikum ist es empfehlenswert, das Ni(OH) 2 zunächst mit Essigsäure in<br />

Nickelacetat umzuwandeln und aus diesem dann mit Salzsäure Nickelchlorid zu<br />

generieren. Durch diese Vorgehensweise wird das Reaktionsprinzip verdeutlicht, dass<br />

eine stärkere Säure (hier HCl) eine schwächere (hier HAc) aus ihrem Salz verdrängen<br />

kann.


33<br />

NH 3<br />

NiCl 2 [Ni(NH 3 ) 6 ]Cl 2<br />

HCl<br />

NaOH<br />

HAc<br />

NiAc 2 Ni(OH) 2<br />

+<br />

6 NH 3 Absorption in Schwefelsäure<br />

( → (NH 4 ) 2 SO 4 )<br />

Abb. 10: Geschlossener Synthesekreislauf zur Chemie <strong>des</strong> Nickels unter Berücksichtigung der<br />

Luftreinhaltung durch Gaswäsche<br />

Chemie <strong>des</strong> Kupfers: Die in Abbildung 11 gezeigte Versuchskette zur Komplexchemie<br />

<strong>des</strong> Kupfers beginnt mit der Umsetzung von Kupfervitriol mit Ammoniak zum<br />

tiefblauen, quadratisch planar aufgebauten Kupfertetrammin-Komplex. Die Reaktionslösung<br />

wird anschließend mit Kaliumoxalat versetzt. Zwei der Chelatliganden verdrängen<br />

die vier Amine vom zentralen Kupferion und ein türkisblauer Komplex fällt<br />

aus. Zugabe von Glycin liefert eine blaßblaue Kupferglycinatlösung. Bei dieser Reaktion<br />

wird das zweizähnige Oxalat gegen das ebenfalls zweizähnige, aber wegen seiner<br />

Aminfunktion stärker basische Glycinat ausgetauscht. Acetylacetonat fällt das Kupfer<br />

aus der Komplexlösung wieder aus. Triebkraft dieser Reaktion ist die Ausbildung von<br />

resonanzstabilisierten Sechsringmetallacyclen im resultierenden Kupferbisacetylacetonat.<br />

Mit EDTA kann das Kupfer schließlich unter Ausnutzung <strong>des</strong> Chelateffektes<br />

als CuEDTA 2− in Lösung gebracht werden.<br />

CuSO 4 ⋅ 5 H 2 O<br />

NH 3<br />

[Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />

C 2 O 4<br />

2−<br />

1. HNO 3<br />

2. NaOH [Cu(C 2 O 4 ) 2 ] 2−<br />

3. H 2 SO 4<br />

H 2 NCH 2 COO −<br />

Cu(H 2 NCH 2 COO) 2<br />

acac −<br />

Cu(acac) 2<br />

Cu<br />

Fe, Al oder Mg<br />

EDTA<br />

[CuEDTA] 2−<br />

Abb. 11: Komplexchemie <strong>des</strong> Kupfers in einer Versuchskette und Recycling von Kupfervitriol


34<br />

In dieser Eintopf-Versuchskette tauchen die gleichen komplexchemischen<br />

Elementar-reaktionen auf wie in der oben beschriebenen Nickel-Kette. Wie dort reicht<br />

eine geringe Stoffmenge aus, und es entstehen keine Verluste.<br />

Die Rückgewinnung von Kupfervitriol aus CuEDTA 2− kann in direkter Anlehnung<br />

an die von NiCl 2 ⋅6H 2 O aus NiEDTA 2− erfolgen: Ansäuern der Komplexlösung,<br />

Abfiltrieren, Adsorbieren und oxidatives Zerstören der protonierten Ligandmoleküle,<br />

danach Ausfällen von Cu(OH) 2 und Lösen mit Schwefelsäure zu CuSO 4 . Um das<br />

Praktikum methodisch zu erweitern, ist es aber sinnvoller, einen anderen Recyclingweg<br />

einzuschlagen, der über die Zementation von elementarem Kupfer als Zwischenprodukt<br />

verläuft.<br />

Die CuEDTA 2− -Lösung kann z.B. angesäuert, von ausgefallenen protonierten<br />

Ligandmolekülen durch Filtration befreit und dann mit Eisenpulver versetzt werden. Das<br />

unedle Eisen reduziert das zweiwertige Kupfer zum nullwertigen und wird im Gegenzug<br />

selbst oxidiert (Fe + Cu 2+ → Fe 2+ + Cu).<br />

Praktischer ist es, die Zementation direkt in der stark alkalischen Komplexlösung<br />

durchzuführen. Dazu eignet sich das unedle Metall Aluminium.<br />

In beiden Fällen werden die giftigen Kupferionen in der Lösung gegen ungiftigere<br />

Metallionen (Fe 2+/3+ , Al 3+ ) ausgetauscht, so dass das kupferfreie Filtrat verworfen<br />

werden kann. Gleichzeitig wird mittels eines billigen Metalls das wertvollere Halbedelmetall<br />

Kupfer gewonnen. Die Vorgehensweise kommt also Ökologie und Ökonomie<br />

gleichermaßen zugute.<br />

Das gewonnene Kupfer kann mit Salpetersäure oxidiert, dann mit Natronlauge als<br />

Cu(OH) 2 gefällt und dieses mit Schwefelsäure zu CuSO 4 gelöst und als Kupfervitriol<br />

kristallisiert werden, womit der Versuchszyklus geschlossen ist.<br />

Eine repräsentative Chemie <strong>des</strong> Kupfers kann z. B. auch anhand der folgenden<br />

Einzelversuche vermittelt werden:<br />

CuSO 4<br />

CuSO 4<br />

NH ⎯⎯⎯→ 3<br />

[Cu(NH3) 4 ]SO 4 Cu-Nachweisreaktion<br />

K CO<br />

2 2 4<br />

⎯⎯⎯⎯→<br />

K 2 [Cu(C 2 O 4 ) 2 ]<br />

Chelatkomplex<br />

CuSO 4 ⎯<br />

Fe<br />

⎯→<br />

Cu Zementation<br />

CuSO 4<br />

⎯⎯⎯⎯<br />

KOCN<br />

→ K[Cu(OCN) 3] Doppelsalz<br />

CuSO 4 ⎯<br />

Cu<br />

⎯→<br />

CuCl Komproportionierung.<br />

Nachteilig bei der Durchführung dieser fünf Experimente ist, dass fünfmal Kupfervitriol,<br />

also eine recht große Menge, als Ausgangsstoff verbraucht wird und fünf Produkte mit<br />

fünf Mutterlaugen entstehen, für die es im Praktikum kaum Verwendung gibt, so dass<br />

eine Entsorgung als Sondermüll unumgänglich ist.<br />

Wenn man die Einzelversuche jedoch zu einem Netzwerk verknüpft, bei dem das<br />

Produkt <strong>des</strong> ersten Versuchs gleichzeitig Edukt <strong>des</strong> zweiten Versuchs, usw. ist, kann<br />

Kupfervitriol gespart und die Abfallmengen können erheblich reduziert werden, so dass<br />

das Praktikum insgesamt umweltgerechter und kostengünstiger wird. In Abbildung 12<br />

ist ein geschlossener Synthesekreislauf ohne Kupferabfälle gezeigt.


35<br />

CuSO 4<br />

NH 3<br />

[Cu(NH 3 ) 4 ]SO 4 + ML<br />

KOCN K 2 C 2 O 4<br />

KCu(OCN) 3<br />

K 2 [Cu(C 2 O 4 ) 2 ] + ML<br />

HCl<br />

∆T<br />

2 4<br />

CuCl 2 CuO + K 2 CO 3<br />

O CuO<br />

1. (RO) 2 POH<br />

2. H 2 SO 4 NaOH HCl<br />

CuCl 2 CuCl 2<br />

CuCl 2 + KCl<br />

HCl<br />

O 2 O 2 Fe<br />

Fe<br />

ML + CuCl<br />

Cu<br />

+<br />

Fe 2+ 1. H 2 O 2<br />

2. Naacac<br />

Fe(acac) 3<br />

Abb. 12: Geschlossener Synthesekreislauf zur Chemie <strong>des</strong> Kupfers,<br />

ML = Mutterlauge, = isolierte Präparate<br />

Cp 2 Fe<br />

NaC 5 H 5<br />

Kupfersulfat reagiert mit Ammoniak zum tiefblauen Kupfertetrammin-Komplex.<br />

Die Verbindung wird isoliert und mit Kaliumoxalat in türkisblaues Kaliumoxalatocuprat<br />

übergeführt, durch Weiterverwendung also sinnvoll „entsorgt“. Bei der Reaktion<br />

verdrängt ein zweizähniges Ligandmolekül (Oxalat) zwei einzähnige Liganden (NH 3 )<br />

vom Zentralatom.<br />

Der Oxalatokomplex wird anschließend zu Kupferoxid, Pottasche, Kohlendioxid<br />

und Wasser pyrolysiert. Die Vollständigkeit der Zersetzung lässt sich über die Gewichtabnahme<br />

kontrollieren. Der Tiegelrückstand löst sich in Salzsäure zu Kupfer- und<br />

Kaliumchlorid, CO 2 wird ausgetrieben. Durch Zugabe von Eisenpulver wird elementares<br />

Kupfer zementiert. Hier wird eine Reaktion vorgestellt, die auch bei der technischen<br />

Kupfer-Gewinnung von großer Bedeutung ist.<br />

Die Mutterlaugen der Kupfertetrammin- und Oxalatocuprat-Synthesen werden<br />

ebenfalls mit Eisen behandelt, so dass eine zweite (kleinere) Fraktion Kupfer erhalten<br />

wird. Die Filtrate der Kupfergewinnung enthalten nur noch ungiftige Eisenionen und<br />

können bedenkenlos in den Ausguss gegeben werden. Sie können aber auch nach


36<br />

Zugabe von Wasserstoffperoxid (um das Eisen vollständig in die dreiwertige Stufe zu<br />

bringen) mit Acetylaceton und Natronlauge versetzt werden, um Eisentrisacetylacetonat<br />

als Ausgangsstoff für beispielsweise die Ferrocen-Synthese zu gewinnen und damit eine<br />

Querbeziehung zu der zuvor beschriebenen Eisenchemie herzustellen.<br />

Das durch Zementation erhaltene Kupfer wird mit zweiwertigem Kupfer zu<br />

einwertigem komproportioniert und als CuCl gefällt. Die Cu 2+ -Ionen kommen von dem<br />

zweiten Gleis <strong>des</strong> in Abb. 12 gezeigten Zyklus. Hier wird Kupfervitriol mit<br />

Kaliumcyanat versetzt, wobei das Doppelsalz KCu(OCN) 3 auskristallisiert. Dieses wird<br />

nach Isolierung in seine Mutterlauge zurückgegeben und mit Salzsäure zu Kupfer-,<br />

Kalium- und Ammoniumchlorid und CO 2 hydrolysiert. Der Reaktion liegt das Prinzip<br />

zugrunde, dass eine starke Säure (HCl) eine schwächere (HOCN) aus ihrem Salz zu<br />

verdrängen vermag.<br />

Um das bei der anschließenden CuCl-Synthese (s. auch 2.4.2) störende<br />

Ammoniumchlorid abzutrennen, wird die Reaktionslösung mit Natronlauge gekocht,<br />

wobei schwarzes CuO ausfällt. Dieses wird mit Salzsäure zu CuCl 2 gelöst und dann mit<br />

dem Kupfer aus den ersten Versuchen versetzt.<br />

CuCl ist eine repräsentative Verbindung <strong>des</strong> einwertigen Kupfers (d 10 -System) mit<br />

Zinkblen<strong>des</strong>truktur. Sie lässt sich nach verschiedenen Methoden in Kupfervitriol<br />

zurückführen (s. 2.7.1), womit der Kreislauf geschlossen ist.<br />

Chemie <strong>des</strong> Cobalts: Die Synthesen von Thénards Blau (vgl. 2.4.1) und Rinmanns<br />

Grün sind in ein größeres Netzwerk integriert, das in Abbildung 13 gezeigt ist.<br />

Die Spinelle werden aus Cobaltchlorid oder -nitrat und Aluminium- und Zinkresten<br />

aus anderen Praktikumversuchen hergestellt. Dies sind entweder Kalialaun, ein zuvor<br />

aus Aluminium- und Kaliumsulfat kristallisiertes Doppelsalz, oder Aluminiumreste aus<br />

Friedel-Crafts-Reaktionen bzw. Zinkreste aus Clemmensen-Reduktionen, die im<br />

organischen Praktikum als Nebenprodukte anfallen (s. 2.6.3).<br />

Durch Verknüpfen der Stoffflüsse zweier verschiedener Praktika bleiben dem<br />

OC-Praktikum Entsorgungskosten erspart und das AC-Praktikum braucht keine<br />

Aluminium- und Zinksalze zu kaufen. Gleichzeitig profitiert die Umwelt, da Reste als<br />

Wertstoffe weiterverwendet werden und nicht als Abfälle entsorgt zu werden brauchen.<br />

Aus der Kalialaunlösung wird durch zugesetzte Base Aluminiumhydroxid<br />

ausgefällt. Ebenso kann aus der stark sauren aluminiumhaltigen wässrigen Phase der<br />

Aufarbeitung von Alkylierungs- oder Acylierungsreaktionen nach Friedel-Crafts<br />

Al(OH) 3 ausgefällt werden. Dieses ist aufgrund adsorbierter organischer Stoffe stark<br />

verunreinigt und dunkel gefärbt. Die folgende Spinellsynthese wird aber nicht<br />

beeinträchtigt, da die Organika bei der hohen Reaktionstemperatur verbrennen.<br />

Durch Zugabe von Soda zu der stark salzsauren, zinkhaltigen wässrigen Phase von<br />

Clemmensen-Reduktionen wird basisches Zinkcarbonat ausgefällt.<br />

Das frisch gefällte Al(OH) 3 bzw. ZnCO 3 ist sehr feinteilig. Deshalb kann durch<br />

Versetzen <strong>des</strong> Schlamms mit einer Cobaltnitrat bzw. -chloridlösung eine sehr homogene<br />

Mischung erzeugt werden. Dies ist günstig, denn die folgende Spinellbildung ist - wie<br />

bereits in 2.4.1 erwähnt - eine diffusionskontrollierte Reaktion, die dann besonders zügig<br />

abläuft, wenn die Ausgangsstoffe gut gemischt sind. Nach dem Trocknen der feuchten<br />

Massen und anschließendem Erhitzen auf ca. 1000 °C (CoAl 2 O 4 ) bzw. 600 °C<br />

(ZnCo 2 O 4 ) resultieren Pigmente, deren Ausbeute und Qualität deutlich besser ist, als<br />

wenn festes Cobalt- mit festem Aluminium- bzw. Zinksalz verrieben und die Mischung<br />

dann erhitzt wird.


37<br />

Clemmensen-Reduktionen Friedel-Crafts-Reaktionen K 2 SO 4 + Al 2 (SO 4 ) 3<br />

Zn 2+ -Reste Al 3+ -Reste KAl(SO 4 ) 2<br />

Na 2 CO 3<br />

NH 3<br />

ZnCO 3 Al(OH) 3<br />

CoCl 2 ∆ T ∆ T Co(NO 3 ) 2<br />

ZnCo 2 O 4 CoAl 2 O 4<br />

KHSO 4 -Schmelze<br />

Co 2+ /Zn 2+ /Al 3+ - Sulfate<br />

HCl<br />

NaOH<br />

Co(OH) 2<br />

1. HCl, NaAc<br />

2. KNO 2<br />

NaOH<br />

Co(OH) 2 K 3 [Co(NO 2 ) 6 ]<br />

Abb. 13: Cobalt-Spinelle, integriert in ein Synthese-Netzwerk<br />

Die Spinelle sind in Wasser unlöslich, können aber in einer KHSO 4 -Schmelze<br />

aufgeschlossen werden (vgl. „saurer Aufschluss“ in der qualitativen Analyse). Es<br />

resultiert eine wasserlösliche Mischung der Metallsulfate, aus der Co(OH) 2 durch<br />

Zugabe überschüssiger Natronlauge ausgefällt werden kann. Aluminium- und Zinkionen<br />

bleiben im stark alkalischen Medium als [Al(OH) 4 ] − bzw. [Zn(OH) 4 ] 2− in Lösung. Das<br />

abgetrennte Co(OH) 2 wird im schwach sauren, acetatgepufferten Medium gelöst und mit<br />

Kaliumnitrit versetzt. Es bildet sich gelbes Hexanitrocobalt-(III)-at, das als Kaliumsalz<br />

schwerlöslich ist. Mit Natronlauge kann es zu Co(OH) 2 verkocht werden, aus dem sich<br />

mit Salzsäure Cobaltchlorid recyclieren lässt, womit der Cobalt-Kreislauf geschlossen<br />

ist.


38<br />

Chemie <strong>des</strong> Zinns: Je weiter ein Element im Periodensystem unten steht, <strong>des</strong>to stärker<br />

ist sein metallischer Charakter ausgeprägt und <strong>des</strong>to mehr nimmt eine niedrigere<br />

Wertigkeit als die übliche Gruppenwertigkeit an Bedeutung zu. Dieser Lehrsatz wird<br />

beim Übergang vom Silizium zum Zinn deutlich. Die im folgenden vorgestellte Sn-<br />

Chemie spiegelt sowohl den metallischen ( Sn, SnCl 2 , SnI 2 , Sn-Komplexe) als auch<br />

nichtmetallischen (SnO 2 , SnCl 4 , SnI 4 ) Charakter <strong>des</strong> Elements wider.<br />

Besonders geeignet sind die Versuchsketten<br />

Sn → SnCl 2 ⋅ 2 H 2 O → SnCl 2 → SnCl 4 → Sn-(IV)-Komplex<br />

und<br />

Sn → SnI 2 → SnI 4 → Sn-(IV)-Komplex.<br />

Zinnpulver wird mit Salzsäure zu Wasserstoff und SnCl 2 umgesetzt, welches als<br />

Dihydrat kristallisiert. Das Kristallwasser lässt sich durch Reaktion mit Essigsäureanhydrid<br />

entfernen. Das wasserfreie feste SnCl 2 wird mit Chlor in flüssiges SnCl 4<br />

übergeführt. Hier lernen die Studierenden nicht nur, wie das Zinn mit dem Wertigkeitwechsel<br />

von zwei nach vier nichtmetallische Eigenschaften annimmt, sondern auch den<br />

fachgerechten Umgang mit dem Giftgas Chlor, insbesondere die Absorption <strong>des</strong> Chlor-<br />

Überschusses in Natronlauge und die anschließende Reduktion <strong>des</strong> entstandenen<br />

Hypochlorits mit H 2 O 2 . Dem <strong>des</strong>tillierten SnCl 4 werden abschließend basische<br />

Reaktionspartner angeboten (THF, Oxalat, Chlorid, Hydroxid), so dass<br />

Oktaederkomplexe <strong>des</strong> vierwertigen Zinns resultieren.<br />

Ähnlich wird Zinnpulver im salzsauren Medium mit Iod zunächst zu gelbem SnI 2 ,<br />

dieses mit weiterem Iod zu orangefarbenem SnI 4 oxidiert. Auch aus diesem Stoff lassen<br />

sich Oktaederkomplexe <strong>des</strong> vierwertigen Zinns gewinnen.<br />

Diese werden gesammelt und gemeinsam mehrfach mit Salpetersäure abgeraucht<br />

und dadurch in Zinnstein übergeführt. Wässrige Mutterlaugen werden ebenfalls mit<br />

HNO 3 gekocht, wobei weiterer Zinnstein anfällt. Aus diesem kann abschließend<br />

carbothermisch elementares Zinn erzeugt werden, womit der Kreislauf geschlossen ist<br />

(s. Abb. 14).


39<br />

HCl Ac 2 O Cl 2<br />

SnCl 2 ⋅ 2 H 2 O SnCl 2<br />

C HNO 3 K 2 C 2 O 4<br />

SnO 2 K 2 [Sn(C 2 O 4 ) 3 ]<br />

I 2 /HCl I 2 KCl KCl THF<br />

Sn SnI 2 SnI 4 K 2 [SnCl 6 ] SnCl 4 ⋅ 2 THF SnCl 4<br />

KCl<br />

I 2 /HAc NaOH NaOH<br />

Na 2 [Sn(OH) 6 ]<br />

Ac 2 O<br />

NaOH/H 2 O 2<br />

Cl 2<br />

käuflich erhältliche Stoffe<br />

Abb. 16: Versuche zur Chemie <strong>des</strong> Zinns<br />

2.6.1.2 Versuche für den Schulunterricht [26]<br />

Das Darstellen und Denken in Kreisprozessen spielt im Schulunterricht eine genauso<br />

große Rolle wie in der chemischen Berufsausbildung. Die oben beschriebenen<br />

Versuchsketten und Zyklen sind für den Schulunterricht präparativ zu anspruchsvoll und<br />

zeitaufwendig. Deshalb werden im folgenden stark vereinfache Kreisprozesse<br />

vorgeschlagen, die von Schüler selbst bearbeitet oder vom Lehrer im Reagenzglas in<br />

weniger als einer Viertelstunde vorgeführt werden können.<br />

Eisen-Chemie: In Abbildung 15 ist gezeigt, wie eine repräsentative Chemie <strong>des</strong> Eisens<br />

(Oxidation- und Reduktionsverhalten, Fällungsreaktionen und Bildung verschiedener<br />

Salze) zu einem Netzwerk verknüpft werden kann.<br />

Die Schüler versetzen eine blassgrüne FeSO 4 -Lösung mit H 2 O 2 und beobachten<br />

dabei eine Farbvertiefung nach gelb, die auf die Oxidation <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens zum<br />

dreiwertigen zurückzuführen ist. Zusatz von NaOH bewirkt die Ausfällung von braunem<br />

Fe(OH) 3 . Tropfen die Schüler die Natronlauge hingegen direkt in die FeSO 4 -Ausgangslösung,<br />

so erkennen sie die Bildung <strong>des</strong> blaugrünen Hydroxids <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens.<br />

Die erhaltene Suspension färbt sich nach Zugabe von H 2 O 2 braun, ein sicheres Indiz<br />

dafür, dass erneut eine Oxidation <strong>des</strong> zweiwertigen Eisens stattgefunden hat. Die<br />

Schüler isolieren den Fe(OH) 3 -Niederschlag, verteilen ihn auf drei Bechergläser und


40<br />

erproben, wie sich aus ihm mit verschiedenen Mineralsäuren (HNO 3 , HCl, H 2 SO 4 )<br />

unterschiedliche Salze <strong>des</strong> dreiwertigen Eisens (Fe(NO 3 ) 3 , FeCl 3 , Fe 2 (SO 4 ) 3 ) herstellen<br />

lassen. Die Eisennitrat- und -chlorid-Lösung dampfen sie ein und gewinnen die<br />

entsprechenden Feststoffe. Die Eisen(III)-sulfat-Lösung versetzen sie mit Schwefliger<br />

Säure, die das dreiwertige Eisen zum zweiwertigen reduziert, was für die Schüler allein<br />

schon dadurch sichtbar wird, dass die Reaktionslösung die Farbe der ursprünglich<br />

eingesetzten FeSO 4 -Lösung annimmt. Der Synthesekreislauf ist damit geschlossen, die<br />

FeSO 4 -Lösung wird vom Lehrer aufbewahrt und kann später weiterverwendet werden.<br />

Vorteilhaft bei diesem Versuch ist, dass im Falle von experimentellen Fehlern, z. B.<br />

Verschütten von Lösungen, die ökologisch unproblematischen Reste bedenkenlos<br />

weggespült werden können.<br />

FeSO 4<br />

SO 2 H 2 O 2 NaOH<br />

Fe 2 (SO 4 ) 3 Fe(OH) 2<br />

H 2 SO 4 NaOH H 2 O 2<br />

Fe(OH) 3<br />

HNO 3<br />

HCl<br />

Fe(NO 3 ) 3 FeCl 3<br />

Abb. 15: Versuche zur Eisen-Chemie<br />

Calcium-Chemie: Die Schüler versetzen eine Calciumchlorid- mit einer Kaliumoxalat-<br />

Lösung und fällen dadurch schwerlösliches Calciumoxalat aus. In diesem Experiment<br />

lernen sie eine für die qualitative und quantitative Analyse von Calcium wichtige<br />

Nachweisreaktion kennen. Der weiße Niederschlag wird in einem Tiegel stark erhitzt.<br />

Eine kleine Menge <strong>des</strong> Pyrolyserückstands setzt beim Zutropfen von Salzsäure ein Gas<br />

frei, das in Barytwasser eingeleitet einen charakteristischen weißen Niederschlag<br />

erzeugt, womit den Schülern bewiesen wird, dass das Calciumoxalat beim Erhitzen in<br />

Kalkstein übergegangen ist. Das restliche CaCO 3 wird mit HCl vollständig in Lösung<br />

gebracht, aus der nach dem Eindampfen wiederverwertbares CaCl 2 auskristallisiert (s.<br />

Abb. 16).<br />

K 2 C 2 O 4<br />

CaCl 2 CaC 2 O 4<br />

HCl<br />

∆T<br />

CaCO 3<br />

Abb. 2: Kreislauf zur Calcium-Chemie


41<br />

Kupfer-Chemie: Eine Kupfersulfat-Lösung wird bei Zugabe von Ammoniak tiefblau.<br />

Der bekannte Tetramminkupfer-Komplex lässt sich sowohl mit Schwefelsäure, als auch<br />

mit Natronlauge zerstören. Im ersten Fall werden die Ligandmoleküle protoniert und<br />

verlieren damit ihre Fähigkeit, sich an das Übergangsmetall anzulagern. Die<br />

Reaktionslösung hat wieder die Farbe der Ausgangslösung. Im zweiten Fall verdrängen<br />

OH - -Ionen die weniger basischen NH 3 -Moleküle und blassblaues Cu(OH) 2 fällt aus, das<br />

beim Erhitzen zu schwarzem CuO entwässert wird. Die Reaktionslösungen werden von<br />

den Schülern folgendermaßen aufbereitet: Die schwefelsaure und ammoniumsulfathaltige<br />

CuSO 4 -Lösung wird mit Eisenpulver versetzt, welches das zweiwertige Kupfer<br />

zum nullwertigen reduziert, was an der Bildung von Kupfer-Flocken deutlich zu<br />

erkennen ist. Diese werden abfiltriert, das kupferfreie Filtrat wird verworfen. Bei der<br />

anschließenden Behandlung <strong>des</strong> Kupfers mit Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid<br />

entsteht wieder eine CuSO 4 -Lösung mit ihrer charakteristischen Farbe. Das schwarze<br />

CuO wird ebenfalls abfiltriert und geht mit Schwefelsäure direkt als CuSO 4 in Lösung.<br />

Beide Versuchszyklen sind damit geschlossen (s. Abb. 17).<br />

H 2 SO 4 /H 2 O 2 H 2 SO 4<br />

Cu CuSO 4 CuO<br />

Fe NH 3 ∆T<br />

H 2 SO 4<br />

NaOH<br />

CuSO 4 [Cu(NH 3 ) 4 ]SO 4 Cu(OH) 2<br />

Abb. 17: Kreisläufe zur Kupfer-Chemie<br />

2.6.2 Chemie rund um die Benzoesäure [27]<br />

Etwa zeitgleich zu den Entwicklungsarbeiten an der Fachhochschule Darmstadt wurde<br />

im Ausbildungslaboratorium für Chemielaboranten der Firma Boehringer Mannheim ein<br />

abfallreduziertes organisches Praktikum „Rubenz“ (Rund um die Benzoesäure)<br />

konzipiert. Der Name drückt aus, dass die Benzoesäure, ein technisch wichtiges<br />

Zwischenprodukt und Konservierungsmittel, die zentrale Verbindung dieses Praktikums<br />

darstellt, die entweder synthetisiert wird oder als Ausgangssubstanz für weitere<br />

Synthesen dient, so dass viele Stoffe im Kreis geführt und daher Chemikalien und<br />

Kosten gespart sowie Abfälle vermieden werden (s. Abb. 18).


42<br />

CHO<br />

CH 2 OH<br />

NaOH<br />

COCl<br />

K 2 CO 3<br />

KMnO4<br />

SOCl 2 NH3<br />

NH 3<br />

CH 2 Cl CO 2 H CN<br />

CONH 2<br />

NaOH<br />

PCl 5<br />

KMnO 4<br />

SO CH 3 OH/H 2 SO 2 Cl 2 /AIBN<br />

4<br />

NaOH<br />

CH 3 COCH 3<br />

1. Mg<br />

2. CO 2<br />

Br<br />

Br 2 /Fe<br />

HNO 3 /<br />

1. NaNO 2<br />

H 2 SO 4 2. CuBr<br />

NO 2 NH 2<br />

Fe/HCl<br />

Abb. 18: Chemie rund um die Benzoesäure<br />

Organisatorisch läuft das Praktikum folgendermaßen ab: Ein Auszubildender führt z.<br />

B. die Seitenkettenoxidation von Toluen durch und gibt die so präparierte Benzoesäure<br />

zum Testat ab. Nach Reinheitskontrolle wird das Produkt für einen Folgeversuch,<br />

beispielsweise eine Veresterung, freigegeben. Aus dem resultierenden Benzoesäureester<br />

kann ein anderer Schüler dann durch Verseifung die Säure recyceln. Organische<br />

Lösemittel werden <strong>des</strong>tillativ zurückgewonnen, Abwässer entsprechend ihren<br />

Inhaltsstoffen an Ende einer Praktikumwoche gruppenweise aufbereitet. Dafür ist<br />

ausreichend Praktikumzeit reserviert.<br />

Die Richtlinien für die Chemielaborantenausbildung werden in Hinblick auf<br />

praktische und theoretische Lerninhalte voll erfüllt. Auch die darin vorgeschriebene<br />

Reaktions-sequenz Benzen → Nitrobenzen → Anilin, die vor allem den korrekten<br />

Umgang mit Giftstoffen vermitteln soll, lässt sich an das Kreiskonzept anbinden, indem<br />

Anilin durch eine Sandmeyer-Reaktion in Brombenzen und dieses in die Grignard-<br />

Verbindung Phenlymagnesiumbromid übergeführt wird, welche abschließend mit<br />

Kohlenstoffdioxid Benzoesäure liefert.<br />

Kreisprozesse funktionieren naturgemäß nur dann, wenn die Ausbeuten der<br />

Einzelreaktionen hoch und die Anteile unerwünschter Nebenprodukte minimal sind.<br />

Einige der in Abbildung 18 vorgeschlagenen Teilreaktionen liefen in dieser Hinsicht<br />

noch nicht zufriedenstellend. Hier setzte eine mit der Fachhochschule Darmstadt<br />

gemeinsam durchgeführte Diplomarbeit an, in der die Einzelschritte systematisch<br />

verbessert wurden. Gesichtspunkte der Luft- und Wasserreinhaltung wurden ebenfalls


43<br />

berücksichtigt. Weiterhin wurden die Auszubildenden beim Arbeiten beobachtet, um<br />

typische Experimentierfehler zu erkennen und diese bei der Formulierung optimaler<br />

Versuchsvorschriften zu berücksichtigen.<br />

Zwei für die Auszubildenden besonders lehreiche Verbesserungen sind im<br />

folgenden beschrieben.<br />

Benzonitril wird im Praktikum durch Dehydratisierung von Benzoesäureamid mit<br />

Phosphor(V)-chlorid hergestellt. Eine hohe Ausbeute (ca. 80 %) erreicht man nur, wenn<br />

man auf eine gute Durchmischung der Ausgangsstoffe achtet (darauf wurde in der<br />

Vorschrift explizit hingewiesen!) und das entstehende Benzonitril kontinuierlich aus<br />

dem Reaktionskolben ab<strong>des</strong>tilliert, um dadurch das Gleichgewicht der Reaktion in<br />

Richtung <strong>des</strong> Wunschproduktes zu verschieben. Der entstehende Chlorwasserstoff wird<br />

durch Einleiten in Natronlauge unschädlich gemacht.<br />

Bei der Sandmeyer-Synthese von Brombenzen aus Anilin verdienen die <strong>des</strong>tillative<br />

Gewinnung <strong>des</strong> Produktes und die Abwasserbehandlung Aufmerksamkeit. Es wurde<br />

häufig beobachtet, dass die Schüler beim Austreiben <strong>des</strong> Produktes aus dem Reaktionskolben<br />

mit Wasserdampf den Gasstrom viel zu hoch einstellen, so dass die Leistung <strong>des</strong><br />

Kühlers nicht ausreicht, um den gesamten Dampf zu kondensieren. Folglich gelangt ein<br />

Großteil - von den Auszubildenden unbemerkt - über die Vorlage hinaus in den Abzug.<br />

Dies bedeutet nicht nur einen Ausbeuteverlust, sondern auch eine erhebliche<br />

Abluftbelastung. Durch Einsatz eines effektiveren Kühlers und vor allen die Angabe<br />

eines definierten Wasserdampfstromes in der Versuchsanleitung konnten diese Probleme<br />

weitgehend beseitigt werden. Der wässrige Rest aus dem Versuch ist kupferhaltig und<br />

stark mit bromorganischen Verbindungen belastet. Durch Zusatz von Kalkmilch oder<br />

Natronlauge wird das Kupfer als Hydroxid ausgefällt. Der Cu-Gehalt <strong>des</strong> Filtrates liegt<br />

unterhalb der erlaubten Einleitgrenze von 1 ppm (vgl. 2.6.3). Durch weitere Behandlung<br />

mit Aktivkohle sowie Bestrahlung mit UV-Licht in Gegenwart <strong>des</strong> Fotohalbleiters<br />

Titandioxid gelingt es, auch den Gehalt an bromorganischen Verbindungen (AOX)<br />

soweit abzusenken, dass es vertretbar ist, den Versuchsrest in das firmeneigene<br />

Abwassernetz einzuspeisen. Mit der fotochemischen Abwasserreinigung erfährt das<br />

Praktikum eine interessante methodische und inhaltliche Bereicherung (vgl. 2.10.2.1).<br />

2.6.3 Aufbereitung anorganischer Reste aus der<br />

Organischen Synthese [28]<br />

Im organischen Praktikum werden zahlreiche anorganische Stoffe als Oxidations-,<br />

Reduktionsmittel oder Katalysatoren eingesetzt. Nach durchgeführter Reaktion werden<br />

die anorganischen Reste abfiltriert oder in einer sauren oder alkalischen wässrigen Phase<br />

gelöst und so von dem gewünschten organischen Syntheseprodukt abgetrennt.<br />

Die meisten Kochvorschriften geben keinerlei Hinweise darauf, was mit den<br />

anorganischen Resten geschehen soll. In der Regel erfolgt die Sammlung und<br />

Verbrennung als Sondermüll.<br />

In der industriellen organischen Chemie kommt dieses Vorgehen schon allein aus<br />

Umweltschutzgründen nicht in Frage. Außerdem ist in vielen Fällen der wirtschaftliche<br />

Anreiz groß, die anorganischen Nebenprodukte aufzuarbeiten und als Wertstoffe zu<br />

verkaufen.<br />

Sollten nicht daher auch bereits Chemiestudenten, die später verantwortungsvolle<br />

Aufgaben in der chemischen Industrie übernehmen werden, in den einführenden<br />

Praktika lernen, Stoffflüsse bei chemischen Reaktionen im Ganzen und Gesichtspunkte<br />

der Ökologie und Ökonomie gleichermaßen zu betrachten?<br />

Im folgenden wird beschrieben, wie anorganische Reste aus verschiedenen<br />

organischen Synthesen sinnvoll aufgearbeitet werden können.


44<br />

Chromhaltige Reste: Mit Chromsäure werden z. B. Alkohole zu Aldehyden oxidiert.<br />

Nach Abtrennung der organischen Produkte bleiben wässrige Phasen übrig, die<br />

Chrom(III)salze und unumgesetzte Chromsäure enthalten und die organisch belastet<br />

sind. Eine Aufbereitung dieser Abwässer auf wiederverwertbares Kaliumchromat ist<br />

einfach (s. Abb. 19). Zunächst wird mit Kalilauge alkalisiert und dann das dreiwertige<br />

Chrom mittels Wasserstoffperoxid zum sechswertigen oxidiert. Zugabe von Methanol<br />

zur Reaktionslösung bewirkt die Ausfällung von Kaliumchromat. Das isolierte Produkt<br />

wird im quantitativ-analytischen Praktikum einer Qualitätskontrolle unterzogen (s.<br />

2.7.4) und kann danach für eine neue Jones-Oxidation freigegeben werden.<br />

RCH 2 OH + CrO 3 ⎯ → Cr 3+ + RCHO<br />

H 2 SO 4 KOH / H 2 O 2<br />

K 2 CrO 4<br />

Abb. 19: Jones-Oxidation mit geschlossenem Chrom-Kreislauf<br />

Kupferhaltige Reste: Mit Hilfe von Kupfer(I)-chlorid, frisch bereitet aus CuSO 4 , NaCl<br />

uns Na 2 SO 3 , werden z.B. Diazoniumsalze aus aromatischen Aminen in die<br />

entsprechenden Chloride umgewandelt. Zur Aufbereitung der kupferhaltigen Wasserphase<br />

wird in diese zunächst Luft eingeblasen, um einwertiges Kupfer zu oxidieren.<br />

Eine Behandlung mit Aktivkohle ist sehr effektiv, um die zahlreichen organischen<br />

Nebenprodukte bei der Sandmeyer-Reaktion, die sich noch in der wässrigen Phase<br />

befinden, durch Adsorption zum größten Teil zu entfernen. Nach der Filtration erfolgt<br />

die Zementation <strong>des</strong> Kupfers mit Stahlwolle. Die Gewinnung von Kupfervitriol aus dem<br />

Rohkupfer (Oxidation mit HNO 3 , Fällen von Cu(OH) 2 , Lösen mit Schwefelsäure zu<br />

CuSO 4 , Kristallisation) ist eine präparativ reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe für das<br />

anorganische Praktikum. Nach abschließender Qualitätskontrolle (iodometrische<br />

Bestimmung <strong>des</strong> Kupfergehaltes) kann das recyclierte Kupfervitriol an das organische<br />

Praktikum für eine neue Sandmeyer-Reaktion zurückgegeben werden (s. Abb. 20).


45<br />

CuSO 4<br />

Na 2 SO 3<br />

HCl<br />

CuCl<br />

Sandmeyer-Reaktion<br />

1. HNO 3<br />

2. NaOH Cu + /Cu 2+ -Reste<br />

3. H 2 SO 4<br />

O 2<br />

Fe<br />

Cu Cu 2+<br />

Abb. 20: Aufbereitung von kupferhaltigen Resten aus Sandmeyer-Reaktionen<br />

Iodhaltige Reste: Bei einer Variante der Williamsonschen Ethersynthese wird ein<br />

Alkoholat mit einem Alkyliodid zur Reaktion gebracht. Nach Abtrennung <strong>des</strong><br />

gewünschten Ethers bleibt eine iodidhaltige wässrige Phase zurück. Hieraus kann nach<br />

Ansäuern mit Essigsäure und Oxidation mittels Wasserstoffperoxid elementares Iod<br />

abgeschieden und ohne weitere Reinigung bei einem erneuten Praktikumversuch für die<br />

Synthese <strong>des</strong> erforderlichen Alkyliodids benutzt werden (s. Abb. 21).<br />

RONa + R’I ⎯ → NaI + ROR’<br />

R’OH / P rot HOAc / H 2 O 2<br />

I 2<br />

Abb. 21: Williamsonsche Ethersynthese mit geschlossenem Iod-Kreislauf<br />

Aluminium- und zinkhaltige Reste (vgl. 2.6.1.1 und Abb. 13): Aluminiumhaltige<br />

wässrige Phasen liegen z.B. nach der Aufarbeitung von Friedel-Crafts-Reaktionen vor.<br />

Die Neutralisation bewirkt das Ausfällen von Aluminiumhydroxid, das durch<br />

adsorbierte organische Wasserinhaltsstoffe häufig dunkel gefärbt und in der organischen<br />

Synthese nicht mehr brauchbar ist. Eine Weiterverwertung im anorganischen Praktikum<br />

ist hingegen möglich. Vermischt mit Cobaltnitrat und im rotglühenden Tiegel erhitzt,<br />

entsteht das anorganische Pigment Thénards Blau . Durch diese Vorgehensweise wird<br />

im organischen Praktikum Abfall vermieden und im anorganischen Praktikum<br />

Ausgangsmaterial gespart.<br />

Analog kann aus zinkhaltigen Wasserphasen, von z.B. Clemmensen-Reduktionen,<br />

Zinkcarbonat gefällt und dieses mit Cobaltchlorid zu Rinmanns Grün pyrolysiert<br />

werden.<br />

Eisenhaltige Reste: Ein Paradebeispiel für einen industriellen Prozeß, bei dem das<br />

organische und anorganische Reaktionsprodukt gleichermaßen Bedeutung haben, ist das<br />

Béchamp-Verfahren der Anilinherstellung aus Nitrobenzen und Eisen. Dieses konnte<br />

sich lange Zeit nur <strong>des</strong>halb auf dem Markt behaupten, weil die eisenhaltigen Reste zu<br />

den wertvollen Pigmenten Fe 2 O 3 bzw. Fe 3 O 4 verglüht wurden. Auch in Praktikum lässt<br />

sich die zweigleisige Betrachtung der Reaktion realisieren. Nachdem das entstandene


46<br />

Anilin aus dem Reaktionskolben durch Wasserdampf<strong>des</strong>tillation ausgetrieben wurde,<br />

wird der Rückstand in Schwefelsäure aufgenommen und mit Aktivkohle und<br />

Wasserstoffperoxid gekocht, um zweiwertiges Eisen zu oxidieren und restliches<br />

Nitrobenzen und entstandene Nebenprodukte oxidativ zu zerstören bzw. zu adsorbieren.<br />

Aus dem Filtrat lässt sich durch Alkalisieren Eisen(III)-hydroxid ausfällen, das<br />

anschließend zum Rotpigment verglüht werden kann.<br />

Fe 2+ -haltige Reste<br />

H 2 O 2 / NaOH<br />

⎯⎯⎯⎯⎯→<br />

∆T<br />

Fe(OH) 3 ⎯⎯⎯⎯⎯→<br />

Fe2O 3<br />

2.7 Recycling<br />

2.7.1 Rückgewinnung anorganischer Grundchemikalien<br />

An mehreren Stellen zuvor wurde bereits darauf hingewiesen, dass in Chemiepraktika<br />

Präparate, die am Ende von Kettenversuchen resultieren, in gängige Ausgangschemikalien<br />

zurückverwandelt werden können. Ein grundsätzlicher Wert dieser Vorgehensweise<br />

ist, dass den Studierenden Methoden <strong>des</strong> in Industrie und täglichem Leben<br />

zunehmend wichtigen Recyclings vorgestellt werden. Die Recyclingverfahren müssen<br />

aber mit einem vertretbaren Zeit- und Energieaufwand durchführbar sein und die<br />

gewünschten Produkte in guter Ausbeute und Qualität liefern. Weiterhin muss jede<br />

Recycling-Aufgabe für die Auszubildenden in theoretischer und/oder praktischer<br />

Hinsicht lehrreich sein.<br />

Am Beispiel der Rückgewinnung von Kupfervitriol wird hier verdeutlicht, wie<br />

vielseitig und interessant Recycling sein kann. Am Beispiel der Rückgewinnung von<br />

Cobalt(II)-chlorid aus sehr stabilen Cobalt(III)-Chelatkomplexen wird hingegen gezeigt,<br />

wo eindeutig die Grenzen eines vernünftigen Recyclings liegen.<br />

Im oben vorgestellten Kettenversuch zur Kupferchemie (Abb. 12) ist das Chlorid<br />

<strong>des</strong> einwertigen Kupfers das Präparat, das die Studierenden zum Testat abgeben und das<br />

vom Laborpersonal zunächst gesammelt wird. Die bei dem Versuch anfallende<br />

Mutterlauge kommt in ein separates Sammelgefäß. Wenn genügend Material,<br />

min<strong>des</strong>tens 20 g CuCl bzw. 500 mL Mutterlauge, zusammengekommen ist, wird ein<br />

Student damit beauftragt, Kupfersulfat herzustellen. Damit <strong>vielseitige</strong> Chemie gelehrt<br />

wird, werden für Feststoff und Mutterlauge unterschiedliche Aufarbeitungen<br />

vorgeschlagen:<br />

1. Das feste CuCl wird mit Schwefelsäure und H 2 O 2 versetzt und so oxidativ in Lösung<br />

gebracht. Zwecks Reinigung erfolgen eine Cu(OH) 2 -Fällung, Auflösen <strong>des</strong> Hxdroxids<br />

mit der gerade erforderlichen Menge Schwefelsäure und Kristallisation <strong>des</strong><br />

Kupfervitriols. Nach dem Trocknen wird eine Probe auf den genauen Cu-Gehalt<br />

untersucht, so dass eine Qualitätsspezifikation erfolgen und das Präparat zur<br />

Weiterverwendung freigegeben werden kann. Der ausführende Student übernimmt<br />

also in hohem Maße Verantwortung. Denn wenn seine Präparation und Analytik<br />

ungenau war, kann der Versuch ggf. nicht klappen, den seine folgenden<br />

Kommilitionen mit den aufbereiteten Produkt durchführen wollen.<br />

2. Die kupferhaltige Mutterlauge wird nach Oxidation <strong>des</strong> einwertigen Kupfers mit<br />

einem Ionenaustauscher auf Organophosphorsäure-Basis [28] extrahiert. Damit wird


47<br />

die Metallextraktion, welche die Studenten zuvor am Beispiel der Eisenextraktion mit<br />

MTBE kennen gelernt haben, in den Dienst <strong>des</strong> Umweltschutzes gestellt<br />

(Transferleistng).<br />

In unserem Vorpraktikum für Studienanfänger werden Versuche zur Kristallisation<br />

von Kupfersulfat aus heiß-gesättigter Lösung, Fällen von Kupfersulfat mit Alkohol und<br />

Entwässern von Kupfervitriol durch Erhitzen durchgeführt. Dabei fallen rasch größere<br />

Mengen an Feststoffen und Lösungen an. Während die Feststoffe direkt wiederverwertet<br />

werden können, müssen die Lösungen aufbereitet werden. Jetzt warten wir bewusst, bis<br />

ca. 2 L Lösung zusammengekommen sind, damit ein Student einen für das<br />

Grundpraktikum ungewöhnlich großen Ansatz durchführen und im 5-L-Becherglas<br />

arbeiten kann. Hier wird also Scale-Up betrieben, was im späteren Berufsleben der<br />

Chemieingenieure von fundamentaler Bedeutung ist [29]. Beim Ausfällen der<br />

Kupferionen mit Natronlauge, Kochen der Suspension, um türkisblaues Kupferhydroxid<br />

in schwarzes Kupferoxid umzuwandeln, Absaugen auf dem großen Büchnertrichter,<br />

Waschen <strong>des</strong> Filterkuchens, Lösen mit halbkonzentrierter Schwefelsäure und<br />

Kristallisation sind u. a. Schutzmaßnahmen zu treffen, die bei den anderen Praktikumversuchen<br />

aufgrund der kleinen Ansatzgrößen nicht erforderlich sind, z. B. das sichere<br />

Befestigen der Apparaturen an Stativen, Beachten von erheblichen Wärme-tönungen<br />

beim Neutralisieren und das Unterstellen einer Plastikwanne als Auslaufschutz bei einer<br />

möglichen Havarie (die bislang noch nicht eingetreten ist). Der ausführende Student<br />

wird für seine Mühe belohnt, wenn er zum Schluss mehrere 100 Gramm kristallines<br />

Kupfervitriol in eine Präparateflasche abfüllen kann.<br />

Im Sommersemester 1993 hatte ich die Gelegenheit, an der Universität Tsukuba,<br />

Japan, bei den Studenten im dortigen Anorganischen Forgeschrittenenpraktikum reges<br />

Interesse für den praktikumintegrierten Umweltschutz zu wecken [30]. Die Frage kam<br />

auf, ob aus den (für spektroskopische Untersuchungen präparierten) Chelatkomplexen<br />

K[CoEDTA], Na[Co(NO 2 )(HEDTA) und Co[(en) 3 ]I 3 die Ausgangsverbindung<br />

CoCl 2 ⋅6H 2 O recyceln lässt.<br />

Es war von vornherein klar, dass die Aufbereitung von Komplexen mit<br />

Chelatliganden anspruchsvolle Vorgehensweisen und präparatives Geschick erforderte.<br />

Die mehrzähnigen Liganden lassen sich nämlich aus entropischen Gründen nur schwer<br />

vom Zentralatom verdrängen und wegen ihrer Schwerflüchtigkeit nicht durch einfaches<br />

Verkochen aus dem Komplexbildungs-Dissoziationsgleichgewicht entfernen, wie dies<br />

z.B. mit dem einzähnigen Liganden NH 3 möglich ist.<br />

Beim Erhitzen mit Natronlauge liefern K[CoEDTA] und Na[Co(NO 2 )(HEDTA)] nur<br />

wenig Co(OH) 2 , und die Ausbete an daraus gewonnenem Cobaltchlorid liegt unter 25 %<br />

der Theorie. [Co(en) 3 ]I 3 reagiert überhaupt nicht mit Natronlauge.<br />

In schwefelsaurer Lösung liefert K[CoEDTA] mit Eisenpulver zweiwertiges Cobalt<br />

und H 4 EDTA. Letztere Verbindung ist in saurem Medium nur mäßig löslich, fällt daher<br />

aus und wird gemeinsam mit dem überschüssigen Eisen abfiltriert. Die weitere Aufarbeitung<br />

trägt der vollständigen Abtrennung <strong>des</strong> H 4 EDTA und einer K/Co/Fe-Trennung<br />

Rechnung. Das schwefelsaure Filtrat wird mit Aktivkohle und H 2 O 2 versetzt, um<br />

H 4 EDTA oxidativ zu zerstören oder an der Kohleoberfläche zu adsorbieren. Gleichzeitig<br />

wird zweiwertiges Eisen in dreiwertiges umgewandelt. Nach Verkochen <strong>des</strong> überschüssigen<br />

H 2 O 2 wird mit Natronlauge fast neutralisiert, Kohle und gebildetes Fe(OH) 3<br />

werden abfiltriert. Abschließend wird mit Soda basisches Cobaltcarbonat ausgefällt,<br />

isoliert und mit Salzsäure in Cobaltchlorid übergeführt. Die Ausbeute an recycliertem<br />

CoCl 2 ⋅6H 2 O beträgt allerdings nur 50 % der Theorie (s. Abb. 22).


HNO 3<br />

I 2 + [Co(en) 3 ](NO 3 ) 3<br />

48<br />

Eine etwas bessere Ausbeute (69 %) erzielt man, wenn man K[CoEDTA] in der<br />

Brennerflamme pyrolysiert, den schwarzen Rückstand mit Salzsäure extrahiert, das<br />

CoCl 2 -haltige Extrakt mit Natronlauge alkalisiert und das gebildete Co(OH) 2 wie<br />

beschrieben auf Cobaltchlorid-Hexahydrat aufarbeitet. Nachteilig bei dem Verfahren ist<br />

allerdings das Auftreten brauner, übelriechender Rauchgase, welche die Abluft belasten.<br />

2 K[CoEDTA] + Fe + 4 H 2 SO 4<br />

→ K 2 SO 4 + 2 CoSO 4 + FeSO 4 + 2 H 4 EDTA<br />

1. ungelöstes H 4 EDTA abfiltrieren<br />

2. Aktivkohle (Adsorption von noch gelöstem H 4 EDTA)<br />

3. H 2 O 2 (Fe 2+ → Fe 3+ )<br />

4. NaOH (pH 5-7: Fe 3+ → Fe(OH) 3 )<br />

5. filtrieren<br />

K 2 SO 4 /CoSO 4 -Lösung<br />

Na 2 CO 3 (pH 13-14)<br />

Co(OH) 2 /CoCO 3 -Niederschlag<br />

HCl<br />

CoCl 2<br />

Abb. 22: Gewinnung von Cobalt(II)-chlorid aus K[CoEDTA]<br />

Die Rückgewinnung von Cobalt(II)-chlorid aus dem sehr stabilen Trisethylendiammincobalt(III)-iodid<br />

ist uns bislang nicht gelungen. Es ist hingegen leicht möglich,<br />

den Komplex auf Iod aufzuarbeiten. Dazu wird er mit Salpetersäure oder<br />

Schwefelsäure/H 2 O 2 behandelt. In beiden Fällen wird das Iodid zu elementarem Iod<br />

oxidiert (80 % Ausbeute), der Metallkomplex selbst bleibt unverändert und behält sogar<br />

seine optische Aktivität. Nach Abfiltrieren <strong>des</strong> Iods kann durch Zugabe von Methanol<br />

zum Filtrat Trisethylendiammincobalt(III)-nitrat bzw. -sulfat ausgefällt und isoliert<br />

werden (s. Abb. 23).<br />

− NO x<br />

[Co(en) 3 ]I 3<br />

H 2 SO 4 , H 2 O 2<br />

I 2 + [Co(en) 3 ] 2 (SO 4 ) 3<br />

− H 2 O<br />

Abb. 23: Gewinnung von Iod aus Trisethylendiammincobalt(III)-iodid<br />

Die hier beschriebenen Aufarbeitungsmethoden sind für die Studierenden sehr<br />

lehrreich. Einerseits vermitteln sie ihnen <strong>vielseitige</strong> Gesichtspunkte der anorganischen<br />

Chemie, wodurch ein vertieftes Verständnis ihrer Praktikumpräparate bewirkt wird.<br />

Andererseits zeigen sie den Studenten aber auch ganz klar, dass sich eine Aufbereitung<br />

der Cobaltkomplexe aus ökologischer Sicht nicht lohnt, dass hier die Rückgewinnung<br />

von Ausgangsverbindungen wegen <strong>des</strong> enormen Energieaufwan<strong>des</strong> sogar mit einer


49<br />

negativen Ökobilanz belastet ist. An diesem Beispiel, wo Recycling nicht sinnvoll ist,<br />

lässt sich das kritische Denkvermögen der Auszubildenden in Hinblick auf Belange <strong>des</strong><br />

Umweltschutzes besonders gut fördern.<br />

2.7.2 Rückgewinnung von Lösungsmitteln [31]<br />

Anders als in der Anorganischen Chemie lassen sich in der Organischen Chemie<br />

hergestellte Präparate nur selten in gängige Ausgangsverbindungen zurückverwandeln.<br />

Um ein Organisches Praktikum umweltfreundlicher zu gestalten, kommt dem<br />

Lösemittelrecycling <strong>des</strong>halb eine besondere Wichtigkeit zu.<br />

Wünschenswert ist es, dass gebrauchte Lösemittel nur durch einfache Destillation<br />

am Rotationsverdampfer oder durch Waschen und Trocknen gereinigt und danach<br />

wieder verwertet werden können. Fraktionierte Destillationen sind auch noch<br />

akzeptabel, da sie sowieso zum Lernprogramm je<strong>des</strong> Organischen Praktikums gehören<br />

und wenn die Siedepunkte der zu trennenden Stoffe ausreichend weit auseinanderliegen,<br />

so dass die Verfahren in kurzer Zeit die Lösemittel in guter Reinheit liefern.<br />

Beim Arbeiten mit dem Rotationsverdampfer dürfen keine Wasserstrahl-, sondern<br />

nur Membranpumpen verwendet werden, um sicher zu Vermeiden, dass verdampfende<br />

Lösemittel ins Institutsabwasser gelangen. Um die Studierenden für das Ausmaß der<br />

Verdampfungsverluste beim Arbeiten mit dem Rotationsverdampfer zu sensibilisieren,<br />

haben wir folgenden Modellversuch konzipiert:<br />

100 g Dichlormethan werden im Kolben vorgelegt und am Rotavapor unter<br />

Normaldruckund Erwärmen mit einem Wasserbad vollständig über<strong>des</strong>tilliert. Am oberen<br />

Belüftungshahn der Apparatur ist ein Rohr angeschlossen, in dem sich 30 g gekörnte<br />

Aktivkohle befinden. In der Vorlage werden je nach Rotations- und Aufheizgeschwindigkeit<br />

nur 90-95 % <strong>des</strong> eingesetzten Dichlormethans wiedergefunden. Wenige<br />

Tropfen bleiben an der Schlange <strong>des</strong> Kühlers hängen, der Rest ist von der Aktivkohle<br />

adsorbiert, was an einer entsprechenden Gewichtszunahme festzustellen ist. (Die<br />

beladene Kohle wird in einem Kolben mit aufgesetzter Destillationsbrücke und Vorlage<br />

mit dem Brenner ausgeheizt. Das anhaftende Dichlormethan wird <strong>des</strong>orbiert und<br />

<strong>des</strong>tilliert über. Die Kohle hat wieder ihr ursprüngliches Gewicht und kann für einen<br />

neuen Versuch verwendet werden.)<br />

Wir haben eine Vielzahl tradierter Experimente umgestellt, damit ein<br />

Lösungsmittelrecycling einfach, schnell und mit guten Ausbeuten möglich wird. Hier<br />

seien nur zwei Beispiele aus unserem Polymerchemischen Praktikum [32] angeführt.<br />

Nach einer Experimentieranleitung von Braun [16] wird Methylmethacrylat in<br />

Chlorbenzen radikalisch polymerisiert. Die resultierende PMMA-Lösung wird in Cyclohexan<br />

eingetragen, um das Polymer auszufällen. Die Polymerisation lässt sich statt im<br />

giftigen Chlorbenzen auch im nahezu ungiftigen Xylen durchführen. Das nach der<br />

Fällung resultierende Xylen/Cyclohexan-Gemisch lässt sich unter Zuhilfenahme einer<br />

Vigreux-Kolonne mühelos trennen, da die Siedepunkte weit genug auseinanderliegen.<br />

Styren wir in unserem Praktikum anionisch (mit n-BuLi) in Toluen polymerisiert.<br />

Zum Ausfällen <strong>des</strong> entstandenen Polystyrens wird die Polymerlösung in Methanol<br />

eingetragen. Eine <strong>des</strong>tillative Aufbereitung <strong>des</strong> resultierenden Toluen/Methanol-<br />

Gemisches ist zwar grundsätzlich möglich, aber im Rahmen <strong>des</strong> Praktikums zu zeitaufwendig,<br />

überwachungsbedürftig und wegen der Bildung von Mischfraktionen auch nicht<br />

ganz abfallfrei. Deshalb haben wir eine andere Aufarbeitungsmethode gewählt. Das<br />

Lösungsmittelgemisch wird mehrfach mit Wasser extrahiert, wobei das Methanol in die<br />

Wasserphase geht und mit dieser verworfen wird (Methanol hat die Wasser-


50<br />

gefährdungsklasse 0). Auf die Wiedergewinnung <strong>des</strong> Alkohols wird also verzichtet. Das<br />

Toluen wird über wasserfreiem Na 2 SO 4 getrocknet und kann wieder verwendet werden.<br />

An der Universität Tsukuba, Japan, hatte ich die Gelegenheit, einen Einführungskurs<br />

für angehende Diplomanden und Doktoranden in die Fulleren-Chemie zu leiten [33]. Ich<br />

ersetzte das bislang für die Extraktion und Chromatographie verwendete Benzen (!)<br />

durch das mindergiftige Toluen. Am Ende <strong>des</strong> Kurses gewannen die Kursteilnehmer das<br />

Lösemittel durch Destillation am Rotationsverdampfer zurück.<br />

Ich stelle diese an sich nur geringfügige Praktikumumstellung hier besonders heraus,<br />

um zu beweisen, dass Prinzipien <strong>des</strong> praktikumintegrierten Umweltschutzes auch im<br />

fernen Ausland gerne angenommen werden.<br />

2.7.3 Rückgewinnung von Methylmethacrylat<br />

durch Pyrolyse von Polymethylmethacrylat<br />

Bader hat in seinem Buch über Kunststoffrecycling [34] bereits die Pyrolyse vom<br />

Plexiglas als Schulversuch vorgeschlagen, um den Schülern zu vermitteln, dass<br />

bestimmte Polymere thermisch zu ihren Grundbausteinen depolymerisiert werden<br />

können.<br />

Im Polymerchemischen Praktikum an der Fachhochschule Darmstadt führen die<br />

Studenten die Lösungspolymerisation von Methylmethacrylat durch. Das erhaltene<br />

Polymer depolymerisieren sie anschließend wieder und stellen das recycelte Monomer<br />

dem nächsten Praktikanten als Ausgangsmaterial zur Verfügung.<br />

MMA<br />

radikalische Polymerisation<br />

thermische Depolymerisation<br />

PMMA<br />

Da sich PMMA praktisch quantitativ in seine Monomerbausteine zerlegen lässt, ist das<br />

Recycling von MMA auf jeden Fall sinnvoll. Die Studierenden stellen aber fest, dass die<br />

Pyrolyse eine stark endotherme Reaktion ist (die Polymerisation von MMA haben sie<br />

zuvor als eine exotherme Reaktion kennen gelernt), dass das Monomerrecycling also<br />

keineswegs zum Nulltarif gewonnen werden kann. Dieses Erkenntnisgewinn ist wichtig,<br />

da viele Menschen zu idealistische Vorstellungen über die positive Ökobilanz <strong>des</strong><br />

Kunststoffrecyclings haben.<br />

2.7.4 Qualitätskontrolle recycelter Stoffe [35]<br />

In der chemischen Industrie muss ein erzeugtes Produkt vor der Freigabe zum Verkauf<br />

einer sorgfältigen Qualitätskontrolle unterzogen und vorgegebene Spezifikationen<br />

müssen genau eingehalten werden. Dies spielt insbesondere im Zusammenhang mit der<br />

Produkthaftung eine Rolle, denn ein Hersteller muss für Schäden, die auf Fehlern seines<br />

Produktes zurückzuführen sind, aufkommen Dem wichtigen Gesichtspunkt Qualitätssicherung<br />

sollte bereits in der Chemieausbildung Rechnung getragen werden. Dies kann<br />

in den Laborpraktika geschehen.<br />

In den vorausgegangenen Kapiteln wurde mehrfach von recycelten Stoffen<br />

gesprochen. Diese haben - je nachdem, aus welchem Rest sie stammten und wie<br />

ordentlich die die Vorschrift ausführenden Studenten gearbeitet haben - unterschiedliche<br />

Qualität. Es darf nur in wenigen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Stoffe<br />

formelrein sind! Bevor sie im Praktikum zur Wiederverwertung ausgestellt werden,<br />

müssen sie <strong>des</strong>halb einer Qualitätskontrolle unterzogen und ggf. für ihren zukünftigen


51<br />

Einsatzbereich spezifiziert werden. Die Qualitätsuntersuchungen erfolgen mit<br />

Standardmethoden der quantitativen Analyse.<br />

Die Vorschriften, die für die zu untersuchenden Stoffe maßgeschneidert sind,<br />

können von den Studenten im quantitativen Praktikum selbst durchgeführt werden (s.<br />

2.10.5). Wie bereits zuvor erwähnt, übernehmen die ausführenden Studenten eine<br />

besondere Verantwortung: Wenn ihre Analysen nämlich nicht stimmen, werden<br />

nachfolgende Studenten aufgrund unkorrekter Einwaagen zwangsläufig nur unbefriedigende<br />

Ergebnisse bei den Synthesen erzielen. (Um dies zu vermeiden, muss das<br />

Laborpersonal auf die sorgfältige Ausführung der Qualitätskontroll-Analysen besonders<br />

achten und diese ggf. mehrfach oder nach verschiedenen Verfahren wiederholen lassen.)<br />

Die Studenten werden dazu angehalten, Synthese, Recycling, Analyse und<br />

Analysenergebnis kritisch zu deuten und ganzheitlich zu betrachten. Oft bleibt die<br />

Erkenntnis, dass „Recycling“ vielmehr „Downcycling“ mit nicht unerheblichen<br />

Qualitätseinbußen ist. Dies sei an einigen Beispielen begründet.<br />

Kupfersulfat: Eine Probe eines recycelten und umkristallisierten Kupfervitriols wurde<br />

iodometrisch und fotometrisch auf ihren Kupfer- und gravimetrisch auf ihren<br />

Sulfatgehalt hin untersucht. Die Studenten konnten die dort erlernten Verfahren direkt<br />

zur Kontrolle ihres recycelten Präparates heran ziehen. Das Zusammenspiel von<br />

Produzent und Analytiker in der chemischen Industrie wurde im Praktikum<br />

widergespiegelt, womit die Ausbildung einen besonderen Praxisbezug bekommt.<br />

Die erwartete hohe Reinheit <strong>des</strong> gewonnenen Kupfervitriols ließ sich experimentell<br />

bestätigen:<br />

Analysenmethode: Iodometrie Fotometrie Gravimetrie<br />

Reinheitsgrad: 99,2 % 97,0 % 97,7 %<br />

Die geringen Abweichungen der Werte voneinander lagen im Rahmen der im Praktikum<br />

üblichen Fehlergrenzen. Aufgrund der recht gut übereinstimmenden Ergebnisse aus drei<br />

grundsätzlich unterschiedlichen Messverfahren gewannen die Studierenden Vertrauen in<br />

deren Leistungsfähigkeit. Überzeugend wirkte außerdem die Tatsache, dass zwei<br />

Studenten, die sich nicht kannten, bei der iodometrischen Bestimmung unabhängig<br />

voneinander zum exakt gleichen Ergebnis kamen.<br />

Aluminiumsulfat: Das Praktikumpräparat Kalialaun wurde auf Aluminiumsulfat<br />

aufgearbeitet:<br />

KAl(SO 4 ) 2<br />

NH 3 ⎯⎯⎯→<br />

HSO<br />

Al(OH) 3 ↓ ⎯⎯⎯⎯<br />

2 4 → Al2(SO 4 ) 3<br />

Das Doppelsalz wurde in Wasser gelöst und durch Zugabe von Ammoniak ein schwach<br />

alkalisches Medium eingestellt, so dass Aluminiumhydroxid ausfiel. Der voluminöse,<br />

schleimige Niederschlag ließ sich nur mühsam absaugen und waschen. Er wurde mit<br />

Schwefelsäure gelöst. Beim Abkühlen der Lösung kristallisierte ein Aluminiumsulfathydrat<br />

aus. Obwohl es optisch sehr schön aussah, hatte es nur einen geringen<br />

Reinheitsgrad. Aus der komplexometrischen Aluminium- und der gravimetrischen<br />

Sulfatbestimmung ergab sich nämlich ein Stoffmengenverhältnis SO 4 2− /Al 3+ von 2:1, das<br />

vom theoretischen Wert 3:2 erheblich abwich. D. h. das Produkt war mit Kaliumund/oder<br />

Ammoniumsulfat, das aus dem gefällten Al(OH) 3 nicht vollständig<br />

ausgewaschen wurde, stark verunreinigt.<br />

Aufgrund <strong>des</strong> Analysenbefun<strong>des</strong> erkannten die Studierenden, dass beim Recycling<br />

ein experimenteller Fehler gemacht wurde, und zwar wurde der Hinweis in der


52<br />

Versuchsanleitung, dass das Filtrat der Al(OH) 3 -Waschungen auf Sulfatfreiheit zu<br />

prüfen ist, nicht beachtet.<br />

Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Anionen- und Kationengehalt parallel<br />

bestimmt wurden. Der Al-Gehalt <strong>des</strong> isolierten Produktes lag nämlich mit 8.43 %<br />

zufälligerweise recht nahe am theoretischen Wert von 8.10 % für formelreines<br />

Al 2 (SO 4 ) 3 ⋅18H 2 O. Ohne Kenntnis <strong>des</strong> Sulfatgehalts wäre der leicht erhöhte Metallgehalt<br />

eher mit einem geringeren Anteil Kristallwasser im Produkt in Verbindung gebracht<br />

worden.<br />

Ob das wiedergewonnene Material für eine neue Alaunsynthese einsetzbar ist,<br />

musste mit einer Substanzprobe geprüft werden. Dazu wurden parallel äquimolare heiß<br />

gesättigte Lösungen von reinem Al 2 (SO 4 ) 3 ⋅18H 2 O und K 2 SO 4 sowie recyceltem Produkt<br />

und K 2 SO 4 (bezogen auf den Al-Gehalt im recycelten Stoff) angesetzt. Aus der auf<br />

Raumtemperatur abgekühlten Lösung <strong>des</strong> Ansatzes mit frischem Aluminiumsulfat hatte<br />

sich bereits nach zwei Stunden ein großer Alauneinkristall in fast quantitativer Ausbeute<br />

abgeschieden. Aus dem Ansatz mit dem recycelten Aluminiumsulfat fiel hingegen kein<br />

Alaun aus. Erst beim Abkühlen auf 0 °C bildeten sich kleine Kristalle. Die Ausbeute war<br />

nur etwa halb so groß wie im Vergleichsversuch.<br />

An diesem Beispiel lernten die Studierenden, dass die Alaunsynthese mit dem<br />

recycelten Material zwar grundsätzlich gelang, dass die Kristallisation aber durch die<br />

Verunreinigungen verzögert und das Entstehen größerer Kristalle nicht möglich war.<br />

Der erhaltene Alaun fiel in kleinerer Menge und qualitativ minderwertig gegenüber dem<br />

an, der aus einem reinem Edukt hergestellt wurde.<br />

Das recycelte Produkt konnte zur Wiederverwertung im Praktikum freigegeben<br />

werden mit dem Vermerk „Aluminiumsulfat mit 8.43 % Al; einsetzbar nur für die<br />

Kalialaunsynthese“. Durch diese Spezifikation wird verhindert, dass das Produkt z.B. in<br />

der qualitativen Analyse benutzt wird, wo unwillkürlich Störungen auftreten würden.<br />

Wenn ein sauberes Produkt gewünscht ist, muss umkristallisiert werden.<br />

Im Unterricht bietet sich ein Vergleich mit dem Kunststoffrecycling an: Eine<br />

gebrauchte Polyamid-Lebensmittelverpackungsfolie kann nicht auf ein Produkt mit dem<br />

ursprünglichen Verwendungszweck, sondern höchstens auf ein minderwertiges mit<br />

einem anderen Verwendungszweck, z. B. ein Spritzgussteil, aufgearbeitet werden<br />

(Anwendungskaskade).<br />

Kaliumdichromat: Im organischen Praktikum wurde Chromsäure als Oxidationsmittel<br />

eingesetzt, um Propanol in Propanal und Anthracen in Anthrachinon umzuwandeln (s.<br />

2.6.3). Das gleichzeitig entstandene dreiwertige Chrom wurde als Hydroxid gefällt und<br />

nach dem Waschen mit Wasserstoffperoxid zum Chromat oxidiert. Durch Ansäuern und<br />

Kristallisieren wurde Kaliumdichromat zurückgewonnen:<br />

Cr 3+<br />

KOH<br />

⎯⎯⎯→<br />

HO<br />

Cr(OH) 3 ⎯⎯2 ⎯2<br />

→ K2CrO 4<br />

H +<br />

⎯ ⎯ → K 2 Cr 2 O 7<br />

Der Chromgehalt wurde iodometrisch bestimmt.<br />

Ein aus der Propanalsynthese recyceltes Material hatte einen Reinheitsgrad von<br />

96.2 %. Da das Propanal leicht aus der wässrigen Phase ausgetrieben werden konnte,<br />

war das rückgewonnene K 2 Cr 2 O 7 nicht organisch belastet und konnte für präparative<br />

Versuche jeglicher Art freigegeben werden.<br />

Ein aus der Anthrachinonsynthese recyceltes Dichromat war hingegen nur 90.3 %ig.<br />

Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, dass sich entstandenes Anthrachinon und<br />

unumgesetztes Anthracen nur schwer quantitativ aus der wässrigen Phase abtrennen<br />

ließen und <strong>des</strong>halb bei der Bildung von Cr(OH) 3 mitgefällt wurden. Bei der<br />

anschließenden Behandlung mit H 2 O 2 verhielten sie sich inert, wurden also bis ins


53<br />

Endprodukt K 2 Cr 2 O 7 als Verunreinigung mitgeschleppt. Dieses konnte wiederverwertet<br />

werden, aber selbstverständlich nur für eine weitere Anthrachinonsynthese.<br />

Erneut lernten die Studierenden, dass die Qualität eines recycelten Produktes <strong>des</strong>sen<br />

späteren (beschränkten) Einsatzbereich definiert.<br />

Metallhalogenide: Die Komplexe K 3 [Co(NO 2 ) 6 ] und NiAc 2 ⋅4H 2 O wurden durch<br />

Kochen mit Natronlauge zerstört. Die ausgefallenen, abgesaugten und gewaschenen<br />

Hydroxide wurden mit Salzsäure gelöst, die Lösungen zur Trockne eingedampft und die<br />

Rückstände einige Zeit an der Luft liegengelassen, damit sich durch Aufnahme von<br />

Luftfeuchtigkeit die nach der Theorie zu erwartenden Hexahydrate bilden sollten:<br />

K 3 [Co(NO 2 ) 6 ]<br />

NiAc 2<br />

NaOH<br />

⎯⎯⎯⎯→<br />

Co(OH)<br />

⎯⎯⎯⎯<br />

NaOH<br />

→ Ni(OH) 2 ⎯<br />

HCl<br />

⎯⎯ → NiCl2<br />

2<br />

⎯<br />

HCl<br />

⎯⎯ → CoCl 2<br />

Lösliche Bleiverbindungen wurden in schwerlösliches Bleichlorid übergeführt, das<br />

durch Kristallisation gereinigt wurde:<br />

Pb 2+<br />

⎯<br />

HCl<br />

⎯⎯ → PbCl2<br />

Die Metallgehalte der gewonnenen Salze wurden komplexometrisch, die<br />

Chloridgehalte potentiometrisch bestimmt. Folgende Ergebnisse wurden erzielt:<br />

NiCl 2 ⋅6H 2 O gefunden: 29.20 % Ni 35.89 % Cl<br />

berechnet: 24.69 % Ni 29.83 % Cl<br />

CoCl 2 ⋅6H 2 O gefunden: 20.52 % Co 28.00 % Cl<br />

berechnet: 24.69 % Co 29.80 % Cl<br />

PbCl 2 gefunden: 68.15 % Pb 22.87 % Cl<br />

berechnet: 74.50 % Pb 25.49 % Cl .<br />

Bei allen drei Produkten lagen die Metall- und Chloratome im erwarteten molaren<br />

Verhältnis 1:2 vor. Dennoch wichen die gefundenen Massenanteile von den für<br />

formelreines NiCl 2 ⋅6H 2 O, CoCl 2 ⋅6H 2 O und PbCl 2 berechneten deutlich ab.<br />

Beim Nickelchlorid waren sie höher als die berechneten. Folglich war das<br />

getrocknete NiCl 2 noch nicht lange genug der feuchten Luft ausgesetzt worden, um die<br />

maximal möglichen sechs Äquivalente Wasser aufzunehmen. Es wurde mit der<br />

Beschriftung „NiCl 2 ⋅4H 2 O“ zur sofortigen Wiederverwertung ausgestellt.<br />

Beim Cobaltchlorid wurde hingegen weniger Co und Cl gefunden als erwartet.<br />

Daraus durfte aber keineswegs geschlossen werden, dass das Produkt neben sechs<br />

Äquivalenten Komplexwasser weiteres Wasser als anhaftende Feuchtigkeit enthielt. Das<br />

CoCl 2 war nämlich nach dem Abrauchen der beim Recycling verwendeten Salzsäure<br />

eindeutig wasserfrei, was an der tiefblauen Farbe zu erkennen war. Beim Liegen an der<br />

Luft konnte es maximal sechs Äquivalente Wasser aufgenommen haben (rosarote<br />

Farbe), mußte also eine Verunreinigung enthalten. Durch die Ringprobe wurde bewiesen,<br />

daß es sich dabei um Kaliumnitrat und/oder -nitrit handelte, das bei der<br />

Zersetzung <strong>des</strong> Nitrocobaltats entstanden und nicht quantitativ aus dem Co(OH) 2 -<br />

Niederschlag ausge-waschen wurde. Das Material durfte also nicht im Praktikum<br />

ausgegeben werden, sondern musste erst weiter gereinigt werden.<br />

Das recycelte Bleichlorid war nach dem Umkristallisieren aus Wasser offensichtlich<br />

nicht ausreichend getrocknet worden. Es enthielt Restfeuchtigkeit, konnte aber<br />

ausgestellt werden mit der Kennzeichnung „PbCl 2 ; 90 %ig“.


54<br />

Braunstein: Braunstein entsteht durch Oxidation von zweiwertigem Mangan mit H 2 O 2<br />

im alkalischen Medium:<br />

Mn 2+ + H 2 O 2 + 2 OH -<br />

⎯→⎯<br />

MnO2 + 2 H 2 O<br />

Der Stoff ist durch nicht unerhebliche Mengen an mitgefälltem Mn(OH) 2 verunreinigt.<br />

Das getrocknete Produkt enthält in der Regel nur 40-80 % MnO 2 .<br />

Braunstein wird im Praktikum z. B. benutzt, um Disulfit zu Dithionat zu oxidieren.<br />

Da anwesen<strong>des</strong> Mn(OH) 2 dabei nicht stört, kann ohne weiteres ein minderwertiger<br />

Braunstein eingesetzt werden. Für die Ansatzberechnung muss lediglich der genaue<br />

MnO 2 -Gehalt bekannt sein.<br />

Nach permanganometrischer Analyse wird das Produkt mit z. B. folgender<br />

Spezifikation im Praktikum ausgestellt: „MnO 2 ; 60%ig; geeignet für die<br />

Dithionatsynthese“.<br />

Ein Essigsäure/Essigsäureanhydrid-Lösungsmittelgemisch: Die Synthese von SnI 4<br />

aus den Elementen wurde in einer 1:1-Mischung von Eisessig und Essigsäureanhydrid<br />

als polarem, wasserfreien Reaktionsmedium durchgeführt (s. Abb. 14) Das orangerote<br />

Produkt wurde auskristallisiert, das Filtrat <strong>des</strong>tillativ aufgearbeitet. Die übergehenden<br />

Flüssigkeiten (Kp HAc = 116-118 °C, Kp Ac2O = 138-140 °C) wurden in einer Vorlage<br />

gesammelt. Das Destillat war durch mitsublimiertes nicht umgesetztes Iod dunkel<br />

gefärbt. Während <strong>des</strong> Versuchs wurde ein Teil <strong>des</strong> Essigsäureanhydrids durch<br />

eingeschleppte Luftfeuchtigkeit zu Essigsäure hydrolysiert. Um das Destillat für eine<br />

neue SnI 4 -Synthese erfolgreich einsetzen zu können, muss es durch Zugabe von<br />

frischem Essigsäureanhydrid auf das ursprüngliche 1:1-Verhältnis von Essigsäure und<br />

Essigsäureanhydrid aufgestockt werden. Dazu muss vorab das HAc/Ac 2 O-Verhältnis <strong>des</strong><br />

Destillates bestimmt werden.<br />

Eine Titration mit Natronlauge kommt hierfür nicht in Frage, weil das im Gemisch<br />

enthaltene Iod einer Farbindikation <strong>des</strong> Endpunktes prohibitiv im Wege steht. Das<br />

Lösungsmittelverhältnis kann aber IR-spektroskopisch anhand <strong>des</strong> Verhältnisses der<br />

Intensitäten der Carbonylabsorptionen bei 1710 cm −1 (HAc) und 1823 cm −1 (Ac 2 O)<br />

ermittelt werden. Dazu wird das Spektrum <strong>des</strong> Recyclats (als Film) aufgenommen und<br />

mit den Spektren von definierten HAc/Ac 2 O-Mischungen (s. Abb. 24) verglichen. So ist<br />

eine halbquantitative Angabe <strong>des</strong> Anhydridgehaltes im Destillat möglich und die zum<br />

HAc/Ac 2 O = 1:1-Verhältnis fehlende Menge Anhydrid kann berechnet und zugesetzt<br />

werden.


55<br />

100 % HAc 80 % HAc 60 % HAc 40 % HAc 20 % HAc<br />

20 % Ac 2 O 40 % Ac 2 O 60 % Ac 2 O 80 % Ac 2 O 100% Ac 2 O<br />

Abb. 24: IR-Spektren von Essigsäure, Essigsäureanhydrid und definierten Mischungen von Essigsäure<br />

und Essigsäureanhydrid im Bereich von 1600 cm -1 (rechter Bildrand) bis 1900 cm -1 (linker Bildrand)<br />

Das Praktikum wurde um den Lerninhalt IR-Spektroskopie in Theorie und Praxis<br />

bereichert und ein weiteres Beispiel für Qualitätskontrolle als Voraussetzung für<br />

Wiederverwertbarkeit geliefert.<br />

Rück<strong>des</strong>tillierte Alkohole: Um Metallverbindungen aus ihren Lösungen auszufällen,<br />

wird gelegentlich Methanol oder Ethanol verwendet. Die resultierende Wasser/Alkohol-<br />

Mutterlauge wird am Rotationsverdampfer <strong>des</strong>tillativ aufbereitet. Dabei geht der<br />

Alkohol über, aber auch etwas Wasser. Der Brechungsindex <strong>des</strong> Destillats wird<br />

gemessen. Durch Vergleich mit tabellierten Werten kann das MeOH/H 2 O- bzw.<br />

EtOH/H 2 O-Verhältnis angegeben werden.<br />

Schwefel: Durch Behandlung von Thiosulfat mit Salzsäure wird elementarer Schwefel<br />

zurückgewonnen. Dieser wird nicht analysiert. Es wird vielmehr durch einen<br />

Kontrollversuch bestätigt, daß er sich für eine neue Thiosulfatsynthese genauso eignet<br />

wie der im Chemikalienhandel gekaufte Schwefel. Er wird zum Wiedereinsatz<br />

freigegeben mit der Spezifizierung: „Schwefel für die Thiosulfatsynthese“.<br />

2.8 Naturstoffchemie<br />

2.8.1 Zuckerchemie [36]<br />

Aspekte der Zuckerchemie lassen sich gut in das Konzept der ökologisch orientierten<br />

Chemieausbildung integrieren, wofür es zwei Hauptgründe gibt.<br />

1. Mono-, Oligo- und Polysaccharide sind ungiftig und können daher gefahrlos<br />

gehandhabt und anfallende Versuchsreste, insbesondere wässrige Lösungen,<br />

bedenkenlos in den Ausguss geschüttet werden, da die Inhaltsstoffe biologisch gut<br />

abbaubar sind. Dies ist wichtig, da sich ein modernes Chemiepraktikum durch ein<br />

möglichst geringes Aufkommen an Sondermüll auszeichnen und den Auszubildenden


56<br />

dabei trotzdem interessante chemische Reaktionen, Verfahren und Produkte<br />

vorstellen sollte.<br />

2. Die verschiedenen Zucker haben immer schon eine besondere Bedeutung für das<br />

menschliche Leben und für Industrie und Technik gehabt, finden aber in unserer Zeit<br />

<strong>des</strong> gesteigerten Umweltbewusstseins unter dem Stichwort „nachwachsende<br />

Rohstoffe“ eine zusätzliche Würdigung. Ihre natürliche Herkunft (Fotosynthese),<br />

Naturverträglichkeit (Bioabbaubarkeit) und <strong>vielseitige</strong> Verwendbarkeit lassen sie<br />

mehr und mehr als Ergänzung oder sogar Alternative zu den überwiegend auf nichtregenerativen<br />

Rohstoffen, vor allem dem Erdöl, basierenden Produkten der<br />

chemischen Industrie erscheinen. In einer Ausbildung, die den Umweltschutz in<br />

besonderem Maße thematisiert, darf die Diskussion der Nutzung und Erschließung<br />

nachwachsender Rohstoffe nicht ausgespart bleiben (vgl. [37, 38]).<br />

Im folgenden wird gezeigt, dass die Zuckerchemie für ein Organisches Praktikum eine<br />

Bereicherung darstellen kann. Die hier beschriebenen Experimente sind größtenteils<br />

literaturbekannt, werden aber in einem neuen Licht gedeutet.<br />

Analytik und Reaktionen der Glucose: In diesem Kapitel werden Versuche<br />

geschildert, welche die Studenten am Beispiel der Glucose zunächst mit<br />

charakteristischen Reaktionen von Zuckern, von denen auch einige für die qualitative<br />

und quantitative Analyse von Nutzen sind, vertraut machen sollen.<br />

Typisch für Glucose ist ihre reduzierend wirkende Eigenschaft. Aus Fehlingscher<br />

Lösung scheidet sie rotes Kupfer(I)-oxid ab:<br />

Obwohl für diese Nachweisreaktion eine Schwermetallverbindung erforderlich ist, ist<br />

der Versuch nicht umweltbelastend, denn aus der Reaktionslösung kann nach Ansäuern<br />

und Zugabe von Eisenpulver elementares Kupfer quantitativ zementiert und dieses in die<br />

Stoffflüsse <strong>des</strong> Anorganischen Praktikums eingeschleust werden.<br />

Im nächsten Versuch führen die Studenten eine Bestimmung durch, die der<br />

Strukturaufklärung der Glucose dient. Sie behandeln eine definierte Menge <strong>des</strong> Zuckers<br />

mit überschüssiger Periodat-Maßlösung, wobei mehrere oxidative Glycolspaltungen<br />

ablaufen:<br />

C 6 H 12 O 6 + 5 HIO 4 → 5 HCOOH + HCHO + 5 HIO 3<br />

Der Gehalt an überschüssiger Periodsäure und entstandener Iodsäure wird iodometrisch<br />

bestimmt (zuerst Komproportionierung von Periodat und Iodat mit zugesetztem Iodid zu<br />

elementarem Iod, anschließend titrimetrische Bestimmung <strong>des</strong> entstandenen Iods mit<br />

Thiosulfat-Maßlösung). Dass für die Zersetzung von Glucose genau 5 Äquivalente<br />

Periodat benötigt werden, ist nur mit der charakteristischen Struktur <strong>des</strong> Kohlenhydrats<br />

in Einklang zu bringen.<br />

Mit dem Ruff-Abbau (s. Abb. 25) lernen die Auszubildenden eine weitere für<br />

Aldosen charakteristische Reaktion kennen.


57<br />

H<br />

C<br />

O<br />

Br 2<br />

HO<br />

C<br />

O<br />

CaCO 3<br />

H 2 O 2 ; Fe 3+<br />

CO 2 Ca 0.5<br />

H<br />

C<br />

OH<br />

H 2<br />

O<br />

H<br />

C<br />

OH<br />

H<br />

C<br />

OH<br />

Aldohexose<br />

Aldonsäure<br />

H<br />

C<br />

O<br />

+ CO 3<br />

2-<br />

Abb. 25: Ruff-Abbau von Glucose<br />

Aldopentose<br />

Bromwasser ist genauso wie zweiwertiges Kupfer dazu in der Lage, die Aldehyd- in<br />

eine Carbonsäurefunktion zu überführen. Zusatz von Kalk liefert das Calciumsalz der<br />

Aldonsäure, das von H 2 O 2 in Gegenwart von Eisen(III)-Ionen unter Abspaltung von<br />

Carbonat zu einer neuen Aldose (hier: Arabinose) oxidiert wird, die eine gegenüber der<br />

Glucose um eine Einheit verkürzte Kohlenstoffkette aufweist. Die Studenten verfolgen<br />

die Reaktionssequenz mit der Fehlingprobe. Diese verläuft nach der Oxidation mit Brom<br />

erwartungsgemäß negativ und nach der Oxidation mit H 2 O 2 und dem Verkochen <strong>des</strong><br />

überschüssigen Oxidationsmittels positiv.<br />

Das Thema „grundlegende Reaktionen der Glucose“ wird abgeschlossen, indem<br />

bewiesen wird, dass Glucose ein fünfwertiger Alkohol ist: das Molekül kann nämlich an<br />

fünf Stellen mit Essigsäureanhydrid unter Ausbildung von Pentaacetylglucose und<br />

Essigsäure verestert werden. Damit wird exemplarisch gezeigt, wie Zuckerderivate<br />

hergestellt und Schutzgruppen eingeführt werden können.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die hier vorgestellten Reaktionen den<br />

Studierenden einige repräsentative Reaktionen der Glucose vermitteln. Dies sind<br />

gleichzeitig Standardreaktionen der Organischen Chemie (reduzierende Wirkung von<br />

Aldehyden, Glycolspaltung, Veresterung), die in je<strong>des</strong> OC-Grundpraktikum passen. Die<br />

zur Analytik der Glucose herangezogenen Verfahren sind den Auszubildenden schon<br />

aus ihrem Quantitativen Praktikum grundsätzlich bekannt. Didaktisch sinnvoll ist es,<br />

ihnen die Transferleistung abzuverlangen, die Iodometrie hier auch zur organischen<br />

Analytik heranzuziehen.<br />

Versuche mit Rohrzucker: Rohrzucker ist ein Disaccharid, in dem die beiden<br />

Monosaccharide Glucose (eine Aldose) und Fructose (eine Ketose) über eine<br />

glycosidische Bindung miteinander verknüpft sind. Da keine freie Aldehydfunktion<br />

vorliegt, zeigt der Stoff auch keine reduzierende Eigenschaft und die Fehlingprobe<br />

verläuft negativ.<br />

Zunächst wird den Studenten der Disaccharid-Charakter <strong>des</strong> Rohrzuckers dadurch<br />

bewiesen, dass das Molekül mit Salzsäure in die ihm zugrunde liegenden<br />

Monosaccharide gespaltet werden kann. Da die resultierende Glucose schlechter löslich


58<br />

ist als die Fructose, gelingt eine Trennung durch fraktionierte Kristallisation. Außerdem<br />

kann der Verlauf der Rohrzuckerspaltung qualitativ durch Dünnschichtchromatographie<br />

verfolgt werden.<br />

Die nächsten beiden Versuche befassen sich mit der Verbrennung bzw. Entwässerung<br />

<strong>des</strong> Rohrzuckers. Da Zucker ein wichtiges Nahrungsmittel ist, bietet es sich<br />

geradezu an, das aus dem Physikalisch-Chemischen Labor bekannte Bombenkalorimeter<br />

zur verbrennungskalorimetrischen Bestimmung <strong>des</strong> Heißwertes <strong>des</strong> Kohlenhydrats zu<br />

nutzen:<br />

C 12 H 22 O 11 + 12 O 2 → 12 CO 2 + 11 H 2 O ; ∆H = −5652,2 KJ/mol<br />

Wenn man Zucker unter Sauerstoffausschluss erwärmt, wird er entwässert, so dass<br />

Zuckerkohle übrig bleibt:<br />

n C 12 H 22 O 11<br />

⎯<br />

∆T<br />

⎯ → 12 C n + 11n H 2 O<br />

Die Entwässerung gelingt auch mit der stark hygroskopischen Schwefelsäure. Die<br />

Zucker/H 2 SO 4 -Mischung färbt sich erwartungsgemäß zuerst schwarz und schäumt dann<br />

auf. Dies ist verständlich, da der sechswertige Schwefel dazu in der Lage ist, den<br />

gebildeten Kohlenstoff zu oxidieren. Die Reaktionsprodukte CO 2 und SO 2 wirken als<br />

Treibgase. Die Zuckerkohle ähnelt der Aktivkohle, die u.a. auch aus Kohlenhydraten,<br />

z.B. Kokosnussschalen, bei hoher Temperatur und in Gegenwart wasserentziehender<br />

Stoffe (ZnCl 2 , H 3 PO 4 ) erzeugt wird und im Umweltschutz als Adsorbenz für Schadstoffe<br />

in Wasser und Luft eine große Rolle spielt. Die Zuckerkohle hat auch adsorbierende<br />

Eigenschaften, was daran zu erkennen ist, dass sie eine verdünnte Methylenblaulösung<br />

entfärben kann.<br />

Kohlenhydrate und Polymerchemie: Baumwolle, chemisch reine Cellulose, ist das<br />

wichtigste Polysaccharid und aus der Textilindustrie nicht mehr fortzudenken. Um den<br />

Studenten zu beweisen, dass der Grundbaustein die Glucose ist, wird eine saure<br />

Hydrolyse <strong>des</strong> Polymers vorgenommen und die Menge an entstandenem Monosaccharid<br />

mit einem Teststreifen halbquantitativ bestimmt.<br />

Weiterhin wird gezeigt, dass sich die Alkoholfunktionen der Cellulose im Sinne<br />

einer polymeranalogen Umsetzung genauso verestern lassen, wie die <strong>des</strong><br />

Monomerbausteins (s.o.). Es resultiert Cellulosetriacetat, ein wichtiger Kunststoff. Um<br />

das Praktikum methodisch zu bereichern, wird ein IR-Spektrum <strong>des</strong> Produktes<br />

aufgenommen und mit dem der Baumwolle und der Pentaacetylglucose verglichen.<br />

Gegenüber dem Spektrum der Cellulose fehlt in dem der Acetylcellulose die breite OH-<br />

Absorption zwischen 3000-3600 cm −1 , dafür ist - genau wie in Spektrum der<br />

Pentaacetylglucose - eine Carbonylfrequenz (Estergruppe) bei 1750 cm −1 dominant.<br />

Das zweite bedeutende Polysaccharid ist die Stärke, die im Praktikum aus<br />

Kartoffeln extrahiert und an ihrer charakteristischen Reaktion mit Iod identifiziert wird.<br />

Aus Stärke, die überwiegend aus wasserlöslicher, linearer Amylose und zu einem<br />

geringeren Teil aus unlöslichem, verzweigten Amylopektin besteht, lassen sich Folien<br />

gießen, die durchaus industrielles Interesse gefunden haben, weil sie im Gegensatz zu<br />

den meisten Kunststofffolien biologisch voll abbaubar sind (verrotten) und daher nach<br />

Gebrauch auf die Mülldeponie geworfen werden dürfen.<br />

Wie bereits erwähnt, liefert uns die Natur mit der Cellulose und Stärke unschätzbar<br />

wertvolle fertige Polymere. Mit den Monosacchariden schenkt sie uns außerdem<br />

Vorläufer für polymere Werkstoffe. Wegen der hohen Anzahl von OH-Gruppen eignen<br />

sich die Monosaccharide zunächst aber bestenfalls zum Vernetzen, d. h. Härten, von<br />

Polyurethanen oder Polyestern. Will man sie als Monomerbausteine nutzen, muss ihre


59<br />

hohe Funktionalität auf eine Bifunktionalität abgesenkt werden, denn nur bifunktionelle<br />

Stoffe können durch Kondensations- oder Additionsreaktionen mit geeigneten anderen<br />

zweiwertigen Stoffen lineare Kettenmoleküle aufbauen. Wichtige technische Synthesen<br />

dazu sind in Abbildung 26 gezeigt.<br />

Isosorbit kann als Diolkomponente bei Synthesen von Polyurethanen oder<br />

Polyestern eingesetzt, HMF wegen seiner noch vorhandenen Aldehydfunktion zu<br />

Kondensationsreaktionen mit Phenolen herangezogen oder nach Reduktion der<br />

Aldehyd- zur Alkoholgruppe wie der Isosorbit als Diolkomponente verwendet werden.<br />

Ökologisch vorteilhaft ist es, dass Isosorbit und HMF als bifunktionelle Moleküle<br />

auf Basis der nachwachsenden Zucker-Rohstoffe andere Diole wie Ethylenglycol oder<br />

OH-terminierte Oligoether, die aus der Erdölchemie stammen, oder den giftigen<br />

Formaldehyd substituieren und aus ihnen Polymere mit Eigenschaftsprofilen hergestellt<br />

werden können, die denen der klassischen Kunststoffe wie Polyethylenterephthalat oder<br />

Phenol-Formaldehyd-Harzen nicht viel nachstehen.<br />

OH<br />

C 6<br />

H 12<br />

O 6<br />

OH OH<br />

H 2 HO<br />

H +<br />

OH -2 H 2 O<br />

OH OH<br />

O<br />

O<br />

OH<br />

Glucose Sorbit Isosorbit<br />

HO<br />

HO<br />

O<br />

HO<br />

OH<br />

H +<br />

-3 H 2 O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

Fructose Hydroxymethylfurfural<br />

Abb. 26: Synthesen von Isosorbit und Hydroxymethylfurfural (HMF)<br />

Einfache Versuche zur Synthese von Sorbit, Isosorbit und HMF sowie zu<br />

Polymersynthesen damit sind in [37] beschrieben und passen in je<strong>des</strong> organische<br />

Praktikum, zumal die vorkommenden Reaktionstypen (Hydrierung, Eliminierung,<br />

Polykondensation und -addition) dort sowieso zum Standardprogramm gehören.<br />

Aus Zucker wird ein Vitamin: eine Ascorbinsäure-Synthese: Zucker finden in der<br />

Medizin seit langem als Infusionslösungen und ihre Oligomere, z. B. die Cyclodextrine,<br />

neuerdings zunehmend zur Verkapselung von Arzneimitteln Anwendung. Vorteilhaft ist,<br />

dass die Umhüllung <strong>des</strong> Wirkstoffes im menschlichen Körper rückstandlos zersetzt und<br />

der Stoff an der richtigen Stelle freigesetzt wird. Außerdem lassen sich aus Zuckern<br />

selbst Wirkstoffe herstellen, z. B. Ascorbinsäure aus Glucose.<br />

Die in Abbildung 27 gezeigte technische Synthese von Vitamin C wird im<br />

Praktikum erst auf der Stufe der käuflich erhältlichen L-Sorbose begonnen, denn die<br />

Reduktion von Glucose zu Sorbit ist den Auszubildenden aus dem oben beschriebenen


60<br />

Versuch zur Polymerchemie bereits bekannt und sollte <strong>des</strong>halb nicht wiederholt werden.<br />

Die bio-technologische Oxidation <strong>des</strong> Sorbits zur L-Sorbose ist mit den im Praktikum<br />

zur Verfügung stehenden Mitteln in der Regel nicht durchführbar.<br />

CH 2<br />

OH<br />

CH 2<br />

OH<br />

CH 2<br />

OH<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

C<br />

O<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

OH<br />

H 2<br />

/ Cat.<br />

97-99%<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

OH<br />

A. suboxydans<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

H<br />

C<br />

O<br />

CH 2<br />

OH<br />

CH 2<br />

OH<br />

D-Glucose D-Sorbitol L-Sorbose<br />

HO<br />

OH<br />

O<br />

HO<br />

OH<br />

OH<br />

Aceton<br />

H 2<br />

C<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

CH 2<br />

OH<br />

KMnO 4<br />

97-99%<br />

H 2<br />

C<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

C<br />

O<br />

OH<br />

H 2<br />

O / H +<br />

82%<br />

ß-L-Sorbofuranose DAS DAG<br />

CO 2<br />

H<br />

COOMe<br />

COOMe<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

C<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

MeOH, HCl<br />

75%<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

C<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

H 3<br />

CONa<br />

HO<br />

NaO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

C<br />

H<br />

OH<br />

HCl<br />

72%<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

CH 2<br />

OH<br />

CH 2<br />

OH<br />

CH 2<br />

OH<br />

2-Keto-L-gulonsäure<br />

O<br />

CH 2<br />

OH<br />

HO<br />

HO<br />

C<br />

C<br />

C<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

C H<br />

CH 2<br />

OH<br />

HO<br />

OH<br />

L-Ascorbinsäure<br />

Abb. 27: Modifizierte Vitamin C-Synthese nach Reichstein und Grüssner<br />

Die L-Sorbose liegt im Gleichgewicht mit ihrer cyclischen Form, der β-Sorbofuranose,<br />

vor. Vier ihrer OH-Gruppen werden zunächst durch Ketalisierung mit Aceton<br />

geschützt, um die primäre fünfte Alkoholgruppe mit KMnO 4 selektiv zur Carbonsäure<br />

oxidieren zu können. Die resultierende Diacetonketogulonsäure wird durch Kochen in


61<br />

Salzsäure unter Abspaltung der Schutzgruppen und Wasser und einer<br />

Ringschlussreaktion direkt in Ascorbinsäure übergeführt.<br />

Der Versuch ist für fortgeschrittene Studenten besonders reizvoll, weil er sie mit<br />

einer Vielzahl verschiedener Reaktionstypen und anspruchsvollen präparativen<br />

Methoden konfrontiert. Lösungsmittelrecycling ist selbstverständlich integraler<br />

Bestandteil <strong>des</strong> Versuches. Wässrige Versuchsreste können bedenkenlos weggeschüttet<br />

werden.<br />

Die Reinheit der erhaltenen Ascorbinsäure wird dünnschichtchromatographisch<br />

kontrolliert. Als Referenz lassen die Praktikanten eine Ware mit p. a. Qualität mitlaufen,<br />

die sie auch schon in der Quantitativen Analyse zur Maskierung von Schwermetallen<br />

verwendet haben. Wenn außerdem eine Probe einer Vitamintablette analysiert wird,<br />

erkennen die Studenten, dass diese in der Tat Vitamin C enthält.<br />

Aus Zucker wird Alkohol: die alkoholische Gärung: Das Praktikum zur Zuckerchemie<br />

wird mit einem Versuch zur alkoholischen Gärung abgeschlossen. Eine Glucoselösung<br />

wird mit Hefe versetzt und einige Tage gerührt:<br />

C 6 H 12 O 6<br />

⎯⎯⎯→<br />

Hefe<br />

2 CH3CH 2 OH + 2 CO 2<br />

Entweichen<strong>des</strong> Kohlendioxid wird in Natronlauge eingeleitet und acidimetrisch<br />

bestimmt. Zusätzlich wird der Fortgang der Reaktion verfolgt, indem halbtäglich eine<br />

Probe gezogen und diese mit einem Teststreifen auf ihren noch vorhandenen Gehalt an<br />

Glucose untersucht wird (s. o.).<br />

Fazit: Die Kohlenhydratchemie vermittelt den Studierenden viele grundlegende<br />

Verfahren der präparativen, analytischen und physikalischen organischen, der Polymerund<br />

Biochemie und thematisiert eine wichtige Klasse nachwachsender Rohstoffe. Die<br />

Versuche kommen mit toxikologisch unbedenklichen Rohstoffen aus, erzeugen keine als<br />

Sondermüll zu entsorgenden Abfälle und passen <strong>des</strong>halb besonders gut in eine<br />

ökologisch orientierte Chemieausbildung.<br />

2.8.2 Extraktion, Trennung und Charakterisierung von<br />

Blatt- und Möhrenfarbstoffen [39]<br />

Grüne Blätter und Möhren sind völlig harmlose Ausgangsstoffe, mit denen sich<br />

interessante Chemie machen lässt. Wir führen die Extraktion der Farbstoffe mit Ethanol<br />

bzw. Aceton durch und recyceln die Lösemittel durch Destillation am<br />

Rotationsverdampfer. Die säulenchromatografische Reinigung der Pflanzenfarbstoffe<br />

führen wir mit reinem Ethanol, also nicht wie in der Literatur häufig beschrieben mit<br />

Benzin/Alkohol-Mischungen durch. Vorteilhaft bei dieser Vorgehensweise ist, daß das<br />

Laufmittel problemlos zurück<strong>des</strong>tilliert werden kann. Dünnschichtchromatografische<br />

und UV/Vis-spektroskopische Untersuchungen schließen den insgesamt <strong>vielseitige</strong>n und<br />

in jeder Hinsicht umweltfreundlichen Versuch ab.


62<br />

2.8.3 Mineralien als Ausgangsstoffe für ein anorganisches Praktikum<br />

[40]<br />

Schmidkonz publizierte unlängst ein neues Konzept zum Arbeiten mit Mineralien im<br />

Chemieunterricht [41].Viele Mineralien sehen phantastisch aus. Da Menschen das, was<br />

sie als schön empfinden, in der Regel auch für schützenswert halten, ist es nicht von der<br />

Hand zu weisen, dass auch die von den anorganischen Naturstoffen begeisterten Schüler<br />

und Studenten in ihrem Umweltbewusstsein positiv beeinflusst werden. Wir haben uns<br />

<strong>des</strong>halb entschlossen, Experimente mit Mineralien in unser Anfängerpraktikum<br />

aufzunehmen, die vor allem die Bedeutung der Mineralien als Rohstoffe für die<br />

industrielle Chemie thematisieren. (Einige der folgenden Versuche lassen sich auch in<br />

Chemie-Leistungskursen einsetzen.)<br />

Die Experimente erwiesen sich in der Tat für die Auszubildenden als sehr<br />

motivierend. Eine Studentin, die sich mit der unten beschriebenen Chemie <strong>des</strong> Malachits<br />

beschäftigte, verbrauchte nur einen Teil ihres mineralischen Ausgangsmaterials und<br />

nahm den Rest <strong>des</strong> Halbedelsteins lieber mit nach Hause.<br />

Reinigen von Naturschwefel und Synthese von Natriumthiosulfat: Ein sehr einfacher<br />

Versuch ist die Gewinnung von reinem Schwefel aus Naturschwefel. Dazu kann<br />

entweder eine Vakuum-Sublimation durchgeführt werden, oder eine Extraktion mit<br />

Xylen und anschließender Kristallisation.<br />

Natriumthiosulfat, ein Standardpräparat in vielen Chemiepraktika und ein technisch<br />

wichtiger Stoff (Fixiersalz, Antichlor), läßt sich direkt aus Naturschwefel und<br />

Natriumsulfit-Lösung herstellen: Kochen der Mischung, Filtrieren und Kristallisieren<br />

liefert das gewünschte Produkt in guter Qualität und Ausbeute.<br />

S 8 + 8 Na 2 SO 3<br />

⎯→⎯ 8 Na2S 2 O 3<br />

Reines Natrium- und Magnesiumchlorid aus Stein- bzw. Meersalz und Gewinnung<br />

von Salzsäure: Aus Steinsalz kann reines NaCl gewonnen werden, indem das Rohsalz<br />

mit Wasser extrahiert und die gesättigte Sole zur Fällung <strong>des</strong> Salzes mit konzentrierter<br />

Salzsäure versetzt wird. In einem weiteren Versuch kann aus dem Rohsalz oder dem<br />

gereinigten Salz mit Schwefelsäure Chlorwasserstoff ausgetrieben und in Wasser<br />

absorbiert werden. Die Konzentration der so erhaltenen Salzsäure wird alkalimetrisch<br />

bestimmt.<br />

NaCl + H 2 SO 4 → HCl + NaHSO 4<br />

Salz aus dem Totem Meer, das einen hohen Massenanteil Magnesiumchlorid (9.4<br />

%) enthält, eignet sich, um die technische Hydroxidlaugung von Magnesium zu<br />

modellieren. Die wässrige Salzlösung wird mit Natronlauge auf pH 11-12 gebracht, um<br />

Magnesiumhydroxid auszufällen, das anschließend mit Salzsäure in sauberes<br />

Magnesiumchlorid umgewandelt wird.<br />

MgCl 2 (im Meerwasser) + 2 NaOH → Mg(OH) 2 + 2 NaCl<br />

Mg(OH) 2 + 2 HCl → MgCl 2 + 2 H 2 O<br />

Kupfer aus Kupferkies oder Malachit: Die hydrometallurgische Kupfer-Gewinnung<br />

lässt sich im Praktikum einfach nachstellen. Kupferkies wird zunächst in einer KHSO 4 -<br />

Schmelze aufgeschlossen. Nach Extraktion <strong>des</strong> Schmelzkuchens mit verdünnter<br />

Schwefelsäure und Abtrennen der Gangart sowie <strong>des</strong> entstandenen elementaren<br />

Schwefels liegt eine kupfer- und eisensulfathaltige Lösung vor, aus der elementares


63<br />

Kupfer mit Eisenpulver zementiert werden kann. Als Edukt für die nasschemische<br />

Kupfer-Gewinnung eignet sich auch Malachit (Aufschluss mit Schwefelsäure)<br />

KHSO oder H SO<br />

CuFeS 2 oder CuCO 3 ⋅Cu(OH) 2 ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯→<br />

4 2 4<br />

CuSO4 ⎯<br />

Fe<br />

⎯→<br />

Cu<br />

In der Industrie wird Kupfer alternativ carbothermisch gewonnen, indem<br />

Kupfersulfid zu Kupferoxid geröstet und anschließend mit Kohlenstoff reduziert wird.<br />

Die Durchführung einer Röstreaktion ist unserer Meinung nach für Chemieanfänger zu<br />

schwierig. Deshalb schlagen wir ein einfacheres Verfahren vor, bei dem Malachit durch<br />

Erhitzen in Kupferoxid überführt und dieses mit Holzkohle reduziert wird.<br />

CuCO 3 ⋅Cu(OH)<br />

∆T<br />

2 ⎯ ⎯ → 2 CuO + CO 2 + H 2 O<br />

CuO + C → Cu + CO<br />

Weiß- und Rotpigment aus Ilmenit und Eisenspat: Auch wesentliche Elemente der<br />

industriellen Pigment-Produktion lassen sich im Chemiepraktikum anschaulich<br />

vermitteln. Ilmenit wird mit KHSO 4 aufgeschlossen, um wasserlösliches Titanyl- und<br />

Eisen(II)-sulfat zu gewinnen. Bei pH 2-3 fällt wasserhaltiges Titanoxid aus, das<br />

anschließend thermisch zum Weißpigment entwässert wird.<br />

TiFeO 3 + 4 KHSO 4 ⎯⎯⎯⎯⎯→<br />

Schmelze<br />

TiOSO4 + FeSO 4 + 2 K 2 SO 4 + 2 H 2 O<br />

TiOSO 4 + 3 H 2 O → Ti(OH) 4 + H 2 SO 4<br />

Ti(OH)<br />

∆T<br />

4 ⎯ ⎯ → TiO 2 + 2 H 2 O<br />

Aus Eisenspat und Schwefelsäure kann lösliches Eisen(II)sulfat gewonnen werden.<br />

Nach Abtrennen der wasserunlöslichen Gangart wird das Filtrat mit Wasserstoffperoxid<br />

versetzt, um zweiwertiges Eisen zum dreiwertigen zu oxidieren, das dann mit<br />

Natronlauge als Eisen(III)-hydroxid ausgefällt und zu rostrotem Fe 2 O 3 entwässert wird.<br />

FeCO 3 + H 2 SO 4 → FeSO 4 + CO 2 + H 2 O<br />

2 FeSO 4 + H 2 O 2 + H 2 SO 4 → Fe 2 (SO 4 ) 3 + 2 H 2 O<br />

Fe 2 (SO 4 ) 3 + 6 NaOH → 2 Fe(OH) 3 + 3 Na 2 SO 4<br />

2 Fe(OH)<br />

∆T<br />

3 ⎯ ⎯ → Fe 2 O 3 + 3 H 2 O<br />

Aluminiumoxid und Thénards Blau aus Bauxit: Bauxit wird in einer NaOH-<br />

Schmelze aufgeschlossen und der Schmelzkuchen mit Wasser extrahiert. Der<br />

Natriumaluminat-haltige Extrakt wird mit Salzsäure auf pH 8 gebracht, um<br />

Aluminiumhydroxid auszufällen. Dieses kann vor dem Gebläsebrenner zu Al 2 O 3<br />

entwässert oder, mit einem Cobaltsalz gemischt, in den Spinell CoAl 2 O 4 überführt<br />

werden (vgl. Abb 13).<br />

Al 2 O 3 ⎯⎯⎯⎯→<br />

NaOH<br />

Na[Al(OH) 4] ⎯⎯⎯ pH 8 → Al(OH) 3<br />

2 Al(OH)<br />

∆T<br />

3 ⎯ ⎯ → Al 2 O 3 + 3 H 2 O<br />

2 Al(OH) 3 + Co(OH)<br />

∆T<br />

2 ⎯ ⎯ → CoAl 2 O 4 + 4 H 2 O<br />

Rinmanns Grün aus Zinkblende: Zinkblende ist der Rohstoff für die industrielle<br />

Chemie <strong>des</strong> Zinks. Das in der Technik durchgeführte Rösten <strong>des</strong> Erzes zur Gewinnung<br />

von ZnO und seinen Folgeprodukten (Zink, Zinksalze) ist apparatetechnisch aufwendig<br />

und lässt sich <strong>des</strong>halb im Anfängerpraktikum kaum realisieren. Durch Behandeln <strong>des</strong><br />

Erzes mit Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid kann hingegen auf recht einfache<br />

Weise lösliches Zinksulfat gewonnen werden. Anschließen<strong>des</strong> Fällen von basischem


64<br />

Zinkcarbonat, Mischen mit Cobaltchlorid und Erhitzen liefert ein Grünpigment vom<br />

Spinelltyp (vgl. Abb. 13).<br />

ZnS + 4 H 2 O 2 → ZnSO 4 + 4 H 2 O<br />

ZnSO 4 + Na 2 CO 3 → ZnCO 3 + Na 2 SO 4<br />

CoCl ,<br />

ZnCO 3 ⎯⎯⎯⎯⎯→<br />

2 ∆T ZnCo2O 4<br />

Silicagel und Zeolith aus Sand: Beim Soda/Pottasche-Aufschluss wird Sand in<br />

wasserlösliche Silicate überführt. Mit Salzsäure gehen diese in Kieselgel über, das durch<br />

Zentrifugieren isoliert werden kann.<br />

SiO 2 + 2 Na 2 CO 3 → Na 4 SiO 4<br />

Na 4 SiO 4 + 4 HCl → SiO 2 + 4 NaCl + 2 H 2 O<br />

Alternativ kann aus dem wässrigen Extrakt <strong>des</strong> Schmelzkuchens durch Zugabe einer<br />

Aluminatlösung (aus dem Bauxit-Aufschluss, s. o.) ein Alumosilicat ausgefällt werden.<br />

Dessen Austauschkapazität für Ca 2+ -Ionen wird bestimmt.<br />

n Na 4 SiO 4 + n Na[Al(OH) 4 ] → [NaAlSiO 4 ] n + 4n NaOH<br />

[NaAlSiO 4 ] n + 0.5n Ca 2+ → [Ca 0.5 AlSiO 4 ] n + Na +<br />

(vereinfacht)<br />

Branntkalk und Kalkhydrat aus Marmor oder Calcit: Eine vor allem für die<br />

Bauindustrie wichtige Reaktion lernen die Auszubildenden beim Brennen von Marmor<br />

oder Calcit kennen: Es entsteht Calciumoxid (Branntkalk), das sich mit Wasser in einer<br />

exothermen Reaktion zu Calciumhydroxid (Kalkhydrat) umsetzt.<br />

CaCO<br />

∆T<br />

3 ⎯ ⎯ → CaO + CO 2<br />

CaO + H 2 O → Ca(OH) 2<br />

Analytik: Die Auszubildenden sollten auch die große Bedeutung der analytischen<br />

Chemie für Gehaltsbestimmungen von Rohstoffen und Qualitätskontrollen von<br />

Produkten kennen lernen. Nur wenn qualitative und quantitative Zusammensetzungen<br />

eines Ausgangsstoffes bekannt sind, lassen sich diese in chemisch-technischen<br />

Verfahren einsetzen. Weiterhin ermöglicht erst die Kenntnis der Reinheit eines<br />

Erzeugnisses <strong>des</strong>sen Spezifizierung für Einsatz und Verkauf (vgl. 2.7.4). Im Rahmen<br />

eines Anfängerpraktikums eignen sich für die Verdeutlichung dieser Zusammenhänge<br />

z.B. die komplexometrische Ca-Bestimmung in Marmor oder Calcit, die<br />

komplexometrische Ca- und Mg-Bestimmung in Meersalz und gereinigtem MgCl 2 ,<br />

sowie die elektrogravimetrische Cu-Bestimmung in Malachit und daraus hergestelltem<br />

Kupfer. (Die Elektrogravimetrie entspricht gleichzeitig der Gewinnung von hochreinem<br />

Kupfer durch elektrolytische Raffination.)<br />

Ökologische Aspekte: Die hier vorgestellten Versuche vermitteln den Studierenden<br />

einen Einblick in die Methoden und Denkweisen der industriellen Anorganischen<br />

Chemie, sind präparativ anspruchsvoll und aus mehreren Gründen umweltfreundlich:<br />

Die Edukte sind Mineralien und keine Gefahrstoffe nach der Gefahrstoffverordnung, die<br />

Produkte finden an anderen Stellen im Praktikum Verwertung, und die Abwässer<br />

enthalten keine oder durch Fällung leicht zu entfernende Giftstoffe, so dass sie - nach<br />

Neutralisation - in den Ausguss gegeben werden können. Lediglich abfiltrierte<br />

Gangarten müssen deponiert werden. Die Experimente passen damit gut in das<br />

Gesamtkonzept einer ökologisch orientieren Chemieausbildung.


65<br />

2.9 Sicherheitsbelehrung mit Experimenten [42, 43]<br />

Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsbelehrung für Schüler sind vor allem<br />

Verätzungen mit Säuren und Laugen, Verbrennungsgefahren beim Arbeiten mit<br />

Heizquellen, Gefahren von Schnittverletzungen beim Umgang mit Glasgeräten,<br />

insbesondere Reagenzgläsern, Feuergefahr beim Experimentieren mit organischen<br />

Lösungsmitteln sowie Geruchsbelästigungen und deren Vermeidung anzusprechen.<br />

Untermauert mit den im folgenden vorgeschlagenen Experimenten kann die<br />

Sicherheitsunterweisung zu einer attraktiven Unterrichtsstunde werden, die den Schülern<br />

Gefahrenpotentiale und geeignete Schutzmaßnahmen glaubwürdig aufzeigt.<br />

Zusätzlich belebend wirken projizierte Cartoons zum Thema Arbeiten im Labor, z.<br />

B. aus [44]. In Leistungskursen kann ergänzend auch auf toxikologische Aspekte<br />

schulüblicher Chemikalien eingegangen werden.<br />

Verätzungen mit Säuren und Laugen: Säuren und Laugen können Hautproteine<br />

denaturieren bzw. spalten und daher eine kontaminierte Hautpartie verätzen. Dies lässt<br />

sich durch zwei einfache Experimente modellieren. Ein Reagenzglas mit Milch wird mit<br />

konzentrierter Salzsäure, ein anderes mit Natronlauge versetzt. Im ersten Fall koaguliert<br />

das Milcheiweiß, im zweiten Fall wird es aufgelöst. Beide Versuche sehen sehr<br />

unappetitlich aus, so dass es wohl jeder Schüler vermeiden möchte, dass Ähnliches mit<br />

seiner Haut oder seinen Augen passiert.<br />

Auch das Entstehen brauner Hautflecken beim Kontakt mit Salpetersäure kann man<br />

modellieren. Bei Zugabe von konzentrierter Salpetersäure zu Milch färbt sich das<br />

koagulierte Eiweiß orange-braun, bedingt durch die Nitrierung aromatischer<br />

Aminosäuren (Xanthoproteinprobe).<br />

Die wasserentziehende Wirkung von konzentrierter Schwefelsäure lässt sich durch<br />

die Bildung von Kohle beim Mischen von Haushaltszucker und der Säure eindrucksvoll<br />

demonstrieren. Für die Schüler ist es leicht einzusehen, dass auf die Haut getropfte<br />

Schwefelsäure der Haut auch Wasser entzieht, was zu hässlichen und schmerzhaften<br />

Brandblasen führt.<br />

Ein Wattetupfer, versetzt mit einem Tropfen konzentrierter Schwefelsäure bekommt<br />

schnell ein Loch. Dieser Versuch eignet sich dazu, den Schülern den Vorteil eines<br />

Kittels aufzuzeigen: besser diese Schutzkleidung geht kaputt, als die darunter liegende<br />

Kleidung oder sogar die Haut!<br />

Gefährliche Wärmetönung beim Verdünnen von Säuren und Laugen: „Erst das<br />

Wasser, dann die Säure - sonst passiert das Ungeheure“. Dies lässt sich gefahrlos (hinter<br />

einer Schutzscheibe) vorführen. In einem 500-mL-Einhalskolben werden 20 mL<br />

konzentrierte Schwefelsäure vorgelegt und über einen Tropftrichter mit Druckausgleich<br />

tropfenweise mit 20 mL Wasser versetzt, worauf es im Kolben brodelt und spritzt!<br />

In einem zweiten Versuch werden 20 mL Wasser in einem Trinkbecher aus<br />

dünnwandigem Polystyren, der in einem 1-L-Becherglas steht, vorgelegt und zügig mit<br />

20 mL konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Bedingt durch die Mischungswärme<br />

erweicht der Kunststoff, so dass der Becher zusammensinkt.<br />

Schließlich wird der Mischungsvorgang korrekt durchgeführt. In einem 100-mL-<br />

Becherglas werden 20 mL Wasser vorgelegt und magnetisch gerührt. Aus dem<br />

Messzylinder werden 20 mL konzentrierte Schwefelsäure in dünnem Strahl zulaufen<br />

gelassen. Gleichzeitig sollte der Temperaturanstieg auf ca. 110 °C mit einem<br />

Thermometer gemessen werden. (Die Reste aus den drei Versuchen werden gesammelt<br />

und als halbkonzentrierte Schwefelsäure weiterbenutzt.)


66<br />

Vor der Aggressivität heißer Natronlauge kann man durch folgen<strong>des</strong> Experiment<br />

besonderen Respekt gewinnen. In eine Alufolie (10 cm²) werden 10 NaOH-Pastillen,<br />

beträufelt mit 1 mL Wasser, schnell eingewickelt. Die Folie wird auf ein Uhrglas gelegt.<br />

Hinter der Schutzscheibe beobachtet man nach kurzer Zeit das Auszischen von<br />

Wasserdampf und Wasserstoff. Außerdem löst sich das Metall teilweise auf:<br />

2 Al + 2 NaOH + 6 H 2 O → 2 Na[Al(OH) 4 ] + 3 H 2<br />

Gefahr durch heißes Öl: In einem 2-L-Einhalskolben werden 20 mL Speiseöl (anstelle<br />

eines Silicon- oder Paraffinölba<strong>des</strong>) vorgelegt und auf 200-250 °C erwärmt. Dann<br />

werden über einen Tropftrichter mit Druckausgleich nur wenige Tropfen Wasser in das<br />

Öl getropft (Schutzscheibe). Es kommt zu heftigem Verspritzen, womit dem Schülern<br />

eine von Ölbädern, mit denen z. B. wassergekühlte Destillations- oder Rückflussapparaturen<br />

geheizt werden, ausgehende Gefahr verdeutlicht wird. Bestimmt fragt ein<br />

Schüler, ob es nicht auch zuhause beim Braten ratsam sei, eine Schutzbrille zu tragen!<br />

(Das Öl kann wiederverwendet werden.)<br />

Das Reagenzglas als Gefahrenquelle: Bei Schülerversuchen geht eine große Gefahr<br />

von Siedeverzügen beim Erhitzen im Reagenzglas aus. Deshalb sollte einmal im<br />

Vergleich vorgeführt werden, wie ein Reagenzglas falsch und richtig gefüllt und erhitzt<br />

wird. Zunächst wird ein Reagenzglas dreiviertel voll mit Wasser schräg an einem Stativ<br />

befestigt und mit untergestelltem Brenner erhitzt (Schutzscheibe). Nach kurzer Zeit<br />

spritzt der Inhalt aus dem Glas heraus, das dabei meistens zerspringt. Durch diese<br />

Demonstration lernen die Schüler vor allem, dass eine Reagenzglasöffnung niemals in<br />

Richtung auf eine andere Peron gerichtet sein darf! Anschließend wird das korrekte<br />

Arbeiten mit dem Reagenzglas gezeigt, indem dieses nur zu maximal einem Viertel<br />

gefüllt und in der Flamme ständig leicht geschüttelt wird.<br />

Die nächsten Experimente thematisieren die Gefährlichkeit von Über- und<br />

Unterdruck im Reagenzglas. Im ersten Versuch wird ein leeres Reagenzglas mit einem<br />

Gummistopfen verschlossen, am Stativ eingespannt und mit dem Brenner am unteren<br />

Ende kräftig erhitzt (Schutzscheibe). Der Überdruck baut sich ab, indem der Stopfen<br />

wegfliegt. Häufig passiert es aber auch, dass der Überdruck ein kleines Loch in das<br />

erweichende Glas bläst.<br />

Im zweiten Versuch wird ein leeres Reagenzglas mit durchbohrtem Siliconstopfen<br />

schräg am Stativ befestigt. Durch die Öffnung <strong>des</strong> Stopfens wird ein gebogenes Glasrohr<br />

gesteckt, das mit seinem anderen Ende in ein Gefäß mit Wasser mündet. Jetzt wird<br />

kräftig erhitzt (Schutzscheibe), womit z.B. eine Pyrolyse modelliert wird, bei der ein<br />

Gas entsteht und in einer geeigneten Lösung nachgewiesen wird. Nachdem keine<br />

Gasblasen mehr durch das Wasser blubbern, wird der Brenner entfernt. Der<br />

Experimentator tritt gleichzeitig zurück. Schon nach kurzem Abkühlen <strong>des</strong><br />

Reagenzglases entsteht darin ein ausreichender Unterdruck, so dass Wasser zurücksteigt<br />

und das immer noch heiße Glas zersprengt. Im Anschluss wird die richtige<br />

Vorgehensweise gezeigt. Zuerst wird die Verbindung zwischen dem heißen Reagenzglas<br />

und dem Gaseinleitungsrohr gelöst und dann der Brenner weggenommen. Alternativ<br />

kann auch eine Sicherheitswaschflasche zwischen Reaktionsgefäß und<br />

Absorptionsflüssigkeit geschaltet werden.<br />

Brennbare Lösungsmittel: Die Dämpfe zahlreicher organischer Lösungsmittel sind<br />

schwerer als Luft und können z.B. über eine Tischplatte „kriechen“ und sich <strong>des</strong>halb<br />

sogar an einer Flamme entzünden, die sich in einem deutlichen Abstand von der Quelle<br />

der Dämpfe, beispielsweise einer offenen Vorratsflasche oder einem Reaktionskolben,


67<br />

befindet. Dies lässt sich folgendermaßen demonstrieren. Ein Plastiktrichter mit<br />

angeschlossenem Gasschlauch (ca. 1 Meter) wird oben an einem Stativ befestigt. Am<br />

herunterhängenden Ende <strong>des</strong> Schlauches brennt im Abstand von 5-10 cm eine Kerze.<br />

Ein Wattetupfer wird mit Diethylether getränkt und in den Trichter gelegt. Nach einiger<br />

Zeit entzünden sich die Etherdämpfe am unteren Ende <strong>des</strong> Schlauches und brennen dort<br />

kontinuierlich ab. Als Versuchsvariante bietet sich folgende Vorgehensweise an. Die<br />

ethergetränkte Watte wird auf das obere Ende einer schräg aufgestellten Blechrinne<br />

(oder gefalteten Alufolie) gelegt. Am unteren Ende brennt die Kerze. Der abwärts<br />

strömende Etherdampf entzündet sich dort, und rasch breitet sich die Flamme über die<br />

ganze Rinne nach oben aus.<br />

Geruchsbelästigungen: Ein Becherglas mit einer stark riechenden Substanz, z.B.<br />

konzentrierte Ammoniaklösung, wird mitten in den Raum gestellt. Schon bald monieren<br />

die Schüler die Geruchsbelästigung. Mit derartigen Stoffen muss unter dem Abzug<br />

gearbeitet werden, <strong>des</strong>sen Wirkungsweise folgendermaßen nachempfunden werden<br />

kann. Über einen Trichter mit nachgeschalteter Waschflasche mit verdünnter<br />

Schwefelsäure und eine Wasserstrahlpumpe wird das entweichende NH 3 -Gas abgesaugt<br />

und in der Absorptionslösung neutralisiert.<br />

Beim Arbeiten im Reagenzglasmaßstab können Geruchsbelästigungen auch<br />

vermieden werden, indem die Gläser mit Aktivkohlestopfen [45] verschlossen werden.<br />

Von deren Effizienz sind die Schüler leicht zu überzeugen, indem man ihnen mit den<br />

Stopfen verschlossene Reagenzgläser mit z.B. konzentrierter Salzsäure oder<br />

Ammoniaklösung, schwefliger Säure, Aceton oder Ether reicht und sie um vorsichtige<br />

Geruchsproben vor und nach dem Lüften der Stopfen bittet. Eindrucksvoll ist es auch,<br />

zwei Reagenzgläser mit Ammoniak und Salzsäure nebeneinander zu halten und die<br />

NH 4 Cl-Rauchbildung zu beobachten, die sofort ausbleibt, nachdem die Gefäße mit<br />

Aktivkohlestopfen verschlossen wurden.<br />

Brandfördernde Stoffe: Beenden kann man die Sicherheitsbelehrung mit zwei<br />

motivierenden Schauversuchen, welche die Gefährlichkeit brandfördernder Stoffe, z. B.<br />

Kaliumchlorat beim Ansäuern oder Erhitzen, thematisieren (Abzug). Eine Mischung aus<br />

5 g trockenem Haushaltszucker, 5 g KClO 3 und 0.5 g Sr(NO 3 ) 2 wird auf eine feuerfeste<br />

Unterlage, auf der sich 0.5 mL konzentrierte Schwefelsäure befinden, gegeben. Nach<br />

kurzem Knistern bildet sich eine rote Stichflamme.<br />

Noch eindrucksvoller ist es, in einem Supremax-Reagenzglas 1 g KClO 3 zu<br />

schmelzen und einen Gummibären in die Schmelze zu werfen. Das „Tier“ verbrennt im<br />

hellen Feuerschein und unter heftigem „Fauchen“.<br />

Bei einer Sicherheitsbelehrung sollte auch ein Verständnis für die toxische Wirkung<br />

schulüblicher Chemikalien geweckt werden: Wieso ist ein Stoff giftig? Wie sieht eine<br />

Therapie aus, wenn es zu einer Vergiftung gekommen ist?<br />

Im folgenden werden einige Wechselwirkungen ausgewählter anorganischer<br />

Verbindungen und organischer Lösungsmittel mit dem menschlichen Organismus<br />

erläutert. Besonderer Wert wird dabei darauf gelegt, dass die diskutierten Zusammenhänge<br />

mit dem von den Schülern aus dem Chemieunterricht erworbenen Basiswissen<br />

verstanden werden können.<br />

Schwermetalle: Den Schülern ist bekannt, dass zahlreiche Schwermetallverbindungen<br />

mit Sulfid-, Hydroxid- oder Carbonatlösungen schwerlösliche Salze und mit Amminen<br />

oder Ammoniak stabile Komplexe bilden, z. B.


68<br />

Cu 2+ + S 2− → CuS<br />

Cu 2+ + 2 OH − → Cu(OH) 2<br />

Cu 2+ 2−<br />

+ CO 3 → CuCO 3 (meist basisches Carbonat)<br />

Cu 2+ + 4 NH 3 → [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />

Artverwandte Reaktionen spielen sich auch ab, wenn Schwermetallionen in einen<br />

lebenden Organismus eintreten. Hier liegen nämlich Biomoleküle mit Thiol-, Hydroxyl-,<br />

Carboxyl- und aminischen Funktionen vor, die ähnlich mit den aufgenommenen<br />

Schwermetallionen in Beziehung treten können wie die basischen Reagenzien in den<br />

angeführten Reaktionsgleichungen. Diese genannten Gruppen erfüllen als Strukturelemente<br />

wichtiger Biomoleküle lebenswichtige Aufgaben. So ist es einleuchtend, dass<br />

dies nach Komplexierung mit einem Metallion nicht mehr möglich oder beeinträchtigt<br />

ist.<br />

Das Prinzip der therapeutischen Behandlung ist recht einfach. Die Metallionen<br />

können aus der Komplexbindung mit den Biomolekülen abgelöst werden, wenn sie mit<br />

einem verabreichten Medikament eine stärkere Wechselwirkung eingehen als mit dem<br />

Biomolekül. Chelatkomplexbildner wie beispielsweise Ethylendiamintetraacetat sind<br />

hier die Medikamente der Wahl. EDTA ist den Schülern schon von der<br />

komplexometrischen Bestimmung von Metallionen, z. B. der Wasserhärte, her bekannt.<br />

Es resultiert ein ausgesprochen stabiler Komplex, weil das Ligandmolekül gleich<br />

mehrmals an das zu analysierende Kation anbindet.<br />

Abschließend zum Thema toxische Wirkung von Schwermetallen sei noch die<br />

chronische Vergiftung mit Blei angesprochen. Pb 2+ -Ionen lagern sich in der<br />

Knochensubstanz ab, wo sie die in vieler Hinsicht chemisch ähnlichen Ca 2+ -Ionen<br />

ersetzen:<br />

CaCO 3 + Pb 2+ → PbCO 3 + Ca 2+<br />

Diese Reaktion wird den Schülern leicht verständlich sein, wenn man ihnen die Fällung<br />

von Bleiionen mit Soda vorführt und außerdem etwas über das früher verwendete<br />

Malerpigment „Bleiweiß“ erzählt.<br />

Fluorid: Auch Fluorid-Ionen zerstören die Knochensubstanz. Sie verdrängen dort die<br />

Carbonationen nach folgender Reaktionsgleichung:<br />

CaCO 3 + 2 F −<br />

→ CaF 2 + CO 3<br />

2−<br />

Im Modellversuch versetzt man eine NaF- mit einer CaCl 2 -Lösung Sofort bildet sich ein<br />

weißer Niederschlag von Calciumfluorid. Dieses kommt als Flussspat auch in der Natur<br />

vor und ist Rohstoff für die gesamte Fluorchemie.<br />

Bei Unfällen mit Fluorid- oder bzw. Flusssäure(HF)-Lösungen ist schnelle Hilfe<br />

erforderlich. Die Fluorid-Ionen müssen durch Behandeln der benetzten Körperstellen<br />

mit einer Ca 2+ -haltigen Lösung (Calciumgluconat) in unlösliches CaF 2 übergeführt und<br />

so an der Diffusion durch Haut und Gewebe bis zu den Knochen gehindert werden.<br />

Mit dieser klassischen Fällungsreaktion lässt sich also sowohl die toxische Wirkung<br />

von Fluorid, als auch das Prinzip der Behandlung von Fluoridvergiftungen erklären.<br />

An dieser Stelle bietet es sich an, auf die Bildung und Vermeidung von Karies<br />

einzugehen [46]: Zucker wird von Mundbakterien zu Milchsäure abgebaut, die mit dem<br />

in der Zahnknochensubstanz enthaltenen CaCO 3 und 3Ca 3 (PO 4 ) 2 ⋅Ca(OH) 2 reagieren und<br />

dadurch den Zahn zerstören kann (Karies). Wenn die Zahnoberfläche hingegen mit einer<br />

CaF 2 -Schicht überzogen ist, bleibt der Zahn vor dem Angriff der Säure geschützt<br />

(Prophylaxe).


69<br />

Dazu ein Modellversuch: Am Abend vor der Unterrichtsstunde wird die Schale von<br />

einem halben Ei in eine gesättigte NaF-Lösung gelegt. An der Schalenoberfläche laufen<br />

folgende Austauschreaktionen ab:<br />

CaCO 3 + 2 NaF → CaF 2 + Na 2 CO 3 und Ca(OH) 2 + 2 NaF → CaF 2 + 2 NaOH<br />

In der Unterrichtsstunde wird die Schale aus der NaF-Lösung herausgenommen,<br />

abgespült und in 10%ige Milchsäurelösung gegeben. In einem Vergleichsversuch wird<br />

die andere Eierschalenhälfte, die nicht mit NaF präpariert wurde, in Milchsäure gelegt.<br />

An der gesamten Oberfläche der unbehandelten Eierschalenhälfte bilden sich rasch<br />

Gasbläschen (CO 2 ). Dies ist auf folgende Reaktion zurückzuführen:<br />

CaCO 3 + 2 HO 2 CCH(OH)CH 3 → Ca(O 2 CCH(OH)CH 3 ) 2 + CO 2 + H 2 O<br />

An der Oberfläche der mit NaF behandelten Eierschalenhälfte, an der sich praktisch<br />

keine Carbonationen mehr befinden, ist die Gasentwicklung hingegen erwartungsgemäß<br />

minimal.<br />

Säuren und Laugen: Nach Verschlucken von Säure, z. B. HCl, ist zunächst das Trinken<br />

von viel Wasser zwecks Verdünnung ratsam. Noch besser ist die Neutralisation z.B. mit<br />

Magnesia:<br />

MgO + 2 HCl → MgCl 2 + H 2 O<br />

Die Neutralisation darf hingegen nicht mit Soda oder Bicarbonat erfolgen, da<br />

freigesetztes CO 2 -Gas zu einer starken Schaumbildung (mit der Gefahr einer<br />

Perforation) im Körper führen würde!<br />

Auch bei der oralen Aufnahme von Laugen, z. B. Natronlauge, lässt man die<br />

betroffene Person zunächst viel Wasser und anschließend zur Neutralisation<br />

beispielsweise verdünnten Essig trinken:<br />

HAc + NaOH → NaAc + H 2 O<br />

Die Atemgifte Kohlenstoffmonoxid und Cyanid: Den Schüler ist bekannt, dass CO,<br />

das Produkt der unvollständigen Verbrennung von Kohle oder<br />

Kohlenstoffverbindungen, ein starkes Atemgift ist. Wenn ihnen außerdem im Chemieoder<br />

Biologieunterricht bereits die Bedeutung <strong>des</strong> Hämoglobins für den<br />

Sauerstofftransport aus der Luft in den Körper beigebracht wurde, wird ihnen die<br />

toxische Wirkung <strong>des</strong> CO leicht verständlich sein. CO bildet mit dem zweiwertigen<br />

Eisen im Hämoglobin einen mehr als 200mal stabileren Komplex als O 2 . Dies bedeutet,<br />

dass ein mit Kohlenstoffmonoxid blockiertes Hämoglobin für den Sauerstofftransport<br />

einfach nicht mehr zur Verfügung steht; die Atmung wird behindert und kommt bei<br />

hoher CO-Konzentration in der Luft schließlich ganz zum Erliegen.<br />

Eine Therapie muss schnell erfolgen, indem die mit CO vergiftete Person mit<br />

sauerstoffangereicherter Luft oder reinem Sauerstoff beatmet wird. Unter diesen<br />

Bedingungen liegt der Sauerstoff in einem so großen Überschuss vor, dass er das CO<br />

wieder von den Eisenzentralatomen <strong>des</strong> Hämoglobins verdrängt. Anders ausgedrückt:<br />

während das chemische Gleichgewicht zwischen dem CO- bzw. O 2 -komplexierten<br />

Hämoglobin bei hoher CO-Konzentration ganz auf der rechten Seite der obigen<br />

Reaktionsgleichung liegt (Vergiftung), erfolgt umgekehrt bei hoher O 2 -Konzentration<br />

eine Gleichgewichtsverschiebung nach links (Therapie).


70<br />

hohe CO-Konzentration<br />

Hb⋅Fe⋅O 2 + CO Hb⋅Fe⋅CO + O 2<br />

hohe O 2 -Konzentration<br />

Dieser Sachverhalt eignet sich dazu, in der Schulstunde die Diskussion <strong>des</strong><br />

Massenwirkungsgesetzes zu vertiefen.<br />

Cyankali ist den Schülern zumin<strong>des</strong>t aus den Romanen von Agatha Christie bekannt.<br />

Beim Verschlucken von KCN setzt die Magensäure die schwächere Blausäure frei,<br />

KCN + HCl → HCN + KCl<br />

die besonders schnell durch den Körper diffundiert und das dreiwertige Eisen in der<br />

Cytochromoxidase, einem wichtigen, dem Hämoglobin artverwandten Enzym in der<br />

Atmungskette unter Bildung eines stabilen Eisencyanokomplexes blockiert.<br />

(Eisencyano-komplexe können den Schülern in Form der Blutlaugensalze vorgestellt<br />

werden).<br />

Die Behandlung einer Cyanidvergiftung hat sehr rasch zu erfolgen. Sie basiert auf<br />

zwei chemisch einfachen Prinzipien. Noch freies Cyanid muss z. B. durch verabreichtes<br />

Thiosulfat oxidiert werden, wobei ein Schwefelatom auf das Cyanid übertragen wird, so<br />

dass dieses seine Eigenschaft als Ligandmolekül verliert.<br />

CN − + S 2 O 3<br />

2−<br />

→ SCN − + SO 3<br />

2−<br />

Bereits an die Cytochromoxidase gebundenes Cyanid muss von Eisen abgelöst werden.<br />

Dies geschieht durch Umkomplexierung, indem die Cyanid- auf z. B. in Form einer<br />

CoEDTA-Lösung verabreichte Cobalt-Ionen, die eine höhere Affinität zu dem Liganden<br />

besitzen als Eisen-Ionen, übertragen werden. Die Therapie wird zusätzlich durch<br />

Methämoglobinbildner (s.u.) unterstützt.<br />

Nitrit: Nachrichten über Nitrat im Gemüse oder Trinkwasser fordern den Lehrer dazu<br />

heraus, den Schülern die toxische Wirkung von Nitrit zu erklären, welches im Körper<br />

aus Nitrat entsteht. Der Stoff kann auf verschiedene Weise giftig wirken. Die<br />

Reaktionen von Nitrit mit Aminen (z.B. aus eiweißhaltiger Nahrung) in Gegenwart von<br />

Säure (z. B. Magensäure) unter Ausbildung von ihrerseits hochtoxischen Nitrosaminen<br />

sowie die Punktmutation von DNS-Basen durch Nitrit werden den Schülern mit ihren<br />

noch bescheidenen Grundkenntnissen der organischen Chemie nur schwer verständlich<br />

sein und daher hier nicht weiter erläutert werden. Lediglich die methämoglobinbildende<br />

Wirkung von Nitrit wird beschrieben.<br />

Diese beruht darauf, dass Nitrit vom sauerstoffhaltigen Hämoglobin unter Bildung<br />

von Nitrat und unter gleichzeitiger Erhöhung der Wertigkeit <strong>des</strong> Eisens oxidiert wird:<br />

2 Hb⋅Fe 2+ ⋅O 2 + NO 2 − + 2 H + → 2 Hb⋅Fe 3+ + NO 3 − + H 2 O<br />

Das dreiwertige Eisen im Hämoglobin (Methämoglobin) kann keinen weiteren<br />

Sauerstoff binden und steht damit für die Atmung nicht mehr zur Verfügung.<br />

Die Rückbildung zu normalem Hämoglobin erfordert ein geeignetes<br />

Reduktionsmittel (Fe 3+ + e − → Fe 2+ ), über das der menschliche Organismus in Form<br />

eines Enzyms, der sog. Methämoglobin-Reduktase, verfügt.<br />

Im Modellversuch wird einer FeSO 4 -Lösung etwas NH 4 SCN zugegeben. Die fast<br />

farblose Lösung wird nach Zugabe von KNO 2 tiefrot: Dies ist ein sicheres Indiz auf das<br />

Entstehen dreiwertigen Eisens. Mit Ascorbinsäure (Vitamin C) kann dieses wieder zu<br />

farblosem zweiwertigen Eisen reduziert und somit die „toxische Wirkung <strong>des</strong> Nitrits<br />

aufgehoben“ werden [47].


71<br />

Halogenierte Kohlenwasserstoffe: Aus der Diskussion der Ozonproblematik ist den<br />

Schülern bekannt, dass halogenierte Kohlenwasserstoffe umweltschädigende Stoffe sind.<br />

Auf das Wissen, dass die Verbindungen unter Einwirkung von Energie (Sonnenlicht) in<br />

Radikale zerfallen, die ihrerseits die Ozonzersetzung katalysieren, kann aufgebaut<br />

werden. Es wird den Schüler plausibel klingen, dass die halogenierten Kohlenwasserstoff<br />

auch im menschlichen Organismus, wo sie sich wegen ihrer fettlösenden<br />

Eigenschaften schnell verteilen, unter Mithilfe dort vorhandener Enzyme Dehalogenierungsreaktionen<br />

zu Radikalen unterliegen. Diese können z. B. unter<br />

Abstraktion von H-Atomen von Biomolekülen abreagieren und dabei wichtige<br />

Lebensfunktionen zerstören, gemäß folgendem Schema:<br />

CCl 4<br />

Enzym<br />

⎯⎯⎯⎯→ Cl 3 C• Cl 3 C-H<br />

↓<br />

Folgereaktionen unter<br />

Totalzerstörung <strong>des</strong> Biomoleküls<br />

Ethanol und Methanol: Ethanol ist gut wasserlöslich und verteilt sich <strong>des</strong>halb schnell<br />

im Körperwasser. Es wird enzymatisch zu Ethanal (Acetaldehyd)und dieses weiter zu<br />

Ethansäure (Essigsäure) oxidiert:<br />

CH 3 -CH 2 OH<br />

⎯<br />

Ox<br />

⎯→<br />

CH3-CHO ⎯<br />

Ox<br />

⎯→<br />

CH3-COOH<br />

Diese Reaktionssequenz ist für die Schüler leicht nachvollziehbar, da bekannte Stoffe<br />

und Stoffklassen (Alkohol, Aldehyd, Carbonsäure) auftauchen.<br />

Analog wird Methanol im Körper umgewandelt:<br />

CH 3 OH ⎯<br />

Ox<br />

⎯→<br />

HCHO ⎯<br />

Ox<br />

⎯→<br />

HCOOH<br />

Methanolvergiftungen kommen in der Regel durch Verwechslung von Ethanol mit den<br />

wesentlich toxischeren Methanol zustande. Der erste Metabolit Formaldehyd ist giftig,<br />

weil er besonders leicht mit funktionellen Gruppen der Proteine wie -NH 2 oder -OH zu<br />

Iminen bzw. Halbacetalen reagiert und die ursprünglichen Funktionen damit irreversibel<br />

zerstört.<br />

R-NH 2 + HCHO → R-N=CH 2 + H 2 O<br />

R-CH 2 OH + HCHO → R-CH 2 -O-CH 2 OH<br />

Bedeutender bei Methanolvergiftungen ist aber die Wirkung <strong>des</strong> zweiten<br />

Metaboliten, der Ameisensäure. Diese ist nur schwer ausscheidbar und führt wegen ihrer<br />

sauren Eigenschaft zu einer erheblichen Absenkung <strong>des</strong> pH-Wertes im Blut (Acidose).<br />

Die Therapie bei Methanolvergiftungen basiert auf einfachen chemischen Grundsätzen.<br />

Die Oxidation von Methanol läßt sich dadurch weitgehend unterdrücken, dass<br />

dem Patienten kontinuierlich etwas Ethanol verabreicht wird. Dieses ist leichter<br />

oxidierbar als Methanol. Die Konsequenz ist, daß das für die Oxidation verantwortliche<br />

Enzym ständig mit dem Abbau <strong>des</strong> nachgelieferten Ethanols beschäftigt ist und im<br />

wahrsten Sinne <strong>des</strong> Wortes keine Zeit hat, sich um den Abbau <strong>des</strong> Methanols zu<br />

kümmern (kompetitive Hemmung). Dieses kann dann abgeatmet werden. Bereits<br />

gebildete Methansäure wird durch Infusion geeigneter Basen im Sinne einer<br />

Neutralisationsreaktion abgefangen, z. B. gemäß:


72<br />

HCOOH + Na 2 HPO 4 → HCOONa + NaH 2 PO 4<br />

Wieso Methanolvergiftungen vor allem zur Erblindung führen, ist nicht genau bekannt.<br />

Ergänzende Versuche: Im Rahmen der Sicherheitsbelehrung für Studenten kann man<br />

vertieft auf die Therapie bei Schwermetallvergiftungen, z. B. <strong>des</strong> Kupfers (s. o.), Arsens<br />

oder Thalliums, eingehen [48].<br />

Bekannt geworden ist die Chelatkomplextherapie u. a. durch das als Antidot gegen<br />

den Kampfstoff Lewisit, ClCH=CHAsCl 2 , entwickelte 2,3-Dimercaptopropanol, genannt<br />

BAL (British Anti Lewisit).<br />

Heute wird bevorzugt das Natriumsalz der 2,3-Dimercaptopropansulfonsäure<br />

(DMPS) verwendet, welches besser wasserlöslich ist und <strong>des</strong>halb bessere galenische<br />

Eigenschaften aufweist. Andere gängige Medikamente in der Chelatkomplextherapie<br />

sind z. B. Ethylendiamintetraacetat (EDTA) und Penicillamin (s. Abb. 27).<br />

-<br />

H 2<br />

C CH CH H 2<br />

C CH CH 2<br />

(H 3<br />

C) 2<br />

C CH CO 2<br />

H O2 CCH<br />

2<br />

2<br />

N CH 2 CH 2 N<br />

SH SH OH SH SH OSO 3 Na SH NH -<br />

2<br />

O2 CCH 2<br />

BAL DMPS Penicillamin EDTA<br />

CH 2 CO 2<br />

-<br />

CH 2 CO 2<br />

-<br />

Abb. 27: In der Chelatkomplextherapie verwendete Ligandmoleküle<br />

Thalliumvergiftungen, z.B. mit dem klassischen Rattengift Tl 2 SO 4 , werden durch<br />

orale Gabe von Berliner Blau behandelt, einer Verbindung, die mit der bekannten<br />

Formel Fe III 4[Fe II (CN) 6 ] 3 nur unzureichend beschrieben ist. Das Eisen(III)-hexacyanoferrat(II)<br />

enthält nämlich sowohl stöchiometrisch als auch außerstöchiometrisch<br />

gebundene Kaliumionen, die gegen die vergleichbar großen Thallium(I)-Ionen ausgetauscht<br />

werden können. Der entstandene Komplex wird mit den Faeces ausgeschieden.<br />

Modellversuche im Reagenzglas:<br />

Wenn eine Eiweißlösung mit Kupfersulfat versetzt wird, entsteht die blaurote<br />

Lösung eines Einlagerungskomplexes (Biuretreaktion), der als Modell für ein vergiftetes<br />

Biomolekül angesehen werden kann. Bei Zugabe von Penicillamin oder DMPS werden<br />

die Kupferionen vom Protein entfernt. Es resultiert die rotbraune Lösung <strong>des</strong> Cu-<br />

Penicillamin- oder die gelbgrüne Lösung <strong>des</strong> Cu-DMPS-Komplexes:<br />

Eiwei<br />

+<br />

Kupfersulfat<br />

N<br />

R C<br />

HC<br />

O<br />

Cu<br />

O<br />

C<br />

C R<br />

N H<br />

Medikamente<br />

wie<br />

Penicillamin<br />

oder DMPS<br />

Eiweiß +<br />

(H 3 C) 2 C CH CO 2 H<br />

S NH 2<br />

Cu<br />

bzw.<br />

H 2 C CH CH 2<br />

S S OSO 3 Na<br />

Cu<br />

Die besondere Stabilität <strong>des</strong> As-BAL-Komplexes lässt sich dadurch demonstrieren,<br />

dass sogar das schwerlösliche Arsen(III)-sulfid mit BAL rasch in den weißen Komplex<br />

umgewandelt wird, bzw. dadurch, dass aus einer Arsenlösung, die außerdem das<br />

Ligandmolekül enthält, mit Schwefelwasserstoff kein Arsensulfid gefällt werden kann.<br />

Die Therapie bei einer Thalliumvergiftung lässt sich verdeutlichen, indem eine<br />

Tl 2 SO 4 -Lösung mit Berliner Blau behandelt wird. Im Filtrat lässt sich mit<br />

Natriumdiethyl-amidodithiocarbonat (DDTC) kein weißes Thalliumcarbat oder mit<br />

Kaliumiodid kein gelbes Thalliumiodid mehr fällen.


73<br />

Wegen der hohen Stabilität der entstandenen Schwermetallverbindungen können die<br />

Versuchsreste im Chemiepraktikum nicht aufbereitet, sondern müssen als Sonderabfall<br />

entsorgt werden. Dies passt an sich nicht in unser Konzept einer ökologisch orientierten<br />

Chemieausbildung. Aber mit dem Ziel, die Bedeutung der Chemie für die Gesundheit<br />

herauszustellen, und in Hinblick auf die Tatsache, dass in einer humanen Gesellschaft<br />

Gesundheitsschutz Vorrang vor Umweltschutz hat, halten wir es für vertretbar, mit sehr<br />

kleinen Mengen hochtoxischer Verbindungen zu experimentieren, auch wenn diese nicht<br />

recycelt, sondern lediglich korrekt entsorgt werden.<br />

2.10 Sonstige Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes und der<br />

Sicherheit<br />

2.10.1 Demonstrationsversuche zur Wasser-, Luft- und<br />

Bodenreinigung<br />

Gelegentlich halte ich für Schüler Experimentalvorlesung, z. B. wenn Leistungskurse<br />

unsere Fachhochschule besuchen oder am sog. Tag der offenen Tür. Einmal habe ich<br />

auch eine zweiwöchige Vortragsreise in den Großkreis Wittenberg unternommen und<br />

dort mehrere Schulen besucht. Ziel der Vorlesung ist es, den Schülern Verfahren <strong>des</strong><br />

technischen Umweltschutzes näher zu ringen, sie vom umweltbewussten Verhalten der<br />

chemischen Großindustrie zu überzeugen und somit zur Verbesserung der Akzeptanz<br />

der Chemie in unserer Industriegesellschaft beizutragen.<br />

Behandelt und im Experiment vorgeführt werden Methoden der Abwasserreinigung<br />

(Schwermetalleliminierung, Oxidation und Reduktion von Schadstoffen bzw. ihre<br />

Adsorption an Aktivkohle) und Luftreinhaltung (Gaswäsche, Aktivkohlefilter [49]).<br />

Bezüge zu technischen Prozessen (Erzaufbereitung, Beizen, Galvanisieren, Textilfärbung,<br />

Rauchgasentschwefelung, Synthesechemie unter Verwendung leicht verdampfender<br />

Lösungsmittel) werden hergestellt, wobei explizit betont wird, dass in der<br />

chemischen Industrie jeder Produzent im Sinne <strong>des</strong> Verursacherprinzips für seine<br />

Produktion, Produkte, Reststoffe und Abfälle haftet. Reaktionsgleichungen werden an<br />

die Tafel geschrieben, und kurz Parallelen zu bereits bekanntem Unterrichtsstoff<br />

gezogen. Außerdem wird den Schülern folgen<strong>des</strong> Skript ausgehändigt (s. Abb. 28).<br />

Wasser- und Luftreinhaltung<br />

Sicherlich hat die Chemie zur Umweltverschmutzung beigetragen. Genauso gewiß ist es<br />

aber auch, daß Umweltschutz ohne Chemie unmöglich ist, denn die meisten Verfahren<br />

zum Umweltschutz sind chemische. Im folgenden werden Standardmethoden der<br />

Wasser- und Luftreinhaltung vorgestellt, die auf klassischen chemischen Reaktionen und<br />

Prinzipien beruhen.<br />

Entfernung von Schwermetallionen aus dem Wasser<br />

Schwermetallionen können dem Wasser nach verschiedenen Methoden entzogen<br />

werden.


74<br />

Versetzt man beispielsweise eine Kupfersulfatlösung mit Natronlauge, so bildet sich<br />

schwerlösliches, türkisblaues Kupferhydroxid:<br />

CuSO 4 + 2 NaOH → Cu(OH) 2 + Na 2 SO 4<br />

Nachteilig ist, dass dieses sehr feinteilig und daher schlecht filtrierbar ist. Erst nach<br />

längerem Stehen oder Aufkochen wandelt es sich in schwarzes CuO um, das dann gut<br />

abtrennbar ist:<br />

Cu(OH) 2 → CuO + H 2 O<br />

Die Hydroxidfällung hat ihre Grenzen, wenn Komplexbildner im Wasser vorliegen,<br />

die die Schwermetallionen maskieren. In diesem Fall ist eine Sulfidfällung vorteilhaft,<br />

denn die Metallsulfide sind meistens schwerer löslich als die entsprechenden -<br />

hydroxide. Versetzt man z. B. die tiefblaue Lösung <strong>des</strong> Kupfertetramminkomplexes mit<br />

Natriumsulfid, so flockt schwerlösliches, schwarzes Kupfersulfid aus:<br />

CuSO 4<br />

NH ⎯⎯⎯→ 3<br />

[Cu(NH3) 4 ]SO 4<br />

Na S 2 ⎯⎯⎯→ CuS<br />

Nach Filtration resultiert ein farbloses Wasser, das aber noch nicht verworfen werden<br />

darf, denn es enthält noch das zuvor im Überschuss verwendete und giftige<br />

Fällungsmittel Na 2 S. Dieses kann mit Wasserstoffperoxid zu ungiftigem Sulfat oxidiert<br />

werden:<br />

Na 2 S + 4 H 2 O 2 → Na 2 SO 4 + 4 H 2 O<br />

Der Sachverhalt der Metallsulfidfällung und anschließender Sulfidbeseitigung lässt<br />

sich am Beispiel <strong>des</strong> Bleis in einem Eintopfverfahren demonstrieren. Aus einer<br />

Bleinitratlösung wird mit Natriumsulfid schwarzes Bleisulfid ausgefällt.<br />

Wasserstoffperoxid wandelt dieses in weißes, ebenfalls schwerlösliches Bleisulfat um:<br />

Pb(NO 3 ) 2<br />

Na S 2 ⎯⎯⎯→<br />

PbS<br />

HO ⎯⎯2 ⎯2→<br />

PbSO 4<br />

Nach Filtration kann das schadstofffreie Filtrat verworfen werden.<br />

Schwermetalle lassen sich dem Wasser auch durch Ionenaustausch entziehen. Gibt<br />

man eine Kupfersulfatlösung auf ein iminodiacetatgruppenhaltiges Austauscherharz, so<br />

werden die Cu 2+ -Ionen dort festgehalten und Na + -Ionen in die Lösung abgegeben. Das<br />

Eluat ist farblos und kann weggeschüttet werden. Die Kupferionen können mit<br />

Schwefelsäure wieder von der Säule abgelöst (Methode der Metallanreicherung), und<br />

der Ionenaustauscher abschließend mit Natronlauge in seine ursprüngliche Form<br />

gebracht und mit Wasser neutral gewaschen werden.<br />

R-CH 2 N(CH 2 CO 2 Na) 2 + CuSO 4 → R-CH 2 N(CH 2 CO 2 ) 2 Cu + Na 2 SO 4<br />

(R = Polystyren)<br />

R-CH 2 N(CH 2 CO 2 ) 2 Cu + H 2 SO 4 → R-CH 2 N(CH 2 CO 2 H) 2 + CuSO 4<br />

R-CH 2 N(CH 2 CO 2 H) 2 + 2 NaOH → R-CH 2 N(CH 2 CO 2 Na) 2 + 2 H 2 O<br />

Eine weitere Methode der Schwermetalleliminierung aus Wasser ist die<br />

Zementation. Versetzt man eine Kupfersulfatlösung mit Eisenpulver, so bildet sich<br />

elementares Kupfer, und das Eisen geht als Eisensulfat in Lösung.<br />

CuSO 4 + Fe → Cu + FeSO 4<br />

Das giftige und wertvolle Cu 2+ wird gegen das ungiftige und billige Fe 2+ im Wasser<br />

ausgetauscht, ein Beispiel dafür, wie Ökologie und Ökonomie sich komplementär<br />

ergänzen können.


75<br />

Entfernung von Oxidationsmitteln aus dem Wasser<br />

Starke Oxidationsmittel wie KMnO 4 oder NaOCl dürfen nicht ins Abwasser gelangen<br />

und müssen vorab reduziert werden. Dies kann z.B. mittels SO 2 oder H 2 O 2 erfolgen:<br />

2 KMnO 4 + 5 H 2 SO 3 → 2 MnSO 4 + K 2 SO 4 + 2 H 2 SO 4 + 3 H 2 O<br />

NaOCl + H 2 O 2 + H 2 O → NaCl + O 2 + 2 H 2 O<br />

Im ersten Fall wird violettes Permanganat in farbloses und ungiftiges MnSO 4<br />

übergeführt, im zweiten Fall entsteht harmloses Kochsalz. Die Chlorbleichlauge hat<br />

erwartungsgemäß nach der H 2 O 2 -Zugabe ihre bleichende Wirkung, z. B. auf den<br />

Farbstoff Methylorange, verloren.<br />

Entfernung organischer Wasserinhaltsstoffe<br />

Organische Wasserinhaltsstoffe lassen sich dem Wasser häufig durch Adsorption an der<br />

Oberfläche einer Aktivkohle entziehen. Versetzt man z.B. eine tiefrote Fuchsinlösung<br />

mit Kohlepulver, schüttelt und filtriert, so läuft ein farbloses Filtrat ab, das verworfen<br />

werden kann. Durch Waschen <strong>des</strong> Filterrückstan<strong>des</strong> mit Ethanol können das Fuchsin<br />

und die Kohle gleichzeitig recycelt werden. Das Filtrat ist eine alkoholische<br />

Fuchsinlösung.<br />

Methoden der Luftreinhaltung<br />

Wasserlösliche Gase lassen sich einem Luftstrom durch Gaswäsche entziehen, z. B.<br />

kann verdampfen<strong>des</strong> Ammoniakgas in einer Waschflasche mit Schwefelsäure unter<br />

Salzbildung festgehalten werden.<br />

2 NH 3 + H 2 SO 4 → (NH 4 ) 2 SO 4<br />

Organische Lösungsmitteldämpfe lassen sich in der Regel gut an einem<br />

Aktivkohlefilter adsorbieren. Leitet man z. B. Luft durch eine Waschflasche mit<br />

Ethanol, so wird das Lösungsmittel verdampft. In einem nachgeschalteten Turm mit<br />

gekörnter Aktivkohle wird der Alkohol festgehalten, was an einer Erwärmung<br />

(Adsorptionswärme) und einer Gewichtszunahme der Kohle zu erkennen ist. Durch<br />

Ausheizen der Kohle auf ca. 300 °C kann das oberflächlich gebundene Lösungsmittel<br />

<strong>des</strong>orbiert und ab<strong>des</strong>tilliert werden. Die Kohle ist damit gleichzeitig regeneriert.


76<br />

Versuchsaufbau: Luftreinhaltung durch Gaswäsche<br />

Versuchsaufbau: Luftreinhaltung durch Adsorption<br />

Abb. 28: Skript zur Experimentalvorlesung über Wasser- und Luftreinhaltung<br />

Fragebogen zur Lehrveranstaltung<br />

Im Anschuss an die Vorlesungen im Umkreis Wittenberg wurde ein Fragebogen an die<br />

Schüler verteilt. Gut ein Drittel der Schüler gab an, später studieren zu wollen. (Davon<br />

wiederum ein Drittel möchte ein naturwissenschaftliches Fach studieren.) Schon allein<br />

<strong>des</strong>halb war es sinnvoll, den Schülern einmal eine Vorlesung in Hochschulstil<br />

anzubieten. Etwa ein Drittel der Zuhörer hatte sich diese so vorgestellt, ein anderes<br />

Drittel ganz anders und das letzte Drittel hat keine Vorstellung, wie eine Vorlesung


77<br />

überhaupt abläuft. Der Vortrag war nach der Meinung der Schüler weder zu lang, noch<br />

zu schwierig, die vorgeführten Versuche waren einwandfrei zu erkennen, und das Skript<br />

wurde als gut bezeichnet.<br />

Von den vorgestellten Methoden der Wasser- und Luftreinhaltung kannte die eine<br />

Hälfte der Schüler fast keine, die andere Hälfte einige. 50 % der Schüler wünschen sich<br />

ausdrücklich eine Fortführung <strong>des</strong> Vorlesungsstoffes im Chemieunterricht.<br />

Auf die prüfungsähnlichen Fragen „Wie kann man Schwermetalle bzw. organische<br />

Stoffe aus dem Wasser entfernen“ und „Welche Möglichkeiten der Luftreinhaltung<br />

kennen Sie“ wurden konkret die Antworten „Fällen, Ionenaustausch, Zementation,<br />

Adsorption, oxidative Zerstörung, Gaswäsche und -adsorption“ erwartet. Im<br />

Durchschnitt wurden immerhin 54 % der möglichen Antworten genannt, so dass<br />

vorsichtig behauptet werden darf, dass das Vermitteln von Fachwissen über<br />

Umweltschutz durch Chemie einigermaßen gelungen ist.<br />

Gefragt nach anderen Umweltschutzaspekten als Wasser- und Luftreinhaltung,<br />

nannten die Schüler sehr oft „Abfallverminderung und -sortierung“, „Recycling“,<br />

„Energiesparen und alternative Energiequellen benutzen“, „FCKW’s vermeiden“,<br />

„Mehrwegsysteme benutzen“; gelegentlich „Erhalt der Landschaft (insbesondere <strong>des</strong><br />

Regenwal<strong>des</strong>) und der Artenvielfalt“, „Bodensanierung“. Die Schüler sind also über die<br />

großen ökologischen Probleme auf unsere Erde gut aufgeklärt, wissen, wie sie als<br />

Bürger selbst zum Umweltschutz beitragen können, und machten diesbezüglich auch<br />

konkrete Vorschläge, beispielsweise „Heizenergie sparen durch bessere Isolation der<br />

Hauswände“, „beim Einkaufen auf umweltfreundliche Produkte achten, z. B. biologisch<br />

abbaubare Reinigungsmittel oder chlorfrei gebleichtes Papier verwenden“, „weniger<br />

Autofahren, dafür lieber öffentliche Verkehrsmittel benutzen, Fahrgemeinschaften<br />

gründen, Radfahren oder häufiger zu Fuß gehen“.<br />

Die Schüler glauben, dass die chemische Industrie dem Umweltschutz nur<br />

mittelmäßig Rechnung trägt, die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz sieht die<br />

Hälfte der Schüler eher positiv, ein Drittel eher negativ und der Rest hat dazu keine klare<br />

Einstellung. Einige Kommentare zeugen von einem durchaus hohen Maß an<br />

Betroffenheit über und Sensibilität für Umweltprobleme. Eine Schülerin und ein Schüler<br />

hatten richtig erkannt, dass Umweltschutz primär eine Frage der Einstellung ist. Sie<br />

denken positiv, dass „das Bewusstsein <strong>des</strong> einzelnen Menschen für die Belange der<br />

Umwelt heute geschärft ist“ und dass „die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,<br />

insbesondere finanzielle Förderungen, zum Schutz der Umwelt sehr gut sind“. Ein<br />

andere Schülerin ist eher pessimistisch und sieht im „Grundcharakter <strong>des</strong> Menschen, der<br />

immer zuerst an sich und seinen eigenen Vorteil denkt und wenig Gemeinschafts- und<br />

Verantwortungs-bewusstsein hat“, kein gutes Vorzeichen zum Schutz der Umwelt.<br />

Wieder ein anderer Schüler argumentiert, daß „Geld die Welt regiert“ und meint<br />

vermutlich, dass der Umweltschutz, der - zumin<strong>des</strong>t in seiner nachgeschalteten Form -<br />

Unmengen an Finanzmitteln verschlingt, in einer auf Profitstreben basierenden<br />

Gesellschaft auf der Strecke bleiben muß. Sein Mitschüler dreht das Argument „Geld“<br />

gerade herum, sieht, dass „innovative Umweltschutz-Technologien neue Arbeitsplätze<br />

schaffen“, dass sich „mit dem Export der neuen technischen Verfahren - für die<br />

Deutschland immerhin weltweit Marktführer ist - viel verdienen lässt“, und beurteilt die<br />

Zukunft der Umweltschutzes daher positiv. Von einer Schülerin wird die Automobilindustrie<br />

als eine „umweltschädigende Lobby“ massiv angegriffen, der nur durch<br />

„starkes Eingreifen <strong>des</strong> Staates“ Einhalt geboten werden kann. Ein Schüler differenziert,<br />

„dass man für die Entwicklung in Deutschland noch hoffen könne, während sich in<br />

anderen Ländern (Motorisierung der chinesischen Bevölkerung, Abholzung <strong>des</strong><br />

Regenwal<strong>des</strong>) vermutlich Katastrophen anbahnen“. Interessant ist, dass eine Schülerin<br />

die Zukunft der Umwelt positiv beurteilt, weil „sich die Forschung zu ihrem Schutz


78<br />

stark entwickelt hat“. Offensichtlich hat sie erkannt, dass Forschung grundsätzlich eine<br />

wichtige und nützliche Investition in die Zukunft ist.<br />

Auf die Frage, ob die Vorlesung sie in ihrem Umweltbewusstsein beeinflusst habe,<br />

antworteten 41 % der Schüler mit „nein“, 36 % mit „weiß nicht“ und 23 % mit „ja“.<br />

Viele Schüler fühlten sich nicht beeinflusst, da „nur vom Umweltschutz seitens der<br />

Industrie gesprochen wurde“ und die „technischen Methoden den einzelnen Menschen<br />

persönlich überhaupt nicht berühren“. Von den positiv beeinflussten Schülern sei einer<br />

zitiert: „Umweltbewusstsein schließt auch das Wissen um technische Prozesse mit ein,<br />

von denen ich vorher noch nicht viel kannte. Obwohl der einfache Bürger diese<br />

Vorgänge nicht zuhause nachvollziehen kann, wird man doch zum Nachdenken<br />

angeregt. Man achtet mehr darauf, was man wegschüttet ...“.<br />

In der Tat beginnt der Umweltschutz in den Köpfen der Menschen, seine<br />

Realisierung erfordert die Hilfe der Technik, wobei die Chemie eine zentrale Rolle<br />

spielt. Dies sollte den Schülern vermittelt werden.<br />

2.10.2 Ein Umwelt-Praktikum für fortgeschrittene Studenten [50]<br />

Nicht alle Themen <strong>des</strong> Umweltschutzes lassen sich in die klassischen Praktika der<br />

Allgemeinen, Anorganischen und Organischen Chemie integrieren. Deshalb wurde an<br />

der Fachhochschule Darmstadt ein spezielles Umweltchemie-Praktikum konzipiert, das<br />

sich in drei Teile gliedert, die von Studierenden nach dem Vordiplom unabhängig<br />

voneinander als zweiwöchige Blockkurse durchgeführt werden können.<br />

Der erste Teil beinhaltet Modellversuche zur Luft- und Wasserreinhaltung, zum<br />

Metall- und Polymerrecycling und zur Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Der<br />

zweite Teil bringt den Studierenden einige analytische Standardmethoden zur Untersuchung<br />

von Umweltbelastungen nahe. Im dritten Teil schließlich werden<br />

Modellversuche und kleine Forschungsprojekte zum Thema Bodensanierung bearbeitet.<br />

2.10.2.1 Modellversuche zur Umweltchemie<br />

Vor Beginn <strong>des</strong> Praktikums müssen sich die Studenten z.B. anhand der Fachliteratur in<br />

verschiedene Themen <strong>des</strong> Umweltschutzes einarbeiten und darüber ein Kolloquium<br />

ablegen. Dann führen sie die im folgenden beschriebenen Versuche durch und recyclen<br />

ihre Versuchsreste bzw. entsorgen sie fachgerecht im Sinne <strong>des</strong> praktikumintegrierten<br />

Umweltschutzes, denn ein Umweltchemie-Praktikum wäre didaktisch wenig sinnvoll,<br />

wenn es selbst zur Umweltverschmutzung beitrüge. Abschließend schreiben die<br />

Studenten einen Bericht über die erzielten Ergebnisse.<br />

Luftreinhaltung: Die Methode der Wahl zur Entfernung anorganischer Gase aus einem<br />

Luftstrom ist die Gaswäsche. Die Studenten erzeugen z. B. Cl 2 (aus KMnO 4 und HCl),<br />

SO 2 (aus Na 2 SO 3 und H 2 SO 4 ), H 2 S (aus FeS und H 2 SO 4 ) oder NH 3 (aus NH 4 Cl und<br />

NaOH oder aus dem im anorganischen Grundpraktikum anfallenden [Cu(NH 3 ) 4 ]SO 4 ⋅<br />

H 2 O und NaOH) und absorbieren es in einer geeigneten Waschflüssigkeit (NaOH für<br />

Cl 2 , SO 2 und H 2 S, Bildung von NaOCl/NaCl, Na 2 SO 3 , Na 2 S; H 2 SO 4 für NH 3 , Bildung<br />

von (NH 4 ) 2 SO 4 ). Die absorbierte Gasmenge wird iodometrisch oder acidimetrisch<br />

bestimmt. In der Regel wird mehr als 95 % der theoretisch möglichen Gasmenge in der<br />

Waschlösung wiedergefunden, womit die Effektivität der Gaswäsche bewiesen ist.


79<br />

Cyanidentgiftung: Cyanide spielen in der Technik eine große Rolle, z. B. bei der Goldund<br />

Silberlaugung oder in der Galvanikindustrie. Freies Cyanid lässt sich mit H 2 O 2 glatt<br />

zerstören:<br />

KCN + H 2 O 2 → KOCN + H 2 O<br />

Es bildet sich zunächst das etwa tausendmal weniger giftige Cyanat, das dann langsam<br />

zu Carbonat hydrolysiert. Im Modellversuch lässt sich im Eindampfungsrückstand einer<br />

mit H 2 O 2 behandelten Cyankalilösung IR-spektroskopisch kein Cyanid mehr<br />

nachweisen. (Wir ziehen die IR-Spektroskopie zur Analyse heran, um das Praktikum<br />

methodisch zu bereichern.)<br />

Genauso gut lässt sich Cyanid mit Hypochlorit zerstören:<br />

− NaOCl<br />

HO<br />

CN ⎯⎯⎯ → ClCN ⎯ ⎯ 2 → OCN<br />

Probleme können dabei allerdings auftreten, wenn das cyankalihaltige Wasser zusätzlich<br />

gelöste organische Stoffe enthält, die vom intermediär gebildeten Chlorcyan chloriert<br />

werden können, so dass toxische Folgeprodukte entstehen. Am Beispiel der Behandlung<br />

einer resorcinhaltigen KCN-Lösung mit NaOCl erkennen die Studenten, daß zwar mit<br />

der Cyanidoxidation ein Umweltproblem gelöst, dafür aber ein anderes kreiert wird,<br />

denn das zuvor an chlororganischen Verbindungen freie Wasser enthält nun signifikante<br />

Mengen davon, was durch eine AOX-Messung bestätigt wird. Dies kommt der Umwelt<br />

insgesamt natürlich nicht zugute. Die Entgiftung der resorcinhaltigen KCN-Lösung mit<br />

H 2 O 2 ist also das eindeutig bessere Verfahren, da hierbei überhaupt keine<br />

Chlorierungsprodukte entstehen können.<br />

An Schwermetallionen gebundenes Cyanid erfordert häufig den Einsatz eines<br />

Katalysators, um mit H 2 O 2 oxidiert werden zu können. Dies wird folgendermaßen<br />

demonstriert: Versetzt man eine ZnCl 2 - oder CdCl 2 -Lösung mit Soda, so fallen die<br />

Metallcarbonate aus. Die Fällung bleibt erwartungsgemäß aus, wenn die Metallkationen<br />

zuvor mit Cyanidionen unter Ausbildung der Komplexe [M(CN) 4 ] 2− maskiert wurden.<br />

Gibt man zu den sodahaltigen Komplexlösungen H 2 O 2 , passiert zunächst nichts. Erst<br />

nach Zugabe eines Tropfens CuSO 4 -Lösung setzt spontan eine Carbonatfällung ein. Dies<br />

kann dadurch erklärt werden, dass Cyanidionen auf das zweiwertige Kupfer übertragen<br />

werden, welches in einwertiges unter gleichzeitiger Bildung von Dicyan übergeht.<br />

Dieses wird von H 2 O 2 weiter- und das einwertige Kupfer zu zweiwertigem rückoxidiert,<br />

womit der Katalysezyklus geschlossen ist.<br />

Die ausgefallenen Metallcarbonate werden abfiltriert und mit HCl in die<br />

Ausgangsverbindungen ZnCl 2 und CdCl 2 übergeführt, so dass kein zu entsorgender<br />

Giftmüll übrig bleibt.<br />

5 [M(CN) 4 ] 2− + 4 Cu 2+ ⎯→⎯<br />

5 M<br />

2+ + 4 [Cu(CN) 4 ] 3− + 2 (CN) 2<br />

5 M 2+ 2−<br />

+ 5 CO 3 ⎯→⎯<br />

5 MCO3 ↓<br />

2 (CN) 2 + 2 H 2 O 2 + 4 OH − ⎯→⎯<br />

4 OCN<br />

− + 4 H 2 O<br />

4 [Cu(CN) 4 ] 3− 2+<br />

+ 18 H 2 O 2 ⎯→⎯<br />

4 Cu + 4 OH − + 16 OCN − + 16 H 2 O<br />

_____________________________________________________________<br />

[M(CN) 4 ] 3− 2−<br />

+ 4 H 2 O 2 + CO<br />

Cu 2+<br />

3 ⎯⎯⎯→ MCO 3 ↓ + 4 OCN − + 4 H 2 O<br />

Fotochemische Abwasserbehandlung: Besonders schwer abbaubare Verbindungen<br />

wie chlorierte Kohlenwasserstoffe oder Metall-EDTA-Komplexe können nur mit sehr<br />

-


80<br />

drastischen Oxidationsmethoden wie z. B. mit Ozon, UV-Licht, H 2 O 2 , Fotohalbleitern<br />

sowie Kombinationen davon zerstört werden. Die Studenten führen dazu drei Modellversuche<br />

durch. Zunächst versuchen sie, CaEDTA 2- in einer sodahaltigen Lösung mit<br />

H 2 O 2 zu zerstören. Dies gelingt erst nach mehreren Stunden und ist an einer leichten<br />

Trübung der Reaktionsmischung durch ausfallen<strong>des</strong> CaCO 3 zu erkennen. Wenn die<br />

H 2 O 2 /CaEDTA 2- -Mischung aber in einem UV-Tauchlampenreaktor mit einem<br />

Quecksilber-Hochdruckbrenner bestrahlt wird, bilden sich aus H 2 O 2 OH-Radikale, die<br />

aufgrund ihres großen Oxidationspotentials von 2.8 V das komplexgebundene EDTA<br />

zerstören, wodurch die Maskierung <strong>des</strong> Calciums aufgehoben und die Kalksteinbildung<br />

schon nach kurzer Zeit sichtbar wird.<br />

Eine mit CH 2 Cl 2 gesättigte wässrige Lösung (bereitet durch Schütteln von Wasser<br />

mit CH 2 Cl 2 und anschließender Phasentrennung) wird mit H 2 O 2 versetzt und bestrahlt.<br />

Nach wenigen Minuten lässt sich die beginnende Mieralisierung <strong>des</strong> chlorierten<br />

Kohlenwasserstoffs dadurch beweisen, dass bei Zugabe von AgNO 3 -Lösung weißes<br />

AgCl ausfällt.<br />

Abschließend zum Thema fotochemische Abwasserbehandlung verfolgen die<br />

Studenten den Abbau der Wasserinhaltsstoffe Phenol oder p-Toluensulfonsäure in<br />

Gegen-wart <strong>des</strong> Fotohalbleiters TiO 2 (P 25, Degussa und durchgeleiteter Luft in Abhängigkeit<br />

von der Bestrahlungsdauer. Der chemische Sauerstoffbedarf der Lösungen ist<br />

nach vierstündiger Bestrahlung auf etwa 50% der Ausgangswerte gesunken. Nur noch<br />

ca. 20 % <strong>des</strong> ursprünglich eingesetzten Phenols ist vorhanden bzw. der theoretisch<br />

möglichen Menge Sulfat (Spaltung der p-Toluensulfonsäure) ist entstanden.<br />

Der Abbau kann folgendermaßen erklärt werden: Durch Einwirkung von UV-Licht<br />

werden Elektronen aus dem Valenzband <strong>des</strong> TiO 2 in das Leitungsband angehoben. Die<br />

dadurch im Valenzband entstehenden positiven Löcher werden durch Elektronen aus<br />

dem Wasser aufgefüllt, wodurch Wasserradikale und durch anschließende Dissoziation<br />

Protonen und OH-Radikale entstehen. Diese bauen die organischen Wasserinhaltsstoffe<br />

dann über mehrere Zwischenstufen zu CO 2 und H 2 O ab. Luftsauerstoff begünstigt den<br />

Prozeß, indem er die angeregten Valenzelektronen abfängt.<br />

Den Studenten wird klargemacht, dass die Versuche zum fotochemischen Abbau<br />

von CH 2 Cl 2 , Phenol und p-Toluolsulfonsäure lediglich Modellcharakter haben. Will man<br />

die Wässer vollständig und schnell entgiften, wird man sicherlich auf die Methode der<br />

Adsorption an Aktivkohle zurückgreifen. Diese nutzen die Praktikanten auch aus, um<br />

die Versuchsreste zu konditionieren. Nach zehnminütigem Rühren mit pulverförmiger<br />

Aktivkohle weisen die klaren Filtrate praktisch keinen CSB mehr auf.<br />

Rückgewinnung von Metallen: Zum Thema Metallrecycling wird aus einer<br />

Röntgenplatte Silber gewonnen [51]. Zunächst wird die silberhaltige Gelatineschicht mit<br />

NaOH von der Trägerfolie abgespült. Die feinteilige Silbersuspension wird gekocht, um<br />

das Silber zu koagulieren und danach abzusaugen und zu waschen. Das Rohsilber wird<br />

zwecks Reinigung mit HNO 3 zu AgNO 3 gelöst, mit HCl zu AgCl gefällt und dieses,<br />

suspendiert in NaOH, mit Formaldehydlösung zu reinem Silber reduziert. Das<br />

formaldehydhaltige Filtrat wird mit H 2 O 2 entgiftet.<br />

Polymerrecycling: Drei polymere Gegenstände <strong>des</strong> täglichen Lebens werden nach vier<br />

verschiedenen Verfahren aufbereitet, um den Studierenden einige der zahlreichen<br />

Möglichkeiten der Polymerverwertung aufzuzeigen.


81<br />

Eine Polyethylenterephtalat-Getränkeflasche wird in kleine Stücke geschnitten und<br />

mit alkoholischer NaOH gekocht. Die starke Base zerlegt den Polyester in seine<br />

Grundbausteine, und Terephtalsäure und Ethylenglycol können in hoher Ausbeute<br />

isoliert werden [52].<br />

Ein Polystyren-Joghurtbecher wird in Toluen gebracht, worin sich das<br />

Grundpolymer löst, die aufgedruckten Farben jedoch unlöslich sind. Nach Filtration<br />

erhält man eine farblose Polystyrenlösung. Diese wird in Wasser dispergiert und die<br />

Dispersion <strong>des</strong>tilliert. Ein Wasser/Toluen-Azeotrop geht über, wodurch dem Polystyren<br />

das Lösungsmittel entzogen wird, so dass es agglomeriert und im Destillationskolben<br />

zusammen mit überschüssigem Wasser zurückbleibt. Es kann leicht isoliert und<br />

getrocknet werden.<br />

Zeitungspapier wird nach dem De-Inking-Verfahren mit H 2 O 2 gebleicht. Es<br />

resultiert eine breiige Masse, die nach dem Ausstreichen und Trocknen wie<br />

Sanitärpapier aussieht.<br />

In einem zweiten Versuch wird Zeitungspapier mit H 2 SO 4 behandelt, wobei es durch<br />

hydrolytische Spaltung der glycosidischen Bindungen <strong>des</strong> Cellulose-Grundpolymers zu<br />

einer Verzuckerung kommt. Der Zuckergehalt der Reaktionslösung wird iodometrisch<br />

bestimmt.<br />

2.10.2.2 Umweltanalytik<br />

Ziel <strong>des</strong> Teilpraktikums Umweltanalytik ist, den Studenten mit der Atomabsorptionsspektrometrie,<br />

UV-VIS-Spektralfotometrie und Polarografie drei instrumentellanalytische<br />

Methoden vorzustellen, die oft bei Routineuntersuchungen von Umweltproben<br />

eingesetzt werden. Die AAS ist ein universelles Verfahren, das vorwiegend zur<br />

Serienbestimmung von Schwermetallen verwendet wird und sich durch Einfachheit und<br />

Universalität auszeichnet. Die UV-VIS-Spektralfotometrie, ein dafür ebenfalls<br />

altbewährtes Verfahren, wird insbesondere im theoretischen Zusammenhang mit der<br />

AAS betrachtet. Die Polarografie unterscheidet sich prinzipiell von den anderen beiden<br />

Verfahren, wird ebenfalls häufig angewendet und kann vor allem zur Bestimmung<br />

mehrerer Elemente nebeneinander eingesetzt werden.<br />

Nachdem die Studenten ein Kolloquium über die theoretischen Hintergründe der<br />

Verfahren und die Bestimmungsmethoden abgelegt haben, werden sie in die<br />

Gerätetechnik eingeführt und bestimmen dann überwiegend Schwermetalle im ppm-<br />

Bereich. Zunächst werden einfache wässrige Lösungen, z. B. von Cu oder Pb, mit Hilfe<br />

<strong>des</strong> Standard-Eichkurvenverfahrens analysiert und daran anschließend Proben mit<br />

komplizierter Matrix auf ihren Schwermetallgehalt untersucht. Diese sind Abwasserproben<br />

vom Ein- und Auslauf der institutseigenen Kläranlage oder der konditionierten<br />

Restlösungen aus der Qualitativen Analyse (s. 2.1.1), die mit Hilfe <strong>des</strong> Additionsverfahrens<br />

bestimmt werden. Ferner sind Löslichkeitsprodukte schwerlöslicher Schwermetallverbindungen<br />

durch Restkonzentrationsmessungen zu berechnen und mit den<br />

theoretischen Werten zu vergleichen. Dies dient dazu, den Studierenden die<br />

Möglichkeiten und Grenzen der Fällungstechnik bei der Abwasserklärung zu<br />

verdeutlichen.


82<br />

2.10.2.3 Bodensanierung<br />

In einem Umweltchemie-Praktikum darf der Lebensbereich Boden nicht ausgespart<br />

werden, insbesondere da in letzter Zeit immer mehr Altlasten aufgedeckt werden, die<br />

eine Reinigung <strong>des</strong> Bodens erforderlich machen. Dies kann nur dann effektiv geschehen,<br />

wenn die Kontaminationen und der Fortgang der Sanierungsschritte analytisch genau<br />

bestimmbar sind. Standardisierte Verfahren dazu gibt es bislang allerdings nicht.<br />

Differenzen in der Analytik belasteter Böden führten sogar zu erheblichen<br />

Unsicherheiten bezüglich berichteter Schadstoffwerte und der Bewertung <strong>des</strong><br />

Untersuchungsgutes. Ziel eines Projektes an der Fachhochschule Darmstadt ist es daher,<br />

die Genauigkeit der Analytik durch automatisierte Bodenextraktion zu verbessern.<br />

Zweiergruppen von Studenten bearbeiten innerhalb von jeweils zwei Wochen<br />

Teilaspekte <strong>des</strong> Forschungsvorhabens. Dies ist didaktisch sinnvoll, zumal es primäres<br />

Ziel der <strong>Hochschule</strong> ist, die Auszubildenden zu selbständigem Problemlösen zu<br />

befähigen.<br />

Untersucht werden Standardböden der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland (Braunerde,<br />

Podsol), die zunächst durch Beregnungen mit kondensierten Aromaten, z.B. Anthracen<br />

oder Pyren, halogenierten Kohlenwasserstoffen (Lösungsmitteln), BTX-Aromaten und<br />

Phenolen, organischen Säuren, Nitroaromaten, Aminen und Heterocyclen gezielt<br />

kontaminiert und (zwecks besserer Benetzbarkeit) vermahlen mit Inertstoffen wie<br />

Kieselgel, Na 2 SO 4 oder CaF 2 in die Säule einer präparativen Mitteldruckchromatographieanlage<br />

gegeben werden. Es wird mit einer weiteren Säule mit der stationären<br />

Phase (Kieselgel Lichroprep Si 60 oder Al 2 O 3 ) verbunden und z. B. mit einem<br />

Dioxan/Wasser-Gemisch, <strong>des</strong>sen Zusammensetzung durch einen Graduentenmischer<br />

kontinuierlich beginnend mit reinem Dioxan und endend mit reinem Wasser geändert<br />

wird, eluiert. Die Bodenkontaminationen werden dabei in Abhängigkeit von ihren<br />

Polaritäten eluiert: zunächst die unpolaren kondensierten Aromaten, polychlorierten<br />

Biphenyle oder Hexachlorbenzen, später die polaren Stoffe wie Nitrobenzen oder<br />

Phenol. Die Eluate werden mit einem Fraktionssammler gesammelt, die einzelnen<br />

Fraktionen dann mittels Chromatographie (GC-ECD), UV-Spektroskopie oder<br />

Fluoreszenzspektrometrie auf ihre Inhaltsstoffe untersucht. Diese können abschließend<br />

auf definierten Festphasen abgestufter Polarität resorbiert werden.<br />

Die Studenten variieren Art und Menge der Kontamination(en) und die Extraktionsparameter<br />

und vergleichen die Effizienz der automatisierten Bodenextraktion mittels<br />

MPLE mit der der konventionellen Soxhlet- und Schüttelextraktion (Extraktions-mittel<br />

Toluen). Die Gruppen sind darauf angewiesen, die Erfahrungen der Vorgängergruppe zu<br />

erfragen und weiterzuverwerten. Da sie sich in kurzer Zeit in die Gedankenwelt der<br />

Projektproblemlösung einarbeiten müssen, sollten sie bereits über ausreichen<strong>des</strong> handwerkliches<br />

Können und Wissen verfügen, sich also im fortgeschrittenen Stadium ihrer<br />

Ausbildung befinden. Gelegentlich gehen die Projektarbeiten auch direkt in eine<br />

Diplomarbeit über. Über die Ergebnisse schreiben die Studenten einen Bericht im Stil<br />

einer Publikation. Besonderer Wert ist dabei darauf zu legen, die Ergebnisse kritisch in<br />

den Gesamtrahmen <strong>des</strong> Projektes einzuordnen.<br />

Ergänzend zu den Projektarbeiten können die Studenten auch folgernde<br />

Modellexperimente zur Bodensanierung durchführen [53].<br />

Bodenluftabsaugung: In eine Waschflasche wird Boden gegeben, der zuvor mit<br />

Benzin, Chlorbenzen oder Dichlormethan gemischt wurde. Der Ausgang der Waschflasche<br />

wird an das untere Ende eines Rohres angeschlossen, das mit gekörnter<br />

Aktivkohle gefüllt ist. Am oberen Ende <strong>des</strong> Rohres wird ein Schlauch zur


83<br />

Wasserstrahlpumpe befestigt, mit deren Hilfe Luft durch den kontaminierten Boden<br />

gesaugt wird. Die verdampfenden Lösemittel werden an der Kohle adsorbiert, was an<br />

deren Gewichtszunahme und Erwärmung der Adsorptionsrohres (Adsorptionswärme)<br />

sowie Abkühlung der Wasch-flasche mit Boden (Verdunstungskälte) zu erkennen ist.<br />

Bereits nach 10 Minuten ist etwa die Hälfte <strong>des</strong> Benzins bzw. Chlorbenzens und das<br />

gesamte Dichlormethan vom Boden entfernt und an der Kohle adsorbiert. Letzte Reste<br />

Lösungsmittel abzusaugen ist hingegen sehr zeitaufwendig und vielleicht wegen der<br />

aufzubringenden Pumpleistung schon mit einer negativen Ökobilanz behaftet.<br />

Hier lohnt es sich, die Studenten für Sinn und Unsinn <strong>des</strong> Beseitigens letzter<br />

Schadstoffreste zu sensibilisieren. Wir enden mit dem Fazit, dass es global gesehen<br />

günstiger wäre, unterentwickelte Länder mit Min<strong>des</strong>tstandards <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />

auszustatten, als in den modernen Industrienationen Emissionsgrenzen für Schadstoffe,<br />

die schon sehr niedrig liegen, immer noch weiter herabzusetzen.<br />

Thermische Bodenreinigung:<br />

Durch Destillation: In einen Kolben mit Destillationsbrücke und Vorlage wird Boden,<br />

der zuvor mit Benzin, Dichlormethan oder Chlorbenzen gemischt wurde, gegeben. Mit<br />

einem Ölbad oder Heizpilz wird erwärmt, so dass die Bodenkontamination verdampft<br />

und im Kühler wieder kondensiert. Die Lösemittel werden zu über 90 % recycelt.<br />

Durch Sublimation: In einem Kolben mit Sublimationsrohr wird Boden, der zuvor mit<br />

Naphthalin gemischt wurde, vorgelegt. Unter leichtem Vakuum wird mit einem Ölbad<br />

oder Heizpilz erwärmt, so dass die Bodenkontamination fast quantitativ sublimiert und<br />

im Kühler resublimiert.<br />

Heißdampfstrippen: In einem Kolben mit Destillationsbrücke und Vorlage wird<br />

Sandboden, der zuvor mit Phenol verrieben wurde, vorgelegt und mit Wasser versetzt.<br />

Dann wird die Flüssigkeit weitgehend über<strong>des</strong>tilliert. Mit einem Küvettentest wird die<br />

mit dem Wasserdampf übergetriebene Phenolmenge (min<strong>des</strong>tens 90 % <strong>des</strong> ursprünglich<br />

im Boden enthaltenen Phenols) bestimmt.<br />

Bodenverbrennung: In einer Porzellanschale wird Sandboden, der zuvor mit Phenol<br />

kontaminiert wurde, mit Petrolether versetzt und unter dem Abzug verbrannt. Die<br />

Verbrennungsgase werden über einen Glastrichter und mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe<br />

in eine Waschflasche mit Natronlauge gesaugt. Die Waschlösung wird dann mit<br />

Schwefelsäure leicht angesäuert, einer Wasserdampf<strong>des</strong>tillation unterzogen und das<br />

Destillat auf Phenol untersucht. Da kein und nur sehr wenig Phenol gefunden wird, kann<br />

geschlossen werden, dass dieses verbrannt und nicht nur durch die Wärmeentwicklung<br />

beim Verbrennen <strong>des</strong> Petrolethers verdampft ist. Der verbrannte Boden wird einer<br />

Wasserdampf<strong>des</strong>tillation unterzogen und das Destillat auf Phenol untersucht. Es sind<br />

noch 10-20 % der ursprünglichen Phenolmenge vorhanden. (Wenn dem Boden nach<br />

dem Abbrennen der ersten Portion Petrolether eine zweite zugegeben und erneut<br />

verbrannt wird, ist das Phenol fast quantitativ entfernt.)<br />

Entfernen einer Kupferkontamination durch Bodenwäsche: Waldboden oder<br />

Blumenerde (Hinweis: mit Sandboden funktioniert der Versuch nicht, da dieser kaum<br />

über schwermetallkomplexierende Huminsäuren verfügt) wird mit CuSO 4 -Lösung<br />

verrührt und an der Luft getrocknet. Ein Drittel <strong>des</strong> Bodens wird mit Wasser, ein Drittel<br />

mit Salzsäure und das letzte Drittel mit EDTA-Lösung 10 Minuten gerührt. Dann wird<br />

filtriert. Das erste Filtrat ist farblos, das zweite grün, das dritte blau. Dies bedeutet, dass<br />

Wasser allein die in Boden komplexierten Kupferionen nicht auswaschen kann. Säure<br />

führt hingegen zur Solubilisierung der Schwermetallionen, hier unter Bildung eines


84<br />

Cu(II)-Chlorokomplexes, und EDTA reinigt den Boden unter Bildung <strong>des</strong> löslichen<br />

CuEDTA 2− .<br />

Immobilisierung einer Kupferkontamination: Sandboden wird mit CuSO 4 -Lösung<br />

gemischt und getrocknet.<br />

Vergleichsversuch: Die Hälfte <strong>des</strong> kontaminierten Bodens wird 10 Minuten mit Wasser<br />

gerüht. Dann wird filtriert. Schon die blaue Farbe <strong>des</strong> Filtrates beweist die<br />

Auswaschbarkeit der Kupferionen.<br />

Immobilisierungsversuch: Die andere Hälfte <strong>des</strong> kontaminierten Bodens wird mit einer<br />

Suspension von CaO und Zement in Wasser gemischt. Dann wird an der Luft<br />

getrocknet, das trockene Material zermörsert und 10 Minuten mit Wasser gerührt. Dann<br />

wird filtriert. Im farblosen Filtrat sind keine Kupferionen nachweisbar.<br />

2.10.3 Umweltfreundlichere Experimentalvorlesung für<br />

Studienanfänger (in [54])<br />

Die Chemieausbildung an der Fachhochschule Darmstadt beginnt mit ihrem praktischen<br />

Pflichtteil erst im zweiten Semester. Im ersten Semester steht schwerpunktmäßig die<br />

Experimentalvorlesung in Anorganischer Chemie auf dem Programm. Da es ein<br />

wichtiges Anliegen ist, den Auszubildenden umweltbewusstes Verhalten und<br />

Fachkenntnisse zum Thema Chemie und Umweltschutz beizubringen, habe ich als der<br />

die Vorlesung haltende Dozent eine ganz besondere Vorbildfunktion in der Hinsicht,<br />

dass auch ich mich konsequent an das Verursacherprinzip halten muss und für die<br />

Aufbereitung der von mir während der Vorlesung produzierten Reste aus über 70<br />

Versuchen hafte. Wie dies geschieht, wird im folgenden beschriebenen.<br />

Die meisten Versuchsreste sind ökologisch unbedenklich und können verworfen<br />

werden. (Dies ist auch in Hinblick auf den Zeitaufwand <strong>des</strong> Experimentators wichtig!)<br />

Z. B. wird die Wasserstoffgewinnung aus Salzsäure und einem unedlen Metall nicht<br />

mehr wie früher unter Verwendung von Zink sondern von Magnesium durchgeführt. Die<br />

resultierende MgCl 2 -Lösung ist ungiftig und kann kanalisiert werden, während die<br />

ZnCl 2 -Lösung früher Sondermüll darstellte.<br />

Giftige Reste werden möglichst direkt im Anschluss an die Versuche aufbereitet,<br />

womit ganz klar zum Ausdruck gebracht wird, dass Chemie und Umweltschutz<br />

untrennbar zusammengehören.<br />

Beispielsweise werden ausgefällte Schwermetallsulfide abfiltriert und das noch<br />

sulfidhaltige Wasser mit H 2 O 2 entgiftet und dann weggeschüttet. (Das Wegschütten<br />

eines nach dem Stand der Technik behandelten Versuchsrestes in Gegenwart der<br />

Auszubilden-den halte ich für erzieherisch wichtig: Es wird Vertrauen in die Chemie zur<br />

Lösung von Umweltproblemen geschaffen und Handlungskompetenz vermittelt.)<br />

Wenn direktes Aufbereiten der Versuchsreste nicht möglich ist, wird zunächst<br />

sortenrein gesammelt. Am Ende <strong>des</strong> Kurses findet eine spezielle<br />

Recycling/Entsorgungs-Stunde statt, in der alle angefallenen Reste auf den<br />

Experimentiertisch gestellt und den Zuhörern die durchgeführten Versuche in<br />

Erinnerung gerufen werden (Repetitorium). Dann werden Aufarbeitungsschritte<br />

durchgeführt und daran Prinzipien der Abwasser-reinigung und <strong>des</strong> Recyclings<br />

vermittelt. Lediglich einige abfiltrierte, kompakte Schlämme, jedoch keine Lösungen,<br />

müssen als Sondermüll entsorgt werden. Die den Methoden zugrundeliegenden<br />

chemischen Prinzipien sind den Zuhörern aus voran-gegangenen Vorlesungen bekannt.<br />

Sie werden jetzt in den Dienst <strong>des</strong> Umweltschutzes gestellt (Transfer).<br />

Beispielsweise wird Petrolether, mit dem zuvor Iod extrahiert wurde und der<br />

<strong>des</strong>halb violett gefärbt ist, mit Thiosulfatlösung ausgeschüttelt. Die danach farblose


85<br />

organische Phase wird abgetrennt und kann im nächsten Jahr wiederverwendet werden.<br />

Reste aus der Demonstration <strong>des</strong> Chromat-Dichromat-Gleichgewichtes werden mit<br />

überschüssigem FeSO 4 versetzt, um das hochgiftige sechswertige Chrom zu reduzieren<br />

und das resultierende mindergiftige dreiwertige Chrom anschließend gemeinsam mit<br />

dem Eisen als Hydroxid auszufällen. Nach Filtration wird das schwermetallfreie Filtrat<br />

weggschüttet. Reste von elementarem Silber werden mit Salpetersäure in<br />

wiederverwertbares Silbernitrat übergeführt. Dazu wird die in Abbildung 29 gezeigete<br />

Apparatur verwendet, mit der die entstehenden nitrosen Gase aufgefangen und<br />

unschädlich gemacht werden können.<br />

zur Wasserstrahlpumpe<br />

Waschlösung (10%ige NaOH und etwas H 2 O 2 )<br />

Reaktionsmischung (Silber und konzentrierte Salpetersäure)<br />

Abb. 29: Recycling von Silbernitrat und Luftreinhaltung durch Gaswäsche<br />

Überrascht sind die Studenten auch, wenn sie sehen, dass das Wasser der Kupfersulfatlösung,<br />

die zu Beginn <strong>des</strong> Semesters zur Untersuchung von Kristallisationsvorgängen<br />

benutzt wurden, inzwischen verdunstet ist, so dass die schönen Kupfervitriolkristalle nur<br />

zusammengekratzt und in ein Präparategläschen abgefüllt werden müssen, um im<br />

nächsten Jahr erneut zum Einsatz zu kommen.<br />

Wenige Reste, deren Aufbereitungen im Rahmen der Vorlesung technisch zu<br />

kompliziert sind oder zu lange dauern, werden in die Stoffflüsse <strong>des</strong> anorganischen<br />

Praktikums eingeschleust und dort weiterverarbeitet.<br />

Z. B. wird das in der Vorlesung durch Zementation gewonnene Kupfer bei einer der<br />

zahlreichen Kupferaufbereitungen im Grundpraktikum mit verwertet.<br />

2.10.4 Praktische Ratschläge zum sicheren und umweltgerechten<br />

Umgang mit alten Chemikalien in der Schule [55]<br />

Der Chemielehrer hat die wichtige Aufgabe, jungen Menschen die Chemie als eine<br />

Wissenschaft nahezubringen, die sich naturgemäß mit vielen Gefahrstoffen beschäftigt,<br />

dies aber besonders sicherheits- und umweltbewusst tut.<br />

Wie jeder Ausbilder, hat auch der Chemielehrer eine Vorbildfunktion. Nur wenn er<br />

alle beim Experimentieren verwendeten Gefäße mit Reagenzien ordnungsgemäß nach<br />

der Gefahrstoffverordnung beschriftet, persönlichen Arbeitsschutzmaßnahmen wie<br />

Tragen von Kittel, Schutzbrille und Handschuhen Rechnung trägt und anfallende<br />

Versuchsreste fachgerecht behandelt, kann er den Auszubildenden glaubhaft machen,<br />

dass Chemie, Sicherheit und Umweltschutz zusammenpassen und auch zusammen<br />

gehören.


86<br />

Zum idealen Chemieunterricht gehört es konsequenterweise auch, dass der<br />

Vorbereitungsraum und die Chemikaliensammlung in einem einwandfreien Zustand<br />

sind, selbst wenn die Schüler hierzu nur selten Zugang haben. Ungeeignete, unkorrekt<br />

verschlossene oder fehlerhaft bzw. unbeschriftete Flaschen mit Inhalt darf es nicht<br />

geben. Alle Chemikalien müssen sorgfällig sortiert sein, getrennt nach Feststoffen und<br />

Flüssigkeiten, Anorganika und Organika, Säuren und Laugen etc.. Sie müssen<br />

inventarisiert sein und dürfen nur den Chemielehrern der Schule zugänglich sein.<br />

Ähnliches gilt für die Geräte. Auch diese müssen tadellos, sauber und aufgeräumt sein.<br />

Von diesem paradiesischen Zustand träumt wohl jeder Lehrer, doch klafft zwischen<br />

Wunsch und Wirklichkeit meistens eine große Lücke.<br />

Da ist die Natriumstange, vor einem Jahr erst gekauft, jetzt von einer dicken<br />

Oxid-/Carbonat-Kruste überzogen. Der rote Phosphor ist im Laufe der Zeit klebrig<br />

geworden, das Zinkchlorid-Hydrat zerlaufen. Verdächtig ist es auch, dass die Flasche<br />

mit dem Etikett „konz. HCl“ gar nicht mehr so stechend riecht. Ob das H 2 O 2 noch<br />

brauchbar ist, oder das Fixierbad aus der letzen Foto-AG? In der Abzugsecke steht eine<br />

1-L-Polyethenflasche, unbeschriftet, noch fast voll mit einer türkisblauen Lösung. War<br />

das nicht die CuSO 4 -Lösung, die im letzten Leistungskurs für einen Elektrolyseversuch<br />

gebraucht wurde. Wie war noch die Konzentration der Lösung?<br />

Weitere Beispiele für die kleinen Überraschungen im Schullabor ließen sich<br />

mühelos nennen.<br />

Hier setzte ein von der Deutschen Bun<strong>des</strong>stiftung Umwelt gefördertes Projekt zum<br />

Umweltschutz im Chemieunterricht an Schulen an. Es werden Möglichkeiten<br />

vorgeschlagen, wie alte Chemikalien aus Chemiesammlungen mit schulischen Mitteln<br />

auf ihre Qualität hin untersucht, ggf. gereinigt und dann - mit einer Spezifikation<br />

versehen - zur Weiterverwendung freigegeben werden können.<br />

Damit soll zunächst einmal dem Verursacherprinzip Rechnung getragen werden:<br />

Der Lehrer bringt im Unterricht Chemikalien in den Verkehr, also haftet er auch dafür.<br />

Sicherlich besteht die Möglichkeit, die angefallenen Reste nach bestimmten<br />

Kategorien zu sortieren und der Sondermüllentsorgung zu übergeben. Dies ist in den<br />

meisten Fällen die niedrigste Stufe <strong>des</strong> Umweltschutzes. Da der Lehrer es seinen<br />

Schülern beibringt, dass das direkte Verwerten von Resten heute vor dem stofflichen<br />

Recycling und dieses wiederum vor der Entsorgung rangiert, sollte er auch selbst<br />

entsprechend mit seinem angegammelten Natrium, der angebrochenen Salzsäure oder<br />

Kupfersulfatlösung verfahren.<br />

Dies spart zusätzlich Kosten für die Entsorgung und die Anschaffung neuer<br />

Chemikalien.<br />

In Anbetracht <strong>des</strong> hohen Lehrdeputats und der vielen sonstigen Verpflichtungen ist<br />

es auf jeden Fall verständlich, dass ein Lehrer den im folgenden beschriebenen,<br />

manchmal nicht unerheblichen Aufwand zur Aufbereitung und Qualitätskontrolle alter<br />

Chemikalien scheut.<br />

In dem Fall kann er „die Flucht nach vorne antreten“, „aus der Not eine Tugend<br />

machen“ und die Arbeiten geschickt in den Unterricht verlagern. Beispielsweise kann er<br />

seine alte Salzsäure titrieren, wenn er sowieso die Alkalimetrie behandelt. Er nutzt damit<br />

die Chance, den Schülern zu demonstrieren, dass das maßanalytische Verfahren nicht<br />

nur theoretisch interessant ist, sondern auch in den Dienst <strong>des</strong> Umweltschutzes gestellt<br />

werden kann, hier nämlich, um aus einer Altchemikalie eine Wertchemikalie zu machen.<br />

Sehr eindrucksvoll ist es für die Schüler sicherlich auch, wenn im Anschluss an die<br />

Besprechung der Schwarz-Weiß-Fotografie aus dem verwendeten Fixierbad elementares<br />

Silber recycelt wird. Hier lässt sich die Aufarbeitung eines Versuchsrestes ganz<br />

zwanglos damit verbinden, den Schülern die Fotobranche als Vorreiter sowohl der<br />

Aufbereitung schwermetallhaltiger Abwässer, als auch <strong>des</strong> Recyclings von Metallen


87<br />

vorzustellen, und ihnen gleichzeitig zu vermitteln, wie Ökonomie und Ökologie sich<br />

sinnvoll ergänzen können. Denn bei dem Versuch wird ein Wertstoff gewonnen und<br />

gleichzeitig ein Abwasser entgiftet. Nicht hoch genug einzuschätzen ist es schließlich,<br />

dass die Schüler unwillkürlich mitbekommen, dass Chemie und Umweltschutz<br />

irgendwie zusammen gehören.<br />

Besonders gut lassen sich Recyclingmethoden und solche der Qualitätskontrolle in<br />

Arbeitsgemeinschaften oder an Projekttagen verwirklichen. Kurz: mit etwas Phantasie<br />

wird jeder Lehrer einen Weg finden, wie aus der auf den ersten Blick lästigen<br />

Aufbereitung von Altchemikalien ein inhaltlicher, methodischer und didaktischer<br />

Gewinn für seinen Unterricht erzielt werden kann.<br />

Von den zahlreichen „Praktischen Ratschlägen“, die wir publiziert haben, seinen<br />

hier exemplarisch nur einige angeführt.<br />

Reste von rotem Phosphor: Wenn Phosphor nicht luftdicht verschlossen aufbewahrt<br />

wird, bildet sich an seiner Oberfläche allmählich P 4 O 10 . Dieses bekanntermaßen sehr<br />

hygroskopische Oxid zieht Luftfeuchtigkeit an und geht dabei in Oligo- und<br />

Polyphosphorsäuren und schließlich in ortho-Phosphorsäure über, die das gesamte<br />

Material verkleben, so dass es sich bei den geplanten Verbrennungsversuchen nur noch<br />

schwer oder gar nicht mehr entzünden lässt. Die Aufbereitung eines pampigen roten<br />

Phosphors ist recht einfach. Er wird mit Wasser gewaschen, ggf. in einer Reibschale mit<br />

Wasser verrieben, um die Phosphorsäuren abzulösen. Der Phosphor wird abgesaugt und<br />

im Exsikkator im Vakuum über wasserfreiem CaCl 2 getrocknet. Der trockene Phosphor<br />

ist pulvrig, wird in einem gut verschlossenen Glasgefäß aufbewahrt und ist im Unterricht<br />

wieder universell einsetzbar.<br />

Silbergewinnung aus gebrauchten Fixierbädern: Ein gebrauchtes Fixierbad wird mit<br />

überschüssiger Natriumdithionit-Lösung versetzt. Es entstehen Natriumsulfit und<br />

elementares Silber, das sich langsam am Boden <strong>des</strong> Reaktionsgefäßes absetzt. Die<br />

Vollständigkeit der Reaktion wird geprüft, indem 1 mL <strong>des</strong> überstehenden Wassers<br />

entnommen und mit einem Tropfen Na 2 S-Lösung versetzt wird. Es darf sich kein<br />

grauschwarzes Silbersulfid bilden. Sonst muss weiteres Na 2 S 2 O 4 zu dem Fixierbad<br />

gegeben werden. Das Silber wird abfiltriert, gründlich mit Wasser gewaschen und weiter<br />

verwendet, z. B. mit HNO 3 in AgNO 3 übergeführt. Das silberfreie Filtrat wird<br />

weggeschüttet.<br />

Aufbereitung zerflossener bzw. steinharter Salze: Salzhydrate wie CaCl 2 ⋅6H 2 O oder<br />

MgCl 2 ⋅6H 2 O oder stark hygroskopische Salze wie ZnCl 2 oder NH 4 OAc neigen dazu, im<br />

Laufe der Zeit zu zerfließen. Der Direkteinsatz derartig matschiger Materialien ist zwar<br />

möglich, aber wenig motivierend. Besser ist es daher, die zerlaufenen Massen mit<br />

möglichst wenig Wasser vollständig aufzulösen, die Lösungen in passende Messkolben<br />

zu spülen und diese bis zur Eichmarke aufzufüllen. Cu(NO 3 ) 2 ⋅3H 2 O bildet bei langen<br />

Stehen häufig eine steinharte Masse, die aus dem Vorratsgefäß kaum herausgekratzt<br />

werden kann, die gelegentlich sogar das Vorratsgefäß sprengt. Auch hier ist es das<br />

Beste, das Salz aufzulösen und die Lösung in einem Messkolben auf ein definiertes<br />

Volumen zu bringen. Nach ihren Gehaltsbestimmungen können die Lösungen verwendet<br />

werden.<br />

Lösungen mit begrenzter Haltbarkeit: Schweflige Säure verliert in nicht vollständig<br />

dichten Flaschen durch Ausdampfen von SO 2 und Oxidation mit Luftsauerstoff zu<br />

Schwefelsäure an Gehalt. Wenn kein stechender Geruch mehr vorhanden ist und


88<br />

Iod/Kaliumiodid/Stärke-Lösung nicht entfärbt wird, ist die Lösung unbrauchbar und<br />

wird ins Abwasser gegeben. Eine Chlorbleichlauge zersetzt sich im Laufe der Zeit zu<br />

NaCl und Sauerstoff. Wenn 3 mL einer mit Schwefelsäure angesäuerten Methylorange-<br />

Lösung durch 1 mL der Lauge nicht mehr entfärbt (gebleicht) wird, ist diese<br />

unbrauchbar und wird ins Abwasser gegeben. Wasserstoffperoxid zersetzt sich<br />

allmählich zu Wasser und Sauerstoff. Als Funktionstest eignet sich folgende<br />

Vorgehensweise: In einem 50-mL-Becherglas wird eine Spatelspitze Braunsteinpulver<br />

vorgelegt und tropfenweise mit der zu prüfenden Lösung versetzt. Kommt es zu keiner<br />

oder nur zu einer sehr schwachen Gasentwicklung, so ist die Lösung nicht mehr zu<br />

gebrauchen und wird weggeschüttet.<br />

2.10.5 Ökologische Aspekte im Quantitativen Praktikum [56]<br />

Das Konzept <strong>des</strong> neuen, bis auf wenige Feststoffe abfallfreien Praktikums basiert auf<br />

folgenden Überlegungen:<br />

• Hauptziel der Quantitativen Analyse ist das Erlernen analytischer Methoden,<br />

Arbeitstechniken und Denkweisen, weniger (wie in der Qualitativen Analyse) das<br />

Kennenlernen von Stoffen, ihrer Eigenschaften und Reaktionen. Die Versuche<br />

können daher häufig mit ungiftigen oder zumin<strong>des</strong>t leicht zu entsorgenden oder zu<br />

recyclierenden Chemikalien durchgeführt werden, ohne dass methodische und<br />

affektive Lernziele beeinträchtigt werden (Ersatzstoffprinzip).<br />

• Unverbrauchte Proben- und Maßlösungen werden an die Analysenausgabe<br />

zurückgegeben und auf Wiedereinsetzbarkeit geprüft (Verwertungsprinzip).<br />

• Anfallende Reste werden getrennt gesammelt. Feststoffe können - wenn ausreichende<br />

Mengen zusammengekommen sind - weiterverwendet oder in gängige<br />

Ausgangschemikalien rückverwandelt werden (Recycling; dies erfolgt in der Regel<br />

im Anorganisch-Präparativen Praktikum). Filtrate und Reaktionslösungen werden<br />

weiterbehandelt. Die nötigen Verfahrensschritte sind für die jeweiligen Inhaltsstoffe<br />

maßgeschneidert (Entsorgung).<br />

• Die Studenten führen die Aufarbeitungs- und Entsorgungsarbeiten selbst durch<br />

(Verursacherprinzip). Dafür ist ausreichend Zeit reserviert.<br />

Im folgenden wird das Konzept <strong>des</strong> Praktikums, das sich in einen Pflicht- (Tabelle 4)<br />

und einen Wahlpflichtteil (Tabelle 5) gliedert, an einzelnen Beispielen näher erläutert.<br />

2.10.5.1 Pflichtteil<br />

Jeder Praktikumsteilnehmer muss zunächst die wichtigsten Standardmethoden der<br />

Quantitativen Analyse kennen lernen (Tabelle 4). Er erhält Proben, deren Gehalt er<br />

bestimmen muss. Die Analysenergebnisse werden benotet.


89<br />

Tabelle 4: Pflichtprogramm Quantitative Analyse<br />

Pflichtprogramm Quantitative Analyse<br />

_______________________________________________________________________<br />

1. Säure/Base-Titrationen<br />

- NaOH oder Na 2 CO 3 mit HCl, Farbindikation<br />

- HCl und HAc mit NaOH, konduktometrische Auswertung<br />

- H 3 PO 4 mit NaOH nach vorausgegangenem Ionenaustausch<br />

- Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl<br />

2. Gravimetrie<br />

- Veraschen und Glühen: Eisen als Fe 2 O 3 oder Barium als BaSO 4<br />

- organische Fällungsreagenzien:<br />

Ca als Oxalat, Al als Oxinat, Zn als Anthranilat oder Ni als Ni(dmglH) 2<br />

3. Fällungstitrationen<br />

- Chlorid nach Fajans<br />

- Iodid/Chlorid potentiometrisch<br />

4. Redoxtitrationen<br />

- Perborat oder Percarbonat iodometrisch<br />

- Perborat oder Percarbonat permanganometrisch<br />

5. Komplexometrie<br />

- Ca/Mg mit EDTA<br />

6. Fotometrie<br />

- Cu als [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />

7. Elektrogravimetrie<br />

- Cu durch kathodische Abscheidung<br />

Säure/Base-Titrationen: Titrationen von NaOH oder Na 2 CO 3 mit HCl-Maßlösung in<br />

Gegenwart geeigneter Farbindikatoren oder von HCl und HAc mit NaOH-Maßlösung<br />

mit konduktometrischer Auswertung sind besonders einfach durchzuführen und sollten<br />

daher zu Beginn <strong>des</strong> Praktikums durchgeführt werden. Die austitrierten Lösungen<br />

enthalten ökologisch unbedenkliche Salze (NaCl, NaAc) und können verworfen werden.<br />

Dies gilt auch für Reste aus der alkalimetrischen Bestimmung von Phosphorsäure nach<br />

voraus-gegangenem Ionenaustausch sowie der Bestimmung von Ammoniak nach<br />

voraus-gegangenem Kjeldahl-Aufschluß einer organischen Verbindung. Im ersten Fall<br />

wird zum Schluß <strong>des</strong> Versuchs das mit Natriumionen beladene Austauscherharz mit ca.<br />

3-molarer Salzsäure regeneriert, im zweiten Fall wird die alkalisierte Aufschlusslösung<br />

von ausge-fällten Kupferverbindungen (Katalysator) durch Filtration befreit und<br />

verworfen. Der Filterrückstand wird gewaschen und mit Schwefelsäure zu CuSO 4 gelöst<br />

und als Kupfervitriol kristallisiert.<br />

Gravimetrie: Die gravimetrische Bestimmung von Eisen als Fe 2 O 3 oder von Barium als<br />

BaSO 4 sind geeignet, um die Auszubildenden mit den Arbeitstechniken Veraschen und<br />

Glühen vertraut zu machen. Die dabei anfallenden Endprodukte sind hochrein und<br />

können z. B. in der Qualitativen Analyse zum Üben <strong>des</strong> sauren bzw. basischen<br />

Aufschlusses weiterverwendet werden. Die Filtrate sind metallionenfrei und können in<br />

den Ausguss geschüttet werden. (Soll Sulfat als BaSO 4 bestimmt werden, muss das


90<br />

Filtrat mit Schwefelsäure oder Soda nachbehandelt werden, um die überschüssigen<br />

Bariumionen - aus dem Fällungsmittel BaCl 2 - zu entfernen.)<br />

Eine grundsätzlich andere Art gravimetrischer Analyse kann am Beispiel der<br />

Bestimmung von Calcium als -Oxalat, Aluminium als -Oxinat, Zink als -Anthranilat<br />

oder Nickel als Nickeldiacetyldioximat, Ni(dmglH) 2 , vermittelt werden. Hier werden<br />

organische Reagenzien als Fällungsmittel verwendet. Die erhaltenen Produkte können<br />

im Präparativen Praktikum verwendet werden: CaC 2 O 4 kann über CaCO 3 zu CaO<br />

pyrolysiert (Kalkbrennen) und danach in Wasser suspendiert als Kalkmilch verwendet<br />

oder mit Salzsäure zu CaCl 2 gelöst werden. Aluminiumoxalat und Zinkanthranilat lassen<br />

sich in Gegenwart von Cobaltverbindungen bei Temperaturen zwischen 600 und 1000<br />

°C in Thénards Blau, CoAl 2 O 4 , bzw. Rinmanns Grün, ZnCo 2 O 4 überführen. Ni(dmglH) 2<br />

zerfällt mit Salzsäure in Nickelchlorid und Diacetyldioxim. Beide Stoffe können isoliert<br />

werden, was präparativ sehr anspruchsvoll ist. Die überschüssigen organischen<br />

Fällungsmittel befinden sich am Ende der Analyse im jeweiligen Filtrat.<br />

Oxalsäurehaltiges Wasser kann verworfen werden, da der Stoff gut abbaubar ist. 8-<br />

Hydroxichinolin und Anthranilsäure lassen sich dem angesäuerten Wasser durch<br />

Adsorption an eingerührter Aktivkohle quantitativ entziehen. Zur vollständigen<br />

Entfernung von Diacetyldioxim aus dem angesäuerten Filtrat ist der Einsatz von H 2 O 2<br />

und Aktivkohle erforderlich (Kombination von oxidativer Zerstörung <strong>des</strong> Moleküls und<br />

Adsorption). Die Abwasserbehandlungen lassen sich problemlos im 4-5 Liter-Maßstab<br />

durchführen, wenn mehrere Studenten ihre Versuchsreste gesammelt haben.<br />

Fällungstitrationen: Schon aus der Qualitativen Analyse ist den Studenten die Fällung<br />

von Chlorid, Bromid und Iodid mit Silberionen bekannt. Es ist daher didaktisch sinnvoll,<br />

diese auch zur quantitativen Bestimmung der Ionen heranzuziehen. Geeignet ist die<br />

Fällungstitration (AgNO 3 -Maßlösung) der Halogenide nach Fajans oder die<br />

Parallelbestimmung von Iodid und Chlorid mit potentiometrischer Indikation. Die<br />

Reaktionslösungen werden mit etwas Salzsäure versetzt, um überschüssige Ag + -Ionen<br />

zu fällen, die Niederschläge werden abgesaugt, gewaschen und mit Soda als Flußmittel<br />

und Kohle als Reduktionsmittel bei 1100 °C zu einem Silberregulus niedergeschmolzen,<br />

der anschließend mit Salpetersäure in wiederverwertbares AgNO 3 übergeführt werden<br />

kann.<br />

Redoxtitrationen: Die vielseitigste Redoxtitrationsmethode ist die Iodometrie. Sie kann<br />

den Studierenden z. B. durch eine Chromat- oder Peroxid-Bestimmung vermittelt<br />

werden. Aus ökologischen Gründen sollte im Standardprogramm <strong>des</strong> Praktikums auf die<br />

Analyse hochgiftiger Chromverbindungen verzichtet werden. Bei der Ermittlung <strong>des</strong><br />

Aktivsauerstoffgehalts von Natriumperborat oder -percarbonat kommen hingegen nur<br />

Oxidationsmittel zum Einsatz, die den Studenten auch im täglichen Leben als<br />

Waschmittelinhaltsstoffe begegnen. Ökologisch sinnvoll und präparativ lehrreich ist die<br />

Rückgewinnung <strong>des</strong> teuren Iods aus den austitrierten Reaktionslösungen. Diese werden<br />

mit Schwefelsäure leicht angesäuert und mit H 2 O 2 versetzt, wobei Iodid zu Iod oxidiert<br />

wird. Die Studenten erkennen hier, dass die gleiche Reaktion, die der H 2 O 2 -Bestimmung<br />

dient, auch zum Iodrecycling verwendet werden kann (Transfer). Das ausgefallene Iod<br />

wird abgesaugt, getrocknet und durch Sublimation gereinigt. Abschließend werden dem<br />

Filtrat die geringen Mengen noch gelösten Iods durch Adsorption an eingerührter<br />

Pulver-kohle entzogen. Diese Verfahrensschritte führt jeder Student direkt nach<br />

Beendigung der Analyse selbst durch.<br />

Die Perborat- oder Percarbonat-Bestimmung kann auch permanganometrisch<br />

erfolgen. Das siebenwertige Mangan oxidiert den peroxidischen zum elementaren<br />

Sauerstoff und geht dabei selbst ins zweiwertige über. Die austitrierten Reaktions-


91<br />

lösungen werden gesammelt und im 4-5-Liter-Maßstab mit Natronlauge und etwas H 2 O 2<br />

versetzt, um Braunstein auszufällen. Die zum anschließenden Absaugen verwendete<br />

Nutsche wird vorab mit einer Schicht Kieselgur belegt, die das Durchlaufen <strong>des</strong><br />

feinteiligen MnO 2 -Schlamms durch das Filterpapier und ein Verstopfen der Filterporen<br />

verhindert.<br />

Komplexometrie: Eine wichtige komplexometrische Bestimmung ist die Ermittlung der<br />

Wasserhärte. Zunächst wird der Gesamtgehalt der Wasserprobe an Ca- und Mg-Ionen<br />

durch Titration mit EDTA-Maßlösung unter Verwendung einer Indikatorpuffertablette<br />

ermittelt. In einem zweiten Versuch wird Magnesium mit Natronlauge als Hydroxid<br />

gefällt und Calcium mit EDTA-Maßlösung und Calconcarbonsäure als Indikator<br />

bestimmt. Der Mg-Gehalt ergibt sich aus der Differenz beider Ergebnisse. Im Hinblick<br />

auf die großen Mengen EDTA, die täglich mit Reinigungsmitteln in das Abwasser<br />

gelangen, ist es zu verantworten, alle Versuchsreste in den Ausguss zu schütten.<br />

Fotometrie: Die Reaktion von Cu 2+ -Ionen mit Ammoniak zu tiefblauem [Cu(NH 3 ) 4 ] 2+<br />

ist aus der Qualitativen Analyse als Kupfernachweis bekannt und eignet sich auch zur<br />

fotometrischen Bestimmung <strong>des</strong> Kupfergehalts einer Lösung. Die Extinktion der<br />

Probelösung wird gemessen und anhand einer Eichgeraden mit einer Cu-Konzentration<br />

korreliert. Die Komplexlösungen werden an Ende <strong>des</strong> Versuchs vereinigt und mit<br />

Schwefelsäure soweit angesäuert, daß die tiefblaue Farbe verschwindet (Protonierung<br />

der Ligandmoleküle, dadurch Zerstörung <strong>des</strong> Komplexes) und die für Kupfervitriol<br />

typische Farbe resultiert. (So wird auch das Ausdampfen von Ammoniak verhindert).<br />

Wenn 4-5 Liter zusammengekommen sind, wird die CuSO 4 -Lösung mit überschüssigem<br />

Eisenpulver versetzt, um elementares Kupfer zu zementieren. Das Abwasser wird<br />

dadurch von den giftigen Schwermetallionen befreit und kann verworfen werden.<br />

(Dieser Versuch zeigt außerdem, dass sich Ökologie und Ökonomie durchaus positiv<br />

ergänzen können: Im Wasser werden giftige Kupferionen gegen ungiftige Eisenionen<br />

ausgetauscht; aus dem billigen Eisen wird wertvolles Kupfer gewonnen!) Die<br />

Kupferflocken werden später in CuSO 4 ⋅5H 2 O umgewandelt.<br />

Elektrogravimetrie: Um das Praktikum methodisch zu erweitern, wird die elektrogravimetrische<br />

Bestimmung von Kupfer durchgeführt. Das Element wird aus einer<br />

CuSO 4 -Lösung katodisch abgeschieden und die Elektrode gewogen. Das Metall wird<br />

anschließend mit Salpetersäure von dieser wieder abgelöst. Die resultierende<br />

Kupfernitratlösung wird in die Stoffflüsse <strong>des</strong> Präparativen Praktikums eingeschleust<br />

und mit anderen Kupferresten auf Kupfervitriol aufbereitet.<br />

2.10.5.2 Wahlpflichtteil<br />

Nach Abschluss <strong>des</strong> Pflichtteils müssen die Praktikanten die Analyse eines technischen<br />

Produktes oder Minerals durchführen, dazu wahlweise die Elementaranalyse eines<br />

recycelten Präparates erstellen oder an einem Ringversuch teilnehmen (Tabelle 5).


92<br />

Tabelle 5: Wahlpflichtprogramm Quantitative Analyse<br />

Wahlpflichtprogramm Quantitative Analyse<br />

_______________________________________________________________________<br />

1. Analyse eines technischen Produkts oder Minerals<br />

z. B. Stahl, Messing, Bronze, Eisenerz, Dolomit<br />

2. Erstellung einer Elementaranalyse<br />

z. B. von recyceltem CuSO 4 , AgNO 3 , MnO 2 , PbCl 2 , NiCl 2 , CoCl 2<br />

3. Teilnahme an einem Ringversuch<br />

z. B. Bestimmung von NH 3 , NaOH, HCl, H 2 O 2 , SO 2 , H 2 S, NaOCl<br />

Analyse eines technischen Produktes oder Minerals: Zur Analyse eines Stahls,<br />

Messings oder einer Bronze oder eines Eisenerzes oder Dolomitgesteins müssen<br />

spezielle Trenn- und Bestimmungsverfahren erarbeitet werden. Dabei ist gelegentlich<br />

der Einsatz von Analysemethoden erforderlich, die aus dem Pflichtteil <strong>des</strong> Praktikums<br />

noch nicht bekannt sind. Dies führt nicht nur zu einer methodischen Erweiterung <strong>des</strong><br />

Gesamt-praktikums, sondern ist auch erzieherisch wichtig, da die Studenten sich jetzt<br />

eigenver-antwortlich überlegen müssen, wie sie der Aufarbeitung der anfallenden<br />

Versuchsreste Rechnung tragen. (Die Analyse wird vom Laborleiter erst zur Bearbeitung<br />

freigegeben, wenn ein detaillierter Analysen- und Entsorgungs- bzw. Recyclingplan<br />

vorliegt). Dies sei an zwei Beispielen erläutert.<br />

Eisengehalte können permanganometrisch oder fotometrisch bestimmt werden, je<br />

nachdem, ob das Eisen als Haupt- oder Nebenbestandteil vorliegt. Im ersten Fall muss<br />

dreiwertiges Eisen mit schwefliger Säure in zweiwertiges übergeführt und das überschüssige<br />

Reduktionsmittel verkocht werden, bevor in Gegenwart von Reinhardt-<br />

Zimmermann-Lösung (enthält H 3 PO 4 und MnSO 4 ) mit KMnO 4 -Maßlösung wieder<br />

oxidiert wird. Die austitrierte Lösung, die Mn 2+ - und Fe 3+ -Ionen enthält, wird<br />

anschließend mit Natronlauge versetzt, um die Metallhydroxide auszufällen und durch<br />

Filtration über Kieselgur dem Abwasser zu entziehen (s.o.).<br />

Fotometrisch kann dreiwertiges Eisen (ggf. muss zweiwertiges vorab mit Salpetersäure<br />

oxidiert werden) z.B. mit 5-Sulfosalicylsäure bestimmt werden. In alkalischer<br />

Lösung bildet sich ein gelber Komplex mit einem Absorptionsmaximum bei 430 nm.<br />

Die Giftigkeit <strong>des</strong> Ligandmoleküls (Wassergefährdungsklasse 2) und seine hohe<br />

Stabilität machen eine Nachbehandlung <strong>des</strong> Abwassers mit recht drastischen Mitteln<br />

erforderlich: Ansäuern mit Schwefelsäure auf pH 1-2, Zugabe von Aktivkohle und H 2 O 2<br />

und Aufkochen, was in Anbetracht der recht großen Flüssigkeitsmenge von ca. 700 mL<br />

pro Analyse recht energieintensiv ist. Nach Filtration darf das Filtrat beim Alkalisieren<br />

nicht mehr gelb werden.<br />

Chromgehalte können z. B. iodometrisch ermittelt werden. Vorab ist sicherzustellen,<br />

dass das Chrom in der sechswertigen Form vorliegt (ggf. Oxidation von Cr 3+ mittels<br />

H 2 O 2 im alkalischen oder mit (NH 4 ) 2 S 2 O 8 im sauren Medium) Bei der iodometrischen<br />

Analyse liegen am Ende Cr 3+ - neben I − - und S 4 O 2− 6 -Ionen in saurer Lösung vor. Durch<br />

Neutralisation (pH 7-8) kann das Chrom als Cr(OH) 3 gefällt und über Kieselgur<br />

abfiltriert, aus dem Filtrat mit H2O 2 elementares Iod gewonnen werden (s. o).<br />

Qualitätskontrolle recycelter Chemikalien: Die Wiedergewinnung gebräuchlicher<br />

Ausgangsverbindungen aus Praktikumpräparaten, Filtraten und Mutterlaugen ist - wie<br />

bereits erwähnt - Bestandteil unserer Praktika. Bevor ein recycliertes CuSO 4 , AgNO 3 ,<br />

MnO 2 , PbCl 2 , NiCl 2 oder CoCl 2 jedoch für eine Wiederverwendung im Präparativen


93<br />

Praktikum freigegeben wird, muß es einer sorgfältigen Qualitätskontrolle unterzogen<br />

werden. Hier bieten sich Metallgehaltsbestimmungen mit Methoden der Quantitativen<br />

Analyse geradezu an, und die ausführenden Studenten übernehmen eine persönliche<br />

Haftung für das recycelte Produkt (s. 2.7.4).<br />

Ringversuche und statistische Versuchsauswertung: Im Praktikum fallen immer<br />

wieder Reste von Säuren und Basen an, deren Gehalte vor einer Weiterverwertung<br />

bekannt sein sollten und alkalimetrisch bzw. acidimetrisch bestimmbar sind. Außerdem<br />

werden für Abwasserbehandlungen häufig Lösungen von H 2 O 2 , SO 2 , H 2 S oder NaOCl<br />

benötigt. Da diese nicht beständig sind, müssen sie von Zeit zu Zeit auf ihren Restgehalt<br />

hin untersucht werden. Dies kann iodometrisch erfolgen. Entsprechende Versuche<br />

werden von 5-10 Studenten nach vorgegebenen Vorschriften durchgeführt. Die<br />

Ergebnisse werden gesammelt und interpretiert. Durch diese Vorgehensweise wird die<br />

Ausbildung um das in der chemischen Industrie zunehmend wichtige Element<br />

‘Ringversuch’ erweitert, und die Studenten werden mit Methoden der statistischen<br />

Versuchsauswertung (Messwertverteilung, -streuung, Mittelwertbildung, Berechnung<br />

der Standardabweichung, Beurteilen von Ausreißern, etc.) vertraut [57].<br />

2.10.6 Ökologische Aspekte in einem Anorganisch-Analytischen<br />

Fortgeschrittenenpraktikum [58]<br />

Im Folgenden werden zwei Versuche für fortgeschrittene Studenten an der Universität,<br />

die die Grundlagen der qualitativen und quantitativen Analyse und anorganischpräparative<br />

Arbeitstechniken beherrschen, beschrieben. Zum Nachstellen der recht<br />

schwierigen experimentellen Arbeiten sind jeweils 7-8 Praktikumstage erforderlich.<br />

Die Bleigewinnung aus Bleiglanz ist als Beispiel für ein carbothermisches<br />

Röstreduktionsverfahren gewählt, die Kupfergewinnung aus Kupferkies durch<br />

Zementation nach vorherigem Schwefelsäure-Aufschluss als Beispiel für ein<br />

hydrometallurgisches Verfahren.<br />

Die beschriebenen Versuche vermitteln den Studenten nicht nur anspruchsvolle<br />

analytische und präparative anorganische Chemie, sondern auch ein tieferes Verständnis<br />

für die Denkweise in der chemischen Industrie. Eine Produktion kann nur gestartet<br />

werden, wenn die Qualität der Rohstoffe gesichert ist. Deshalb ist deren Eingangskontrolle<br />

zwingend erforderlich. Das Verfahren selbst muss den Belangen <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />

gerecht werden. Schadstoffemissionen in Luft und Wasser sind verboten und<br />

entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Schließlich steht und fällt ein Herstellungsverfahren<br />

mit der Ausbeute und Qualität <strong>des</strong> erzeugten Produktes. Erste ist notfalls zu<br />

optimieren, letztere mit analytischen Methoden zu bestimmen. Erst wenn ein Produkt die<br />

geforderte Spezifikation erfüllt, darf es für den Verbrauch freigegeben werden. Und so,<br />

wie in der chemischen Industrie das Verursacherprinzip gilt, nach dem der Produzent für<br />

seine Produktion und seine Produkte haftet, haben sich auch die Studenten um die<br />

fachgerechte Aufbereitung aller anfallenden Versuchsreste konsequent zu kümmern.<br />

Analyse eines Bleierzes: In dem verwendeten Bleiglanz (Galenit) aus dem ehemaligen<br />

Blei-Zink-Revier Bad Ems (Rheinland-Pfalz) lassen sich mit Methoden der Qualitativen<br />

Analyse neben den Hauptbestandteilen Pb und S die Elemente Fe, Zn und Mn eindeutig<br />

nachweisen. Für die quantitative Bestimmung der einzelnen Metalle wird folgender<br />

Analysengang beschritten:


94<br />

- Aufschluss mit HCl, Rückstandsbestimmung ⇒ 2.9 % Rückstand<br />

- gravimetrische Bestimmung von Pb als PbSO 4 ⇒ 76.6 % Pb<br />

- gravimetrische Bestimmung von Fe als Fe 2 O 3<br />

im Filtrat der Bleibestimmung ⇒ 1.8 % Fe<br />

- gravimetrische Bestimmung von Zn als Oxinat<br />

im Filtrat der Eisenbestimmung ⇒ 0.5 % Zn<br />

- gravimetrische Bestimmung von Mn als Oxinat<br />

im Filtrat der Zinkbestimmung ⇒ 0.6 % Mn<br />

Bleigewinnung: Zunächst wird der Bleiglanz zu PbO abgeröstet:<br />

2 PbS + 3 O 2 → 2 PbO + 2 SO 2<br />

Das Kernstück der dazu nötigen Apparatur ist ein min<strong>des</strong>tens 35 cm langes<br />

Quarzglasrohr, in dem über eine Strecke von etwa 10 cm 12 g <strong>des</strong> Minerals verteilt<br />

werden und das dort, wo die Substanz liegt, von außen mit dem Brenner zur Rotglut<br />

erhitzt wird. An der Einlassseite ist über einen Gummistopfen ein Glasrohr mit einem<br />

Verteilerstück angebracht, von dem ein Schenkel offen und der andere mit einer<br />

Sauerstoffflasche verbunden ist. Auf diese Weise kann mit Sauerstoff angereicherte Luft<br />

in das Verbrennungsrohr eingeleitet werden. An der Auslassseite <strong>des</strong> Quarzrohres wird<br />

über einen Gummistopfen ein 40 cm langes Glasrohr angebracht, in dem die Röstgase<br />

vorgekühlt werden, bevor sie mittels zweier parallel geschalteter (Umlauf)-<br />

Wasserstrahl-pumpen durch zwei hintereinander geschaltete Waschflaschen mit Fritten<br />

gesaugt werden, die mit jeweils 200 mL 1 molarer NaOH zur Absorption <strong>des</strong><br />

entstandenen SO 2 /SO 3 -Gemisches gefüllt sind.<br />

Das einmal entzündete Erz brennt zwar selbständig weiter, es kommt aber durch die<br />

dabei entstehende hohe Temperatur zum Schmelzen bzw. Sintern, so dass die unteren<br />

Schichten selbst nach längerer Reaktionszeit noch stark PbS-haltig sind. Nach<br />

jeweiligem Abklingen der Reaktion wird der Röstvorgang dreimal unterbrochen, das<br />

PbS/PbO-Gemisch im Luftstrom abgekühlt, zerrieben, wieder in das Verbrennungsrohr<br />

gebracht und weiter abgeröstet. Der Fortgang der Reaktion kann daran erkannt werden,<br />

dass das Röstgut zunehmend die gelbe Farbe <strong>des</strong> PbO annimmt.<br />

Die carbothermische Reduktion wird in einem Porzellantiegel durchgeführt, <strong>des</strong>sen<br />

Boden mit einem Flussmittelgemisch aus Pottasche und Soda ausgelegt ist.<br />

PbO + C → Pb + CO<br />

Darauf gibt man das gesamte, mit Holzkohle innig verriebene Röstgut und deckt es mit<br />

einer dünnen Schicht Holzkohlepulver ab. Der Tiegel wird mit einem Deckel<br />

verschlossen und mit dem Brenner 30-40 Minuten auf Rotglut erhitzt. Der noch heiße<br />

Tiegelinhalt wird in ein mit 500 mL Wasser gefülltes Becherglas gegossen, wobei das<br />

Blei erstarrt. Durch den feinteiligen, suspendierten Kohlenstoff erscheint das Wasser<br />

schwarz. Nach 5 Minuten dekantiert man durch ein Filter und sortiert die größeren<br />

Bleistücke aus dem Rückstand mit einer Pinzette aus. Den Rest trocknet man im<br />

Trockenschrank bei 100 °C und zerstößt ihn vorsichtig in einer Porzellanschale, ohne<br />

die kleineren Bleiklümpchen zu zerreiben. Durch Zugabe von Wasser und kreisende<br />

Bewegungen werden die leichteren (Kohle)-Bestandteile in die Schwebe gebracht und<br />

durch das bereits zuvor benutzte Filter abdekantiert („Goldwäscherverfahren“). Nach<br />

erneutem Trocknen lassen sich nun auch die kleineren Bleikügelchen leicht erkennen<br />

und mit der Pinzette abtrennen. Insgesamt werden 5.7 g Werkblei erhalten.


95<br />

Analyse <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> der Bleigewinnung: Um den Herstellungsprozess zu überwachen<br />

und ggf. zu optimieren, wird der getrocknete Rückstand (zufälligerweise auch<br />

5.7 g) der carbothermischen Bleigewinnung analysiert. Dies geschieht wie bei der<br />

Analyse <strong>des</strong> Ausgangserzes. Zuvor muss allerdings noch das nicht vollständig<br />

abgetrennte elementare Blei mit Salpetersäure in Lösung gebracht werden. Der<br />

Rückstand enthält 54.6 % Pb, 3.2 % Fe, 0.4 % Cu, 0.5 % Zn und 1.0 % Mn. Der noch<br />

recht hohe Bleigehalt ist auf unvollständiges Abrösten <strong>des</strong> Erzes zurückzuführen und<br />

nicht auf eine unvollständige carbothermische Reduktion. Durch einen Kontrollversuch<br />

kann nämlich gezeigt werden, dass reines PbO mit Kohlenstoff praktisch quantitativ in<br />

elementares Blei übergeführt wird. Bei den gegebenen experimentellen Möglichkeiten<br />

kann der Versuch nur optimiert werden, indem der Röstvorgang noch öfters<br />

unterbrochen und das Röstgut zwischendurch vermahlen wird. Alternativ kann der<br />

Rückstand aber auch als Edukt für einen kompletten neuen Versuch dienen.<br />

Qualitätskontrolle <strong>des</strong> Werkbleis: Nach Auflösen von ca. 600 mg genau<br />

eingewogenem Werkblei in Salpetersäure und Abrauchen mit Schwefelsäure erfolgt die<br />

quantitative Bestimmung der Metalle wie oben beschrieben. Cu, Zn und Mn werden<br />

nicht gefunden, der Gehalt an Fe beträgt nur 0.2 %, der an Pb 99.4 %, so dass das<br />

erhaltene Produkt als sehr rein angesehen werden darf. Aus den Ergebnissen der<br />

Bleianalysen von Edukt und Produkt und aus der Einwaage an Erz und der Auswaage an<br />

Werkblei lässt sich die Ausbeute beim Versuch, hier 62 % d.Th., recht genau berechnen.<br />

Analyse <strong>des</strong> Kupfererzes: Der verwendete Kupfereisenkies (Chalkopyrit), bezogen<br />

von der Firma Krantz, Bonn, wird zunächst durch Zerschlagen und mechanisches<br />

Auslesen vom tauben Gestein getrennt und dann im Mörser weiter zerkleinert. Ein<br />

Großteil <strong>des</strong> im Kupferkies enthaltenen Magnetits wird mit einem Magneten entfernt. In<br />

den so aufbereiteten Material lassen sich neben Cu, Fe und S deutliche Mengen Zn, Ca<br />

und K sowie Spuren Pb, Mn und Mg nachweisen. Für die quantitative Bestimmung<br />

der mengenmäßig bedeutenden Metalle wird folgendermaßen vorgegangen:<br />

- Aufschluss mit Königswasser, Rückstandsbestimmung ⇒ 5.3 % Rückstand<br />

- Sulfidfällung von Pb und Cu,<br />

Lösen <strong>des</strong> Niederschlages in HNO 3 , Fällen von PbSO 4 ,<br />

elektrogravimetrische Bestimmung von Cu<br />

im Fitrat der Bleifällung ⇒ 16.8 % Cu<br />

- gravimetrische Bestimmung von Fe als Fe 2 O 3<br />

in der kupferfreien Lösung ⇒ 30.3 % Fe<br />

- Sulfidfällung von Zn und Mn<br />

im Filtrat der Eisenbestimmung,<br />

Lösen <strong>des</strong> Niederschlages in HCl,<br />

gravimetrische Bestimmung von Zink als Oxinat ⇒ 1.4 % Zn<br />

- gravimetrische Bestimmung von Ca als Oxalat<br />

im Filtrat der Zinkfällung ⇒ 1.2 % Ca<br />

Kupfergewinnung: Der Kupferkies wird unter oxidierenden Bedingungen sauer<br />

aufgeschlossen. Dazu werden 15 g Erz mit 20 mL Wasser, 30 mL konzentrierter<br />

Schwefelsäure und 5 g Eisen(III)sulfat versetzt und 3 Stunden bei 70-80 °C gerührt. Das<br />

im großen Überschuss vorliegende dreiwertige Eisen oxidiert das einwertige Kupfer<br />

zum zweiwertigen, das als CuSO 4 in Lösung geht. Das dabei gleichzeitig entstehende<br />

zwei-wertige Eisen wird durch die über eine Pasteurpipette eingeblasene Luft zum<br />

dreiwertigen rückoxidiert:


96<br />

4 CuFeS 2 + 10 H 2 SO 4 + 5 O 2 → 4 CuSO 4 + 2 Fe 2 (SO 4 ) 3 + 8 S + 10 H 2 O<br />

Abweichend von den Bedingungen <strong>des</strong> technischen Verfahrens kann der Aufschluss<br />

wesentlich beschleunigt werden, wenn zu Beginn und nach jeweils 30 Minuten weitere<br />

1.5 mL konzentrierte Salpetersäure zugegeben werden.<br />

Die Reaktionsmischung wird mit Wasser verdünnt und eine halbe Stunde nachgerührt.<br />

Der unlösliche Rückstand wird abfiltriert und zu den Feststoffabfällen gegeben.<br />

Das Filtrat wird mit 3 g Eisenwolle versetzt, eine Stunde stehengelassen und<br />

gelegentlich mit einem Glasstab umgerührt. Dabei scheidet sich elementares Kupfer ab:<br />

CuSO 4 + Fe → Cu + FeSO 4<br />

Üerschüssiges Eisen löst sich in der Schwefelsäure auf. Dann wird noch etwas<br />

Eisenwolle nachdosiert, um zu prüfen, ob die Kupferabscheidung vollständig ist. Das<br />

„Zementkupfer“ wird abgesaugt, gewaschen und getrocknet.<br />

Es enthält Eiseneinschlüsse und kann durch elektrolytische Raffination gereinigt<br />

werden. Vorab muß das pulverförmige Rohmetall zu einer Elektrode verarbeitet werden.<br />

In der Technik geschieht dies durch Gießen von erschmolzenem Kupfer. Da im hier<br />

beschriebenen Experiment aber nur 2.5 g Rohkupfer anfallen, ist dies experimentell<br />

kaum möglich, so dass ein anderer Weg beschritten wird. Das Zementkupfer wird mit<br />

einigen Tropfen 2%iger Mowiollösung zu einem Brei verrührt und auf ein feines<br />

Kupferdrahtnetz aufgetragen. Das so vorbereitete Netz wird zwischen ein gefaltetes<br />

Kupferblech gelegt, welches anschließend in einem Schraubstock 2 Minuten<br />

zusammengepreßt wird. Danach wird das gepreßte Netz in eine Kupferfolie<br />

(Oxidationsschutz) eingeschlagen und 8 Minuten in einen auf 1050 °C vorgeheizten<br />

Ofen gelegt. Bei dieser Temperatur beginnt das verunreinigte Kupfer aufgrund der<br />

Schmelzpunktserniedrigung bereits zu sintern/schmelzen, während das hochreine Kupfer<br />

<strong>des</strong> Drahtnetzes noch fest bleibt (Smp. Cu = 1083 °C). Nach dem Abkühlen hat man eine<br />

feste Elektrode, die als Anode bei der folgenden Elektrolyse geschaltet wird. Als<br />

Kathode dient ein Kupferblech, als Elektrolyt eine schwefelsaure CuSO 4 -Lösung.<br />

Elektrolysiert wird bei 60 °C und 0.8 - 1.0 V bis die Anode völlig abgetragen ist.<br />

Qualitätskontrolle <strong>des</strong> Kupfers: Ca. 500 mg genau eingewogenes Zementkupfer bzw.<br />

Elektrolytkupfer werden in 15 mL halbkonzentrierter Salpetersäure unter gelindem<br />

Erwärmen aufgelöst. Nach Verdünnen mit Wasser wird der Kupfergehalt der Lösung<br />

elektrogravimetrisch bestimmt.<br />

Das Zementkupfer weist eine Reinheit von 96 % auf, womit die Ausbeute an Kupfer<br />

bei der Gewinnung aus dem Kupferkies berechnet werden kann. Die Ausbeute ist mit 96<br />

% sehr hoch. Das elektrolytisch raffinierte Kupfer ist erwartungsgemäß praktisch<br />

100%ig rein.<br />

Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes bei den präparativen und analytischen Arbeiten: Das<br />

beim Abrösten <strong>des</strong> Bleisulfids enstehende SO 2 /SO 3 -Gemisch wird fachgerecht in<br />

Natron-lauge absorbiert, um eine Emission der sauren Gase in die Abluft zu vermeiden.<br />

Dadurch, dass in den Waschflaschen eine definierte Menge NaOH vorgelegt wird, kann<br />

die dort gebundene Menge SO 2 bzw. durch Weiteroxidation <strong>des</strong> SO 2 entstandene Menge<br />

SO 3 quantitativ bestimmt und der Umsatz <strong>des</strong> ursprünglich sulfidischen Schwefels<br />

berechnet werden. Sulfit (93 % <strong>des</strong> absorbierten Röstgases) wird iodometrisch, Sulfat (7<br />

%) gravimetrisch als BaSO 4 bestimmt. Insgesamt werden 70 % <strong>des</strong> eingesetzten<br />

sulfidischen Schwefels in Form seiner Oxidationsprodukte wiedergefunden. Dies<br />

korreliert in etwa mit der Bleiausbeute von 62 % (s.o.). Da praktisch das gesamte


97<br />

SO 2 /SO 3 bereits in der ersten Waschflasche festgehalten wird und in der zweiten nur<br />

noch ganz geringe Mengen zu finden sind, ist die Gaswäsche in der Tat eine sehr<br />

effektive Methode zur Luftreinhaltung. Die Waschlösungen werden abschließend mit<br />

H 2 O 2 versetzt, um Sulfit zu ungiftigem Sulfat zu oxidieren, und dann - nach<br />

Neutralisation - weggeschüttet.<br />

Reste aus der iodometrischen Bestimmung werden ebenfalls mit H 2 O 2<br />

nachbehandelt, um Iodid zu wertvollem Iod zu oxidieren, das isoliert und<br />

weiterverwendet wird, während das iodfreie Wasser verworfen werden kann.<br />

Auch bei den analytischen Arbeiten, insbesondere den Abrauchvorgängen, entstehen<br />

saure Abgase (H 2 S, HCl, SO 3 , NO x ). Diese werden über einen Glastrichter, der<br />

unmittelbar über dem Entstehungsort (Becherglas oder Tiegel) montiert ist, mittels einer<br />

Pumpe in eine Waschflasche mit Natronlauge gesaugt und dort absorbiert.<br />

Abwässer aus den qualitativen Analysen werden gesammelt und gemeinsam mit<br />

dem Spülwasser der carbothermischen Bleireduktion bzw. dem Filtrat der<br />

Kupferzementation durch Hydroxid- und Sulfidfällung, nachgeschaltete Beseitigung <strong>des</strong><br />

Sulfidüberschusses mit FeCl 3 , Aktivkohlebehandlung und Ionenaustausch vollständig<br />

entgiftet und können verworfen werden (vgl. 2.1.1).<br />

Der Aufbereitung von Resten bei den quantitativen Analysen wird bereits bei der<br />

Planung <strong>des</strong> Analysenganges Rechnung getragen. Der Trennungsgang der Metalle <strong>des</strong><br />

Bleierzes ist so konzipiert, dass ein zu bestimmen<strong>des</strong> Element jeweils im Filtrat <strong>des</strong><br />

zuvor bestimmten Elementes entfernt wird: Fe im Filtrat der Blei-, Cu im Filtrat der<br />

Eisenfällung, etc.. Bis auf die abfiltrierten Feststoffe bleiben also keine Reste. Das letzte<br />

Filtrat der Manganoxinat-Fällung ist schwermetallfrei. Nach Neutralisation wird das im<br />

Überschuss verwendete 8-Hydroxychinolin an der Oberfläche eingerührter Aktivkohle<br />

gebunden und mit dieser abfiltriert, das Filtrat verworfen. Ähnlich konzipiert ist der<br />

Trennungsgang <strong>des</strong> Kupferkieses.<br />

Das anfallende PbSO 4 und das durch elektrolytische Raffination gewonnene Kupfer<br />

sind hochrein, so dass sie ohne weiteres im anorganischen Praktikum weiterverwendet<br />

werden können. Die mengenmäßig sehr geringen Gravimetrie-Rückstände werden zu<br />

den Feststoffabfällen gegeben. Das elektrogravimetrisch abgeschiedene Kupfer wird von<br />

der Pt-Elektrode mit Salpetersäure abgelöst, die resultierende Kupfernitratlösung zu<br />

anderen Kupferresten gegeben und - wenn eine ausreichende Menge zusammen<br />

gekommen ist - auf wiederverwertbares Kupfervitriol aufbereitet.<br />

2.10.7 Ökologische Gesichtspunkte in einem Praktikum<br />

zur Abitur-Vorbereitung [59]<br />

In Sachsen-Anhalt wird am Ende <strong>des</strong> 12. Schuljahres das Regelabitur (Zentralabitur)<br />

abgelegt. Die zweite Hälfte <strong>des</strong> letzten Schuljahres dient vor allem der vertiefenden<br />

Wiederholung <strong>des</strong> bis dahin obligatorischen Lernstoffes, mit dem Ziel, die Schüler<br />

optimal auf die in der anstehenden Abiturprüfung zu bewältigenden praktischen und<br />

theoretischen Aufgaben vorzubereiten.<br />

Am Lucas-Cranach-Gymnasium in Wittenberg wurde <strong>des</strong>halb in Zusammenarbeit<br />

mit der Fachhochschule Darmstadt ein Praktikum konzipiert und erprobt, in dem die<br />

Schüler in 10 Einheiten zentrale und prüfungsrelevante Themen <strong>des</strong> Chemieunterrichtes<br />

selbständig in Experimenten bearbeiten. Das Praktikum ist sowohl für den Leistungskurs<br />

als auch für den Grundkurs vorgesehen, wobei die Grundkursteilnehmer pro Woche eine<br />

reduzierte Praktikumeinheit bearbeiten müssen. Die Schülerinnen und Schüler <strong>des</strong><br />

Leistungskurses bearbeiten hingegen in einer Doppelstunde pro Woche eine vollständige<br />

Praktikumeinheit, so daß das Praktikum nach zehn Wochen abgeschlossen werden kann.<br />

Die Praktikumeinheiten umfassen:


98<br />

• V 1: Säure-Base-Titration<br />

• V 2: Qualitative und quantitative Redoxchemie<br />

• V 3: Komplexometrische Titration<br />

• V 4: Reaktionsarten der Organischen Chemie<br />

• V 5: Recycling von Kunststoffen<br />

• V 6: Qualitative Analyse - Bestimmung von Ionen in einem Salzgemisch<br />

• V 7: Experimentelle Bestimmung von Reaktionsenthalpien<br />

• V 8: Untersuchung von Reaktionsgeschwindigkeiten<br />

• V 9: Das chemische Gleichgewicht<br />

• V 10: Elektrochemische Reaktionen<br />

Die Schülerinnen und Schüler werden in Zweiergruppen eingeteilt und durchlaufen<br />

das Praktikum im Stationsbetrieb. Zur Vorbereitung auf die jeweilige Praktikumeinheit<br />

werden ihnen Arbeitsbögen ausgehändigt, auf denen das Thema für das nächste<br />

Praktikum, die durchzuführenden Experimente und Fragen zu theoretischen Grundlagen<br />

aufgeführt sind. Die Bearbeitung der Fragen ist als Hausaufgabe zu verstehen und wird<br />

entweder in ca. zehnminütigen Arbeitsgesprächen vom Lehrer während <strong>des</strong> nächsten<br />

Praktikumtages überprüft oder von ihm eingesammelt und bewertet. Abläufe der<br />

Versuche, Beobachtungen und Meßwerte sowie die Antworten zu den Auswertungsfragen<br />

der Experimente werden protokolliert und am Ende der Versuche dem Lehrer<br />

übergeben. Sie werden von Ihm korrigiert und später ausführlich kommentiert an die<br />

Schülerinnen und Schüler zurückgegeben. Es bleibt außerdem im Unterricht noch<br />

genügend Zeit, um besonders interessante oder Verständnisschwierigkeiten bereitende<br />

Versuchsinhalte zu besprechen.<br />

Ökologische Gesichtspunkte der Versuche<br />

Unser besonderes Anliegen ist es, den Schülern über die tradierten Lehrinhalte hinaus<br />

auch zu vermitteln, dass Chemie und Umweltschutz keine Gegensätze sind, sondern - im<br />

Gegenteil - untrennbar zusammengehören. Deshalb ziehen sich Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes<br />

wie ein roter Faden durch das Praktikum. Dies wird im folgenden näher<br />

erläutert.<br />

Im ersten Versuch „Säure-Base-Reaktionen“ wird der Gehalt an Essigsäure im<br />

Speiseessig und Gurkenwasser durch Titration mit Natronlauge ermittelt. Vorteilhaft ist,<br />

dass die untersuchten Stoffe Lebensmittel und keine Gefahrstoffe nach der Gefahrstoffverordnung<br />

sind und dass die Titrationen im Halbmikromaßstab durchgeführt werden,<br />

um Maßlösung zu sparen (vgl. 2.3.1).<br />

Im zweiten Versuch „Redoxreaktionen“ wird u. a. der Gehalt einer alten Flasche mit<br />

Wasserstoffperoxid permanganometrisch bestimmt. Den Schülern wird nicht nur eine<br />

interessante Redoxtitration vermittelt, sondern diese gleichzeitig in den Dienst <strong>des</strong><br />

Umweltschutzes gestellt: Qualitätskontrolle zwecks Weiterverwendung (vgl. 2.7.4).<br />

Außerdem wird bei den Versuchen die besondere und zunehmende Bedeutung von H 2 O 2<br />

im Umweltschutz betont.<br />

Objekt der Untersuchung im dritten Versuch ist Leitungswasser, <strong>des</strong>sen Härte<br />

komplexometrisch bestimmt wird. Wieder kommt eine Halbmikrotitration als<br />

chemikaliensparende und daher umweltfreundlichere Analysenmethode zur Geltung.<br />

Die Versuche 4 und 5 befassen sich mit der Organischen Chemie. Hier wird die<br />

Synthese von Butan-2-ol aus 2-Brombutan durchgeführt, die in der Hinsicht ökologisch<br />

optimiert ist, dass organische Inhaltsstoffe dem Abwasser durch Adsorption an<br />

Aktivkohle entzogen werden. Die basische Spaltung <strong>des</strong> Polyethylenterephthalats einer<br />

Getränkeflasche dient als Beispiel für eine Methode <strong>des</strong> Kunststoffrecyclings (vgl.


99<br />

2.10.2.1). Die Ethen-Gewinnung durch Dehydratisierung von Ethanol am Al 2 O 2 -Kontakt<br />

ist schließlich dahingehend umweltfreundlich, dass der Nachweis von entstandenem und<br />

pneumatisch aufgefangenen Ethen nicht durch Entfärben von Bromwasser unter gleichzeitiger<br />

Bildung von hochtoxischen Dibromethan, sondern durch Reduktion von<br />

Permanganat (Bayer-Reagenz) zu Braunstein und unter Bildung von mindergiftigen<br />

Ethylenglycol erfolgt, das biologisch abbaubar ist und <strong>des</strong>halb kanalisiert werden darf.<br />

Versuch 6, die „Qualitative Analyse“, beschränkt sich auf die Nachweise ökologisch<br />

weitgehend unbedenklicher Ionen bzw. trägt der Sammlung von Niederschlägen von<br />

Schwermetallsalzen, z. B. der Silberhalogenide, zwecks späteren Recyclings Rechnung.<br />

Der siebte Versuch führt in die „Chemische Thermodynamik“ ein. Am Beispiel <strong>des</strong><br />

Auflösens von CaCl 2 , eines ökologisch harmlosen Stoffes, in Wasser wird eine<br />

Reaktions- und Lösungsenthalpie anschaulich bestimmt. Die resultierende CaCl 2 -<br />

Lösung wird aufgehoben und an anderer Stelle im Unterricht weiterverwendet.<br />

Anhand der Umsetzung von Oxalsäure mit Kaliumpermanganat wird im achten<br />

Versuch „Reaktionskinetik“ eine Reaktionsgeschwindigkeit untersucht. Obwohl mit<br />

dem starken Oxidationsmittel Permanganat (bewusst) ein Gefahrstoff zum Einsatz<br />

kommt, ist der Versuch als umweltfreundlich anzusehen, denn am Ende liegt das<br />

Mangan in der ungiftigen zweiwertigen Stufe vor und kann weggeschüttet werden. Über<br />

den reinen physikochemischen Lehrinhalt hinaus lernen die Schüler die Toxizität eines<br />

Metalls in Abhängigkeit von seiner Oxidationsstufe kritisch zu beurteilen (vgl. 2.10.1).<br />

Der neunte Versuch thematisiert mit dem Propansäure/Propanol/Propansäurepropylester-Gleichgewicht<br />

das „Chemische Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz“.<br />

Vorteilhaft an dem Versuch ist, daß keine gefährlichen Stoffe benötigt werden und dass<br />

der entstandene Ester sogar isoliert und für spätere Versuche aufgehoben werden kann.<br />

Der letzte Versuch zur „Elektrochemie“ behandelt das Thema Recycling auf eine<br />

besondere Art. Er macht den Schülern klar, daß beim Wiederaufladen eines Bleiakkus<br />

reaktives Pb und PbO 2 recycliert werden (Sekundärelement). Der Versuch wird ergänzt,<br />

indem vergleichend das Daniell-Element behandelt wird und von dort aus Parallelen zur<br />

Kupfergewinnung bzw. Entgiftung kupferionenhaltiger Lösungen durch Zementation<br />

mit Eisen gezogen werden.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das auf das Abitur vorbereitende<br />

Repetitorium um folgende wesentliche Elemente <strong>des</strong> Umweltschutzes inhaltlich und<br />

methodisch bereichert wurde:<br />

• Nach dem Verursacherprinzip arbeiten die Schüler ihre Versuchsreste selbst auf<br />

• Sparen von Chemikalien und Verringern von Resten durch Arbeiten im kleinen<br />

Versuchsmaßstab<br />

• Ersetzen giftiger und ökologisch bedenklicher Stoffe durch weniger gefährliche<br />

• Verwerten von Versuchsresten statt Entsorgen<br />

• Qualitätskontrolle alter Chemikalien zwecks Weiterverwendung<br />

• Recyclieren gängiger Ausgangschemikalien aus Versuchsresten<br />

• Schadstoffeliminierung aus dem Wasser durch Oxidation, Reduktion, Fällung und<br />

Adsorption


100<br />

2.10.8 Ein Sicherheits- und Umweltschutz-Tutorium<br />

an der Fachhochschule Darmstadt [60]<br />

Gesetze und technische Regeln schreiben die Unterweisung von Studenten im sicheren<br />

und umweltgerechten Umgang mit Chemikalien zu Beginn eines jeden neuen<br />

Praktikums vor. Ein dauern<strong>des</strong> Auffordern zum Tragen von Schutzbrille, Kittel und<br />

Handschuhen sowie Hinweisen auf MAK-Werte, Wassergefährdungsklassen und R- und<br />

S-Sätze ist zwar notwendig, birgt aber die Gefahr in sich, für die zu Unterweisenden<br />

rasch langweilig zu werden, so dass wichtige Inhalte gar nicht recht wahrgenommen<br />

werden. Ein schul-meisterliches Verordnen von ständigem Arbeiten unter dem Abzug<br />

kann sogar lächerlich und kontraproduktiv wirken, spätestens wenn die Praktikanten im<br />

Labor feststellen, dass eindeutig zu wenig Abzugsfläche vorhanden ist, es demzufolge<br />

doch nach H 2 S oder Ether stinkt und notgedrungen Fenster und Türen aufgerissen<br />

werden.<br />

Sicherheits- und Umweltschutzbelehrungen können ihren Sinn nur erfüllen, wenn<br />

sie inhalts- und abwechslungsreich und möglichst spannend sind und didaktisch<br />

geschickt durchgeführt werden (vgl. 2.9). Deshalb wurde an der Fachhochschule<br />

Darmstadt ein sich über drei Semester erstrecken<strong>des</strong> Arbeits- und Umweltschutztutorium,<br />

kurz AUT, entwickelt, um Lerninhalte aus der GefStoffV und TRGS 451<br />

fächerübergreifend mit den Inhalten der einzelnen Praktika <strong>des</strong> Grundstudiums zu<br />

korrelieren und in den Rahmen unserer ökologisch orientierten Chemieingenieur-<br />

Ausbildung einzupassen. Die drei ca. zweistündigen Einzeltutorien werden zu Beginn<br />

<strong>des</strong> Einführungspraktikums (AUT I), <strong>des</strong> Quantitativ-Analytischen Praktikums (AUT II)<br />

und <strong>des</strong> Organischen Praktikums (AUT III) abgehalten und bauen im Sinne eines<br />

Spiralcurriculums aufeinander auf. Das AUT I soll die Studenten zunächst für den<br />

Arbeits- und Umweltschutz sensibilisieren und Grundbegriffe dazu nach der Brain-<br />

Storm-Methode erarbeiten. Im AUT II werden Inhalte <strong>des</strong> ersten Tutoriums in<br />

verkürzter Form wiederholt und die bereits bekannten Prinzipien auf konkrete Fälle der<br />

Quantitativen Analyse angewendet. Im AUT III schließlich werden wiederum<br />

reproduktiv zunächst allgemeine und dann konkret Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen<br />

der Organischen Chemie zusammengetragen, bevor auf die<br />

praktikumbetreffende Entsorgungsproblematik genauer eingegangen wird und an dieser<br />

Stelle Querbeziehungen zum Anorganischen Praktikum, insbesondere Möglichkeiten der<br />

Aufarbeitung anorganischer Reste aus der organischen Synthese aufgezeigt werden.<br />

Ferner wird der Umgang mit Sicherheitsdatenblättern und das Erstellen von<br />

Betriebsanweisungen geübt sowie der Aspekt Toxikologie eingeführt.<br />

Insgesamt lässt sich bzgl. <strong>des</strong> Niveaus der einzelnen Tutorien eine klare Abstufung<br />

erkennen: Während es im ersten AUT primär darum geht, Aspekte nur zu sammeln und<br />

entsprechenden Kategorien zuzuordnen, steht im zweiten Tutorium die Anwendung<br />

gelernter Arbeits- und Umweltschutz-Prinzipien auf konkrete Beispiele im Vordergrund<br />

(erst Reproduktion, dann Transfer). Das dritte AUT zeichnet sich in<strong>des</strong> dadurch aus,<br />

dass neben der Anwendung bekannter Prinzipien (aus der Anorganik) auf neue Beispiele<br />

(Organik) auch übergreifende Aspekte behandelt werden. Insbesondere zu letzterem<br />

Punkt wird von den Studierenden eine intensive Vorbereitung auf die Veranstaltung<br />

erwartet.<br />

Methodisch zeichnet sich das AUT dadurch aus, dass ein Vortragsstil durch den<br />

Veranstalter weitestgehend vermieden wird. Wichtige Punkte sollen von den<br />

Studierenden selbst dargestellt oder gemeinsam erarbeitet werden, bevor sich durch<br />

anschließende Diskussionen die Themen vertiefen und die Erkenntnisse festigen sollen.<br />

Inzwischen wurde das dreigliedrige AUT mit 40 Personen, die ihr Studium im<br />

Wintersemester 1993/94 begonnen hatten, durchgeführt. Bei einer abschließenden


101<br />

Befragung bezeichneten 80 % der Teilnehmer die Veranstaltung als die beste zum<br />

Thema Sicherheit und Umweltschutz im Rahmen ihrer gesamten bisherigen Ausbildung<br />

und 90 % wünschten sich sogar eine Fortsetzung in ihrer Fortgeschrittenenausbildung.<br />

2.10.8.1 AUT I: Einführungspraktikum<br />

Zum Einstieg wurde die Frage „Was werden Sie Ihrer Meinung nach im<br />

Einführungspraktikum lernen?“ gestellt. Die geäußerten Vorstellungen und Wünsche<br />

wurden an der Tafel gesammelt. Hierbei handelte es sich übereinstimmend um die<br />

Aussagen „Umsetzung der theoretischen Vorlesungsinhalte in die Praxis“ und „Umgang<br />

mit Chemikalien Geräten“. Die Aussage „Umweltschutz/fachgerechte Entsorgung<br />

umweltgefährdender Chemikalien“ erfolgte zumeist nicht. Vermutlich wird Umweltschutz<br />

von vielen Studierenden bislang nicht als fest integrierter Bestandteil chemischer<br />

Praktika verstanden, sondern als zwar notwendiger, aber eher separat und nicht<br />

unmittelbar zu Praktikuminhalten zugehöriger Aspekt aufgefasst. Vor dem Hintergrund<br />

<strong>des</strong> im ersten Praktikum zu absolvierenden Programms mussten folglich hiernach<br />

diesbezüglich Bewußtseinsänderungen festzustellen sein, was auch der Fall war (s.u.).<br />

Insgesamt lassen sich die gesammelten Äußerungen den Kategorien Wissenschaftlichkeit<br />

(praktikumbezogene Theorie), Arbeitssicherheit (Umgang mit Geräten und<br />

Chemikalien) und Umweltschutz zuordnen. Beim Punkt „Wissenschaftlichkeit“ wurde<br />

auf das praktikumbegleitende Seminar verwiesen.<br />

Arbeitssicherheit: Beginnend mit dem Thema Arbeitssicherheit wurden über die<br />

Methode <strong>des</strong> Erarbeitenden Gesprächs die Unterpunkte Versuchsplanung und -vorbereitung,<br />

laborinterne Arbeitsschutzeinrichtungen, persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen<br />

und sicheres Arbeiten zusammengetragen und an der Tafel notiert.<br />

Ergänzend wurden einige Zusammenhänge zwischen Arbeits- und Umweltschutz<br />

aufgezeigt. Z. B. wurde erörtert, dass Arbeitsschutz und Umweltschutz bereits bei der<br />

Versuchsplanung beginnen, denn persönlicher Schutz und Umweltschutz sind nur dann<br />

gewährleistet, wenn mit den zu verwendenden Chemikalien sachgemäß umgegangen<br />

und mit den anfallenden Resten bzw. den hergestellten Produkten eine vorschriftsmäßige<br />

und gewissenhafte Entsorgung oder Aufarbeitung vorgenommen wird und wenn dies<br />

vorab gründlich geplant wurde.<br />

Um die Veranstaltung methodisch aufzulockern, wurden an dieser Stelle Dias aus<br />

dem von der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie herausgegebenen Lernprogramm<br />

„Sicheres Arbeiten im Laboratorium“ gezeigt. Diese behandelten laborrelevante<br />

Situationen, die Fehler enthielten. Das Aufspüren der Fehler und das Beschreiben<br />

der entsprechenden Situation in korrekter Form machte den Auszubildenden<br />

viel Spaß. Abschließend wurde eine vollständige Liste arbeitsschutzrelevanter Aspekte<br />

auf einer Overhead-Folie präsentiert und den Studenten als Merkblatt mitgegeben (s.<br />

Abb. 29).


102<br />

Arbeitsschutz im Anorganischen Praktikum<br />

Versuchsplanung und -vorbereitung<br />

- Betriebsanweisung/GefStoffV und Laborordnung/Richtlinien beachten<br />

- Versuchsanleitungen genau studieren, ggf. Fragen stellen! Wo können Gefahren entstehen?<br />

- Informationen über die zu benutzenden Geräte und Chemikalien einholen<br />

(R- und S-Sätze, Wassergefährdungsklassen, Entsorgungshinweise)<br />

- Verantwortung der Laborleitung: Aufsicht, Versuchskonzeption, technische Dinge ...<br />

Laborinterne Arbeitsschutzeinrichtungen<br />

- Fluchtwege, Notausgänge<br />

- Brandschutz: Feuerlöscheinrichtungen (Wo? Bedienung?), Verhalten bei Bränden<br />

- Notduschen<br />

- Augenwaschflaschen<br />

- Erste Hilfe<br />

- Telefon, Notruf, wichtige Telefonnummern<br />

- Aufenthalts- und Ablagemöglichkeiten<br />

- Absaugeinrichtungen/Abzüge<br />

Persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen<br />

- Augenschutz: Schutzbrille<br />

- Kittel<br />

- geschlossenes Schuhwerk, feste Sohle<br />

- Handschutz: Handschuhe<br />

- Atemschutz<br />

Sicheres Arbeiten<br />

- Absaugeinrichtungen: Abzug (Funktion?)<br />

- Grundlagen der Glasbearbeitung<br />

- Umgang mit heißen Gegenständen<br />

- Siedeverzüge: Verwendung von Rührern oder Sie<strong>des</strong>täben beim Erhitzen von Flüssigkeiten<br />

- Handhabung gebräuchlicher Laborbrenner<br />

- vorschriftgemäßer Umgang mit Geräten aller Art (Elektrogeräte!)<br />

- keine Hast beim Arbeiten im Labor<br />

- nicht mehr benötigte Vorratsflaschen mit Chemikalien sofort entfernen, um Verwechslungen<br />

und Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen<br />

Abb. 29: Folie und Merkblatt „Arbeitsschutz im Anorganischen Praktikum“<br />

Umweltschutz: Zum Einstieg in das zweite Kernthema wurden die in Abbildung 30<br />

zusammengestellten Arbeitsblätter verteilt und von den Studenten innerhalb von 20-25<br />

Minuten schriftlich bearbeitet.


103<br />

Arbeitsblätter „Praktikumintegrierter Umweltschutz“<br />

Arbeitsblatt 1:<br />

Um den Umweltschutz auch in der praktischen Chemieingenieurausbildung fest zu verankern bieten sich<br />

folgende zwei Möglichkeiten an:<br />

A) Unabhängig von den jeweiligen Lehrinhalten zieht sich der Umweltschutz-Aspekt durch alle Praktika<br />

wie ein roter Faden hindurch als fester und voll integrierter Bestandteil, d.h. ein je<strong>des</strong> Praktikum besteht<br />

aus den klassischen Analysen und Präparaten inklusive der Aufarbeitung der Versuchsprodukte und<br />

Abwässer.<br />

B) Die tradierte Konzeption der Praktika bleibt von inhaltlicher und organisatorischer Seite her bestehen.<br />

Zur Aufarbeitung der Versuchsprodukte und Abwässer wird ein eigenständiges Wahlpflicht- oder Projekt-<br />

Praktikum angeboten, so daß man den Aufarbeitungsaspekt bei dieser Variante vollständig aus den<br />

traditionellen Praktikuminhalten heraushalten und die verfügbare Zeit ausschließlich den klassischen<br />

Lehrinhalten widmen könnte.<br />

Arbeitsblatt 2:<br />

In einem Anorganik-Praktikum A werden nur Verbindungen der Elemente Mg, Ca, B und Al behandelt,<br />

in einem Anorganik-Praktikum B nur Verbindungen der Elemente Co, Ni, Cd und Hg.<br />

Arbeitsblatt 3:<br />

Praktikum A: Die Versuche sind gemäß folgendem Schema konzipiert:<br />

A 1 → A 2<br />

B 1 → B 2<br />

C 1 → C 2<br />

D 1 → D 2<br />

Praktikum B: Die Versuche sind gemäß folgendem Schema konzipiert:<br />

A 2<br />

A 1 A 3<br />

A 4


104<br />

Arbeitsblatt 4:<br />

Zur Aufarbeitung aller in einem Praktikum angefallenen vereinigten Versuchsprodukte bzw.<br />

Versuchsabwässer besteht für den Fachbereich zum einen die Möglichkeit, einen qualifizierten<br />

Laboringenieur einzustellen. Andererseits bietet sich die Möglichkeit an, die Studenten die Aufarbeitung<br />

ihrer Versuchsprodukte und Versuchsabwässer selbst vornehmen zu lassen. Des weiteren besteht die<br />

Möglichkeit, alle Versuchsreste zur Sondermüllverbrennung zu geben.<br />

Arbeitsblatt 5:<br />

Versuchsvariante A: In ein kleines Reagenzglas werden ca. 0,5 mL Wasser gegeben, hierzu gibt man 5<br />

Tropfen einer 1-molaren CaCl 2 -Lösung und danach 10 Tropfen einer 1-molaren Na 2 CO 3 -Lösung. Der<br />

gebildete Niederschlag wird abfiltriert. Das Filtrat wird mit einem weiteren Tropfen Na 2 CO 3 -Lösung<br />

versetzt und so auf Vollständigkeit der Fällung geprüft.<br />

Versuchsvariante B: In einem 2-L-Einhalskolben werden 600 mL einer 1-molaren CaCl 2 -Lösung<br />

vorgelegt und magnetisch gerührt. Über einen Tropftrichter mit Druckausgleich werden innerhalb von 20<br />

Minuten 800 mL einer 1-molaren Na 2 CO 3 -Lösung zugetropft. Es wird 10 Minuten nachgerührt, dann der<br />

gebildete Niederschlag abgesaugt, gründlich mit Wasser gewaschen und schließlich bei 150°C im<br />

Trockenschrank getrocknet.<br />

Abb. 30: Arbeitsblätter „Praktikumintegrierter Umweltschutz“<br />

Es wurden jeweils zwei konträre Lösungsmöglichkeiten eines praktikumbetreffenden<br />

Problems angeboten, wobei für beide Varianten Vor- und Nachteile genannt,<br />

Kompromissvorschläge erarbeitet und wichtige Prinzipien umweltorientierter<br />

Ausbildungskonzepte eruiert werden sollten. Dies sind das Verursacherprinzip<br />

(s. Arbeitsblätter 1 und 4), das Ersatzstoffprinzip (s. Arbeitsblatt 2), das<br />

Minimierungsprinzip (s. Arbeitsblatt 5) und das Verwertungs- und Recyclingprinzip (s.<br />

Arbeitsblatt 3), was an der Tafel notiert wurde.<br />

Im Arbeitsblatt 1 wurde bei der Integrierten Umweltschutz-Variante A als Vorteil<br />

der direkte Bezug <strong>des</strong> Praktikanten zu seinen Versuchsprodukten und der Aspekt der<br />

Verantwortlichkeit dafür (Verursacherprinzip) erkannt. Dem steht bei Variante B der<br />

Nachteil gegenüber, den Versuch mit Erhalt eines Produktes als beendet anzusehen, da<br />

ja die Aufarbeitung der Versuchsreste in andere Praktika und an andere Personen<br />

delegiert wird. Der persönliche Bezug zu den selbst verursachten Abfallstoffen geht hier<br />

also verloren. Vorteilhaft ist allerdings, dass die verfügbare Zeit ausschließlich den<br />

traditionellen Lehrinhalten gewidmet werden kann. Bei der Variante <strong>des</strong> Integrierten<br />

Umweltschutzes kam von den Studierenden selbst die Idee, das konventionelle<br />

Praktikumprogramm an geeigneter Stelle zu kürzen, um einen zeitlichen Mehraufwand<br />

zu vermeiden. Folgende Kompromisslösungen wurden angeboten: Leicht und schnell<br />

aufzuarbeitende Versuchsprodukte sollten von den Studierenden im Praktikum selbst<br />

behandelt, technisch oder zeitlich aufwendigere Aufarbeitungen in andere Praktika<br />

verlegt werden. Hierbei wurde auch der Vorschlag gemacht, kleinere Ansätze zu<br />

größeren zu vereinigen und diese von verschiedenen Gruppen oder Einzelpersonen<br />

aufarbeiten zu lassen, so dass jeder mit nur einer Aufarbeitung betraut wird. Des<br />

Weiteren wurde mehrfach geäußert, dass Aufarbeitungsarbeiten auf jeden Fall zum<br />

Pflichtprogramm der Ausbildung gehören sollten.


105<br />

Mit dem Arbeitsblatt 2 sollte das Ersatzstoffprinzip angesprochen werden. Die<br />

Auszubildenden erkannten problemlos, dass der Umgang mit Gift- und Gefahrstoffen<br />

notwendig ist, da gerade der Chemiker damit umgehen können muss. Wann immer es<br />

möglich ist, sollte jedoch auf ungiftige und umweltfreundliche Stoffe zurückgegriffen<br />

werden, falls die zu vermittelnden Lehrinhalte hierdurch nicht beeinträchtigt werden.<br />

Im Arbeitsblatt 3 sollte deutlich werden, dass Kreislauf-Versuche insofern<br />

vorteilhaft sind, als sie mit einem wesentlich kleineren Chemikalienbedarf auskommen<br />

und die Umwelt stark entlasten. Das Entfallen vieler verschiedenartiger Entsorgungskategorien<br />

spart Platz (Lagerhaltung) und Kosten. Von Nachteil ist, dass hier eine etwas<br />

einseitige Sichtweise resultiert insofern, als verschiedene Themen der Chemie anhand<br />

nur eines Elementes behandelt werden. Vorteilhaft ist jedoch, exemplarisch in die Tiefe<br />

gehen und die forschungsorientierte Arbeitsweise an konkreten Spezialthemen aufzeigen<br />

zu können. Demgegenüber wird mit der Praktikumvariante A ein sehr viel größerer<br />

Überblick über viele verschiedene Elemente, ihre Verbindungen und Eigenschaften<br />

vermittelt, was über den Nachteil eines umfangreichen Entsorgungskonzeptes erkauft<br />

werden muss. Ein Student nannte diesbezüglich gerade als Vorteil, durch die<br />

Vielfältigkeit chemischer Abfallstoffe auch die Vielfältigkeit möglicher Aufarbeitungsmethoden<br />

kennen lernen zu können. Hierzu protestierte die Gruppe jedoch, die<br />

Entsorgungsproblematik dürfe nicht Mittel zum Zweck werden. Oberstes Gebot müsse<br />

es sein, die Abfallengen und die Anzahl der Abfallkategorien möglichst klein zu halten;<br />

Vermeidung gehe immer vor Entsorgung. Die Richtigkeit und Wichtigkeit dieser<br />

Aussage konnte an keiner anderen Stelle <strong>des</strong> Tutoriums so anschaulich verdeutlicht<br />

werden.<br />

Mit dem Arbeitsblatt 4 sollte noch einmal das Verursacherprinzip angesprochen<br />

werden. Es war in jedem Falle als schlechteste Lösung <strong>des</strong> geschilderten Problems die<br />

Möglichkeit genannt worden, die entstandenen Versuchsreste an die Müllverbrennung<br />

abzugeben, da dies zu teuer sei und man außerdem wichtige Lehrinhalte von sich<br />

schiebe. Einigkeit bestand in der Auffassung, die Aufarbeitungen angefallener<br />

Versuchsreste müssten im Praktikum selbst oder zumin<strong>des</strong>t im Fachbereich vorgenommen<br />

werden, da dieser als Abfallerzeuger auch für eine entsprechende Entsorgung<br />

verantwortlich sei. Als Vorschlag wurde genannt, die Studierenden sollten die Abfallentsorgung<br />

- soweit dies technisch und zeitlich zu vertreten sei - selbst vornehmen, und<br />

für die aufwendigeren und wenig lehrreichen Aufarbeitungsschritte müsse ein<br />

Laboringenieur eingestellt werden.<br />

Mit dem Arbeitsblatt 5 wurde das Minimierungsprinzip angesprochen. Soll als<br />

Lernziel „Verstehen <strong>des</strong> Löslichkeitsproduktes“ oder „qualitativ-analytisches Arbeiten“<br />

vermittelt werden, so ist nur der chemiekaliensparende Versuch im Halbmikromaßstab<br />

zu verantworten, bei dem nur winzige Restmengen anfallen. Soll jedoch das präparative<br />

Arbeiten oder das für angehende Chemieingenieure später im Beruf wichtige Scale-Up<br />

von Versuchen geübt werden, so ist der Großansatz gerechtfertigt. Ein solcher sollte<br />

aber möglichst mit ökologisch unbedenklichen oder zumin<strong>des</strong>t gut recycelbaren Stoffen<br />

auskommen, wie dies im vorliegenden Beispiel der Fall ist.<br />

Die bei der Besprechung der Arbeitsblätter diskutierten Umweltschutzaspekte und<br />

einige zusätzliche Hinweise zum Entgiften bestimmter Chemikalien und Gase wurden<br />

abschließend auf einer Folie an die Wand projiziert und den Studierenden als Merkblatt<br />

mitgegeben (s. Abb. 31).


106<br />

Umweltschutz-Prinzipien<br />

(1) Verursacherprinzip<br />

Die Verantwortung für die vorschriftsmäßige Entsorgung oder Aufarbeitung anfallender Reststoffe<br />

obliegt den Studierenden selbst. Das Laborpersonal gibt Hilfestellungen.<br />

Grundsätzlich hat Abfallvermeidung Vorrang vor Abfallverminderung und -verwertung.<br />

(2) Ersatzstoffprinzip<br />

Soweit möglich sollen für die Vermittlung entsprechender Lehrinhalte giftige und umweltgefährdende<br />

Stoffe durch ungiftige und ökologisch unbedenkliche Stoffe ersetzt werden. Dies liegt in der Regel nicht<br />

im Ermessen der Studierenden, sondern der Laborleitung.<br />

(3) Minimierungsprinzip<br />

Es sollen möglichst kleine Ansätze gewählt und dadurch Chemikalien gespart werden. Entsprechend<br />

fallen weniger Abfälle an.<br />

(4) Verwertungs- und Recycling-Prinzip<br />

Wenn möglich, sollen Versuche so konzipiert sein, dass Versuchsprodukte als Edukte eines<br />

Folgeversuchs eingesetzt werden können. Dies reduziert Abfallmengen und spart Chemikalien. Getrenntes<br />

Sammeln von Resten ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufarbeitung auf wiedereinsetzbare<br />

Wertstoffe. Aufbereitungen haben stets unter Berücksichtigung von Ökobilanzen zu erfolgen und dürfen<br />

nicht zu Problemverlagerungen führen. Aufbereitete Produkte sind Qualitätskontrollen zu unterziehen, die<br />

Aufschluss geben über ihre Reinheit und Wiederverwertbarkeit.<br />

(5) Sonstige Grundlagen umweltorientierten Arbeitens in Praktikum und Labor<br />

Giftige und umweltgefährdende Stoffe sollen vor einer weiteren Behandlung in mindergiftige und<br />

umweltfreundlichere übergeführt (z.B. Nitrit zu Nitrat oxidiert oder Iod zu Iodid reduziert) und giftige<br />

und umweltbedenkliche Gase - soweit möglich - absorbiert werden. Grundsätzlich ist bei Aufarbeitungen<br />

der aufzuwendende Energieeinsatz zu berücksichtigen (Ökobilanzen).<br />

Abb. 31: Folie und Merkblatt „Umweltschutz-Prinzipien“<br />

2.10.8.2 AUT II: Quantitativ-Analytisches Praktikum<br />

Mit Beginn <strong>des</strong> Quantitativen Praktikums nehmen die Studierenden an dem zweiten<br />

Arbeits- und Umweltschutz-Tutorium teil. Sie sollten zunächst frei heraus äußern, was<br />

Ihnen im vorangegangenen Einführungspraktikum am meisten oder am wenigsten Spaß<br />

machte und was ihrer Meinung nach fehlte oder zu kurz kam. Insgesamt erfuhr der erste<br />

Praktikumsteil eine positive Beurteilung. Als besonders gut wurde bewertet, daß der<br />

Umweltschutz in starkem Maße im Praktikum vertreten war; man lerne gleich, daß<br />

„Umweltschutz irgendwie dazugehört“, dass er „nicht nur Ballast behandelter Stoffe,<br />

sondern im Gegenteil selbst Stoff“ sein könne. Darüber hinaus wurde <strong>des</strong> öfteren<br />

geäußert, es mache sehr viel Spaß und es sei besonders lehrreich, Versuche ganzheitlich<br />

zu betrachten, also auch die Frage zu berücksichtigen, was mit den entstandenen<br />

Reststoffen geschehen solle. So sei man schließlich auch gut vorbereitet, wenn in der<br />

Industrie später ähnliche Betrachtungen anzustellen seien.<br />

Die hier gesammelten Äußerungen lassen also den Schluss zu, dass Umweltschutz<br />

bereits nach Absolvieren <strong>des</strong> Einführungspraktikums als voll integrierter und völlig<br />

gleichberechtigter Lehrinhalt verstanden wird (vgl. 3).<br />

Anschließend an die erste und sehr aufschlussreiche Phase der Veranstaltung<br />

wurden arbeitsschutzspezifische Inhalte <strong>des</strong> AUT I noch einmal aufgegriffen und kurz<br />

erläutert, bevor die hierbei genannten Punkte um speziell den Quantitativen


107<br />

Praktikumsteil betreffende Inhalte erweitert wurden, z. B. Umgang mit Pipetten,<br />

Büretten, Exsikkatoren, Tiegeln etc.<br />

Etwa nach der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit wurde mit der Frage nach<br />

dem Aussehen eines Entsorgungskonzeptes für das Quantitative Praktikum zum Thema<br />

Umweltschutz übergeleitet. Anhand dieser Frage sollte indirekt überprüft werden,<br />

inwieweit wichtige Umweltschutz-Prinzipien aus dem Einführungspraktikums reproduziert<br />

werden konnten. Wider Erwarten war die Beteiligung in dieser Phase <strong>des</strong><br />

Gesprächs gering. Viele der in Abbildung 29 aufgeführten Punkte wurden entweder gar<br />

nicht genannt oder erst, nachdem Hilfestellungen gegeben worden waren. Offensichtlich<br />

hatten sich die Studenten auf das AUT II nicht vorbereitet und sich mit den Anleitungen<br />

zum Quantitativen Praktikum bis zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Gespräches auch noch nicht vertieft<br />

auseinandergesetzt. Bei der Aufforderung, konkrete Beispiele der quantitativen Analyse<br />

im Hinblick auf die Entsorgungsproblematik einmal durchzugehen (s. Abb. 32) und<br />

dabei auch an den ersten Teil <strong>des</strong> Anorganischen Praktikums zu denken, wurden aber<br />

doch viele richtige Antworten spontan genannt (vgl. 2.10.5).<br />

Reste aus der Quantitativen Analyse<br />

Frage:<br />

Antwort:<br />

„Wie / zu welchen Stoffen kann ...<br />

aufgearbeitet werden<br />

CuI-Reste aus der iodometrischen Oxidation mit H 2 SO 4 /H 2 O 2 zu CuSO 4 und I 2<br />

Cu-Bestimmung<br />

Ba 2+ -haltige Filtrate aus der<br />

gravimetrischen Sulfat-Bestimmung<br />

8-Hydroxichinolin-haltige Filtrate aus<br />

der gravimetrischen Mg-Bestimmung<br />

[Cu(NH 3 ) 4 ] 2+ -Lösungen aus der<br />

fotometrischen Cu-Bestimmung<br />

Ag + -haltige Reste aus der<br />

potentiometrischen Halogenid-Bestimmung<br />

Fällen als BaCO 3 , Filtration<br />

Adsorption der organischen Wasserinhaltsstoffe an<br />

Aktivkohle<br />

Zementation von elementarem Kupfer mit Eisen im<br />

sauren Medium<br />

Fällen als AgCl, dann Aufbereiten auf Silbernitrat<br />

Abb. 32: Aufarbeitungsmöglichkeiten von Resten aus der Quantitativen Analyse<br />

2.10.8.3 AUT III: Organisch-Chemisches Praktikum<br />

Bei der Terminvereinbarung zum AUT III wurde zur Vorbereitung jeder Teilnehmer mit<br />

einer der folgenden Aufgaben betraut:<br />

- Recherche wichtiger Begriffe / Abkürzungen aus dem Bereich <strong>des</strong> Arbeits- und<br />

Umweltschutzes und deren Erklärung (z.B. MAK-Wert, R- und S-Sätze,<br />

Flammpunkt, Wassergefährdungsklassen)<br />

- Anfertigung eines Kurzreferates zum sachgerechten Umgang mit DIN-<br />

Sicherheits-datenblättern, Erläuterungen<br />

- Erstellung einer Betriebsanweisung gemäß GefStoffV bzw. TRGS 451 zu<br />

einzelnen Stoffen oder Stoffgruppen, Erläuterungen<br />

- Anfertigung eines Kurzreferates zur Toxikologie einer im Praktikum<br />

verwendeten Substanz bzw. Substanzklasse


108<br />

- Anfertigung eines Kurzreferates zur Aufarbeitungsmöglichkeit anorganischer<br />

Reste aus der Organischen Synthese<br />

Durch das Delegieren derartiger Arbeitsaufträge an die Studierenden wurde von<br />

vornherein deutlich gemacht, dass es sich beim AUT III um eine seminarähnliche<br />

Veranstaltung handelt, deren Verlauf und Ergiebigkeit entscheidend vom Mitwirken der<br />

Studierenden abhängt. Außerdem mussten sich die Veranstaltungsteilnehmer durch diese<br />

„Hausaufgaben“ schon vorab mit im Tutorium dann eingehend zu behandelnden und zu<br />

vertiefenden Inhalten auseinandersetzen, was das Niveau der Veranstaltung insgesamt<br />

steigern sollte.<br />

Das AUT III wurde wie auch die beiden vorangegangenen Tutorien mit der<br />

Sammlung und Reflexion arbeitsschutzspezifischer Prinzipien nach der Brain-Storm-<br />

Methode eingeleitet. Daran anschließend erfolgte die Erarbeitung der Relevanz der<br />

genannten Punkte für das Organische Praktikum. Von den Studierenden nicht genannte<br />

Punkte wurden vom Veranstaltungsleiter ergänzt und erläutert, abschließend auf einer<br />

Folie präsentiert und den Teilnehmern als Merkblatt mitgegeben (s. Abb. 33).<br />

Arbeitsschutz im Organischen Praktikum<br />

Versuchsplanung und -vorbereitung<br />

- Informationen über die zu benutzenden Geräte und Chemikalien einholen (R- und S-Sätze,<br />

Flammpunkte, Explosionsgrenzen, MAK-Werte, Wassergefährdungsklassen,<br />

Entsorgungshinweise)<br />

Laborinterne Arbeitsschutzeinrichtungen<br />

- Brandschutz: Feuerlöscheinrichtungen (Feuerlöscher, Fluchtwege, Notduschen: Wo?<br />

Bedienung?), Verhalten bei Bränden; Natrium-Brände nur mit Sand löschen! Ölbadbrände<br />

unter Aufsicht abbrennen lassen, Pulverlöscher bereithalten<br />

Persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen<br />

- Handschutz: Aufgrund der guten Hautresorption vieler organischer Stoffe (vor allem<br />

Lösungsmittel) sind im OC-Praktikum grundsätzlich Handschuhe zu tragen!<br />

- Augenschutz<br />

- Schutzkittel<br />

Sicheres Arbeiten<br />

- mit brennbaren Lösungsmitteln getränkte Feststoffe (Trockenmittel) sowie Filterkuchen<br />

gebrauchter Katalysatoren nicht direkt zu den in Feststoffabfällen geben (Brandgefahr!)<br />

- als Etherersatz wenn möglich Cyclohexan/Essigester-Mischungen verwenden<br />

- bei Arbeiten mit Ether Kollegen informieren (keine offenen Flammen!)<br />

- vor Destillationen sind diverse Stoffe (vor allem Ether) auf Peroxide zu testen<br />

- bei Tischbränden sofort sämtliche Gashähne schließen und Stecker ziehen<br />

- Vorsicht bei der Reinigung nicht etikettierter Gefäße mit unbekanntem Inhalt!<br />

- Arbeiten mit Heizpilzen: Erhitzen nur reiner Lösungsmittel; Kolben bis zur Höhe <strong>des</strong><br />

Heizpilzran<strong>des</strong> mit Flüssigkeit füllen<br />

- Natriumreste mit Ethanol in offener Schale vernichten<br />

- Ölbäder nicht über 180 °C erhitzen<br />

- wenn überhaupt, nur Aceton (kleine Mengen) als organisches Reinigungsmittel verwenden<br />

- Vakuum<strong>des</strong>tillation: Informieren über Arbeiten unter vermindertem Druck<br />

Abb. 33: Folie und Merkblatt „Arbeitsschutz im Organischen Praktikum“


109<br />

Die Hausaufgaben „Umgang mit bzw. Erstellen von DIN-Sicherheitsdatenblättern<br />

und Betriebsanweisungen anhand ausgewählter Beispiele“ wurden präsentiert und mit<br />

der Gruppe diskutiert. An alle Studenten wurde ein DIN-Sicherheitsdatenblatt (Merck),<br />

ein Merkblatt „Gefährliche Arbeitsstoffe“ (Kühn · Birett) und die Broschüre „Umgang<br />

mit Gefahrstoffen an der Fachhochschule Darmstadt“ ausgehändigt und auf die in den<br />

Laborräumen ausliegende oder bei der Laborleitung einseh- und ausleihbare<br />

arbeitsschutzrelevante Schriften verwiesen. Um das Kapitel Arbeitsschutz abzuschließen<br />

und die Veranstaltung aufzulockern, wurden - wie bereits beim AUT I - Dias vorgeführt,<br />

die jetzt ausschließlich organisch-chemische Themen zum Inhalt hatten.<br />

Als Übergang vom Arbeits- zum Umweltschutz bot sich die Behandlung der<br />

Thematik Toxikologie an. Ein Referent stellte eine ausgewählte Praktikumchemikalie<br />

(Methanol, Ethanol, Formaldehyd, Nitrit) oder eine häufig benutzte Stoffgruppe<br />

(Aromaten, halogenierte Kohlenwasserstoffe) mit ihrer toxischen Wirkung auf den<br />

Menschen vor, zeigte Möglichkeiten der Therapie auf und gab Gelegenheit zur<br />

Diskussion und <strong>Weiterentwicklung</strong> der vorgestellten Fakten anhand einfacher<br />

(bio)chemischer Überlegungen (vgl. 2.9). Hieraus resultierte fast immer ein hohes Maß<br />

an Motivation, und meist wurde nach weiteren Beispielen zur Toxikolgie praktikumrelevanter<br />

Substanzen gesucht. Es ist daher wenig erstaunlich, dass das Thema<br />

Toxikologie nur in den wenigsten Fällen ohne größere Mühe wieder zu verlassen war.<br />

Der Punkt Umweltschutz wurde mit der Vorstellung der an der Fachhochschule<br />

Darmstadt vorhandenen Abfallkategorien eingeleitet, wobei die „Betriebsanweisung zur<br />

Behandlung und Entsorgung von Sonderabfällen“ als Vorlage diente. Die Studenten<br />

erkannten schnell, dass ein Großteil Abfall schon alleine dadurch vermieden werden<br />

kann, dass Lösungsmittel durch einfache Destillation am Rotavapor zurückgewonnen<br />

werden (vgl. 2.7.2). Besonders thematisiert wurde die Problematik halogenierter<br />

Kohlenwasserstoffe, die unter keinen Umständen ins Abwasser gelangen dürfen, worauf<br />

vor allem beim Ausspülen der Reaktionsgefäße nach Abschluss eines Versuches zu<br />

achten ist.<br />

Anschließend wurde von einem Studierenden referiert, dass in der Organischen<br />

Synthese auch zahlreiche anorganische Stoffe als Reduktions- und Oxidationsmittel<br />

sowie Katalysatoren zum Einsatz kommen, die Abwasserprobleme bereiten, so dass<br />

entsprechende Entsorgungsmaßnahmen oder Recycling-Arbeiten erforderlich werden.<br />

Hier konnte direkt an die Inhalte <strong>des</strong> Anorganischen Praktikums angeknüpft und z.B.<br />

erarbeitet werden, dass resultierende Cr 3+ -Ionen aus Jones-Oxidationen durch eine<br />

Hydroxidfällung dem Abwasser entzogen, restliches KMnO 4 aus Oxidationsprozessen<br />

zu ungiftigem Braunstein reduziert oder Iodid-Reste aus Williamsonschen Ethersynthesen<br />

mit H 2 O 2 auf direkt im Organischen Praktikum wiederverwertbares<br />

elementares Iod aufbereitet werden können. Kleine Mengen wässriger aluminium- bzw.<br />

zinkhaltiger Reste aus Friedel-Crafts-Reaktionen bzw. Clemmensen-Reduktionen<br />

können an das Einführungspraktikum weitergegeben werden. Dort werden die<br />

Metallkationen dann ausgefällt und mit Cobaltverbindungen zu den Pigmenten Thénards<br />

Blau bzw. Rinmanns Grün pyrolysiert. Besonders beeindruckend war es für die<br />

Studenten zu erkennen, dass eine Verknüpfung der Stoffflüsse <strong>des</strong> Organischen und <strong>des</strong><br />

Anorganischen Praktikums einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz im Fachbereich<br />

leisten kann, womit gleichzeitig Gesichtspunkte <strong>des</strong> in der Industrie zunehmend<br />

wichtigen produktions-integrierten Umweltschutzes widergespiegelt werden (vgl. 2.6.3).


110<br />

3 Evaluation <strong>des</strong> Einführungpraktiums an der<br />

Fachhochschule Darmstadt [61]<br />

Zweifellos vereinfacht das neue Ausbildungskonzept an der Universität Zürich und an<br />

der Fachhochschule Darmstadt die gesetzlich vorgeschriebene Umsetzung der<br />

Gefahrstoff-verordnung, führt zum Einsparen von Ausgangschemikalien und vor allem<br />

zu einer erheblichen Reduktion (über 90 %) der Abfallmenge, womit dem Budget <strong>des</strong><br />

Fach-bereichs und der Umwelt gleichermaßen gedient ist. Schon allein aus diesen<br />

Gründen ist es einem Praktikum, in dem anfallende Versuchsreste lediglich nach<br />

verschiedenen Kategorien sortiert und dann als Sondermüll verbrannt werden,<br />

überlegen. Es erhebt aber auch - wie bereits mehrfach erwähnt - den Anspruch, den<br />

Studenten klarzumachen, dass Chemie und Umweltschutz heute untrennbar<br />

zusammengehören und das jeder Chemiker, der Reste produziert, sich im Sinne <strong>des</strong><br />

Verursacherprinzips auch darum kümmern muss (affektive Lernziele), und ihnen<br />

außerdem das nötige Fachwissen zum Lösen von Umweltproblemen zu liefern<br />

(kognitive Lernziele), ohne dass tradierte Lernziele verloren gehen.<br />

Dass diese Ziele erreicht werden, lässt sich dadurch belegen, dass sich viele<br />

Studenten auch in späteren Praktika nicht nur konsequent an die Betriebsanweisungen<br />

zum Umweltschutz und zur Entsorgung halten (ein gedankenloses Wegschütten von<br />

Resten in den Ausguss ist bislang nicht beobachtet worden), sondern diese vor allem<br />

auch in Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten kritisch hinterfragen. Im praktikumbegleitenden<br />

Kolloquien wurde außerdem festgestellt, dass die meisten Studenten Verfahren<br />

zur Abwasserbehandlung, zum Recycling und Elemente einer<br />

Kreislaufwirtschaft, also die zusätzlichen Lerninhalte, nennen und beschreiben können<br />

und dabei die Grund-lagen klassischer Themen wie Komplexchemie oder<br />

Trennungsgang nach wie vor beherrschen.<br />

Um das Ausbildungskonzept weiter zu verbessern, wurde die Meinung der<br />

Studenten dazu durch Fragebögen (s.u.) ermittelt.<br />

Die gestellten Fragen sollten natürlich nicht auf Praktikumvergleiche abzielen, da<br />

die befragten Studierenden nur ein Praktikum kennen, sondern vielmehr deren<br />

Interessens-schwerpunkte (präparative Chemie, Analytik, Projektarbeiten, Umweltchemie)<br />

vor und nach dem Praktikum, Erwartungshaltungen bezüglich der<br />

Praktikuminhalte vor Praktikumbeginn und danach, in wie weit die Erwartungen im<br />

Praktikum erfüllt wurden, Meinungen zum Praktikumkonzept und zu den schriftlichen<br />

Anleitungen und insbesondere zum Umweltschutz in Industrie, Ausbildung und Beruf<br />

eruieren.<br />

Zu berücksichtigen ist, dass alle Darmstädter Fachhochschul-Studenten das Fach<br />

Chemische Technologie studieren, der kleinere Teil (etwa ein Viertel) der Zürcher<br />

Universitäts-Studenten (promovierter) Diplom-Chemiker werden möchte, während die<br />

meisten Zürcher Studenten sich mit Chemie als Nebenfach beschäftigen und später vor<br />

allem in der Biologie tätig sein werden.


111<br />

3.1 Fragebögen vor Praktikumbeginn<br />

Vor Praktikumbeginn im 2. Semester erwarteten die Darmstädter Studenten (Zürcher<br />

Studenten wurden nicht befragt), dass sich die Inhalte der Vorlesungen im ersten<br />

Semester bezüglich präparativer Chemie (77 %), analytischer Chemie (89 %),<br />

Stöchiometrie (89 %), Toxikologie (83 %) und Umweltschutz (83 %) im Praktikum<br />

widerspiegeln. Ihre Erwartungshaltung ist berechtigt, denn die Vorlesungen sollen nach<br />

Intention <strong>des</strong> verantwortlichen Dozenten die Studenten in der Tat auf das Praktikum<br />

vorbereiten. Das Bestehen der Abschlussklausuren ist sogar Voraussetzung, um zum<br />

Praktikum zugelassen zu werden.<br />

Dass die Studenten im Praktikum nicht ganz so viel Synthese- wie analytische<br />

Chemie erwarten, ist verständlich, da sich die zahlreichen in der Vorlesung über<br />

anorganische Chemie vorgestellten großtechnischen Syntheseprozesse, z. B. Ammoniak-<br />

, Chlor- oder Schwefelsäureproduktion, im Praktikum gar nicht realisieren lassen, die<br />

qualitativen Analysen hingegen in vollem Umfang durchführbar sind. Da bereits in der<br />

Experimentalvorlesung konsequent auf die Aufbereitung anfallender Versuchsreste<br />

hingewiesen wird oder diese zum Teil direkt vorgeführt wird (s. 2.10.3), ist die<br />

Erwartungshaltung der Studenten bezüglich Gesichtspunkten <strong>des</strong> Umweltschutzes im<br />

Praktikum sehr hoch. Ihre ebenfalls hohe Erwartungshaltung bezüglich Elementen der<br />

Toxikologie (s. 2.9) im Praktikum wird allerdings erst im Fortgeschrittenenpraktikum<br />

erfüllt.<br />

Vor Praktikumbeginn dominiert bei den Auszubildenden das Interesse an Fragen zur<br />

Umweltchemie (49 %) deutlich vor dem an präparativer (15 %) und analytischer Chemie<br />

(19 %).<br />

Von der chemischen Industrie haben die Studenten vor Praktikumbeginn die<br />

schlechte Meinung, dass sie nur in befriedigendem bis ausreichenden Maße (3.5) dem<br />

Umweltschutz Rechnung trägt. Die Hälfte der Studenten sieht die Zukunft für<br />

Umwelt/Umweltschutz eher optimistisch (52 %), ein Viertel eher pessimistisch (26 %),<br />

und zwei Drittel der Studenten meint, später im Beruf zum Umweltschutz beitragen zu<br />

können, und wünscht sich dies auch, wie aus einer Frage nach dem gewünschten<br />

Einsatzbereich nach Abschluss <strong>des</strong> Studiums klar hervorgeht.<br />

Die Studenten gehen wenig vorbereitet ins Praktikum. Mit der ihnen im ersten<br />

Semester ausgehändigten Betriebsanweisung und den im Labor hängenden Wandtafeln<br />

zum sicheren und umweltgerechten Arbeiten haben sie sich praktisch nicht auseinandergesetzt.<br />

Lediglich die vom Laborleiter sehr witzig und humorvoll geschriebenen<br />

Richtlinien zum Experimentieren sind von einigen Studenten gelesen worden, ein Indiz<br />

dafür, dass trockene Gesetze und Verordnungen nur dann eine Chance haben, bewusst<br />

aufgenommen zu werden, wenn sie anschaulich und spannend aufbereitet sind. Das<br />

Defizit der Studenten im Kennen von Sicherheits- und Umweltschutzauflagen und im<br />

Umgang mit Betriebsanweisungen kann durch ein kurzes Seminar zu Beginn <strong>des</strong><br />

Praktikums beseitigt werden, in dem in Gruppen von jeweils 5-6 Studenten nach der<br />

Brain-Storm-Methode Grundbegriffe zum Arbeits- und Umweltschutz erarbeitet und in<br />

Hinblick auf das Praktikum kritisch reflektiert werden (s. 2.10.8.1). Die neue Veranstaltung<br />

wurde von den Studenten mit großer Mehrheit als die bislang beste zu dem<br />

Themenkomplex bezeichnet.<br />

Auch die Anleitungen zu den anstehenden Experimenten sind kaum einstudiert<br />

worden. Dies darf nicht sein, so dass die Studenten in Zukunft durch Antestate oder eine<br />

Vorbesprechung im Rahmen <strong>des</strong> praktikumbegleitenden Seminars zum intensiveren<br />

Befassen mit der Theorie und Praxis der Versuche vor deren Beginn angehalten werden<br />

müssen. Auch das von Tietze und Eicher vorgeschlagene Erfassen der Stoffflüsse von


112<br />

Versuchen in Fließdiagrammen [62] kann hier hilfreich sein. Schließlich müssen<br />

chemische Reaktionen sorgfältig geplant werden, vor allem auch in Hinblick auf<br />

umweltrelevante Fragestellungen!<br />

3.2 Fragebögen am Ende <strong>des</strong> Praktikums<br />

Besonders interessant ist es, ob sich die Erwartungen der Studenten am Praktikumende<br />

erfüllt und ob sich ihre Interessensschwerpunkte und Meinungen bezüglich<br />

Umweltschutz in Industrie, Studium und Beruf geändert haben.<br />

Der Praktikumstoff war für die Darmstädter Studenten bezüglich Umfang,<br />

Vorwissen, Theorie und Praxis gut zu verkraften. Die meisten Zürcher Studenten fühlten<br />

sich hingegen schon leicht überfordert. Dies ist verständlich, da - wie eingangs erwähnt -<br />

der Großteil der Teilnehmer am Zürcher Praktikum Chemie als Nebenfach studiert und<br />

daher geringere Vorkenntnisse mitbringt. Das Zürcher Praktikum ist daher gerade für<br />

diesen Personenkreis besonders anspruchsvoll.<br />

Die Erwartungen der Studierenden bezüglich theoretischer Lehrinhalte im<br />

Praktikum wurde in Darmstadt gut, in Zürich befriedigend erfüllt. Die schlechtere<br />

Beurteilung durch die Zürcher Studenten liegt wahrscheinlich daran, dass die vielen<br />

Nebenfächler an chemietypischen Lehrinhalten weniger Interesse haben.<br />

Mit dem Erlernen handwerklicher Dinge sind die Darmstädter Studenten<br />

unzufriedener als die Zürcher. Dies kann sowohl an einer zu schlechten Platzausrüstung<br />

in Darmstadt, die von 61 % der Studenten als weniger gut und von 28 % der Studenten<br />

sogar als schlecht bezeichnet wurde, liegen, als auch daran, dass einfache handwerkliche<br />

Operationen vom Aufsichtspersonal nicht richtig vermittelt wurden, was auch mehrmals<br />

von Studenten in Gesprächen und als Kommentare auf dem Fragebogen geäußert wurde.<br />

Hier sollte Abhilfe geschaffen werden können: Für das folgende Semester wurde die<br />

Ausrüstung der Arbeitsplätze um einige Geräte ergänzt; außerdem wurde ein eintägiges<br />

Vorpraktikum konzipiert, in dem elementare handwerkliche Dinge vorgeführt und geübt<br />

werden.<br />

Die Betreuung im Praktikum wurde als gut bewertet. Nach Kriterien für eine gute<br />

Betreuung gefragt, nannten die Studenten die stete Ansprechbarkeit <strong>des</strong> Personals bei<br />

Fragen aller Art an erster Stelle, knapp vor der fachlichen Kompetenz <strong>des</strong> Personals und<br />

deutlich vor <strong>des</strong>sen pädagogisch-psychologischen Fähigkeiten.<br />

Die Erwartung der Studenten bezüglich Umweltschutz im Praktikum ist voll erfüllt<br />

worden und korreliert mit der Meinung, dass das Praktikumkonzept dem Umweltschutz<br />

gut Rechnung trägt (Korrelationskoeffizient 0.54). Diese Anerkennung kann nicht hoch<br />

genug bewertet werden in Anbetracht der häufigen Klagen von Studenten in anders<br />

organisierten Praktika, wo Ausgangsstoffe nicht recycelt oder Reste nicht aufbereitet,<br />

sondern lediglich gesammelt und verbrannt werden.<br />

Die Erwartung bezüglich <strong>des</strong> Erlernens eines sicheren Umgangs mit Gefahrstoffen<br />

wurde bei den Studenten gut, aber nicht ganz so gut erfüllt wie bezüglich <strong>des</strong><br />

Umweltschutzes. Entsprechend fallen auch die Noten bei den Fragen, ob das Praktikumkonzept<br />

der Gefahrstoffverordnung bzw. dem Arbeitsschutz ausreichend Rechnung<br />

trägt, etwas schlechter, aber immer noch durchaus gut, aus. Dass die Beurteilung der<br />

Belange <strong>des</strong> Arbeitsschutzes in Darmstadt schlechter ausfällt als in Zürich, korreliert mit<br />

der Tatsache, dass die Raumluft in Darmstädter Praktikum als viel schlechter bezeichnet<br />

wird und dass sich im Darmstädter Praktikum <strong>des</strong>halb auch deutlich mehr Studenten<br />

gefährdet fühlen als im Zürcher. Dies ist auf den geringen Arbeitsplatz pro Student und<br />

vor allem auf die kleinere Abzugskapazität und das in Evaluations-zeitraum mehrmalige


113<br />

Ausfallen der Abzuganlage in Darmstadt gegenüber Zürich zurückzuführen. Außerdem<br />

ist es für die Studenten unschwer zu erkennen, dass die Umsetzung der<br />

Gefahrstoffverordnung in Darmstadt noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in Zürich.<br />

Es fehlen z. B. ausreichend Spezialschränke für Säuren und Laugen sowie<br />

Sicherheitsschränke für andere Chemikalien. Erst wenn diese Defizite behoben sind -<br />

was Finanzmittel erfordert - ist mit einer besseren Beurteilung <strong>des</strong> gesamten Praktikums<br />

durch die Studierenden zu rechnen.<br />

Die schriftlichen Praktikumunterlagen werden von den Studierenden nur als gut bis<br />

befriedigend angesehen. Dies ist zunächst überraschend, zumal die Studenten die<br />

Versuche in der Regel problemlos nach den Vorschriften durchführen können und in<br />

Gesprächen auch immer wieder betonen, dass die Vorschriften klappen. Uns ist auch<br />

nicht bekannt, dass an anderen Universitäten bei der Nacharbeitung ausgewählter<br />

Vorschriften Probleme auftraten. Nicht ganz klar ist es, welche Erwartungen die<br />

Studenten an die Praktikumunterlagen haben. Die in Darmstadt sind kurz gehalten, fast<br />

ohne Theorie und ohne Arbeitsblätter, die in Zürich erhalten hingegen auch ausführliche<br />

Kapitel zur Theorie und von den Studenten auszufüllende Arbeitsblätter. Obwohl in<br />

ihrer äußeren Form unterschiedlich, werden die Begleitmaterialien in Darmstadt und<br />

Zürich in etwa gleich und nicht viel besser als befriedigend beurteilt. Vermutlich liegt es<br />

daran, dass die Studenten noch keine anderen Praktikumunterlagen kennen. Studenten in<br />

Praktika, in denen z.B. nach Standardlehrbüchern oder nach Vorschriften aus der<br />

chemischen Primärliteratur gearbeitet wird, klagen nämlich häufig darüber, dass sie mit<br />

diesen Unterlagen allein nicht zurecht kommen. Offensichtlich ist eine Unzufriedenheit<br />

mit dem Praktikumskript auch auf ein mangeln<strong>des</strong> Verständnis der theoretischen<br />

Hintergründe der Versuche zurückzuführen. Bei einer gezielten Befragung beurteilten<br />

nämlich die leistungsschwächeren Studenten tendenziell die Anleitungen schlechter als<br />

ihre leistungs-stärkeren Kommilitonen.<br />

Zum Thema „Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?“ wurden zwei Fragen<br />

gestellt. In der einen war zu differenzieren zwischen „Präparate“ (38 %), „Analysen“ (38<br />

%), „Recycling/Abwasserbehandlung“ (14 %) und „indifferent“ (11 %), in der anderen<br />

zwischen „Standardprogramm Präparate“ (11 %), „Qualitative Analysen“ (22 %),<br />

„Demonstrationskurse zur IR-, UV/VIS- und AAS-Spektroskopie“ (14 %) und<br />

„Projektarbeit“ (53 %).<br />

Im Sommersemester 1994 führten die Praktikanten in Darmstadt erstmals selbstgewählte<br />

Projekte, zum größten Teil mit Umweltchemie-Aspekten, im Umfang von etwa<br />

10 % der gesamten Praktikumzeit durch [63]. Da hier vor allem Eigeninitiative und<br />

persönliches Identifizieren mit dem gewählten Projekt gefordert waren, verwundert es<br />

nicht, dass die Projektarbeit von den meisten Studenten besonders positiv bewertet<br />

wurde. Auch die im Sommersemester 1994 erstmals durchgeführten<br />

Demonstrationskurse in instrumenteller Analytik schneiden in der Beurteilung der<br />

Studenten positiv ab, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Praktikumzeit in Anspruch<br />

nahmen. Auf jeden Fall sollten die Demonstrationskurse und eine kleine Projektarbeit<br />

zur Bereicherung <strong>des</strong> Praktikums in Zukunft erhalten bleiben.<br />

An Versuchen zum Recycling und zur Abwasserbehandlung haben nur 14 % der<br />

Studenten besonderen Spaß. Präparative und analytische Arbeiten werden viel lieber<br />

durchgeführt (jeweils 38 %). Dies bedeutet nicht, dass die Studenten von der<br />

Notwendigkeit <strong>des</strong> Recyclings und der Abwasserbehandlung nicht überzeugt sind, denn<br />

sonst hätten sie die Frage, ob das Praktikumkonzept dem Umweltschutz ausreichend<br />

Rechnung trägt, nicht so positiv beurteilt (s.o.). Es ist aber nachzuvollziehen, dass die<br />

Studenten wenig Spaß daran finden, eine übel riechende, dunkle und trübe Brühe mit<br />

Natriumsulfid zu versetzten, um Schwermetallionen als Sulfide auszufällen,<br />

abzufiltrieren und so dem Wasser zu entziehen, selbst wenn ein klares, schadstofffreies


114<br />

Filtrat abläuft, das bedenkenlos verworfen werden kann. Sonderlich attraktiv ist es auch<br />

nicht, aus einem bräunlichen Manganhydroxidschlamm wiederverwertbares<br />

Mangansulfat zu recyceln. Optisch ansprechender ist es sicherlich, zertifizierte<br />

Ausgangschemikalien aus dem Chemikalienschrank zu entnehmen und in sauberen<br />

Apparaturen in andere Stoffe umzu-wandeln, genauso wie es im Berufsleben<br />

angenehmer ist, im Vorfeld <strong>des</strong> Umweltschutzes in akkreditierten und mit High-Tech-<br />

Geräten ausgerüsteten Laboratorien Abwasser-proben zu analysierten, als in einer<br />

Kläranlage Filterpressen zu installieren und zu reinigen und dadurch aktiven<br />

Umweltschutz zu betreiben. Während es für den Schulunterricht eher gilt, „schöne“<br />

Versuche zu zeigen, welche die Schüler optisch ansprechen und motivieren, müssen<br />

Chemiestudenten hingegen auch lernen, dass Chemie oft alles andere als „schön“<br />

aussieht. Vermutlich hat die Aufbereitung anfallender Reste den Studenten etwas von<br />

ihrer idealistischen Vorstellung genommen, dass Umweltchemie „saubere“ Chemie ist.<br />

Hier lernen sie die Wirklichkeit kennen, dass Umweltchemie, insbesondere die<br />

Abwasserchemie, sich im Gegenteil meistens mit schmutzigen und hochkontaminierten<br />

Stoffen beschäftigt (vgl. 2.1.1).<br />

Die meisten Studenten geben an, sich an die Arbeits- und Sicherheitsvorschriften<br />

und die Umweltschutzauflagen gehalten zu haben, was auch mit den Beobachtungen <strong>des</strong><br />

Laborpersonals in Einklang steht. Warum beurteilen die Studenten Ihr Verhalten aber<br />

nur mit „gut“ und nicht mit „sehr gut“? Haben sie vielleicht ein schlechtes Gewissen, die<br />

eine oder andere unbekannte Probe nicht wie vorgesehen systematisch nach dem<br />

Trennungs-gang bearbeitet, sondern nur schnell durch Vorproben analysiert und doch<br />

einmal Ammoniak oder Salzsäure am Platz, und nicht wie vorgeschrieben unter dem<br />

Abzug abgefüllt zu haben? Haben sie wirklich jeden Reagenzglasinhalt aus den<br />

qualitativen Analysen in ihr Sammelgefäß zwecks anschließender<br />

Abwasserkonditionierung und nicht gelegentlich in das Entsorgungsgefäß für<br />

unverwertbare Abfälle gegeben? Es muß wohl so sein, denn die Laborsünderkasse, in<br />

die jeder, der gegen die Laborordnung verstößt, einen kleinen Obulus zu entrichten hat,<br />

war am Ende <strong>des</strong> Praktikums auch nicht ganz leer. Aus der Sicht der Laborleitung ist das<br />

i.a. aber sehr disziplinierte Verhalten der Studierenden zu loben, grob fahrlässige<br />

Verstöße gegen Sicherheits- und Umweltschutz-auflagen kamen nicht vor.<br />

Erfreulich ist auch, dass das Praktikum bei den meisten Auszubildenden das<br />

Interesse am weiteren Studium gefördert hat. Die Studenten sehen einen direkten<br />

Zusammenhang zwischen Praktikum, weiterem Studium und späterem Beruf<br />

(Korrelationskoeffizient 0.64). Dies ist besonders positiv zu werten, vor allem, wenn<br />

man die häufig geäußerte Meinung von Studenten in Praktika, in denen ein halbes Jahr<br />

lang in tradierter Form nur qualitative Analysen gekocht werden, bedenkt, dass diese Art<br />

der Chemie nicht mehr ganz zeitgemäß sei. Darmstädter Studenten haben offensichtlich<br />

erkannt, dass die im Praktikum integrierten Recycling- und Abwasserbehandlungsmethoden<br />

und Elemente einer Kreislaufwirtschaft sich nicht nur wie ein<br />

roter Faden durch ihre weitere Ausbildung ziehen, sondern auch in der industriellen<br />

Chemie und anderen Zweigen unserer Industrie-gesellschaft hochaktuell sind. Die<br />

Vernetzung einiger Stoffflüsse <strong>des</strong> Darmstädter Anfängerpraktikums mit anderen<br />

Praktika trägt dazu bei, dass die Studierenden in anderen Stadien ihrer Ausbildung in der<br />

Tat öfters an das Grundpraktikum zurückdenken werden. Wenn sie z. B. im organischen<br />

Praktikum Friedel-Crafts-Reaktionen durchführen, sollten sie sich daran erinnern, dass<br />

ein Teil der anfallenden aluminiumhaltigen wässrigen Reste als Edukt für das<br />

Blaupigment CoAl 2 O 4 im Grundpraktikum dient, oder wenn sie im anorganischen<br />

Fortgeschrittenenpraktikum Ferrocen herstellen, sollte ihnen das dafür nötige Edukt<br />

Eisentrisacetylacetonat aus dem Grundpraktikum bekannt vorkommen, wo sie es selbst<br />

synthetisiert haben (vgl. 2.6.1.1).


115<br />

Die Zürcher Studenten sehen den Zusammenhang zwischen Praktikum, weiterem<br />

Studium und Beruf nicht so deutlich wie die Darmstädter. Dies ist verständlich, da - wie<br />

bereits erwähnt - viele von ihnen Chemie als Nebenfach studieren.<br />

Der letzte Themenblock <strong>des</strong> Fragebogens versucht zu eruieren, ob sich das Umweltbewusstsein<br />

der Studierenden, ihre Einstellung zum Umweltschutz in Industrie und<br />

Beruf und ihre Interessensschwerpunkte an den verschiedenen Teilgebieten der Chemie<br />

im Laufe <strong>des</strong> Praktikums geändert haben.<br />

Die Darmstädter Studenten stimmen der Frage zu, ob das Praktikum ihr Umweltbewusstsein<br />

beeinflusst hat, die Zürcher Studenten sind unentschieden. Der Unterschied<br />

ist dadurch zu erklären, dass die Darmstädter Studenten im Sinne <strong>des</strong><br />

Verursacherprinzips stärker in die Verantwortung für die Aufbereitung anfallender Reste<br />

genommen werden als die Zürcher, die sich zwar streng an das getrennte Sammeln der<br />

Reste halten, von denen aber nur knapp jeder zweite Student selbst einen Versuch zur<br />

Chemikalienrückgewinnung durchgeführt hat. (Es fallen einfach nicht genügend Reste<br />

an, um allen Studenten eine entsprechende Aufgabe zuteilen zu können!) Als<br />

Praktikuminhalte, die ihr ökologisches Bewusstsein besonders beeinflusst haben, nennen<br />

36 % der Darmstädter Studenten die Recyclingversuche, 17 % die<br />

Abwasserkonditionierung und 8 % Gesichtspunkte <strong>des</strong> Arbeitsschutzes und der<br />

Toxikologie.<br />

Auf die gezielte Frage, was sie unter „Chemie und Umwelt“ verstehen, gaben<br />

einzelne Studenten folgende Antworten: verantwortungsvoller Umgang mit Chemikalien<br />

und Energie, Vermeiden von Abfällen bzw. deren fachgerechte Entsorgung, Recycling,<br />

Optimieren von chemischen Prozessen in Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit,<br />

Abwasseranalytik, Forschung für den Umweltschutz, Verständnis für und Aufklärung<br />

über die Auswirkungen der Chemie auf die Umwelt. Aus der Sicht <strong>des</strong> Laborleiters ist es<br />

erfreulich, dass die Antworten umfassend und genau die angestrebten Lernziele<br />

benennen.<br />

Die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz wird am Ende <strong>des</strong> Praktikums von den<br />

Studenten deutlich optimistischer gesehen als zu Praktikumbeginn, und auch die<br />

Meinung von der chemischen Industrie in Hinblick auf das Beachten <strong>des</strong><br />

Umweltschutzes ist etwas besser geworden (3.3). Offensichtlich haben die Studenten<br />

gelernt, dass die Chemie erheblich zum Umweltschutz beitragen kann, weil einfach viele<br />

Methoden zum Umweltschutz chemische sind. Das Interesse an der Umweltchemie ist<br />

zwar noch groß (36 %), hat aber doch signifikant nachgelassen gegenüber dem<br />

Zeitpunkt <strong>des</strong> Praktikumbeginns (49 %). Damit korreliert auch, dass etwas weniger<br />

Studenten als zu Anfang gute Möglichkeiten zum persönlichen Beitrag zum<br />

Umweltschutz im späteren Beruf sehen. Dies ist vermutlich mit dem bereits genannten<br />

Argument zu begründen, daß viele Studenten eingesehen haben, dass eine Arbeit im<br />

Umweltschutzbereich zwar unbedingt notwendig und ehrenhaft, aber auch nicht die<br />

angenehmste ist.<br />

Die Zürcher, vermutlich besonders die Biologie-Studenten, sind bezüglich der<br />

Zukunft von Umwelt und Umweltschutz deutlich pessimistischer als die Darmstädter<br />

Studenten, beurteilen die Möglichkeit, im Beruf zum Umweltschutz beitragen zu können<br />

aber viel besser, da die meisten Einsatzgebiete für Biologen von der Sache her<br />

umweltnäher sind als die der Chemiker und Chemieingenieure.<br />

Insgesamt sind die Darmstädter Studenten mit ihrer bisherigen Umweltbildung nach<br />

zwei Semestern zufrieden, was im wesentlichen auf das Praktikum zurückzuführen ist,<br />

denn die anderen Lehrveranstaltungen im ersten und zweiten Semester thematisieren<br />

Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes nur am Rande. Dies ist nicht schlimm, da noch zahlreiche<br />

Lehrveranstaltungen mit Umweltbezug folgen werden. Schwerpunkte sollten nach<br />

Meinung von 17 % der Studierenden die Abwassertechnik und nach 25 % der


116<br />

Studierenden auch andere technische Verfahren zum Umweltschutz, z.B.<br />

Luftreinhaltung, sein (und sind es auch).<br />

3.3 „Anerkannte“<br />

Studenten mit einer abgeschlossenen Ausbildung als Chemielaborant, Chemotechniker<br />

oder Chemisch-Technischer Assistent brauchen an der Fachhochschule Darmstadt im<br />

Grundpraktikum keine experimentellen Arbeiten durchzuführen, müssen aber am<br />

praktikumbegleitenden Seminar teilnehmen und die Kolloquien ablegen. Interessant war<br />

es, die Meinung dieses Personenkreises bezüglich der Lehrinhalte <strong>des</strong> Praktikums im<br />

Vergleich zu denen in ihrer Berufsausbildung und die Einstellung zu Industrie, Beruf<br />

und Umwellschutz zu erfahren.<br />

Bei der Beurteilung von Umweltschutzgesichtspunkten und der Umsetzung der<br />

Gefahrstoffverordnung im Praktikum schneidet das Darmstädter viel besser bzw. etwas<br />

besser ab als die Praktika in der Berufsausbildung. Dies ist zunächst überraschend, da<br />

sich in der chemischen Industrie die Berufsgenossenschaft besonders für den<br />

Arbeitsschutz einsetzt und es für eine Firma insgesamt ausgesprochen nachteilig ist,<br />

wenn dem Umweltschutz nicht vorbildlich Rechnung getragen wird. Unsere<br />

Beobachtungen bei häufigen Exkursionen ist, dass die Ausbildungslaboratorien in der<br />

chemischen Industrie in der Tat eine in Hinblick auf Arbeits- und Umweltschutz besser<br />

ausgerichtete Infrastruktur besitzen, als unsere Fachhochschule. Dies fällt den<br />

Auszubildenden aber offensichtlich nicht so sehr auf wie Lehrinhalte <strong>des</strong> Praktikums<br />

selbst. Dass das Darmstädter Praktikumprogramm Aspekte <strong>des</strong> Arbeits- und vor allem<br />

<strong>des</strong> Umweltschutzes viel stärker betont als die Programme in der beruflichen<br />

Ausbildung, sehen die Studenten auch so.<br />

Mehr mit industrieller Chemie vertraut, meinen die „Anerkannten“ anders als ihre<br />

Kommilitonen im Praktikum (3.3), dass die chemische Industrie dem Umweltschutz gut<br />

(2.1) Rechnung trägt. Die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz beurteilen sie etwas<br />

pessimistischer, die Möglichkeit, später im Beruf selbst zum Umweltschutz beitragen zu<br />

können, hingegen etwas optimistischer als ihre Mitstudierenden im Praktikum.<br />

3.4 Zusammenfassung<br />

Von den Studenten wird gewürdigt, dass das Zürcher Modell und seine<br />

<strong>Weiterentwicklung</strong> in Darmstadt dem Umweltschutz in besonderem Maße Rechnung<br />

trägt. Dass die Auszubildenden einen deutlichen Zusammenhang zwischen Praktikum,<br />

weiterem Studium und späterem Beruf sehen, ist auf die aktuellen, praxis- und<br />

lebensnahen Lehrinhalte zurückzuführen. Mit dominierendem Interesse an umweltrelevanten<br />

Fragestellungen ins Praktikum gegangen, werden die Studierenden dort aber<br />

auch für klassische präparative und analytische Chemie interessiert, die keineswegs zu<br />

kurz kommt. Die gelernten und im Sinne <strong>des</strong> Verursacherprinzips selbst durchgeführten<br />

Recycling- und Abwasserbehandlungsmethoden, überzeugen die Studenten davon, dass<br />

die Chemie erhebliche Beiträge zum Umweltschutz leisten kann und auch leistet, so dass<br />

sie die Zukunft von Umwelt und Umweltschutz am Ende <strong>des</strong> Praktikums optimistischer<br />

als zu Praktikumbeginn sehen. Sie wissen jetzt auch, was aktiver Umweltschutz wirklich<br />

bedeutet, nämlich: sich oft um hochkontaminierte, übel riechende und ästhetisch unansehliche<br />

Reste zu kümmern. Diese Erkenntnis hat der anfänglichen Begeisterung


117<br />

zahlreicher Studenten für den Umweltschutz zwar einen leichten Dämpfer versetzt, aber<br />

bei Ihnen auch das Falschbild von Umweltchemie als besonders „sauberer“ Chemie<br />

korrigiert, so dass die Studenten nun die Möglichkeiten zum Umweltschutz durch<br />

Chemie fair beurteilen können.<br />

3.5 Ergebnisse in Tabellenform<br />

Im folgenden sind die hier diskutierten Fragen stichwortartig und die<br />

Antworthäufigkeiten in % bzw. die Durchschnittsnoten (in Klammern: Ergebnisse aus<br />

Zürich) angegeben. Darmstädter Studenten konnten Noten zwischen 1-5 erteilen, wobei<br />

1 sehr gut und 5 sehr schlecht bedeutet, Zürcher Studenten orientierten sich an der in der<br />

Schweiz üblichen Notengebung zwischen 1-6, wobei 1 sehr schlecht und 6 sehr gut<br />

bedeutet.<br />

In Darmstadt wurden 50, in Zürich 125 Studenten befragt. Die Rücklaufquote in<br />

Darmstadt betrug 72 %.<br />

Die Darmstädter Fragebögen wurden über das Computerprogramm Statgraphics<br />

ausgewertet.<br />

Befragung der Praktikumanfänger im Sommersemester 1994 in Darmstadt<br />

1. Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, Semesterzahl, berufliche Vorbildung)<br />

2.1. Intensität der Vorbereitung auf das Praktikum<br />

Skript: 3.7; Betriebsanweisungen: 3.9; Wandtafeln: 3.9;<br />

Wiskamps Sicherheitsfibel: 3.2<br />

2.2. Interessensschwerpunkt vor Praktikumbeginn<br />

Analytik: 19 %; Präparate: 15 %; Umwelt: 49 %; indifferent: 17 %<br />

2.3. Wie war der Vorlesungsstoff zu verkraften bezüglich<br />

Umfang: 2.9; Vorwissen: 2.8; theoretischer Anforderung: 2.5<br />

2.4. Erwarten Sie eine Widerspiegelung der Vorlesungsinhalte im Praktikum (ja)<br />

präparative Chemie: 77 %, analytische Chemie: 89 %, Stöchiometrie: 89 %<br />

Toxikologie: 83 %; Umweltschutzaspekte: 83 %<br />

3.1. Wie trägt die chemische Industrie dem Umweltschutz Rechnung: 3.5<br />

3.2. Beurteilung der Zukunft von Umwelt/Umweltschutz<br />

optimistisch: 52 %; pessimistisch: 26 %; indifferent: 22 %<br />

3.3. Wie beurteilen Sie die Möglichkeit, im späteren Beruf zum Umweltschutz<br />

beizutragen<br />

optimistisch: 65 %; pessimistisch: 10 %; indifferent: 25 %


118<br />

Befragung der Praktikumabsolventen 1994 in Darmstadt (in Zürich)<br />

1. Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, Semesterzahl, berufliche Vorbildung)<br />

2.1. Betreuung: 2.3 (92 % kompetent)<br />

2.2. Räumliche Bedingungen<br />

a) Personenzahl:<br />

angemessen: 81 % ( 69 %); zu groß: 8 % (11 %); zu klein 11 % (20 %)<br />

b) Raumluft: gut: 3 % (47 %); weniger gut: 58 % (48 %); schlecht: 39 % (5 %)<br />

c) Gefährdung Ihrer Person: stark: 3 % (2 %); mittel: 70 % (54 %); keine 28 % (44 %)<br />

d) Platzausstattung<br />

gut: 11 % (15 %); weniger gut: 61 % (71 %); schlecht: 28 % (14 %)<br />

2.3. Schriftliche Praktikumanleitungen: 2.8 (4.6)<br />

3.1. Zusammenhang zwischen Praktikum und<br />

weiterem Studium: 2.3 (4.1); Prüfungen: 2.5 (4.0); Beruf: 2.8 (3.9)<br />

3.2. Wie war das Praktikum zu verkraften bezüglich<br />

Umfang: 2.3 (4.0); Vorwissen: 2.7 (3.6); Theorie: 2.4 (3.9); Praxis: 2.3 (4.6)<br />

3.3. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt bezüglich<br />

handwerklicher Dinge: 3.2 (4.7); Umweltschutz/Entsorgung: 1.9 (5.0);<br />

Theorie: 2.3 (4.2); sicherer Umgang mit Gefahrstoffen: 2.6 (4.3)<br />

3.4. Was hat mehr Spaß gemacht<br />

Präparate: 38 % (22 %), Analysen: 38 % (37 %);<br />

Recycling/Abwasserkonditionierung: 14 % (15 %); indifferent: 11 % (17 %)<br />

(instrumentelle Versuche: 9 %)<br />

3.5. Praktikumkonzept trägt dem Umweltschutz Rechnung: 2.1 (4.9)<br />

3.6. Praktikumkonzept trägt der Gefahrstoffverordnung Rechnung: 2.5 (4.6)<br />

3.7. Praktikumkonzept trägt dem Arbeitsschutz Rechnung: 2.6 (4.8)<br />

3.8. Beurteilen Sie Ihr persönliches Verhalten bezüglich<br />

Arbeiten nach Vorschrift: 2.2 (4.7)<br />

Beachten der Sicherheitsvorschriften: 2.4 (4.6)<br />

Beachten der Umweltschutzauflagen: 2.2 (4.8)<br />

3.9. Haben Sie den sicheren und verantwortungsbewussten Umgang mit Chemikalien<br />

gelernt: 2.2<br />

3.10. Hat das Praktikum Ihr Interesse am weiteren Studium gefördert: 2.2<br />

3.11. Interessensschwerpunkte am Ende <strong>des</strong> Praktikums:<br />

Präparate: 21 %; Analytik: 27 %; Umweltchemie: 36 %; indifferent: 16 %<br />

4.1. Hat das Praktikum Ihr Bewusstsein gegenüber der Umwelt beeinflusst: 2.2 (3.6)<br />

4.2. Zufriedenheit mit der Umweltbildung im bisherigen Studium: 2.6 (3.7)<br />

4.3. Wie trägt die chemische Industrie dem Umweltschutz Rechnung: 3.3 (2.9)<br />

4.4. Zukunft von Umwelt/Umweltschutz<br />

optimistisch: 69 % (24 %); pessimistisch: 11 % (57 %); indifferent: 19 % (19 %)<br />

4.5. Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, im Beruf zum Umweltschutz beitragen zu<br />

können: gut: 56 % (70 %), schlecht: 9 % (10 %); indifferent: 33 % (20 %)<br />

5. Fragen zu den Projekten und Demonstrationskursen<br />

6. Was hat mehr Spaß gemacht: Standardprogramm Präparate: 11 %;<br />

Qualitative Analysen: 22 %; Demonstrationskurse: 14 %; Projekte: 53%


119<br />

4 Zusammenfassung<br />

Das Zürcher Modell eröffnet einen weiten Raum für Neuentwicklungen von Einzel- und<br />

vernetzten Experimenten und ganzen Lehreinheiten für einen zeitgemäßen, ökologisch<br />

orientierten Chemieunterricht auf verschiedenen Niveaus.<br />

Für Schüler und Studenten gleichermaßen wichtig ist es zu erfahren, dass Umweltschutz<br />

und Chemie untrennbar zusammengehören. Alle hier vorgestellten Versuche beinhalten<br />

<strong>des</strong>halb irgendeinen ökologischen Aspekt.<br />

Der Umweltschutz zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Chemieausbildung.<br />

Wie eine Evaluation zeigt, wird dies auch von den Studenten in Zürich und<br />

Darmstadt so gesehen und geschätzt. Auch an anderen Stellen findet das Zürcher und<br />

Darmstädter Ausbildungskonzept inzwischen Beachtung. Erwähnt wurden z.B. unsere<br />

Entwicklungsarbeiten für die Universität Tsukuba, Japan, und die Laborantenausbildung<br />

bei Boehringer, Mannheim. Ergänzend möchte ich das neue Anorganische Praktikum an<br />

der Universität Rostock nennen, in dem zahlreiche Versuche aus den Darmstädter<br />

Praktika direkt übernommen wurden [64].<br />

Die Studierenden, die sich im Rahmen von Projektarbeiten mit der Neugestaltung<br />

von Versuchen beschäftigen, führen Forschung und Entwicklung für den Umweltschutz<br />

durch. Die Ergebnisse der Arbeiten werden direkt im Chemiepraktikum oder Schulunterricht<br />

für Ausbildungszwecke genutzt. So verwirklichen wir an der Fachhochschule<br />

die Einheit von Forschung und Lehre im Humboldtschen Sinne [65].<br />

Ein großer Teil der hier vorgestellten Experimente ist für die Fachhochschule<br />

konzipiert und kommt dort zum Einsatz. Viel Industrie-Know How ist dabei in die Lehre<br />

eingeflossen, z.B. die Anwendung eines Katalysators bei der Siliconölherstellung, die<br />

Cofällung von Cobalt und Aluminium bzw. Zink zur Erzeugung kleinster Teilchen zur<br />

anschließenden Herstellung hochwertiger Pigmente, die Standardmethoden zur Abwasserreinigung,<br />

insbesondere die Wahl der richtigen Aktivkohle zur Farbstoffadsorption,<br />

die Techniken zur weitergehenden Abwasserbehandlung wie fotochemische<br />

Zerstörung von Inhaltsstoffen oder kupferkatalysierte Cyanidentgiftung, moderne<br />

Verfahren zur Luftreinhaltung und Bodensanierung, neue Trends wie die Chemie der<br />

nachwachsenden Rohstoffe (Naturstoffchemie) etc. Dem Bildungsauftrag der Fachhochschule<br />

zur praxis- und industrieorientierten Ausbildung wird dadurch in besonderem<br />

Maße Rechnung getragen.<br />

Umweltschutz beginnt in der Seele <strong>des</strong> Menschen. Wer etwas in seiner Umwelt für<br />

schön hält, wird es auch für schützenswert erachten und sich entsprechend verhalten.<br />

Sicherlich hat ein Fach wie Biologie mehr Möglichkeiten, die Schönheit der Natur<br />

aufzuzeigen als die Chemie, dennoch kann in keinster Weise abgestritten werden, dass<br />

die hier beschriebenen umweltfreundlicheren Versuche und Konzepte unter<br />

verschiedenen Gesichtspunkten einen großen Bildungswert besitzen:<br />

• Sich mit ökologischen Gesichtpunkten in der Chemie zu beschäftigen, führt<br />

automatisch zu einem vertieften Nachdenken über unsere Umwelt und damit zur<br />

Menschenbildung im allgemeinen Sinne.<br />

• Es sollte selbstverständlich sein, das jeder Mensch für das, was er tut, die<br />

Verantwortung übernimmt. Kants kategorischer Imperativ wird in der Chemie mit<br />

dem Wort Verursacherprinzip bezeichnet. Lehrer und Dozenten müssen in ihrem<br />

Unterricht das Sorge-Tragen für die von ihnen verursachten Versuchsreste vorleben.<br />

Schüler und Studenten müssen sich entsprechend um die Reste aus Schülerexperimenten<br />

bzw. Praktikumversuchen kümmern, selbstverständlich nach


120<br />

vorgegebenen Hilfestellungen. Verantwortliches Handeln ist also eine<br />

Basisqualifikation, die der Chemieunterricht in besonderem Maße vermitteln kann.<br />

• Wenn der Volksmund das Verursacherprinzip z.B. mit „Kümmere dich selbst um<br />

deinen Mist“ umschreibt, sollte jeder Auszubildende hellhörig werden und sich die<br />

Frage stellen, ob der „Mist“ nicht von vornherein vermeidbar ist. Mit diesem deftigen<br />

Worten kann Schülern das Ersatzstoffprinzip überzeugend nahegebracht werden. Die<br />

Motivation, nach Versuchen Ausschau zu halten, die abfallfrei sind, stellt geradezu<br />

eine Herausforderung dar. In einer Zeit, in der unsere Gesellschaft an gewisse<br />

Grenzen stößt, fördert das Ersatzstoffprinzip das kreative Suchen nach Neuem und<br />

Besserem.<br />

• Aufklärend ist das Arbeiten mit unansehlichen und stinkenden Versuchsresten in der<br />

Hinsicht, dass deutlich herauskommt, was Umweltschutz sehr oft bedeutet: sich mit<br />

Altlasten zu beschäftigen. Dies ist eine ausgesprochen wertvolle, aber nicht immer<br />

angenehme Arbeit.<br />

• Ist das, was bei einem Versuch übrig bleibt, wirklich „Abfall“ und nicht doch in<br />

irgendeiner Weise verwertbar? In unsere Gesellschaft haben wir längst eine „Abfall“-<br />

Wirtschaft. Das Weiterverwerten von Versuchsresten - im gleichen oder in einem<br />

anderen Praktikum - fördert das kritische Hinterfragen der sog. Wegwerfgesellschaft<br />

und zeigt vernünftige Alternativen auf.<br />

• Vernetzen<strong>des</strong> Denken lässt sich anhand von Experimenten in geschlossenem Zyklen<br />

üben. Die großen und perfekten Kreisläufe der Natur können natürlich nur stark<br />

vereinfacht modelliert werden, zeigen aber Wesentliches, nämlich, dass die meisten<br />

Prozesse umkehrbar sind, wenn nur die Randbedingungen stimmen. Wenn z.B. eine<br />

Reaktion in die eine Richtung freiwillig abläuft, muss sie in die umgekehrte Richtung<br />

unter (zum Teil erheblichem) Energieaufwand erzwungen werden. Kreisprozesse und<br />

Recycling öffnen <strong>des</strong>halb die Diskussion von Ökobilanzen.<br />

• Die Qualitätskontrolle recycelter Stoffe dient vor allen der kritischen Betrachtung <strong>des</strong><br />

Begriffs Recycling. Meistens weisen „recycelte“ Stoffe nämlich eine verminderte<br />

Qualität auf und müssen für limitierte Anwendungen spezifiziert werden. Anhand<br />

der Qualitätskontrolle lässt sich das Verantwortungsbewusstsein der Auszubildenden<br />

weiter fördern: Genauso wir ein Produzent für die Reste bei der Produktion (ein<br />

Student für Reste im Praktikum) haftet, so haftet er auch für das eigentliche<br />

Verkaufsprodukt (das an andere Studierende weiterzureichende Präparat).<br />

• Chemie ist definitionsgemäß die Wissenschaft, die sich mit Stoffen, ihren Eigenschaften<br />

und Umwandlungen beschäftigt. So wie der Siedepunkt und die Farbe für<br />

einen Stoff charakteristisch sind, so sind es auch seine toxischen und ökotoxikologischen<br />

Wirkungen. Die Chemie befasst sich naturgemäß auch mit giftigen und<br />

umweltschädlichen Stoffen. Gefährlichkeit, wie auch immer geartet, ist eine Stoffeigenschaft,<br />

die nicht ignoriert werden darf. Dies zu vermitteln, ist Aufgabe eines<br />

fairen Chemieunterrichtes. Aus dem Gefahrenpotential bestimmter Stoffe ergibt sich<br />

gerade die besondere und reizvolle Verantwortung <strong>des</strong> Chemikers. Er ist es, der am<br />

meisten zum Umweltschutz beitragen kann. Er ist es, der die Fachkompetenz besitzt<br />

und weiß, daß alle Verfahren der Wasser-, Luft- und Bodenreinhaltung auf<br />

chemischen Prinzipien basieren. Wenn gerade Schülern überzeugend vermittelt wird,<br />

dass die Chemie in der Tat sehr viel im Umweltschutz bewirkt, kann ein Beitrag zur<br />

Ver-besserung der Akzeptanz dieser Wissenschaft in unsere stark chemieabhängigen<br />

Industriegesellschaft geleistet werden. Der hier vorgestellte Ansatz bietet dazu eine<br />

Hilfestellung.<br />

• Für Studenten ist es ganz wichtig, daß sie Fachwissen erwerben, wie Chemie zum<br />

Umweltschutz beitragen kann. Denn fundiertes Wissen (kognitive Lerninhalte) ist die


121<br />

entscheidende Grundlage, um später im Beruf kompetent handeln zu können. Vor<br />

allem durch Klausuren und Kolloquien wissen wir, dass unsere Studenten heute viel<br />

mehr über Chemie und Umwelt wissen, als zur Zeit vor der Einführung der Zürcher<br />

Praktikumrichtlinien.<br />

• Eng verbunden mit Fragen <strong>des</strong> Umweltschutzes sind solche der Sicherheit und <strong>des</strong><br />

Gesundheitsschutzes. Wer sicheres Arbeiten im Chemieunterricht gelernt hat und<br />

Gefahren für sich und die Umwelt erkennen und <strong>des</strong>halb Vorsichtsmaßnahmen<br />

treffen kann, ist automatisch auch für Gefahren im täglichen Leben, speziell im<br />

Haushalt, sensibilisiert. Z.B. wird jemand, der mit heißen Ölbädern korrekt umgehen<br />

kann, auch beim Frittieren in der Küche vorsichtig sein! Aspekte der Toxikologie in<br />

eine ökologisch orientierte Chemieausbildung zu integrieren, fördert das Transferdenken.<br />

Denn die schädlichen Wirkungen bestimmter Stoffe auf den menschlichen<br />

Organismus lassen sich mit den gleichen chemischen Prinzipien (Redoxprozesse,<br />

Säure/Base-Wechselwirkungen, Komplexchemie etc.) erklären wie ihre schädliche<br />

Wirkung auf die Umwelt (denn der Mensch ist Teil davon!). Querbeziehungen<br />

zwischen Medizin und Umweltschutz lassen sich mühelos aufzeigen: Medizin ist in<br />

starkem Maße Chemie zur Heilung bzw. Verhütung von Schäden am menschlichen<br />

Körper; für den Umwelt-schutz gilt analog, dass er sich die Chemie zu Nutze macht<br />

zur Beseitigung bzw. Vermeidung von Schäden an Natur und Umwelt.


122<br />

Literatur<br />

[1] H. Fischer: Ausbildungsintegrierter Umweltschutz durch Chemie. -<br />

Chem. unserer Zeit 25 (1991) 249-256;<br />

H. Fischer: Wege zur Sonderabfallreduktion in einem Chemieanfängerpraktikum. -<br />

Chimia 45 (1991) 77;<br />

H. Fischer: Praktikum in Allgemeiner Chemie, Teil 1 und Teil 2. -<br />

VHCA und VCH, Basel und Weinheim, 2. Aufl., 1994 bzw. 1995<br />

[2] P. Kating, H. Fischer: Ausbildungsintegrierter Umweltschutz - Erfahrungen mit der<br />

Sonderabfallreduktion in einem Chemieanfängerpraktikum. -<br />

Chem. unserer Zeit 29 (1995) 101-106<br />

[3] V. Wiskamp, M. Hörter, B. Köhler, B. Nau:<br />

Abfallfreie Versuche zur Polymerchemie. - Chem. unserer Zeit 26 (1992) 232-234<br />

[4] V. Wiskamp, K. Trageser: Kombination von Experimenten der Kupferchemie zu<br />

einem Kreislauf. - Chem. Sch. 40 (1993) Beiheft 20-24<br />

[5] V. Wiskamp, D. Rohrer, P. Kunz, A. Sunur: Konditionierung von Abwässern aus<br />

der qualitativen Analyse. - CLB (Beilage Memory) 44 (1993) 18-20<br />

[6] V. Wiskamp: Farbstoffe und Pigmente: Eine neue Lehrveranstaltung in der<br />

Chemieingenieurausbildung der Fachhochschule Darmstadt. -<br />

Die Farbe 38 (1991/1992) 179-187<br />

[7] G. Wittke: Farbstoffchemie.- Diesterweg Salle Sauerländer, 1984<br />

[8] V. Wiskamp, V. Kramb, W. Proske: Färben und Umwelterziehung. -<br />

MNU 48 (1995) 493-494<br />

[9] V. Wiskamp, H. Ritter: Wir modellieren die Farbstoffindustrie. -<br />

Chem. & Sch., eingereicht<br />

[10] V. Wiskamp, S. Zenker: Eisenextraktion mit tertiärem Butylmethylether. -<br />

CLB (Beilage Memory) 48 (1997) 22<br />

[11] V. Wiskamp, W. Proske: Das erprobte Experiment: Diffusion in der Petrischale.-<br />

Chem. Sch. 43 (1996) 373-374<br />

[12] V. Wiskamp: Das erprobte Experiment: Elektrolysen von Zinkchlorid- und<br />

Zinn(II)- Chlorid-Schmelzen. - Chem. Sch. 43 (1996) 461-462<br />

[13] V. Wiskamp, W. Proske: Umweltbewußtes Experimentieren im Chemieunterricht. -<br />

VCH, Weinheim, 1996<br />

[14] V. Wiskamp, W. Proske: Maßanalytische Wasseranalysen im Halbmikromaßstab. -<br />

Chem. & Sch. 2/1995 16-17<br />

[15] V. Wiskamp, W. Proske, U. Elgert: Eine Halbmikroschnellmethode zur<br />

CSB-Bestimmung. - Chem. & Sch., im Druck<br />

[16] D. Braun, H, Cherdron, W. Klein:<br />

Praktikum der makromolekularen organischen Chemie. - Hüthig, Stuttgart, 1979<br />

[17] V. Wiskamp, J. Röder, W. Proske: Reagenzglasversuche zur Organischen Chemie -<br />

vielseitig, lehrreich und umweltfreundlich. - c+b 2/1996 24-38<br />

[18] V. Wiskamp, A. Brietzke, K. Trageser: Schadstoffreduzierung in der Qualitativen<br />

Analyse. - PdN-Chemie 43 (1994) 42-45<br />

[19] V. Wiskamp: Fotochemische cis-trans-Isomerisierung von Azobenzol auf der<br />

Dünnschichtplatte. - PdN-Chemie 43 (1994) 26-28<br />

[20] M. Tausch: Photochemische cis-trans-Isomerisierungen. - MNU 40 (1987) 92-103<br />

[21] V. Wiskamp, R. Bauer, K. Trageser, V. Wenzel: Geschlossene Kreisläufe. -<br />

Chem. unserer Zeit 27 (1993) 48-51


123<br />

[22] V. Wiskamp: Umweltfreundlichere Versuche im Anorganisch-Analytischen<br />

Praktikum. - VCH, Weinheim, 1995<br />

[23] H. Schmidkunz, D. Büttner, H. Lindemann: Darstellen und Denken in<br />

Kreisprozessen. - NiU-Chemie 1 (1990), Heft 4;<br />

H. Schmidkunz: Die Entwicklung und die Erörterung von Kreisprozessen -<br />

ein didaktisches Prinzip einer Umwelterziehung im Chemieunterricht. -<br />

NiU-Chemie 4 (1993), Heft 16;<br />

H. Schmidkunz: Kreisprozesse und Unterricht. - NiU-Chemie 7 (1996) 4-8<br />

[24] V. Wiskamp, W. Fichtner, V. Kramb, A. Nintschew, J. S. Schneider:<br />

Infrared Spectroscopy: A Versatile Tool in Practical Chemistry Courses. -<br />

J. Chem. Educ. 72 (1995) 952-954<br />

[25] V. Wiskamp, D. Schneider: Versuchsoptimierung als Lernziel. -<br />

CLB 46 (1995) 220-222<br />

[26] V. Wiskamp, V. Kramb, W. Proske: Eisen-, Calcium- und Kupfer-Kreisläufe.-<br />

NiU-Chemie 7 (1996) 9-11<br />

[27] V. Wiskamp, D. Flassak, E. Schüler, D. Werle: Chemie rund um die Benzoesäure -<br />

ein abfallreduziertes Praktikum in der Chemielaborantenausbildung. -<br />

CLB (Beilage Memory) 48 (1997) 34-36<br />

[28] V. Wiskamp: Aufarbeitung anorganischer Reste aus der organischen Synthese. -<br />

Chem. unserer Zeit 29 (1995) 211-213<br />

[29] V. Wiskamp, T. Konno, K. Okamoto, V. Kramb, P. Lima, X. Morel:<br />

Recycling von Kupfer aus Praktikumsresten im halbtechnischen Maßstab. -<br />

CLB (Beilage Memory) 45 (1994) 53-54<br />

[30] V. Wiskamp, W. Ando, H. Aoyama, T. Konno, K. Okamoto, T. Tesuka:<br />

Eine japanisch.deutsche Zusammenarbeit in der Chemieausbildung. -<br />

CLB 45 (1994) 76-79<br />

[31] V. Wiskamp R. Bauer, P. Kunz, J. Nink, A. Nintschew, D. Rohrer, A. Sunur:<br />

Abwasserbehandlung und Lösungsmittel-Rückgewinnung im Rahmen der<br />

Chemieingenieur-Ausbildung. - Chimia 47 (1993) 424-428<br />

[32] V. Wiskamp: Kleines Polymerchemisches Praktikum für Ingenieure. -<br />

CLB (Beilage Memory), im Druck<br />

[33] V. Wiskamp, W. Ando, Y. Kabe: Buckminsterfullerene in undergraduate<br />

practicals. - Educ. in Chemistry 31 (1994) 162-164<br />

[34] H.-J. Bader: Kunststoff-Recycling (Praxis Schriftreihe Chemie, Band 40). -<br />

Aulis Verlag, Köln, 1983<br />

[35] V. Wiskamp, R. Bauer, M. Gittel, A. Lukas, D. Schneider, V. Wenzel:<br />

Qualitätskontrolle recycelter Praktikumspräparate. -<br />

CLB (Beilage Memory) 44 (1993) 73-75 und 90- 91<br />

[36] V. Wiskamp, A. Nintschew, D. Radsziwill, D. Schoepe, A. Trizzino:<br />

Zuckerchemie im Rahmen einer ökologisch orientierten Chemieausbildung. -<br />

CLB (Beilage Memory) 48 (1997) 18-19, 44-46, 62 und<br />

[37] H. Sommerfeld: Modellreaktionen zur Technologie nachwachsender Rohstoffe. -<br />

Shaker, Aachen, 1993<br />

[38] V. Wiskamp, V. Kramb: Nachwachsende Rohstoffe - eine neue Lehrveranstaltung<br />

an der Fachhochschule Darmstadt und ihre Evaluierung. -<br />

chimica didactica 22 (1996) 67- 83<br />

[39] V. Wiskamp, Torsten Felbinger, Ulf Schubert: Isolierung und spektroskopische<br />

Untersuchung von Blatt- und Möhrenfarbstoffen. - in Vorbereitung<br />

[40] V. Wiskamp, B. Schmidkonz, S. Zenker: Mineralien als Edukte im Anorganischen<br />

Praktikum. - PdN-Chemie, im Druck<br />

[41] B. Schmidkonz: Betrachtungen an Gesteinen und Mineralien. -


124<br />

Chemkon 4 (1997) 129-133<br />

[42] V. Wiskamp, W. Proske, J. Röder: Sicherheitsbelehrung mit Experimenten. -<br />

Chem. Sch. 44 (1997) 190-192<br />

[43] V. Wiskamp, V. Kramb, W. Proske: Über die toxische Wirkung einiger im<br />

Schulunterricht häufig verwendeter bzw. besprochener Stoffe. -<br />

NiU-Chemie 7/Nr.31 (1996) 35-37<br />

[44] H. Kruse: Laborfibel. - 2. Aufl. - VCH, Weinheim, 1989<br />

[45] P. Menzel: Versuche mit Adsorptionsstopfen. - Chem. Sch. 42 (1995) 151-152<br />

[46] V. Wiskamp, W. Proske: Modellversuch zur Bildung und Vermeidung von Karies. -<br />

NiU-Chemie 8 (1997) 29-30<br />

[47] V. Wiskamp, W. Proske: Das erprobte Experiment: Die toxische Wirkung von<br />

Nitrit, „aufhebbar“ durch Vitamin C. - Chem. Sch. 43 (1996) 285-286<br />

[48] V. Wiskamp, W. Proske:<br />

Modellversuche zur Therapie bei Schwermetallvergiftungen. - CLB 48 (1997)<br />

[49] V. Wiskamp, , V. Kramb, A. Nintschew, W. Proske:<br />

Modellversuche zur Luftreinhaltung. - Chem. & Sch. 4/1995 16-19<br />

[50] V. Wiskamp, P. Fischer, S. Hüttenhain, V. Kramb: Ein Umweltchemie-Praktikum<br />

an der Fachhochschule Darmstadt. - Chimia 48 (1994) 475-478<br />

[51] V. Wiskamp, A. Nickel, V. Kramb: Das Experiment:<br />

Silberrückgewinnung aus Röntgenfilmen. - Chemkon 1995, 113<br />

[52] H.-J. Bader: PET. - NiU-Chemie 7 (1996)<br />

[53] V. Wiskamp, S. Hüttenhain, R. Lehr, G. Paffrath: Bodensanierung. -<br />

Chem. Sch., im Druck<br />

[54] V. Wiskamp: Anorganische Chemie - ein praxisbezogenes Lehrbuch. -<br />

Verlag Harri Deutsch, Frankfurt, 1996<br />

[55] V. Wiskamp, W. Proske: Praktikables Konzept zur Aufarbeitung alter<br />

Chemikalienbestände. - Chem. Sch. 43 (1996) 19-20<br />

[56] V. Wiskamp, W. Klug, V. Kramb, M. Schröder:<br />

Aspekte <strong>des</strong> Umweltschutzes in einem Praktikum ‘Quantitative Analyse’. -<br />

CLB (Beilage Memory) 47 (1996) 9-11 und 33-35<br />

[57] V. Wiskamp, V. Kramb, F. Mengler: - Der Ringversuch - ein neuer Lerninhalt in<br />

der Chemieausbildung. - GIT Fachz. Lab. 39 (1995) 1055-1056<br />

[58] V. Wiskamp, H. Lüdtke, R. Gruehn: Blei- und Kupfergewinnung im Rahmen eines<br />

anorganischen Praktikums. - Chem. unserer Zeit 30 (1996) 19-22<br />

[59] V. Wiskamp, J. Röder, W. Proske:<br />

Umweltschutzorientiertes Praktikum zur Abiturvorbereitung. -<br />

Chem. Sch. 44 (1997) 15-16 und 20, Arbeitsblätter: 36-38, 168-171, im Druck<br />

[60] V. Wiskamp, V. Kramb: Ein Arbeits- und Umweltschutz-Tutorium für die<br />

praktische Chemie-Grundausbildung“, GIT Fachz. Lab., im Druck<br />

[61] V. Wiskamp, M. Deneke, V. Kramb: Praktikumsintegrierter Umweltschutz -<br />

Evaluation eines neuen Konzeptes zur Ausbildung von Chemieanfängern. -<br />

Das Hochschulwesen 1996/4 257-261<br />

[62] T. Eicher, L. F. Tietze: Organisch-chemisches Grundpraktikum. -<br />

Thieme Verlag, Stuttgart, 1993<br />

[63] V. Wiskamp, V. Kramb, C. Buschmann, I. Kunte: Projektarbeiten im<br />

Chemieanfängerpraktikum. - chimica didactica 21 (1995) 228-243<br />

[64] H. Oehme, J. Stelter, P. Hansen: Allgemeines Anorganisch-Chemisches<br />

Grundpraktikum, Teil 2 und Teil 2. - Universität Rostock, Rostock, 1995 bzw. 1996<br />

[65] V. Wiskamp: Aspekte einer Einheit von Forschung und Lehre an Fachhochschulen.<br />

Das Hochschulwesen 1995/1 47-48


125<br />

Danksagungen<br />

An erster Stelle möchte ich Prof. Hanns Fischer danken. Er hat mich immer unterstützt<br />

und sich sehr für meine Arbeiten interessiert. Am wichtigsten ist, dass er mich für sein<br />

Zürcher Modell begeistert und mir damit ein Arbeitsgebiet geschenkt hat, dem ich mich<br />

mit Engagement und mit innerer Überzeugung während eines nicht unerheblichen Teils<br />

meines Berufslebens widmen durfte.<br />

Die Vielzahl von Publikationen, auf denen die vorliegende Arbeit basiert, wäre ohne die<br />

konstruktive Mithilfe und Unterstützung vieler Studenten, Kollegen und Freunde nicht<br />

möglich gewesen. Allen Coautoren gilt <strong>des</strong>halb mein aufrichtiger Dank.<br />

Für sehr lange Zusammenarbeit danke ich dem Doktoranden Volker Kramb, dem<br />

Lehramtsstudenten Harald Lüdkte, meinem Mitpreisträger Klaus Trageser sowie den<br />

studentischen Hilfskräften Andreas Brietzke, Ralf Bauer, Alexander Nintschew und<br />

Simone Zenker sowie dem Kern meines Projekteams Wolfgang Proske, Johannes Röder,<br />

Bertram Schmidkonz und Viktor Obendrauf.<br />

Meinen Kollegen an der Fachhochschule Darmstadt danke ich dafür, dass sie mir die<br />

Möglichkeit für die <strong>vielseitige</strong>n und aufwendigen Entwicklungsarbeiten gegeben haben.<br />

Weiterhin bin ich zahlreichen Chemikern in Industrie, Ökoinstituten und Wasserwerken,<br />

Dozenten an <strong>Hochschule</strong>n, Chemiedidaktikern und -lehrern sowie Redakteuren<br />

fachdidaktischer Zeitschriften und Verlage für <strong>vielseitige</strong> Unterstützung und Beratung<br />

dankbar.<br />

Dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Deutschen<br />

Bun<strong>des</strong>stiftung Umwelt danke ich für zusätzliche finanzielle Unterstützung in der<br />

Größenordnung von 100.000 DM zur Durchführung der hier beschriebenen Projekte.<br />

Der Universität Tsukuba, Japan, und der Lichtenbergschule in Darmstadt danke ich<br />

dafür, mir die Gelegenheit zu Forschungs- und Praxissemestern gegeben zu haben.<br />

Frau Prof. Christiane Reiners danke ich für die gute Zusammenarbeit von Seiten der<br />

Universität zu Köln.<br />

Schließlich danke ich meiner Familie für Geduld, Verständnis und Unterstützung.

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